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Katz und Maus

von

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Katz und Maus von desertdevil6

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Kapitel 1
 

Das brachte das Fass zum Überlaufen. Devlin Callahan schäumte vor Wut, während er den Motor seines Pick-ups malträtierte, sodass der Wagen nur so über das holprige Gelände schlingerte und eine dicke, graue Staubwolke hinter sich ließ.

Frustriert knirschte Devlin mit den Zähnen. Er war entschlossen, die leidige Angelegenheit auf die gleiche Art aus der Welt zu schaffen, mit der er auch all seine anderen Probleme in Angriff nahm: Nämlich direkt und ohne Umschweife!

Auch wenn das bedeutete sich mit diesem Großstadtfutzie, der die Nachbarranch gekauft hatte, auseinander setzen zu müssen.

Der Zoo, wie Devlin die Sammlung exotischer Tiere nannte, befand sich in derikter Nähe zu seinen Schafen und Rindern und war eine Quelle ständigen Ärgers. Dieser Zoodirektor konnte sich jedenfalls auf was gefasst machen, denn er hatte den ganzen Ärger bis oben hin satt! Sein Bruder und er hatten den gesamten Tag auf ihren Pferden zugebracht, um ausgebrochene Rinder einzufangen und defekte Zäune zu reparieren. Als wenn sie nicht so schon genug Arbeit auf der Ranch hätten!

Devlin hatte seinen neuen Nachbarn zwar bisher noch nicht zu Gesicht bekommen, wusste aber jetzt schon, dass er ihn nicht ausstehen konnte. Dieser frustrierte Kerl versuchte wahrscheinlich, die entsetzliche Leere in seinem Leben auszufüllen, indem er sich mit einem Haufen exotischer Tiere umgab, weil er einfach keine Frau abschleppen konnte. Aber der Typ hatte auf dieser Ranch genauso wenig zu suchen, wie seine dämlichen Viecher.

Im nächsten Moment trat Devlin derart hart auf die Bremse, dass der Wagen noch einige Meter über den groben Schotter rutschte, bevor er vor dem alten Farmhaus zum Stehen kam. Mit schadenfrohem Grinsen bemerkte Devlin, dass der alte Schuppen geradezu nach Farbe schrie. Allerdings musste er zugeben, dass zumindest die farbenfrohen Blumen, die vereinzelt in großen Töpfen herum standen dem Ganzen eine heitere Note gaben. Doch es würde sehr viel Arbeit kosten, um dem Anwesen sein einstmaliges Gesicht zurück zu geben.

Natürlich würde dieser Verrückte dafür keine Zeit erübrigen können, da er wahrscheinlich den ganzen Tag mit den wilden Tieren reden musste, die hinter dem Haus in Käfigen eingesperrt waren. Nachträglich verwünschte sich Devlin selbst, dass er die Gelegenheit verpasst hatte, die Ranch zu erwerben. Damals war seinem Bruder und ihm der Preis zu hoch erschienen.

Offensichtlich hatte aber Mr. Jesse Parker das Geld etwas lockerer sitzen, denn er hatte die Ranch ohne Zögern gekauft. Und nun war Devlin mit einem Nachbarn geschlagen, dessen wilde Tiere Tag und Nacht brüllten, heulten und jaulten und damit seinen gesamten Viehbestand in Aufruhr versetzten.

Aufgebracht schwang er sich aus seinem Pick-up, schlenderte auf die verwitterte Veranda zu und blickte angewidert zu dem schwarzen Sportwagen hinüber, der mitten auf dem Hof stand. Typischer City-Flitzer, dachte Devlin spöttisch. Dieses tiefachsige Freizeitauto würde kein Jahr auf den Straßen dieser Gegend überleben. Jeder, der auch nur ein Fünkchen Verstand hatte, musste das wissen.

Mehrmals klopfte Devlin kräftig gegen die Tür, wartete etwa zwei Sekunden und hämmerte dann mit beiden Fäusten gegen das verwitterte Holz.

»Machen sie auf, Parker! Ich weiß, dass sie da sind!«, brüllte er. »Ich muss mit ihnen reden. Sofort!«

Seine donnernde Stimme löste ein ganzes Konzert von Tierstimmen aus. Frustriert verdrehte Devlin die Augen und schwor sich zum wiederholten Mal, schnellst möglich Abhilfe zu schaffen. Er hob gerade wieder den Arm, um die Tür erneut zu bearbeiten, da riss Jesse Parker diese von innen auf und Devlin hätte ihn fast mit der Faust nieder gestreckt.

Seine Vorstellungen von einem alten degenerierten Opa mit Hakennase, stechenden Knopfaugen und vorspringendem Kinn zerplatzte plötzlich wie eine Seifenblase, als sich Devlin einem so attraktiven Mann gegenüber sah, dass er zuerst an eine Fata Morgana glaubte.

Schimmernde Augen, die in der Farbe des tropischen Regenwaldes erstrahlten, sahen ihn an und eine Woge honigblonder Haare umflutete ein hübsches Gesicht.

Dann fand Devlin seine Sprache wieder.

»Äh .. ich hätte gerne Mr. Parker gesprochen ... «, verlangte er etwas unsicher, weiter den Blick auf sein Gegenüber gerichtet. Die Augenbrauen zogen sich zusammen und der Andere warf elegant die hellen Haare zurück.

»ICH bin Mr. Parker. Was kann ich für sie tun, Sir?«

Vor Überraschung klappte Devlin die Kinnlade herunter.

»WAS ...?« Schnell ließ er seinen Blick über den anderen Körper gleiten, der in einem knappen T-shirt und zerschlissenen Jeans steckte. Der Anblick hatte auf Devlin ungefähr die gleiche Wirkung, wie ein Schuss aus einem Betäubungsgewehr. DAS sollte sein NachBAR sein? Er konnte es nicht glauben. Das musste ein Irrtum sein!

»Entschuldigen sie. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein«, fragte der junge Mann in unterkülten Tonfall und überzeugte Devlin augenblicklich davon, dass seine Erscheinung keine Halluzination war. Mit starrer Miene musterte er Devlins verdrecktes Shirt, die abgetragene Jeans und die abgewetzten Stiefel und runzelte dann mit unverholdener Missbilligung die schön geschwungenen Brauen.

Devlin konnte sich diesen harten Blick nicht erklären.

War der Typ sauer, dass er so rücksichtslos an seine Tür gehämmert und ihn beim zweiten Klopfen fast nieder geschlagen hatte? Oder fühlte er sich etwa durch den Anblick eines verschwitzten, hart arbeitenden Cowboys beleidigt?

Arroganter Stinkstiefel, entschied Devlin, während er sein Gegenüber noch einmal abwertend musterte.

»Ich bin Devlin Callahan, Ihr nächster Nachbar«, erklärte er abrupt.

»Sie sind mein nächster Nachbar? Wie bedauerlich für mich!« Seine Stimme troff vor Sarkasmus.

»Das könnte doch wohl eher ich sagen, Blondie«, knurrte er und starrte Parker grimmig an.

Der starrte mit funkelnden grünen Augen zurück.

»Ich bin hier, weil ihre wilden Viecher meine Schafe und Rinder seit mehr als zwei Monaten zur Raserei treiben. Packen sie ihren Zoo zusammen und schaffen sie ihn in ein Wildreservat. Wie sie es wohl inzwischen selbst bemerkt haben dürften mit ihrem bescheidenen Aufnahmevermögen, ist dies hier eine Rindergegend.«

Mit einem Ruck hob Jesse sein Kinn und obwohl er um einiges kleiner war als der hoch aufgeschossene Cowboy vor ihm, schaffte er es, ihn herablassend über seine Nasenspitze anzusehen. Wie machte er das bloß?

»Zu ihrer Information, Gullican ... «

»Callahan«, verbesserte er ihn knapp.

»Wie auch immer«, sagte er, und widmete seinem Einwurf so viel Aufmerksamkeit, wie einer lästigen Fliege. »Zu ihrer Infomation - ich habe eine behördliche Genehmigung, die mich dazu berechtigt, meine exotischen Tiere hier zu halten. Jedes Tier hat seine eigene Persönlichkeit. Ich kann mich mit ihnen verständigen.«

»Sie reden tatsächlich mit ihren Tieren, ja?«, fragte er und lachte spöttisch.

»Nun, warum überrascht mich das nicht?«

Parker durchbohrte ihn fast mit seinem scharfen Blick. »Ich glaube, dass sogar jemand wie Sie zugeben müsste, dass meine Tiere sicher und artgerecht untergebracht sind, wenn sie sich die Mühe machen würden, meinen Zoo, wie sie es nennen, zu besichtigen.«

»Blondie, es interessiert mich nicht im Geringsten, ob ihre Tiere einen Ring durch die Nase tragen, oder kleine Glöckchen um den Hals. Sie beunruhigen meine Herde und bedrohen damit meinen Lebensunterhalt. Ich will, dass diese Viecher von hier verschwinden - zusammen mit ihnen!«

Das musste den jungen Mann wirklich getroffen haben, denn er zuckte kurz zusammen. Dann stemmte er jedoch die Fäuste in die Hüften und beugte sich vor, bis seine Nasenspitze fast Devlins berührte.

»Wenn es ihnen nicht passt, Tür an Tür mit meinem Zoo zu leben, dann packen sie gefälligst ihre Sachen und verschwinden! Ich habe nicht vor mich vom Fleck zu rühren, weil es mir hier nämlich gefällt, und meinen Tieren auch. Ihre Beschwerden richten sie das nächste Mal bitte an den Sheriff von Bussard`s Groove, wobei ich nicht glaube, dass es ihnen irgendwas nützen wird.«

»Hör mal, Blondie ... «

»Jesse Parker. Mister Jesse Parker, für Sie, Gullican«, sagte er in einem so herablassendem Tonfall, dass Devlin mit den Zähnen knirschte.

»Hören sie. Mein Bruder und ich betreiben eine Ranch mit großer Viehzucht.«

»Vermutlich sollte ich jetzt beeindruckt sein?« Er warf Devlin schon wieder einen dieser verächtlichen Blicke zu. »Tut mir leid, sie enttäuschen zu müssen, Gullican. Cowboys gibt es hier wie Sand am Meer - Sie sind beileibe nichts Besonderes.«

»Es interessiert mich einen Dreck, ob sie beeindruckt sind oder nicht«, schnauzte Devlin zurück. »Hauptsache, sie verschwinden von hier!«

Jesse maß den aufgebrachten Cowboy mit verächtlichem Blick.

»Was kann ich dafür, wenn ihre dummen Kühe wegen ein paar ungewohnten Lauten durchdrehen?! Meine Tiere reißen keine Zäune ein, wegen eines bisschen Rindergebrülls. Außerdem sind meine Zäune und Gitter auch sicher! Offensichtlich haben sie Probleme damit, haltbare Zäune zu ziehen.«

Devlin hatte das Gefühl gegen eine Wand zu rennen. Dieser Mann wollte seine Situation einfach nicht begreifen. Es interessierte ihn offensichtlich nicht im Geringsten, dass er seinetwegen ständig zusätzliche Arbeit hatte.

»In Ordnung!«, stieß er in einem Anflug von Verzweiflung hervor.

»Zahlen sie mir einfach eine Entschädigung und ich werde mich nicht weiter beklagen.«

Schnaubend verschränkte der kleine Mann die Arme und warf mit funkelnden Augen seine Haare zurück.

»Ich soll auch noch dafür bezahlen?! Es sieht nicht so aus, als sei ich derjenige, der hier Probleme hat, Gullican. Sie sind es!«

»Oh, nein! Sie sind mein einziges Problem«, brüllte Devlin aufgebracht und ballte die Hände zu Fäusten.

»Außerdem heiße ich CALLAHAN! Merken sie sich das.« Zornig durchbohrte er sein attraktives Gegenüber. »Sie arrogante, unterbelichtete Großstadtpflanze! Gehen sie endlich dahin zurück, wo sie hingehören - samt ihrem verdammten Zoo!!!«

Jesse Parker schob sein Kinn noch weiter vor, während er die Schultern zurück nahm und die Fäuste wieder in seine bemerkenswert schmalen Hüften stemmte.

»Hier ist der Platz wo ich hingehöre und ich werde auf jeden Fall bleiben. Also gewöhnen sie sich lieber an den Gedanken!«

Sie duellierten sich mit wilden Blicken und Devlin setzte gerade wieder zu einer neuen vernichtenden Attacke an, als sein Nachbar ihm fast die Tür ins Gesicht schlug.

In der Ferne erhob sich dumpfes Gebrüll, das von verschiedenen Lauten untermalt wurde, die er nicht identifizieren konnte - aber nichts davon hörte sich freundlich an. Devlin lachte gefrustet auf. Es würde ihn nicht wundern, wenn sich in diesem überdimensionalen Teich da drüben ein Alligator tummeln würde, der nur auf seine nächste Mahlzeit wartete.

Der Teich! Ein weiteres Problem, mit dem er sich beschäftigen musste. Dieser feuer speiende Drachen hatte einen kleinen Fluss gestaut, sodass sich auf seinem Land ein riesiger Teich gebildet hatte. Nur hatte er damit den Wasserzufluss zur Rocking-C-Ranch abgeschnitten. Während der trockenen Sommermonate waren Devlin und sein Bruder gezwungen gewesen, die Rinder auf den restlichen Weiden mit mühsam herbeigeschafftem Wasser aus Tankfahrzeugen zu tränken. Eine weitere Unannehmlichkeit, die er diesem Verrückten anlastete.

Er war schon halb entschlossen, noch einmal an die Tür zu hämmern, um ihn aufzufordern ein Loch in den verflixten Damm zu buddeln. Doch dann fiel ihm ein, dass es wirkungsvoller war, wenn er sich zuerst an Sheriff Clayton wandte. Dieser Kerl hatte wahrscheinlich wirklich eine Genehmigung zur Haltung exotischer Tiere, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, einen Fluss zu stauen und seine Ranch somit völlig von der Wasserversorgung abzuschneiden.

Abrupt drehte er sich um und ging auf seinen Wagen zu und sprang hinein. Als er den Motor anließ und einen Blitzstart hinlegte, hoffte er nur, dass ein paar Steinchen die Windschutzscheibe von Mr. Parkers City-Flitzer treffen würden, damit er endlich begriff, mit wem er es hier zu tun hatte.

Auf dem Weg zu seiner Ranch fluchte Devlin laut vor sich hin und übertönte sogar das dudelnde Radio. Sein Bruder hatte ihn ermahnt, Diplomatie walten zu lassen, wenn er dem neuen Nachbarn gegenüber trat. Aber Devlin war sich sicher, dass ihm das auch nicht mehr eingebracht hätte als seine direkte offene Art. Er hatte den verächtlichen Blick des jungen Mannes, nachdem dieser die Tür geöffnet hatte, noch sehr deutlich vor Augen. Parker konnte ihn eindeutig nicht ausstehen. Unter gar keinen Umständen hätte sich dieser Mann mit ihm arrangiert.

Am meisten ärgerte ihn jedoch, dass er den Mann außerordentlich attraktiv gefunden hatte. Einen Mann! Das war ihm noch nie passiert. Er hatte sich ertappt, wie er seinen anerkennenden Blick selbst während ihrer hitzigen Auseinandersetzung immer wieder über den anderen Körper schweifen ließ. Mit Mühe hatte er sich auf sein Gesicht konzentrieren können. Aber das hatte die Sache auch nicht viel einfacher gemacht, denn es war das bezauberndste Gesicht, das er jemals gesehen hatte. Jede Frau wäre darauf neidisch. Energisch schüttelte er den Kopf, um das Bild loszuwerden, das sich anscheinend vor seinem inneren Auge festgesetzt hatte. Dann schaute er kurz auf die Uhr und beschleunigte sein Tempo. Heute hatte sein Bruder Küchendienst und Dray konnte fuchsteufelswild werden, wenn er mit dem Essen warten musste.
 

»So ein aufgeblasener, dickköpfiger Cowboy!«, regte Jesse sich auf, während er in seine kleine Küche stampfte und begann, seine Wut am Abwasch ab zu reagieren. Der hatte ihm gerade noch gefehlt. Den halben Tag hatte er sich schon mit einem anstrengenden, uneinsichtigen Kunden in seinem Steuerbüro herumschlagen müssen. Und dann tauchte dieser Callahan wie aus dem Nichts auf. Seit fünf Monaten lebte er nun schon hier und bisher war es dem Typen nicht eingefallen ihn als Nachbarn willkommen zu heißen. O nein, er hatte mit seinem Antrittsbesuch so lange gewartet, bis er einen Grund gefunden hatte einfach herein zu platzen und unverschämte Forderungen zu stellen.

Und als wäre das noch nicht genug gewesen, hatte Jesse heute wutschnaubend feststellen müssen, dass sein betrügerischer Exfreund quasi als verspätetes Abschiedsgeschenk auf seine Kosten eine Karibikkreuzfahrt gebucht hatte - wohlgemerkt für ZWEI Personen!!

Seufzend ließ er das Wasser wieder aus dem Becken und trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. Es gab für ihn nur einen Weg seine Laune wieder aufzuhellen. Er würde jetzt raus gehen und seine exotischen Freunde versorgen. Wenigstens konnte er dabei den ganzen Ärger ein Stück zur Seite schieben.

Jesse lächlte unwillkürlich, als er an der hinteren Pforte begeistert von seinem

»Wachpanther« begrüßt wurde. Es war jeden Abend das Selbe. Sein Freund folgte ihm über den Rasen zur Scheune, wo das Futter lagerte. Je mehr er sich in seine Aufgabe vertiefte, desto weiter rückten die Ereignisse des Tages in den Hintergrund. Ganz im Gegensatz zu der naiven Vorstellung seines reizenden Nachbarn, konnten seines Tiere auf Grund ihrer verschiedenen Handicaps nicht wieder ausgewildert werden. Sie waren auf seine Hilfe angewiesen und dieser eingeschränkte Cowboy würde ihn nicht dazu bringen, seine Schützlinge im Stich zu lassen.

Schon als Kind hatte Jesse die Angewohnheit, Tiere überall aufzulesen. Während der Ausbildung hatte ihm das zwar einige Schwierigkeiten eingebracht, aber später war es ihm möglich gewesen durch sein stattliches Einkommen Land zu kaufen, auf dem er seine exotischen Lieblinge artgerecht unterbringen konnte. Das lukrative Angebot eines Industriekonzerns hatte ihn dazu bewogen, sein Grundstück wieder zu verkaufen und umzusiedeln. Dadurch hatte er sein Kapital vervielfacht und so beschloss er, sich in Bussard`s Groove mit seinem Steuerbüro niederzulassen und eine Ranch für sich und seine Tiere zu kaufen.

Die Entscheidung war ihm nicht schwer gefallen. Familiäre Bindungen existierten nicht mehr, seit seine Eltern ihn mit siebzehn vor die Tür gesetzt hatten und außer ein paar Arbeitskollegen würde ihn niemand vermissen.

Natürlich war da noch sein Exfreund gewesen - der unvergleichliche Star am Icehockeyhimmel, zu dessen Erfolgserlebnissen auch die Eroberung hübscher junger Männer gehörte. Nur durch einen Zufall hatte Jesse von seinen regen außersportlichen Aktivitäten Wind bekommen und sich daraufhin sofort von ihm getrennt. Verletzt und gedemütigt hatte er seinen Tiere und seinen Hausstand zusammen gepackt und war aufs Land geflüchtet.

Unglücklicherweise verpasste Rick, sein Ex, ihm zum Abschied noch einen empfindlichen Hieb, indem er noch einmal ausgiebig Gebrauch von seiner Kreditkarte machte. Der Gipfel der Unverschämtheit war allerdings die Kreuzfahrt, von der Jesse erst heute durch den Kontoauszug erfahren hatte. Er wusste zwar, dass es seine eigene Schuld war, dass er die Karte nicht gleich sperren ließ, aber wer rechnete schon mit einer solchen Gemeinheit?

Aufseufzend sog Jesse die frische Landluft ein und versuchte sich zu entspannen. Rick war Geschichte, auch wenn es ihn sehr getroffen hatte. Er hatte sich von ihm ausnutzen lassen, wie bisher von jedem anderen auch. Aber damit war jetzt Schluss! In Zukunft würde er die Finger von Machotypen lassen, zu denen unzweifelhaft sein penetranter neuer Nachbar gehörte.

Zugegeben, rein äußerlich war Devlin Callahan überaus anziehend, mit seinem rabenschwarzen Haar, den dunklen Augen, den breiten Schultern, den stahlharten Muskeln und den schmalen Hüften ...

Das hieß aber noch lange nicht, dass er auch nur das geringste Interesse an ihm hatte. Außerdem war Callahan zweifelsfrei hetero und von denen ließ er sowieso die Finger. Hetero Männer waren absolut tabu.

Er musste seine Zeit und Kraft ohnehin sorgfältig einteilen, um erstens in seinem Beruf voran zu kommen und sich zweitens um seine Tiere zu kümmern. Nebenbei wollte das Haus noch renoviert werden und eine Koppel musste er auch noch anlegen, da er unbedingt ein paar Pferde kaufen wollte. Hier, auf seiner Ranch, wollte er endlich Wurzeln schlagen.

Ein Gefühl des Friedens überkam ihn, während er von einem Gehege zum anderen schlenderte, um seine Tiere zu füttern. Er begrüßte alle liebevoll mit Namen. Die zwei Wölfe, die er Yin und Yan genannt hatte, stubsten ihn sanft an die Hand, bevor sie sich das Futter holten, das Jesse in den Käfig schob.

Jedes Tier hatte sein eigenes Begrüßungsritual für ihn, was ihm ein Gefühl vermittelte, liebe alte Freunde zu besuchen. Die unerfreulichen Gedanken an seinen anstrengenden Klienten, seinen nervtötenden Nachbarn und seinen treulosen Exfreund verflüchtigten sich in der lauen Abendbrise.

Oh ja, das Landleben war genau das richtig für ihn.

Als er seinen Rundgang beendet hatte, schob er sich eine Fertigmahlzeit in die Mikrowelle. Seine Stimmung hatte sich bereits wieder gehoben und er fragte sich, ob sich sein cholerischer Nachbar nach ihrem Zusammentreffen auch beruhigt haben mochte. Aber das konnte ihm ja vollkommen egal sein. Hauptsache er war verschwunden und kam hoffentlich niemals wieder.

Devlin Callahan hatte in ihm bittere Erinnerungen an die Zeit geweckt, in der er noch auf ein attraktives Gesicht und tolle Muskeln hereingefallen war. Auf keinen Fall würde er so einen Fehler noch einmal begehen. Lieber wartete er auf einen Mann, der bereit war, genauso viel zu geben wie zu nehmen - jemand, der nicht nur an seinem Geld interessiert war. Jedenfalls würde er den Typ Mann zu meiden versuchen, der in bestimmten Hochglanzmagazinen mit den Attributen groß, dunkel, attraktiv verkauft wurde. Und ganz bestimmt würde er sich hüten, auf einen Vorzeigecowboy mit dem Temperament eines wild gewordenen Rhinozerosses reinzufallen!

Tse ... er konnte immer noch nicht glauben, dass dieser Callahan versucht hatte, ihm die Probleme mit seinen nervösen Rindern in die Schuhe zu schieben und erwartete, dass er für den entstandenen Schaden aufkam. Was für eine bodenlose Frechheit!!
 

Dray Callahan häufte sich gerade Essen auf seinen Teller, als er seinen Bruder kommen hörte. Er warf einen flüchtigen Blick über die Schulter.

»Wird aber auch Zeit! Ich habe heute Abend eine Verabredung und sehe ja gar nicht ein, weshalb ich mich verspäten soll, nur weil du mal wieder rumtrödelst.«

»Eine Verabredung? Mitten in der Woche?!«, kommentierte Devlin spöttisch, während er zum Küchentresen schlenderte, auf dem Dray das Essen arrangiert hatte. Er nahm sich einen Teller und packte sich von allem etwas drauf.

»Ja, na und? Was soll daran nicht in Ordnung sein? Nie davon gehört, dass man sich auch in der Woche treffen kann?«

»Nur, wenn man was Ernstes im Sinn hat!«, antwortete Devlin gedehnt, während er ordentlich zulangte.

»Du und diese Frau, die das neue Restaurant eröffnet hat, plant ihr etwa eine feste Beziehung?«

»Vielleicht ... «, murmelte Dray und ging mit steifen Schritten auf den Esstisch zu, der im Zentrum der Küche stand. Mit seiner freien Hand fegte er einen Stapel Briefe zur Seite und setzte sich auf einen Stuhl.

»Was ist eigentlich bei deiner Begegnung mit unserem neuen Nachbarn heraus gekommen«, fragte Dray um ein neues Thema bemüht.

Man musste nicht besonders scharfsinnig sein, um zu bemerken, dass Dray seine Gefühle für Sunny Dixon nicht mit ihm diskutieren wollte. Sie war eine temperamentvolle Brünette, die vor ein paar Monaten ein kleines schickes Restaurant in Bussard`s Groove eröffnet hatte. Und das Dray nicht bereit war, mit ihm über sie zu sprechen, ließ Devlin vermuten, dass er sich bis über beide Ohren in das Mädchen verknallt hatte. Verübeln konnte er es ihm nicht. Sunny Dixon besaß wirklich Klasse, Stil und Persönlichkeit - ganz im Gegensatz zu diesem Einfallspinsel, der seit kurzem auf der Nachbarranch hauste.

»Und?«, forschte Dray.

Devlin schaute von seinem Teller hoch. »Und, was?«

»Hast du unseren neuen Nachbarn davon überzeugen können, sich samt seinem Zoo zu verdrücken, damit unsere Tiere wieder zur Ruhe kommen?«

»Nein. Er hat mir einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen, aber nicht, ohne mir vorher einen Haufen Beleidigungen an den Kopf zu werfen«, entgegnete Devlin mürrisch und stocherte gereizt mit seiner Gabel im Essen rum.

»Der Kerl ist offensichtlich aus Granit. Nicht einmal mit einem Presslufthammer oder Dynamit würde man zu ihm durchdringen.«

Dray starrte seinen Bruder an.

»Mit anderen Worten, du bist deinem Ruf wieder mal gerecht geworden und hast dich auf eine Schlacht mit ihm eingelassen? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst es mit Diplomatie versuchen?«

»Das hätte überhaupt keinen Zweck gehabt«, erklärte Devlin überzeugt.

Dray schüttelte daraufhin nur den Kopf und seufzte. »Du hättest nicht zu ihm rüber gehen sollen, solange du in Rage warst. Ich habe dir doch geraten, dich erst wieder zu beruhigen. Aber nein, du musstest ja gleich nach dem Viehtrieb zu ihm rüber rasen. Ich kenn dich doch. Bei der leisesten Provokation brüllst du los wie ein Stier. Sowas bringt einfach nichts. Das nächste Mal sei einfach ein bisschen taktvoller.«

Das Letzte was ich jetzt brauche, ist eine Moralpredigt von einem Kerl, der grundsätzlich alle unangenehmen Auseinandersetzungen mir überlässt, dachte Devlin zähneknirschend.

Diplomatie?

Zur Hölle damit!

»Es wird kein nächstes Mal geben!«, murrte er missmutig.

»Wenn du meinst, es besser zu können, dann geh doch rüber und überzeug unseren reizenden Nachbarn. Ich wette es dauert keine drei Sekunden und du kannst dich über eine Beule an der Stirn freuen.«

Abwehrend hob Dray die Hände. »Ich? Vergiss es! Nur weil wir eineiige Zwillinge sind, heißt das nicht, dass ich in die Höle des Löwen gehe, nachdem du ihn gereizt hast. Er bekommt mich zu Gesicht - denkt natürlich ich wäre du und dann ... nein, nein, mein Lieber.«

»Tja, er hat tatsächlich eine teuflisch scharfe Zunge«, bemerkte Devlin zögerlich.

»Und vermutlich war es auch nicht gut, dass meine Faust fast in seinem Gesicht gelandet ist, als Parker so abrupt die Tür aufgerissen hat.«

Aufstöhnend fasste sich Dray an die Stirn. »Habe ich es doch gewusst! Und dann wunderst du dich über sein Verhalten? Was hast du denn erwartet? Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich selbstverständlich manierlich die Türglocke

bedient«, meinte er in selbstgefälligem Ton. »Dann hätte ich höflich gewartet und es wäre gar nicht zu so einer Szene gekommen.«

Angewidert betrachtete Devlin seinen Zwillingsbruder. Dray hatte die nervtötende Angewohnheit, seinen Bruder ständig daran zu erinnern, dass er der Ältere und damit auch selbstverständlich der Reifere und Überlegenere war. Dabei betrug der Altersunterschied gerade mal drei läppische Minuten.

»Ich schwöre dir, Dev. Seit du dich damals von dieser Rothaarigen zum Narren hast machen lassen, bist du ständig mürrischer und gereizter geworden.«

»Vielen Dank, dass du mich gerade jetzt daran erinnerst. Vielleicht blüht dir das ja auch noch!«, knirschte Devlin.

Wütend starrte Dray ihn an und Devlin schoss einen ebenso finsteren Blick zurück.

»Okay«, sagte Dray schließlich. »Ich gebe zu, dass mir nicht im zarten Alter von fünfundzwanzig das Herz gebrochen wurde.«

»Genau. Du hast gar keinen Grund hart und zynisch zu sein und wärst in jedem Fall besser geeingnet mit Parker über seinen Zoo zu diskutieren. Vor allem wärst du nicht so geschockt gewesen, wenn du ihn zu Gesicht bekommen hättest. Der Typ sieht fast aus, wie ein zerbrechliches Porzellanpüppchen. Aber das wirst du ja selber sehen, wenn du rüber gehst, um die Sache zu bereinigen.«

»Mit anderen Worten, unser neuer Nachbar ist attraktiv?«, hakte Dray nach.

»Geradezu umwerfend. Jede Modebranche würde sich um ihn reißen«, versicherte Devlin trocken und zerdrückte eine Kortoffel in der Sauce.

»Du verstehst dich doch auf seichten Small Talk und wirst ihn schon wieder gnädig stimmen, selbst wenn er annehmen sollte, dass du ich bist. Vielleicht haut er dich sogar dermaßen um, dass du ... «

»Oh, nein!«, protestierte Dray lautstark. »Ich bin nicht schwul, klar?! Schlag dir das ganz schnell aus dem Kopf. Außerdem glaube ich, dass ich bei Sunny im Moment ganz gute Karten habe. Ich bin nicht bereit irgendein Risiko einzugehen. Unserer Nachbarranch werde ich mich jedenfalls nicht bis auf eine Meile nähern, damit Sunny gar nicht erst auf falsche Gedanken kommt. Du hast Parker auf die Palme gebracht und deswegen wirst du auch dafür sorgen, dass er da wieder heil herunter kommt!«

Er steckte sich den letzten Bissen in den Mund und stand entschlossen auf.

»Während du die Küche in Ordnung bringst, gehe ich schnell duschen und bin dann auch schon verschwunden. Ich gehe mit Sunny ins Kino, also kannst du diesen Abend sinnvoll verbringen und dich in Charme, Höflichkeit und Diplomatie üben. Morgen Abend gehst du dann zu unserem reizenden Nachbarn hinüber, um ihm mit einer großen Flasche Wein deine Entschuldigung zu überbringen. Am besten du nimmst Weißen, dass sieht nicht so aufdringlich aus.«

»Du willst wohl, dass ich noch mal richtig Stress kriege, was?«, knurrte Devlin unversöhnlich. »Eher friert die Hölle zu.«

»Devlin ... das ist dein Krieg. Du hast ihn begonnen, also musst du ihn auch wieder beenden.« Dray runzelte seine dunklen Augenbrauen.

»Sieh zu, dass du das Problem aus der Welt schaffst, verstanden?!«

Devlins Blicke bohrten sich wie Dolche in den breiten Rücken seines Bruders. Er sollte das Problem aus der Welt schaffen? Na gut! Die einzige Lösung die in Betracht kam, war, Mr. Jesse Parker in einen Käfig zu seinen Tieren zu sperren und allesamt weit, weit weg in ein Reservat zu verschiffen.

Als Devlin es sich eine Stunde später vor dem Haus auf der Hollywoodschaukel bequem gemacht hatte, um Zeitung zu lesen, durchdrang auf einmal ein gespenstischer Schrei die abendliche Stille. Unwillkürlich sträubten sich ihm die Nackenhaare. Irgendeine Wildkatze, dachte er zähneknirschend, während er das Vieh in der Ferne schreien hörte. Jeden Abend um die gleiche Zeit begann diese gruselige Symphonie. Den kleinen blonden Drachen freundlich aus der Reserve locken? Das würde er nicht in einer Millionen Jahre tun!

Als das Geschrei noch an Intensität zunahm, feuerte Devlin seine Zeitung auf den Verandaboden und stürmte aufgebracht ins Haus. Das war Ruhestörung von der extremsten Sorte! Und dagegen gab es ein Gesetz, davon war er überzeugt. Vielleicht sollte er den Sheriff einmal einladen, damit der einen Eindruck von diesem unerträglichen Lärm bekam. Möglicherweise würde dann endlich was gegen diesen Verrückten unternommen werden.
 

Ende Teil 1
 

Hallo Leute,

diesmal warte ich hier mal mit etwas anderem auf. Die Story ist schon ziemlich alt, weil ich nicht wirklich dazu komme, weiter zu schreiben. Aber ab und zu kommt doch immer noch ein bisschen dazu. Deswegen kann es sein, dass ihr mal warten müsst. Ich bin nämlich nicht von der schnellsten Sorte und muss immer absolut in der Stimmung sein, um bestimmte Sachen zu schreiben. Aber was erzähl ich da ... *lol* Ihr wisst ja am besten selber wie das ist. XD

Nu will ich aba keinen weiter aufhalten. Ich wünsche euch viel Spaß beim lesen und hoffe es gefällt.

Bis zum nächsten, sicherlich bald folgenden Kapitel ...
 

dessi

Katz und Maus von desertdevil6

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Kapitel 2
 

»Guten Morgen, Chef«, wurde Jesse enthusiastisch von seiner Angestellten begrüßt, als er in sein Büro trat.

»Guten Morgen.« Jesse stellte seinen Aktenkoffer auf dem Schreibtisch ab und lächelte seiner braunhaarigen Sekretärin zu. Es fiel ihm immer noch schwer, in ihr jene Frau wieder zu erkennen, die vor wenigen Monaten völlig verstört in seinem Büro aufgetaucht war und ihm um Arbeit gebeten hatte. Damals schien sie keinen Funken Selbstvertrauen zu besitzen. Unter Tränen hatte die verzweifelte Frau ihre Geschichte herausgestammelt. Abbey hatte es nur mit Mühe geschafft ihrem gewalttätigen Mann zu entfliehen. Sie war nach Bussard`s Groove gekommen, um eine möglichst große Distanz zwischen sich und ihren Ex zu bringen und lebte in Scheidung.

Vor wenigen Monaten hatte sie unbedingt eine Chance für einen Neuanfang gebraucht und Jesse hatte ihr geholfen. Er wusste selbst nur zu genau, wie es war auf sich allein gestellt zu sein und nicht zu wissen, wo man die nächste Mahlzeit hernehmen sollte. Deshalb hatte er Abbey ohne viel hin und her angestellt, obwohl sie keine Ausbildung als Sekretärin vorweisen konnte.

Jesse hatte ihr ein passendes Apartment gesucht, den Umzug bezahlt und ihr beim Einrichten geholfen und hatte somit eine treue Freundin und Angestellte gewonnen. Um Jesse seine Freundlichkeit wenigstens etwas vergelten zu können, hatte Abbey etliche Überstunden gemacht, um sich weiter zu bilden. Sie gab sich die allergrößte Mühe im Umgang mit den Klienten und hatte sich von selbst mit den Abläufen im Büro vertraut gemacht, sodass sie Jesse immer mehr Telefonate und Briefe abnehmen konnte. Als einzig staatlich anerkannter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in der Stadt hatte Jesse meist mehr zu tun, als ihm lieb war. Deshalb gingen auch die Renovierungs- und Reparaturarbeiten auf seiner Ranch so langsam voran.

»Der gestrige Tag war absolut tödlich, oder?«, stellte Abbey fest, während sie eine Tasse Kaffee und einen selbst gebackenen Pfannkuchen vor Jesse hinstellte.

»Ich hätte beinahe meine Fassung verloren, als dieser seltsame alte Mann hier aufgetaucht ist. Und der Aufstand erst, den er gemacht hat, weil sie sich geweigert haben seine Steuererklärung zu frisieren. Aber zum Glück sind sie noch zur rechten Zeit aufgetaucht, um dem Kerl in seine Schranken zu weisen.«

Abbey lächelte. »Ich bewundere sie wirklich dafür, wie wenig sie sich von diesem Typ haben beeindrucken lassen.«

»Ach Abbey, hören sie auf. Ich bin zwar klein und sehe zerbrechlich aus, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich nicht in meiner Haut wehren kann. Außerdem habe ich inzwischen Übung darin, mich gegen solche Attacken zu verteidigen und Boris Browles war sowieso nur ein Aufwärmtraining für den dreisten Typ, der gestern Abend bei mir auf der Ranch aufgetaucht ist und mich fast nieder geschlagen hätte.«

Abbeys Augen weiteten sich entsetzt.

»Oh mein Gott. Hat er ihnen etwas angetan? Soll ich Sheriff Clayton verständigen? Könnten sie den Angreifer identifizieren?«

»Zweifellos. Es war mein nächster Nachbar. Er hat mir unmissverständlich sein Missfallen über meinen Zoo kund getan. Kein Grund sich an den Sheriff zu wenden.«

»Ich hoffe sie haben ihm ordentlich Kontra gegeben.«

Jesse seufzte. »Wir haben es uns beide ganz schön gegeben.« Nach der trockenen Antwort, gönnte er sich noch einen Bissen von dem leckeren Pfannkuchen.

»Dieser selbstgefällige Cowboy hat mir unmissverständlich mitgeteilt, dass sich seine Rinder und Schafe durch meine Tiere gestört fühlen. Dann hat er auch noch von mir verlangt, dass ich für seine zerstörten Zäune und seine Arbeitszeit aufkommen soll!«

»Wie heißt er eigentlich?«, erkundigte sich Abbey neugierig.

»Devlin Callahan.«

»Hm .. noch nie von ihm gehört. Aber ich bin ja auch erst seit ein paar Monaten in der Stadt. Offensichtlich ist er keiner unserer Klienten.«

Jesse überlegte einen Augenblick. Abbey hatte Recht. Devlin Callahan hatte nie zu seinen Klienten gehört und daran würde sich auch nichts ändern. Er würde jeden Fall verweigern, der in Zusammenhang mit der Rocking-C-Ranch hing. Da müsste Callahan schon auf Knien angekrochen kommen und sich ausdrücklich bei ihm entschuldigen. Aber je weniger er mit ihm zu tun hatte, desto besser!

»Oh! Jesse, schauen sie mal. Da ist Sheriff Clayton«, bemerkte Abbey und wies mit einer Hand zum Fenster. »Er fährt gerade auf den Parkplatz des Ambers Snoop Diner. Soll ich rüber gehen und mich in ihrem Namen über ihren Nachbarn beschweren? Es würde mir nichts ausmachen.«

Kurz schaute Jesse zum Fenster und verschluckte sich fast an seinem Pfannkuchen. Nicht nur Sheriff Clayton war an diesem Morgen unterwegs, nein! Devlin Callahan sprang gerade aus seinem blaugrauen Pick-up und schritt entschlossen auf den Sheriff zu. Kein Zweifel, dieser infantile Egoist war ihm zuvor gekommen.

Gegen seinen Willen konnte Jesse seine Augen einfach nicht von Callahans Profil abwenden. Dieser Mann sah aber auch wirklich unverschämt gut aus. Nur schade, dass er einen so miesen Charakter hatte. Das war einfach nicht fair! Wieso mussten solche eingebildeten und arroganten Typen immer zum anbeißen aussehen, dachte er.

Abbey drückte sich inzwischen die Nase an der Scheibe platt.

»Wow, was für ein Kerl«, schwärmte die braunhaarige Frau. »Er siehst aus wie ein Filmstar.«

»Das ist Callahan«, informierte Jesse seine Angestellte knapp. »Lassen sie sich von seiner schillernden Fassade bloß nicht täuschen. Während wir uns hier unterhalten, ist er zweifelsohne gerade dabei, sich beim Sheriff über mich zu beklagen, dass ich mit meinen Exoten verschwinden muss, damit der allmächtige Callahan sein Rinderkönigreich wieder für sich allein hat.«
 

Und das tat Devlin gerade, genau wie Jesse es vermutet hatte.

»Ich verstehe. Du bist unausgeschlafen und gereizt, da du schon seit fünf Uhr auf den Beinen bist, um deine Rinder wieder ein zu fangen.« Mitfühlend legte Clayton ihm eine Hand auf die Schulter. »Aber Mr. Parkers Land wurde als Zufluchtsstätte für solche Tiere ausgewiesen. Er hat eine Genehmigung und dagegen können wir nichts tun. Erst vor zwei Monaten wurde eine zweite große Katze in seine Obhut gegeben.«

»Eine Raubkatze?«, stieß Devlin entsetzt hervor. »Kein Wunder, das meine Tiere durchdrehen! Mal ernsthaft, Clayton, ich muss Futtergetreide aussähen. Außerdem müssen Dray und ich uns um die landwirtschaftlichen Geräte kümmern. Wir können es uns nicht leisten, ständig ausgebrochenen Tieren hinterher zu jagen. Das muss endlich ein Ende finden!«

Der Sheriff zuckte hilflos mit den Schultern.

»Devlin, ich verstehe dich ja. Aber ich kann auch nichts für dich tun. Treib doch deine Tiere einfach auf abgelegenere Weiden und schaffe eine möglichst große Distanz zu den Exoten?«

»Das ist unmöglich! Meine Rinder brauchen die Weiden um zu überleben. Ich kann sie frühestens im nächsten Jahr umsiedeln. Allerdings sind diese Weiden auf Grund der anhaltenden Trockenheit völlig ausgedörrt. Und noch was .. «, setzte Devlin hinzu. »Dieser Kerl hat einfach den Fluss gestaut und sich einen tollen Privatteich angelegt. Seine dummen Viecher toben im Wasser herum, während meine NUTZTIERE«, er betonte das Wort extra deutlich.

» .. fast verdursten! Seit gut einem Monat muss ich ständig Wasser auf die Weiden schaffen.«

»Hm ... « Clayton senkte den Kopf. »Damit könntest du eventuell durchkommen. Soll ich mit ihm darüber reden, Devlin?«

»Das würde mich überglücklich stimmen!«, versicherte er mit einiger Befriedigung.

»Denn ich kann gut und gerne darauf verzichten, noch einmal mit diesem Kerl zu verhandeln. Wahrscheinlich hat er mich auch noch mit einem Fluch belegt. Denn seit er hier ist, haben wir nicht einen anständigen Regenguss gehabt. Das Gras verdorrt und die Zaunreparaturen kosten uns den letzten Dollar. Seitdem der Typ hier ist, läuft alles schief!«

Clayton lachte kehlig auf und brummte dann amüsiert:

»Du willst ihn persönlich für die zweimonatige Trockenheit und die Hitzewelle verantwortlich machen?«

»Mich würde es kein bisschen überraschen, wenn er tatsächlich etwas damit zu tun hätte«, knurrte Devlin.

»Ich würde ihm ja selber sagen, dass ich ihn für einen Verrückten halte, aber nachher hängt er mir noch eine Verleumdungsklage an und wer weiß was noch.«

»Jesse Parker ... ein Verrückter?« Clayton lupfte skeptisch seine Augenbrauen.

»Sprechen wir eigentlich über den gleichen reizenden jungen Mann? Der Herr den ich kenne, ist ein Bilderbuchbürger. Du glaubst gar nicht, wie viele Hilfsverbände er monatlich großzügig unterstützt.«

Devlin guckte verdutzt und versuchte die neuen Informationen über diesen Wilden zu verarbeiten.

»Reizend auch noch, ja?«, fuhr Devlin Clayton an, riss seinen Arm hoch und zeigte mit ausgestrecktem Finger auf das Gebäude, welches sich gegenüber des

Ambers Snoop Diners befand.

»Sprechen wir über den Jesse Parker, dessen Büro sich in diesem Haus befindet? Der Kerl, der aussieht wie die Miss Dezember aus meinem Kalender?«

Clayton lachte laut auf und hielt sich den massigen Bauch.

»Tja, genau den meine ich. Er hat zum Beispiel eine Frau bei sich angestellt, die ihrem gewalttätigen Ehemann weggelaufen ist. Höchstpersönlich ist er in mein Büro gekommen und hat eine einstweilige Verfügung gegen den Kerl erwirkt. Du solltest sehen, wie positiv Abbey sich verändert hat, seit Jesse das arme Ding unterstützt.«

»Tse ... eher hat er die arme Frau in eine Hexe verwandelt.«

»Verdammt noch mal, nein!« Clayton schien nun wirklich aufgebracht zu sein und starrte Devlin aus schmalen Augen an. »Der Mann ist wirklich ein Engel. Er hat für Abbey ein Apartment besorgt und nicht nur den Umzug, sondern auch die erste Miete bezahlt.«

Das zog Devlin sprichwörtlich die Schuhe aus. Clayton glaubte wirklich dieser Verrückte sei ein Engel. Tja .. vielleicht lag es ja tatsächlich an ihm, dass er das Schlimmste in diesem Superman hervorkehrte. Anscheinend hatte Parker nur mit einem einzigen Menschen Schwierigkeiten, und zwar mit seinem nächsten Nachbarn.

»Wegen des gestauten Wassers werde ich mit Jesse sprechen, aber was das andere betrifft, müsst ihr euch untereinander einigen. Das ist ein Befehl.« Er schaute Devlin eindringlich an.

»Ich habe wirklich ausreichend echte Probleme, als dass ich mich mit einem unwichtigen Streit zwischen zwei Nachbarn auseinander setzen möchte. Warum setzt du nicht deinen berühmten Charme ein, anstatt ihn mit deinem überschäumenden Temperament auf die Barrikaden zu bringen. Er ist gar nicht so übel, wie du denkst.«

Das zweite Mal in vierundzwanzig Stunden wurde er nun aufgefordert seinen Charme einzusetzen. Devlin knirschte mit den Zähnen. Sollte er den kleinen Jesse Parker etwa anmachen? Er war doch nicht schwul, verdammt noch mal!

»Es ist mein Ernst, Dev.«

Streng wurde er von Clayton fixiert und der Blick verbot sämtlichen Widerspruch.

»Du wirst zu diesem Mann ganz besonders freundlich sein, hast du mich verstanden? Er tut eine Menge Gutes und jeder hier respektiert ihn dafür. Ich erlaube nicht, dass ihr die Stadt zu eurem persönlichen Schlachtfeld degradiert. Denn dann hänge ich euch eine Klage wegen Störung öffentlichen Friedens ... «

»Ach? Und was ist mit meinem privaten Frieden, der täglich durch diese wildgewordene Horde von Viechern gestört wird?«, fuhr Devlin aufgebracht dazwischen.

»Tse .. es bringt nichts weiter mit dir zu diskutieren. Ich habe jetzt genug Zeit verschwendet und du solltest deine Zeit auch besser nutzen, um deine Zäune zu reparieren.«

Bevor Clayton sich umwandte, sah er Devlin einen Augenblick nachdenklich an und lächelte leicht. »Hör mal, Devlin. Nur weil dir jemand vor Jahren das Herz gebrochen hat, musst du deinen Frust nicht an anderen auslassen. Schon gar nicht an Jesse Parker. Er kann am aller wenigsten dafür.«

Wütend ging Devlin einen Schritt zurück.

»Oh .. wundervoll, dass mein Privatleben Stadtgespräch ist.«

»Typisch Kleinstadt«, zuckte Clayton mit den Schultern. »Außerdem waren dein Bruder und du schon immer für Klatschgeschichten berühmt. Ihr seid beide attraktiv, erfolgreich und begehrte Junggesellen. Finde dich endlich damit ab, Callahan. Manchmal wünschte ich, ich hätte deine Probleme.«

Abrupt wandte sich Devlin zu seinem Wagen und sprang hinein. »Vergiss nicht, mit Parker über die Wasserangelegenheit zu reden«, meinte er, kurz über die Schulter blickend.

»In Ordnung. Und du polier dein Lächeln auf und lass deinen Charme spielen«, ermahnte Clayton ihn noch, bevor Devlin den Motor anließ und Richtung Heim flüchtete. Im Rückspiegel behielt er die neuen Holzpfähle im Augen, die sich auf der Ladefläche häuften. So ein Mist! Wenn ihm nur etwas einfallen würde, um diesen infernalischen Dschungellärm zu unterbinden!

Plötzlich schoss ihm eine Idee durch den Kopf und ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. Kurz entschlossen wendete er seinen Wagen und hielt wenig später mit quietschenden Rädern vor einem Elektrogeschäft um eine große Kabeltrommel zu kaufen. Vielleicht würde er mit ein bisschen Techno das unerträgliche Heulen übertönen und Parker damit endlich einmal eine Dosis seiner eigenen Medizin verpassen können.
 

Geschafft wischte sich Jesse mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und maß die Lücke nach, die er in den Damm vor seinem Teich gegraben hatte. Auf Drängen seines streitsüchtigen Nachbarn, hatte der Sheriff verlangt, dass er aus seinem Teich einen Fluss leiten sollte, der über Callahans Land führte.

Beschämt musste er sich eingestehen, dass er daran bisher keinerlei Gedanken verschwendet hatte, in wie weit der Bau seines Teiches die Wasserzufuhr zu Callahans Land beeinträchtigte. Das war wirklich rücksichtslos von ihm gewesen, gestand er sich nun ein.

Vielleicht war er tatsächlich zu hart zu dem anderen Mann gewesen. Immerhin war es nicht Devlins Schuld, dass sein gutes Aussehen und sein mit Muskeln bepackter Körper ihn an seinen treulosen Exfreund erinnerten.

»Hm .. du bist wirklich nicht sehr fair gewesen, Jess«, murmelte er sich selbst vorwurfsvoll zu. Auf beiden Seiten des Durchlasses schichtete er dann noch Steine auf, damit zukünftige Regengüsse das lockere Erdreich nicht wegspülen konnten.

»Und was soll ich nun mit Devlin Callahan anfangen?«, fragte er sich laut, kam aber zu keinem Ergebnis.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Vielleicht konnte er seinen unfreundlichen Nachbarn etwas beschwichtigen, wenn er die Käfige mit den Wölfen auf einem anderen Teil seines Landes stellte, wo die seichten Hügel und das Waldstück einen großen Teil der Geräusche verschluckten.

Schnell schaute er auf seine Uhr. Mit seinem eigenen Wagen war das nicht zu bewerkstelligen, aber möglicherweise konnte Abbey etwas organisieren. Im Haus angelte Jesse nach dem Telefon und wählte die Nummer seines Büros. Abbey war bestimmt noch da, denn sie machte nie vor fünf Uhr Feierabend. Nach dem zweiten Klingeln nahm sie am anderen Ende ab.

»Ja, hallo, Abbey. Ich bin`s, Jesse. Sag mal, kannst du mir einen Geländewagen besorgen ... ja ich brauche ihn jetzt ... ok, danke ... ruf mich zurück, wenn es nicht klappt.«

Nach dem kurzen Gespräch ging Jesse in die Küche, fischte blind ein Fertiggericht aus dem Tiefkühlfach und schob es in die Mikrowelle. Als es fertig war, setzte er sich damit auf die Couch und schaufelte das Essen gedankenverloren in sich hinein.

Eine halbe Stunde später sprang Jesse auf, weil er Motorgeräusche vor dem Haus hörte.

»Guten Abend«, begrüßte er den anderen Mann und reichte ihm die Hand.

»Guten Abend, ich bin Andy und ihre Kollegin sagte sie bräuchten nen vernünftigen Geländewagen ... « Eine große warme Hand schloss sich um Jesses und er blickte überrascht in Andy`s kakaobraune Augen.

»Äh, ja ... « Schnell zog er seine Hand zurück und sah verlegen zu Boden, biss sich frustriert auf seine Unterlippe. Warum sahen die Männer gerade auf diesem kleinen Fleck Erde alle so attraktiv aus? Das war einfach nicht fair. Aber wenigstens war dieser Andy nicht so arrogant wie sein streitsüchtiger und gereizter Nachbar.

»Wissen sie, ich brauche ihre Hilfe, weil ich die Käfige meiner Tiere an den Waldrand auf einem anderen Teil meines Landes transportieren möchte. So schwer dürfte es glaube ich nicht sein, da sie auf Rädern stehen. So müssen wir nur eine Kette an ihrem Wagen befestigen, wenn es ihnen nichts ausmacht.«

»Kein Problem ... aber warum haben sie nicht ihren Nachbarn gefragt?«, runzelte der Größere die Stirn. »Ich habe vor der anderen Ranch einen blaugrauen Pick-up gesehen. Wäre das nicht günstiger gewesen?«

Verdrossen knirschte Jesse mit den Zähnen.

»Ja, wäre es, wenn mein Nachbar nicht eine ausgeprägte Abneigung gegen mich und meine Tiere hätte.«

»Tut mir leid, wenn ich ihnen zu nahe getreten bin. Es geht mich ja nichts an.«

»Schon gut.«

Mühevoll transportierten sie zwei Käfige sicher auf die Westseite des Grundstücks. Es dauerte eine ganze Stunde, da das Gelände ziemlich uneben war. Doch dann war alles geschafft und Jesse bedankte sich müde bei Andy. Auf den kurzen Strecken, die zu fahren gewesen waren, hatten sie sich ein wenig unterhalten und Jesse hatte festgestellt, dass Andy ein angenehmer Zeitgenosse war. Er mochte ihn und bat seinen Helfer noch auf einen Kaffee herein, aber Andy lehnte dankend ab.

»Eigentlich hatte ich gar keine Zeit, aber ihre Kollegin war sehr überzeugend«, lächelte er gutmütig. Zum Abschied tippte er sich mit einem Finger an den Hut, bevor er in seinen Wagen stieg.

Jesse nickte nur und seufzte schläfrig, während er die Haustür hinter sich schloss. Keine Sekunde später lag er lang ausgestreckt auf seinem Sofa. Er war kaum eingenickt, als er schon wieder erschrocken hochfuhr. Er brauchte einen Moment, um den ohrenbetäubenden Lärm, der seine Fensterscheiben zum erzittern brachte, als Technobass zu identifizieren.

»Oh, verdammt ... «, heulte Jesse auf und schleppte sich mit wackeligen Beinen zum Fenster. Inzwischen war es stockfinster, sodass er in der Ferne nur kleine Lichter Richtung Rocking-C-Ranch erkennen konnte.

Es dauerte einen Augenblick, bis zu ihm durchsickerte, dass Devlin seine Stereoanlage bis zum Anschlag aufgerissen hatte, um den Lärm seiner Exoten zu übertönen. Doch die waren gar nicht mehr so laut, da sich die Wolfskäfige auf der Westseite befanden.

Schnell ging Jesse zur Hintertür, nur um festzustellen, dass die Pfauen und die zwei Graupapageien wild in ihrer Voliere herum flatterten. Und auch der kleine Puma lief nervös in seinem Gehege hin und her, weil er den ohrenbetäubenden Lärm nicht einordnen konnte.

Aufgebracht lief Jesse zum Telefon und griff zum Telefonbuch, um die Nummer der Rocking-C -Ranch raus zu suchen. Ungeduldig wartete er darauf, dass Devlin am anderen Ende der Leitung abnahm.

»Ja, hallo«, meldete sich eine samtweiche Stimme. Jesse schüttelte sich unwillkürlich. Auf keinen Fall würde er sich von Callahans Schlafzimmerstimme einlullen lassen.

»Devlin Callahan, ich ... «

»Eine Sekunde, bitte.«

Einen Augenblick später meldete sich die verführerische Stimme zurück und Jesse versuchte den leisen Schauder zu ignorieren, der ihm über den Rücken fuhr.

»Callahan, hier spricht Parker«, informierte er seinen Gesprächspartner müde.

»Wären sie vielleicht so freundlich ihre Stereoanlage abzustellen?!« Er klang sichtlich genervt.

»Aber, aber, Schätzchen«, schnurrte Callahan zufrieden in die Leitung. »Ich bin viel zu müde, um noch einmal aufzustehen. Seit dem Morgengrauen war ich auf den Beinen, um meine ausgerissenen Rinder einzufangen.«

»Ja und? Sie sind nicht der Einzige, der den ganzen Tag hart arbeitet!«, giftete Jesse nun etwas energischer zurück. »Außerdem macht ihre Musik meine Tiere verrückt!«

»Tja .. dann wissen die ja endlich mal, wie sich meine Rinder und Schafe fühlen!«, erwiderte Devlin sarkastisch.

»Hören sie, Callahan, ich habe den ganzen Abend damit verbracht meinen Damm zu öffnen, damit ihre Tiere wieder Wasser bekommen und ich habe ein paar Käfige umgestellt, um den Lärm zu dämpfen. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich erschöpft und brauchte etwas Schlaf.«

»Ich staune, ich staune, Parker. Das ist sehr nachbarschaftlich von ihnen. Schade, dass ihnen das nicht schon ein paar Monate eher eingefallen ist!«

»Wenn sie nur einen Ton gesagt hätten, dann hätte ich es sofort getan«, antwortete Jesse geschafft. Er wollte sich jetzt nicht streiten. Schon gar nicht mit Callahan.

»Es war mir nicht bewusst, dass ich ihnen damit Probleme bereitet habe und es tut mir leid.«

»Tse .. und ihrer Aufmerksamkeit ist es auch entgangen, dass ihr Zoo meine Herde terrorisiert und die Tiere, die sie sicherlich heute Morgen auf dem Weg in die Stadt in ihr chickes Büro haben grasen sehen, sollten eigentlich auf meiner Weide stehen. Habe sie sich schon mal überlegt, was passiert, wenn ein Auto mit einem Rind zusammen prallt, Blondie? Nicht nur das Tier landet in der Kühltruhe, nein, ich muss wieder Geld investieren, um meine Herde zu ergänzen. Mal ganz abgesehen von möglichen Personenschäden.«

»Also, ich ... «

Doch Devlin ließ ihn gar nicht ausreden, da er sich inzwischen so richtig in Rage geredet hatte.

»Und wissen sie was, Parker? Sie sind so sehr mit sich selbst und ihren wilden Viechern beschäftigt, dass sie gar keinen Gedanken an die Probleme ihres nächsten Nachbarn verschwenden. Haben sie jemals darüber nachgedacht? Hm? Nein? Ich glaube es jedenfalls nicht! Und was die Musik betrifft, die gefällt meinen Tieren ganz besonders. Und falls ihre Exoten ausbrechen sollten, zögern sie nicht mich anzurufen. Ich komme dann sofort mit meinem Gewehr und erledige das für sie!«

Vor Entsetzen brachte Jesse kein Wort heraus.

»Was ist denn auf einmal mit ihnen, Parker?! Hat es ihnen die Sprache

verschlagen?!«, stichelte Devlin weiter.

»Sie .. sie sind wirklich das Letzte!«, flüsterte Jesse niedergeschlagen.

»Tja, Parker. Sie sollten nehmen, was sie kriegen können. Wenn ich sie dazu bringen könnte ihre Sachen zu packen und von hier zu verschwinden, wäre ich der glücklichste Mann auf der Welt. Bevor sie und ihre Ungeheuer hier aufgetaucht sind, war das hier ein friedlicher Ort ... «

»Es reicht, Callahan ... «

»Na, und was wollen sie dagegen tun, Blondie? Rüberkommen und sich mit mir Prügeln«, fragte er zynisch.

»Nein, ich wende mich an den Sheriff. Der kann ihnen dann was über nächtliche Ruhestörung erzählen ... «

»Der Sheriff weigert sich, in die Sache einzugreifen und ich muss es ja wissen, denn ich habe ihn bereits auf die Störung meiner Ruhe angesprochen. Sieht so aus, als müssten wir das unter uns austragen. Aber keine Angst, Blondie. Ich gebe der Musik eine Woche und ich verspreche, deine Tiere werden davon genauso begeistert sein, wie meine es bereits sind.«

Bevor Jesse noch etwas dazu sagen konnte, hatte Devlin aufgehängt. Fassungslos starrte er das Telefon an. Dieser Mann war ein noch größeres Ekel als sein Ex. Bestimmt sonnte er sich jetzt in seinem gelungenen Rachefeldzug.

Erschöpft legte Jesse den Hörer zurück auf die Gabel und schlurfte nach oben in sein Schlafzimmer. Dort legte er sich mit voller Montur aufs Bett und zog sich ein Kissen über den Kopf. Es half überhaupt nicht.
 

»Du hast was getan?«, fragte Dray ungläubig.

»Hast du doch gerade gehört.« Desinteressiert rührte Devlin in seinen Cornflakes herum. »Ich habe die Stereoanlage voll aufgedreht und damit das Gebrüll seiner wilden Tiere übertönt.«

»Und das ist deine Vorstellung von einem Kompromiss, he?«, fragte Dray mit spöttischem Blick.

»Na ja, das Gespräch mit dem Sheriff hat mich kein Stück weiter gebracht. Anscheinend hat unser reizender Nachbar ihn so eingewickelt, dass er ihn als einen lichtbringenden Engel in der Dunkelheit sieht. Aber wenigstens hat er ihn davon überzeugen können ein Loch in den Damm zu schlagen, sodass unsere Tiere wieder Wasser haben. Er hat es gestern Abend gleich noch erledigt. Und ein paar Käfige hat er auch wo anders hingeschafft.«

»Und was machst du, lieber Bruder? Du holst unsere Boxen raus und dröhnst ihn zum Dank auch noch zu!«

Unbehaglich rutschte Devlin auf seinem Stuhl herum.

»Konnte ich denn wissen, dass er so schnell darauf reagiert?«

Sein Bruder schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Dev, du benimmst dich absolut kindisch! Wenn du so weiter machst, artet das Ganze in einen hässlichen Kleinkrieg aus. Ich hatte gehofft, du seiest zu Parker rüber gefahren, um endlich mit ihm Frieden zu schließen. Wenn er nur halb so großzügig und sozial eingestellt ist, wie Clayton behauptet, dann bist auf jeden Fall du der Verlierer in diesem blödsinnigen Kampf. Mal ganz abgesehen von dem Detail, dass die Leute denken könnten, ich sei ein Teil dieses Schwachsinnskomplotts - aber davon werde ich mich ausdrücklich distanzieren.«

Mit düsterem Blick fixierte Devlin seinen Bruder.

»Willst du dich etwa hinstellen und erklären, dass es dich nicht ärgert, fast täglich ausgebrochene Rinder wieder einfangen zu müssen?«

»Devlin, darum geht es doch jetzt gar nicht. Aber ich werde es tun, wenn es dazu beiträgt den Frieden wieder her zu stellen. Meine freie Zeit werde ich hauptsächlich mit Sunny Dixon verbringen und die steht hundertprozentig auf Parkers Seite.«

Anklagend starrte Dray seinen Bruder an.

»Ich bitte dich, Dev. Leg endlich die Waffen nieder und lern den Mann doch erst mal näher kennen, bevor du ein Urteil über ihn fällst. Finde heraus, warum er sich überhaupt auf diesen Kreuzzug eingelassen hat und versuch ihm klar zu machen, dass wir unsere Rinder und Schafe brauchen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Versuch wieder der nette und vernünftige Kerl zu sein, der du warst, bevor Cindy Noxen dich wegen so einen schmierigen Baseballstar hat sitzen lassen. Hör auf so misstrauisch und verbissen anderen Menschen gegenüber zu sein.«

Brummig saß Devlin auf seinem Stuhl und dachte nach.

»Ach, ehe ich es vergesse. Heute Abend bin ich bei Sunny eingeladen. Du hast das Haus also für dich, Dev.«

Gedankenverloren räumte Devlin den Tisch ab, als Dray gegangen war. Er ärgerte sich über die Standpauke seines Bruders. Aber, um bei der Wahrheit zu bleiben - er genoss das Scharmützel mit Parker. Aus irgend einem unerfindlichen Grund amüsierte ihn der junge Mann. Der Lärmterror war ihm als gelungener Racheakt erschienen, bis er erfahren hatte, dass Parker den ganzen Abend gegraben hatte, um seinen Tieren wieder Wasser zukommen zu lassen. Und als Dank hatte er ihm den Schlaf geraubt. Verdammt noch mal ... alles was er in Bezug auf Parker unternahm, wandte sich wie ein Bumerang gegen ihn selbst.

Naja .. vielleicht war es tatsächlich besser, andere Geschütze aufzufahren. Devlin konnte durchaus reizend und charmant sein, wenn die Situation es erforderte. Und wenn er es sich selbst eingestand, er hatte wirklich die Tendenz seinen Frust an anderen abzulassen.

Warum also zur Abwechslung nicht mal Theater spielen? Natürlich würde er das Ganze nur als eine Art Übung ansehen, um sein Temperament beherrschen zu lernen. Gelang es ihm Parker zu beschwichtigen und ihn dazu zu bringen, ihm aus der Hand zu fressen, schaffte er das auch bei allen anderen Leuten.

Deswegen entschloss er sich nach dem Abendessen zu Parker rüber zu fahren. Er würde so höflich und zuvorkommend sein, dass Parker überhaupt nicht mehr begriff, was er jemals gegen ihn gehabt hatte.
 

Ende Teil 2
 

Danke an meine treuen Leser.. auch wenn´s anscheinend nicht so viele sind..

Leider hab ich festgestellt, dass die Story nicht wirklich so gut ankommt. Deshalb hab ich auch noch kein weiteres Kapitel hochgeladen. Ich überlege schon, ob ich sie wieder runter nehme. Naja.. zwei drei Kapitel wird ich wohl noch hoch laden, bevor ich das wirklich tue. Mal sehen wie es sich entwickelt ^^

Bis dahin hoffe ich, das den bisherigen Lesern die Geschichte gefallen hat. Würde mich über Kritik oder auch Lob sehr freuen..
 


 

© by desertdevil

Katz und Maus von desertdevil

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Kapitel 3
 

Als am späten Nachmittag sein Haus betrat, war er so müde, dass er kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Dank des hirnrissigen Streichs seines Nachbarn und dem damit verbundenen Schlafentzug, war er im Büro auf seinen Unterlagen eingeschlafen und irgendwann mit dem Gesicht auf einem Unterlagenstapel wieder aufgewacht, inclusive Längsstreifen im Gesicht. Wenn Abbey nicht freiwillig Überstunden gemacht hätte, um die anstehenden Steuererklärungen abzutippen und anschließend zur Post zu bringen, hätte Jesse seine Termine nicht einhalten können. Abbey hatte ihn energisch aus dem Büro gescheucht und ihn ermahnt sofort nach Hause zu fahren und sich hinzulegen.

Und genau das würde er jetzt tun. Naja, jedenfalls gleich nachdem er seine Tiere gefüttert hatte. Ein schneller Blick zum Himmel sagte ihm, dass das Ende der Trockenperiode nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

Im Schneckentempo zog Jesse sich um und drehte halbherzig seine Runde. Eine dreiviertel Stunde später hatte er auch die Wölfe in ihren abgelegenen Käfigen versorgt, saß gerade auf dem Sofa und nahm wieder ein Fertiggericht aus der Mikrowelle zu sich, als es an der Tür klopfte.

Stirnrunzelnd und träge kam er auf die Beine, stellte den Plastikteller auf den Tisch und ging in den Flur, um zu öffnen. Ihm klappte die Kinnlade herunter, als er erkannte, wer da vor ihm stand. Mit offenem Mund starrte er Devlin Callahan an, der in einem gestärktem Westernhemd, hautengen schwarzen Lederhosen und polierten Cowboystiefeln vor ihm stand. Mit hochgezogenen Augenbraune wartete er stumm auf eine Erklärung.

Kein Mann, und schon gar nicht dieser, hatte das Recht, so verteufelt gut auszusehen, schoss es Jesse durch den Kopf. Als Callahan ihm dann auch noch ein unwiderstehliches Lächeln schenkte und er die Flasche Wein entdeckte, die er ihm mit einer gebräunten, unberingten kräftigen Hand entgegenstreckte, wurden ihm die Knie weich.

Eine Flasche Wein für ihn? Das konnte nur ein Irrtum sein! Callahan hasste ihn praktisch, dessen war er sich absolut sicher.

Jesse war im Moment weder physisch noch psychisch auf so einen direkten Angriff vorbereitet. Er fühlte sich viel zu erschöpft und ausgelaugt, um sich auf einen neuen Streit mit seinem Nachbarn einzulassen. Besonders nicht, wenn er sich als der Wunschtraum eines jeden Homosexuellen präsentierte.

»Ich dachte wir könnten ein Glas Wein trinken, so zur Versöh ... «, begann er.

In diesem Augenblick tat Jesse das einzige, was ihm in den Sinn kam, um sich vor diesem verführerischen Teufel zu schützen - er schlug ihm die Tür vor der Nase zu und köpfte im gleichen Atemzug die Weinflasche.

Benommen starrte Jesse auf den Glashals, der auf dem Boden hin und her rollte und auf die Splitter die um seine schmutzigen Stiefel verteilt lagen. Dann warf er einen schnellen Blick an sich herunter. Bei Gott, er musste wie ein ausgesetztes Waisenkind aussehen, in dem engen Shirt mit den Löwenmotiven und den zerschlissenen Jeans, die er nachlässig in die Stiefel gestopft hatte. Sein halb aufgelöster Pferdeschwanz hing ihm in wirren Strähnen ins Gesicht, gespickt mit Grashalmen. Und erst die dunklen Augenringe, die er nicht mal mit ein bisschen Make-up versucht hatte zu überdecken. Er musste wirklich scheußlich aussehen und Devlin sah aufregend genug aus, um ...

Tja .. damit hatte er wohl jede Chance auf eine Versöhnung verspielt, wenn das überhaupt der Grund von Devlins Kommen gewesen war. War das nicht der Fall, war es sowieso gleichgültig wie er aussah, oder in was für einer seelischen Verfassung er sich befand.

Frustriert über seine typische Reaktion auf diesen Mann, den er nicht einmal ausstehen konnte, stapfte Jesse ins Wohnzimmer, warf sich wieder auf sein Sofa und hoffte, Devlin würde einfach verschwinden.

Der starrte auf die Kopf- und Halslose Flasche in seiner Hand und war bemüht nicht die Beherrschung zu verlieren. Ihm gelang sogar ein schiefes Grinsen, als er an Jesses entsetzten Gesichtsausdruck dachte. Er hatte wenig mit dem souveränen, selbstbeherrschten Mann gemeinsam gehabt, den er neulich hatte kennen lernen dürfen. Ihm gefiel Jesses heutiger Aufzug besser. Darin sah er wie ein ganz normal arbeitender Farmer aus, wirkte irgendwie zugänglicher.

Entschlossen klopfte er noch einmal an die Tür.

»Parker, ich bin gekommen, um sie zum Essen einzuladen. Zur Versöhnung!«, rief er.

»Ich habe schon gegessen«, kam prompt zurück.

»Auch gut. Wie sieht es dann mit morgen Abend aus?«

»Kein Interesse.«

Mist! Das lief ja überhaupt nicht gut. Und was sollte er jetzt tun? Frustriert fuhr Devlin sich durch die Haare und überlegte. Vorsichtig stapfte er durchs Blumenbeet, um an das Wohnzimmerfenster zu gelangen. Er sah Jesse mit gekreuzten Beinen auf seinem Ledersofa sitzen und an die Wand starren.

»Und was ist mit einem schönen Eisbecher am Sonntagabend?«, schlug er vor.

Jesse fuhr herum und sah irritiert in seine Richtung, dann wandte er wieder den Blick ab. »Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte nicht. Gehen sie jetzt einfach.«

Er sprang auf und verschwand mit etwas, was für Devlin wie Plastikeinweggeschirr aussah in Richtung Küche. Er beeilte sich dem jungen Mann ums Haus herum zu folgen und sah sich im nächsten Augenblick Auge in Auge mit einem fauchenden Panther, der von seiner Anwesenheit augenscheinlich nicht viel hielt.

Devlin wurde ganz anders, als die große Katze auch noch die Zähne fletschte und die riesigen weißen Reißzähne entblößte.

Inständig hoffte er, dass die Fütterungszeit schon vorbei war, sonst endete er noch als Ersatz- und Spezialsteak für diesen Fleischfresser.

Ganz langsam streckte er die Hände nach vor und redete dem Tier gut zu, während er versuchte sich um die Katze herum zu schleichen, sodass er Jesse durchs Küchenfenster sehen konnte. Dann holte er kurz Luft. Er hatte sich vorgenommen nett zu diesem Mann zu sein, aber verdammt! Warum hatte ihm niemand gesagt, dass man so schwer an ihn heran kam?! Trotzdem würde er nicht gleich gehen, auch wenn er sich mehr als unwohl in seiner Haut fühlte. Zuerst musste Jesse einwilligen auf eine vernünftige Art und Weise mit ihm zu reden!

Als Jesse aus dem Fenster sah, schnappte er überrascht nach Luft. Er griff sich an die Brust, als wenn sein Herz schmerzen würde. Keine Sekunde später war er auch schon im Garten und zog den Panther beruhigend von Devlin weg, brachte ihn hinter in die Scheune.

Als er wieder kam, machte er sich gerade bereit seinen Nachbarn zusammen zu stauchen, als der auch schon eines seiner schönsten Lächeln aufsetzte.

»Okay, ich gebe ja zu, dass ich unberechtigt ihr Grundstück betreten habe, aber wer rechnet schon mit so einem Wachposten? Sie sind wahrscheinlich besser geschützt als der Präsident im weißen Haus«, bemerkte Devlin leichthin, obwohl ihm noch ein wenig die Knie zitterten. »Also, wie wäre es, wenn wir beide uns am Samstag zusammen einen Film ansehen?«

Fassungslos starrte Jesse ihn an, während er Schritt für Schritt zurücktrat.

»Ich würde mich eher mit King Kong verabreden«, sagte er schließlich, wandte sich abrupt ab und flüchtete zurück ins Haus.

Devlin rang mühsam um Fassung, trotz allem noch entschlossen sein Temperament im Zaum zu halten. Er beobachtete wieder durch das Küchenfenster, wie Jesse auf die Treppe zustrebte. Dann fiel sein Augenmerk auf das alte Holzspalier, welches bis zum Balkon im Obergeschoss reichte. Zuerst runzelte er die Stirn, aber sein Bruder sollte nachher nicht sagen, dass er nicht versucht hatte sich mit seinem Nachbarn zu versöhnen.

Also beschloss er das Wagnis einzugehen, schob die Ranken bei Seite und hangelte sich am Spalier hoch. Dann schwang er sich über das Balkongeländer, spazierte zu der verwitterten Holztür und klopfte leicht an.

Erschrocken schrie Jesse auf.

»Versuchen sie etwa mich zu beobachten, während ich mich ausziehe, sie perverser Spanner? Ich warne sie! Ich werde sofort Sheriff Clayton von ihrem unglaublichen Verhalten in Kenntnis setzen!«

»Meine Güte, nun komm wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, Blondie. Außerdem weiß ich gar nicht, was ich an dir bewundern sollte. Ist doch alles flach«, rief er erklärend und wurde sich seiner Beleidigung noch nicht mal bewusst. »Ich versuche doch nur, mich für meinen Streich mit der Musik zu entschuldigen. Und vielen Dank noch mal, dass sie uns wieder Wasser zugeleitet haben.«

Devlin versuchte es abermals mit einem charmanten Lächeln.

»Wenn sie mich nur rein lassen würden, könnten wir uns ruhig hinsetzen und unsere Differenzen ... «

»Nein!«, unterbrach Jesse ihn hastig.

Spätestens in diesem Moment musste Devlin feststellen, dass Jesse Parker eine äußerst energische Person war. Er ließ ihm gar keine Zeit, seinen Vorschlag ausführlich zu unterbreiten. Nichts desto trotz würde er sich nicht abweisen lassen, bevor sie nicht eine Art Waffenstillstand geschlossen hatte, soviel stand fest.

»Ich will doch nur mit ihnen reden, Parker. Akzeptieren sie endlich die Tatsache, dass sie mich nicht so einfach wieder loswerden.«

»Dann rufe ich eben die Polizei und verklage sie wegen Hausfriedensbruch«, sagte der andere daraufhin drohend.

Als Devlin sah, wie er nach dem Telefonhörer griff, versuchte er die Tür auf zu bekommen. Dummerweise entschied sich gerade in diesem Moment der morsche Holzboden des Balkons unter seinem Fuß weg zu brechen. Bei dem Versuch, das Gleichgewicht zu halten, langte er mit dem Arm nach hinten zum Geländer und schrie alarmiert auf, als auch dieses beschloss ihm feindlich gesinnt zu sein und nachgab. Devlin schwang zur Seite auf das rutschige Dach, suchte verzweifelt nach einem Halt, den er jedoch nicht fand. Während er kopfüber nach unten rutschte, versuchte er, sich noch zu drehen, um wenigstens mit den Füßen auf den Boden aufzukommen. Aber das stellte sich als Unmöglichkeit heraus. Der dunkle Dornenbusch, der das Vordach beschattete, raste mit erschreckendem Tempo auf ihn zu.

»Ahhhhhh ... « Mit ausgebreiteten Armen landete Devlin in dem stachelgespickten Busch und zog sich einen Riss in seinem brandneuen Hemd zu. Unter Flüchen und Stöhnen befreite er sich aus der stachligen Umarmung, bevor er diesem unsäglichen Kraut einen bösen Blick zuwarf. Alles auf diesem Grundstück schien sich gegen ihn verschworen zu haben, selbst die Pflanzen!

»Sind sie in Ordnung?«

Devlin drehte vorsichtig den Kopf und sah Jesse auf dem kaputten Balkon stehen, von wo aus er ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung musterte. Als ein breites Lächeln auf seinem Gesicht erschien, hielt Devlin automatisch die Luft an. Verflucht, der Kleine hatte aber auch ein anziehendes Lächeln, welches das hübsche Gesicht förmlich zum Leuchten brachte.

Devlin stand einfach nur völlig benommen da und wünschte nur, etwas anderes als seine tollpatschige Showeinlage wäre der Anlass dafür gewesen. Ungeachtet seiner strategisch ungünstigen Lage lächelte er zurück. Er hoffte, Jesse würde es anerkennen, dass er trotz seiner misslichen Lage so viel Humor bewies.

Einen Moment hielten sich ihre Blicke noch gefangen, bevor Jesse`s Gesicht wieder einen abweisenden Ausdruck annahm und er entschlossen vom Geländer zurück trat.

»Callahan, ich fordere sie noch einmal auf zu gehen. Ich möchte ein Bad nehmen, ohne von ihnen ausspioniert zu werden. Und danach möchte ich endlich etwas Schlafen, was mir ja wegen ihrem hirnrissigen Streich die letzte Nacht nicht vergönnt gewesen ist.«

Devlin wünschte sich auch in sein Bett. Aber Ruhe würde er nicht finden, nicht jetzt, wo er seinen Nachbarn in einem ganz anderen Licht gesehen hatte.

»Ich hoffe, sie verschonen mich heute Nacht von ihrem Lärmterror, denn eine weitere Nacht ohne Schlaf überstehe ich nicht.«

Nachdem Jesse die Worte praktisch zu ihm herunter geworfen hatte, drehte er sich wie ein Soldat auf dem Absatz um, ehe er im Haus verschwand.

Irgendwie fassungslos starrte Devlin dem anderen hinterher und verfluchte ihn im selben Moment für seine fatale Anziehungskraft. Gleichzeitig fragte er sich, wo auf einmal diese seltsamen Gefühle herkamen. In ihm war eine Leidenschaft erwacht, die er sich nicht erklären konnte. Verflucht noch mal, Jesse war ein Kerl! Es war doch wohl nicht möglich, dass er für einen Mann mehr als Freundschaft empfand, oder doch ...?

Grollend befreite er sich von den letzten Stacheln die sich in seiner Kleidung verfangen hatten. Erst jetzt bemerkte er die vielen Käfige, die im Schatten der Bäume standen. Gerade als er im Weggehen war, ertönte ein feindseliges Fauchen, in das die anderen Tiere freudig mit einstimmten und ihm ein extravagantes Dschungelkonzert präsentierten.

»Fahrt doch zur Hölle!«, grummelte Devlin verstimmt, bevor er auf sein Auto zuhumpelte. »Jetzt ist er an der Reihe. Ich habe jedenfalls meinen guten Willen gezeigt.« Vorsichtig stieg er in seinen Pick-up und fuhr los.

Er hatte es bei seinem Nachbarn nun mit Direktheit, mit Charme und mit taktvoller Annäherung versucht. Das einzige, was er allerdings auch niemals tun würde, war, ihn auf Knien um Verzeihung zu bitten. Niemals würde er sich auf dieses Niveau herablassen und irgendjemanden um irgendetwas bitten. Kam gar nicht in Frage!

Und was Parker betraf - sollte er doch auf seiner Ranch alt und grau werden, wenn er seine Freundschaft nicht nötig hatte - solange er sich nur ruhig verhielt!
 

Jesse fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und wünschte, er hätte die Zeit anhalten können, als Callahan ihm sein Ich-will-wieder-lieb-sein-Lächeln geschenkt hatte. Es hatte ein wildes Feuer in ihm entfacht, dass er noch nie gespürt hatte.

Bei dem Gedanken an den herausgeputzten Cowboy, der wie ein Käfer auf dem Rücken in dem dichten Dornenbusch gehangen hatte, musste er wieder lachen. Jenes Lächeln, welches er ihm in dem Augenblick zugeworfen hatte, war weder arrogant, noch berechnend gewesen. Damit hatte er sich eigentlich nur über sich selbst lustig gemacht.

Ein hoffnungsloses Seufzen kam ihm über die Lippen. Diese Anziehungskraft, die Davlin auf ihn ausübte und sein jungenhaftes Lächeln waren einfach unglaublich. Er hatte sich noch nie selbst etwas vorgemacht und wusste, dass er sich verliebt hatte. Umso mehr fühlte sich Jesse jedoch verwundbar. Er konnte einfach nicht glauben, dass Devlin keine Hintergedanken gehabt hatte.

Wahrscheinlich hatte er sich nur vorgenommen, ihn auf die sanfte Tour von seiner Ranch zu vertreiben. Tief Luft holend, versuchte Jesse seine Gedanken an den verführerischen Cowboy in die hintersten Winkel seines Hirns zu verbannen. Am Wochenende wartete eine Menge Arbeit auf ihn und er brauchte dringend etwas Schlaf.
 

Als Jesse am nächsten Vormittag auf der holprigen Schotterstraße zu seiner Ranch zurückfuhr, kündigte sich bereits ein Gewitter mit heftigem Donnern an. Hauptsächlich war er nur in die Stadt gefahren, um seinen Vorrat an Fertiggerichten aufzustocken. Anschließend wollte er die Größe der Koppel markieren und die Pfähle, die in der Scheune lagerten in den Boden schlagen. Wenigstens einen Teil davon. Und wenn er sich nicht beeilte, musste er womöglich noch seinen Nachbarn bitten, ihn aus dem Schlamm zu ziehen. Das wollte er auf keinen Fall.

Besogt schielte er nach den Blitzen, die über den finsteren Himmel zuckten. Heute Morgen hatte er extra den Umweg zur Rocking-C-Ranch gemacht, um sich für sein schlechtes Benehmen zu entschuldigen und zu fragen, wie es Devlin nach seinen Sturz ging. Leider war niemand zu Hause gewesen.

Als wieder ein ohrenbetäubendes Donnern, gefolgt von einem Blitzgewitter ertönte, klatschten auch schon die ersten Regentropfen gegen die Windschutzscheibe. Sofort gab Jesse ein wenig mehr Gas, damit er wenigstens noch dazu kam, seine Tiere zu füttern, bevor der Sturm richtig los ging.

Genau in dem Moment platzte der rechte Hinterreifen, der Wagen geriet ins Schleudern und Jesse schaffte es gerade noch ihn kurz vor einem Weidezaunpfahl auf dem Straßengrabenrand zum stehen zu bringen.

»So ein Mist!« Ärgerlich schlug er gegen das Lenkrad. Er hätte heulen können. Es war doch nur noch ein Kilometer bis zur Ranch. Und jetzt so was!

Frustriert sprang er aus dem Wagen, stapfte durch den bereits matschigen Boden zum Kofferraum, um den Wagenheber und den Reservereifen heraus zu wuchten. Seufzend bockte er den Wagen auf, montierte die Radkappe ab und versuchte dann die Radmuttern zu lösen. Aber diese blöden Dinger bequemten sich keinen Millimeter nach zu geben. Dann lehnte sich Jesse mit seinem ganzen Gewicht auf den Schraubenschlüssel, doch der rutschte plötzlich ab. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, sprang er zur Seite, knickte um und landete unglücklich auf dem groben Schotter.

»Verdammt noch mal!«, fluchte Jesse und schnappte nach Luft, als er den stechenden Schmerz in seinem Knöchel fühlte. Hilflos starrte er von seinem Fuß zu diesem verfluchten Werkzeug, bevor er aufstand und vorsichtig den verletzten Knöchel belastete, um zu sehen wie schlimm es war. Wenn er sich vorsah, ging es und deswegen schnappte er sich noch einmal den Schraubenschlüssel und malträtierte die dämlichen Schrauben. Aber es war reine Zeitverschwendung.

Als er ein Motorgeräusch hörte, breitete sich so etwas wie Hoffnung in ihm aus. Doch als er Devlin Callahans Pick-up erkannte verflüchtigte sie sich schnell wieder.

Sein Nachbar kurbelte das Fenster herunter, ließ bedächtig den Blick über seinen triefnassen Aufzug und sein klatschnasses blondes Haar gleiten, das wie ein alter Mopp um Jesses gerötetes Gesicht hing, da sich der Zopf wieder einmal in Wohlgefallen aufgelöst hatte.

»Probleme, Blondie?«

»Nein! Das ist nur eine Übung«, fauchte er gereizt zurück und erdolchte Callahan mit seinen Blicken.

Nichts konnte Devlin nach dem verunglückten letzten Abend eine größere Befriedigung verschaffen, als Jesse hier von Regen aufgeweicht zu sehen, während er sich mit einem Reifenwechsel abplagte. Tatsache war, dass er es nicht gewohnt war, von jemandem derart gegen den Kopf gestoßen zu werden. Sein männliches Ego hatte einen ganz schönen Hieb abbekommen. Wenn Parker also seine Hilfe wollte, dann musste ER schon seinen Stolz überwinden und ihn ausdrücklich darum bitten.

»Was für ein Glück. Die Dürreperiode hat endlich ein Ende gefunden, auf das ich schon so lange gewartet habe«, erklärte er pathetisch. »Tja, für sie ist es wohl ziemlich feucht da draußen, was, Blondie?«

Verzweifelt knirschte Jesse mit den Zähnen.

»Präzise erkannt, Einstein«, knurrte Jesse, bevor er den Schraubenschlüssel wieder ansetzte. Eigentlich müsste Devlin seine Hilfe anbieten. Aber nein. Der blieb lieber in seinem trockenen Wagen sitzen und wartete darauf, dass Jesse ihn anflehte. Doch die Befriedigung würde er ihm nicht geben. Nachdem er Devlins Bemühungen um einen Waffenstillstand gestern Abend zurückgewiesen hatte, wollte er jetzt keine Abfuhr einstecken.

Als Jesse die Geduld verlor, das nutzlose Werkzeug zur Seite feuerte und wütend gegen den Reifen trat, musste Devlin breit grinsen.

»Ob das hilft?«, rief er Jesse durch den strömenden Regen zu.

»Ach .. sie .. sie .. «

»Ja?«, fragte Devlin mit einem teuflischen Grinsen.

Jesse hingegen war so entnervt, dass ihm kein schlimmes Wort mehr einfiel, welches er Callahan an den Kopf werfen konnte. Wahrscheinlich hätte der das sowieso nicht gehört, bei den plötzlich loskrachenden Donnerschlägen.

Jesse gab sich geschlagen. Es hatte keinen Sinn noch weiter hier zu stehen und sich von Callahan verspotten zu lassen. Stattdessen beschloss er nach Hause zu laufen, um von dort aus telefonisch Hilfe anzufordern. Hastig marschierte er los, bereute diesen spontanen Entschluss aber schon im nächsten Moment. Sein verletzter Knöchel knickte weg, sobald er aus dem weichen Schlamm auf den harten Schotter trat. Haltlos stürzte er auf die Straße und riss sich dabei Hände und Knie auf. Stehende Schmerzen schossen von den verletzten Stellen direkt in seinen Kopf. Einen Augenblick blieb er reglos liegen, während der Regen hart auf ihn niederprasselte. Mit Tränen in den Augen, biss er die Zähne zusammen und stemmte sich hoch. Nein! Noch nie in seinem Leben hatte er wegen einer Verletzung geweint oder sich selbst bemitleidet. Nie hatte er sich gehen lassen. Und jetzt das.

Da lag er nun, verletzt und nass bis auf die Knochen. Und um seine Niederlage noch zu vervollkommnen, musste ausgerechnet der Kerl Augenzeuge sein, dessen Meinung ihm zwar egal sein sollte, aber leider nicht war.

Als Devlins Pick-up neben ihm anhielt, erwartete er nichts anderes, als eine weitere zynische Bemerkung. Zu Jesses Überraschung sprang Callahan jedoch aus dem Wagen und kam durch den strömenden Regen direkt auf ihn zu.

Devlin verwünschte sich selbst, während er versuchte Jesse aufzuhelfen.

Es war klar, dass er persönlich verantwortlich für seine Verletzungen war. Wenn er nur seinen dummen Stolz heruntergeschluckt und diesen dummen Reifen gewechselt hätte, wäre das alles nicht passiert.

»Ich werde sie nicht fragen, ob sie in Ordnung sind. Denn ich sehe, dass es nicht der Fall ist«, meinte er, hob Jesse vorsichtig auf die Arme und trug ihn zum Auto. Behutsam ließ er ihn auf den Beifahrersitz gleiten und verzog das Gesicht, als er die Blutrinnsale auf den Schienbeinen sah.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich ehrlich und erntete misstrauische Blicke.

»Warum? Ich dachte sie würden die Situation genießen, weil sie mich hassen.«

»Natürlich haben wir Differenzen, Blondie, und wir haben beide das gleiche Temperament. Aber ich schwöre, ich habe mir niemals gewünscht, dass sie sich verletzen.«

Während Devlin um den Wagen lief und sich hinters Steuer schwang, betrachtete Jesse ihn nachdenklich. Er machte sich wirklich Sorgen um ihn.

Die ganzen letzten anstrengenden Tage forderten nun ihren Tribut und trieben ihm erneut Tränen in die Augen. Himmel-Herr-Gott nochmal. Er hatte nicht mehr geweint, seit er ein kleines Kind gewesen war, dass zwischen Pflegeeltern hin- und hergeschoben worden war. Er war stark und energisch ... und trotzdem drauf und dran wie ein albernes Baby loszuplärren.

»Tut es sehr weh?«, erkundigte sich Devlin leise, bevor er den Wagen startete und den ersten Gang einlegte. Jesse antwortete nicht.

»Nur noch ein paar Minuten und sie sind zu Hause. Dann reinigen wir ihre Schürfwunden und packen einen Eisbeutel auf ihren verstauchten Knöchel.«

Jesse warf Devlin einen kurzen Seitenblick zu.

»Danke«, brachte er schließlich mühsam hervor und es kostete ihn einiges an Überwindung. Den Rest der Fahrt herrschte bedrücktes Schweigen zwischen ihnen. Devlin versuchte zwar einmal die Situation aufzulockern, doch Jesse sprang nicht darauf an.

»I-ich danke ihnen wirklich für ihre Hilfe«, sagte Jesse, als Devlin den Wagen vor seinem Haus hielt. »Aber ich glaube, den Rest schaffe ich allein.«

Währenddessen langte er zum Türgriff und stieg vorsichtig aus.

Seine Worte klangen zwar sicher, doch insgeheim hatte er Angst vor Devlins Nähe. Allein schon Devlins Anblick machte ihn verrückt. Doch weiter als aus dem Auto kam er nicht, da spürte er schon feste Arme in seinen Kniekehlen und um seine Taille. Wollte Devlin ihn etwa ins Haus tragen ...?

»Äh .. ich glaube, ich kann allein gehen«, sagte er hastig. »Nachher verheben sie sich noch.« Jesse wusste, dass die Ausrede der letzte Strohalm war, an den er sich klammern konnte, denn er wog eh nicht besonders viel.

»Keine Angst. Ich habe schon Heuballen gestemmt, die wesentlich schwerer waren als sie«, kam es leichthin von Devlin, der ihn mühelos wie eine Feder zum Haus trug.

»Ich bin sicher, sie könnten selbst laufen. Aber warum das Risiko eingehen, die Verletzung zu verschlimmern?«

Als Jesse unabsichtlich mit seinem verletzten Knöchel an den Türrahmen stieß, zuckte er zusammen und umklammerte Devlins Nacken.

»Entschuldigung .. i-ich ... «

Devlin stockte der Atem, als er Jesse auf einmal so dicht an sich fühlte. Er schluckte hart und wunderte sich über seine Reaktion auf diesen geschmeidigen Körper, den er in seinen Armen hielt. Jesses warmer Atem streifte seinen Nacken und elektrisierte ihn förmlich.

Junge, komm auf den Boden zurück, ermahnte Devlin sich selbst. Der Typ ist ein Kerl und verletzt. Und es ist deine Schuld!

»Geben sie mir ihren Haustürschlüssel«, kommandierte er schärfer als beabsichtigt. Doch Jesse griff in seine Tasche und händigte ihm den Schlüssel aus. Dennoch rief diese Geste Wiederstreben in ihm aus. Er wollte Devlin Callahan eigentlich nicht in das Innere seines Reiches lassen.

»Wenn es in der Gegend regnet, klemmt die Tür. Sie müssen vielleicht mit der Schulter nachhelfen«, informierte Jesse ihn.

Während er Jesse mit einem Arm noch fester an seine Brust presste, steckte Devlin mit der anderen Hand den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Als er die Klinke bewegte, rührte sich die Tür nicht, also trat er sie mit seinem Stiefelabsatz auf. Im Haus setzte er Jesse auf der Couch ab und lagerte seinen verletzten Fuß auf der Armlehne. Schließlich schaute er sich in dem stilvoll eingerichteten Zimmer um. Die Wände waren mit hellen kostbaren Tapeten und Textilien bespannt und überall hingen Bilder, die immer wieder Tiere als Hauptmotiv darstellten. Jesse musste eine außerordentliche Vorliebe für solche Vierbeiner haben.

Dann suchte Devlin nach der Küche, um einen provisorischen Eisbeutel für Jesses Knöchel zu besorgen. Bei Anblick der schimmernden Küchenelemente aus heller Eiche und der hochmodernen Arbeitszeile weiteten sich jedoch seine Augen. Jesse Parker verstand es wirklich sich mit unaufdringlichem Luxus zu umgeben. Er war ehrlich beeindruckt von Jesses ausgezeichneten Geschmack und seinem handwerklichen Geschick.

In den Schubladen suchte Devlin nach einem Plastikbeutel, den er mit Eis füllte.

»So, hier haben wir ihren Eisbeutel«, verkündete er betont munter, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte. »Was sie aus diesem heruntergekommenen Haus gemacht haben, ist wirklich bewundernswert. Es gefällt mir«, gab er zu und platzierte den Beutel auf Jesses geschwollenen Knöchel.

»Danke.« Schmerzhaft verzog Jesse das Gesicht. »Bisher hatte ich aber leider noch keine Gelegenheit, mich dem Obergeschoss zu widmen. Mein Beruf nimmt einfach zu viel Zeit in Anspruch. Aber ich hoffe, bald die scheußlichen Tapeten runter reißen zu können, die die Schlafzimmer verunzieren. Allerdings vertraue ich meinen Tapezierkünsten kein Stück. Deswegen werde ich jemanden kommen lassen, der sich der Sache annimmt.«

»Wenn sie Hilfe brauchen - mein Bruder und ich widmen uns ab und zu solchen Renovierungsarbeiten«, gab Devlin freimütig zu.

»Wirklich?« Erstaunt starrte Jesse zu dem Schwarzhaarigen hoch und wunderte sich immer mehr über die verschiedensten Facetten, die bei diesem rauen Cowboy nach und nach zu Tage traten. Inzwischen hatte er schon seinen trockenen Humor, seine Freundlichkeit und sein Mitgefühl zu schätzen gelernt. Und er war offenbar nicht nachtragend, trotz seines heißen Temperamentes.

»Ja, machen wir. Zum Beispiel haben wir im vorletzten Winter die beiden Wohnungen in der Third Street renoviert und auch eingerichtet«, versicherte Devlin ernsthaft.

»Ich erinnere mich. Da wohnt meine Sekretärin!«, bemerkte Jesse, während er versuchte sich in eine bequemere Position zu hieven. »Ich habe Abbeys Apartment ausgesucht und muss sagen, sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.«

»Danke.« Devlin schaute über seine Schulter.

»Wenn sie mir sagen würden, wo sich ihr Badezimmer befindet, besorge ich Verbandszeug für ihre Knie und Hände. Außerdem sollten sie die nassen Sachen ausziehen.«

Jesse schaute an sich herunter. Himmel-Herr-Gott noch mal. Er sah aus wie eine Katze nach einer Maschinenwäsche!

»Das Bad ist oben«, informierte er Devlin. »Und wären sie so freundlich mir meinen Morgenmantel zu bringen? Er hängt neben der Tür.«

»Kommt sofort.« Devlin eilte die Treppe hinauf, betrat das Bad und sah sofort, dass es zu den Räumen gehörte, die dringend einer Renovierung bedurften.

Im Medikamentenschrank fand er Desinfektionsmittel und Verbandszeug sorgsam in einer kleinen Tasche zusammengepackt. Mit einem Seitenblick streifte er die über der Badewanne aufgehängte Unterwäsche und meinte seinen Augen nicht zu trauen. Aus diversen Magazinen wusste er ja, dass es Strings auch für Männer gab, aber diese Dinger da zeigten ja mehr, als sie verbargen.

Seltsam davon angezogen berührte er eines der knappen Kleidungsstücke, riss sich dann aber zusammen und versuchte sich zu erinnern, dass er nur in der Funktion des barmherzigen Samariters in diesem Haus fungierte. Sich zur Raison rufend, nahm er den Morgenmantel vom Haken und verließ den Raum.
 

Tbc...
 

© by desertdevil
 

*hechel*

So.. ich glaube ich habe mit drei neuen Kappis in der letzten Woche einen Rekord aufgestellt..^^

Viel Spaß beim Lesen wünsch ich allen..

*smile*

Katz und Maus von desertdevil

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Vorab noch vielen Dank den lieben Kommischreibern.

*Osterkörbchen hinstell*

Und danke eden-sama.. Du hast mich mit dem späten Kommi irgenwie dran erinnert, dass ich mal wieder was von dieser Story hochladen könnte ^^

Viel Spaß allen beim lesen.
 


 

Kapitel 4
 

Auf dem Weg nach unten sah Devlin in einem der beiden kleinen Schlafzimmer einen handgearbeiteten Quilt auf dem Doppelbett liegen, den er sich unter den Arm klemmte, bevor er ins Wohnzimmer zurück ging.

»Okay, Jesse. Dann lassen sie mich mal nach ihren Knien sehen«, sagte er locker, blieb aber kurz darauf wie angewurzelt vor dem Sofa stehen und starrte auf ein Paar wohlgeformter, schöner nackter Beine. Innerlich schüttelte er über sich den Kopf.

Dieser kleine hilflose Mann vor ihm auf der Couch war sein Nachbar und eindeutig männlich! Solche Überreaktionen seines Körper waren vollkommen unangebracht, vor allem weil Jesse zudem auch noch verletzt war.

Hastig hob Devlin den Blick zu Jesses Gesicht, das von einer Fülle halb getrockneter blonder Locken umrahmt war. Der junge Mann sah keinen Tag älter als sechzehn aus. Spätestens jetzt musste Devlin sich eingestehen, dass Jesse wirklich unglaublich attraktiv war. Selbst als er ihn noch nicht leiden konnte, fand er ihn ja schon anziehend .. aber jetzt ...

Wieder schüttelte er den Kopf, um diese Gedanken abzuschütteln.

Er konnte sich nicht oft genug verdeutlichen, dass Jesse ein Mann war. Somit war von seiner Seite aus nicht mehr als eine freundschaftliche Beziehung drin. Niemals!

»Devlin? Ist irgendwas nicht mit ihnen in Ordnung?«, fragte Jesse, weil er immer noch wie eine Marmorstatue vor ihm stand und unablässig den Kopf schüttelte.

»Nein, alles klar!«, wehrte er ab. »Ich habe mir nur wieder in Erinnerung gerufen, dass ich für ihre zerschundenen Knie verantwortlich bin.« Langsam setzte Devlin sich auf die Sofakante und öffnete die Flasche mit dem Desinfektionsmittel. Dann tränkte er einen Tupfer damit und presste ihn plötzlich recht unsanft auf Jesses Verletzung, als wolle er ihn für die Verwirrung bestrafen, die der Kleinere bei ihm anrichtete.

Jesse versuchte jeglichen Laut zu unterdrücken, schrie aber doch kurz auf, als heiße Blitze durch sein Knie zuckten. Ihm stockte jedoch der Atem, als Devlin sich vorbeugte, um auf die Wunde zu pusten. Er fühlte, wie der warme Atem des Schwarzhaarigen elektrisierend über seine empfindliche Haut strich und ihm gleichzeitig heiße Wellen über die Wirbelsäule schickte.

Als Jesse den Kopf hob, sah er geradewegs in ein Paar mitternachtsblaue Augen. Ihm stockte der Atem und sein Herz setzte einen Schlag aus. Er sah, wie ein aufreizendes Lächeln um Devlins Mund spielte, bevor der Schwarzhaarige noch einmal bedächtig auf sein Knie blies und damit Wünsche in Jesse weckte, die dieser glaubte, längst überwunden zu haben.

»Besser«, fragte Devlin mit einem leichten Grinsen, was Jesse missbilligend die Stirn runzeln ließ. »Nein«, fauchte er ungehalten.

»Schon gut.« In sich hinein lächelnd riss Devlin das Päckchen mit dem Verbandszeug auf. »Okay, ich gebe zu, dass war nur ein Trick, um sie ein bisschen zu irritieren«, lenkte er versöhnlich ein, um den wahren Grund für seine Tat zu überspielen. Den kannte er nämlich selber nicht. Irgendwie hatte er sich einfach dazu hinreißen lassen, aus einem Impuls heraus, ein Gefühl, dass ganz plötzlich über ihn gekommen war.

»Ja, das haben sie geschafft«, gab Jesse widerstrebend zu und riss Devlin damit aus seinen Gedanken. Ein unmerkliches Lächeln schlich sich wieder um seine Mundwinkel.

»Aber ich bin in keinem Fall so direkt wie sie.«

»Na ja .. mein Bruder ermahnt mich ständig, taktvoller zu sein. Er hält sich jedenfalls für den Diplomatischeren von uns beiden.«

»Ich mag es, wenn jemand gerade heraus ist«, sagte Jesse mit sanfter Stimme. »Dann weiß man wenigstens woran man ist.«

»Und das sagt gerade jemand, der sich Gerüchten zufolge wegen einer dramatischen Liebesgeschichte aufs Land zurückgezogen hat«, meinte Devlin herausfordernd.

Daraufhin zuckte Jesse ein Stück zusammen. Wusste Devlin etwa von seiner Beziehung? Das er mit einem Icehockey Typen zusammen gewesen war? Mit einem Mann? Im Laufe der Zeit war er vorsichtig geworden, wem er seine sexuelle Orientierung preisgab. Nicht wenige hassten Schwule regelrecht. Und gerade begann er sich mit Devlin zu verstehen. Diese gerade aufblühende Freundschaft wollte er nicht wieder verlieren.

Bevor Devlin sein Zögern bemerkte, warf Jesse den Kopf in den Nacken.

»Und ich möchte ganz bestimmt nicht darüber sprechen. Also fragen sie gar nicht erst!«, erwiderte er etwas schärfer als beabsichtigt.

Devlin zuckte daraufhin nur mit seinen unverschämt breiten Schultern. Das nasse Hemd betonte dabei seine kräftigen Bauchmuskeln und seinen flachen Wachbrettbauch. Jesse bemühte sich krampfhaft diese Tatsache zu ignorieren.

»Schon in Ordnung. Ich will auch nicht über meine mehr oder weniger gescheiterte Beziehung sprechen. Die Frau, die mich wegen ihres ach so hoch ersehnten sozialen Aufstiegs wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen und sich dann den Staub von Bussards Groove von ihren zierlichen Füßen geschüttelt hat, um mit einem reichen Anwalt am Arm zu verschwinden.«

»Die Frau muss eine absolute Idiotin gewesen sein«, rutschte es Jesse unvermittelt heraus und er hätte sich am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst.

Devlin hingegen stutzte.

»Sie mögen mich nicht und sind trotzdem auf meiner

Seite?«

Sich seine Gefühle einzugestehen, kostete Jesse einiges an Überwindung; Vor allem, weil er auf die harte Tour gelernt hatte, dass man seine Gefühle besser nicht offen zeigte, weil man sonst nur verletzt wurde.

»Ich .. ich finde sie ganz nett, Callahan«, gab er kleinlaut und mit gesenktem Blick zu.

»Aber das genau ist das Problem ... « Nun verließ ihn sein Mut und Jesse stockte. Er traute sich einfach nicht weiter zu sprechen, aus Angst mehr preis zu geben, als gut für ihn war und weil er fürchtete das Devlin ihn vielleicht angeekelt von sich stieß.

Unruhig rupfte er ein paar Fusseln von dem Quilt, den der Schwarzhaarige ihm gebracht hatte, als er spürte, wie Devlin ihm die Hände auf die Schultern legte.

»Sie finden es problematisch, das sie mich nett finden?«, hakte er ungläubig nach.

»Nun ja ... « Kurz kaute er noch nervös auf seiner Unterlippe herum, bevor er tief Luft holend all seinen Mut zusammennahm.

»Sie .. sie sind außerordentlich attraktiv und dessen sind sie sich auch sehr bewusst. Leider war es genauso ein gut aussehender Don Juan wie sie, der mein Herz als Bankautomat missbraucht hat ... Aber das ... nehmen sie es nicht persönlich. Ich weiß, ich sollte meinen Widerwillen gegen diese Art von Männern nicht auf sie abwälzen ... «

Sowie er sein »Geständnis« hinter sich hatte, fühlte Jesse sich noch bedrückter als vorher. Er wartete auf eine Reaktion von Devlin, doch der schien ein Weilchen zu brauchen, bis die Information zu ihm durchsickerte. Plötzlich stand er abrupt auf, sodass Jesse erschrocken zusammen zuckte.

»Sie sind schwul?!« Es klang wie eine Anklage, und Jesse ergriff eine tiefgehende Traurigkeit bei dem abwertenden Tonfall. Leise nickte er und blickte unsicher zu Devlin hoch. Aber alles was er sah war ein verschwommenes Bild und dann hörte er nur noch die Tür mit einem Knall ins Schloss fliegen.

Tränen bahnten sich nun den Weg über seine Wangen und so niedergeschmettert wie nie zuvor, barg Jesse das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich. Warum musste er auch immer wieder den gleichen Fehler machen?, fragte er sich tief verzweifelt. Vielleicht weil er gehofft hatte, Devlin wäre anders, als diese arroganten Muskelprotze?

Am Boden zerstört sank er auf die Couch. Seinen schmerzenden Knöcheln nahm er nur noch am Rande wahr; die innere Wunde, die Devlin mit seiner Reaktion geschlagen hatte, tat ihm weit mehr weh.

Irgendwann als die Lampen kurz flackerten und er schließlich im Dunkeln lag, schloss Jesse einfach die Augen. Doch an Schlaf war nicht zu denken, auch wenn er hundemüde war.

Also rappelte er sich auf, wischte sich mit einem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und saß erst mal eine Weile desorientiert da, während ihm schon wieder neue Tränen in die Augen stiegen. Niedergeschlagen schniefte er. Es brachte alles nichts. Hier sitzen und rumheulen war auch keine Lösung.

Das Leben ging weiter, auch wenn Devlin ihn nun noch mehr verabscheute als zuvor. Doch damit musste er klar kommen und wenn es noch so sehr schmerzte. Damals in der Großstadt hatten sich all seine Freunde von ihm abgewandt, als er sein Coming-out hatte. Bis jetzt hatte er nur wenige getroffen, die ihn so akzeptierten wie er war. Insgeheim hatte er gehofft Devlin zu diesen Wenigen zählen zu können, trotz ihrer bisherigen Differenzen, doch anscheinend hatte er sich tief getäuscht; wieder einmal ... dabei hatte er doch nur von Anfang an aufrichtig sein wollen.

Erneut schniefte er und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.

Nun saß er hier, allein auf seiner in Dunkelheit versunkenen Ranch und war nahe daran in Selbstmitleid zu versinken. Das gedämpfte Klingeln des Telefons drang nur mit einer deutlichen Verzögerung in sein Bewusstsein und riss Jesse aus den trübseligen Gedanken.

Hilflos hob er den Kopf.

»Meine Tasche ... «, murmelte er leise zu sich selbst und fragte sich im selben Moment wie er sein Handy am besten erreichen konnte, ohne sich in der Finsternis den Hals zu brechen.

Ohne jedoch weiter darüber nachzudenken, kletterte Jesse umständlich von seiner Sitzgelegenheit und krabbelte auf allen Vieren auf den Couchtisch zu. Dabei ignorierte er geflissentlich den Schmerz seiner aufgeschürften Knie und seines pochenden Knöchels, biss die Zähne zusammen. Mit zitternden Händen tastete er im Dunkeln nach der Tasche. Als er sie endlich fand, nahm er das Handy heraus und drückte auf die Empfangstaste.

»Hallo?«, keuchte Jesse und lehnte sich erschöpft an den Couchtisch.

»Boss? Hier ist Abbey. Der Sheriff hat mich informiert, dass ein Blitz die Stromversorgung im Westen des Bezirks unterbrochen hat. Wie sieht es bei ihnen aus? Haben sie auch einen Stromausfall?«

Ziellos starrte Jesse in die Dunkelheit.

»Hm .. «, antwortete er nur kurz.

»Sie können gern bei mir übernachten«, bot Abbey freundlich an. Doch Jesse schüttelte nur schwach den Kopf, bis ihm bewusst wurde, das seine Sekretärin dies nicht sehen konnte.

»Vielen Dank, ich komme schon zurecht.« Dann runzelte er irritiert die Stirn, während sein umnebeltes Hirn langsam wieder Denkvorgänge zuließ.

»Wieso sind sie überhaupt so schnell vom Sheriff über den Stromausfall informiert worden?«

Abbey machte eine kleine Pause. Jesse lächelte, als verlegenes Räuspern aus dem Hörer drang.

»Tja .. hm ... also ... «

»Er ist im Moment bei ihnen, stimmts?«, sprach Jesse seine Vermutung aus.

»Ja«, hab seine Sekretärin verlegen zu.

»Versuchen sie ihn gerade mit diesen göttlichen Pfannkuchen zu becircen, mit denen sie mich letzte Woche verwöhnt haben?«

»Zum Beispiel.«

»Genießen sie ihr Wochenende, Abbey. Wir sehen uns dann am Montag«, sagte Jesse schnell, ehe seine Sekretärin protestieren oder sonst irgendwelche Fragen stellen konnte.

»In Ordnung. Aber wenn sie irgend etwas brauchen, Chef, zögern sie nicht, mich an zu rufen.«

Als Jesse das Telefon ausschaltete, legte er den Kopf in den Nacken. Ja, Abbey verdiente es sich auch einmal zu amüsieren. Er wollte ihr nicht das ohne Zweifel romantische Beisammensein mit dem Sheriff vermiesen, indem er ihr seine ganzen Probleme auftischte. Umso mehr wurde ihm jedoch bewusst, wie einsam er war. Die Stille um ihn herum wurde immer unerträglicher. Seine Tiere schienen sich in eine warme Ecke ihrer Käfige zurückgezogen haben ...

Plötzlich schoss es Jesse siedend heiß durch den Kopf.

Er hatte seine Tiere noch gar nicht gefüttert!
 

Aufgebracht schmiss Devlin die Tür hinter sich zu und ging geradewegs in die Küche. Er war wütend, wütend auf Jesse und auch auf sich selbst.

Als Jesse ihm gestanden hatte, dass er schwul war, waren bei ihm sämtliche Sicherungen durchgeknallt. Er konnte gar nicht anders als flüchten. Wieso und weshalb konnte er sich nicht erklären.

Als er gerade frustriert etwas zum Abendessen aus dem Kühlschrank nahm, ging auf einmal das Licht aus. Gotteslästerlich fluchte Devlin los, ging zurück zum Lichtschalter und kippte ihn ein paar Mal um; Doch nichts passierte. Die Leitung war anscheinend tot.

Aufs derbste fluchend, schlug er mit der Faust gegen die Wand.

Das konnte doch alles nicht wahr sein!

Erst die Sache mit Jesse und jetzt saß er zur Krönung des ganzen Abends im Dunkeln. Wunderbar, ganz toll! Als wäre das Problem "Jesse" nicht allein schon groß genug.

Da Devlin vermutete, dass irgendwo eine Leitung vom Blitz getroffen wurde, versuchte er seinen Bruder gar nicht erst über das Hautelefon zu erreichen, sondern zückte gleich sein Handy und suchte die Nummer.

»Dray, ich bin´s«, sagte Devlin als sein Bruder sich meldete.

»Hat dir schon mal jemand gesagt, was für ein teuflisches Timing du hast?«, kam es nach einer kurzen Pause zurück.

Devlin grinste verhalten. Anscheinend hatte er Romeo Callahan bei seiner Lieblingsbeschäftigung gestört.

»Ich nehme an, du bist in der Stadt und willst dort warten bis, der Sturm vorbei

ist?«, forschte Devlin in nun wieder neutralem Tonfall nach.

»Und?«, fragte Dray knapp.

»Ich wollte dir nur mitteilen, dass hier der Strom ausgefallen ist.«

»Weiter nichts? Sag mal spinnst du mich deswegen anzurufen?! Hast du wenigstens was nützliches zu berichten, wenn du mich schon wegen so einer Lappalie störst? Zum Beispiel, dass du die Fehde mit unserem Nachbarn beendet hast?«

Sofort war Devlins Laune wieder am Tiefpunkt angelangt.

»Nun ja .. es ist so einiges passiert«, druckste er herum.

»Nun erzähl schon«, drängte Dray. Es schien ihm wichtig zu sein, dachte Devlin, sonst würde er nicht sein Vergnügen hinten an stellen. Er seufzte kurz auf, bevor er anfing von den Geschehnissen zu erzählen.

»Bei Jesses Auto ist der Reifen geplatzt und er hat sich den Knöchel verstaucht. Daraufhin habe ich ihn Heim gebracht und seine Wunden verarztet. Wir haben uns unterhalten und sind irgendwie auf vergangene Beziehungen gekommen ... jedenfalls hat er mir gestanden, dass er schwul ist ... «

Devlin wartete unsicher ab, was sein Bruder dazu sagen würde.

»Und weiter?«

»Was und weiter? Nichts weiter! Ich bin gegangen«, fauchte Devlin ins Telefon.

»Du bist was? Meine Güte, bist du noch zu retten?«, kam es nun schnaubend von Dray. »Der Mann vertraut dir etwas an und du trittst ihn dafür mit Füßen! Ist das deine Vorstellung davon, Freundschaft auf zu bauen?«, stampfte Dray ihn in den Boden. Dessen Worte machten ihm jetzt erst bewusst, wie schäbig er sich verhalten hatte. Doch andererseits ...

»Verdammt noch mal, was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?«, fragte Devlin ein wenig hilflos.

»Du hättest ihn auf keinen Fall allein lassen dürfen. Es ist Stromausfall und wenn er verletzt ist, wer weiß was ihm passiert ... Außerdem solltest du deine Vorurteile über Bord werfen. Er ist auch nur ein Mensch und wird sich beherrschen können und dich nicht heimlich von hinten überfallen.« Dray hörte sich leicht amüsiert an.

Doch Devlin machte sich auf einmal Sorgen.

Was, wenn Jesse versuchte hoch ins Schlafzimmer zu kommen und die Treppe herunter stürzte? Oder wenn er woanders drüber stolperte und sich den Kopf irgendwo anschlug?

»Dray? Ich muss Schluss machen. Wir sehen uns.«

Ohne auf eine Antwort seines Bruders zu achten, legte er auf und stürmte auch schon aus dem Haus und ins Auto, nachdem er abgeschlossen hatte.

Keine zehn Minuten später stand er wieder vor Jesses Ranch, blieb aber einen Moment nachdenklich im Wagen sitzen, bevor er das Haus betrat.

Es war stockfinster, man sah nicht die Hand vor Augen und es herrschte eine beängstigende Stille, bis auf das gleichmäßige Prasseln des Regens.
 

Nachdem Jesse eine Weile hin und her überlegte, wie er es mit seiner Verletzung schaffen konnte seine Tiere zu füttern, rappelte er sich auf, wobei er den Couchtisch erst mal als Stütze benutzte. Dann humpelte er mit schmerzverzogenem Gesicht zum Sofa und ließ sich darauf fallen. Kleine Schweißperlen hatten sich bereits vor Anstrengung auf seiner Stirn gebildet, doch das ignorierte er geflissentlich. Stattdessen zog er einen Bezug von einem länglichen Sofakissen und wickelte sich den Stoff als Stützverband um den geschwollenen Knöchel. Mit zusammen gebissenen Zähnen verknotete er die Ecken, bevor er den Fuß ein paar Mal vorsichtig aufsetzte.

Ja, so musste es gehen, dachte er neu motiviert, zog den Morgenmantel um seinen Körper und schnürte den Gürtel um seine Taille etwas fester. Natürlich war es nicht die geeigneteste Kleidung um bei so einem Sturm einen Fuß vor die Tür zu setzen, doch die Kraft nach oben zu gehen und sich umzuziehen, brachte Jesse momentan beim besten Willen nicht auf.

Am Hinterausgang schnappte er sich einen Regenschirm, den er als Krücke missbrauchte. Draußen schlug ihm der kalte Regen ins Gesicht, stahl ihm unbarmherzig jegliche Wärme. Als er die Scheune erreichte, war er bereits nass bis auf die Knochen und das Gewicht des vollgesogenen Morgenmantels zog ihn fast zu Boden. Dadurch wurde die Zusammenstellung des Futters für jedes Tier zu einer einzigen Qual. Aber Jesse verdrängte das Gefühl der Erschöpfung und arbeitete emsig weiter. Ängstlich zuckte er immer wieder zusammen, wenn das Donnergrollen über die kleine Scheune hinweg rollte. Wie er das hasste. Doch er musste sich auf seine Arbeit konzentrieren, die ihn wenigstens ein bisschen von seinen Angstgefühlen ablenkte.

Jeden der Eimer trug er einzeln zu dem jeweiligen Käfig, da er sich mit der anderen Hand auf der behelfsmäßigen Krücke abstützte. Als er erneut in die Scheune humpelte und nur noch zwei Futtereimer übrig waren, sah Jesse bereits alles verschwommen. Der Schmerz pochte unerbittlich in seinem Fuß und seine Knie zitterten, als wären sie aus Pudding. Mit beiden Händen stützte er sich auf den Regenschirm. Sein Kopf hatte ebenfalls begonnen zu dröhnen und sein Umfeld fing an sich zu drehen. Mit aller Energie die er noch aufbringen konnte, ermahnte sich Jesse. /Du darfst jetzt nicht aufgeben .. nicht aufgeben .../, wiederholte er wie eine Beschwörungsformel, während er sich den vorletzten Eimer schnappte.

Mit zusammen gebissenen Zähnen und krampfhaften Griff um Regenschirm und Eimer humpelte er wieder aus der Scheune.

Der Sturm hatte noch immer nicht nachgelassen, im Gegenteil. Es schien, als würde das Unwetter noch um so einige Nuancen wilder toben. Nicht nur das es sintflutartig regnete, nein! Das Blitzgewitter und der darauf folgende Donner jagten Jesse weiterhin Angst ein. Mehr noch als zuvor.

Bei dem nächsten ohrenbetäubenden Donnern schrak Jesse zusammen und kniff vor Angst die Augen zusammen. Dabei übersah er den Grenzstein, der zwei Käfige voneinander trennte und stolperte darüber. Ein leiser Aufschrei entkam seinen Lippen und er bereitete sich auf den harten Aufprall vor, aber im nächsten Augenblick schlang sich unerwartet ein stahlharter Arm um seine schmale Taille und zog ihn zurück an einen ebenso kräftigen Körper.

Irritiert riss Jesse die Augen wieder auf und drehte fragend den Kopf.

Eine unglaubliche Hitze durchströmte ihn plötzlich.

»Devlin?«, entkam es ihm flüsternd.

Dieser blickte jedoch nur wutschnaubend auf ihn herunter, nahm ihn mit einer einzigen schwungvollen Bewegung auf die Arme und trug ihn im Eilschritt ins Haus.

»War .. warten sie! Ich muss noch meine Tiere fertig füttern«, protestierte Jesse postwendend, obwohl er nicht leugnen konnte, dass er Devlins Nähe mehr als genoss. Jedenfalls mehr als gut für ihn war. Devlin hatte ihn erst vor weniger als einer Stunde nach seinem Geständnis einfach sitzen lassen. Damit hatte er ihn tiefer verletzt, als Worte es je gekonnt hätten und nun war er auf einmal wieder hier? Und schien sich sogar Sorgen zu machen.

»Bitte, lassen sie mich runter! Ich kann allein gehen«, forderte er etwas schärfer als beabsichtigt. Er wollte nicht von Devlin gehalten werden, weil er sich so noch hilfloser vorkam. Und er wollte sich nicht wieder von dessen Freundlichkeit einlullen lassen, nur um erneut verletzt zu werden.

»Das hab ich eben gesehen, Blondie«, konterte der Schwarzhaarige und tastete sich in der Dunkelheit langsam zur Couch vor, wo er Jesse vorsichtig absetzte.

»Sag mal, bist du noch ganz bei Sinnen?«, fragte er den Kleineren dann in ernstem Tonfall. »Dir hätte da draußen sonst was passieren können und keiner hätte dich vor morgen früh gefunden!« Mit jedem Wort wurde er eine Nuance lauter, sah Jesse intensiv durch die Dunkelheit hinweg an.

Erschöpft bis aufs Letzte barg Jesse das Gesicht in den Händen und begann hemmungslos zu weinen. Er war einfach fertig mit den Nerven. Und Devlins Gebrüll war der letzte Tropfen, der das Fass heute zum überlaufen brachte.

Alles war schief gelaufen. Sogar Devlin hatte ihn in seiner misslichen Lage sitzen gelassen und nun ... ja nun war er wieder da und schrie ihn zu allem Überfluss auch noch an.

Devlin wunderte sich, dass Jesse ihm keine Vorwürfe machte. Sonst war der Kleinere doch nicht so zurückhaltend und bot ihm Kontra. Als er jedoch das leise Schluchzen hörte, stiegen Schuldgefühle in ihm auf. Verdammt! Es war ja auch kein Wunder, dass der andere am Rande eines Zusammenbruchs stand. Erst ließ er ihn draußen im Regen stehen, wo er sich den Knöchel verstauchte, dann verhielt er sich so verantwortungslos und flüchtete nachdem Jesse ihm gestand, dass er homosexuell war und zu guter letzt brüllte er ihn auch noch an. Dabei hatte Jesse doch nur versucht ohne seine Hilfe auszukommen. Und er würde es auch verstehen, wenn der Kleinere ihn jetzt rausschmiss. So wie er sich verhalten hatte ...

Vorsichtig setzte er sich neben Jesse auf das Sofa. Flüchtig sann er noch über dessen sexuelle Orientierung nach. Schließlich siegte aber doch seine Fürsorge und er tastete behutsam nach dem zierlichen Körper.

»Was ..?«, keuchte er leicht erschrocken über Devlins warme Hand, die unerwartet über seine kühle Haut strich. Irritiert versuchte er den anderen durch die Dunkelheit zu erkennen, zu ergründen wieso Devlin seine Abscheu ihm gegenüber so plötzlich abgelegt hatte. Oder wollte er ihn nur trösten, weil ihn plötzlich Schuldgefühle überkamen? Bestimmt war es nichts anderes! Und morgen Früh musste er sich dann wieder dem intoleranten arroganten Devlin stellen.

»Ähm ... Jesse? Hast du irgendwo eine Taschenlampe, oder Kerzen?«, hörte er ihn keine Sekunde später mit sanfter Stimme fragen. Er nickte, wurde sich aber gleich darauf bewusst, dass sein Nachbar das nicht sehen konnte.

»Ja, im Küchenschrank sind Kerzen ... «, murmelte er stattdessen schwach und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. Wenn Devlin die Kerzen nachher anzündete, wollte er nicht, dass er ihn mit verheultem Gesicht zu sehen bekam. Auch wenn das jetzt vielleicht kindisch war. Aber er fühlte sich in seinem Stolz sowieso schon gekränkt. Das musste er dem anderen jedoch nicht so offensichtlich zeigen.

Durch Devlins schwindendes Gewicht hob sich das Polster der Couch. Jesse überlegte, ob er sich aus seinen nassen Sachen schälen sollte. Ihm war eiskalt und der vollgesogene Stoff lastete schwer wie Blei auf seinem Körper. Dann dachte er jedoch an Devlins Reaktion auf sein Geständnis über seine sexuellen Vorlieben. Schnell verwarf er diese Idee wieder.

Er würde Devlin einfach bitten ihm nach oben zu helfen und dann würde er sich in Ruhe umziehen, ohne das sein Nachbar sich gestört fühlte.

Noch einmal wischte er sich mit einem Ärmel übers Gesicht, als er Devlin mit den Kerzen wiederkommen hörte.

»So ... « Zwei Kerzen wurden auf dem flachen Wohnzimmertisch abgestellt, woraufhin ein leises Schaben zu vernehmen war. Keine Sekunde später flackerte auch schon eine Flamme auf und entzündete die Dochte. Sofort wurde der Raum in ein warmes, gemütliches Licht getaucht und Jesse hätte es genossen, würde er nicht so erbärmlich frieren.

Triumphierend drehte Devlin sich zu Jesse um. Er war stolz darauf die Kerzen gleich auf Anhieb gefunden zu haben. Doch als er den kleineren Mann mit den Zähnen klappern sah, schwand sein Lächeln sofort.

»Meine Güte, zieh bloß die nassen Sachen aus! Du holst dir noch den Tod!«, rief er entsetzt aus. Er war so ein Dummkopf. Es war seine Schuld, dass Jesse überhaupt so durchgeweicht war.

Als der junge Mann keine Anstalten machte, die klitschnassen Klamotten abzulegen, kniete er sich vor ihm hin. Dieser sah nur stur zur Seite und wenn er sich nicht täuschte, lag ein leichter Rotschimmer auf dessen Wangen.

Da erinnerte sich Devlin an Jesses Geständnis und im stieg ebenfalls das Blut in den Kopf. Natürlich, deswegen zog der Kleinere sich nicht aus ...

»Jesse? Soll ich dich hochbringen?«, fragte er mit gesenktem Blick.

»Dann kannst du dich in Ruhe umziehen. O-oder soll ich dir ein paar Sachen runter holen?«

»Nein!«, schrie Jesse plötzlich erschrocken auf. Bei dem Gedanken, Devlin könnte in seinen Klamotten herumwühlen wurde ihm ganz anders. Vermutlich würde er dann ein zweites Mal an diesem Abend geschockt aus dem Haus stürmen.

»Was denn? Du trägst doch nicht etwa auch Kleider?«, fragte der Schwarzhaarige mit einer ganzen Wagenladung Entsetzen in der Stimme, die er trotz des Wissens um die speziellen Vorlieben des jungen Mannes nicht zurückhalten konnte. Jesse schüttelte daraufhin nur schockiert den Kopf..

Nein, Kleider trug er nicht. Und Gott bewahre, das würde er auch nie tun.

»Ich trage keine Kleider«, wiedersprach er noch einmal Devlins Verdacht. »Aber ich mag es nicht, wenn jemand in meinen Sachen wühlt. Das ist mir peinlich, auch wenn es sich bei der Person um einen Mann handelt. Es ist eben ... Privatsphäre«, wand er deshalb ein und sah seinen Gegenüber bittend an.

Devlin nickte verstehend, auch wenn er sich nicht wirklich erklären konnte, weshalb der kleinere Mann sich schämen sollte. Sie waren beide Männer und was konnte es schon für einen Unterschied geben in ihrer Art sich zu kleiden? Doch keinen großen, oder? Obwohl... wenn er da an Jesses Unterwäsche dachte, die er zuvor im Badezimmer gesehen hatte, lag er mit seinen normalen Gedanken wohl doch nicht ganz richtig. Denn solche Unterwäsche würde er nie im Leben tragen, nicht mal, wenn es sein sozusagen letztes Hemd war.

Wie dem auch sei. Er hatte sich geschworen mit seinem Nachbarn Frieden zu schließen und diesen Zustand möglichst auch aufrecht zu erhalten. Also würde er dessen Wunsch akzeptieren, ganz gleich wie unsinnig er ihm vorkam.

»Nun gut. Dann bring ich dich eben nach oben, damit du endlich aus den nassen Sachen heraus kommst«, lenkte Devlin ein, ließ einen abwägenden Blick über den Blonden gleiten. Soweit er das in dem Schummerlicht der Kerzen erkannte, war Jesses Fuß durch die Tierfütteraktion im Regen doch mehr in Mitleidenschaft gezogen worden, als es zuerst den Anschein hatte. Es sah aus, als hätte der andere einen blau-violett gesprenkelten Kürbis an seinem Knöchel. Allein schon die Vorstellung von den Schmerzen, die Jesse unweigerlich spürte, drehte sich ihm den Magen um. Außerdem verspürte er das Bedürfnis sich bei dem Kleineren zu entschuldigen. Er hätte einfach nicht so intolerant reagieren dürfen. Das war unverzeihlich.

Ohne noch lange zu Zögern, ging er zu Jesse.

»Darf ich?«, fragend sah er zu seinem Nachbarn herunter. Der junge Mann nickte nur leicht, reichte ihm schließlich eine Hand, sodass Devlin ihm hoch helfen konnte. »Du musst das nicht tun«, sagte er noch einmal und Jesse fiel es schwer das Zittern seines Körper zu unterdrücken. Die Kälte steckte ihm schon richtig in den Knochen und es würde ihn nicht wundern, wenn er die nächsten zwei Wochen ans Bett gefesselt sein würde.

Es befriedigte Devlin zu hören, dass die Stimme des Blonden sich genauso unsicher anhörte, wie er sich momentan fühlte. Dadurch ging es ihm gleich ein Stückchen besser und es gab ihm einen Teil seiner sonstigen Unbeschwertheit zurück.

»Du hast Recht, Blondie. Ich muss das nicht tun, aber ich möchte es gern. Hätte ich mich früher dazu entschlossen dir zu helfen, wäre es gar nicht zu diesem riesigen Desaster gekommen. Du hättest dir gar nicht erst den Knöchel verstaucht.«

Jesse hob den Blick und sah verwirrt zu Devlin. Hörte er da wirklich Sorge aus Devlins Worten heraus. Oder bildete er sich das nur ein?

»Aber es war doch nicht deine Schuld«, wandte er ein und wirkte noch ein bisschen mehr durcheinander.

»Nein? Dann sag das mal meinem Gewissen!« Mit diesen Worten hob er Jesse mit einer fließenden Bewegung auf seine Arme, bevor er weiter sprach. »Und noch was. Ich bin vielleicht nicht ganz so schuldig an deinem ersten Unfall, aber das ich dich bei diesem Sturm und noch dazu Stromausfall allein gelassen habe, ist beinahe unverzeihlich. Ich wollte dich nicht enttäuschen, nur ... «

»Mein Geständnis hat dich sehr getroffen«, beendete Jesse den Satz, als der Schwarzhaarige ins Stocken geriet.

Bedrückendes Schweigen trat ein, nachdem Devlin Jesses Vermutung mit einem kurzen Nicken bestätigte. Um nicht weiter darüber nach zu denken, konzentrierte sich Devlin darauf das verletzte Bündel in seinen Armen so die Treppe hinauf zu transportieren, dass Jesse nirgendwo mit seinem Fuß anstieß. Nebenbei bemerkte er, wie leicht der andere war. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer ihn zu tragen. Das Jesse nicht besonders groß war, hatte er vom ersten Moment an gewusst, aber dass er auch noch dermaßen wenig wog, weckte ein unbestimmtes Gefühl in ihm. Es war seltsam.

Schließlich überwand er die letzte Stufe. Sogleich steuerte er in die Richtung in der er vorhin die zwei Schlafzimmer gesehen hatte. Vorsichtig trat er in den Raum, aus dem er zuvor den Quilt geholt hatte und setzte den jungen Mann umsichtig auf das weiche Doppelbett.
 

Ende Teil 4
 

Hm ... schon Teil vier ... oder besser gesagt endlich. *seufz* Irgendwie fallen mir solche sentimentalen Szenen immer schwerer. Weiß auch nicht ... im Moment is irgendwie die Luft raus. Nicht böse sein ... aber es könnte euch ne längere Pause erwarten ... *nick nick*

Hach ... trotzdem hoffe ich der Teil hat euch gefallen..^^
 

dessi

Katz und Maus von desertdevil

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Kapitel 5
 

Innerlich ruhig, jedoch mit einem leichten Spannungsgefühl im Bauch, streifte Jesse sich den tropfnassen Morgenmantel von den Schultern und ließ ihn dann einfach da liegen, wo er auf den Boden fiel. Mit seinem verletzten Knöchel wollte er kein Risiko eingehen, indem er durch akrobatische Verrenkungen versuchte Ordnung zu halten. Auch wenn er für seine Verhältnisse sehr ordentlich war, hieß das nicht, dass er nicht auch mit ein bisschen Unordnung klar kam.

Nach ein paar umständlichen Bewegungen hatte er sich eine Boxershorts und einen dunkelgrünen kuscheligen Trainingsanzug aus dem Schrank gesucht und setzte sich auf das Bett um in die Shorts und Hosen hinein zu schlüpfen. Das stellte sich gar nicht als so einfach heraus, denn sein Knöchel war so dick angeschwollen, dass er kaum durch das Hosenbein durchpasste. Aber mit ein bisschen Ziehen und Zupfen schaffte er es, zog sich noch die Trainingsjacke an und blieb dann einen Augenblick nachdenklich auf dem Bett sitzen.

Was sollte er jetzt tun? Nach Devlin rufen? Er seufzte.

Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, wenn er die Treppe wieder runter kommen wollte, und das in einem Stück. Erneut seufzte er auf, bevor er nicht wirklich überzeugt nach dem Schwarzhaarigen rief.

Es dauerte nicht lange, da hörte er schwere Schritte auf sich zukommen und einen Augenblick später stand Callahan in seiner vollen Größe in der Tür. Unbewusst hielt Jesse die Luft an und verfluchte Gott dafür, dass der andere selbst mit nassen Haaren und in Arbeitsklamotten wie Adonis persönlich aussah.

Wortlos ging Devlin auf seinen Nachbarn zu, der nun in einem dunkelgrünen, flauschig aussehenden Trainingsanzug steckte. Die Farbe stand dem Kleineren, musste er zugeben und er lächelte Jesse zu, auch wenn dieser es wegen der Dunkelheit wahrscheinlich nicht sah.

Dann trat er neben den Blonden, schlang einen Arm um dessen Rücken den anderen unter die Kniekehlen und hob ihn anschließend vorsichtig hoch. Er spürte das leichte Zittern, das durch den schlanken Körper fuhr, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Dass Jesse fror konnte er sich denken, schließlich hatte der kleinere Mann sich dem eisig tobenden Sturm gestellt und danach eine ganze Weile in den nassen Sachen verbracht. Das beste wäre ein schönes heißes Bad gewesen, doch er bezweifelte, dass es im Haus bereits warmes Wasser gab. Und wenn, dann würde jetzt sowieso keins aus der Leitung kommen, weil der Strom ausgefallen war und somit der Boiler nicht arbeitete.

Automatisch schlangen sich Jesses Arme um Devlins Hals, als dieser ihn hochhob. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe herum, während Devlin die Stufen hinter sich brachte und ihn hinterher auf der Couch absetzte, wohlgemerkt auf der Seite, die vorhin nicht von seinem klitschnassen Morgenmantel besudelt worden war. Erleichtert seufzte Jesse auf, als sein Nachbar sich wieder von ihm entfernte. Die wärmende Nähe hatte sich zwar gut angefühlt und er hatte sich auch völlig unter Kontrolle gehabt, aber er wollte halt nichts riskieren. Nachher fühlte er sich zu gut und gewöhnte sich noch an den anderen. Das gedachte er auf jeden Fall zu verhindern. Devlin hatte ihn mit seiner Reaktion vor ein paar Stunden bereits genug verletzt und es reichte ihm ja auch, wenn sie es erst mal schaffen könnten eine Freundschaft aufzubauen und diese auch eine Weile bei zu behalten, ohne sich nach ein paar Tagen wieder zu fetzen.

»So, das wäre geschafft«, meinte Devlin leichthin und überlegte was als nächstes anstand.

»Gibt es noch irgendetwas, was ich für dich tun kann, bevor ich mich um das Abendessen kümmere?«, fragte er direkt an Jesse gerichtet, weil ihm im ersten Moment nichts weiter einfiel. »Hm, schon, aber ich bezweifle, dass du das für mich tun möchtest«, murmelte Jesse und schaute schnell zur Seite.

Er war offensichtlich immer noch verärgert wegen seiner Reaktion auf das Geständnis und Devlin konnte es dem Blondschopf nicht verübeln. Wahrscheinlich hätte er die Situation auch nicht anders weggesteckt, als mit Wut auf seinen Nachbarn. Deswegen meinte er mit leichten Schuldgefühlen, jedoch so unbefangen wie möglich: »Dein Wunsch ist mir Befehl, Blondie.« Jesse zögerte ein bisschen, ehe er sich zusammenriss, zu dem Größeren hinauf blickte und sein Anliegen hervorbrachte.

»Nun ja... Ich... Vorhin habe ich zwei Tiere noch nicht fertig gefüttert... «

Devlin schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Verdammt! Und ich laufe mitten in die Falle. Jetzt muss ich die Krachmacher auch noch füttern, die der eigentliche Grund für unsere Fehde waren.«

Betroffen senkte Jesse den Blick.

»Tut mir leid. Es sind auch nur noch zwei Tiere übrig. Den Rest habe ich schon erledigt. Das Futter ist bereits zusammengestellt, deswegen dauert es nicht lange... «, sagte er leise, um Devlin ein wenig zu besänftigen. Aber der war gar nicht böse darüber, sondern hatte das eher als Spaß angesehen... das war so etwas wie die Komik des Schicksals.

»Keine Ursache. Ich mach das schon. Aber ich hoffe dein Panther da draußen hat seine Portion schon weg. Sonst könnte es passieren, dass ich zu seinem Abendessen degradiert werde«, sprach der Schwarzhaarige seine Bedenken mit gerunzelter Stirn aus und erntete dafür einen beschwichtigenden Blick seitens des Blonden.

»Keine Angst. Jori hat schon bekommen. Außerdem habe ich ihn eingesperrt, sodass du besten Gewissens hinaus gehen kannst«, beruhigte Jesse seinen Nachbarn noch einmal mit Worten und senkte danach den Blick, während seine Hände leicht nervös mit den Schnüren der Trainingshose spielten.

»Und es tut mir auch wirklich Leid, dass ich dir durch meine Tiere so viel Extraarbeit und Reparaturkosten verursacht habe«, gestand Jesse leise. »Ich habe eingesehen, dass es wirklich ein Problem darstellt und bin dem begegnet, indem ich die Käfige mit den Wölfen umgesetzt habe... «

»Schon gut... Ich erkenne deine gute Absicht an«, unterbrach Devlin den Kleineren sanft und raffte sich schließlich auf, um sich dem wild tobend Sturm draußen zu stellen.

»Falls du einen Schirm brauchst – es steht einer in der Garderobe«, wies Jesse den Schwarzhaarigen darauf hin, als dieser sich bereits auf den Weg gemacht hatte und er nur noch schemenhaft den breiten Rücken erkannte.

»Ach was, ich kann ohnehin nicht nasser werden, als ich schon bin«, erwiderte Devlin leichthin und ging zur Hintertür hinaus.
 

Jesse versuchte vorsichtig sich auf die Seite zu legen und stöhnte leise auf, als ein stechender Schmerz durch sein linkes Bein fuhr. Dieser verflixte Knöchel schien sich von einer kleinen Unannehmlichkeit zu einem echten Problem zu entwickeln.

Apropos Unannehmlichkeit... Devlins plötzliche Fürsorge brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht, obwohl er sich dagegen wehrte und sich nicht beeinflussen lassen wollte. Die Wunden die ihm dieser Kerl zugefügt hatte waren einfach noch zu frisch, als das er sich wagte noch einmal vorschnell zu vertrauen. Trotzdem musste er dauernd an den Schwarzhaarigen denken, der ebenso aggressiv wie sanft sein konnte und jetzt da draußen war und die Tiere versorgte, die er am liebsten für immer in die ewigen Jagdgründe schicken würde. Das sagte einiges über seine Persönlichkeit und seinen Charakter aus, dachte Jesse seufzend und schloss für einen Moment die Augen und entspannte sich.
 

Einen Futtereimer in jeder Hand hielt Devlin vor einem der beiden Käfige, der etwa hundert Meter vom Haus entfernt lag. Der Regen hatte nachgelassen, doch ab und zu zuckten noch ein paar Blitze am Horizont und warnten, dass der angekündigte Sturm noch nicht zu voller Kraft aufgelaufen war.

Genüsslich atmete Devlin die frische, nach Regen duftende Luft ein und schickte ein Gebet gen Himmel, um für das lang entbehrte Nass zu danken. Die Natur war in den letzten zwei Jahren nicht sehr nett mit den Farmern umgegangen. Es war ein ständiger Kampf gewesen, ausreichend Futter für die Tiere zu beschaffen.

Seine Gedanken schweiften ab und er blieb abrupt stehen, als ein dumpfes Brüllen aus dem Käfig, der ein Stück vor ihm im Schatten lag ertönte. Unbehaglich starrte Devlin auf den riesigen Braunbären, der in einem seltsamen Rhythmus hin und her schwankte. Dann fiel ihm auf, dass dem Tier der halbe Vorderlauf fehlte. Der verkrüppelte Bär hob seine Nase in die Luft und nahm Devlins Witterung auf, dann brummte er leise.

»Okay, Kumpel... Ich rieche zwar nicht wie Jess, aber immerhin bringe ich dir dein Abendessen. Also tu mit einen Gefallen und beiß nicht in die Hand, die dich füttert.«

Vorsichtig und mit mehr als einem mulmigen Gefühl im Bauch öffnete er die Käfigtür, um das Futter in den Trog zu füllen. Der Bär, den Jesse Puh genannt hatte, starrte ihm eine volle Minute in die Augen, bevor er sich bequemte zum Trog zu humpeln und das Futter zu inspizieren.

Nachdem er den Bären noch eine Weile beobachtet hatte, marschierte er zu dem anderen Käfig und nahm dabei die verschiedenen lahmen und behinderten Tiere wahr, die Jesse in seine Obhut genommen hatte. Da gab es zwei Füchse, einige Wildkatzen, zwei Raubkatzen, die Devlin als potentielle Abendmahlzeit zu betrachten schienen, ein paar Pfauen, einen Keiler und verschiedene Tiere, die Devlin nie gesehen hatte. Dazu kam noch eine riesige Voliere, die mitten zwischen den Apfelbäumen stand und eine Unzahl an gefiederten Exoten beherbergte.

Während er vor dem anderen Käfig ankam, überlegte er, was Jesse Parker wohl dazu veranlasst haben könnte, sich diese Bande auf zu halsen, obwohl er inzwischen verstand, warum man sie nicht mehr in die Freiheit entlassen konnte. Jedes Tier hatte eine Beeinträchtigung, die es unmöglich machte, sich gegen gesunde Tiere zu behaupten.

Devlin machte sich Vorwürfe, dass er har nicht erst versucht hatte heraus zu finden, was es mit Jesse Parkers Zoo auf sich hatte, ehe er ihm den Fehdehandschuh zugeworfen hatte. Es mochte ja sein, dass dieser Zoo absolut nicht sein Ding war, aber er bewunderte inzwischen Jesses unermüdlichen Einsatz, für diese Tiere zu sorgen und sie zu beschützen.

Wenn er so darüber nachdachte, könnte er mit der Zeit sogar eine gewisse Sympathie für diese Exoten aufbringen, doch als ihn das unverschämte Lama anpeilte und ihm ins Gesicht spuckte, war er sich dann doch nicht mehr so sicher.

»Undankbares Biest!«, schimpfte er und wischte sich seine klebrige Wange an seinem nassen Hemdsärmel ab.

Als es immer lauter donnerte und immer heftiger regnete, hastete Devlin mit den leeren Futtereimern bewaffnet zu Scheune, um diese dort ordentlich abzustellen und zum Haus zurück zu kehren.

Ein greller Blitz ließ ihn zusammen zucken. Der Donner folgte unmittelbar und es klang fast so, als hätte es ganz in der Nähe eingeschlagen.

Devlin hatte genügend Erfahrung um beurteilen zu können, wann ein schlimmer Sturm im Anzug war. Und dies war offensichtlich einer der härteren Sorte. Die Ranch konnte sich innerhalb dieser Nacht von einem Trockendock in eine Arche Noah verwandeln.

Dann betrat er das Haus wieder durch die Hintertür und seine innere Uhr sagte ihm, dass es schon weit nach der normalen Essenszeit war. Bevor er jedoch in die Küche ging, fragte er Jesse, ob er vielleicht ein Handtuch haben konnte, denn er war pitschnass und hatte nicht unbedingt vor in seinen tropfnassen Sachen vor dem Herd zu stehen. Einerseits wollte er nicht krank werden und andererseits nicht den gesamten Boden voll tropfen.

Devlins sanfte Stimme holte ihn aus seinem Dämmerzustand in den er kurz nach Verschwinden des anderen verfallen war. Erschöpfung und Müdigkeit waren nur so über ihn hereingebrochen und auch jetzt fühlte er sich schwer und träge und er fand es sogar richtig anstrengend die Augen zu öffnen.

»Hm-hm... Im Bad.. oben«, murmelte Jesse in das Kissen und es grenzte schon an ein Wunder, dass Devlin den anderen verstand. Nachdem er jedoch die Erlaubnis hatte, holte er sich besagtes Handtuch, verweilte einen Augenblick im Badezimmer, um sein Hemd auszuziehen und seinen Oberkörper flüchtig trocken zu rubbeln. Danach hängte er das Handtuch über den Wannenrand und nahm das nasse Kleidungsstück wieder mit nach unten, wo er es über einen der Küchenstühle legte. Sich kurz die Hände reibend, öffnete Devlin schließlich den Kühlschrank, um fest zu stellen, was er für Material zur Verfügung hatte. Zu seiner Belustigung fand er fast ausschließlich Tiefkühlgerichte, die nur noch in die Mikrowelle geschoben werden mussten.

Devlin erinnerte sich unwillkürlich an die Zeit, in der Dray und er auch von diesen Fertiggerichten gelebt hatten. Doch schon vor Jahren hatten sie einen Pakt geschlossen, von Montag bis Donnerstag abwechselnd zu kochen, damit sie nicht jeden Tag auf Fertigessen zurückgreifen oder auswärts Essen mussten.

Er riss die Kühlschranktür noch weiter auf und fand schließlich ein Dutzend Eier, Brot, etwas Käse und Milch. Während er sich überlegte ein Omelett zu machen, hätte er schwören können, dass im gleichen Moment sein Bruder bei einem ausgezeichneten Menü in Sunnys Restaurant saß. Vielleicht hätte er das Geburtsrecht des Älteren doch nicht respektieren und sich selbst an Sunny heran machen sollen.

Das ist das Problem bei Zwillingen, überlegte Dev. Man musste sich immer erst mit seinem Ebenbild absprechen, bevor man sich näher für irgendein weibliches Wesen interessierte. Diese Art von Geschwisterrivalität hatte ihre ganz eigenen Tücken. Durch sie waren Devlin und Dray nicht nur einmal in missliche Situationen geraten, aber sie hatten es schließlich immer wieder hinbiegen können. Der erste und einzige Boxkampf, den sie um ein ganz besonders nettes kleines Ding ausgefochten hatten, hatte in der fünften Klasse stattgefunden.

Mit den spärlichen Zutaten in der Hand ging Devlin zum Herd hinüber und suchte dann in den Schränken nach einer Pfanne. Er summte einen fetzigen Countrysong, während er die Eier aufschlug. Zum Glück handelte es sich bei Jesses Herd um einen Gasherd, sonst hätte er ganz schön dumm aus der Wäsche geschaut, wegen dem Stromausfall. Doch so gelang es Dev, das Omelette und den Toast in kurzer Zeit fertig zu bekommen.

»Das Essen wird serviert!«, rief er, während er zwei Teller ins Wohnzimmer hinübertrug. Als er Jesse jedoch in eine dicke Decke eingewickelt auf dem Sofa liegen sah, das fein geschnittene Gesicht umrahmt von blonden Locken, hielt er in seinem Schritt inne und verspürte ein ganz seltsames Gefühl in der Nähe seines Herzens. Devlin konnte sich das überhaupt nicht erklären, schüttelte dann den Kopf und damit auch dieses Gefühl von sich ab.

Er war wahrscheinlich zu nass geworden und bekam ein bisschen Fieber, sagte er sich und tat die Sache damit ab.

»He, Schlafmütze«, meinte der Dunkelhaarige schließlich leise, als er am Tisch angekommen war. »Wenn ich mir schon die Beine für dich ausreiße, kannst du wenigstens die Augen aufmachen und mich loben!«, empörte er sich gespielt und stellte die Teller auf den flachen Wohnzimmertisch ab.

Verschlafen blinzelte Jesse und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Aber als ihm der Essensduft in die Nase stieg, schlug er die Decke zurück und griff gierig nach dem Teller.

»Du hast wirklich gekocht?«, fragte Jesse schläfrig, aber trotzdem konnte man ihm seine Begeisterung ansehen. »Das sieht super aus«, entkam es ihm und er piekte sofort ein Stück Ei mit der Gabel auf und schob es sich hungrig in den Mund.

»Hm.. richtiges Essen!«, meinte er nach dem ersten Bissen und seufzte genießerisch.

»Seit Monaten hab ich so was nicht mehr erlebt«, schwärmte Jesse weiter und bemerkte dann den seltsamen Blick Devlins, der auf ihm ruhte. Leicht schluckte er, weil ihm so ein Blick durchaus bekannt war. Nur wusste er nicht, was er nun machen sollte. Devlin und er hatten sich bis vor kurzem nicht wirklich gut verstanden und seitdem der andere wusste, dass er schwul war, war die Situation noch ein wenig angespannter. Deswegen fühlte Jesse sich total überfordert und wusste auch nicht, was er davon halten sollte.

»Ähm.. «, räusperte er sich und senkte den Blick auf seinen Teller. »Willst du nicht auch erst mal essen? Es wird sonst kalt... «, lenkte er ein und hoffte Devlin würde darauf eingehen, denn Jesse hatte keine Ahnung, wie lange er dieses Anstarren noch aushielt, bevor er etwas dummes anstellte und sich wieder total blamierte, oder ihrer zerbrechliche Freundschaft, wenn es überhaupt eine war, den Garaus machte.

Callahan hatte sein Starren überhaupt gar nicht wahr genommen. Sein Augen waren nur auf Jesse gerichtet und wie der Blondschopf sich über das Essen freute hatte ihn total fasziniert. In einer derartig fröhlichen Stimmung hatte er seinen Nachbarn noch überhaupt nicht erlebt und das er ihn über die Maßen lobte, schmeichelte ihm ziemlich.

Als die Stimme des Kleineren zu ihm durchdrang, bemerkte Devlin erst einmal wie kindisch er sich aufführte. Jesse hatte das auch schon erkannt.. Das war ihm nicht unbedingt angenehm, aber er zuckte nur mit den Schultern, um seine Unsicherheit darüber zu verbergen, setzte sich ebenfalls und fing an zu essen.

»Es schmeckt wirklich gut.. «, lobte Jesse nach ein zwei weiteren Bissen erneut, weil es tatsächlich gut war und um vielleicht ein kleines Gespräch in Gange zu bringen.

»Danke.. «, meinte Devlin daraufhin und lächelte seinen Nachbarn an.

»Mein Bruder und ich wechseln uns immer in der Küche ab. Wir machen das schon seit einigen Jahren so. Es war ziemlich schwierig für uns, nachdem wir unsere Eltern durch einen Flugzeugabsturz verloren hatten. Ein wahres Wunder, dass wir die Küche im ersten Jahr nicht in Schutt und Asche gelegt haben«, fügte er noch scherzhaft an und sah von seinem Teller auf. Freundlich schaute Jesse zurück und legte dann nachdenklich den Kopf schief.

»Ihr habt euch die ganze Zeit selbst versorgt? Wie alt wart ihr bei dem Unglück?«, fragte er ruhig und interessiert.

»Achtzehn«, antwortete Devlin und biss in seinen Toast.

Nun legte Jesse seine Gabel beiseite und betrachtete den Dunkelhaarigen eingehender.

»Aber.. Gab es denn niemanden aus der Familie, der sich um euch hätte kümmern können?« Es erschien Jesse furchtbar hart auf einmal allein da zu stehen und niemanden zu haben, den man um Hilfe bitten könnte in so einer Situation.

Devlin schüttelte nur den Kopf. »Hm.. nein. Da war nur ein entfernter Onkel, der bei der Armee war und mal reinschaute, wenn er Urlaub hatte, aber sonst... Und irgendwer musste die Ranch ja auch in Gang halten«, erklärte er, während er einen weiteren Bissen nahm.

»Wir haben uns an ältere, erfahrene Rancher in der Gegend gewandt, und die haben uns geholfen über die anfänglichen Schwierigkeiten hinweg zu kommen. Dray und ich haben abwechselnd die Uni besucht, um unser Studium ab zu schließen, wie es sich unsere Eltern gewünscht hatten. Da wir immer nur zeitweise studieren konnten, hat es zwar über sieben Jahre gedauert bis zum Agraringenieur, aber wir haben es geschafft!«, endete Devlin nicht ohne Stolz und lehnte sich schließlich zurück. Sein Blick ruhte immer noch auf Jesse und insgeheim bewunderte er wieder einmal das feingeschnittene Gesicht des anderen und den zierlichen Körper, der trotz des weiten grünen Trainingsanzugs sehr anziehend auf ihn wirkte. Als ihm auffiel, in welchen Sphären seine Gedanken schon wieder herumschwebten, fluchte Devlin lautlos und zwang sich woanders hin zu sehen. Wieso musste er seinen Nachbarn dauernd anstarren?! Sie waren beide Männer und basta! Da gab es nichts zu starren, was ihn interessieren sollte!

Aufmerksam hatte Jesse Devlin zugehört und fand, dass er und sein Bruder sich für ihre Verhältnisse gut geschlagen hatten. Aber wie immer, wenn es dazu kam, über die Vergangenheit zu diskutieren, wurde Jesse melancholisch. Genau deswegen mochte er es nicht darüber zu reden, denn seine Erinnerungen waren alles andere als schön. Am liebsten würde er sie vergessen. Vielleicht würde ihm dies leichter fallen, wenn er es jemandem anders erzählte, überlegte der Hellhaarige dann und seufzte. Er konnte es ja mal versuchen. Bei Devlin fühlte er sich irgendwie wohl, auch wenn das sicherlich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

»Ich weiß noch nicht einmal wer meine Eltern waren.. «, rutschte es ihm plötzlich heraus und Jesse überlegte noch kurz, ob er weiter sprechen sollte, tat es dann aber.

»Naja.. meine Kindheit habe ich bei verschiedenen Pflegeeltern verbracht, bis ich weggelaufen bin. Der Mann, der mich für die Vormundschaft übernommen hatte, begann nämlich plötzlich Interesse an mir zu bekunden, das von väterlicher Zuneigung weit entfernt war... « Jesse hielt inne, weil er sich unsicher war, wie Devlin darauf reagierte.

Offensichtlich hatte der andere aber sofort richtig verstanden, was er damit meinte, denn er biss die Zähne zusammen und stieß einen unterdrückten Fluch hervor. Devlin wollte gar nicht daran denken, was hätte passieren können, wenn Jesse nicht die Flucht ergriffen hätte. Vor allem, weil der Blonde als Jugendlicher bestimmt genauso anziehend gewirkt hatte... Argh.. Dauernd kam er auf diese Gedanken zurück. Aber es stimmte ja, gestand Devlin sich ein. Jesse war einfach außerordentlich hübsch für einen Mann.

»Aber.. das war nicht der Grund warum ich.. na ja.. schwul geworden bin.. «, setzte Jesse noch hinterher, denn er wollte nicht, dass Devlin auf falsche Schlussfolgerungen kam und wie es aussah, machte der andere sich wirklich Gedanken über ihn, auch wenn er das wahrscheinlich nie offen zugeben würde. Doch allein schon die Tatsache, dass es so war, gab Jesse ein angenehmes, warmes Gefühl. Aus diesem Grund sprach er auch weiter.

»Ich.. bin auf seine Annäherungsversuche nicht eingegangen. Aber ich wusste, dass er mir keine Ruhe lassen würde, also bin ich verschwunden.

Nachdem ich die Highschool beendet hatte, habe ich in Bars gejobbt, bis mir irgendwann klar wurde, dass ich unbedingt eine gute Ausbildung brauchte, wenn ich es zu etwas bringen wollte.«

Trotz des nicht gerade tollen Themas, lehnte Jesse sich halbwegs entspannt zurück, als er sah, dass Devlin nickte und ihm aufmunternd zulächelte. Zum Glück schien er bezüglich dieser Angelegenheit nicht zu Vorurteilen zu neigen.

»Das muss wirklich eine harte Kindheit gewesen sein«, meinte er leise und beugte sich vor, was Jesse die Luft anhalten ließ. Es kam ihm wie in Zeitlupe vor, als Devlin seine Hand ausstreckte und ihm eine Korkenzieherlocke hinter sein Ohr strich. Nervös wie schon lange nicht mehr, leckte Jesse sich über seine plötzlich trockenen Lippen und schluckte schwer. Der andere war so nah. Er konnte deutlich die Hitze spüren, die von dem kräftigen Körper ausging.

Nein.. er interpretierte in diese Geste viel zu viel hinein! Devlin würde nicht schwul werden, nur weil er sich das vielleicht insgeheim wünschte. Und er durfte auch nicht zu viel erwarten. Es war sicher nur Mitleid, was der andere ihm da entgegen brachte und das war etwas, was Jesse am wenigsten wollte.

»Ich.. « Vorsichtshalber rückte er ein Stück von dem Dunkelhaarigen ab. »Das war noch nicht einmal die Hälfte, aber ich will dich damit nicht nerven. Denn.. du magst ja keine Schwulen und dann sicherlich auch nicht die Vergangenheit die zu Einem dazu gehört. Ich hätte nicht damit anfangen sollen.. « Er senkte den Kopf und krampfte leicht die Hände in den Stoff des Trainingsanzugs.

»Aber.. Trotzdem danke fürs Zuhören«, meinte er dann noch leise. »Und danke für das Essen.«

Auch Devlin zog sich ein wenig zurück, denn er merkte, dass er Jesse irgendwie zu nahe gekommen war, obwohl er selbst ja auch auf Abstand bleiben wollte. Er hatte nicht nachgedacht und schon fast vergessen, dass sein Nachbar das gleiche Geschlecht bevorzugte.

Was Jesse sagte stimmte jedoch nicht! Leise räusperte Devlin sich.

»Nun ja.. sagen wir es mal so. Ich war nicht auf so ein Geständnis vorbereitet und hatte noch nie etwas mit Homosexuellen zu tun. Deswegen weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Aber das heißt nicht, dass ich.. « Eine kurze Pause entstand. Devlin wusste auch nicht, was er so richtig sagen sollte. »Es heißt nicht, dass ich es nicht mag, wenn du mir mehr von dir erzählst.. «, beendete er schließlich seinen Satz und entspannte sich wieder ein bisschen.

Auch Jesses kurzzeitiges Verkrampftsein legte sich wieder und er schaffte es sogar Devlin leicht anzulächeln. Dann schaute er jedoch wieder auf seine Finger, die nun ratlos mit dem Reißverschluss des Oberteils spielten.

Während einträchtiges Schweigen zwischen ihnen herrschte, das auch nicht unangenehm war, dachte Devlin über die Tiere nach, die Jesse hier wie seinen Augapfel pflegte.

Nachdem er den Zoo persönlich in Augenschein genommen und Jesse ihm einen Teil seiner Lebensgeschichte anvertraut hatte, vermutete Devlin, dass er deshalb so eine enge Verbindung zu den ausgestoßenen, verkrüppelten Tieren fühlte, weil er sich selbst ein bisschen so sah.

Das war keineswegs böse gemeint und auch nicht auf Jesses Sexualität bezogen, doch irgendwie drängte sich ihm dieser vergleich so auf.

Außerdem verstand Devlin nun, warum der junge Mann es für notwendig hielt, sich hinter einem stacheligen Panzer zu verbergen. Zweifellos war es der einzige Weg gewesen, die Härten seines bisherigen Lebens zu meistern. Er erinnerte sich jetzt auch wieder daran, was der Sheriff Clayton ihm von Jesse erzählt hatte. Dass er der armen Frau, die von ihrem gewalttätigen Ehemann davongelaufen war, sofort seine Hilfe angeboten hatte. Und dann sein Einsatz für vernachlässigte Jugendliche und für Kinderschutzorganisationen. An Jesse Parker war offensichtlich viel mehr dran, als er geahnt hatte.

Psychische Verletzungen hatten tiefe innere Narben hinterlassen und ihn misstrauisch und wachsam gemacht. Und obwohl Devlin es zurückdrängen wollte, konnte er nicht verhindern, dass sein Beschützerinstinkt erwachte.

»Wo hast du die vielen Tiere aufgelesen?«, fragte Devlin schnell und wechselte absichtlich das Thema, um sich selbst von seinen unmöglichen Gedanken und Gefühlen abzulenken. Das konnte doch nicht wahr sein! Klar… Jesse Parker sah umwerfend aus! Keine Frage. Aber er war immer noch ein Mann. Ein MANN!! Immer wieder wiederholte Devlin das in seinem Kopf und hörte seinem Gegenüber nur mit halben Ohr zu.

»Einige waren im Heim der Tierschutzorganisation untergebracht«, begann Jesse nach einigem Zögern und einem irritierten Blick in Devlins Gesicht langsam zu erzählen. Es kam ihm komisch vor, dass sein Nachbar sich plötzlich so sehr für seine Tiere interessierte. Aber ohne weitere Hintergedanken zu haben, verbuchte Jesse es als gutes Zeichen. Vielleicht kamen sie ja doch besser aus, als er zu Anfang dachte.

»Andere wurden aus schrecklichen Verhältnissen befreit und direkt zu mir gebracht. Du würdest nicht glauben, wie viele Menschen meinen, unbedingt exotische Tiere haben zu müssen, die sie dann zu zähmen versuchen. Solange sie klein sind, wirken Raubkatzen wie süße Schmusekätzchen. Doch wenn sie dann geschlechtsreif werden, sehen sich die Leute plötzlich einem ausgewachsenem Raubtier gegenüber und wissen nicht, was sie damit anfangen sollen. Es gibt eine besondere Ausbildung für den Umgang mit diesen Tieren. Ohne ein speziellen Training hat man keine Chance…«

»Und du hast diese Ausbildung, nehme ich an?«

Jesse nickte und die blonden Locken tanzten um sein feingeschnittenes Gesicht.

Es war schön mal mit jemandem reden zu können, auch wenn Devlin wahrscheinlich immer noch nicht von seinem Zoo begeistert war.

»Ja. Außerdem bin ich darin geschult, Krankheiten bei den Tieren zu erkennen. Der Tierarzt kommt einmal im Monat auf die Ranch und schaut nach ihnen.«

»Ich bin beeindruckt.«

Verwirrt schaute Jesse seinem Gegenüber in die Augen. So viel Verständnis auf einmal von jemandem, der ihn vor ein paar Tagen am liebsten von dem Fleckchen Erde getilgt hätte das er sein Lang nannte, kam ihm dann doch seltsam vor.

»Ich dachte du hasst meinen Zoo?«

Des bisschen Misstrauens konnte er sich einfach nicht erwähren.

Devlin hingegen zuckte nur mit den Schultern.

»Ich sage ja auch nicht, dass ich vor Begeisterung platze, weil ich mit deinen Exoten Tür an Tür leben muss. Aber ich kann deine Entscheidung verstehen. Besonders nachdem ich die Handicaps seiner Schützlinge zu Gesicht bekommen habe. Ich vermute ein Bär mit einem verkrüppelten Vorderlauf würde wirklich nicht sehr gut in freier Wildbahn zureckt kommen. Ähnlich wie ein hilfloses Kind, dass ihm Großstadtdschungel zurecht kommen muss. Ein faszinierender Vergleich übrigens.«

Jesse hatte genau zugehört und schnaubte gereizt.

»Okay, Dr. Freud! Du denkst also, dass ich mich wie eines dieser Tiere sehe, weil ich eine schwere Kindheit hinter mir habe?« Am liebsten hätte er noch mit einer Spitze an seine Homosexualität erinnert, doch er ließ es, denn Jesse wollte keineswegs die zarte Freundschaft, die sich zwischen ihnen aufzubauen schien, mit einem dummen Kommentar belasten, oder vielleicht sogar zerstören. Vor allem nicht, weil Devlin darauf so empfindlich reagierte.

»Der Gedanke drängt sich einem doch auf«, verteidigte sich Devlin. Dabei entging ihm aber nicht der leichte Schatten, der über Jesses Gesicht gezogen war.

»Wenn ich mich recht erinnere, kamst du bei unserer ersten Begegnung tatsächlich zähnefletschend auf mich zu.« Er lachte und hoffte die Situation mit diesen Worten wieder ein bisschen aufgelockert zu haben.

»Nicht, dass ich nicht zum Kampf bereit gewesen wäre.«

»Du hast mich wirklich an einen brüllenden Löwen erinnert. Und ich bin es gewohnt Feuer mit Feuer zu bekämpfen«, antwortete Jesse keck, denn er selbst sah die Szene noch genau vor sich.

Devlin stellte seinen leeren Teller zur Seite und ließ sich neben Jesse auf das Sofa sinken. Absichtlich hatte er den Abstand nicht zu groß gewählt. Das hätte den anderen bestimmt nur wieder verletzt. Offen und ehrlich sah er Jesse an.

»Was hältst du davon, wenn wir unseren lausigen Start einfach vergessen? Ich bin bereit zu akzeptieren, dass du na ja… schwul bist. Und ich werde mich bemühen ein besserer Nachbar zu werden.« Deutlich war ihm anzusehen, dass es ihm gar nicht so leicht fiel, diese Worte hervor zu bringen. Devlin hatte sich selten bei jemandem entschuldigt. Auch aus dem Grund, weil es einfach nicht nötig gewesen und er fast immer im Recht gewesen war.

Dann bemerkte er, dass Jesse nervös schluckte und zog die Augenbrauen irritiert zusammen. Hatte er etwas falsch gemacht? Etwas falsches gesagt? Allmählich sickerte die ganze Situation jedoch in sein Hirn und Devlin erkannte, wie nah er bei Jesse saß. Ihre Oberschenkel berührten sich und da er sich dem anderen zugewandt hatte, war er ihm automatisch noch etwas näher gekommen. Der Raum schien sich um ihn zusammen zu ziehen, sodass es Devlin plötzlich schwer fiel, Luft zu holen.

Dieser Mann vor ihm, war so verdammt.. ja! Reizvoll! Diesmal ließ er es zu, dass sich so ein Gedanke in seinem Kopf festsetzte und einnistete. Das musste wohl daran liegen, dass er nicht in bester Verfassung war, denn irgendwie wurde er ihn nicht mehr los und an den Stellen wo sie sich berührten, begann es auf einmal leicht zu kribbeln, obwohl noch recht viel Stoff dazwischen war.

Devlin kapierte das nicht, doch er war nicht in der Lage seine Augen von dem feingeschnittenen Gesicht des Blondschopfes los zu reißen. Er kämpfte mit sich. Da war irgendwie so ein Drang in ihm, seine Hand über die samtige helle Haut gleiten zu lassen…

Es knisterte regelrecht zwischen ihnen und Jesses große Augen zogen ihn magisch an.
 


 

Tbc..
 

Ja, es wird so langsam.

Kritik und/oder Einschätzungen sind sehr erwünscht.. ^^

*Keksdose hinstell*
 

© by desertdevil

Katz und Maus von desertdevil
 

Soo.. ich glaub ich hab euch lange genug auf das nächste kapitel warten lassen. Es tut mir wirklich, wirklich ehrlich leid, aber irgendwie hab ich ununterbrochen null Zeit. Man bräuchte wie bei Harry Potter so ein komisches Ding, wo man in der Zeit zurückgehen könnte, um alles zu schaffen, was man sich vorgenommen hat.

Aber leider gibs sowas ja nicht.

Nun will ich euch nicht länger aufhalten. Viel Spaß beim lesen ^^

Ein weiteres Kapitel werd ich vor der nächsten Prüfung vielleicht noch schaffen, aber dann wirds wieder dauern...
 

Kapitel 6
 

Gespannt starrte Jesse in die dunklen Augen Devlins und konnte sich keinen Zentimeter rühren. Sein Nachbar war ihm auf einmal so nah. Die Berührung des kräftigen Oberschenkels an seinem ließ ihn noch nervöser werden, aber es breitete sich auch eine prickelnde Wärme in ihm aus.

Jesse kannte dieses Gefühl. Er war jedoch nicht in der Lage sich dagegen zu wehren.

Es überkam ihn einfach und er verspürte den innigen Wunsch sich an Devlins breite muskulöse Brust zu kuscheln. Jesses Blick war auf Devlins Mund gerichtet, der nicht mal mehr einen Meter von ihm entfernt war, da dieser sich zu ihm gebeugt hatte.

Devlin senkte kurz den Blick und sah Jesse dann wieder an.

Seine innere Stimme schrie, dass er sich sofort zurück ziehen sollte, doch er war so gefesselt von den grünen Tiefen, dass er sie kaum wahr nahm. Devlin konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte mal so ein Gefühl bei einem anderen Menschen verspürt hatte. Immer noch rang er mit sich, weil Jesse ein Mann war. Das war aber auch das einzige, was ihn gerade noch davon abhielt den anderen leidenschaftlich und wild zu küssen.

Die Spannung zwischen ihnen war kaum noch aus zu halten und Devlin fühlte sich immer mehr von Jesses Blick in den Bann gezogen. Die weichen Lippen des Blondschopfes bebten leicht und eine sanfte Röte hatte sich auf die ebenmäßigen Züge geschlichen.

Wahrscheinlich wusste Jesse selbst nicht mal wie anziehend er in diesem Moment wirkte!

Plötzlich fegte eine ohrenbetäubende Donnerwelle über die Ranch hinweg und Jesse zuckte stark zusammen. Der Blickkontakt zwischen ihnen löste sich und der Blondschopf konnte es gerade noch verhindern den Kopf nicht unter dem Sofakissen zu vergraben.

Gewitter waren etwas, was er mehr als hasste. Er hatte fast panische Angst davor, und das, seit er von seinen Pflegeeltern weggelaufen war und ein Blitz direkt in einen Baum neben ihn eingeschlagen hatte.

Dennoch versuchte Jesse sich zu beherrschen. Er wollte nicht noch mehr Schwäche vor Devlin zeigen. Das hatte er schon zur Genüge getan und wenn der andere nun auch noch mitbekam, wie sehr er sich vor Unwettern fürchtete, war das mehr als nur peinlich!

Devlins dunklen Augen entging nichts.

Einerseits war er erleichtert, denn die Spannung im Raum war mit einem Mal verflogen, andererseits beobachtete er verwundert die Reaktionen seines Nachbars. Auf einmal war Jesses Haltung völlig verkrampft und da Devlin nicht dumm war, zählte er ein und eins zusammen und war sich darüber im Klaren, was los war.

Ohne darüber nach zu denken, rückte er noch ein Stück näher an den Kleineren heran, legte einen Arm um die schmalen Schultern und zog Jesse sanft zu sich heran. Dabei bemerkte er wie sehr dieser zitterte und raunte beruhigende Worte.

»Was.. tust du..?«, kam es schwach von Jesse. Ihm war schon klar, was Devlin da tat, aber er wollte das nicht! Innerlich wünschte er sich nichts mehr, als in diesen starken Armen zu liegen und beruhigt ein zu schlafen. Doch das ging nicht! Devlin war sein Nachbar, wohlgemerkt nicht schwul und da konnte er es gar nicht gebrauchen sich in diesen zu verlieben, nur weil er ein bisschen nett zu ihm war.

Jesse fand ihn sowieso schon viel zu attraktiv und jede kleine Geste über dem Level der normalen Freundschaft, löste in Jesse Gefühle aus, die er momentan einfach nicht wollte. Zumal es sowieso keine Zukunft für sie beide gab. Aus, Ende, Basta!!

Bestimmt drückte er sich von Devlin ab und schüttelte den Kopf.

»Schon gut.. Ich komm schon klar. Ich glaube es ist besser, wenn du jetzt nach Hause gehst…«, sagte Jesse mit gesenktem Kopf. Es war ihm nicht möglich dem anderen dabei in die Augen zu schauen. Zu sehr schämte er sich, dass er Devlin einfach so rausschmiss, obwohl dieser nur versucht hatte nett zu ihm zu sein.

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Devlin rührte sich kein Stück, sodass Jesse schließlich doch hoch schaute.

»Ich werde die Nacht hier bei dir verbringen!«, informierte Devlin kurz und grinste leicht, weil Jesses Augen fast so groß wurden wie Untertassen.

»Das halte ich für keine gute Idee..«, wehrte Jesse ab, als er sich wieder gefangen hatte. Sein Herz schlug plötzlich Stakkato und er bekam regelrecht Panik. Nicht so, wie vor dem Gewitter, aber trotzdem war es genug um ihn wieder richtig nervös werden zu lassen.

»Wir beide kennen uns kaum eine Woche und vertragen haben wir uns erst vor ein paar Stunden. Außerdem…« Jesse biss sich auf die Zunge und schwieg.

Außerdem war er schwul und Devlin mochte keine Schwulen. Zwar hatte er sich für sein Verhalten entschuldigt, aber Jesse erinnerte sich noch ganz genau an diesen Moment und wollte nichts mehr riskieren. Und auf Almosen konnte er gut und gerne verzichten!

Trotz des schlechten Lichtes war es Devlin möglich die Emotionen auf Jesses Gesicht ab zu lesen. Der Kleinere war wie ein offenes Buch und er seufzte leise.

»Also hör mal…«, begann er ruhig. »Ich glaube nicht, dass du etwas tun wirst, was ich nicht will«, erklärte er und erinnerte sich im gleichen Moment daran, dass sein Bruder vorhin etwas ähnliches gesagt hatte..

»Da bin ich mir ganz sicher. Außerdem bist du verletzt, woran ich nicht ganz unschuldig bin. Ich werde heute Nacht hier bleiben und aufpassen, dass nichts passiert. Das letzte was du jetzt noch brauchen kannst, ist im Dunkeln hinzufallen.«

Erneut herrschte Schweigen, bis Jesse ergeben seufzte und nickte, weil er merkte, dass Devlin sich sowieso nicht überzeugen lassen würde.

»Okay… «, stimmte er zu und schloss die Augen, den Kopf ans Sofa gelehnt. Viel Kraft zum Wiedersprechen hatte er eh nicht und Devlin tat sowieso was er sich in den Kopf gesetzt hatte, so wie er den anderen kannte.

»Kann ich mal dein Telefon haben?«, fragte Devlin überraschend und Jesse sah ihn irritiert an, da er im ersten Moment gar nicht realisierte, was sein Nachbar gefragt hatte.

»Öhm.. ja, klar.. Es liegt gleich auf dem Couchtisch.«

Jedenfalls hatte er es dort hingelegt, nachdem Abbey ihn angerufen hatte. Jesse hörte, wie sein Gegenüber eine Nummer ins Handy tippte. Es interessierte ihn zwar, wen Devlin anrief, doch er blieb ruhig und wartete.

»Hi Dray.. Ich bins noch mal..«, begrüßte Devlin seinen Bruder, als dieser sich auf seinem Handy meldete. Erneut schien dieser nicht besonders erfreut über seinen Anruf zu sein.

»Was gibt es denn nun schon wieder?« Dray klang eindeutig genervt.

Devlin musste grinsen. Wie es aussah, ließ sein Bruder sich heute so richtig von seiner Freundin verwöhnen.

»Ist das ein Beispiel deines sprichwörtlichen Taktgefühls, Bruderherz?«, spottete Devlin und erntete ein abfälliges Schnauben.

»Geh zur Hölle! Was willst du eigentlich von mir?!«

»Ich bin wieder bei unserem Nachbarn und werde hier übernachten, um Krankenschwester zu spielen.«

»Dann habt ihr also eure Fehde beendet?«, fragte Dray hoffnungsvoll und um Devlins Mundwinkel spielte ein kleines Lächeln.

»So gut wie. Inzwischen können wir uns sogar unterhalten, ohne uns anzuschreien«, berichtete Devlin und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, wobei er den Kopf entspannt zurück lehnte.

»Das ist ja ein richtiger Fortschritt, Bruder. Freut mich zu hören. Aber sag mal… Ist das alles, was bei euch im Dunkeln vor sich geht? Ich empfange gerade ein paar sehr seltsame Schwingungen?«

Bei diesen Worten verzog Devlin das Gesicht und ein flüchtiger Blick streifte Jesse, der mit geschlossenen Augen am Sofa lehnte. Die weichen Lippen waren ein wenig geöffnet und schimmerten feucht im schwachen Schein der Kerzen. Die hellen Locken umrahmten das feine Gesicht und verliehen dem jungen Mann eine mysteriöse Aura. Devlin schüttelte den Kopf und wünschte sich wirklich, dass die telepathische Verbindung zwischen ihm und seinem Zwillingsbruder nicht so eng wäre. Denn Tatsache war, dass er Jesse überaus attraktiv fand, aber das musste sein Bruder ja nicht wissen! Und Jesse schon gleich gar nicht.

»Ich werde morgen wieder zu Hause sein«, informierte er Dray knapp, ohne auf die vorherige Frage einzugehen und beendete schließlich das Gespräch. Dann machte er das Handy aus und stand auf.

Zögerlich sah er auf Jesse hinunter, der immer noch so ruhig dalag. Konnte es sein, dass er eingeschlafen war? Sanft berührte Devlin ihn an der Schulter.

»Hey…«, flüsterte er und versuchte den Kleineren vorsichtig zu wecken. Kurz flatterten Jesses Lider, bevor der anderen ihn blinzelnd ansah.

»Was denn los.. ?«, nuschelte Jesse und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Die Geste wirkte so unbeholfen und kindlich, dass Devlin wieder den Drang verspürte den Blondschopf in die Arme zu nehmen und ihn zu beschützen. Aber er beherrschte sich und meinte stattdessen: »Ich schlage vor, dass du in deinem Gästezimmer hier unten schläfst, Jess. Musst du noch mal ins Bad, bevor ich dich ins Bett bringe?«

Die Dunkelheit konnte seine Verlegenheit nicht ganz kaschieren, aber Jesse machte keine Anstalten sich zu wehren, als Devlin ihn auf die Arme nahm und durch die Diele trug. Vielmehr entspannte er sich noch mehr, kuschelte sich schläfrig an die breite Brust und war beinahe schon wieder eingeschlafen, als sie im Bad ankamen.

»Vielleicht hätte ich dich wirklich erst nach einer Taschenlampe fragen sollen«, brummte Devlin und tappte vorsichtig durch die Diele. Umsichtig manövrierte er Jesse ins Badezimmer, ohne das er mit seinem Knöchel gegen den Türrahmen stieß, und setzte ihn dann behutsam ab.

»In der Kammer gleich links, wenn du die Treppe hoch gehst müsste eine sein..«, informierte Jesse und vermisste jetzt schon die angenehme Wärme, die von Devlins kräftigen Körper ausging.

»Bin sofort wieder da!«

Und dann war sein Nachbar auch schon verschwunden. Seufzend sah Jesse ihm hinterher und setzte sich auf den Rand seiner Badewanne, weil es zu anstrengend war so lange auf einem Bein zu stehen. Er fühlte sich gerade überhaupt nicht gut. Sein Kopf war schwer und es pochte unaufhörlich hinter seinen Schläfen. Der Tag war wirklich total mies gewesen. Einzig und allein positiv war, dass er sich nun einigermaßen mit seinem Nachbarn verstand. Auch wenn dieser sich nur aus Schuldgefühlen um ihn kümmerte. Abermals seufzte Jesse, rang sich dann zum Zähneputzen durch und erleichterte sich, bevor Devlin zurück kam.

Unterdessen strebte Devlin die Treppe hoch. Während er vorsichtig eine Stufe nach der anderen nahm, hörte er den Regen heftig gegen die Fenster prasseln. Beim nächsten Blitz, der den Gang hell erleuchtete orientierte er sich und öffnete die Tür zu der Kammer. Noch einmal wartete er auf einen Blitz, um wenigstens etwas erkennen zu können. Mit einem schnellen Blick maß er den Raum. Für eine Kammer war dieser ziemlich groß. Es hingen sogar Bilder im ländlichen Stil an den Wänden, die dicht von einem Regal gesäumt wurden.

Schließlich entdeckte er das Gesuchte in einem der Regale. Die Taschenlampe in der Hand, eilte er wieder die Treppe hinunter, um Jesse ins Bett zu bringen.

»Ich komme jetzt rein, egal ob du fertig bist oder nicht«, sagte er bevor er das Badezimmer betrat. Es war schon ganz schön verwegen von ihm einfach so herein zu platzen, aber was hatte Jesse schon groß zu verstecken? Außer das er schwul war, bestand kein Unterschied zwischen ihnen!

Jesse stand gegen das Waschbecken gelehnt, den linken Fuß angezogen. Sein Gesicht war kalkweiß. Ein Blick genügte, um Devlin klar zu machen, dass die Schmerzen ihn fast umbrachten. Schnell ging er auf Jesse zu und schlang einen Arm um dessen schmale Taille, um ihn zu stützen, damit er nicht hinfiel.

»Hast du was gegen die Schmerzen genommen?«

Er nickte und die goldenen Locken tanzten um sein aschfahles Gesicht.

»Ja, aber es dauert noch ein wenig, bis die Tabletten wirken.«

Sogar Jesses Stimme hörte sich schwach an und Devlin machte sich wieder einmal Vorwürfe. Wenn er bloß nicht so ein Idiot gewesen wäre. Nur leider konnte er jetzt nichts mehr daran ändern. Nur seine Hilfe konnte er dem anderen anbieten und das wollte er so gut wie möglich tun, denn es tat ihm unendlich leid.

»Ich werde dir noch einen Eisbeutel machen, wenn ich dich erst mal bequem untergebracht habe.« Er nahm Jesse erneut vorsichtig auf die Arme und trug ihn in Gästezimmer.

»Morgen besorge ich dir Krücken in der Stadt und du machst mir eine Liste mit allen Sachen, die du brauchst.«

Sanft wurde Jesse auf dem Bett abgesetzt und kaum dass er lag, überwältigte ihn die Müdigkeit wieder. Jetzt kämpfte er jedoch kurz dagegen an, griff nach Devlins Hand, während dieser den Quilt um ihn herum feststeckte.

»Devlin?«

»Ja?«

»Ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe und Fürsorge, aber weißt du, ich bin einfach nicht geübt darin, mich zu bedanken. Deshalb sage ich es dir vielleicht nicht oft genug… «

Es fühlte sich schön an jemanden um sich zu haben, der sich Sorgen machte und Jesse gestattete es sich, das für den Augenblick zu genießen. Sie würden früh genug wieder auf Abstand gehen und vielleicht war das alles nur ein Traum, dass Devlin sich um ihn kümmerte, dachte Jesse, während er nun doch allmählich wegdämmerte.

Devlin merkte das natürlich und strich Jesse in einer spontan sanften Geste über die Wange. »Du machst das sehr gut, Jess«, flüsterte er und zog sich schließlich zurück.

Es fiel ihm schwer das Gästezimmer zu verlassen. Irgendetwas schien ihn zurück ziehen zu wollen an Jesses Seite. Devlin spürte das nicht das erste Mal. Immer wenn er den jungen Mann ansah, kribbelte es in seiner Magengegend. Das war bei ihrer ersten Konfrontation auch so gewesen, doch da hatte er es auf den Streit geschoben. Auch die Spannung, die da zwischen ihnen geknistert hatte.
 

Jesse wurde noch die ganze nächste Woche von Devlin umsorgt und es entwickelte sich allmählich ein zartes Band der Freundschaft zwischen ihnen. Wann immer Jesse irgendwas brauchte, war der Cowboy zur Stelle. Er kümmerte sich sogar weiterhin um die Fütterung der Tiere, reinigte die Käfige und Gehege, obwohl er sich darüber beschwerte, dass das dumme Lama ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit anspuckte.

Es war Jesse beinahe schon peinlich, dass er den anderen so in Anspruch nahm. Schließlich hatte Devlin selbst einen Haufen Tiere um die er sich ebenfalls kümmern musste.

Am peinlichsten war ihm jedoch, dass Devlin, wann immer er Jesse auf seinen Krücken humpelnd vorfand, ihn auf die Arme hob und ihn hintrug wo er wollte. Jesse brauchte nur ein Wort zu sagen, was er natürlich nie freiwillig tat.

Aber es tat so unglaublich gut von diesen starken Armen umfangen zu werden, dass der Blondschopf mehr als einmal ins Träumen geriet. Glücklicherweise merkte Devlin das nie und Jesse fing sich immer wieder relativ schnell.

Bei all der Arbeit erschien Devlin regelmäßig Abends zum Kochen und wenn er es nicht rechtzeitig schaffte, erschien er mit köstlichen warmen Speisen, die er in dem neuen kleinen Restaurant im Ort besorgt hatte. Er las Jesse praktisch fast jeden Wunsch von den Augen ab und der Blondschopf war förmlich überwältigt von Devlins Hilfsbereitschaft.

Seit ihm Abbey auch noch einen Berg Akten aus dem Büro angeschleppt hatte, brauchte Jesse nicht einmal mehr Angst haben, dass seine Arbeit zu kurz kam. Mit seinen beiden fantastischen Helfern fühlte Jesse sich fast wunschlos glücklich. Er wunderte sich selbst, wie schnell er sich daran gewöhnt hatte so umsorgt zu werden.

Des Öfteren wünschte er sich insgeheim mehr von Devlins Nähe. Doch das waren Wünsche die eh nie in Erfüllung gehen würden, dachte Jesse ein wenig betrübt. Jedenfalls schwor er sich, dass nicht er es sein würde, der die Initiative ergriff. Er wollte einfach nicht die freundschaftliche Beziehung zerstören, die sie so mühsam aufgebaut hatten. Zumindest schien Devlin nun zu akzeptieren, dass er schwul war und ging ganz normal mit ihm um. Das war mehr, als Jesse sich zum Anfang je hatte träumen lassen. Vor allem nach der Nacht seines Geständnisses.

Leise seufzte der Blonde, wandte die Aufmerksamkeit wieder auf seine Akten und versuchte nicht an diesen temperamentvollen, sexy Cowboy zu denken, was ihm ganz schön schwer fiel. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab und als die Hauptperson seiner Träumereien nach einem langen Arbeitstag mit einem warmen Essen aus dem kleinen Restaurant auftauchte, hatte Jesse nicht sonderlich viel geschafft.

Ein wenig resigniert schob er den Labtop beiseite. Er wollte nachher noch ein zwei Stunden weiter machen. Ein Fall musste unbedingt abgeschlossen werden und fünf weitere drängten sich schon in der Warteschleife.

Das würde ein langes Wochenende werden, wenn er weiterhin so langsam voran kam. Sie verzehrten das köstliche Roastbeef, die gebackenen Kartoffeln und den knackigen Salat in einträchtigem Schweigen. Nebenbei schauten sie sich die Nachrichten im Fernsehen an, und dann verschwand Devlin wie jeden Abend in der vergangenen Woche in der Küche, um das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine zu stellen.

»Ich werde morgen für ein paar Tage verreisen«, rief er Jesse aus der Küche zu. »Wenn du Hilfe brauchst, ruf deine Sekretärin an. Sie wird sicherlich Himmel und Hölle in Bewegung setzten um dir zu bringen, was immer du brauchst. «

Jesse saß wie erstarrt auf der Couch und brachte kein Wort heraus, als er die Worte vernahm. Warum hatte Devlin ihm das nicht beim Abendessen gesagt? Dann hätte Jesse sich nicht so überrumpelt gefühlt. Als Devlin sich zum Gehen bereit machte, fühlte der Blondschopf sich plötzlich schrecklich deprimiert. Es kam kein nettes Wort, kein Abschiedsgruß, kein gar nichts.

»Schon deinen Fuß so viel wie möglich«, ermahnte ihn Devlin, als er die Haustür öffnete.

»Pass auf dich auf, Blondie.«

Dann war Devlin verschwunden. Einfach so!

Jesse starrte auf die geschlossene Tür und fühlte, wie sich eine seltsame Stille über das Haus senkte. Komisch – es hatte ihm doch bisher nie etwas ausgemacht alleine zu sein. Und nun stieg die Einsamkeit wie eine dicke graue Wand vor ihm auf.

Betrübt senkte Jesse den Kopf und starrte nichtssagend auf den Papierstapel vor sich, den er zu sich heran gezogen hatte. Vielleicht hatte Devlin ja doch nur aus Schuldbewusstsein gehandelt, was ihn anging. Und wahrscheinlich hatte er nun das Gefühl, seine Schuld bezahlt zu haben, sehnte sich danach, wieder sein gewohntes Leben fortzuführen. Oder er hatte eine Frau gefunden, mit der er seine freie Zeit lieber verbrachte…

Allein der Gedanke daran, dass letzteres eingetreten war, versetzte dem Blondschopf einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen und er seufzte schwer. Auch wenn der andere sich diese Woche aufopferungsvoll um ihn gekümmert hatte, hieß das noch lange nichts. Devlin war ein Mann und fühlte sich von ihm anscheinend immer noch abgestoßen, selbst wenn er es nicht so offensichtlich gezeigt hatte. Es war eben nicht zu ändern. Jesse fasste sich wieder und versuchte jegliche Gedanken an den attraktiven Cowboy aus seinem Kopf zu verbannen, was ihm jedoch mehr schlecht als recht gelang.

Sein Fuß schmerzte höllisch, und sein Herz raste, als Jesse sich auf sein Ledersofa warf. Es war alles sein Fehler, wie immer. Er hätte Devlin nicht so nah an sich heran lassen sollen, schließlich war ihm vorher klar gewesen, dass es zu nichts führen würde.

Jesse stöhnte frustriert auf und legte vorsichtig seinen Fuß hoch, der in allen Schattierungen von Blau, Schwarz und Violett leuchtete, und erinnerte sich dabei an Devlins Mahnung immer einen Eisbeutel auf den Knöchel zu legen. Dort mochte das vielleicht helfen, aber was sein Herz anging, das er schon fast vom ersten Augenblick an den Cowboy verloren hatte, würden auch hunderte von diesen verdammten Eisbeuteln keine Wirkung zeigen, dachte Jesse niedergeschlagen und verfluchte sich innerlich dafür sich immer in die falschen Männer zu verlieben.
 

Tbc…
 

© by desertdevil

Katz und Maus
 

Kapitel 7
 


 

»Ich weiß wirklich nicht, warum ich dich auf dieser verdammten Tour begleiten muss«, beschwerte sich Devlin schon zum zehnten Mal, während er auf den Beifahrersitz von Drays Pick-up glitt.

»Hat Sunny dir schon so sehr das Gehirn vernebelt, dass du den Weg nach Tulsa allein nicht mehr finden kannst?«

Dray machte ein mürrisches Gesicht und knurrte genervt: »Ich habe dich um nichts weiter als einen Gefallen gebeten – deine brüderliche Gesellschaft auf einer langen Reise. Und was machst du? Du jammerst nur rum!«, beschwerte er sich und warf seinem Bruder noch einen abschätzenden Blick zu.

»Ich jammere nicht, ich schäume!«, zischte Devlin. Ausgerechnet jetzt musste sein Bruder ihm diese geheimnisvolle Reise aufzwingen. Gerade verstand er sich mit Jesse einigermaßen gut und da waren diese seltsamen Gefühle, die er immer verspürte, wenn er den anderen auch nur ansah. Die ganze Woche über waren sie jedes Mal da gewesen, hatten sich noch verstärkt, wenn der junge Mann ihn dankbar angelächelt hatte, oder wenn Jesses Augen gestrahlt hatten, als er ihm etwas selbstgekochtes serviert hatte. Jede kleine Berührung, egal ob bewusst oder unbewusst hinterließ ein vielversprechendes Kribbeln auf seiner Haut und Devlin war gerade dabei diese Dinge näher zu erforschen, vor allem diese starke Anziehungskraft, die er immer in Jesses Nähe verspürte. Sogar fast noch mehr, wenn er nicht bei dem Kleineren war. Deswegen war er nur noch gereizter, was seinen Bruder anging.

Und wozu machte dieser so ein riesiges Geheimnis um diese Reise?

Zwei Kilometer weiter hielt Devlin die Spannung nicht mehr aus.

»Was ist mit dir los, Dray? Wenn ich schon diesen Trip mit dir unternehmen muss, dann will ich wenigstens wissen warum!«

Dray krampfte seine Finger ums Lenkrad und blickte starr geradeaus.

»Es ist etwas persönliches«, erwiderte er ausweichend.

»Und warum, zur Hölle, muss ich dich dann begleiten?« Ein alarmierender Gedanke schoss Devlin durch den Kopf. »Du bist doch nicht etwas krank, Dray?« Diese Erkenntnis traf ihn mit der Wucht eines Güterzuges. Sein Bruder und er mochten des Öfteren aneinander geraten und nicht immer einer Meinung sein, aber bei der Vorstellung eines leidenden Drays wurde ihm schlecht.

»Nein, ich bin nicht krank«, beruhigte ihn Dray und war ihm einen schnellen Seitenblick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtete. Erleichtert seufzte Devlin auf.

»Das freut mich zu hören, Bruder. Also was ich diese persönliche, geheimnisvolle Angelegenheit, die uns durchs ganze Land treibt denn nun?«

»Es gibt etwas, über das ich mit dir ganz in Ruhe reden muss«, informierte ihn Dray und Devlin verdrehte die Augen, weil der andere immer noch nicht mit dem Geheimnis rausrückte. »Und deshalb fahren wir nach Tulsa? Komm schon, Dray, du willst mich wohl auf den Arm nehmen. Du weißt, ich bin nicht besonders geduldig.«

»Tja.. es gibt da Neuigkeiten…«

»Verdammt noch mal, Dray!«

»Okay, okay…«, setzte Dray an, den Blick immer noch auf die Straße geheftet.

»Also ich habe vor Sunny zu fragen, ob sie mich heiraten will. Du sollst mir helfen, einen Verlobungsring in einer anderen Stadt als Buzzards Grove auszusuchen. Ich will nämlich nicht, dass die Neuigkeit Sunny zu Ohren kommt, ehe ich ihr überhaupt den Antrag gemacht habe. Außerdem will ich auch nicht, dass irgendjemand über den Grund dieser Reise bescheid weiß, falls die Dinge nicht so laufen wie erwartet.«

Mit aufgerissenen Augen starrte Devlin sein Ebenbild an und brach dann in dröhnendes Gelächter aus.

»Das ist nicht witzig!«, beschwerte sich Dray und verzog ärgerlich das Gesicht.

»Oh Mann, das ist es auf jeden Fall«, brachte sein Bruder keuchend hervor.

»Du hast dich die ganze Woche aufgeführt, als hättest du dein Vermögen, oder deinen besten Freund verloren.«

Devlin schüttelte den Kopf und wurde wieder von einem Lachkrampf erfasst.

»Amors Pfeil hat dich also mitten ins herz getroffen! Na, wer hätte das gedacht!«, witzelte Devlin in süffisantem Tonfall und lachte erneut vor sich hin, was Dray ein grummeliges Augenrollen entlockte.

»Ich frage mich, wie ich von dir überhaupt Mitgefühl und moralische Unterstützung erwarten konnte«, sagte Dray scharf, während sich seine Hände fester um das Lenkrad schlossen.

»He, ich kann sehr mitfühlend und hilfreich sein«, protestierte Devlin immer noch lachend. »So ist es in Ordnung«, empörte sich Dray. »Ich sterbe fast vor Angst und dir fällt nichts besseres ein, als mich auszulachen! Na schönen Dank auch! Aber immerhin betrifft es dich ja auch, wenn Sunny zu uns zieht. Wir werden einige Veränderungen auf der Ranch vornehmen müssen.«

»Wahrscheinlich wirst du dann auch nicht mehr wollen, dass ich in meiner Unterwäsche herum laufe, wann immer mir danach ist, oder?«, fragte Devlin immer noch breit grinsend. »Aber was solls?« Er zuckte unschuldig mit den Schultern. »Sunny würde den Unterschied wahrscheinlich sowieso nicht merken.«

Dieser Kommentar brachte Devlin einen mehr als vernichtenden Blick seines Bruders ein.

»Das ist NICHT witzig!!«

»Ach nein?«, fragte Devlin herausfordernd.

»Nein!« Drays Augen verdunkelten sich plötzlich vor unterdrücktem Ärger.

»Wir haben eine ganz klare Vereinbarung, was diese Dinge betrifft, falls du dich erinnerst«, sagte er dann tonlos, aber da Devlin seinen Bruder eigentlich mit allen seinen Ecken und Kanten kannte, hörte er deutlich den warnenden Unterton heraus.

»Okay, Sunny und du, ihr könnt ja Moms und Dads Zimmer mit dem Privatbad nehmen«, meinte Devlin versöhnlich gestimmt. »Ich werde mich in meine eigenen Gemächer zurück ziehen. Problem gelöst?«

Amüsiert betrachtete er Dray, der auf seinem Sitz herum rutschte, als hätte er Ameisen in der Hose.

»Da gibt es noch ein Problem«, brachte dieser dann zögernd hervor und Devlin verdrehte unmerklich die Augen, runzelte dann die Stirn und überlegte, wann er seinen smarten, selbstsicheren Bruder das letzte Mal so nervös und unsicher erlebt hatte. Es fiel ihm nicht ein.

»Na? Was denn nun?«, forschte er ungeduldig nach, als von Dray kein weiteres Wort der Erklärung kam.

Dieser stieß geräuschvoll den angehaltenen Atem aus.

»Was ist, wenn sie Nein sagt?«

Aha. Das erklärte natürlich alles, dachte Devlin. Sein Bruder hatte offensichtlich Angst vor einer eventuellen Zurückweisung. Der Gedanke schien ihn wirklich zu quälen.

»Gibt es denn einen vernünftigen Grund anzunehmen, dass Sunny deinen Antrag ablehnen könnte?«, erkundigte er sich ruhig und sah seinen Bruder von der Seite her abwartend an. Dann streckte er jedoch hastig seinen Arm aus, als er flüchtig das Schild bemerkte, wo sie abbiegen mussten. »Hey, Dray! Verpass dich Ausfahrt nicht«, rief er schnell. »Es sei denn du willst in Oklahoma City landen…«

Seine Worte wurden unterbrochen und Devlin hielt kurz den Atem an, als Dray mit quietschenden Reifen in die Kurve ging.

»Ich war eben noch nie richtig verliebt!«, verteidigte sich Dray grummelnd. »Verknallt ja, einige Male sogar. Aber Liebe? Ich bin ein Nichts gegen diese Frau. Ich habe Angst, dass mich der nächste Schritt in ihre Richtung ausknocken könnte. Sunny sagt, dass sie mich auch liebt, aber was ist, wenn ihre Liebe nicht so tief ist wie meine?« Dray seufzte, bevor er weiter sprach und Devlin ließ ihn ausreden.

»Ich weiß, dass ich Besitz ergreifend und eifersüchtig reagiere, wenn irgendwelche Kerle sie im Restaurant, im Laden oder auf der Straße ansprechen… Was ist, wenn eine Ehe zwischen uns gar nicht funktionieren kann? Was ist, wenn…«

Beschwörend hob Devlin nun doch eine Hand, denn es wurde ihm mit den absurden Bedenken seines Bruders, die immer schwachsinniger wurden einfach zu viel.

»Mann! Nun mach mal eine Pause! Willst du diese Frau nur heiraten, um der gesamten Männerwelt in Buzzards Grove eins auszuwischen?«

»Nein, aber…«

»Oder weil sie so unglaublich attraktiv ist?«

»Zum Teil, vielleicht. Wäre das so schlimm?«, fragte Dray ernsthaft.

»Nein. Das mag zwar dein erster Gedanke gewesen sein, aber wenn es dir nur um Sex ginge, dann müsstest du ihr nicht unbedingt gleich einen Diamanten kaufen. Wenn du sie aber keine Sekunde des Tages aus deinen Gedanken verbannen kannst, wenn du jede freie Minute mir ihr verbringen möchtest, wenn ihr die gleichen Ideale und Träume habt und wenn du den Rest deines Lebens mit ihr gemeinsam verbringen willst, dann solltest du dringend mir ihr reden.«

Dray bog um die nächste Kurve und schaute flüchtig zu seinem Bruder.

»Seit wann bist du so tiefschürfend, Mann?«

Devlin grinste.

»Ich war schon immer der gefühlvollere von uns beiden, mein Lieber. Mir wurde schon das Herz gebrochen und ich hatte Zeit genug darüber nachzudenken, was in dieser Beziehung schief gelaufen ist. Mein Problem war – ich war verrückt nach dieser Frau, aber für sie war ich von Anfang an nur ein Zeitvertreib, bis ihr ein dicker Fisch ins Netz gehen würde.«

Forschend schaute er zu seinem Bruder rüber, sah ihn ernst an.

»Bist du Sunnys dicker Fisch, oder nur der Köder?«

Eine Weile verharrte Dray in nachdenklichem Schweigen.

»Keines von beidem«, sagte er schließlich entschlossen und Devlin lachte.

»Ding-Dong! Gratuliere, das war die richtige Antwort, denn das heißt, dass du nicht ausgenutzt wirst. So schwer es mir fällt das zu glauben, aber es scheint, dass Sunny dich einfach um deiner selbst willen liebt, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was sie an einem großspurigen, dumpfbackigen Cowboy wie dir findet.«

Die wenig schmeichelhafte Bemerkung hellte umgehend Drays Stimmung auf. Er lächelte gutmütig und saß endlich nicht mehr steif wie ein Roboter hinter dem Steuer.

»Naja.. aber glücklicherweise verfüge ich über ausreichend andere gute Qualitäten, die die Mängel, die du angeblich an mir findest ausgleichen«, behauptete er und war plötzlich ganz gut gelaunt.

»Ach, tatsächlich?«, hakte Devlin amüsiert nach. »Nenn mir drei«, ließ Devlin sich auf das kleine Spiel ein und wartete geduldig.

»Ich bin aufrichtig, arbeite schwer, bin zuverlässig, anständig – das sind schon vier positive Eigenschaften. Ich kann noch weiter…«

»Und weiter, und weiter…«, unterbrach Devlin seinen Bruder. »Also bist du dir Sunnys Zuneigung sicher, und sie kann sich deiner sicher sein. Dann mach dich ran, Bruderherz. Kauf den Ring und leg ihr dein Herz zu Füßen.«

Drays Stimmung wechselte schlagartig wieder. Sein Mund wurde wieder zu einer schmalen Linie. »Aber was mache ich, wenn sei Nein sagt?«, begann er mit seinen alten Zweifeln und Devlin wurde es allmählich zu bunt. Er hatte es satt, dass Dray so überhaupt nicht von sich und dieser Sache überzeugt war.

»Dann ist sie einen dumme Pute und du solltest dich damit abfinden. Ich spreche aus Erfahrung – es war nicht gerade ein Picknick, aber ich habe es überlebt. Und du wirst es auch überleben. Irgendwann kommt die Richtige, wobei ich ja nach diesem langen Gespräch ziemlich zuversichtlich bin, dass Sunny die Richtige für DICH ist«, meinte er überzeugter, als sein Bruder sich bisher seit der Fahrt gezeigt hatte.

»Oh ja, ich habe gesehen, wie du überlebt hast«, entgegnete Dray schnaubend. »In den ersten zwei Monaten musste ich ständig Angst haben, dass du mir den Kopf abreißt, wenn ich dir auch nur über den Weg gelaufen bin. Und dann folgten Jahre tiefster Depression! Wenn das meine Zukunftsaussichten sein sollen – na vielen Dank auch! Da spiele ich nicht mit.«

»Ich weiß gar nicht was du hast. Ich habe mich wieder vollständig erholt«, sagte Devlin und zwang sich zu einem überzeugenden Lächeln.

»Wow! Das ist natürlich überwältigend. Es hat dich ja auch nur sieben Jahre gekostet, dich von den Wunden, die dir diese Hexe zugefügt hat, zu erholen.«

»Hier geht es nicht um mich, sondern um dich und Sunny«, erklärte Devlin bestimmt und versuchte seinen attraktiven Nachbarn, der sich irgendwie in seinen Kopf geschlichen hatte zu verdrängen. Wieso Jesse gerade jetzt in seinen Gedanken umher geisterte, konnte er sich nicht erklären. Aber Devlin musste zugeben, seit der Begegnung mit seinem Nachbarn, war er auch von den letzten schmerzlichen Erinnerungen an damals geheilt. Sollte das vielleicht doch etwas bedeuten, oder bildete er sich das nur ein?

Entschlossen verbannte er diese Gedanken in die letzte Ecke seines Kopfes und konzentrierte sich wieder auf seinen Bruder.

»Sie sieht mir nicht so aus wie ein Mädchen, das nichts anderes im Kopf hat als Geld. Sie hat sicher nicht so unvernünftige Vorstellungen und Wünsche wie meine Ex. Aber da du ja immer darauf bestehst, älter, klüger und gewitzter zu sein als ich, wirst du dir das alles schon längst selbst gesagt haben. Und welche Frau, die nur annähernd bei Verstand ist, würde dich nicht nehmen wollen? Du kannst fantastisch kochen, machst deine Wäsche selber und bist ein erfolgreicher Rancher, selbst in diesen harten Zeiten. Wenn du dich als Kandidat für die Wahl des besten zukünftigen Ehemannes des Jahres aufstellen lassen würdest – meine Stimme wäre dir sicher!«

»Danke, Dev. Wenn ich es wirklich schaffe, die Sache durchzuziehen, bist du dann auch damit einverstanden, mit Sunny und mir auf der Ranch zu leben? Und wird es dir nichts ausmachen, wenn wir uns mal für längere Zeit in unser Schlafzimmer zurück ziehen?«

»Nun, ich will nicht so weit gehen, dir auf den letzten Punkt zu antworten, aber ich mag Sunny wirklich gern – sehr gern sogar.«

Daraufhin runzelte Dray skeptisch die Stirn und Devlin musste lachen. »Als potentielle Schwägerin natürlich«, beruhigte er seinen Bruder sofort, musste aber trotzdem noch über Dray schmunzeln.

»Ich werde doch nicht unseren Vertrag aus der fünften Klasse vergessen, in dem wir festgelegt haben, dass wir uns nie um die gleiche Frau bemühen werden. Ich habe kein Problem damit, mit dir und deiner Frau zusammen zu leben. Wenn du mich aber lieber raus haben willst…«

»Zur Hölle, Dev! Darauf würde ich niemals einen Gedanken verschwenden. Das ist unser gemeinsames zu Hause.« Er verstummte und Devlin betrachtete mit Befremdung den ernsten Ausdruck in den dunklen Augen seines Bruders.

»Ich bin wirklich verrückt vor Liebe, Dev. Ich kann an nichts anderes mehr denken, als daran, dass ich sie liebe. Ich liebe die Art, wie sie mich anschaut, ich liebe ihr Lachen, ihren Optimismus, ihre klugen Bemerkungen, ihre Arbeitsmoral… ich liebe sie einfach!«

Oje… es hatte Dray wirklich schwer erwischt, diagnostizierte Devlin, während er das blasse Gesicht seines Bruders mit wachsender Sorge betrachtete.

»Okay, dann lass uns endlich den Ring besorgen«, meinte er betont forsch.

»He, pass auf! Da ist unsere Ausfahrt, du Träumer! Jetzt reiß dich mal zusammen!!«

Während Dray gerade noch die Kurve kriegte, schüttelte Devlin bestürzt den Kopf. Jede Fahrt mit seinem Bruder würde eine unzumutbare Belastung für seine Nerven bedeuten, bis endlich der Verlobungsring an Sunnys Finger steckte. Aus diesem Grunde schwor er sich, nie wieder in Drays Pick-up einzusteigen, bis er definitiv verheiratet war.

Zudem wäre er im Moment ohnehin lieber ganz woanders. Er hatte sich bereits daran gewöhnt, ziemlich viel in Jesses Nähe zu sein und ihm zur Seite zu stehen, wenn der andere irgendetwas brauchte. Wenn er ehrlich wahr, vermisste er den jungen Mann sogar ein bisschen. Innerlich baute sich in ihm jedoch allmählich ein Konflikt auf.

Verdammt! Jesse war ein Mann!! Auch wenn er noch so niedlich aussah… Nein! Das hatte er doch nicht eben wirklich gedacht? Devlin seufzte auf, lehnte den Kopf zurück an das Polster des Sitzes und starrte gegen die Decke des Wagens.

Aber da stand leider auch nicht die Lösung dieses Problems.

Fakt war, dass er den anderen Mann in der kurzen Zeit mögen gelernt hatte. Er war sehr gerne mit ihm zusammen und jetzt fühlte er sich, als hätte er ihn im Stich gelassen. Außerdem sehnte er sich insgeheim nach Jesses Nähe, war Devlin ehrlich zu sich. Aber das hieß ja noch lange nicht, dass er wirklich etwas von dem anderen wollte, oder? Immerhin stand er auf Frauen. Die Richtige hatte er zwar noch nicht gefunden, aber besonders eilig hatte er es damit auch nicht unbedingt.
 

»Alles in Ordnung, Boss?«

Verwirrt hob Jesse den Kopf und sah Abbey in einem leuchtend gelben Kleid, das ihre hübsche Figur betonte, vor seinem Schreibtisch stehen.

»Geht es Ihnen gut?«, forschte seine Sekretärin und Jesse riss sich zusammen. Er setzte sein schönstes Lächeln auf, bevor er antwortete.

»Es ist alles bestens.«

»Und warum bekommen Sie dann die Steuererklärung nicht fertig, auf die ich schon zwei Stunden warte, um sie abzutippen? Normalerweise brauchen Sie dafür nicht mehr als eine halbe Stunde. Oder gibt es irgendwelche Komplikationen?«

Die gab es in der Tat, dachte Jesse.

Seit zwei Tagen und zwei Nächten, die zu den scheußlichsten der letzten zwei Jahre gehörten, hatte er Devlins Verhalten und seine ominöse Reise von jeder erdenklichen Seite beleuchtet. Dieser Mann hatte sich dermaßen in seine Gedanken eingeschlichen, dass er weder zu Hause noch im Büro etwas Vernünftiges zu Stande brachte. Und das passte überhaupt nicht zu ihm.

Noch nie hatte er etwas Privates seine Arbeit beeinträchtigen lassen. Er hatte sein Leben selbst in der Hand genommen und war immer Stolz auf seine Unabhängigkeit und Disziplin gewesen. Jetzt war er sogar soweit gegangen in dem kleinen neuen Restaurant zu essen, dass sich Sunnys Place nannte, weil er die Stille in seinem großen leeren Haus nicht ertrug.

Er hatte die temperamentvolle, aufgeschlossene Besitzerin kennen gelernt und sie sofort in sein Herz geschlossen. Sunny hatte mit viel Mut und Energie das kleine Restaurant eröffnet, das inzwischen sehr gut lief. Die Tische waren immer besetzt und das Essen war wirklich köstlich. Sunny hatte ihn sogar gebeten ihr die Buchführung abzunehmen, damit sie mehr Zeit hatte, sich um die Küche und die Gäste zu kümmern.

So hatte Jesse eine neue Klientin und gleichzeitig eine neue Freundin gefunden – und er musste nicht mehr allein essen. Allerdings hatte ihn das nicht davon abgelenkt, dass er Devlin irgendwie ziemlich vermisste, obwohl er sich geschworen hatte, dem anderen auf keinen Fall zu Nahe zu kommen.

»Boss?«, brachte sich Abbey wieder in Erinnerung. »Ist es Ihr Knöchel, der Sie so quält? Vielleicht sollten Sie früher nach Hause gehen. Ich halte schon die Stellung.«

»Nein, danke. Mir geht es gut«, wehrte Jesse ab, denn er hatte seiner Sekretärin durch seine Verletzung die letzte Woche schon genug belastet.

»Okay.« Abbey seufzte und ging zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal um.

»Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, dass Sie der Einzige sind, der das glaubt.« Damit verließ sie das Zimmer.

Jesse legte seine verschränkten Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Seine Sekretärin strahlte wirklich von innen, seit ihre Romanze mit Sheriff Osborn voranschritt. Sie hatten sich beide mutig hineingestürzt und kamen offensichtlich ausgezeichnet miteinander zurecht. Jesse hingegen wusste überhaupt nicht was und vor allem, ob er etwas tun sollte in Bezug auf Devlin. Obwohl ihm natürlich mehr als deutlich bewusst war, dass dieser Frauen bevorzugte, was Beziehungen anging. Allerdings hatte er die letzte Woche das Gefühl gehabt, dass da seitens des Ranchers noch mehr im Spiel war, als pure Fürsorge. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein und seine Empfindungen spielten ihm mal wieder einen Streich? Jesse seufzte.

»Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte er so laut, dass man es auch im Vorzimmer hören konnte.

»Freut mich zu hören. Ein schönes Wochenende, Boss«, rief Abbey zurück.

Jesse schob die halb fertige Steuererklärung in den Aktenkoffer und verließ schließlich das Büro. Inzwischen konnte er auf die Krücken verzichten und humpelte nur noch ganz leicht. Kurz entschlossen wandte er sich in Richtung Sunny´s Place, um sich ein köstliches warmes Abendessen zu gönnen. Sunny selbst eilte noch emsig zwischen den Tischen umher, um alles für den Ansturm der Abendgäste vorzubereiten, als der Blondschopf das Restaurant betrat.

»Hi, Jess. Was kann ich dir heute anbieten?«, fragte sie fröhlich, während sie ein Tablett mit dampfenden Teigtaschen an Jesse vorbeitrug.

Ihm lief das Wasser dabei im Munde zusammen und Jesse antwortete prompt: »Genau das, was du da auf dem Tablett hast. « Er lächelte zurück. »Und eine Diät Cola, bitte.«

Er beobachtete, wie Sunny jeden ankommenden Gast mit einem Lächeln begrüßte und Jesse bedauerte, dass er nicht auch so aus sich herausgehen konnte, wie die junge Frau. Er beneidete sie regelrecht um ihre lockere Art im Umgang mit anderen.

Eigentlich wollte Jesse sich ja an seine Vorsätze bezüglich Männern wie Devlin einer war halten, aber nach der letzten Woche kamen diese ganz schön ins schwanken. Er spielte mit dem Gedanken, es vielleicht doch einmal zu versuchen. Möglicherweise konnte er so Devlins Interesse wecken und herausfinden, ob dieser einer Beziehung zwischen Männern wirklich so abgeneigt gegenüber stand.

»Hier ist deine Diät-Cola«, sagte Sunny, während sie das Glas vor Jesse auf den Tisch stellte. Dieser nahm das Glas und hielt es der gehetzt wirkenden Sunny entgegen. »Du siehst aus, als hättest du sie nötiger als ich.«

Sunny akzeptierte das Angebot dankbar.

»Danke, Jess. Freitags ist hier immer die Hölle los. Ich habe mehr Gäste als ich unterbringen kann, und dann ist noch eine Bedienung ausgefallen. Sie behauptet krank zu sein, aber das passiert seltsamerweise häufiger am Freitag Abend. Doch auf das Hauptgeschäft kann ich nicht verzichten. Mir fehlt nur eine zuverlässige Kraft…«, klagte ihm Sunny ihr Leid und sah recht verzweifelt aus.

»Problem gelöst«, lächelte Jesse und stand von seinem Stuhl auf. »Ich habe während meiner ganzen Studienzeit gekellnert. Ich weiß also, wie es läuft.«

Fassungslos schaute Sunny ihn an.

»Du willst dieses Freitag-Abend-Rodeo freiwillig auf dich nehmen?«

»Glaub mir, ich kenne das«, versichere Jesse selbstsicher und hoffte nur, dass sein Knöchel das auch mitmachen würde und das er sich nicht zu viel zumutete. Kurz schaute er sich in dem gut besuchten Restaurant um, um sich einen Überblick zu verschaffen.

»Welches sind meine Tische?«

Sunny zeigte mit einer Kopfbewegung zur linken Seite.

»Danke, Jess. Du bist meine Rettung! Ich zahle dir…«

»Ein Essen«, schlug Jesse vor.

»Aber…«, versuchte Sunny einzuwenden.

»Mach keinen Stress, Lady, oder du verlierst deine neue Bedienung«, meinte er freundlich aber bestimmt und Sunny lächelte ihn daraufhin unendlich dankbar an.

»Vielen Dank, Jess.«

In den nächsten Stunden glitt Jesse so mühelos in die alte Routine zurück, als hätte er in der Zwischenzeit nichts anderes getan, als zu servieren. Seinen Fuß hatte er längst vergessen, denn es machte ihm richtig Spaß und lenkte ihn weitestgehend von seinen Sorgen ab. Zwischendurch plauderte er mit einigen seiner Klienten und machte sogar ein paar neue Bekanntschaften.

Das Highlight des Abends war für ihn, als Abbey und Sheriff Osborn auf der Bildfläche erschienen und ihn anstarrten, als wüchsen ihm Petersilienbüschel aus den Ohren.

»Was machen Sie denn hier?«, fragte Abbey fassungslos.

»Bedienen«, antwortete Jesse leichthin und lächelte die beiden an. »Nehmt doch bitte hier Platz. Was kann ich Euch zu Trinken bringen?«

Abbey rutschte unbehaglich auf ihren Stuhl herum. »Ich weiß nicht, Boss. Es kommt mir komisch vor, mich von Ihnen bedienen zu lassen«, meinte seine Sekretärin, doch Jesse nahm es mit einem Schulterzucken.

»Gewöhnen Sie sich dran«, meinte er grinsend zurück. »Ich werde Sunny jetzt öfter aushelfen, also machen Sie mir keinen Ärger.«

»Das ist aber wirklich nett von Ihnen, Boss. Außerdem weiß ich ja, dass Sie ein Engel sind und immer bereit, einem Freund aus der Patsche zu helfen«, erwiderte sie und schien sich schließlich damit abzufinden.

»Geboren, um zu dienen«, antwortete Jesse. »So, was kann ich euch bringen? Die Geflügelpastete soll heute besonders gut sein.«

Sheriff Osborn warf Abbey einen fragenden Blick zu, und sie nickte zustimmend.

»Geflügelpastete spezial für zwei Personen, bitte.«

»Kommt sofort!«

***
 

Nach dem zweiten Tag, an dem er die Arbeit im Büro bis zum Abend hinaus gezögert hatte, blieb Jesse mal wieder nichts anderes übrig, als in sein stilles, leeres Haus zurück zu kehren. Es war schon längst dunkel, als er dort ankam. Schnell wechselte er seine Kleidung, schnappte sich die Taschenlampe und ging nach draußen, um seine Tiere zu versorgen.

Die waren heute Abend besonders laut, als wollten sie Jesse für die verspätete Fütterung bestrafen. Der Panther ignorierte ihn vollständig und lag eine geschlagene halbe Stunde faul auf dem Heuballenstapel. Dann schien er es sich überlegt zu haben, Jesse doch noch mal zu verzeihen und begleitete ihn schließlich auf seiner letzten Runde.

»Ich muss ab und zu auch mal länger arbeiten«, erklärte der Blonde seiner großen Katze und kraulte sie liebevoll am Hinterkopf. Dann drehte er sich zu den Käfigen und Gehegen um. »Und was den Rest von euch betrifft – reißt euch demnächst lieber zusammen«, sagte er warnend mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Sonst dreht unser Nachbar euch vielleicht doch noch den Hals um.«

Doch seine Warnung stieß auf taube Ohren, denn die Tiere schienen in aufgebrachter Stimmung zu sein, und nichts, was Jesse sagte oder versuchte, konnte sie zur Ruhe bringen. Die nachtaktiven Vögel schrieen und der Bär gab Geräusche von sich, die sich irgendwie klagend anhörten. Der Blonde seufzte und schaute hoch zum Himmel, wo der Mond wie ein gigantischer orangefarbener Ball am Firmament stand.

Auf einmal hörte er das Donnern von Hufen aus der Ferne. Sofort erinnerte er sich daran, was Devlin über mögliche Autounfälle erzählt hatte, und fühlte sich persönlich verantwortlich zu verhindern, dass diese Tiere womöglich mit einem Fahrzeug zusammenstießen.

Schnell lief er ins Haus, trank noch einen Schluck Wasser, griff nach seinen Autoschlüsseln und machte sich dann auf den Weg, um die Zäune zu inspizieren und eventuell versprengte Rinder wieder einzufangen. Alles in allem keine schlechte Möglichkeit, dem stillen, dunklen Haus zu entfliehen.

Mit einem Ruck öffnete Jesse die Hautür und fühlte im gleichen Moment Devlins Handknöchel auf seiner Stirn. Der andere sah ebenso überrascht aus, wie Jesse selbst. Ein unangenehmes Gefühl von Déjà-vu überkam ihn. Devlin war also zurück. Und offenbar war er gekommen, um sich über den Lärm zu beschweren.

Innerlich stöhnte er auf.

Verdammt! Damit standen sie ja dann wieder am Anfang!
 

Tbc…
 

Diesmal is das Ende ja nicht ganz so gemein, oder doch?

Keine Ahnung, schreibt mir doch einfach, wie es euch gefällt. So allmählich erfreut sich die Story ja doch einiger Beliebtheit.

* froi*

Vielen Dank an evejean, Shunjy und Kuestenfee1 für die lieben Kommis, die mich ganz dolle zum Weiterschreiben animiert haben.

Manchmal braucht man einfach einen kleinen Anstubser.
 

© by desertdevil

Kapitel 8
 

Devlin zog eine Grimasse, als er feststellte, dass er Jesse versehendlich an der Stirn getroffen hatte. »Oh, tut mir Leid. Alles in Ordnung?«

»Sicher, ich habe mich langsam dran gewöhnt gegen den Kopf geschlagen zu werden«, erwiderte Jesse knapp, sodass Devlin verwirrt die Augenbrauen zusammenzog, als er den kühlen Ton und die steife Körperhaltung des anderen bemerkte. Sofort fragte er sich, was er falsch gemacht hatte, bis auf den leichten Schlag, den er dem Blonden aus Versehen verpasst hatte. Aber dafür hatte er sich doch bereits entschuldigt.

Jesse entging die unangenehme Stimmung die aufkommen wollte nicht. Deswegen sagte er schnell: »Ich wollte gerade nach deinen Rindern schauen. Meine Tiere waren heute Abend nervös und ziemlich laut.«

»Ich konnte gerade noch einen Ausbruch verhindern«, berichtete Devlin und kratzte sich am Kopf, während ein schiefes Lächeln auf seinen Zügen erschien.

»Deshalb komme ich auch so spät.«

»Oh…« Jesse schien förmlich durch ihn hindurch zu schauen.

»Naja, dann… «, er brach ab, unsicher wie er fortfahren sollte.

Devlin trat verlegen von einem Bein aufs andere und starrte krampfhaft in die Luft. Er wusste auch nicht so recht, was ihn dazu gebracht hatte, heute noch einmal zu seinem Nachbarn rüber zu fahren. Aber da war so ein seltsames Gefühl gewesen. Eine Woche war er mit seinem Bruder unterwegs gewesen und er musste sich ehrlicherweise eingestehen, dass er Jesse ziemlich vermisst hatte.

»Geht es deinem Knöchel besser?«

»Ja. Die Schwellung ist abgeklungen.«

»Freut mich zu hören.« Devlin fuhr sich mit den Fingern durchs windzerzauste Haar und seufzte.

»Hat ja auch lange genug gedauert, was?«

Jesse blinzelte verwirrt. »Was hat lange genug gedauert?«

»Meine Reise«, gab Devlin zurück.

Er brachte Jesse ganz durcheinander mit seinen hastig hervorgestoßenen Fragen. Vor allem aber fragte sich der Blondschopf, was sein Nachbar überhaupt um diese Zeit noch bei ihm wollte, wenn er nicht vorhatte ihn wegen der Lautstärke seiner Tiere zusammen zu stauchen. Nachdenklich stand Jesse im Türrahmen, bis ihm bewusst wurde, wie unhöflich er eigentlich war.

»Ähm… willst du reinkommen?«, fragte er schnell und trat einen Schritt zurück, um Devlin den Weg frei zu machen, auch wenn es ihm gerade gar nicht behagte, den anderen in sein Haus zu lassen. Er hatte Devlin mehr vermisst, als eigentlich gut für ihn war und dessen Auftauchen zu so später Stunde verunsicherte ihn ungemein.

Jesse schloss die Tür hinter dem anderen und folgte ihm dann ins Wohnzimmer, in das dieser schon vorgegangen war. Einen kurzen Moment starrte er bewundernd auf Devlins unglaublich breiten, männlichen Rücken, bevor er sich zur Raison rief.

Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte sich doch so fest vorgenommen standhaft zu bleiben. Energisch verdrängte er seine unziemlichen Gedanken.

»Möchtest du was trinken? Ein Bier vielleicht?«, bot Jesse an, denn das Schweigen, das sich allmählich zwischen ihnen ausbreitete empfand er keineswegs als angenehm.

»Nein, danke«, lehnte Devlin mit einem unsicheren Blick in Jesses Richtung ab.

Die Woche, wo er ihn nicht hatte sehen können, war ihm unglaublich lang vorgekommen und da Devlin immer ehrlich zu sich selbst war, gestand er sich ein, dass er den Blondschopf vermisst hatte. Aber es jemand anderem gegenüber zugeben, dazu war er noch nicht bereit.

»Ich wollte eigentlich nur nachsehen, wie es dir geht…«, brachte er nach einer Weile des Schweigens heraus in der er Jesse ganz direkt gemustert hatte. Die blonden Locken waren in einem nachlässigen Zopf zusammengefasst und sein Nachbar steckte in alten abgetragenen Sachen, die so gar nicht zu den feinen Gesichtszügen passten, die ihn jedoch unglaublich sympathisch auf Devlin wirken ließen. Das Kribbeln in Devlins Magengegend verstärkte sich und er verspürte das seltsame Verlangen Jesse in seine Arme zu ziehen. Doch er tat es nicht, sondern überlegte fieberhaft, was er tun konnte, um die gespannte Stille zwischen ihnen zu überbrücken.

Jesse seufzte. Das war es also nur…

»Es geht mir gut«, antwortete er äußerlich ruhig, während sich in ihm drin Enttäuschung ausbreitete. Devlin war also nur wegen seinem Pflichtgefühl hier. Aber was sollte es auch anderes sein? Jesse schalt sich als dumm etwas anderes zu glauben. Doch eine leise Stimme in seinem Herzen versuchte ihn zu überzeugen, dass es nicht so war, wie die Situation es vermuten ließ. Aber Jesse war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die Unsicherheit in Devlins Augen richtig zu deuten.

»Ich… ich wollte dann schlafen gehen, weil ich muss morgen früh zeitig raus…«, wandte Jesse ein nachdem wieder eine lange Zeit Schweigen zwischen ihnen geherrscht hatte. Nervös knotete er seine Hände hinter seinem Rücken ineinander. Ihm war gar nicht so bewusst, dass er seinen Nachbar wortwörtlich rausschmiss. Er fragte sich sowieso warum der andere nicht einfach angerufen hatte, wenn er sich nur nach seinem Befinden erkundigen wollte. Dafür hätte er nicht extra herkommen müssen.

»Oh… das tut mir leid. Dann werde ich wohl besser wieder verschwinden.«

Jesse sah von dem Sofakissen auf, dass er die ganze Zeit angestrengt gemustert hatte und wunderte sich über den enttäuschten Tonfall. Sein Herz machte einen Satz und er leckte sich nervös über die Lippen.

»Devlin ich… das war nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht rauswerfen…«, rief er dem Cowboy hinterher, der bereits dabei war durch die Tür zu rauschen. Offensichtlich hatte er den anderen mit seinen Worten verletzt, obwohl Jesse sich nicht erklären konnte wieso. Devlin war nur aus Pflichtgefühl hier, oder etwa doch nicht?

Sein Magen zog sich bei dem Gedanken, dass der Cowboy vielleicht doch etwas für ihn empfand, freudig zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in Jesses Kehle. Sein Herzschlag beschleunigte sich als er zur Tür trat, wo der andere stehen geblieben war. Devlin stand mit dem Rücken zu ihm und Jesse konnte sehen, wie angespannt die Muskeln unter dem dünnen Hemd waren. Kurz biss er sich auf die Unterlippe und legte dann sanft eine Hand auf Devlins Schulter.

»Es tut mir leid, dass ich so schroff war«, entschuldigte sich Jesse, unsicher, wie er weiter mit Devlin umgehen sollte. Seine Finger kribbelten dort, wo er den anderen berührte. Devlins Haut fühlte sich so heiß an und Jesse musste sich beherrschen, um nicht verträumt über dessen Schulter zu streichen.

Devlin hingegen fühlte sich so verwirrt wie schon lange nicht mehr und das ärgerte ihn.

Er war hergefahren, weil er Jesse unbedingt hatte sehen wollen. Das war nicht nur gedankenlos gewesen, sondern auch dumm. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet sich einen plausiblen Grund für seinen späten Besuch einfallen zu lassen, so sehr war er auf ein Wiedersehen fixiert gewesen, angetrieben von… ja was eigentlich?

Er hatte Jesse vermisst, aber wieso?

Sie waren doch nur Nachbarn und er hatte seine Pflichtschuldigkeit wegen dem kleinen Unfall längst getan. Nur an Jesses Aussehen konnte es auch nicht liegen. Gutaussehende junge Männer gab es überall…

Als sich plötzlich eine Hand sanft auf seine Schulter legte, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Sein Puls beschleunigte sich sofort und er fühlte ein leichtes Ziehen in seinen Lenden.

Oh Gott… Das konnte doch wohl nicht wahr sein!!!

Entsetzen breitete sich auf seinen Zügen aus und Devlin dankte sonst wem, dass er noch immer mit dem Rücken zu seinem Nachbarn stand. Er verspannte sich und schüttelte hektisch Jesses Hand ab.

»Mach dir keine Gedanken..«, stieß er kurz darauf hervor. »Ich wollte nur nachsehen, ob bei dir alles in Ordnung ist«, zwang er sich gelassen zu sagen, während er sich nur soweit zu seinem Nachbarn umdrehte, dass er ihn gerade so ansehen konnte. Ein gezwungenes Lächeln lag dabei auf seinen Zügen. Mit einer freundschaftlichen Geste wuschelte er Jesse noch einmal durch die Haare, bevor er in die schützende Dunkelheit hinaus trat.

»Gute Nacht, Blondie.«

Als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, hetzte er zu seinem Pick up. Seine Hände zitterten leicht, als er den Motor startete und er würgte den Wagen doch tatsächlich zweimal ab, bevor er mit quietschenden Reifen davon raste.

Das war ihm noch nie passiert. Weder, dass er seinen Wagen abwürgte, noch, dass es ihn erregte, wenn ein anderer Mann ihm eine Hand auf die Schulter legte!

Die Hand, mit der er Jesse durch die weichen Locken gewuschelt hatte, kribbelte immer noch. Jesse Duft haftete daran und Devlin war schon versucht sich mit dieser Hand ein bisschen Luft zuzufächeln, als ihm klar wurde, wie dämlich er sich benahm.

Er war so ein Idiot!

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er behaupten sein Nachbar hätte ihn mit einem Fluch belegt. Aber Jesse hatte nie einen Versuch gemacht ihm näher zu kommen, sondern immer den normalen Abstand gewahrt. Eigentlich war es Devlin, der mehr und mehr Jesses Nähe gesucht hatte. Er fühlte sich wohl bei dem Blondschopf und es hatte ihm Freude bereitet sich um Jesse zu kümmern. Er hatte sich sicher gefühlt und die angenehm ruhige Gesellschaft des anderen genossen.

Warum also musste sein Körper ihm jetzt solche Probleme bereiten?

Jesse war ein Mann und Devlin war nicht schwul! Aus, Ende, Basta!!
 

Jesse spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Herzgegend und musterte kurz seine Hand, die bis vor kurzem noch auf Devlins heißer Schulter gelegen hatte.

Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass Devlins Lächeln nur aufgesetzt war. Noch lange starrte er nachdenklich in die Dunkelheit, zu der Stelle, an der die Rücklichter von Devlins Pick up verschwunden waren.

Was hatte er denn nun wieder falsch gemacht? Er hatte sich doch für seine unüberlegten Worte entschuldigt. Traurig senkte er den Kopf und schloss endlich die Haustür.

Obwohl es nicht kalt war, fröstelte Jesse und verkroch sich auf die Couch, wo er sich in eine Decke einwickelte.

Er verstand diesen Callahan einfach nicht.

Als er sich um ihn gekümmert hatte, war alles okay zwischen ihnen gewesen. Sie hatten gelacht, geredet und gemeinsame Interessen herausgefunden. Wie richtige Freunde eben.

Dann war Devlin ganz plötzlich eine Woche weg, in der Jesses dummes Herz sich so sehr nach seiner Gesellschaft gesehnt hatte und kaum war er zurück herrschte so eine angespannte Atmosphäre zwischen ihnen…

Jesse seufzte und rieb sich mit dem Handrücken über seine müden Augen. Mit unglücklicher Miene machte er sich bettfertig, während er immer noch über die seltsame Stimmung bei Devlins Abschied nachsann. War er dem anderen zu nahe getreten? Konnte es das sein, weshalb dieser so hektisch wieder losgefahren war?

Vielleicht war Devlin deswegen so angespannt gewesen. Aber als er sich um ihn gekümmert hatte, hatte ihm Körperkontakt doch auch nichts ausgemacht?

Unruhig wälzte sich Jesse in seinem großen, leeren Bett hin und her und fand einfach keinen Schlaf, zu sehr beschäftigten ihn die Geschehnisse des Abends.

Gegen vier Uhr früh dämmerte er dann doch endlich weg.

Drei Stunden später allerdings klingelte der Wecker und Jesse stöhnte gequält auf. Eigentlich war er kein Mensch, der lange in den Federn lag, aber wenn er nur so wenig Schlaf bekam…

Ächzend setzte er sich auf und widerstand dem Drang sich einfach ein Kopfkissen über den Kopf zu ziehen. Blinzelnd tastete er nach dem unheiligen Störenfried, der ihn aufgeweckt hatte und stellte ihn aus.

Wie ein Häufchen Elend hockte er noch eine Weile in seinen Decken, bevor er sich hoch quälte und ins Bad schlurfte. Er fühlte sich wie ein alter Opa und ein Blick in den Spiegel sagte ihm, dass er davon wohl nicht mehr so weit entfernt war.

Furchtbare Augenringe zierten seine helle Haut und Jesse stöhnte resigniert.

Um neun Uhr dreißig hatte er einen Termin mit einem potentiellen neuen Klienten. So wie er aussah würde er diesen jedoch eher verschrecken, als ihn neu anzuwerben. Unwirsch fuhr er sich durch seine widerspenstigen Locken und machte sich in mühsamer Kleinarbeit daran, sein Erscheinungsbild wenigsten einigermaßen ansehnlich zu machen.

Nachdem er einen Happen gefrühstückt und seine Tiere versorgt hatte, machte sich Jesse auf den Weg ins Büro. Noch immer beschäftigten sich seine Gedanken mit dem gestrigen Abend, doch auch heute kam er auf keine befriedigende Lösung.

Beunruhigt und missmutig parkte Jesse seinen Wagen vor dem Büro.

Er nahm ein paar Aspirin und versuchte sich auf das vor ihm liegende Meeting zu konzentrieren.
 

Die nächsten Tage ließ Devlin nichts von sich hören und Jesse begann allmählich an sich zu zweifeln. Drei verdammte Abende hatte er gewartet, dass der Cowboy sich meldete, wenn auch nur per Telefon und ihm erklärte, was losgewesen war. Aber nichts!

Eine Menge Ärger hatte sich angestaut und der einzige Grund, weshalb er nicht zu Callahan rüber fuhr und ihm mal ordentlich die Meinung sagte, war der, dass er einfach zu müde und geschafft von seinem Tagespensum war.

Bei Sunny war die Kellnerin, die sonst Freitag Abend nur auffällig oft krank war, bereits Dienstag schon ausgefallen und wie hätte Jesse anders gekonnt, als der jungen Frau zu helfen. Das kleine Restaurant erfreute sich zunehmender Beliebtheit, was sich in der Menge der Besucher wiederspiegelte. Obwohl Jesse bei einigen Leuten den Eindruck hatte, sie würden nur kommen, um sich von ihm bedienen zu lassen.

Aber daraus machte er sich nichts. Er freute sich einfach, dass Sunnys Geschäft florierte.

Die zusätzliche Arbeit lenkte ihn außerordentlich gut von jedem Gedanken ab, der mit Callahan zu tun hatte. Außerdem konnte er seinem leeren Haus entfliegen und ein weiterer Vorteil war, dass er ein wunderbar schmackhaftes Essen bekam und nicht diese abscheulichen Fertiggerichte essen musste, die zu Hause in seiner Tiefkühltruhe auf ihn lauerten.
 

Um sich von Jesse abzulenken stürzte Devlin sich ebenfalls in jede Arbeit die er finden konnte. Und das war auf der Ranch nicht sehr schwer. An allen Ecken lauerten Arbeiten für die sonst keine Zeit war. Auch diesen Abend blieb er länger draußen als vorgehabt.

Lautstark vor sich hinfluchend, rollte Devlin vor der Scheune sperrigen Draht zusammen, den seine Rinder – erschreckt von dem Jaulen der benachbarten Exoten – in wilder Panik verstört hatten. Es lohnte sich nicht mehr diesen Draht zu reparieren. Den würde er morgen zum Schrottplatz fahren, dann bekam er wenigstens noch ein bisschen Geld dafür.

Abermals fluchte Devlin gotteslästerlich, als er sich an einem hervorstehenden Drahtstück kratzte. So ein Mist! Ruppig zog er ein Taschentuch aus seiner Jeans und rieb sich über die aufgeschürfte Stelle. Augenblicklich schlich sich ein Bild von Jesse in seine Gedanken, wie der Blondschopf das Blut vorsichtig wegtupfte und dann sachte pustete. Er stellte sich Jesse gerade vor, wie er verführerisch die Lippen spitzte…

»Idiot!«, schalt er sich, warf das Taschentuch auf den Boden und stampfte wie ein kleines Kind mit einem Fuß darauf. Wieso musste er dauernd an seinen Nachbarn denken, obwohl er genau das Gegenteil versuchte? Es war Devlin unbegreiflich und allmählich glaubte er den Verstand zu verlieren.

Mit jedem Tag den er Jesse nicht sah, wurde der Drang in ihm stärker sich in seinen Wagen zu setzen und zu dem anderen rüber zu fahren. Doch Devlin verbot sich das. Gutes Verhältnis zwischen Nachbarn hin oder her. Er sah seinen Seelenfrieden ernsthaft gefährdet.

Letzte Nacht hatte er sogar von Blondie geträumt! Und das so ausschweifend, dass er sogar rot im Gesicht wurde, wenn er daran dachte.

Er musste unbedingt etwas dagegen unternehmen, dass Jesse sich weiter in seine Gefühlswelt einschlich und er hatte auch schon eine Idee, wie er das bewerkstelligte.

Er war ein Mann!

Er war einhundert Prozent hetero!!

Und das würde er heute Nacht unter Beweis stellen!!!

Angetrieben von seinem Entschluss, bugsierte Devlin das Drahtknäuel auf den Hänger in der Scheune und nickte sich zufrieden zu. Dann ging er ins Haus, zog sich um, griff seine Autoschlüssel und fuhr in die nächstgrößere Stadt.

Derweil sang Devlin mit sonorer Stimme lautstark einen Song nach dem anderen mit, der aus den alten Lautsprechern tönte, während ihm die frische Nachtluft durch das geöffnete Fenster der Fahrerseite ins Gesicht wehte. Er fühlte sich frei wie ein Vogel. Die Sterne über ihm leuchteten, niemand anderes fuhr auf der einsamen Straße um diese späte Stunde und Devlin genoss das zutiefst.

Nach knapp zwei Stunden erreichte er eine Bar, in der ein Mann gewisse andere Dienste ebenfalls in Anspruch nehmen konnte. Bisher hatte er solche Einrichtungen gemieden, denn an Verehrerinnen fehlte es ihm nicht.

Nachdem seine Ex ihn verlassen hatte, hatte er nur noch selten körperlichen Kontakt zu Frauen gesucht, geschweige denn Wert auf eine neue Beziehung gelegt.

Vielleicht war das ja auch der Grund, weshalb sein Nachbar ihm so anziehend vorkam.

Vielleicht brauchte er einfach nur Sex, damit sich seine Hormone wieder einpegelten und nicht die ganze Zeit Karussell fuhren, wenn er nur an Jesse dachte.

Genau! Das musste es sein. Was anderes kam gar nicht in Betracht.

Jedenfalls redete sich Devlin das ein.

Entschlossen betrat er die Bar.

Wärme schlug ihm wie eine Wand entgegen. Der Geruch von Alkohol, Schweiß und kaltem Rauch lag in der Luft und Devlin fuhr sich unschlüssig, ob er bleiben oder doch lieber wieder gehen sollte mit einer Hand durch die dunklen Haare. Er fühlte sich nicht sehr wohl. Die Bar war gut gefüllt. Laute Männerstimmen schufen einen beachtlichen Geräuschpegel, der ab und zu von einem Kichern unterbrochen wurde.

Spärlich bekleidete Frauen drängten sich mit Bierkrügen durch die Tische und schäkerten mit den angetrunkenen Gästen. Es kam Devlin grotesk vor, doch er suchte sich erst einmal einen Platz an der Bar und bestellte sich ein Bier.

Kurz darauf wurde ein voller Krug vor ihn auf den Tisch geknallt.

Doch Devlin ließ seinen Blick erst noch einmal in die Runde gleiten. Er musterte die Frauen alle nacheinander, doch bei keiner verspürte er das Verlangen sie auch nur anzufassen. Eher das Gegenteil war der Fall. Das Kribbeln, das er jedes Mal in Jesses Anwesenheit verspürte, wollte einfach nicht aufkommen.

Darüber ärgerte sich Devlin, griff zu dem Bierkrug und leerte ihn zur Hälfte in einem Zug. Vielleicht war er zu verkrampft. Mit ein bisschen Alkohol sah das Leben bestimmt gleich anders aus. Zumindest dachte er das.

Aber auch das zweite Bier bescherte ihm kein Kribbeln im Bauch und Devlin beschloss die Sache direkter anzugehen. Als eine der Kellnerinnen zu ihn kam und ihn mit anzüglicher Miene fragte, ob er noch ein Bier wollte, schüttelte er den Kopf.

»Ich hätte da eher an etwas anderes gedacht…«, erwiderte er mit genauso anzüglichem Tonfall, der unmissverständlich war und lächelte sie gewinnend an.

Sofort strahlte sie und geizte nicht damit ihm ihre Brüste entgegen zu strecken, die dabei fast aus dem knappen Mieder fielen.

»Na dann komm mal mit, Süßer«, plinkerte sie kokett, strich ihm mit eindeutigem Blick über den Oberschenkel, bevor sie sich umdrehte.

Devlin ließ sich nicht zweimal auffordern. Er erhob sich von seinem Platz und ging der Brünetten durch den halben Schankraum hinterher. Sie wackelte auffällig mit den Hüften, was ihm jedoch nur ein schiefes Lächeln entlockte.

Dann ging es eine Treppe hinauf und in ein kleines Zimmer. Der Raum war karg eingerichtet. Es gab nur ein Bett, das nicht mal breit genug für zwei Personen war, ein kleines Nachttischchen links daneben und einen Stuhl, über den man wohl seine Kleindung hängen konnte. Die Glühbirne an der Decke war nackt und verströmte ein schmutziges gelbes Licht. Obwohl der Raum nicht schmutzig wirkte, verspürte Devlin irgendwie keine große Lust dieses Bett auch nur ansatzweise zu nutzen.

Kaum war die Tür geschlossen, schlang sich auch schon ein paar Arme um seinen Hals und weiche Lippen legten sich auf seinen Mund. Automatisch legten sich Devlins Hände auf die Hüften der Frau und er erwiderte den Kuss.

Doch er fühlte dabei nichts.

Kein Kribbeln.

Keine Hitze die in ihm aufstieg.

Keine Regung in seinen Lenden.

Der Kuss schmeckte einfach nur fade nach abgestandenem Bier und erweckte in Devlin fast schon Ekel. So sehr er versuchte sich einzureden, dass das hier richtig war, was er tat… sein Körper spielte einfach nicht mit und seine Gefühle hatten sich völlig ausgeklinkt.

Es ging einfach nicht! Das musste er nach einem weiteren Kuss einsehen.

Diese Berührungen…

Sie kamen nicht von Jesse.

Sie erfüllten ihn nicht mit Wärme und Zuneigung.

Sie lösten einfach keine Empfindungen in ihm aus.

Eigentlich hatte er keine Ahnung, was er empfinden würde, wenn er Jesse küsste, doch er war sich sicher, dass da viel mehr war.

»Verdammt!«, murmelte er und schob die Frau von sich.

Grummelnd zog er ein paar Geldscheine aus seiner Hosentasche und drückte sie der Brünetten in die Hand. Diese sah ihn verdutzt an, griff dann aber danach und verschwand glücklicherweise ohne Fragen zu stellen.

Als die Tür ins Schloss fiel, ließ Devlin sich auf den Stuhl fallen, stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und vergrub das Gesicht verzweifelt in den Händen.

Ihm wurde klar, dass wohl keine Frau der Welt ihn von seinen Gefühlen abbringen konnte, die er für Jesse empfand. Verdammter Scheiß… Wieso musste es ausgerechnet ein Mann sein?

Devlin wehrte sich strikt dagegen sich als schwul zu bezeichnen.

Immerhin hatte er, bevor er Jesse kennen gelernt hatte, nur Kontakte zu Frauen gehabt. Bis dahin hatte ihn nie ein Mann interessiert. Das war alles die Schuld seines Nachbarn!!

Wäre der doch bloß nicht nach Buzzards Groove gezogen. Dann wäre sein Leben nicht so aus den Fugen geraten.

Es war außerordentlich leicht anderen die Schuld zu geben. Aber leider brachte Devlin das auch nicht weiter. Die Gefühle in seinem Inneren waren da und er ahnte schon, dass er diese nicht so schnell wieder loswerden würde.
 

Dray schaute stirnrunzelnd von seiner Morgenzeitung auf. Mit kritischem Blick musterte er die zerzauste Erscheinung seines Bruders, die gerade in die Küche geschlurft kam.

»Wo, zur Hölle, hast du dich denn gestern herum getrieben? Ich warte mit dem Abendessen, und du meldest dich nicht mal. Du hättest wenigstens anrufen können. Wir haben beide ein Handy, wie du weißt.«

»Habe ich vergessen«, brummte Devlin schlecht gelaunt, nahm sich eine Tasse aus dem Schrank, goss sich etwas von dem frisch gebrühten Kaffe ein und warf sich auf einen Stuhl.

»Du hast es vergessen«, äffte sein Bruder ihn gereizt nach. »In der letzten Zeit leidest du an fortschreitendem Gedächtnisschwund.«

»Bla bla bla!« Devlin hatte momentan überhaupt kein Ohr für die Vorhaltungen seines Bruders. Er hatte die Nacht kaum ein Auge zugemacht. Ständig hatte er an Jesse denken müssen, nachdem er sich wohl oder übel hatte eingestehen müssen, dass er sich in seinen Nachbarn verguckt hatte. Als hätte er an dieser Erkenntnis nicht schon genug zu knabbern, musste ihm Dray nun auch noch auf die Nerven gehen.

Mit diesem hatte er außerdem auch noch ein Hühnchen zu rupfen, und war deshalb nicht gewillt, sich ablenken zu lassen.

»Wann wirst du Sunny endlich diesen Ring an den Finger stecken?«, fragte er mit vor Müdigkeit kratziger Stimme.

Dray starrte ihn einen Moment an und schaute dann rasch zur Seite.

»Das habe ich noch nicht entschieden.«

»Das habe ich befürchtet. Na gut, wenn du so ein Feigling bist, muss ich das wohl übernehmen.«

»He!«, rief Dray aufgebracht. »Ich bin kein Feigling. Ich versuche nur, die Dinge langsam angehen zu lassen.«

»So so…«, meinte Devlin. »Was glaubst du, wann die Planeten in der richtigen Konstellation zueinander stehen und der Luftdruck stabil genug sein wird, dass du Sunny endlich den Ring geben kannst?«

»Das weiß ich nicht, verdammt noch mal!«, fauchte Dray stürmisch. »Was hat das überhaupt mit dir zu tun?«

Devlin räusperte sich. Ihm war die Angelegenheit etwas unangenehm. Aber zwischen Dray und ihm hatte immer Ehrlichkeit geherrscht und sie hatten sich gegenseitig so akzeptiert wie sie waren. Devlin hoffte, dass das auch diesmal so sein würde.

»Ich würde dich gern Jesse vorstellen, aber du und ich, wir haben ja unsere stillschweigende Abmachung zu warten, bis der andere sein Schäfchen im Trockenen hat, wenn du weißt was ich meine.«

Jesse war zwar ein Mann und Devlin glaubte nicht, das Dray irgendwie gefallen an ihm finden würde, aber wer wusste schon, wie es anders herum war? Richtig! Niemand.

Es dauerte einen Moment bis diese Information bei Dray durchgesickert war, doch dann riss dieser plötzlich entsetzt die Augen auf, ließ die Zeitung sinken und starrte seinen Bruder voller Unglauben und Unverständnis an. Die Spannung in der Küche stieg sofort schlagartig an und ließ Devlin die Luft anhalten.

»Devlin… seit wann… das kann doch nicht dein Ernst sein? Du meinst wirklich.. zwischen dir und…« Dray brach ab und Devlin schluckte angespannt.

»Ja.. da ist etwas«, gestand Devlin ehrlich. »Jedenfalls von meiner Seite aus.« Er hatte die Nacht lange genug darüber nachgegrübelt und Dray war sein Bruder. Er hatte das Recht es zu erfahren.

»Ich bin mir erst vor kurzem so richtig darüber klar geworden, das heißt… erst heute Nacht. Jesse löst Gefühle in mir aus, die ich lieber bei einer Frau haben würde. Wir kennen uns erst kurz, aber ich hab ihn die ganze Woche auf unserer Reise vermisst und ich stelle mir immer häufiger vor wie es ist ihn zu küssen und…«, versuchte er zu erklären und war dabei aufgeregt wie ein kleiner Junge.

»Halt! Das will ich gar nicht wissen«, unterbrach Dray ihn ein wenig atemlos und ließ sich mit nachdenklicher Miene in seinem Stuhl zurück sinken. Knisternd sank die Zeitung auf seinen Schoß.

»Ich kapier das nicht. Hast du auch wirklich gut darüber nachgedacht? Ich meine… klar, deine Ex hat dich mies behandelt, aber Devlin verdammt… das ist doch kein Grund, das weibliche Geschlecht gleich ganz zu verschmähen!«

»Oh, glaub mir. Ich hab mir stundenlang darüber den Kopf zerbrochen«, meinte Devlin mit angespanntem Gesichtsausdruck. »Und ich verschmähe das weibliche Geschlecht nicht!«, schoss er zurück. »Ich bin auch nicht schwul… höchstens bi«, verteidigte er sich. »Es ist ja nicht so, dass ich bei jedem Kerl gleich Frühlingsgefühle kriege.«

»Hm«, machte Dray nur und musterte seinen Bruder dann eingehend.

»Bezug nehmend auf deine zerzausten Haare und die tiefen Augenringe, scheinst du dir wirklich ausreichend lange den Kopf darüber zerbrochen zu haben. Dich scheint es wirklich erwischt zu haben. Ich hoffe nur, du bist dir bewusst, auf was du dich da einlässt. Liebe zwischen Männern ist nicht annähernd das gleiche wie zwischen Mann und Frau…«, gab er zu bedenken, als hätte er von solchen Beziehungen mehr Ahnung als sein Bruder.

Devlin brummte und starrte in die schwarze, dampfende Flüssigkeit in der Tasse, die er zwischen den Händen hielt. Über Sex hatte er sich bisher noch gar keine Gedanken gemacht. Aber dazu würde es in einer Beziehung mit Jesse bestimmt auch kommen. Nur… Devlin hatte keine Ahnung davon und eigentlich wollte er darüber auch nicht mehr wissen als nötig. Seine bisherigen Gedanken hatten sich nur ums Küssen gedreht, aber er konnte nicht leugnen, dass sein Körper bereits auf seinen Nachbarn reagiert hatte. Und das mehr als deutlich. Doch das erzählte er Dray lieber nicht.

»Ich weiß. Aber so weit sind wir ja auch noch nicht. Ich muss Jesse sowieso erst davon überzeugen, dass ich der Richtige für ihn bin.«

Ein skeptischer Seitenblick traf Devlin und ein lautes Seufzen war von Dray zu hören.

»Dass du dich da mal in nichts verrennst.«

Dann zuckte er mit den Schultern.

»Naja… wenigstens weißt du, dass dein Angebeteter schwul ist. Das erspart dir eine Menge Probleme«, gab Dray dann mit einem verdächtigen Zucken um die Mundwinkel von sich und Devlin atmete erleichtert auf, weil sein Bruder damit offensichtlich akzeptiert hatte, dass er Gefühle für einen Mann entwickelt hatte. Die Spannung in der Luft verflüchtigte sich und Devlin nahm einen großen Schluck von seinem Kaffe.

»Also wann wirst du Sunny endlich fragen?«, drängte Devlin nach einem Moment des Schweigens wieder auf das alte Thema. »Nächste Woche? Nächstes Jahr? Auf was für eine Jahreszeit warten wir eigentlich?«

»Darauf, dass wir das Getreide ausgesät haben. Das Sunny ihren Restaurantbetrieb in den Griff bekommt und jemanden findet, der sie dabei unterstützt, damit wir mehr Zeit füreinander haben«, versetzte Dray trotzig.

Devlin warf seinem Bruder einen gereizten Blick zu.

»Das ist die Entschuldigung für diese Woche. Was wird es wohl in der nächsten Woche sein?«

Dray warf die Zeitung zur Seite und sprang auf.

»Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus! Ich misch mich auch nicht bei dir ein«, bellte er und verschwand in Richtung seines Schlafzimmers.

»In Ordnung!«, rief Devlin ihm nach. »Morgen früh werden wir die verdammte Saat in den Boden bringen, und danach wirst du zu Sunny gehen, oder ich packe dich eigenhändig am Schlafittchen und schleppe dich in die Stadt.«

»Das wirst du nicht tun!«, brüllte Dray.

»Wette lieber nicht darauf, wenn du nicht verlieren willst!«

Dray knallte die Tür hinter sich zu, und Devlin starrte finster vor sich hin. Zwei Wochen entschied er. Zwei Wochen würde er seinem Bruder noch Zeit geben. Wenn er dann noch keine Anstalten unternommen hatte, seinen Ring loszuwerden, würde er die Regeln brechen und die Dinge auf seine Art vorantreiben.

Bis dahin allerdings musste er noch ein paar ganz andere Sachen klären. Allzu viel Zeit dazu blieb ihm jedoch nicht, wenn sie morgen früh mit der Saat beginnen wollten.

Sofort musste er wieder an Jesse denken und ein sanftes Lächeln zog sich über seine Lippen. Von neuem Tatendrang erfüllt machte er sich im Bad frisch, kämmte sich seine immer noch zerzausten Haare und zog sich dann eine Jeans und ein Hemd an, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen hochkrempelte.

Verwunderlicherweise fiel es ihm nun gar nicht mehr so schwer zu akzeptieren, dass er Gefühle für Jesse hatte. Drays Einverständnis hatte er ebenfalls und das nahm ihm eine große Last von den Schultern. Es lief alles einfacher als gedacht. Nun musste er nur noch Jesse von seinen Vorzügen überzeugen. Das würde wahrscheinlich der schwierigste Teil von allen werden. Er hatte einiges zu erklären bzw. wieder gut zu machen.

Aber Devlin glaubte fest an seinen unübertroffenen Charme und seine Verführungskünste.
 

Tbc…
 

© by desertdevil



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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  evejean
2011-11-11T06:13:57+00:00 11.11.2011 07:13
ui mit ein neuen kapitel, das versüßt einen echt den tag, toll das devlin ein sieht wie seine gefühle wirkl. für jesse sind. jetzt muss er nur noch jesse überzeugen, aber ich glaub fest dran das schafft er auch ;)

lg eve
Von:  Shunya
2011-11-07T16:03:08+00:00 07.11.2011 17:03
Naja, wenn er schon so von sich selbst überzeugt ist, hoffe ich, dass Devlin Jesse klar machen kann, was er für ihn empfindet. ;P
Fand ich süß, wie unbeholfen sie sich in der Wohnung gegenüberstanden und nicht wussten, was sie sagen sollten. Und dann ist Devlin doch tatsächlich nur von einer Schulterberühung seitens Jesse schwach geworden. Einfach genial. XD lol
Aber trotzdem fand ich es schade, dass sie sich so aus dem Weg gegangen sind. >.<
Ich bin schon mächtig gespannt, wie es im nächsten Kapitel zwischen Devlin und Jesse weitergehen wird.
Von:  Shunya
2011-10-26T12:33:06+00:00 26.10.2011 14:33
Yay, neues Kapitel. Okay, ist zwar schon etwas länger on, aber ich hatte noch keine Zeit es zu lesen. >.<
Mir gefiel die Autofahrt mit Devlin und Dray. Dann konnte man auch gleich mal erfahren, was für ein Mensch Dray so ist. Immerhin gab es bisher noch nicht allzu viel über ihn zu erfahren.
Devlin und Jesse scheinen sich ja wirklich zu vermissen. So abgelenkt und in Gedanken versunken, wie die Beiden ständig sind. ;)
Echt süß!
Find ich interessant, dass Jesse schon Sunny kennengelernt hat. Ob es da noch missverständnisse geben wird? Immerhin sehen die Kerle in die die Beiden verliebt sind, gleich aus. Wäre jedenfalls amüsant. Aber ich denke, dann würde es noch viel mehr Katastrophen geben.
Das Ende des Kapitels fand ich echt lustig. Genauso wie sich die Zwei kennen gelernt haben. Echt ulkig. :D
Von:  evejean
2011-10-22T06:48:52+00:00 22.10.2011 08:48
Ui das nä. kapitel kam ja schnell. ja das ende is net ganz so gemein, aber sehr überraschend find ich. devlin scheint sich ja langsam seine gefühle für jesse bewußt zu werden. bin sehr gespannt wie es weiter geht.

lg eve
Von:  kuestenfee1
2011-10-21T18:29:10+00:00 21.10.2011 20:29
Super, dass das neue Kapitel so schnell kam.
Ich habe mich sehr gefreut.^^
Ach je, Dray hat es ja wirklich nicht leicht mit seinen Gefühlen. Ich wünsche ihm aber, dass Sunny seinen Antrag annimmt.^^
Devlin und Jesse "leiden" aber auch furchtbar unter der vorübergehenden "Trennung". *fg*
Ich frage mich aber, was die Tiere von Jesse so beunruhigt. Die späte Fütterung ist es glaube ich nicht. Ob es der Mond ist? Oder das Huf-Getrappel, welches Jesse gehört hat?

Da ich es schön finde, dass Devlin so spät abends noch bei Jesse auftaucht, glaube ich nicht daran, dass er sich wieder über den Lärm beschwert. Eher vermute ich, dass er sich Sorgen um Jesse gemacht hat und ihn deshalb noch aufsucht.^^

Ich bin schon sehr gespannt, was jetzt passiert. Werden die beiden gemeinsam die Zäune absuchen? Oder jagt Devlin Jesse gleich wieder ins Haus um seinen Knöchel richtig auszukurieren?

Ich lasse mich überraschen.^^

Liebe Grüße
fee-chan
Von:  evejean
2011-10-16T07:15:37+00:00 16.10.2011 09:15
ein neues kapitel *freu*
der arme jesse, aber ich glaub ganz hoffnungslos sind seine gefühle für devlin nicht ^^

lg eve
Von:  Shunya
2011-10-12T23:35:32+00:00 13.10.2011 01:35
Yay, ein neues Kapitel! :)
Hätte nicht gedacht, dass es so schnell weitergehen würde.
Schade, dass nichts zwischen Jesse und Devlin passiert ist. das war die Gelegenheit!
So ein verletzter Knöchel ist echt mies. Ich hab mir mal meinen in der Grundschule beim Sportunterricht gebrochen und konnte ziemlich lange nicht laufen. Und es tat ganz schön weh.
Ich finde es wirklich rührend, wie Devlin sich um Jesse gekümmert hat und auch so immer wie eine Henne um ihn herumgelaufen ist und ihm alles von den Augen abgelesen hat. >.<
Wo Devlin wohl hin ist? Ich war ziemlich überrascht. Der hat sich ja regelrecht aus dem Staub gemacht. O.o"
Von:  kuestenfee1
2011-10-12T20:10:27+00:00 12.10.2011 22:10
Danke für dieses supertolle neue Kapitel.
Ich habe mich sehr gefreut, dass es nach so langer Zeit wieder Lesestoff gibt.^^
Und wie es aussieht, hatte ich mit meinem letzten Kommi doch fast recht.^^
Sie sind zurückgeschreckt. Auch wenn es wegen des Donners war.
Jesse tut mir Leid. Ich hatte auch mal einen verletzten Knöchel und weiß, wie Höllisch das weh tut.
Aber warum ist er damit nicht zum Arzt, denn immerhin ist ja schon eine Woche vergangen? Oder habe ich das nur überlesen?
Ich frage mich, warum und wohin Devlin eine Zeit lang verschwindet, und warum er es Jesse nicht schon früher gesagt hat.
Ich bin schon sehr auf die Antworten gespannt. Vielleicht gibt es sie ja schon im nächsten Kapitel.^^

Liebe Grüße
fee-chan
Von:  Shunya
2011-10-10T12:49:45+00:00 10.10.2011 14:49
Einfach nur genial!!! *.*
Ich habe alle fünf Kapitel an einem Nachmittag verschlungen und hab mich echt amüsiert. Devlin fährt wirklich schnell aus der Haut. ;)
Ich fand es echt süß, wie unbeholfen er ständig versucht hat sich mit Jesse wieder zu vertragen. Und dann noch die Szene, wo der arme Junge sich auch noch so schwer verletzt hat und von Devlin umsorgt wurde.
Nur schade, dass es ausgerechnet an so einer süßen Stelle nicht weitergeht. Ich hoffe, es gibt demnächst mehr Kapitel.
Die Fanfic gefällt mir sehr gut. Die Charaktere sind abwechslungsreich gestaltet und dein Erzählstil gefällt mir auch sehr gut.
Von:  kuestenfee1
2010-11-11T20:57:34+00:00 11.11.2010 21:57
Nachdem ich heute das erste Kapitel dieser Geschichte auf aff.net gelesen habe und doch schon seit langem kein Update mehr war, habe ich hier geschaut, ob Du diese Geschichte nicht auch woanders hochgeladen hast.
Zu meinem Glück habe ich sie hier gefunden und das Beste ist, dass hier sogar schon 5 Kapitel sind.
Ich habe diese Kapitel mit Begeisterung gelesen und finde sie wirklich klasse. Ich bin gespannt, was jetzt zwischen Jesse und Devlin passieren wird. Allerdings glaube ich nicht, dass es zu einem Kuss kommen wird.
Eher denke ich, sie werden sich des drohenden "Unheils" bewusst und schrecken rechtzeitig und peinlich berührt zurück.
Ich hoffe aber, dass die beiden sich näher kommen und vielleicht ja doch noch ein Paar werden.

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel welches hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Liebe Grüße
fee-chan


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