Mental Disorder von Kaiserskorpion (Es geht endlich weiter: Kapitel 6!) ================================================================================ Kapitel 5: Psycho? ------------------ Ich wurde zurück in mein Zimmer gebracht, nachdem Oota-san weg war. Mit den Pflegern sprach ich kein Wort. Die Frau, die auch mit dem Kommissar geredet hatte, unterhielt sich an mir vorbei mit ihrem Kollegen. Ich ging zwischen ihnen und die beiden waren offenbar der Meinung, dass ich ohnehin nichts verstand. Ich war ihrer Meinung nach also in höchstem Maße unzurechnungsfähig. Vermutlich wussten sie nicht mal, was ich für Probleme hatte, die vielleicht im Entferntesten Sinne einer psychischen Störung glichen. Außer der Sache mit der fehlenden Erinnerung und dem Schock, der mir noch immer in den Knochen saß, fehlte mir doch nichts! Aber ich hütete mich davor, ihnen das zu sagen, da sie mir ohnehin entweder nicht zuhören oder nicht glauben würden. Stattdessen blickte ich apathisch auf den Boden vor meinen Füßen, lauschte ihrem für mich sehr interessanten Gespräch, während wir durch die Flure gingen. „Was glaubst du“, fragte die Frau. „Wie will er ihn hier raus holen?“ Ach ja... sie hatten ja mitbekommen, wie Oota-san mir versprochen hatte, dass er mich von hier wegholen wollte. Das hatte ich ganz vergessen. Ihr Kollege überlegte, ehe er antwortete. „Wenn er es wirklich schaffen will, braucht er einem ärztlichen Befund. Anders geht’s nicht. ...oder?“ Sie zuckte die Schultern. „Ich kenn mich da nicht aus... obwohl... polizeilicher Beschluss, Befehl von ganz oben?“ Ihr Gesprächspartner zu meiner Rechten schüttelte den Kopf. „Ohne Befund läuft nichts. Und der ist nicht einfach zu kriegen.“ Innerlich ließ ich den Kopf hängen. Wo wollte Oota-san denn einen ärztlichen Befund herkriegen? Das war doch ein Ding der Unmöglichkeit... meine Lage war offenbar aussichtslos. An dieser Stelle wurden meine Gedanken jedoch abgelenkt. Je näher wir meinem Zimmer kamen, desto nervöser wurde ich, desto weiter breitete sich ein unangenehm flaues Gefühl in meinem Magen aus. Keiji tauchte vor meinen inneren Augen auf, die Szene, die ich erlebt hatte, ehe ich von den beiden neben mir abgeholt worden war, lebte wieder auf. Ich begann zu zittern, hob den Blick, blieb stehen. Meine beiden ‚Aufpasser’ taten es mir gleich. „Was ist?“, fragten sie mich, bereiteten sich vermutlich darauf vor, dass ich gleich ausfallend wurde. Wurde ich aber nicht. Ich stand einfach nur da, starrte angsterfüllt auf die Tür meines Raumes. Ich wollte da nicht rein. Bebend schlang ich die Arme um meinen Körper, zog den Kopf ein. „Was sehen Sie, Matsumura-san?“, fragte der Pfleger. Meine Tür, dachte ich und fragte mich, was er wohl mit der Frage bezwecken wollte. Dass er so versuchte, festzustellen, ob ich gerade halluzinierte, darauf kam ich im Moment nicht. War ja auch abwegig für mich. Ich hatte doch einfach nur Angst, nichts weiter. Einfach nur Angst vor Keiji, davor, dass ich erneut so eine Vision bekam, dass er mich erneut überfiel, dass er mich anschrie, dass er mich schlug. Ich wollte nicht allein mit ihm sein und auch, wenn diese beiden Pfleger nicht die sympathischsten und vertrauenserweckendsten Personen waren, sie waren jemand und mit ihnen war ich nicht allein. Und darum ging es mir hauptsächlich in dem Moment. „Meine... meine Tasche“, hauchte ich schließlich, froh darüber, dass mir etwas eingefallen war, womit ich den Zeit an dem ich in mein Zimmer musste, noch etwas hinauszögern konnte. „Ah, Sie haben Ihre Tasche im Sprechraum vergessen?“, fragte die Frau mit einem mal freundlich. Ich nickte. „Wollen Sie, dass wir sie zusammen holen?“ Erneut nickte ich, atmete erleichtert auf, als wir noch einmal umdrehten und ich diesen Raum mit den angeschraubten Möbeln noch einmal entkommen war. Jedoch auch nicht für lange. Wir holten meine Reisetasche, die noch immer genau da lag, wo ich sie fallen lassen hatte, wobei etwas anderes meine Aufmerksamkeit viel mehr auf sich zog. Da lag eine Zigarettenschachtel auf dem Boden. Hatte die Oota-san verloren? Es musste fast der Fall sein, denn sie lag neben dem Stuhl, auf dem der Kommissar gesessen hatte. In einem Moment, in dem die beiden Pfleger durch ein Gespräch, das sie miteinander führten, unaufmerksam waren, hob ich die kleine Schachtel auf und steckte sie mit dem Rücken zu den beiden in eine Seitentasche meiner Reisetasche. Dann wurde ich endgültig in mein Zimmer zurück gebracht. Und da saß ich nun. Stocksteif auf dem Stuhl. Die Tasche stand vor mir auf dem Tisch, ich starrte sie an, als würde ich meditieren. Die Schultern hatte ich gehoben, ich war angespannt. Schließlich streckte ich die Hand nach dem Reißverschluss aus und zog ihn auf. Da waren Anziehsachen für mich, das Buch, das ich gerade las und das auf meinem Nachttisch gelegen hatte. In ein Handtuch eingewickelt fand ich Zahnbürste, Zahnpasta, meine Haarbürste, Deo, Duschgel und Shampoo sowie Creme und sogar mein Handspiegel. Eine jähe Welle von Dankbarkeit überkam mich dem Kommissar gegenüber. Er hatte wirklich an alles gedacht. Ordentlich räumte ich die Tasche aus, schob sie schließlich unter den Tisch und ordnete – froh darüber, dass ich eine Ablenkung gefunden hatte – meine gesamten Sachen auf die Tischplatte. Sorgfältig achtete ich auf eine gleiche Entfernung zwischen den einzelnen Dingen, sortierte die Klamotten nach Farben. Die Sachen fürs Bad, also Shampoo, Duschgel, Zahnpasta, etc. stellte ich immer etwas weiter nach unten versetzt in die Lücken zwischen den Stapeln. Den Mittelpunkt des Ganzen bildete die Zigarettenschachtel des Kommissars. Von allen Seiten betrachtete ich mein Werk, krabbelte sodann unter den Tisch, setzte mich mit angezogenen Knien neben meine Tasche und schlang die Arme um die Knie. Ein paar mal wippte ich hin und her, dann nahm ich mir meine Tasche und durchsuchte jedes Fach aufs Genaueste. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich unter dem Tisch gerade sehr wohl, riss erfreut die Augen auf, als ich einen alten, grünen Filzstift fand. Warum er da in der Tasche war und wie er da hingekommen war, wusste ich nicht. Aber das war ja nichts Besonderes. Ich hatte ihn da vermutlich mal hingeräumt, als ich ein Blackout hatte. Mit dem Daumen schnippte ich die Kappe des Stifts davon, schaute ihr zu, wie sie etwa einen halben Meter von mir wegflog, mit einem Klappern auf dem Boden landete und noch etwas weiterschlitterte. Auf den Knien rutschte ich ihr hinterher, setzte mich an die Stelle, wo ich sie aufgehoben hatte, steckte sie wieder auf den Stift, schnippte sie abermals weg, krabbelte ihr wieder hinterher, nachdem ich ihr beim Fliegen und Fallen zugesehen hatte. Das wiederholte ich immer wieder, drehte so meine Runden durchs Zimmer. Als der Deckel des Stifts irgendwann gegen die Wand des Zimmers flog, daran abprallte und dann zu Boden fiel, wurde ich auf die Raufasertapete aufmerksam. Eine jähe Frage schoss mir durch den Kopf: Wie viele Fasern das wohl waren? Langsam erhob ich mich vor der Wand, berührte sie vorsichtig mit den Fingerspitzen, ertastete die feste Struktur des Materials der Tapete. Dann nahm ich mir den Stift zur Hand, ging zu einer Ecke des Raumes, begann die gut sichtbaren Fasern der Raufasertapete zu zählen. Auf jede schon gezählte vor ihnen machte ich einen kleinen grünen Punkt. Und alle zehn Fasern schrieb ich sorgfältig die aktuelle Zahl an die betreffende Stelle. So lenkte ich mich ab und verbrachte den Rest des Abends mit Zählen. Als ich bereits an der zweiten Hälfte der Wand tätig war, hörte ich Schritte von draußen vor der Tür, schrieb rasch meine momentane Zahl auf die gerade gezählte Faser, ehe ich nach dem Deckel des Filzschreibers griff, der mitten im Zimmer auf dem Boden gelegen hatte und den Stift zustöpselte. Gerade, als ich den grünen Stift zwischen meine Shorts und die Socken auf den Tisch drapiert hatte, scharrte ein Schlüssel im Schloss meiner Tür. Ich drehte mich um, erblickte die Pflegerin, die mich für geistig gestört hielt. „Guten Abend, Matsumura-san!“, meinte sie freundlich und lächelte mich warm an. „Es ist Essenszeit. Kommen Sie.“ Diesmal war sie alleine, wie mir auffiel. Vielleicht waren sie doch darin übereingekommen, dass ich nicht gefährlich war. Zusammen mit anderen, die offenbar auch auf meiner Station waren, ging ich zum Essen. Eine alte Frau neben mir sah mich lange und scheinbar weggetreten an, ehe sie zusammenzuckte und die Augen verdrehte. „Mörder!“, zischte sie, schaute mich böse an, wandte sich dann von mir ab. Mörder? Ich? ... ich.... ich konnte doch so was gar nicht! Ich wusste doch nicht wie! Ein Schild zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es hing an einer Glastür, die wir gerade durchquert hatten. Geschlossene Station stand darauf. Sie hatten mich in die geschlossene Station gesteckt? Allmählich kam ich mir wirklich vor, wie in psychisch komplett verwirrter Massenmörder. Dabei hatte ich doch gar nichts getan! Das Essen an sich war okay, es gab mir ein Gefühl, das mir sagte, tatsächlich nahezu normal zu sein. Ich saß neben einer Frau die sich mit ihrem Ramen unterhielt und einem Mann, der permanent versuchte, mir weiß zu machen, dass er die Reinkarnation von Hide war. Aber er biss da auf Granit, denn ich sprach nicht, ignorierte alles um mich herum, konzentrierte mich wirklich nur auf mein Essen. Und das war gut so, wie ich feststellen durfte. Denn ich war mir hundertprozentig sicher, dass man, wenn man als Nichtverrückter hier her kam, zu lange verweilte und nicht auf Durchzug schaltete, selbst verrückt wurde. Und zwar schneller als man ‚normal’ sagen konnte. Es wurde gewartet, bis jeder mit dem Essen fertig war, was tatsächlich länger dauerte, als ich gedacht hätte und dann wurden die Patienten aller Stationen wie kleine Schafherden auf ihre jeweilige Station in ihre Zimmer gebracht. Diesmal betrat ich den Raum, ohne mich zu sperren, verspürte auch gar nicht die Angst vor Keiji, sondern eher Freude auf die Beschäftigung, der ich bis vorm Essen nachgegangen war und die jetzt auch wieder auf mich wartete. Kaum, dass meine Tür verschlossen war, griff ich nach dem Stift, achtete dabei penibel genau darauf, dass ich keines der so ordentlich drapierten Dinge auf dem Tisch verrutschte, ehe ich meine Zählerei fortsetzte. Alle hundert Fasern machte ich eine kurze Pause, um etwas nachzudenken. Und derjenige, um den sich meine Gedanken drehten, war nicht Keiji, sondern Oota-san. Noch immer wurde ich nicht schlau aus ihm. Er war Kommissar, ja.... aber war das nun gut oder schlecht für mich? Sein Auftrag war, den Mörder von Keiji zu suchen, zu finden und festzunehmen, damit er veranlassen konnte, dass der Übeltäter hinter Gitter kam. Einerseits konnte ich mehr als froh sein, dass der Brünette da war und seinem Job nachging. So würde der Mörder schneller gefasst werden und ich musste nicht auch noch Angst haben, dass der Typ mir ebenfalls an den Kragen wollte. Andererseits war ich wohl zwangsläufig auch tatverdächtig. Immerhin war ich mit Keiji zusammen gewesen, die Beziehung war alles andere, als harmonisch gewesen und ich wusste nicht mal mehr, was an dem Abend passiert war. Somit standen die Chancen wohl ziemlich schlecht für mich. Ich nuckelte etwas am Deckel des Filzers, welchen ich zwischen die Lippen geklemmt hatte. Irgendwie verursachte die Tatsache, dass Oota-san sowohl gut, als auch schlecht für mich sein konnte, Angst in mir. Andererseits hatte es aber auch einen gewissen Reiz. Und so nebenbei: Oota-san hatte schon was. Er war vermutlich nicht viel älter, als ich. Er sah gut aus. Und so, wie ich ihn bisher erlebt hatte und einschätzen konnte, hatte er eine sehr angenehme Art. Aber ich wusste ja nicht, wie er war, wenn er zu Hause war. Außerdem: Woher wollte ich überhaupt wissen, dass er ebenfalls homosexuell war? Mit zusammengekniffenen Augen schüttelte ich fest den Kopf, sodass meine Haare flogen und mir ins Gesicht schlugen. Dann hauchte ich gegen die Spitze des Stifts, mit welcher man schrieb und zählte weiter die Fasern der Tapete. Sonst würde ich hier nie fertig werden. Ich zählte weiter, bis es draußen stockdunkel war, bis ich von dem hellen Neonlicht an der Decke Kopfweh bekam. Suchend blickte ich mich um, wollte wissen, wie spät es war, und wie lange ich hier jetzt schon war, wie lange ich schon zählte. Und ich wollte nicht mit meiner Angewohnheit brechen, um zweiundzwanzig Uhr ins Bett zu gehen. Keiji hatte diese Angewohnheit immer lächerlich gefunden. Er war meistens erst zwei bis drei Stunden nach mir ins Bett gekommen und wenn ihm danach war, hatte er mich geweckt, um mit mir zu schlafen. Wenn ich dazu mal Lust hatte, war er entweder nicht da, oder er war beschäftigt, oder aber, er wies mich aufgrund von Unlust ab. Der Akt an sich war zumeist auch nicht wirklich zärtlich gewesen. Es gab nicht viel Küssen oder Kuscheln, meistens war es einfach nur purer Sex. Klar, körperliche Befriedigung hatte man da hinterher, aber die seelische nicht. Ich war aber ein Mensch, der viel Zuneigung und Anlehnung brauchte, das wusste ich. Ich wollte einfach nur gemocht werden, wie ich war. Erst jetzt im Nachhinein fiel mir auf, wie viel ich mir von Keiji hatte gefallen lassen. Dass er mich unterbutterte hatte ich ja gemerkt, aber es war für mich normal gewesen. Und wirklich erst jetzt, da Keiji nicht mehr da war, jetzt, wo er nur noch eine Erinnerung war, jetzt da ich mir richtig bewusst machte, dass ich allein war, dass er mich nicht mehr bevormunden und schlagen und schimpfen würde, dass ich jetzt auf mich selbst gestellt war, fiel mir auf, wie ich die letzten Jahre eigentlich gelebt hatte. Ich wandelte in meinem Zimmer auf und ab, schaute den Stift an, als währe er ein ernstzunehmender Gesprächspartner. Sodann stellte ich mich auf den Stuhl und legte den Filzschreiber ordentlich auf den etwas vorstehenden, oberen Fensterrahmen. Nicht, dass noch jemand auf die Idee kam, ihn mir wegzunehmen, oder ihn für sich zu beanspruchen. Vorsichtig griff ich nach meiner Zahnbürste und der Zahnpasta, sowie einem Handtuch. Ich wollte mich Waschen und die Zähne putzen, bevor ich schlafen ging. Das hatte ich immer so gemacht und das wollte ich weiterhin so machen. Etwas orientierungslos schaute ich mich im Zimmer um, in der Hoffnung, zumindest etwas Badähnliches zu finden, wo ich alle Geschäfte erledigen konnte, die man eben vor dem zu Bett gehen zu erledigen hat. Doch ich fand nichts. Mein Blick fiel lediglich auf einen roten Knopf, unter dem ein laminierter Zettel hing. Bitte betätigen Sie diesen Knopf, wenn Sie die Hilfe eines der Pfleger benötigen, hieß es da. Und ohne zu zögern drückte ich kräftig auf den Knopf. Immerhin brauchte ich jetzt Hilfe. Ich konnte nicht schlafen, wenn ich mich nicht vorher waschen und die Zähne putzen konnte. Es dauerte nicht mehr lange und schon stand ein mir noch fremder Pfleger auf der Matte, der meine Tür aufschloss und mich freundlich fragte, was denn los sei. „Ich möchte mich bettfertig machen“, sagte ich also und schaute ihn fest entschlossen an. Er schenkte mir ein Lächeln, nickte, meinte, ich solle ihm doch bitte folgen, er würde mich in den Sanitärbereich begleiten. Ich stimmte zu und ging ihm brav nach, wie ein Hund seinem Herrchen. Alsbald waren wir in einem weiß gefliesten Raum, an dessen Wand einige Waschbecken hingen. Über diesen hing jeweils ein Spiegel und gegenüber von den Waschbecken und den Spiegeln waren saubere Toilettenkabinen und ein paar Pissoirs. Ich trat an ein Waschbecken in der Mitte, stellte, bzw. legte meine Sachen dort ab und wollte mein Oberteil ausziehen. Doch irgendwie klappte das nicht so ganz, da der Verschluss hinten war und ich nicht rankam. Sofort war der Pfleger zur Stelle und half mir, es auszuziehen. Abermals bedankte ich mich und hängte das Leibchen an einen in die Wand eingelassenen Haken neben dem Spiegel und achtete darauf, dass ich es nicht nass spritzte, als ich mich wusch. Sodann putzte ich mir die Zähne und betrachtete mich währenddessen im Spiegel. Irgendwie sah ich mager aus. Und ich war blass. Und ich hatte dunkle Schatten unter den Augen, die noch etwas verquollen waren. Den Pfleger, der schräg hinter mir an der Wand lehnte und mein Tun überwachte, vergaß ich ziemlich bald. Genau genommen in dem Moment, in dem ich einen großen blauen Fleck an meinem Oberarm entdeckte. Das war Keiji gewesen, als er mich vor ein paar Tagen brutal gepackt und fast zu Boden geworfen hatte. Das wusste ich noch. Und es hatte mir sehr wehgetan. Sowohl körperlich, als auch seelisch. Aber jetzt würde mir so was nicht mehr passieren. Jetzt war kein Keiji mehr da, der mir wehtun und mich zusammenstauchen konnte. Jetzt war Keiji tot und ich war frei. Sozusagen. Und irgendwie verflog alle Trauer aus mir und ich wurde richtig froh. Eine skurrile, makabere Freude ergriff Besitz von mir und verleitete mich dazu, mein Spiegelbild breit anzugrinsen, sodass mir Zahnpasta aus dem Mund lief und über das Kinn auf meine Brust tropfte. Erschrocken zuckte ich zusammen, beugte mich ruckartig nach vorne, um mich nicht noch weiter zu besudeln, schlug mir dabei fast die Stirn an dem hoch geschwungenen Wasserhahn an. Ich entfernte den Zahnpastaschaum sowohl aus meinem Mund, von meiner Brust und aus meiner Zahnbürste, welche ich an meinem Handtuch trocknete, nachdem ich dies auch mit meinem Oberkörper und meinem Gesicht getan hatte. Einen Moment lang ließ ich alles stehen, um noch aufs Klo zu gehen. Als ich aus der Kabine kam, hatte der Pfleger meine Sachen zusammengepackt und half mir in mein Oberteil. Dann brachte er mich auf mein Zimmer und wünschte mir eine gute Nacht. Ich erwiderte den Gruß und räumte all meine Sachen wieder ordentlich auf, wobei ich das Handtuch jedoch über die Lehne des festgeschraubten Stuhls hängte. Als ich umgezogen im Bett lag, die Arme hinterm Kopf verschränkt hatte und ins Dunkel über mir starrte, kam mir der Name des Pflegers wieder in den Sinn, den ich auf einem Namensschildchen gelesen hatte, das an der Brusttasche seines Kittels hing. „Suzuki Ren...“, murmelte ich leise. Suzuki... hatte ich den Namen heute nicht schon mal gehört...? Ein wenig überlegte ich noch, ehe ich mich umdrehte und mit einem wohligen murmeln einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)