Süßes Internatsleben, was bist du doch bitter von Katherine_Pierce (oder: Von der Ungerechtigkeit des Lebens) ================================================================================ Kapitel 3: Wofür hat man Freunde? --------------------------------- Entsetzt über ihr eigenes Verhalten und verängstigt, was für Folgen es haben könnte, floh Cathy durch die Korridore des Internatsgebäudes. Tränen rannen über ihre Wangen, verschleierten ihre Sicht und sorgten dafür, dass sie beinahe gestolpert wäre. Mit Müh und Not schaffte Cathy es in ihr Zimmer. Zu ihrer maßlosen Erleichterung waren weder Lynn und Lesly, noch Jule anwesend. 'Ich bin so dumm!', schalt Cathy sich innerlich, als sie sich auf ihr Bett warf, den blonden Schopf in ihrem Kissen vergrabend. Ihr war völlig klar, dass sie eine Menge Mist gebaut hatte, indem sie ihren neuen Mentor beschimpft hatte. Es war ein Wunder, dass er sie nicht angeschrien oder gar vor den Schulleiter geschleift hatte, wie sie es durchaus verdient gehabt hätte. Sie schämte sich ihres Ausbruchs, war aber auch zu stolz, um auf der Stelle reuig Abbitte zu leisten. Schließlich war sie aus gutem Grund so explodiert. Den Verlust eines Freundes verkraftete man nicht so leicht, schon gar nicht, wenn man dafür mit einem Ersatz gestraft wurde, dem man nicht nur Respekt entgegen brachte, sondern den man nachgerade fürchtete. Nichtsdestotrotz drohte ohnmächtige Verzweiflung Cathy zu ersticken. Da war es nur gut, dass Lynn, die mit ihrer Aufsicht in der Bibliothek fertig war, das Zimmer betrat. Zunächst bemerkte sie gar nicht, dass sie nicht allein war. Erst als Lynn einen Schluchzer hörte, wurde ihr bewusst, dass noch jemand anwesend sein musste. Es brauchte keine zwei Sekunden, um die Abiturientin an Cathys Bett zu treiben. Ungefragt setzte Lynn sich neben ihre Freundin, ihr eine Hand auf den Rücken legend. „Hey, was ist denn los?“, wollte Lynn mit sanfter Stimme wissen, „Hast du dich mit Marcell gestritten?“ Die dunkelhaarige, junge Frau wusste, dass Cathy sich mit ihrem Kumpeltrainer getroffen hatte, weil das Programm war nach den Ferien. „Nein.“, schluchzte Cathy verzweifelt. „Was ist es sonst?“, bohrte Lynn weiter. Ihre Freundin so am Boden zerstört zu sehen tat ihr in der Seele weh. Von den unzusammenhängenden Satzfetzen, die Cathy von sich gab, verstand Lynn nur 'Metzelder', 'Fußball', 'Marcell' und 'Trainer'. Außerdem fiel auch das ein oder andere Schimpfwort, was Lynn jedoch geflissentlich überging. Sie konzentrierte sich eher darauf, Cathy den notwendigen Trost zu spenden, auch wenn sie vor Neugier brannte. Was konnte nur vorgefallen sein, dass die sonst so toughe Blondine derart zusammenbrach? Eine schlechte Mathenote konnte es nicht sein, da das Schuljahr ja gerade eben erst begonnen hatte und die ersten Klausuren für Oktober angesetzt worden waren. Zumindest für die Zwölfer, wie Lynn wusste. Sie selbst musste schon im September für ihre Klausuren ranklotzen, da sie ja noch auf Abschlussfahrt fahren würde. Traditionell fand diese Fahrt immer in der letzten Schulwoche vor den Herbstferien statt und in der 13 war das erste Schulhalbjahr verkürzt; es würde bereits vor Weihnachten enden, auch wenn Lynn gar nicht daran denken mochte, denn dann würde eine Unmenge an Arbeit auf sie zukommen. Herr Friedrich, den sie im Bio- LK hatte, war bereits so gnädig gewesen, seinen Schützlingen zu erörtern, was alles von ihnen erwartet wurde. Zwar wurde offiziell nur das Wissen der Qualifikationsphase vorausgesetzt, doch war es ab und an schon mal dazu gekommen, dass ein Prüfling zu einem völlig anderen Thema befragt worden war und daraufhin nicht mit Glanz und Gloria bestanden hatte. 'Was denk ich da wieder?', schalt Lynn sich, 'In erster Linie sollte ich mich um Cathy kümmern und dafür sorgen, dass es ihr besser geht...' Ein Schniefen von Cathy, die sich langsam wieder berappelte, zeigte Lynn an, dass ihr Freundin noch unter den Lebenden weilte und vor Kummer nicht gestorben war. Stumm bot sie der Blonden ein Taschentuch an, welches diese auch dankend annahm. Sie schnäuzte sich ausgiebig, dann folgte ein tiefes Luftholen. „Lynn.“, begann Cathy ungewöhnlich ernst. „Ja?“, hakte die Angesprochene nach. „Ich hab eine riesige Dummheit begangen.“, gestand die reuige Sünderin. Überrascht von dieser Eröffnung zog Lynn eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Wieso? Hast du Marcell etwa gestanden, dass du ihn süß findest?“ Cathy verdrehte die Augen. Sie fand ihren Ex-Trainer zwar knuffig, aber das war es auch schon. Immerhin war er ihr bester Freund und als Lehrer ohnehin tabu. „Nein, es geht nicht mal richtig um Marci. Nur teilweise.“ „Okay, wo drückt der Schuh denn dann?“, wollte Lynn mit unverhohlener Neugier wissen. Ein Seufzer kam von Cathy, ehe sie begann, ihrer Freundin die Geschichte haarklein zu erzählen. Sie ließ nichts aus, nicht einmal die ungehörigen Dinge, die sie Herrn Metzelder an den Kopf geworfen hatte. Entgegen Cathys Erwartung allerdings war Lynn nicht entsetzt. Nein, die Abiturientin fing stattdessen schallend an zu lachen, was Cathy reichlich pikierte. Immerhin hatte sie vor nicht einmal einer Stunde ihre komplette, restliche Schullaufbahn zerstört und alles, was Lynn dazu einfiel war Gelächter? Schon wollte die Brüskierte energisch gegen den Lachkrampf protestieren und Beschwerde einlegen, als Lynn ihr den Grund für ihr mangelndes Mitleid erklärte. „Sorry...“, keuchte die Dunkelhaarige, „aber die Vorstellung, wie du den Metzelder beschimpfst, ist einfach zu komisch...“ Jetzt musste sogar Cathy grinsen. Es stimmte, was Lynn sagte. Niemand, der geistig noch gesund war, würde es wagen, den gestrengen Mathe- und Physiklehrer als 'blöden Penner' zu titulieren. Nicht, wenn er oder sie an ihrem oder seinem Leben hing. So gesehen also konnte Cathy durchaus nachvollziehen, warum Lynn sich so amüsierte, zumal Herr Metzelder nicht gerade klein von Statur war, wohingegen der blonde Unglücksrabe sich verglichen mit ihrem neuen Trainer wie ein Zwerg ausnahm. Allerdings brachte ihr dieser andere Gedanke auch wieder zu Bewusstsein, dass sie in ernstzunehmenden Schwierigkeiten steckte. Erneut drohte Verzweiflung über Cathy hereinzubrechen. Bevor es jedoch zu einem weiteren hysterischen Heulkrampf kommen konnte, öffnete sich die Tür und Jule schneite herein, gut gelaunt, da sie eine Extrastunde Bio bei Herrn Friedrich gehabt hatte, der sie gebührend auf die Eliteuni vorbereiten wollte, an der Jule Aufnahme zu finden hoffte. „Was ist denn hier los?“, fragte der Neuankömmling, als er Lynn und Cathy grinsen sah, wie die Honigkuchenpferde, woraufhin beide wieder in Gelächter ausbrachen. Verwundert schloss Jule hinter sich die Tür, pfefferte ihr Biobuch auf ihr Bett und ließ die Tasche gleich daneben fallen. Dann beschloss sie, ihren beiden Freundinnen ordentlich auf den Zahn zu fühlen. Es ging jawohl nicht an, dass die Zwei Spaß hatten und Jule daraus ausschlossen. „Also, jetzt mal Klartext, warum lacht ihr so? Hat der Hildebrand endlich zugegeben, dass er auf rosa Spitzentangas steht?“, bohrte Jule unnachgiebig. Bei dieser Vorstellung allerdings wieherten Lynn und Cathy nur lauter, bis letztere sich schließlich und endlich heftig verschluckte. Während sie darum kämpfte, anständig Luft zu bekommen, erklärte Lynn Julia detailreich, was sich zwischen Cathy und Herrn Metzelder zugetragen hatte. Kaum, dass die Ältere geendet hatte, klappte Jule die Kinnlade runter. „Bist du wahnsinnig, Cathy?“, entfuhr es ihr dann, wobei sie sich mit ziemlicher Mühe ein Grinsen verkneifen musste, „Du bist so gut wie tot!“ Daraufhin verzog die Angesprochene das Gesicht, drauf und dran, den Springbrunnen wieder anzuwerfen und eine zweite Heulrunde einzulegen. Kopfschüttelnd ob der Dreistigkeit ihrer Freundin ließ Jule sich neben ihr nieder, dabei ihre Schulter tätschelnd. „Schade, dass ich nicht dabei war. Ich hätte gern zugesehen, wie du es dem alten Erbsenzähler zeigst.“ Lynn nickte bekräftigend. „Oh ja, solche Worte hat er definitiv verdient zu hören, wenn man mal bedenkt, wie gern er Lesly an die Tafel holt und sie vor allen anderen vorführt, weil der Sack genau weiß, dass Mathe das letzte Fach ist, indem sie jemals gute Noten haben wird.“ „Abgesehen von Physik vielleicht.“, erklang es trocken von der Tür her. Aufgeschreckt sahen die drei Mädchen hoch, doch zu ihrer maßlosen Erleichterung war es nur Lesly, die im Türrahmen lehnte und sich ein kleines Grinsen gönnte, ehe sie sich dazu bequemte, sich zu ihren Freundinnen zu gesellen. „Okay, ich nehme mal an, ihr habt vom Metzelder gesprochen. Aber ich kapier nicht so ganz, was eigentlich gelaufen ist. Hilft mir mal jemand auf die Sprünge?“ Sofort war es Lynn, die an Cathys Statt die unselige Geschichte zum zweiten Mal erzählte. Noch während sie Bericht erstattete, veränderte Leslys Miene sich gravierend. Zuerst war sie nur ungläubig, dann empört, bis sie schließlich nicht an sich halten konnte. Auch sie wurde von einem Lachkrampf geschüttelt, der den Lynns fast noch übertraf. „Nicht dein Ernst!“, japste Lesly, erbarmungswürdig nach Luft keuchend. „Oh doch, so und nicht anders war es.“, bestätigte Lynn ihr. „Das hätt' ich zu gern gesehen!“ „Nicht nur du.“, mischte Jule sich ein, die Cathy tröstend die Hand drückte. Sicherlich war es alles andere als angenehm, wenn jemandes Misere ein ums andere Mal ausgewalzt wurde. Allerdings musste Julia zugeben, dass es schon selten dämlich war, den Mund aufzutun und ausgerechnet den strengsten Lehrer des Internats anzufauchen. Wenn das bei Marcell passiert wäre, nun, der wäre vielleicht beleidigt, aber er würde Cathy nicht lange übelnehmen, was sie gesagt hatte. Schließlich kannte er die Blonde gut genug, um zu wissen, dass im Eifer des Gefechts schon mal ein paar böse Worte fielen, die Cathy in der Regel aber nicht allzu ernst meinte und die sie hinterher heftig bereute, so wie es jetzt auch der Fall war. Das Problem an der ganzen Sache war einfach, dass Herr Metzelder nicht Marcell war. Ganz bestimmt würde er Cathy einen Strick aus dieser Sache drehen, zumal er ja jetzt den Job als ihr Trainer übernommen hatte, was sicher kein Zuckerschlecken würde. Offensichtlich war Cathy dieser Umstand genauso bewusst, da sie drohte, wieder in ihre verzweifelt- deprimierten Zustand zurückzufallen, in dem Lynn sie vorgefunden hatte. Das bemerkten allerdings auch Cathys Freundinnen. „Was haltet ihr davon, wenn wir Regeln Regeln sein lassen und uns in die Stadt verziehen?“, schlug Lesly vor. Sie grinste verschmitzt. „Ich hab ne bessere Idee.“, erwiderte Lynn, die ebenfalls ein Grinsen zur Schau trug. „Ach ja?“- „Und der wäre?“ - „Schieß los!“ „Wir machen uns hier einen gemütlichen Mädelsabend. Vorher werd ich aber mal in die Stadt fahren und ein paar Sachen einkaufen.“ Dieser Vorschlag wurde sogar noch begeisterter aufgenommen, so dass er dann auch zur Durchführung kam. Während Lesly und Lynn mit dem kleinen Mitsubishi Colt der Letzteren den nächstbesten Supermarkt ansteuerten, sorgten Jule und Cathy dafür, dass zum einen niemand etwas von ihrer kleinen Unternehmung mitbekam und zum anderen für ein passendes Ambiente. Sie waren schließlich Mädchen und für einen Frauenabend brauchte man eine entsprechende Umgebung. Der Abend verlief genauso erfreulich, wie die vier Mädchen gehofft hatten, zumal es Cathy wirklich besser zu gehen schien. Zwar würde erst der nächste Tag zeigen, ob ihr unbedachtes Handeln Folgen haben würde, doch gelang es den drei anderen gut, sie davon abzulenken. Und wenn schon, sie war jung, sie war impulsiv und sie wollte ihren Spaß. Als ob Metzelder nie jung gewesen wäre. Bestimmt waren dem auch ein paar doofe Sachen passiert, nach denen heute kein Hahn mehr krähte. Als sie gegen halb Zwölf beschlossen, dass es doch langsam Zeit fürs Bett war, konnte Cathy erstaunlich gut und schnell einschlafen. Ihr letzter Gedanke galt ihren Freundinnen. Was hatte sie doch für ein Glück gehabt! Mit einem Lächeln auf den Lippen und der Gewissheit im Herzen, dass diese drei immer zu ihr stehen würden, entschlummerte Cathy schließlich sanft, auf den Wogen ihrer Traumwelt dem neuen Tag entgegen schwimmend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)