Digimon 02 - Dead End von UniverseHeart (- Was bleibt am Ende? -) ================================================================================ Kapitel 2: Born Undead ---------------------- Ich weiß nicht, wieso meine erste Kreation ausgerechnet so herausgekommen ist. Meine Kreatur ist tot, und lebt dennoch irgendwie. Wenn ich in ihr Gesicht sehe, dann weiß ich, dass sie mit mir mehr gemeinsam hat, als man auf den ersten Blick vermuten kann. Denn sie spiegelt wider wie es IN MIR aussieht. Sie ist so untot wie ich es bin, nur hier, weil es einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt, eine Aufgabe, die sie noch nicht erfüllt hat und gerade diese eine Aufgabe ist es, die ihr nicht die ewige Ruhe gewährt, welche sie sich wahrscheinlich so sehr ersehnt. Es ist schon fast erschreckend zu sehen, wie viel von mir sie hat, aber es ist auch nicht weiter verwunderlich. Diese Kreatur ist ein Teil von mir. Sie wäre nicht hier, wenn ich sie nicht aus meinen Genen gemacht hätte. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, sie wäre mein Sohn; obwohl sie aus meinem Leib kommt und ihren Ursprung in mir hat. Ich nenne dieses Wesen Mummymon, der erste Prototyp der überlebt hat und mein ganzer Stolz ist, obwohl er alles andere als perfekt ist. Doch ich bin glücklich, fürs erste reicht es mir, dass er lebt, vor allem nach all den vielen Fehlschlägen. Hiroki, du solltest ihn sehen! Er mag vielleicht ein wenig plump sein, aber... oh, ich weiß, dass er lebt und es erfüllt mich mit so viel Mut und Hoffnung. Endlich werde ich nicht mehr so unendlich alleine sein... Yukio blickte fasziniert auf den Computerbildschirm direkt vor ihm und auf die Konturen des Wesens welche sich darauf abzeichneten. Fasziniert, weil die Kreatur, die auf dem Bildschirm zu sehen war, genau eines der Wesen zu sein schien, an die er und Hiroki schon immer so fest geglaubt hatten. Ein Bewohner der Digiwelt, ein Digimon. Und er selbst hatte dieses Digimon erschaffen... Zum ersten Mal zeichnete sich ein Lächeln auf dem sonst verweinten Gesicht des jungen Mannes ab. „Hiroki... Hiroki, er ist nicht perfekt, aber er lebt. Mummymon lebt! So wie wir ihn entwickelt haben! Ah.. ah, wenn du ihn nur sehen könntest..“ Yukio konnte sehen, wie sich dieses Wesen frei über den Computerbildschirm bewegte, und sich beinahe schon neugierig umzusehen schien. Nach all der Arbeit die der Mensch sich gemachte hatte konnte er wahrlich stolz auf sich sein. Wenn er jedoch daran dachte, wie viele Opfer es letzten Endes gekostet hatte, und welche Mühen zunächst vergeblich geblieben war, war er noch glücklicher darüber, dass es nun anscheinend geklappt hatte. Doch wie lange würde ihm Mummymon wohl bleiben? Denn einige andere aus der ersten Testreihe haben auch bis zu ihrer „Geburt“ überlebt, jedoch nicht die Zeit danach, was für Yukio darauf hindeutete, dass menschlich-digitale Hybride alles andere als stabil waren. Genau dies zu auszubessern war nun sein vorrangiges Ziel. Jedoch fragte er sich immer wieder, wieso er sich diese Mühen überhaupt machte. Yukio seufzte nur, als er das digitale Wesen auf dem Bildschirm betrachtete und sein Blick sich auf die Designs auf Papier senkte, auf welchem er auch zusätzliche Randnotizen niedergeschrieben hatte. Mummymon... wieso ausgerechnet eine Mumie? Nun ja, dachte sich Yukio, es war eines der Digimon, die er sich damals mit Hiroki ausgedacht hatte. Zwar nur auf dem Papier, als schlichte Zeichnung, nur so zum Witz für zwischendurch, aber Yukio hatte alle diese Zeichnungen von damals bis heute sorgfältig aufbewahrt. Nach dem Tod seines besten Freundes waren sie erst recht ein wohlgehüteter Schatz gewesen. Weil er die Einsamkeit einfach nicht mehr aushielt kam ihm eines Tages die Idee, eines jener digitalen Wesen an die sie so fest geglaubt hatten, tatsächlich zu realisieren. Doch wo hatte er anfangen sollen? Es war ein ganzes Stück Arbeit gewesen, eigenständige Digimon zu erschaffen, wenn man nicht weiß, wie sie eigentlich in Wirklichkeit sind oder sein sollen. Ob Mummymon wirklich eigenständig war, das würde sich erst zeigen müssen, ebenso, ob er sich nicht bald wie die anderen in Luft auflöst, oder ob er wirklich eines der digitalen Wesen ist, die sich Digimon nennen und nicht einfach nur ein virtuelles Haustier. Er las sich das Blatt durch. „Mummymon. Ultra-Level, Typus: Virus. Beinhaltet Daten von Untoten Digimon, gemischt mit DNA Sequenzen 10.65439, 3.53619, 7.36128 sowie 9.2715“ Daten von untoten Digimon also. Stimmt, dachte er, es wäre besser, erst einmal diesen Typus von Dateien zu verwenden, da untote Digimon diesen Prozess eventuell leichter überleben konnten als ihre Vorgänger. Yukio blickte einmal mehr auf den Computerbildschirm, in Gedanken versunken an eine Erinnerung, die ihn erst recht dazu gebracht hatte, sich hierhin zu setzen und wirklich diesen alten Plan weiter fortzuführen. Er erinnerte sich mit einem Lächeln an die alte Zeit mit Hiroki zurück, als Hiroki noch lebte. „Ich weiß noch, wie oft wir uns damals getroffen hatten, um über unsere geliebte Digiwelt zu spekulieren, und darüber zu diskutieren, wie sie wohl sein muss und wie es wäre dort zu sein. Nicht nur das, wir waren mehr als glücklich darüber, als wir uns endlich sowohl die Mittel als auch die Kenntnis erworben hatten, uns noch mehr damit zu beschäftigen. Ich weiß noch den Tag, an dem du dir tatsächlich einen Computer gekauft hattest und auch mir geholfen hast einen zu bekommen, nur damit wir uns hinsetzen und mit der Programmiersprache auseinandersetzen konnten. Wir wollten soviel wie nur möglich darüber lernen, damit wir uns vielleicht sogar ein Tor hätten öffnen können! Oh ja, wenn ich heute daran denke wie viel Spaß wir daran hatten und an all die Abende, die wir damit verbrachten, unsere Theorien zu verfeinern und sie in die Realität umzusetzen.... was mir davon geblieben ist, ist vor allem ein Bild: Wie du mich mit einem Lächeln ansieht, das zu eine breiten Grinsen wird und wie du deine Hand hebst, mit einem ausgestreckten Daumen. Du klopfst mir anerkennend auf die Schulter, bevor wir beide in Lachen ausbrechen, das einfach nicht aufhören will. Zumindest dachte ich, dass ein solch lebensfrohes Lachen nicht sterben kann, sogar den Tod überwinden kann. Wie falsch habe ich wohl damit gelegen...denn es ist verstummt und hallt nun nur noch als Echo in meinen Erinnerungen wider.“ *** Ich weiß nicht, wo ich bin, und wer ich bin. Um mich herum ist nur eine Leere abgesehen von einer Art Fenster direkt vor mir, das mir einen Einblick in eine völlig andere Umgebung bietet. Ich kann eine andere Person darin sehen, in einem dunklen Raum, die zu schlafen scheint. Ihre violetten Haare sind in das Gesicht gefallen und ich sehe wie sich der Brustkorb leise hebt und senkt. Mein Schöpfer scheint zu schlafen. Ich nutze den Moment um nachzudenken, aber ich merke schnell, dass es keinen Sinn hat, dass es noch zu vieles gibt, was ich noch nicht verstehe. Einen Sinn. Das ist es, was mir noch fehlt. Es ist eine Frage, die nur mein Schöpfer mir beantworten kann. Ich blicke an meinen Körper herunter, und bemerke, wie er eingehüllt ist in etwas, zu dem ich keine Bezeichnung finden kann. Stofffetzen? Ja, Stofffetzen hängen an meinem Körper herunter. Ich hebe meine Hand, nur um zu bemerken, dass ich anstatt Finger schwarze Klauen habe und als ich an meinen Körper herunter sehe, bemerke ich die silbernen Beinschienen, die mich wohl abstützen sollen. Selbst an meinen Füßen habe ich jeweils drei lange schwarze Klauen. Langsam merke ich, wie sich mein Blick trübt, dass mein Blickfeld eingeschränkt zu sein scheint. Auch habe ich schwarze Bänder an meinem Körper, festgemacht mit silbernen Schnallen. Eine violette Mütze ist auf meinem Kopf. Als ich sie abnehme, merke ich, dass sie am Ende festgeknotet ist, und zwei lange violette Bänder herunterhängen. Warum bin ich hier? Woher weiß ich, was ich weiß? Wieso wurde ich geboren, wieso sehe ich so aus wie ich aussehe? Alles das kannst nur du mir sagen, Schöpfer. Ich möchte dich besuchen kommen. Denn es gibt so viele Dinge, die ich nur von dir und dem Kontakt zu dir lernen kann. Als Yukio von seinen Gedanken erwachte, merkte er, dass er wohl eingenickt war. Er schreckte hoch, nur um zu sehen, dass sein Computer noch immer eingeschaltet war, obwohl er dachte, er hätte ihn schon längst wieder heruntergefahren. Doch als er mit seinen schwarzen trüben Augen aufsah, bemerkte er etwas ungewöhnliches. Der Bildschrim leuchtete so hell wie nie zuvor. Erschrocken warf er einen Blick auf ihn, um nachzusehen ob etwas mit seiner Kreation passiert sei, doch er fand nur Leere vor. Seine Augen verengten sich, nicht nur wegen dem hellen Licht, sondern auch aus Angst, die nun sein Herz umklammerte. Wo war Mummymon nur hin? Hatten sich seine auch Daten aufgelöst wie die all seiner Vorgänger? Nein, das konnte nicht sein. War all die Arbeit wirklich umsonst gewesen? Aber wie konnte es sein, dass ausgerechnet das Wesen mit den Daten der untoten Digimon am kürzesten durchgehalten hat? Waren seine Theorien falsch? „Suchst du jemanden?“ Als Yukio diese Worte hörte, blieb ihm beinahe das Herz stehen. Jemand war mit ihm im Raum obwohl er doch sonst immer alleine war und die Wohnung mit niemandem teilte. Seit dem Tod seines besten Freundes konnte er das auch nicht. „Wer ist da?“, schrie Yukio vor Schreck als er sich umdrehte, nur um dort ein Wesen stehen zu sehen. Blinde Angst griff nach seinem Herz als er feststellte, dass es Mummymon war der im Schatten stand. Nur der helle Schein des Computerbildschirms gab ihm genug Licht um die Konturen des Monsters zu erkennen, welches so plötzlich im Zimmer stand. Die Schatten die von Mummymon ausgingen waren ebenso beeindruckend wie das Wesen selbst. „Ich habe dich gefragt, ob du nach jemandem suchst“, wiederholte das Wesen in einer unbeholfenen, aber sanften, beinahe schon schüchternen Stimme. Yukio konnte keine Antwort finden, konnte nichts tun, außer das Wesen anzustarren. Schließlich brachte er doch ein paar wenige Worte hervor. „Wie kann das sein? Du bist doch... digital, wie kannst du dann hier im Zimmer stehen??“ Das Wesen sagte nichts sondern senkte nur den Kopf, Verwunderung war in seinem Gesicht zu erkennen. „I...ich weiß es n..nicht..“, stotterte es in seiner plumpen, unbeholfenen Art. So war es also, verrückt zu sein, dachte sich Yukio. Schlagartig wusste er, dass ihm selbst nichts passieren würde und dass das Wesen, was immer es auch war, ihm nicht wehtun wollte, denn dafür wirkte es erstens zu unschuldig, und zweitens zu sanft und gutmütig. Andererseits war sich der fahle Mann mehr als sicher, dass es nur eine schräge Halluzination war, wohl hervorgerufen durch die andauernde und anstrengende Arbeit an seinem Projekt, für welches er sich im Zuge dessen sogar ein paar Tage von seiner Arbeit freigenommen hatte. Jetzt wusste er, dass man mit Erschöpfung besser keine Scherze machen sollte. Sobald diese schräge Halluzination verschwunden war, schwor er sich, würde er sich erstmal hinlegen und richtig durchschlafen. Ersteinmal musste er jedoch Mummymon wiederfinden. „Stör mich bitte nicht“, sagte Yukio zu diesem Wesen, als er sich von ihm wegdrehte und dabei die Schulter zeigte, „ich suche gerade nach Mummymon. Er ist einfach so verschwunden und ich weiß nicht, wo er hin ist. Oh Gott, ich hoffe, dass ihm nichts schlimmes passiert ist.“ Das mumienartige Wesen, sah ihn verdutzt an bevor es ein glucksendes Geräusch von sich gab. „Aber ich bin doch hier, du musst mich nicht auf dem Bildschirm dort suchen, wenn ich doch genau vor dir stehe.“ Schlagartig hielt Yukio inne, drehte sich ruckartig zu der Mumie um, stand von seinem Stuhl auf und in einer direkten Konfrontation berührte er dieses Wesen an seinem Brustkorb. Tatsächlich. Mummymon war lebendig, und aus Fleisch und Blut! Es war keine Einbildung. Der fahle Mann konnte es nicht glauben und um es doch irgendwie zu verstehen, berührte er Mummymon hier und da, und nahm sogar neugierig die Bandagen in die Hand, die an einigen Stellen von dem Wesen herunterhingen. Mummymon ließ die ganze Prozedur schweigend über sich ergehen, mit einem neugierigen Blick in seinem Gesicht, zumindest so neugierig wie es eben nur mit einem Auge ging. Schließlich blickte Yukio ihm in das einzige Auge und die Konturen seines Gesichtes, als Mummymon ihn nur anlächelte und dabei seine spitzen Zähne zeigte. Und als er sich schließlich zu der Feststellung durchgerungen hatte, ergriff nun wirklich Angst seinen Verstand, schien ihn zu lähmen und zu einem wilden Tier zu machen. „Verschwinde!!!“, schrie Yukio auf, als er nach hinten stürzte und hinfiel. Mummymon beugte sich nach vorne, bereit seinem Schöpfer eine Hand zu geben und wieder auf die Beine zu ziehen, doch der wich nur noch weiter vor ihm zurück. Das Wesen, das nicht wusste, was jetzt wieder los war, blickte seinen Meister nur verunsichert an. „Lass mich dir helfen!“, sagte er nur, doch Yukio fuchtelte nur wild mit seinen Armen herum. „Lass mich in Ruhe!! VERSCHWINDE!!! ICH WILL NICHTS MIT EINEM MONSTER WIE DIR ZU TUN HABEN!!“ Und das Wesen blieb stehen, fast wie starr vor dem Anblick, der sich vor ihm abspielte. „Aber... ich... ich bin ein Monster??“, fragte es nur leise als es langsam den Arm senkte, ebenso wie seinen Kopf. „Ja, das bist du! Sieh dich nur an, du bist hässlich!“ Yukios Worte ließen das Wesen nun endgültig erstarren, und er bemerkte die komischen Geräusche, die von ihm ausgingen. Sein bandagierter Körper zuckte, als es auf einmal ein heulendes Geräusch machte, welches an Yukios Herz zerrte, sobald er es nur hörte. Weinte dieses Wesen etwa? Hatte er seine Gefühle verletzt? Oh, was hatte er nur getan? Er wollte dieses Wesen nicht so verletzen oder verunsichern, er hatte doch nur selbst nicht gewusst, wie er reagieren sollte, als er herausfand, dass dieses Digimon wirklich echt war und keine Vorstellung. Eigentlich, musste Yukio sich eingestehen, war sein Traum nun wahr geworden, wenn auch auf eine Art und Weise, die er nie als möglich bedacht hatte. Mummymon drehte sich um, und versuchte wegzulaufen, riss die Tür auf und verschwand durch sie auf den Flur. Yukio stand so schnell es ging auf, um ihm hinterher zu laufen und aufzuhalten. Wenn Mummymon wirklich echt war, musste er verhindern, dass es auf die Straße lief, sich selbst verletzte oder von anderen gesehen wurde. Doch er kam nicht weit da Mummymon hinfiel so ungeschickt wie er sich bewegte. Yukio kam gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen, auch wenn er sich selbst dabei wehtat, denn Mummymon war ziemlich schwer. Und als beide auf dem Boden lagen, sich ansahen und Yukios Blick auf das verweinte Gesicht der Mumie fiel, wurde ihm klar, dass dieses Wesen, dieses Digimon, wirklich viel mit ihm gemeinsam hatte. Denn unbewusst hatte Yukio ihn genauso genannt wie er früher von den anderen in der Schule immer gerufen wurde. Auch er fand sich selbst hässlich. Und auch er hatte oft geweint über all diese Ungerechtigkeit, genauso wie jetzt Mummymon. Ja, selbst die liebe Art von ihm erinnerte ihn an ihn selbst, so wie er früher und einst gewesen war – vor dem Tod seines besten Freundes. Doch nun war alles anders. Sein Freund war tot, doch ihr Traum lebte wieder, lebte, in Form eines untoten Wesens namens Mummymon. Es würde einiges dauern, mit dieser neuen Situation fertig zu werden, aber noch länger, einzusehen, dass selbst Mummymon nicht in der Lage wäre, die Wunden in seinem Herzen zu heilen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)