Zwischen den Fronten II - Auf der falschen Seite? von Kiajira ================================================================================ Kapitel 5: Wieder Schule ------------------------ Kapitel 5: Wieder Schule Am nächsten Morgen stand Ginny zeitig auf, frühstückte mit Hermine, Neville und Luna in der großen Halle und machte sich dann auf den Weg in den Unterricht. Schon vor dem Mittagessen hatte sie festgestellt, dass sie ihren Klassenkameraden mittlerweile um einiges voraus war. Im Verwandlungs- und Zauberkunstunterricht gelangen ihr die neuen Zaubersprüche mühelos, und in alte Runen lieferte sie aus dem Stegreif eine flüssige Übersetzung ab. Dass Voldemort diese Verbesserung bewirkt hatte, wollte sie sich allerdings nicht eingestehen. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Sie hatte schon einiges an Punkten eingeheimst, als sie zum Essen ging. Am Gryffindortisch traf sie Hermine. Diese lächelte sie an und fragte: "Na, wie war dein Unterricht bis jetzt?" Ginny lächelte gezwungen, als sie sich zu ihr setzte. Sie musste vorsichtig sein mit dem, was sie sagte. Hermine glaubte, sie hätte die Zeit vor den Weihnachtsferien an der Schule verbracht und nicht bei Voldemort. Für sie wäre es bestimmt merkwürdig, zu hören, wie sehr Ginny den Unterricht genoss und wie sehr sich ihre Leistungen mit einem Mal verändert hatten. "Ich habe nicht das Gefühl, viel verpasst zu haben. Im Gegenteil, ich habe heute schon Punkte geholt." Hermine seufzte und begann zu essen. "Ich nicht", meinte sie missmutig. "Das halbe Jahr aufzuholen, wird ein hartes Stück Arbeit werden. Zum Glück bin ich bis jetzt überall noch mitgekommen." Den Rest des Essens schwiegen sie und machten sich danach wieder auf den Weg in ihre Klassen. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Ginny hatte als nächstes Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Bei Amicus Carrow. Ihr wurde ein wenig mulmig, als sie das Klassenzimmer betrat. Sie hatte Carrow noch nie leiden können. Einmal war er ein Anhänger Voldemorts. Außerdem war er ungerecht, bevorzugte Reinblüter und hatte tierischen Spaß an erniedrigenden Strafarbeiten. Den Todesser konnte Ginny ihm nicht mehr vorhalten, doch während der ersten Minuten bemerkte sie, dass sein Charakter sich nicht zum Besseren verändert hatte während ihrer Abwesenheit. Da Neville nicht in ihrem Jahrgang war und sie selbst mittlerweile Voldemorts Augapfel, ließ Carrow seinen gesamten Frust an Luna aus, die es anscheinend die letzten Monate trotz Imperius geschafft hatte, zu protestieren. Auch die anwesenden Halbblüter wurden durch den Kakao gezogen. Ginny war froh, dass sie nicht bevorzugt wurde. Das wäre verdächtig gewesen. Doch anscheinend trug Carrow ihr ihre Proteste im Herbst immer noch nach, und ihr Aufenthalt bei Voldemort hatte nur bewirkt, dass er sie nicht mehr piesackte. So überstand sie die Doppelstunde unbeschadet. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Sie beschloss, vor dem Abendessen noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Dort traf sie Hermine, die schon wieder ihren üblichen Bücherstapel auf einem der Arbeitstische um sie herum aufgebaut hatte und eifrig etwas auf eine Rolle Pergament kritzelte. Sie setzte sich dazu, zog einen Runentext aus ihrer Tasche und machte sich an die Übersetzung. Eine Weile arbeiteten beide schweigend, dann machten sie sich ebenso schweigend auf den Weg zum Abendessen. Sie hatten sich kaum am Gryffindortisch niedergelassen, da betrat Severus die Große Halle und machte sich auf den Weg zum Lehrertisch. Hinter Ginny blieb er stehen. "Miss Weasley?", schnarrte er kalt. Ginny schreckte hoch. So kannte sie ihn gar nicht mehr. Erschrocken drehte sie sie sich um und meinte so ruhig wie möglich: "Ja, Professor?" "Ich will Sie heute Abend um acht Uhr in meinem Büro in den Kerkern sprechen. Wehe, Sie verspäten sich!" "In Ordnung, Sir. Ich werde kommen." Severus nickte, für einen Moment verloren seine Augen die Kälte, doch sofort schob sich seine eisige Maske wieder auf sein Gesicht und er setzte seinen Weg zum Lehrertisch fort. Hermines Blick folgte ihm, sie runzelte die Stirn. "Weißt du, was er von dir will?" Ginny schüttelte den Kopf. "Hoffentlich nichts schlimmes. Und nichts, was lange dauert. Ich habe noch einen ganzen Berg Hausaufgaben." Das war gelogen - den größten Teil hatte Ginny schon vor dem Essen erledigt -, doch das musste Hermine ja nicht unbedingt wissen. Letztes Jahr war sie kaum mehr als eine durchschnittliche Schülerin gewesen, es würde auffallen, wenn sie mit einem Mal so schnell mit der Arbeit fertig war. Sie wusste, dass sie Hermine nicht bis zum Rest des Schuljahres etwas vormachen konnte, doch sie konnte es wenigstens so aussehen lassen, als würde sie sich allmählich steigern. Das würde nicht auffallen, und Hermine würde sich sogar noch darüber freuen. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Pünktlich um acht Uhr klopfte sie an die Tür von Severus' Büro. Er öffnete mit seiner üblichen mürrischen Miene. Wortlos winkte er sie in sein Wohnzimmer und bot ihr einen Sessel an. Als er die Tür geschlossen und sich gesetzt hatte, immer noch mit dem selben mürrischen Blick, fragte Ginny leise: "Was ist dir denn über die Leber gelaufen?" Severus schnaubte. "Dumbledore." Ginny legte verwirrt den Kopf schief. "Hä? Wie meinst du das?" "Ich muss ab und zu im Schulleiterbüro arbeiten, auch wenn es mir nicht passt. Das Portrait von Dumbledore darf keinen Verdacht schöpfen." "Wieso denn nicht? Es ist doch nur ein Portrait. Dumbledore ist doch... tot." Doch Severus schüttelte resigniert den Kopf. "Er kann sogar als Portrait noch Schaden anrichten. Erstens hängt er mit Phineas Nigellus in einem Zimmer, der ein Zweitbild im Grimmauldplatz hängen hat, und zweitens hat er ebenfalls Zweitbilder, und zwar einen ganzen Haufen. Nicht alle kenne ich. Ich weiß nicht, mit wem er in Kontakt tritt und wem er was erzählt. Ich muss vorsichtig sein." Ginny nickte langsam. "Und, ist er so schlimm?" Severus stöhnte. "Du hast keine Ahnung. Selbst jetzt, wo der Stundenplan seiner geliebten Schüler von Todessern zusammengestellt wurde und sie zum Töten erzogen werden, glaubt er noch, ich hätte ihn nur umgebracht, um ihm einen schmerzlosen Tod zu schenken. Wie kann jemand nur so... blind sein?" Ginny biss sich auf die Lippe. Sie wurde sich zum ersten Mal bewusst, dass Severus für Dumbledore einst Voldemort ausspioniert hatte. Und sie wusste absolut nicht, ob er noch treu hinter Voldemort stand. "Du, Severus... wegen der Sache mit der Spionage..." Er blickte auf und durchbohrte sie regelrecht mit seinen Blicken. Doch er tat nichts. Ginny schluckte und tastete nach ihrem Zauberstab. Dann holte sie tief Luft und stellte die Frage, die zwischen ihnen im Raum zu schweben schien. "Woher weiß ich, dass du wieder die Seite gewechselt hast und nicht immer noch für den Orden des Phönix spionierst?" Severus schnaubte, und es schlich sich sogar die Spur eines Lächelns auf seine Lippen. "Würdest du sonst hier sitzen?" "Ja. Ich habe dich gebeten, mir Okklumentik beizubringen, um Voldemort aus meinem Kopf zu bekommen. Als Spion für die anderen würdest du das liebend gerne tun." Severus seufzte. "Du hast mich gesehen. Du hast mich gehört. Ich weiß nicht, ob ich all das, was du in den letzten Monaten von mir gesehen hast, auch so hätte tun können, wenn ich nicht dahinter stehen würde." "Das hättest du, bestimmt. Ich habe dich kein einziges Mal foltern oder töten sehen." Severus senkte wieder den Kopf. "Ich habe es aber getan. Und manchmal hat es mir sogar gefallen." Er seufzte. "Zumindest fand ich es in allen Fällen als gerechtfertigt. Sonst hätte ich es nicht getan." Ginny nickte langsam. "Das heißt wohl, ich werde dir vertrauen müssen, dass du zumindest soweit hinter Voldemort stehst, um dafür Leute zu quälen und umzubringen. Und du kommst mir nicht so vor wie jemand, der... Jemand wie Bellatrix." "Ich bin nicht so wie sie", murmelte er. Dann richtete er sich jedoch auf und griff nach seinem Zauberstab. "Wolltest du nicht eigentlich Okklumentik lernen?" Ginny nickte rasch. "Natürlich!" Severus stand auf und stellte sich vor Ginnys Sessel. Seine langen Finger spielten fast unschuldig mit seinem Zauberstab. Er sah Ginny ernst an. "Ich werde gleich in deinen Geist eindringen. Du versuchst, mich davon abzuhalten. Wenn du dazu in der Lage bist, kannst du dich verteidigen." Ginny nickte und zückte ebenfalls ihren Zauberstab. "Noch etwas: Während der ersten Übungen werde ich vielleicht mehr von dir sehen, als du mir freiwillig zeigen würdest. Fast alles, was du sehen wirst an Erinnerungen, sehe ich auch." Ginny schluckte, doch sie nickte wieder. "In Ordnung. Ich bin bereit." Severus nickte und blickte ihr direkt in die Augen, den Zauberstab auf ihre Brust gerichtet. "Drei... zwei... eins... Legilimens!" Ginny hatte keine Zeit, ihren Kopf zu leeren. Sie war noch damit beschäftigt gewesen, sich zu überlegen, was Severus alles sehen könnte. Alles um sie herum verschwamm, wurde dunkel... Und dann sah Ginny eine Erinnerung. Die Siegesfeier nach dem Quidditchspiel. Sie hatten den Pokal gewonnen. Und Harry, der zum Portraitloch herein kletterte. Harry, der sie umarmte. Harry, der sie küsste. Ginny wollte nach Luft schnappen, als das alte Glücksgefühl, das sie fast vergessen hatte, wieder über sie hereinbrach. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Nach einem quälend langen Moment, in dem sich die alte Liebe mit dem frischen Schmerz über seinen Tod vermischte, wurde es wieder schwarz. Dann blickte sie in einen dunklen Gang, sah sich selbst Flüche abfeuern, sich unter Flüchen ducken und hin und her springen. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was das für eine Erinnerung war. Doch als sie Bills markerschütternden Schrei hörte, war alles wieder da, als wäre es gestern gewesen. Sie sah sich selbst Greyback mit Flüchen spicken und zu Bill stürzen, der sich blutend am Boden wand. Die Angst, dass es vielleicht schon zu spät für ihn sein könnte, überflutete ihr Denken. Sie war unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Das aktuelle Wissen, dass er es überstanden hatte, wollte nicht recht zu ihrer Erinnerung durchdringen. Dann wurde es wieder schwarz. Als sie die nächste Erinnerung sah, wurde ihr etwas mulmig zu Mute. Voldemort und sie apparierten in der kleinen Eingangshöhle. Im nächsten Moment übergab sie sich. Der Ekel füllte auch ihr jetziges Selbst komplett aus. Ein Hauch von Erleichterung mischte sich hinein, als sie die langen Finger an ihrem Hals fühlte, die ihre Haare nach hinten hielten. Mit einem Mal konnte Ginny wieder klar denken. Diese Erinnerung war nicht so heftig wie die beiden vorherigen. Sie verdrängte den Ekel, verdrängte schweren Herzens auch die Erleichterung, bis sie sich in der Szene nicht mehr wieder erkannte. Ihr war es, als wäre es jemand fremdes, der sich bei Voldemort bedankte. Und dann spürte sie ihren eigenen Körper wieder, der immer noch in Severus' Sessel saß. Sie öffnete den Mund und schaffte es tatsächlich, etwas zu sagen. "Raus aus meinem Kopf!" Einen Moment war alles schwarz, dann sah sie Severus wieder vor sich stehen. Sie holte tief und zittrig Luft. "Du hattest Recht. Das hätte ich dir wahrscheinlich alles nicht freiwillig gezeigt." Severus nickte leicht und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. "Was war das letzte für eine Erinnerung? Warum war dir so schlecht?" Ginny seufzte schwer. "Hast du Nagini schon einmal eine Leiche von innen ausweiden sehen und musstest danach apparieren?" Severus zog eine Grimasse. "Keine weiteren Fragen. Du hast dich übrigens gut geschlagen. Potter hat damals geschrien bei seinem ersten Versuch." Ginny blickte zu Boden. Der Schmerz war immer noch da. Die Erinnerung an ihren ersten Kuss hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie gedacht hatte. Traurig meinte sie: "Vergleiche mich bitte nicht mit Harry. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer verkraften kann. Machen wir weiter?" Sie versuchte, ihre Trauer beiseite zu schieben, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Trotzdem setzte sie sich so aufrecht wie möglich hin und zückte wieder ihren Zauberstab. Severus erhob sich und zielte wieder auf sie. "Bist du sicher, dass du es noch einmal versuchen willst?" "Ja." Severus holte tief Luft. "Gut. Drei... zwei... eins... Legilimens!" Ginny wartete darauf, dass sie wieder in eine ihrer eigenen Erinnerungen katapultiert wurde, doch es geschah - nichts. Als sie nach einer halben Minute immer noch in undurchdringliche Schwärze blickte und ihren Körper noch fühlen konnte, zielte sie blind mit dem Zauberstab vor sich und sagte leise: "Expelliarmus!" Sofort sah sie Severus' Wohnzimmer wieder. Er stand nicht mehr vor ihr, sondern bückte sich einen Meter weiter nach seinem Zauberstab. Sie atmete tief aus und ein, doch sie war nicht einmal annähernd so erschöpft wie beim letzten Mal. Nur die Trauer und der Schmerz, die sie schon vorher gespürt hatte, waren noch vorhanden und machten mit Gewalt auf sich aufmerksam. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück. "Das war richtig gut", ertönte irgendwo vor ihr Severus' Stimme. Sie öffnete die Augen nicht einmal, als sie entgegnete: "Wieso das? Ich habe überhaupt nichts gemacht außer dem Expelliarmus." Sie hörte, wie er sich wieder setzte. "Du warst traurig", meinte er leise. Ginny öffnete die Augen und blickte ihn verwirrt an. "Ja, warum?" Severus blickte ins Leere, als er zu erklären begann. "Wenn du traurig bist, würdest du das, was dich traurig macht, am liebsten ungeschehen machen und nicht mehr sehen. Dadurch sperrst du es automatisch weg. Und weil alles irgendwie zusammenhängt, alle Erinnerungen und Gefühle, sperrst du alles weg." Ginny betrachtete ihn eine Weile schweigend. Er war einer der besten Okklumentoren, die sie kannte, sogar noch begabter als Voldemort, der meist seine oberflächlichen Gedanken nicht verbarg. War Severus wirklich so gut in Okklumentik, oder... "Bist du dann die ganze Zeit traurig?", fragte sie leise. Urplötzlich veränderte sich Severus' Miene. Ginny glaubte für einen Moment, einen Sprung in die Vergangenheit gemacht zu haben. Sie hatte wieder den verschlossenen, verbitterten Severus Snape vor sich. "Raus", zischte er mit zusammengebissenen Zähnen. Ginny blinzelte verwirrt: "Aber warum - " Severus sprang auf. Seine schwarzen Augen blitzten sie wütend an, als er schon fast schrie: "RAUS!! Raus, oder ich vergesse mich!" Ginny sprang entsetzt auf und nahm die Beine in die Hand. Hinter ihr donnerte die Tür mit einem markerschütternden Krachen ins Schloss. 'Scheiße', dachte sie, als sie sich auf den Weg in den Gemeindschaftsraum machte. 'Da habe ich wohl einen Nerv getroffen.' Sie beschloss, Severus nicht mehr darauf anzusprechen. Sie konnte ihre Neugierde im Zaum halten. Noch einmal wollte sie deswegen keinen Cruciatus aufgehalst bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)