C'era una volta... von Pads (Oder ein Schal auf Schatzsuche) ================================================================================ Kapitel 3: Rotkäppchen hatte den großen bösen Wolf, ich einen Vollidioten! -------------------------------------------------------------------------- Ich wusste kaum, wie mir geschah. Die logischste Erklärung wäre gewesen, dass mich seine Penetranz, Ignoranz und vollkommene Selbstüberzeugung mich einfach überrumpelten. Aber ich bin mir sicher ich habe damals schon gespürt, dass da mehr hinter steckte. Dieser Captain Scarf wirkte nicht wie jemand, der viel Seemannsgarn erzählte. Er schien eher von durch und durch ehrlicher Natur zu sein. Heute weiß ich, dass er ein begnadeter Schauspieler und Trickser war. Auch damals schon! Und ich bin immer wieder auf seine Spielchen hereingefallen. Dies war das erste Mal und ich war mir schon beim Einschlagen sicher, dass ich es bitterlich bereuen würde. Wie recht ich doch hatte. „Nun denn, Marco.“ Er rieb sich wie ein kleines Kind die Hände und sah mich gespannt an. „Worauf hättest du jetzt Lust?“ Er wollte er auf den besten Freund des Universums machen und mich überzeugen, dass ich gar nicht anders konnte als ihn zu mögen und nun sollten wir machen, was ich wollte? Das war eine klare Herausforderung! „Meinen Ausflug in die Kneipe hast du mir ja schon gründlich verdorben. Aber ich hab Hunger. Lass uns auf den Markplatz gehen und ein wenig was zu Futtern klauen.“ „Das klingt nach Spaß!“ Ich hatte eher mit einer entsetzten Reaktion gerechnet, ein entrüstetes Aufbegehren und eine kleine moralische Predigt. Stattdessen schien er völlig Feuer und Flamme für die bevorstehende Missetat zu sein. Aber ich war skeptisch, wollte ich doch nicht für die Fehler eines Laien büßen müssen. Die Neunschwänzige ist der stete Feind eines unehrlichen Mannes, wenn er einmal mit ihr Bekanntschaft gemacht hat. „Hast du überhaupt jemals zuvor in deinem Leben etwas geklaut?“ Er lachte fröhlich und schritt mit weit ausgreifenden Schritten neben mir her. Ich musste mich anstrengen um mit ihm mithalten zu können. Seine Beine waren so viel länger als meine. „Ach, niemals. Ich hab bisher immer alles kaufen können, was ich wollte.“ Genau das hatte ich befürchtet. Er war ehrlich bis auf die Knochen, ein reines weißes Blatt. „Aber ich lerne schnell. Und ich kann Leute in ein Gespräch verwickeln, während du die Sachen einsteckst.“ Ich revidierte mein Urteil. Er wirkte bloß ehrlich, aber sein Wunsch mit dem Gesetz zu brechen grenzte schon beinahe an Besessenheit. „Wenn du das meinst, dann probieren wir es. Aber ich hoffe für dich, dass du schnell laufen kannst!“ Dieser kleine Raubzug war so ergiebig wie nie einer zuvor. Scarf, ich entschied mich das Captain wegzulassen da es mir eine einzige Pein war, hatte nicht übertrieben. Er konnte den Leuten selbst mit einem Knebel im Maul einen Knopf an die Backe labern. Die Männer und Frauen an den Ständen waren so eingenommen von den Begehren des auffälligen jungen Mannes, dass ich mir die Taschen bis zum Bersten füllen konnte. Anschließend saßen wir auf einer Hafenmauer, verdrückten das geklaute Essen in wohliger Stille und beobachteten kauend das geschäftige Treiben um uns. Natürlich war es Scarf, der das gefräßige Schweigen durchbrach. „Wir arbeiten gut zusammen.“ Er versaute mir meine gute Laune sobald sie aufkam. Ich strafte ihn mit einem genervtem Blick, konnte aber die Wahrheit hinter seinen Worten nicht ignorieren. Also grunzte ich nur unbestimmt und steckte mir ein Stück frisches Backwerk zwischen die Zähne. „Du hast wirklich geschickte Hände. Äußerst nützlich für praktische Arbeiten an Bord...“ Dieser Kerl wagte es doch tatsächlich verträumt zu lächeln und mir kochte die Galle hoch. „Hast du überhaupt auch nur den leisesten Schimmer vom Leben an Bord?“ Ich hätte ihm am liebsten mein Knie in den Magen gerammt. „Ja, hab ich.“ Scarf lächelte mich verschwörerisch an. „Ich kann navigieren und kenne mich recht gut mit der Astronomie aus. Ich verstehe so einiges vom Segeln, womit ich meine einen Kurs befolgen zu können. Die technischen Aufbauten eines größeren Schiffes sowie die Funktionen von Segeln, den ganzen Tauen, Klüvern und allem sind mir ebenfalls vertraut und außerdem...“ Ich spuckte auf den Boden. „Und außerdem klingst du wie eine Landratte, die alles trocken gelernt hat, aber noch nie einen Fuß an Deck gesetzt hat!“ Zu meinem eigenen Erstaunen nahm sein Gesicht einen ertappten Ausdruck und er zuckte verlegen mit den Schultern. „Das mag sein. Und außerdem habe ich ein Schiff.“ Ich konnte nicht anders als den Kopf in den Nacken zu werfen und zu lachen. Dieser Kerl war doch echt ein wandelnder Witz. Wenn auch ein zugegeben manchmal recht trauriger. „Ja.. Wahrscheinlich eine lecke kleine Schabracke. Oder höchstens ein Dingi!“ Er schmunzelte gelassen und ließ sich von meiner Provokation kein Stück aus der Ruhe bringen. Wie ich es hasste, dass alle Stichelein und Beschimpfungen an ihm abperlten wie von einem Messingschild! „Nicht ganz. Tatsächlich handelt es sich um einen fünf Jahre alten Zweimaster, gut in Schuss, abgesehen von einer dicken Kruste Muscheln am Kiel. Aber ich habe den Auftrag gegeben ihn zu reinigen, die Decks auszubauen und den Kahn mit ordentlichen Kanonen zu versehen.“ Scarf wirkte wie ein kleiner Junge vor einem neuen Dreidel, den er sich schon gar lange gewünscht und endlich bekommen hatte. „Du... lügst!“ Wieder blieb dieser kleine Mistkerl völlig ruhig und lächelte mich mit einer Bestimmtheit und Ruhe an, die mich beinahe aus der Haut fahren ließ. „Nein. Das tue ich nicht.“ „Kein abgewrackter Penner wie du besitzt einen Zweimaster, den er mal eben so gemütlich in ein halbes Kriegsschiff umbauen lässt!“ Ich warf erbost meinen angebissenen Apfel zu Boden und zertrat ihn, sodass der Saft nur so um meine schweren Stiefel spritzte. „Hmmm... Wenn du es dir nach den 24 Stunden anders überlegt und eingewilligt hast, mein erster Maat zu werden, dann werde ich dir mein zukünftiges Piratenschiff bereitwillig zeigen.“ „Dein... Piratenschiff?“ Meine Stimme rauchte mir vor Wut in den eigenen Ohren. „Ja. Ich habe mir das Schiff zum Zwecke der Piraterie gekauft!“ Das war genug. Ich schlug ihn mit der geballten Faust ins Gesicht und zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden platzte seine Lippe auf. Der Mistkerl ging aufstöhnend in die Knie, spuckte etwas Blut neben meinen zermanschten Apfel und hielt sich leise keuchend den malträtierten Kiefer. „Hör auf dich über mich lustig zu machen! Ein Piratenschiff kauft man nicht, du Bastard!“ Ein wenig Genugtuung durchströmte mich, ich hatte die Schnauze gestrichen voll von diesem Sohn einer Kielsau! „Wie kommt man als Pirat sonst an ein Schiff?“ Die Antwort kam gedämpft hinter der blutüberströmten Hand hervor und sein Blick war fest auf den Boden gerichtet. Ich hätte nur zu gerne das Gesicht von diesem Pisser gesehen, seine Qualen, seine Schmerzen und mit etwas Glück seine Tränen. Aber er tat mir nicht den Gefallen aufzusehen. Also war ich gezwungen, meine schweren Stiefelkappen gegen sein Schienbein knallen zu lassen damit ich endlich freie Sicht auf seine leidende Fresse haben konnte. Er steckte den Tritt ohne zu Zucken ein. „Wie ein Pirat an ein Schiff kommt? Er kapert es!“ Dieses Mal trat ich ihn mit deutlich mehr Schwung in die Seite, ich hörte seine Rippen knarren und er ging ächzend zu Boden. Dort blieb er liegen, mit dem Gesicht im Dreck, die besudelten Hände in den Straßenschmutz gegraben. „Er nimmt es sich einfach! So eine Tat macht einen Mann erst zum Piraten!“ Scarf rührte sich nicht, ich sah ihn schwerfällig atmen. „Und... wie...?“, begann er seine Frage, unbewegt dort liegend, mit röchelnder Stimme und einem unterdrückten Husten darin. „... wie kommt.... dann der Pirat... an das Schiff, welches er kapern will?“ Ich hatte gerade ausgeholt um ihm als nächstes auf die Finger zu treten, erstarrte aber mit angewinkeltem Bein. „Hä..? Was... was meinst du..?“ Scarf hustete schwer, rang keuchend nach Atem und ließ sich auf den Rücken fallen. Auf seinem Gesicht lag ein irres Grinsen, in seinen Augen glomm der Sieg und ich war verführt, ihm in die Fresse zu treten. „Wie kann... ein Pirat ein Schiff kapern, wenn er selbst... nicht auf einem ist?“ Ich zuckte zurück, stellte den schweren Stiefel wieder auf den Boden. „Ich... verstehe nicht...?“ Scarf kicherte heiser, röchelte mit einem Mal merkwürdig und setzte sich hustend auf. Ich wartete den Anfall ab, scharrte im wahrsten Sinne des Wortes aber ungeduldig mit den Füßen, bereit für den nächsten Tritt. Er räusperte sich von dem Grund seiner Seele aus und spuckte eine ordentliche rotgelbe Lache auf den Boden. „Du verstehst nicht? Denk doch mal nach, du weiser Pirat. Ich bin mein Leben noch nie auf See gewesen. Wie soll ich auf einen Piratenkahn kommen und diesen dort kapern? Wer würde auf eine ahnungslose Landratte wie mich hören und mit mir meutern?“ Seine Finger tasteten grob über seine Rippen, er schnaubte geringschätzig und rappelte sich wieder auf. „Selbst wenn ich mir meinen Anfang derartig erkaufen muss! Ich werde ein Piratencapitain, dessen Name weltweit bekannt wird!“ Sein übliches Lächeln war völlig verschwunden, er wirkte absolut ernst, beinahe manisch. Mit seiner blutverkrusteten Lippe sah er beeindruckend und schon fast furchteinflößend aus. Er verstrahlte eine Aura von Selbstüberzeugung und tödlicher Wut, was mich absolut verwirrte. Ich hatte ihn für einen Idioten gehalten, jemanden ohne Verstand und Reflexionsvermögen. Nun wurde mir klar, dass er gerissen war, ein perfekter Schauspieler mit klaren gnadenlosen Zielen. Dennoch... so herauszubrüllen, dass er der Captain einer Piratenmannschaft werden wollte...? Irgendwo war er doch ein Vollidiot, aber so etwas von. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)