Voodoopunk von Technomage ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Regen vertrieb die Schatten aus den Gassen, während Eshu in den frühen Morgenstunden von unruhigem Schlaf hin und her geschwemmt in seiner Hängematte den Anbruch des Tages erwartete. Selbst in diesen ruhigen Stunden wogte die Stadt wie ein lebendiger Teppich aus Lichtern und Stimmen, die sich vom pulsierenden Trommeln des Tages und der Nacht zu einem feierlichen Murmeln herabgesenkt hatten. Nicht viele Orte kennen die Phase, außer Tag und Nacht, in den schwelgenden Stunden vor Sonnenaufgang. Es braucht genug Wesen, die um sie wissen und mit diesem Bewusstsein in ihr Leben, damit sie existiert. Doch Eshu schlief in diesen Stunden endlich den Schlaf erschöpfter Rabauken und Tunichtguts. Er machte einen Schritt nach Vorne und gleichzeitig anderthalb zurück ohne sich merklich zu bewegen wie ein trunkener Tänzer in den Straßen. Er glühte und es biss große Brocken von dem flimmernden Konglomerat an Reflektionen und Schnappschüssen ab, durch das er anmutig watete. Alles knirschte beim Gehen wie Tofu zwischen den Zähnen, während sein leichtfüßiger Tanz ihn tiefer zog. Der Schlamm aus Wahrnehmung mündete zu einem Sturzbach über die Klippe hinaus ins Weite mehr – ins weite Meer. Die großen Geisterahnen seien verdammt, sie hatten ihn in Bronze eingegossen und einfach ins Meer geschmissen, um sich seiner zu entledigen. Er war ein Risiko für die Ordnung, Nein, für den Fluss der Dinge geworden; was viel schlimmer war, da die Bewegung im Gegensatz zur Ordnung tatsächlich bestand. Erstarrt berührte er seine massiv legierten Finger, bewunderte wie das Wasser von seinem bronzenen Statuettenkörper abperlte, während er hinabsank auf den Grund des Meeres. Sich selbst ergreifen und hinaufheben wie bei der Bergung eines alten Geisterschatzes, das wäre die Lösung. Doch verschaffte es nur das Gefühl sich umarmen zu wollen, während er metallisch hinabgezogen wurde. Wenigstens ertrinkt eine Bronzeskulptur nicht, daran hätten diese Gossenratten denken sollen, bevor sie sich mit einem Kind der Gassen anlegen. Oh, er würde sie verfluchen, dass ihnen für den Rest ihres Lebens Kakteen von hohen Fenstersimsen auf den Kopf fallen würden, wenn er erst einmal die Hände frei bekäme. Jemanden verfluchen wie ein waschechter Hougan, das würde er bis dahin auch noch lernen. Schließlich gab es nicht viel zu tun, wenn man schwer ins Meer hinabsank. Der Boden kam jedoch schnell näher dafür, dass er im weiten, unergründlichen Ozean trieb. Verdammt seien die Bambusheiligen, ich schlag' gleich auf! Und ich wollte doch noch soviel aaaaaaaaaaaaah-- „-Aaaaaah!“ Eshu erwachte Sekundenbruchteile, nachdem er sich selbst im unruhigen Schwanken aus der Hängematte geschleudert hatte und bevor er bäuchlings auf dem Bambus seines Zimmerbodens aufschlagen würde. Es war genug Zeit, um sich zu fragen, ob jetzt gerade Warum oder Wozu die angemessene Frage wäre. Dann kam der nüchterne Aufprall. Bambus federt stets ein wenig nach, jedoch nicht genug um einen Sturz darauf sonderlich angenehmer zu machen. Er verharrte eine Weile regungslos ebenda und ebenso wie er gefallen war und langte mit ätherischen Fingern nach den Fetzen des Traums, der sich unter seinen hastigen Griffen selbst zerflückte wie Ascheflöckchen. Bis sein erwachendes Gehirn klar genug wurde um behutsam zu tasten, waren die Fragmente bereits zu klein und zusammenhanglos, um sich berühren zu lassen. Verflucht wieso ist es jeden Morgen das-- halt, Verfluchen genau ich wollte sie verfluchen aber wen wer war es den ich-- so ein Unsinn ich kann gar niemanden verfluchen verdammen selbst wenn ich es-- oh verdammt verdammt verdammt wie spät ist es? Wie eine in Schwingung versetzte Welle erhob Eshu seinen ruhig daliegenden Körper zum Stehen, als gäbe es keine notwendigen Zwischenbewegungen. Die Sonne war durch das einzige und unverglaste Fenster seines Zimmer eine schwammige Orange über dem Dunst der Horizonthäuser, die in den früh morgendlichen Nebel hinabblutete. „Quetzalcoatl“, fluchte Eshu laut in die Nachbarschaft hinaus und weckte einige der fetten Fledermäuse auf, die im höhlenartig überhängenden Gebälk seines Daches hingen und ihn nun durch schläfrige Äuglein feindselig ansahen. Du verdammte, lichte Hure bist schon wieder ohne mich aufgestanden, nachdem wir uns die ganze Nacht in den Falten meiner Matte gewunden haben, während du frei warst nicht am Himmel ausharren zu müssen. Jetzt leckst du dir deine Wunden und lachst dir eins über mich kleines Menschenkind. Tänzelnd schwang er sich durch den Raum, fischend nach seiner Ledertasche, dreckig und rau von Gassenstaub und Luftfeuchtigkeit, und warf Blätter, Gläser, Wurzeln, Amuletten hinein. Ein stolpernder Schlenker warf sie schwer gefüllt auf einen Haken nahe der Tür, während er schon storchend in hell verschmutzte Shorts schlüpfte und halb fallend ein Hemd von einem Pfosten seines Regals griff, das die Farbe einer ausgetretenen Pfads hatte und zu den Enden hin ausfranste. In einer Sekunde schwankenden Halts am Türrahmen entankerte er wieder die Tasche und, sie um die Schulter gewunden, ergriff er den Rahmen, beförderte sich schwingend aus der Tür hinaus auf den Gang. Die Tür knallte federnd gegen die Wand und wippte in ihren zappeligen Scharnieren zurück, verschloss das Zimmer, als Eshu halb hinab gestürmt war und die Plattformen aus verflochtenem Bambus hinter sich ließ, welche sich als Treppe um die aufeinander gestapelten Wohnungen zur Straße herunter schlang. Die Bambusschlange erzitterte unter seinen sich überschlagenden Schritten und der Turm aus Räumen wankte noch, begleitet vom rumorenden Fluchen und Schimpfen seiner Bewohner, als Eshu bereits anderthalb Blöcke entfernt war. Verfluchtes Balg! Sollen die zürnenden Loa der Morgenruhe dich holen! Es ist nicht gut sich den Zorn und die Verwünschungen der Menschen aufzuhalsen, wusste selbst Eshu, wenn du Gefahr läufst, dass einer von ihnen etwas von Verfluchungen versteht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)