Träume von LorenorMidori ================================================================================ Kapitel 4: ----------- KAPITEL 4 Bela drehte seinen Kopf nach rechts, um Farin anzublicken, im schwachen Schein der Laternen, und er glaubte, tatsächlich so etwas wie ungläubiges Staunen in Farins Augen zu erkennen. Farin schien zu bemerken, dass er gerade relativ dumm aus der Wäsche zu gucken schien, und wandte seinen Kopf schnell wieder geradeaus, gleichzeitig zog er seine Hand ruckartig zurück. „Was hast du?“ fragte Bela vorsichtig, denn nun schien Farin derjenige zu sein, der sich unwohl fühlte. Farins abrupte Reaktion irritierte ihn ein wenig. Es war doch nicht das erste Mal, dass sie einander so nahe waren! „Geht´s dir jetzt wenigstens ein bisschen besser?“ setzte Farin schnell ein, um vom Thema abzulenken, denn er hatte Panik davor, diese Unterhaltung fortzuführen. Seine Gefühle waren ihm von einem Moment auf den nächsten fremd, er haderte mit sich selbst. Die ganze Situation kam ihm merkwürdig fremd und absurd vor. Belas Nähe schien ihm auf einem Mal unerträglich, und das was er eben noch so genossen hat, die traute Zweisamkeit, die Intimität, quälte ihn jetzt, und er suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, Bela und dem Gespräch zu entrinnen. All seine Gedanken waren darauf ausgerichtet, zu fliehen, und diesmal konnte er keine Rücksicht auf Bela und seine momentane Stimmungslage nehmen. Er musste etwas unternehmen, bevor die ganze Angelegenheit außer Kontrolle geriet. „Ja, ich denke schon… sag mal, Jan, was hast du denn auf einmal? Du bist ja total aufgekratzt!“ Bela verstand die Welt nicht mehr. Gerade saßen sie noch gemütlich zusammen und er hatte sich endlich dazu durchgerungen, sich seinem besten Freund anzuvertrauen, obwohl es ihm eigentlich total beschissen ging, und jetzt machte Farin den Eindruck, als ob… ja, welchen Eindruck machte er eigentlich? Irgendwie schien er sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Bela wusste aus langjähriger Erfahrung, dass er jetzt ganz behutsam vorgehen musste, um Farin nicht aufzuregen oder zu verletzen. Doch dazu kam es nicht mehr. Mit einem Ruck stand Farin auf und blickte sich nach allen Seiten um, als ob er einen Fluchtweg suchen würde oder nach jemanden, der ihn endlich von seinem Leiden erlöst. Doch dieser Jemand ließ ihn im Stich, indem er nicht kam. Dann sagte er zu Bela: „Es is´ schon ziemlich spät, ich glaub es is´ besser wenn wir jetzt nach Hause gehen. Morgen werden die ersten Songs eingespielt, da will ich fit sein. Lass uns gehen.“ „Farin, es ist erst halb zehn…“ Also manchmal benahm er sich echt komisch. Zugegeben, Farin war kein Nachtmensch und ging allgemein eher zu Bett als Bela, aber irgendwie… Bela war ein wenig enttäuscht, dass seinem besten Freund die Aufnahmen plötzlich wichtiger waren als ihre Zweisamkeit, und dass er gerade jetzt, wo sie sich endlich nach so langer Zeit wieder so unsagbar nahe waren und ihre gemeinsame Zeit genießen konnten, ohne von anderen Einflüssen gestört zu werden, dieser vertrauten Nähe entsagte und Bela quasi im Regen stehen ließ. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Farin sich verändert hatte. Urplötzlich, ohne dass Bela die Gelegenheit hatte, etwas davon mitzubekommen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, seit wann diese Veränderung in Jan Vetter vorging und weshalb. Lag es daran, dass ihr Kontakt in den letzten Jahren abgeflaut ist und sie sich unfreiwillig entfremdet hatten? Vorher hatte Farin nie etwas gegen Belas Berührungen einzuwenden gehabt… Bela konnte nicht zu ihm vordringen, er wusste, dass Farin das unter keinen Umständen zulassen würde, so wie er sich im Moment verhielt, und es schmerzte ihn. So sehr, dass er in Farins Vorschlag einwilligte und den Kampf waffenlos aufgab. Aus Freude wurde Enttäuschung, aus Glückseligkeit wurde Schmerz. Bela wusste, dass Farin schon immer mit seinen Gefühlen spielte und ihn auch gerne mal bewusst leiden ließ, und genau das machte ihn für Bela so anziehend, denn er war sich immer bewusst, dass Farin ihn trotzdem sehr mochte. Aber gerade jetzt dieser Bruch, nach einer so langen Zeit der Trennung, war für Bela wie ein Stich ins Herz. Gerade wünschte er sich noch, dass die Zeit still stehen möge, doch nun wünschte er sich, dass er sich Farin niemals anvertraut hätte. Und für diesen Gedanken hasste er sich. Ohne ein weiteres Wort stand Bela auf und sie gingen weiter des Weges. Nach einer Weile erreichten sie ohne auch nur ein einziges Wort miteinander gesprochen zu haben Belas Auto und blieben stehen. Sie standen sich zwar gegenüber, doch ihre Blicke mieden einander. Eine unerträgliche Stille baute sich auf, die durch nichts und niemanden durchdrungen werden konnte. Belas Enttäuschung spiegelte sich allzu deutlich in seinen hellen Augen wider, und Farin fühlte sich noch unwohler als zuvor. Wenn es nicht bereits dunkel geworden wäre und wenn sie einander angesehen hätten, hätten sie dies auch bemerken können. „Du kommst doch klar, oder?“ fragte Farin nach einer gefühlten Ewigkeit vorsichtig, darum bemüht, seine eigenen Emotionen zu verschleiern. „Klar“ antwortete Bela kurz und knapp, wobei er vermied seinem angeblichen besten Freund in die Augen zu sehen. Ich brauche dich nicht. Ich komm allein zurecht. Ich habe dich wahrscheinlich nie wirklich gebraucht, genoss es aber, wenn du dich um mich kümmertest und mich umsorgtest, für mich da warst. Doch anstatt mir Aufschluss über deine Gefühlswelt zu geben, lässt du mich ahnungslos im Dunkeln tappen. Vielleicht ist das Absicht. Vielleicht ergötzt du dich insgeheim an meinem Leid, fragst und quetscht mich aus, ohne Rücksicht auf Verluste, und du gibst nicht eher nach, bis du dein Ziel erreicht hast. Wie ein Voyeur, der auf sadistische Art und Weise andere immer und immer wieder ihre negativsten Gefühle und Erlebnisse aufkochen lässt, weil du zu fein oder zu intelligent bist, mit deinem eigenen Leben klar zu kommen und deshalb Befriedigung am Leid anderer suchst. Weil du Angst vor dem hast, was du bist. „Hey, Dirk… ist wirklich alles in Ordnung?“ Farin klang jetzt wie der alte Farin, wie der unveränderte Farin von damals. Besorgt sah er Bela in die Augen, und es schien, als habe er Angst vor der Antwort. Bela war so sehr in seinen inneren Monolog vertieft, dass er gar nicht bemerkte, was Farin da sagte. Schnell sah er auf, beschwichtigte Farin, dass er sich wirklich keine Sorgen zu machen brauchte und versuchte verbissen, ihn nicht zu hassen. Jetzt spielt er schon wieder mit mir. Zuerst kann er gar nicht schnell genug von mir loskommen, und jetzt sorgt er sich wieder um mich. Bela sah Farin fest in die Augen, seine innerliche Unruhe war deutlich zu erkennen. Farin sah ihn verblüfft an, denn Belas Emotionen schienen ruckartig von niedergeschlagen in… hey, Moment mal, er war doch nicht etwa sauer?! „Weißt du, Jan“, intonierte Bela langsam und gedehnt, aufs Äußerste bemüht seine Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, „manchmal bist du einfach nur ein riesengroßes Arschloch.“ Farin war dermaßen überrascht, dass ihm unkontrolliert der Kiefer herunter klappte. Bela interessierte es nicht, wie Farin diesen Satz aufnahm, er drehte sich mit einem letzten, bitterbösen Blick um und fuhr nach Hause. Farin sah ihm aufs Äußerste verwirrt nach, blieb noch einige Sekunden stehen, machte auf dem Absatz kehrt und trat völlig durcheinander selbst den Heimweg an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)