Reinkarnation der Engel von Khyre (2. Teil - 1000 Seelen -) ================================================================================ Kapitel 2: Der Zusammenbruch ---------------------------- Kapitel 2 - Der Zusammenbruch Nach unserem missglückten Versuch, Cersia das Gedächtnis zurück zu geben, baten wir den neuen Gott um ein Dorf aus Holzhütten, das uns ein wenig an das von Gottes Planeten vor seiner Zerstörung erinnern sollte. Auf dem weg zum Dorf, das wie das ursprüngliche Dorf einige Meter vom Zentrum, also Gottes Sitz entfernt lag, palaverten Access und ich noch ein wenig über „alte Zeiten“. „Toll, dass dir auch die Reinkarnation übergeben werden konnte! Und das ohne Komplikationen - oder hast du irgendeine Gedächtnislücke?“ „Nein, nicht, dass ich wüsste. Und auch sonst scheint nichts zu fehlen… Arme, Beine, alles dran und stabil.“ Und als ob er sich vergewissern wollte, tat er im Spaß so, als schraube er sich gerade den Arm zurecht, wodurch er sich von mir ein flüchtiges Grinsen einfing. Dann wurde er wieder gefasst und fuhr fort: „Mich erstaunt das allerdings auch. Ich hätte nie gedacht, dass das bei mir, wo ich doch ein Schwarzengel bin, funktionieren würde.“ „Tja, das beweist mal wieder, wie ähnlich sich Gottes- und Schwarzengel sind. Aber diese Rassentrennung spielt jetzt, wo fast alle Gottesengel ausgelöscht wurden so oder so keine Rolle mehr…“ Eine Weile gingen wir drei schweigend nebeneinander her. Cersia, oder eher Pi konnte ja leider so oder so nicht mitreden, weshalb ich ihr auch ab und an prüfende Blicke zuwarf. Dabei fiel mir auf, dass sie zwar kein Interesse am Gespräch gezeigt hatte, dafür aber umso mehr an Access. „Was mich aber ebenso gewundert hat, ist Gottes Bereitschaft damals gewesen, mich aufzunehmen. Schließlich war und bin ich noch heute ein Erzeugnis seines Erzfeindes,“ durchbrach Access die Stille, allerdings nicht ohne ebenfalls einen fast unmerklichen Blick auf Cersia zu werfen. „Ich denke, er war einfach in Eile.“ „Wäre es da nicht einfach gewesen, mich zu töten? Schließlich hätte ich ein Spitzel sein können. Und trotz dieser Gefahr, so jemandem die Fähigkeit der Wiedergeburt zu überreichen, ist schon ein wenig leichtsinnig…“ „Jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand-“ „Verzeihung, er schwirrt mir gerade eben im Kopf umher… und da ich sein Aussehen ja kenne…“, konterte Access meine Anspielung. Erst etwas erschrocken, aber schließlich in ein spöttisches Grinsen verfallend, als ich begriff, dass es nur ein übler Spaß gewesen war, fuhr ich fort: „Ich denke, er hat mir einfach vertraut.“ „Aber wieso sollte er einem Gottesengel, den er zuvor nie gesprochen hatte, vertrauen?“ „Nun ja, er meinte ja, dass er mich kennt. Und außerdem, wenn Gott nicht seinen eigenen Kindern trauen könnte, wem sollte er sonst trauen? Wem seine Kinder trauen, dem kann auch er trauen. Und ich war mit dir befreundet.“ „Ja, ich erinnere mich an seine Argumente, …. Nur …-“ „Ist doch egal, wir sind da!“, fiel Cersia ihm ins Wort und machte mit ihrer Laune deutlich, dass ihr unsere Diskussion auf die Nerven ging. „Passiert ist passiert und fertig.“ Daraufhin erwiderten wir lieber nichts mehr. Die Holzhütten, die Gottes Reinkarnation geschaffen hatte, waren unseren damaligen Hütten zwar ähnlich, doch sie waren auch um einiges schlichter. Sie bestanden nur aus einem Raum, in dem sich ein Bett, ein Holzschemel und ein kleiner Holztisch befanden. Der Boden war ebenfalls aus Holz, ohne auch nur einen Teppich. Der ganze Raum war quadratisch und besaß an jeder Wand je ein quadratisches Fenster. Hinzu kam, dass nicht nur alle Hütten gleich aussahen, sondern auch noch in Reihen nebeneinander aufgestellt waren, sodass man sich, wenn man in den Gassen stand, sich vorkam, als hätte man soeben das Fließband einer großen Fabrik betreten. Es wirkte alles so furchtbar lieblos und dahin geworfen. Kalt, maschinell, unbedeutend. „Da war aber jemand erfinderisch….“, kommentierte Access unser ‚Dorf‘ mit einem schiefen Lächeln. „Da fühle ich mich glatt wie Zuhause.“ „Naja, wir leben ja nur kurzzeitig hier,“ erwiderte ich und nahm mir eines der Häuser am Rand der Dorfes, wo ich mich kurz auf das grau bezogene Bett setzte. Mein Blick wanderte zum Fenster, an dem die anderen beiden gerade vorbei liefen und zu mir in die Hütte kamen. Draußen war ein Wetter, als ob man die Zeit angehalten hätte. Der Himmel war grau, als wäre er wolkenverhangen, doch es traten keine Konturen von Wolken heraus. Und auch kein Lüftchen wehte - sonst wäre wenigstens ein bisschen von dem Staub dieses erdig-sandigen Bodens aufgewirbelt. Ansonsten gab es nichts. Nur ein stumme Leere. Kaum vorzustellen, dass einst einmal der prächtige, weiße, mit Marmor gepflasterte Marktplatz gewesen sein soll, aber dem die Kuppel der Güte heraus ragte. Oder dass sich im Osten der fein verzierte Tanzsaal befunden hatte, in dem ich einst stundenlang gewartet hatte, dass man mich zum Tanz aufforderte….Und all die Stimmen, Geräusche und Düfte, des Reiches Gottes, in dem der Frieden herrschte. Und nun sollten wir uns hier, auf genau diesem Boden mit den Schwarzengeln bekriegen? An dem Ort des Freidens und der Ausgelassenheit, sollten nun der Kampf und die Schreie der Sterbenden treten? Es war nicht so, dass ich die Gottesengel als Individuen vermisste - schließlich kannte ich ja keinen außer Cersia und Toki. Aber dennoch war es ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sitzen und zu wissen, dass sie alle einmal gelebt hatten und dass, wenn der Zufall es nicht so gewollt hätte, nun andere drei oder vier Gottesengel hier sitzen würden und ihren Tod abwarten würden… Toki aber hatte es wohl nicht geschafft… „Ganz schön triste Gegend, was?“, meinte Access und setzte sich neben mich. „Hmm… ich glaube, ich flieg mal zu Gott und bestell einen Baum und einen See.“ Und mit diesen Worten stand ich auf und verließ die Hütte. Kaum war die Tür zugefallen, als Access mir schon wieder folgte und mich fragte, ob er und Cersia mich begleiten sollten. Cersia saß allein in einer der Hütten. Und wenn wir weiterhin in der Dreiergruppe unterwegs wären, würde sie bei unseren Gesprächsthemen wahrscheinlich nur schlecht Anschluss finden. Und außerdem war sie einsam - schließlich fehlte ihr Toki, dachte ich. „Access,“, fasste ich den Beschluss, „Ich möchte, dass du dich nicht mehr um mich sondern um Cersia kümmerst. Sie hat das nötiger als ich. Schließlich hat sie ja gerade noch kein so rechtes Gesprächsthema mit uns. Vielleicht könntest du ihr von der Vergangenheit erzählen, damit sie wenigstens ein bisschen Erinnerung zurück bekommt.“ „Aber wärst du da nicht besser geeignet?“, erwiderte Access im Unverständnis. „Ähm… muss ja nur grob sein, worum es geht und was war. Ich meine-…ich habe ihr ja schon alles erzählt, was ich weiß. Du kannst ja auch einfach so mit ihr sprechen.“ Ich wollte einfach, dass sie nicht mehr alleine war. Ich wollte ihr Gesellschaft verschaffen, wie sie es einst für mich getan hatte, auch wenn ich im Moment nur unlogisches Gebrabbel von mir gab. „Ja gut. Dann mache ich das. Uns wird schon was einfallen,“ bot sich Access an, als hätte er in meinem Blick gelesen, was ich eigentlich wollte. „Viel Zeit haben wir aber ohnehin nicht - irgendwann sollten wir auch anfangen, uns auf den kommenden Kampf vorzubereiten. Schließlich müssen wir uns eine Strategie überlegen und trainieren.“ Ich schwieg. Das war wohl das letzte, worüber ich nachdenken wollte. Und mehr zu mir als zu Access murmelte ich dem Boden zu: „Warum sollte man sich für so etwas so ins Zeug legen?“ Erstaunlicherweise antwortete Access mir und ich hob überrascht den Kopf. Access Blick war gesenkt und sein Blick in Trauer getränkt. Das Lächeln, das kurzzeitig über sein Lippen huschte, war dazu so unpassend, dass es mir kalt über den Rücken lief. „Egal, was es ist“, sprach Access mit belegter Stimme, „Egal, wie dumm es ist, sich an so einem kleinen Strohhalm festhalten zu wollen, aber … ich habe die Chance nach so ewig langer Zeit mit dir gemeinsam auf ein Ziel zuzusteuern. Und so verrückt es auch klingen mag, ich freue mich schon auf das Training. Nicht auf die Schlacht, aber darauf, mit dir zusammen stärker zu werden.“ „Du … du redest wirres Zeug.“ „Ja, kann sein. Vielleicht ist es auch das Wetter, das sie Stimmung so drückt…“, murmelte Access und gewann seinen gewohnten Gesichtsausdruck zurück. Ja, er wirkte sogar peinlich berührt und kratzte sich am Kopf, was mich zum lächeln brachte. Irgendwie süß. Aber was war das für eine merkwürdige Anwandlung in ihm gewesen? Was machte unser Schicksal nur aus uns? Zu Lebewesen ohne Stolz, deren Gefühlswelt und Sicherheit an einem einzelnen seidenen Faden hing? Warum fühlte ich mich gerade nur so schutzlos ausgeliefert? „Meinst du, dass Toki je noch erscheint?“, wechselte ich das Thema, um von seinen und meinen Gedanken abzukommen. „Hm. Gute Frage. Ich meine, ich hätte noch etwas von einer zweiten Schicht gehört, die noch einreist. Kann sein, dass er darunter ist. Wobei ich das schon merkwürdig finde. Schließlich sind wir drei ja auch mit der ersten Schicht erschienen. Aber wer weiß? Ich habe leider auch keine Ahnung, wann die zweite Schicht eintrifft… aber mindestens bis sie da ist, kümmere ich mich um Cersia, da hast du mein Wort.“ Ich beäugte Access noch ein wenig unsicher. Aber er schien sich wieder normalisiert zu haben. „Vielen Dank. Ich mache mich dann mal auf den Weg,“ erklärte ich. „Ja, bis gleich.“ „Bis gleich.“ Mit dem Baum und dem See wurde es allmählich ein wenig wohnlicher auch wenn dieser grüne Fleck (Gott hatte sich sogar erbarmt, ein wenig Graslandschaft mitzuliefern) in all der Öde wie ein Fremdkörper lag. Access blieb seit unserem Gespräch so gut wie die ganze Zeit bei Cersia und wir grüßten uns nur ab und an. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sein Blick meinen Rücken traf, doch jedes Mal, wenn ich mich verstohlen umdrehte, scherzte oder palaverte er mit Cersia. Cersia blühte in dieser Zeit förmlich auf. Access‘ Aufmerksamkeit und Fürsorge zauberten ein breites Lächeln und Strahlen auf ihr Gesicht und des Öfteren umschlang sie ihn mit ihren Armen und zog ihn lachend aus meinem Blickwinkel. Schön, dass die beiden sich so gut verstanden, dachte ich. Cersia war schon immer ein Männertyp; mit Frauen konnte sie nie viel sprechen; außer sie führte langweiligen Smalltalk über den Alltag. Ich selbst war so oder so kein Gesellschaftsmensch und so dachte ich mir, dass ich die Zeit bis zu Tokis Rückkehr oder zumindest bis zur Einreise der zweiten Schicht ganz gut allein indem ich schönen Erinnerungen nachhaltig durchbrachte. Doch Rillsamas Worte und Lehren, die er uns eines Tages einschärfte, rissen mich jäh aus der Traumwelt und machten die kommende Schlacht wieder zur Realität; er rief uns in Gottes Tempel und erklärte: „In fünf Tagen wird die zweite Schicht der Reinkarnationen hier erscheinen. Von diesem Zeitpunkt an würde ich euch bitten zu trainieren.“ „Rillsama!“, fiel ich ihm ins Wort und die anderen Blickten mich an. „Ich habe ein paar Fragen! Woher wusstest du, dass der Planet angegriffen wurde und warum kämpfen wir? Haben wir überhaupt eine Chance?“ Ich sah seinem Gesicht an, dass er durch meine Unterbrechung deutlich verstimmt war, doch diese Fragen lagen mir schon seit Wochen auf der Zunge. Seit Tagen schon kreisten mir Fragen bezüglich der kommenden Schlacht im Kopf umher. Wozu waren wir überhaupt hier? Wie viele waren wir? Und so weiter…. Nach einem andächtigen, langen Seufzer rang sich Rillsama mühsam zu einer ihm lästigen Antwort durch: „Ich habe es im Gefühl, wann Gefahr droht. Es ist natürlich nicht völlig exakt, aber mein Gefühl sagt mir, dass wir nicht mehr viel Zeit bis zum kommenden Ereignis haben. Ich habe euch gerufen, weil ich mir nicht sicher war, ob Gottes Schutzschild um den Planeten wirklich stabil ist. Vielleicht zählt auch nur der Wille, ihn verteidigen zu wollen? Gott fehlte leider die Zeit, mir die nötige Aufklärung zu schaffen. Die Kraft, die Fähigkeit zur Reinkarnation zu bündeln, in dem Maße, dass alle Gottesengel sie erlangen konnten, hat zu viel Zeit in Anspruch genommen.“ Dass all diese Mühe vergebens war, behielten die Zuhörer aus Respekt aber in ihren Gedanken. „Eine ‚Chance‘ , was heißt das? Zahlenmäßig sind wird ihnen gnadenlos unterlegen. Ungefähr eintausend Mann zu einer halben Million. Aber wie bereits erwähnt, wenn wir diesen Planten verteidigen wollen, zählt nur der Wille. Für mehr habe ich euch nicht gerufen.“ Gekommen, um zu sterben, fügte ich schlussfolgernd in Gedanken hinzu und Wut kochte in mir auf. Ein menschlicher Körper wurde sozusagen experimentell verbrannt. Und nicht nur einer. Zu hunderten würden wir den Schwarzengeln in ihre Messer laufen. Allein die Vorstellung jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Weshalb ich euch jetzt aber eigentlich gerufen habe ist, weil ich euch mit einer nützlichen Fähigkeit der Gottesengel bekannt machen wollte. Und zwar meine ich die Gedankenübertragung. Habt ihr sie schon genutzt?“ „Nein, ich wusste gar nicht, dass es sie gibt,“ antwortete Access für uns stellvertretend. „Ob sie bei dir funktioniert, weiß ich nicht. Aber es gibt auf jeden Falls zwei Arten der Gedankenübertragung: Erstens die öffentliche; diese aktiviert ihr, indem ihr euch vorstellt, laut in einen großen Raum zu sprechen. Auf diese Weise können Worte oder aber mit hoher Konzentration sogar auch Bilder übertragen werden. Probiert es einmal!“ Wir gehorchten und stellten fest, dass sogar Access, der kein Gottesengel war, diese Fähigkeit besaß. „Dass selbst du diese Fähigkeit anwenden kannst, Access, können wir gut und schlecht deuten. Entweder Gott übertrug mit der Reinkarnation auch diese Fähigkeit auf dich oder aber alle Schwarzengel besitzen diese Fähigkeit. Da wir vom negativen Fall ausgehen müssen heißt dass, dass ihr diese Fähigkeit auf keinen Fall im Kampf anwenden dürft. Auch in der Freizeit hier auf dem Planeten solltet ihr sie vermeiden, wenn ihr irgendetwas bezüglich der Schlacht besprechen wollt. Ich weiß nicht genau, wie groß die Reichweite dieser Art von Gedankenübertragung ist, deshalb sollten wir lieber auf Nummer sicher gehen.“ „Wie weit weg sind denn die Schwarzengel?“, fragte Cersia. „Wo genau Satan hinverbannt wurde, weiß oder eher wusste nur Gott. Aber das tut auch nichts zur Sache. Seid einfach vorsichtig. Dann wäre da noch die zweite Art der Gedankenübertragung: Die persönliche Gedankenübertragung. Diese passiert manchmal sogar unfreiwillig, wenn ihr eure Gedanken nicht verschließt. Gedanken können nämlich in Form von Bildern oder Worten leicht von Gottesengel zu Gottesengel übertragen werden, wenn sich ihre Körper an irgendeiner Stelle berühren.“ Und auch diese Form der Gedankenübertragung beherrschte Access. „Das ist ausgesprochen riskant.“, kommentierte Rillsama Access Fähigkeiten. Denn ich bezweifle, dass ihr im Kampf eure Gedanken unter Kontrolle haben werdet. Und wenn ihr dann eurem Gegenüber dann verratet, wo sich ein Teil unserer Truppe versteckt, nur weil ihr euch Sorgen um jemanden dieser Gruppe beispielsweise macht, sind wir schnell im Nachteil. Deshalb schlage ich vor, egal, ob ihr zu den anderen Lebewesen hier Kontakt habt, oder nicht, dass ihr mit der zweiten Schicht in den Kampf zieht. Auch wenn ihr nicht die stärksten Kämpfer seid, ist es doch zu riskant, eure Gedanken womöglich allzu schnell an den Feind abzugeben.“ Stillschweigend nickten wir. „Ein weitere Punkt, den ich euch erklären wollte, ist, wie man eine Seele repariert.“ „Was?“, brachte Cersia verdutzt hervor. „Also so mit Sich-ausreden und so kann man ja einiges wieder herstellen.“ Beleidigt von der nächsten Unterbrechung durch eine seiner Untergebenen schnaubte Rillsama verächtlich und schwieg eine Weile. Dann sah er sich angesichts der gespannten Blicke, die sich wieder auf ihn richteten, doch dazu gezwungen, sich zu erklären. „Also. Da eure Seelen mit einer überproportional großen Verantwortung belastet sind, sind sie unter Umständen anfällig, zu zerspringen.“ „Zerspringen?“, missbilligte Cersia dieses Wort im Bezug auf die Seele. Rillsama überhörte den Kommentar. „Deshalb ist es wichtig, dass ihr lernt, diesen Schaden wieder zu reparieren. Die engelsche Seele besteht aus einem Hof aus lichtartigem Dunst, der eine ähnliche Konsistenz wie Neben besitzt. Dieser Dunst ist undurchsichtig. Dadurch soll der im Inneren verborgene Seelenstein verdeckt gehalten bleiben. Dieser sogenannte Seelenstein wird mit Ereignissen, denen ihr im Leben widerfahrt, beschrieben. Gottes Verantwortung für diesen Planeten aber ist zusätzlich in euren Seelenstein als eine Art Materialmischung eingearbeitet und befindet sich im Inneren des Steins. In kleinem Maße fiel dieser Stoff nicht auf, doch nun, da ihr nur vier von 40000 seid, droht der Stein, schnell zu zerbrechen. Zumal dieser Stoff der Verantwortung so oder so die Tendenz besitzt, nach außen weichen zu wollen. Kurz: Eier Seelenstein zerbricht leicht und ich erkläre euch jetzt, wie man ihn wieder zusammen setzt. Das Verfahren ist ausgesprochen komplex, deshalb hört bitte genau zu: Einen Engel, dessen Seelenstein zerbrochen ist, erkennt man daran, dass er ohnmächtig wird und seine Pupillen verblassen. Ist die Pupille bereits vollkommen verblasst, ist jede Rettung zu spät. Davor aber müsst ihr schnell handeln. Es gilt zuerst, seine eigene Seele von seinem Körper zu lösen. Als Engel ist das nicht schwer, ihr müsst lediglich eure gesamten Gefühle zurück fahren, bis ihr an nichts mehr denkt als euren eigenen Atem und nichts mehr seht, als ein leeres Bild vor Augen. Nun verschließt ihre den Mund des gebrochnen Engels mit eurem und lasst eure Seele in dessen Körper strömen. Für die Zeit, in der eure Seele sich im Körper des anderen befindet, ist euer Körper bewusstlos. Allerdings kann er nicht lange ohne Seele überleben!! Das heißt, ihr müsst im Körper des anderen unter sehr hohem Zeitdruck arbeiten. Wer durch den Mund in den anderen Körper eingedrungen ist, fällt als Seele direkt in den vorgesehenen Seelenraum. Diesen Raum müsst ihr durchschreiten bis ihr an die Tür eines weiteren Raumes kommt. Dahinter liegt die Seele. Nachdem ihr durch den Nebel gedrungen seid, müsst ihr mit eurer Seele die zwei Bruchstücke des Seelensteins zusammen halten. Bei diesem Prozess wird er seine nötigen Bestandteile zu sich rufen. Fügt nun die Teile zusammen. Was jetzt wichtig ist: Haltet sie auch zusammen!!! Zur Regeneration benötigt der Stein Zeit und Energie, die er nicht darauf verwenden kann, seine Bruchstücke zusammen zu halten. Erst wenn der Riss zwischen den Teilen verschwunden ist, dürft ihr loslassen. Egal, wie viel Mühe es kostet. Denn sonst kommt ihr nicht zurück in euren Körper. Mit der Vervollständigung der Seele stößt diese dann alle Fremdkörper ab, also auch eure Seele. Mit diesem Stoß gelangt ihr dann auch zurück in euren Körper. Wenn ihr aber zu viel Zeit mit dem zusammen fügen der Teile verschwendet, wird euer eigener Körper derweil zu Grunde gehen. Und ob die eigene Seele dann noch wirklich funktionstüchtig bleibt, ist rätselhaft, weil nach dem natürlichen Ableben des Körpers wird eine Seele in der Regel verpackt, bevor sie entschwindet. - Wohin auch immer. Und wenn die Seele eines Engel zerstört wird, bedeutet das auch das ende seiner Existenz. Und zwar für immer. Dann kann euch auch die Fähigkeit der Reinkarnation nicht zurück ins Leben schicken. Und die Verantwortung würde auf andere Seelen übertragen werden. Deshalb sage ich euch: Jemanden in diesem Zustand zu retten, ist ausgesprochen riskant und muss vorher gut überlegt werden. Habt ihr mich verstanden?“ Wir nickten stumm. „Gut, dann war das alles, was ich euch heute zu sagen hatte. Eines noch: Übt, eure Gedanken zu verschließen! Diese Kontrolle über euch selbst ist ungeheuer wichtig!!“ Mit diesen Worten entließ uns Rillsama. Auf dem Rückweg zum Dorf hörte ich die ganze Zeit Cersias Gekicher. Sie erinnerte mich an ein Vögelchen, wie sie Access umkreiste und lauter hohe Laute von sich gab. Irgendwie fand ich ihr Verhalten ein wenig befremdlich, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Meine Stimmung war immer noch stark getrübt. Dieses kollektive Massenmorden für nichts ärgerte mich immer wieder auf‘s Neue. Ich wollte mich schon in meine Hütte zurück ziehen, als mir Access plötzlich seine Hand auf die Schulter legte. Er war allein. „Wo ist Cersia?“, kam es mir wie aus der Pistole geschossen aus dem Mund. Ich hatte ihn ja die letzte Zeit nie allein gesehen. „Sie versteckt sich. Sie … wollte Verstecken spielen,“ antwortete Access mit distanzierter Stimme. Er schien eine andere Reaktion von mir erwartet zu haben. „Ah-ja…“, antwortete ich verwirrt. „Du bist in Gedanken immer noch bei der Schlacht, nicht wahr?“ „Nicht bei der Schlacht. Es macht mich nur fuchsteufelswild für NICHTS einen menschlichen Körper zu verheizen. Als wären diese Körper nur ein Stück Holz.“ „Aber es scheint ja seinen Sinn zu haben, dass wir kämpfen.“ „Ja, so nach dem Motto: Schauen wir mal, was passiert. Und wenn‘s mit der Verteidigung des Planeten nicht klappt, haben wir halt tausend Leute umsonst in den Tod geschickt. Klasse. Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass es Rillsama eben deshalb egal ist, weil der Rest nicht von Gott erschaffen wurde. Und da macht es dann erst recht nichts, wenn die sterben. Sind ja nicht von uns.“ „Ich weiß nicht, ob das stimmt. Und alles war wir tun können ist nun mal, es zu versuchen.“ „Da hätte doch wohl einer gelangt! Nur wer hätte sich da schon freiwillig geopfert? Ach - mir kommt das alles so sinnlos vor!“ „Im Moment können wir leider nichts anderes tun, als unser Schicksal abzuwarten. Aber lass uns doch die Zeit, die uns noch bleibt wenigstens gemeinsam verbringen und ein wenig Spaß haben. Willst du nicht mitspielen?“ „Tut mir Leid, ich bin gerade einfach in der falschen Stimmung. Ich würde euch nur die Laune verderben.“ „Möchtest du ein wenig reden?“ „Nein, schon gut. Geh lieber zu Cersia, sie wartet bestimmt schon. Und die fünf Tage, bis die nächste Schicht kommt, werde ich mich noch gedulden können.“ Mit diesen Worten drehte ich mich um und verschloss die Tür hinter meinem Rücken. Doch mir war, als dränge Access sorgenvoller Blick sogar durch die massive Holztür bis zu mir vor. ‚Verzeih mir, Access ‘, dachte ich mir im Stillen. Denn ich wusste, wie sehr Cersia an ihm hing, und dass sie diejenige war, die jemanden brauchte. So wie ich einst Freunde in Gottes Goldenem Käfig brauchte. Ich musste wohl einige Zeit eingedöst sein, als ich Cersias Stimme plötzlich lautstark an meinem Fenster wahrnahm. „In deinem Kopf steckt nur Fynn, Fynn, Fynn, Fynn!!!! Du hättest deine Gedanken besser verstecken sollen!! Ich weiß schon, was ihr vorhabt! Ihr wartet bis dieser Toki kommt, damit ihr mich an den abschieben könnt, um alleine zu sein. Aber ich brauche keinen Toki, wenn ich dich habe, Access! Verstehst du nicht, was ich für dich empfinde?! Ich - “ „Cersia,“, unterbrach Access sie mit ruhiger Stimme und Cersias dumpfes Verstummen hatte sich angehört, als hätte er ihr die Hand vor den Mund gehalten, „Ich denke, ich weiß, worauf du hinaus willst. Aber uns ist dieses Gefühl nicht erlaubt. Hat man dir das nicht gesagt? Wir Engel dürfen uns nicht verlieben.“ „Äh…..was?!“, platzte es ungläubig aus Cersia heraus. „Ja, weil dadurch unser Band zu Gott geschwächt werden würde.“ „So ein Müll.“ „Ob Müll oder nicht, unsere Aufgabe untersagt uns Gefühle dieser Art.“ „Also dürfen wir keine Liebe empfinden?! Gefühle kann man doch nicht einfach abstellen!!“ „Ob man dieses Gefühl besitzt, kann man nicht bestimmen. Man muss es aber unterdrücken. Und was noch wichtiger ist, man darf es unter keinen Umständen ausdrücken.“ „Müll, echt.“ Mehr bekam ich von diesem Dialog aber nicht mehr mit, weil mich mit einem Mal ein fremder Schmerz umfing. Von der Brust ausgehend pochte er, lies mich verkrampfen und nahm mir die Sicht. Ich spürte laue Tränen an meinem Gesicht herabfließen, dann verlor ich das Bewusstsein. Irgendwann vernahm ich Access Stimme. Aber sie klang merkwürdig dumpf. Ich verstand nicht genau, was er sagte, oder zumindest vergaß ich es, sobald ich die Augen öffnete. Access blickte mich an. Er hatte seinen Kopf direkt über meinen gebeugt und von seiner Stirn tropfte Schweiß. „Fynn?“, sprach er unsicher. Ich blinzelte. Ich fühlte mich merkwürdig und mein Kopf schmerzte. „Wie geht es dir?“ „Was ist passiert?“, murmelte ich noch fast im Flüsterton. Ich fühlte mich merkwürdig schwach, als hätte ich gerade einen schweren Kampf durchlebt. Dann erinnerte ich mich plötzlich - der Schmerz! Ich faste mir an die Brust. Er war verschwunden! Und da begriff ich, was passiert war. „Ist es - ist er zerbrochen?“, flüsterte ich erschrocken. Access lächelte. „Er WAR zerbrochen. Sonst würdest du dich nicht so naja…halb-lebendig mit mir unterhalten. Aber ich hab ihn ganz gut geflickt, glaub ich.“, meinte Access schon wieder mit seinem gewohnt spaßigen Tonfall. „Dann hast du - ?“, ich fuhr mit verlegen über die Lippen. „Ja, hat er,“ antwortete Cersia gereizt. „Er meinte ‚Mir ist komisch.‘, dann ist er zu deiner Hütte gerannt, hat dich ohnmächtig und verweint aufgefunden und dich geküsst.“ „Nicht geküsst!“, verteidigte sich Access mit verlegenem Gesichtsausdruck gegen diese fast schon romantische Darstellung des Sachverhaltes. „Ich hab lediglich versucht, ihre Seele zu heilen!“ „Ach macht doch, was ihr wollt!!!“, waren die letzten Worte mit denen die Tür krachend ins Schloss fallen ließ. Access seufzte. „Es macht ihr schwer zu schaffen…Gottes Gebot, du weißt schon…“ Ich lachte zur Bestätigung. „Danke, Access.“ „Nichts zu danken. Du hast mir übrigens meine Frage noch nicht beantwortet: Wie geht‘s dir?“ „Gut. Wirklich. Und jetzt komm, lauf ihr ruhig nach.“ „Nein Fynn. Bei aller Fürsorge um Cersia - ich möchte dich nicht mehr allein hier lassen. Du musst dich nicht zurück ziehen. Wir können doch auch zu dritt die Zeit genießen, oder nicht? Und bis zur zweiten Schicht ist nun wirklich nicht mehr lang.“ „Ich …“ „Na los, komm!“, rief er und zog mich, die noch unschlüssig auf dem Bett saß nach oben und lächelte mich an, wie er es auch damals immer getan hatte. Und ich hatte das Gefühl, dass die sorglosen Tage, die wir im Blumenmeer eines menschlichen Traumes verbracht hatten, wieder aufleuchteten, als ob plötzlich durch den wolkenverhangenen Himmel ein einzelner Sonnenstrahl gebrochen war, der durch das Fenster der Hütte schien. Leider aber verfinsterte sich Access Mine wieder allzu schnell und sein Lächeln wurde halblebig, als sich auf seiner Stirn Sorgenfalten bildeten. Und auch das Trugbild des Sonnenscheins verlöschte jäh, als er wieder die Tatsache ans Licht brachte: „Schließlich wissen wir nicht. Ob wir uns nach unserem Tod je wieder treffen werden….Ich bewundere deine Zurückhaltung wirklich,….nur im Moment ist einfach der falsche Zeitpunkt dafür. Und außerdem mache ich mir Sorgen um dich; ich denke, dass dich die Verantwortung um einiges schwerer belastet als uns. Vermutlich hattest du deshalb diesen seelischen Zusammenbruch.“ „So schlimm war das nicht….“ „Naja, du kannst damit ja nur deine Existenz für immer auslöschen, aber sonst ist es nicht so schlimm…“, feixte Access. „Und wer sollte dann Gottes Planeten und die Erde vor Satan beschützen? Ich alleine, der nie ein Engel Gottes war? Wo wir uns doch nicht sicher sein können, ob auch Cersia und Toki ihren Teil der Verantwortung mittragen! Alleine zu kämpfen ist traurig. Und alleine zu lachen ist fast unmöglich. Und jetzt, wo wir es geschafft haben, Seite an Seite zu kämpfen und zu lachen, ziehst du dich zurück und wir werden beide Einzelkämpfer. Bitte lass uns zusammen halten, solange das noch möglich ist.“ „Und du meinst, dafür sollten wir riskieren, dass Cersia vor Eifersucht platzt?“, fragte ich mit gespielt ernstem Tonfall, konnte mir jedoch ein Grinsen nicht verkneifen, als ich mir vorstellte, die bei unserem Anblick immer weiter aufgeblasen wurde wie ein roter Luftballon. „Naja, wenn‘s brenzlig wird, suchen wir ihren Stöpsel und lassen die Luft eben wieder ab…..“ und mit diesen Worten und dem entsprechenden vorgestellten Bild, das wir in Gedanken teilten, zog Access bei mir den Stöpsel und ich brach in lautes Lachen aus. Ich wusste, dass es gemein war, über Cersia zu lachen; nur nach meinem Zusammenbruch war das Lachen so heilsam, dass es sich einfach nicht unterdrücken ließ. „Du bist doch doof! - Als ob es einen Stöpsel gäbe!“, japste ich. „Naja, als ob man vor Wut platzen könnte!“, konterte Access. Damit war ich geschlagen - und erleichtert. Denn eigentlich hatte ich mir tief in meinem Inneren ja nichts sehnlicher gewünscht, als mit Access zu sprechen und zu lachen, wie wir es damals zu Gottes Zeiten getan hatten. Und sein Access-typisches Lächeln zu sehen, wie er es mir jetzt im Moment schenkte; das Lächeln, in dem so viel Geborgenheit steckte, dass auch ich in seelischer Ruhe zurück lächelte. Die nächsten Tage verbrachten wir also zu dritt. Doch obwohl Access Cersia über das Verbot aufgeklärt hatte, wich sie ihm nicht von der Seite. Trotz Cersias Anhänglichkeit und ihren Liebkosungen Access gegenüber, die dieser nur belächelte, hatten wir viel Spaß. Es war schwer zu beschreiben, aber Access und ich amüsierten uns, ohne viele Worte zu wechseln. Er oder ich hatten nur einen bestimmten Gesichtsausdruck von uns zu geben und der andere Verstand. Und Cersia bekam nicht viel davon mit. Und so verging die Zeit und wir merkten nicht, wie bald die fünf Tage verstrichen waren … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)