Danke dir, Wahnsinn von Talisma ================================================================================ Epilog: -------- Ich sitze hier, in meinem Häuschen und vereinsame. Es ist so kalt um mich rum, so still… Ich nehme ein Foto in die Hand. Zu sehen ist die Familie. Alle habe so schöne, reine, weiße Schwingen... Nicht so wie ich… graue, verstümmelte, verkrüppelte… Ich bin selber schuld… Ich bin an allem Schuld… Ich höre Schritte, will mich umdrehen, doch zu spät. Er umarmt mich, streicht mir durchs Haar, ist sanft und lieb zu mir. Der Wahnsinn stattet mir einen Besuch ab, wie nett von ihm. Er küsst mich und wirft mich zu Boden. Sein Knie bohrt sich in meinen Rücken. Seine Krallen dringen in mein Flügelfleisch ein und reißen an ihm. Schmerzen zucken wie Blitze durch meinen Körper, als er mir die Schwingen ausrenkt. Der hohle Raum ist von meinen Schreien erfüllt, doch niemand hört sie, außer Wahnsinn. Und er fängt an heftiger zu zerren. Mein Fleisch hält dem Druck nicht stand. Die Haut zerreißt, die Knochen splittern. Ich kreische und winde mich, flehe um Gnade, doch er reißt unbarmherzig weiter. Ein lautes Knacken ist zu hören, Blut spritz über all. Meine Flügel sind endgültig gebrochen, nur noch eine Sehne verbindet mich mit ihnen. Ich spüre seinen Fuß in meinem Nacken, spüre wie er zum letzten Ruck an setzt und brüll sinnlos mir die Seele aus dem Leib. Meine Augen weiten sich als er mir sie vollkommen aus reißt und seinem heiß geliebten Haustieren zum fraß vorwirft. Verzweiflung schiebt alle zur Seite und stützt sich gierig auf das willkommene Abendmahl. Ich liege kraftlos in einem Kristallmeer aus meinem Tränen und meinem Blut. Wahnsinn wirft sich auf mein Sofa und macht es sich bequem. Der Wahnsinn hat sich bei mir eingenistet, wunderbar. Willenlos liege ich da. Wahnsinn wühlt in meinen Schubladen. Raucht meine Zigaretten, meine Pseudofreiheit. Seinem Schoßtier waren wohl meine krüppligen Flügel zu wenig und Verzweiflung pirscht sich hinterrücks an mich ran, springt auf mich, wühlt sich durch mein weiches Fleisch. Tränen kullern aus meinen leeren Augen. Verzweiflung nagt genüsslich schmatzend an meinem Rückrad. Mein leerer Blick haftet auf den Fotos, auf ihren Flügeln. „Jetzt habe ich gar keine mehr…“, denke ich und Verzweiflungs Pranke katapultiert mich mit einem Schlag auf die andere Seite des Zimmers. Schlitternd komme ich neben Wahnsinn zum stehen und bleibe kraftlos auf dem Rücken liegen. Verzweiflung landet mit einem grazilen Sprung auf mir und beißt mir die Kehle durch. Wahnsinn schaut meine röchelnde Gestallt herab lässig an. Gütig steigt er vom Sofa, kniet sich neben mich auf den Boden und legt meinen Kopf in seinen Schoss. Verzweiflung bedient sich an meinen Eingeweiden. Sie schlitzt meinen Bauch auf und wühlt in meinem mageren Körper. Ich höre schon Tods Leichenwagen vor meinem Haus parken als Wahnsinn mir durchs Haar streicht, über die Wange, die Schuppe von den Augen. Auf einmal wird alles so düster. Mein Blick schweift durch den Raum, über die Fotos. Ein Schreck fährt durch meine Glieder, jedenfalls durch das, was von ihnen übrig ist. Auf den Bilder ist nicht mehr die Familie zusehen, nicht so wie sie war. Ihre Flügel sind durchlöchert, schwarz, ledrig, ihre Gesichter verzerrt. Ich sehe wie mein Blut aus ihren Poren quillt. Mein Blut, aus ihren Poren! Mein Blut, meine Liebe, meine Sehnsucht, meine Hilfe, mein Herz, meine Kraft, mein Leben! Wahnsinn küsst mich wieder, küsst mich innig, küsst mich lange. Sein Speichel rutscht meine Kehle runter, bis zu meinem Kern, bis zu meiner Seele. Sie entzündet sich wie trockener Stroh, glüht und flammt auf. Wut erwacht in mir. Hass reckt sich. Rache öffnet ungläubig die Augen. Sie stehen auf, munter nach ihrem tausend jährigen Schlaf, aktiv wie nie zuvor. Flink fangen sie Trauer und Depressionen ein und stecken sie in das tiefste Verlies meines Seins. Johlend tanzen sie um meine Seele, fachen das Feuer weiter an. Jauchzend stechen sie mir in meine Wunden, werden immer rasender, wirbeln durch meinen Körper. Ich brülle. Mein ganzes Dasein steckt in Flammen. Mit einem Satz springe ich auf. Verzweiflung wird von Panik gepackt und beide fliehen schleunigst aus meinem Kerker. Wahnsinn gleitet wieder auf Sofa, lehnt sich zurück und beobachtet das Szenario. Ich höre Tods Wagen wieder anspringen und ihn langsam wegtuckern. Das Trio zwingt mich auf die Fotos an meinen Wänden zu sehen. Wut trommelt meinen Verstand wach, Hass facht meine Seele weiter an, Rache schlägt gegen mein Herz. „Vampire!!!“, brülle ich. „Elende Blutsauger!“ Flammen schießen aus meinem Körper, versenken alles in meinem Umkreis. Bilder verschmoren, Holz verkohlt, Stahl schmilzt. Mein entstellter Körper fällt zu Boden und ich forme mich aus Flammen neun zusammen. Mit erhobenem Haupt schreite ich hinaus. Die Flammen richten sich gegen mich, vergiftet durch das was sie verschlangen. Sie lecken an meinem weißen Kleid, streichen über meine reine Haut, greifen nach meiner Seele. Doch ein Schlag meiner neuen Schwingen lässt sie zurückschrecken. Ich steige aus dem Rauch und sehe Wahnsinn mich anlachen. Ich renne auf ihn zu, falle ihm und den Hals, küsse ihn, innig, lange. „Danke dir, Wahnsinn“, flüstere ich. „Gern geschehen.“, strahlt er. „Es gibt nur wenig die meine Hilfe zu schätzen wissen.“ Wir lachen, rennen los und breiten unsere Schwingen aus. Befreit von jeglichem Schuldgefühl, schlage ich mit meinen neuen Flügeln. Mit meinen neuen, größeren, stärkeren, schöneren Flügeln. Zuerst etwas ungeschickt, doch dann immer sicherer. Auf nimmer wieder sehen, Pseudowahrheit! Lebet wohl, Pseudofreunde! Ich fliege der aufgehenden Sonne entgegen und lasse die Dunkelheit auf ewig hinter mir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)