Eine kleine Schulmusik von Kassia (Prideshipping (KaibaxYami; YamixKaiba)) ================================================================================ Kapitel 11: Ein unverhofftes Wiedersehen ---------------------------------------- AN: Ein ganz liebes Dankeschön an Saedy und Atemu-chan für ihre Kommentare =D ------------ Kapitel 11 – Ein unverhofftes Wiedersehen Kaiba war fassungslos, hatte er doch nicht geglaubt, dass Yamis platte Haare als Modesünde noch zu überbieten gewesen wären. Nun jedoch reichte ein Blick auf seinen Rivalen, um feststellen, dass er sich geirrt hatte. Und zwar gewaltig. „Was zur Hölle trägst du da?“, wollte er ungläubig wissen und wusste gar nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. Auf die schreckliche Farbe, die sich furchtbar mit Yamis Haaren biss oder doch lieber den riesigen Kragen, der sicher ein frohes Heim für Milben aller Art bot? Entscheidungen, Entscheidungen. „Schrei nicht so“, zischte Yami derweil und zog die Jacke tief in sein Gesicht in der Hoffnung, dass ihn keiner erkennen möge. Ein nutzloses Unterfangen, da Kaibas lauter Ausruf bereits die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf sie gezogen hatte. Trotzdem wollte Yami es wenigstens versuchen. „Geschenk von Izumi“, murmelte er und schaute beschämt zu Boden. Zumindest hatte er eines bereits gelernt: So wie Kaiba ihn ansah, brauchte Yami in diesem Aufzug gar nicht erst zu versuchen ihn zu verführen. Schade, während der Busfahrt konnte Yami zwar ohnehin nicht viel machen, aber zumindest ein wenig unauffälliges Anfassen hätte schon drin sein können. Dann wiederum...Jacke hin oder her, warum sollte er überhaupt darauf verzichten? Umgeben von all den anderen Schülerinnen konnte Kaiba außer ein paar leeren Drohungen eh nicht viel mehr tun und ein bißchen Risiko machte die Sache sowieso gleich umso spannender. Yami grinste vor Vorfreude. „Izumi also, aha“, sagte Kaiba langsam und verschränkte abweisend seine Arme. „Ich verstehe.“ Der bittere Tonfall war unüberhörbar und erinnerte Yami daran, wie wacklig seine Beziehung zu Kaiba war. Erst vor seinem Gespräch mit Izumi hatte er noch darüber nachgedacht, ob Kaiba und er eine gemeinsame Zukunft nach dem Internat haben würden und nun, nur kurze Zeit später, tat er schon wieder so, als wäre alles super zwischen ihnen. Sie mussten dringend miteinander darüber reden; am Besten sofort, wenn sie wieder vom Ausflug zurück waren. Doch zumindest in einer Hinsicht konnte er Kaiba bereits jetzt beruhigen. „Nein, du verstehst offensichtlich nicht“, konterte Yami und zog Kaiba in eine ruhige Ecke seitlich des Schulgebäudes, in der sie ungestört sein würden. „Wenn sie sich die ganzen Kosten macht, um mir die Jacke zu kaufen, sollte ich wenigstens den Anstand haben, sie zu tragen.“ Er zuppelte unglücklich an dem missratenen Kleidungsstück. „Und wenn sie noch so hässlich ist. Aber“, setzte er hinzu, nachdem er seine Arme um Kaibas Hüfte gelegt hatte und Seto innig drückte, was diesem ein kleines Seufzen entlockte. „Das heißt nicht, dass noch mehr dahinter steckt. Es ist nur eine simple Freundschaftsgeste.“ „Danach habe ich gar nicht gefragt“, murmelte Kaiba und senkte seinen Kopf. Die Chance ließ Yami selbstverständlich nicht ungenutzt. Er zog Kaiba noch ein Stück zu sich herunter und küsste ihn leicht auf den Mund. „Ich weiß, dass du nicht gefragt hast“, erklärte er geduldig. „Doch ich fand, dass du es trotzdem wissen solltest.“ „Hn, wenn du meinst“, zuckte Kaiba unbehaglich die Schultern, löste sich aus Yamis Umarmung und machte sich auf den Weg zum Bus. Logisch betrachtet hatte er nie geglaubt, dass zwischen Izumi und Yami was laufen könnte, trotzdem tat es gut, dies von Yami bestätigt zu bekommen. Auch wenn es Kaiba nach wie vor wurmte von Yami so leicht durchschaut zu werden. „Trag was du willst; mir ist das egal“, versuchte er schroff seine Unsicherheit zu überspielen. „Du siehst schließlich aus wie ein entflogener Tropenpapagei, nicht ich.“ Auch wenn es eine Schande war, dass sich sein Rivale freiwillig dermaßen verunstaltete. Da war Kaiba Yuugis viel zu enger Lederaufzug fast noch lieber. „Ugh, kein guter Gedanke“, rügte sich Kaiba im Stillen selbst, während er versuchte das ungebetene Bild des Zwerges mit dem von Yami zu überdecken. Dieser derweil ließ seine Hand frech über Kaibas verlängerten Rücken gleiten, was prompt in einen erschrocken zurücktretenden Kaiba resultierte, der auf Yamis Fuß trat. Yami keuchte vor Schmerz und nahm flink seine Finger weg. „Schon verstanden, nicht anfassen“, deutete er die Attacke falsch und Kaiba sah wenig Sinn darin ihn zu berichtigen. Yami sollte ihn schließlich wirklich nicht ungefragt antatschen, wenngleich Kaiba ihm in diesem Fall nicht absichtlich weh getan hatte. Als Yami jedoch mit einem unübersehbaren Humpeln enttäuscht an ihm vorbei schlich, überkam Seto ein Anflug von Mitleid. „Ich mache es später wieder gut“, wisperte er rau in Yamis Ohr und drückte leicht die Stelle auf Yamis Brust, von der er wusste, dass dort sein Knutschfleck war. Yami zuckte zwar kurz zusammen, ließ sich ansonsten aber nichts weiter anmerken und setzte ungerührt seinen Weg fort. Kaiba runzelte die Stirn. Da bot er Yami zur Abwechslung etwas von sich aus an und den interessierte das nicht einmal?! Er öffnete gerade den Mund, um Yami eine Beleidigung entgegen zu schleudern, als dieser ihn über die Schulter hinweg mit einem lüsternen Grinsen bedachte. „Überlege dir besser schon einmal, wie genau du es wieder 'gut machen' willst. Ich habe gewisse Ansprüche“, informierte er Kaiba, der ebenso anzüglich zurück grinste. Wenn Seto Kaiba auf eines stolz war, dann dass er immer sein Bestes gab; Yamis gewisse Ansprüche inklusive. -------------------------------------- Die Busfahrt nach Domino stellte sich zu Yamis Enttäuschung als eine recht eintönige heraus. Er bekam gar nicht erst die Gelegenheit Kaiba ein wenig zu ärgern, da sich Izumi ihnen direkt gegenüber gesetzt hatte und sie die ganze Fahrt über ununterbrochen bequatschte. Kaiba steckte seine Nase in ein Buch und ignorierte Izumi gewohnt geflissentlich und Yami gleich mit, den es nach wie vor überraschte, wie schnell Kaibas Persönlichkeit zwischen reserviert und verspielt hin- und her schwanken konnte. Jedenfalls war Yami, so gern er Izumi auch hatte, heilfroh, als sie endlich in der Stadt angekommen waren und er vor Izumi flüchten konnte. Ganz in der Nähe des Busbahnhofs war ein Kartengeschäft, das Yami sofort zielstrebig ansteuerte. Kaiba folgte ihm weitaus gemächlicher. Er bezweifelte zwar, dass der Laden irgendwelche seltenen Karten anbot, war aber andererseits neugierig, ob Yamis etwas Nützliches finden würde, um sein Deck zu modifizieren. Außerdem hatte er momentan sowieso nichts Sinnvolleres zu tun. „Wartet, ich will mit!“, rief ihnen Izumi hinterher und gesellte sich, von ihrem Sprint ganz außer Atem, an Kaibas Seite. Dieser betrachtete sie abwertend. „Solltest du nicht Yumi hinterher hecheln?“, fragte er übellaunig, doch Izumi schüttelte entschieden ihren Kopf. „Nein, ich dachte nämlich, wir könnten uns mal unterhalten“, erklärte sie; schwer bemüht, mit Kaibas langen Beinen Schritt zu halten. Kaiba verzog das Gesicht; glaubte er doch nicht, dass das Mädchen irgendetwas Vernünftiges zu sagen hatte. „Und worüber?“, wollte er dennoch wissen und fragte sich augenblicklich, warum er nicht einfach den Mund gehalten hatte, denn Izumi würde die Frage bestimmt gleich als Aufforderung verstehen, ihm ihre Lebensgeschichte aufzutischen. Glücklicherweise irrte er sich. „Über Yumi-chan und mich“, verkündete Izumi und merkte gar nicht, wie sich Kaibas Körper ob der einfachen Aussage wütend anspannte. „Was ist mich euch beiden?“, hakte er gefährlich ruhig nach. Glaubte dieses Mädchen wirklich Yami hätte Interesse an ihr? Die Seifenblase würde Kaiba nur zu gerne zum Bersten bringen. „Wir haben uns unterhalten und ich“, sie beugte sich verschwörerisch vor und stoppte Kaiba mit einer ungebetenen Hand auf seinem Arm. „Ich weiß Bescheid“, erklärte sie großspurig und tippte sich mit einem Finger auf ihre Nasenspitze. „Bescheid?“, echote Kaiba unverständig und Izumi nickte. „Hoffentlich meint sie nicht, dass sie unsere Verkleidung durchschaut hat“, mutmaßte Kaiba düster, doch dann fiel ihm ein, dass es hier immerhin um Izumi ging; das Mädchen, das genauso dämlich war wie Bonkotsu und mindestens ebenso nervig. „Ja, über euch zwei.“ Sie holte tief Luft und blies ihre Backen in der Imitation eines Hamsters auf. „Ich werde den anderen aber nichts verraten“, schwor sie feierlich. „Was in eurem Schlafzimmer passiert, ist eure Sache. Ihr habt meinen Segen und ich wünsche euch von Herzen alles Gute.“ Das losgeworden, rannte sie beschwingt weiter zu Yami, während Kaibas vorherige Anspannung purer Verwunderung Platz machte und sein Kopf um den einen Gedanken kreiste, der ihn in letzter Zeit geradezu zu verfolgen schien: „Was hat denn das jetzt schon wieder zu bedeuten?“ ---------------------------------------- Gelangweilt nahm Izumi eine Packung Karten in die Hand. Natürlich hatte sie schon von Duel-Monsters gehört, sich aber nie weiter dafür interessiert, so dass es ihr schleierhaft war, was Ayumi und Yumi daran fanden. Die beiden jedenfalls trieben sich seit geschlagenen 20 Minuten in dem kleinen Geschäft herum und unterhielten sich gerade angeregt über die beste Strategie – von vornherein auf Angriff spielen oder doch lieber mit Fallen tricksen – und schienen Izumi völlig vergessen zu haben. Nachdem sie von den kleinen Päckchen genug hatte, heftete Izumi ihre Augen an die mit Postern zugekleisterten Wände, auf denen zahlreiche Monster, Werbung für Turniere und Produkte der Kaiba Corporation abgebildet waren. Ein Poster fesselte besonders Izumis Aufmerksamkeit, denn die zwei Personen auf dem Plakat, die sich rivalisierend gegenüberstanden und dabei von ihren Monstern flankiert wurden, kamen ihr seltsam bekannt vor. „Die Meister von Duel-Monsters Seto Kaiba und der ultimative Champion Yuugi Mutou“, las Izumi den kleinen Hinweis auf dem Poster. „Ist ja witzig, die sehen fast genauso aus wie...“ Ihre Augen weiteten sich gleichermaßen erstaunt wie ungläubig. Die beiden kamen ihr deshalb vertraut vor, weil sie sie kannte! Waren am Ende Yumi und Ayumi etwa Yuugi Mutou und Seto Kaiba höchst persönlich? War das möglich? Nein, war es nicht, bei Ayumi würde Izumi nicht die Hand ins Feuer legen, aber Yumi war ihre liebe Freundin und kein Kerl und, okay, so wie Yumi und Ayumi gerade dicht and dicht beieinander standen und sich herausfordernd anblickten, war eine frappierende Ähnlichkeit zu den Personen auf dem Poster unverkennbar und ja, ihre Stimmen waren für Frauen ebenfalls sehr tief, besonders die von Ayumi und sie hatten echt wenig Busen und Hüfte, dafür umso mehr Muskeln und Schultern und bisher hatte auch noch niemand die beiden jemals nackt oder zumindest in Unterwäsche gesehen und nicht zu vergessen Yumis vehemente Weigerung zu schwimmen... Izumis Kinnlade klappte nach unten. Das konnte doch nicht sein, das war bestimmt nur Einbildung, das war...absolut das, was Cho gemeint haben musste. „Yumi-chan ist ein Junge!“ Izumis Gefühle überschlugen sich förmlich. „Sie und Ayumi-san sind Jungs! Mit Schwänzen und allem drum und dran!“ Sie gab einen erschrockenen Laut von sich, als ihr die Tragweite ihrer Entdeckung bewusst wurde. Wen interessierte schon, warum die zwei sich als Mädchen ins Internat geschmuggelt hatten, wen interessierte schon, ob die zwei Seto Kaiba und Yuugi Mutou waren, wen interessierte schon, wer außer ihr und Cho noch davon wusste... Nein, für Izumi zählte nur eins: Sie hatte ihren ersten Kuss an einen schwulen Mann in Mädchenuniform verloren! Das Leben war so unfair zu ihr. „Izumi, geht es dir nicht gut? Du bist ungesund weiß“, drang Yamis Stimme in ihr Bewusstsein und Izumi schluckte ein paar Mal und versuchte überallhin zu starren nur nicht auf Yamis Schritt, was ihr aber nicht gelingen wollte, weil ihr immer wieder grafische Bilder durch den Kopf schossen über das, was sich vermutlich dort befand. „Ist sie wirklich...?“ Nur ein Griff zwischen Yumis Beine und sie wüsste definitiv Bescheid. Nur ein kleiner, dummer Griff... I-ich“, stotterte sie und zwirbelte nervös eine Strähne ihres langen Haares zwischen ihren Fingern. Sie konnte doch nicht ernsthaft Yumi dahin packen! So verrückt war selbst sie noch nicht. „Du~“, half Yami ihr nach, nachdem Izumi seit einer geschlagenen Minute kein Wort mehr herausbekommen hatte und legte ihr eine Hand auf die Stirn, um ihre Temperatur zu fühlen. „Bist du krank? Du schwitzt furchtbar“, stellte er fest und seine unverhohlene Sorge trieb Izumi die Röte in die Wange. „Ich bin nur müde“, log sie ausweichend und klopfte Yami dermaßen kräftig auf den Rücken, dass dieser husten musste. „Kümmere dich besser um Ayumi-san, die bedroht nämlich schon wieder den Rest der Menschheit“, setzte sie hinzu und zeigte auf Kaiba, der tatsächlich gerade eine lautstarke Diskussion mit einem kleinen Jungen darüber führte, warum ein Drachendeck sehr wohl spielbar und kein totaler Schrott war. Und so zusammen gekauert und ängstlich, wie das arme Kind sein Deck an sich gepresst nach einem Fluchtweg suchte, kannte Kaiba in seiner Argumentation wie üblich kein Erbarmen. „Tja, das war zu erwarten. Ein Schulausflug und Ayumi konnte nicht gut gehen“, seufzte Yami und verzog das Gesicht. „Zeit für Schadensbegrenzung. Wir sehen uns später, entweder hier oder zurück im Internat“, verabschiedete er sich hastig von Izumi und eilte an Kaibas Seite, der nicht gerade glücklich über die Einmischung wirkte, aber seine Tirade immerhin einstellte. Izumi musste lächeln. Egal, wer oder was Yumi-chan wirklich war, in erster Linie war sie ihre Freundin und wenn Yumi und Ayumi Geheimnisse hatten, dann sollte Izumi sie auch respektieren. Allerdings, das nahm sie sich ganz fest vor, würde sie im Sportunterricht zukünftig nicht mehr vor Yumi in Slip und BH herumtanzen. Nur für alle Fälle. ------------------------- Das letzte Mal waren Yami und Kaiba während des Battle City Turniers zusammen durch die Stadt gelaufen. Doch während damals Yamis Freude über die gemeinsame Zeit mit Kaiba getrübt wurde von Jounouchis und Anzus Entführung und Kaibas Besessenheit von den Götterkarten, war ihr heutiger Ausflug wesentlich entspannter. Es tat gut, wie selbstverständlich neben Seto herlaufen zu können und Yami genoss jede einzelne Sekunde. Kein Fan erkannte sie, niemand sprach sie an, Izumi war in die nächstbeste Kleiderboutique verschwunden und Yami wagte es sogar, kurz Kaibas Hand zu drücken, der ihm einen strafenden Blick zuwarf, Yamis Aktion aber ansonsten unkommentiert hinnahm. Yami wünschte sich wirklich, dass es zukünftig auch noch so sein würde. Ein unerfüllbarer Traum; Kaiba war viel zu bekannt, als dass er sich öffentlich in einer Beziehung mit einem Mann sehen lassen könnte, dennoch hoffte Yami, dass er und Seto zumindest privat so manch eine ruhige Stunde wie diese haben würden. Yamis konstantes Lächeln entging Kaiba derweil nicht; ebenso wenig die Art und Weise, wie sich Yami immer dichter an ihn drängte und mit seinen Fingern diskret über Kaibas Arm fuhr. Kaiba war niemand, der sich von seiner Libido leiten ließ, aber nach einer Woche voller neckender und nicht gerade unschuldiger Berührungen bekam er allmählich doch den Drang, sich mit Yami in das nächstbeste Hotelzimmer einzuschließen für ein wenig ungestörte Zeit zu zweit. Und dem perversen Grinsen Yamis nach zu urteilen, mit dem dieser Kaiba gerade beglückte, erging es seinem Rivalen da nicht anders. „Gut zu sehen, dass du wieder besser gelaunt bist“, bemerkte Kaiba allerdings neutral und stellte zufrieden fest, dass weder seine Stimme noch sein Körper seine Anspannung verrieten. „Heute Morgen warst du nämlich unausstehlich.“ „Ach ja, heute Morgen“, entsann sich Yami bitter. Warum musste ihn Kaiba ausgerechnet jetzt daran erinnern, dass ihre Beziehung quasi nur auf geborgter Zeit im Internat basierte? „Deswegen sollten wir noch eine kleine Unterredung führen, aber das kann warten, bis wir zurück sind. Jetzt würde ich erst einmal lieber was Essen gehen und den Tag genießen.“ Yamis Tonfall hatte etwas Endgültiges und wenngleich Kaiba schon gerne wüsste, was Yamis Problem war, gab er sich in diesem Fall vorerst geschlagen. Er musste hier schließlich keinen Streit anzetteln und möglicherweise noch die Aufmerksamkeit unerwünschter krimineller Individuen auf sich ziehen. „Fein, später dann“, stimmte er darum zu und ruckte sein Kinn in Richtung eines kleinen, nur wenige Meter von ihnen entfernten Restaurants. „Wie wäre es damit?“, schlug er vor und Yami stimmte sofort zu; froh, dass Kaiba nicht auf eine sofortige Aussprache bestand. ------------------------------------- „Mensch, wo bleibt er denn?“, maulte Jounouchi und hielt sich eine Hand über die Augen, um die Gegend zu sondieren. „Ich habe Hunger. Hättest du den Treffpunkt mit Yami nicht in einen Imbiss oder so verlegen können?“ Jounouchis Magen knurrte laut und er sank stöhnend auf die Knie. „Huuunnngggerrr“, jammerte er lauthals, was Honda neben ihm dazu veranlasste, ihm in Sympathie den Kopf zu tätscheln. „Hör auf rumzuspinnen und halt lieber die Augen offen. Yami müsste jeden Moment kommen“, tadelte Anzu genervt und kramte einen Schokoladenriegel aus ihrer Tasche. „Hier, das sollte für den Anfang reichen.“ Sofort griff der nach eigener Aussage halb Verhungerte nach dem kostbaren Stück Nahrung, doch Honda war schneller und schnappte sich den Riegel noch ehe Jounouchi ihn auch nur berührt hatte. „Das ist meiner! Gib ihn sofort wieder“, schnappte Jounouchi und stürzte sich auf seinen Freund, der mit dem Finger wackelte. „Ich sehe hier nicht deinen Namen drauf stehen“, verteidigte Honda sich und inspizierte den Riegel genau. „Nope, nichts zu sehen. Tja Alter, Pech für dich.“ „Her damit, du Mistkerl!“ „Zwing mich doch!“ „Jungs, jetzt hört schon auf“, mischte sich Yuugi beherzt ein und stellte sich zwischen die Streithähne. „Es ist nur ein blöder Schokoladenriegel. Dafür bringt man sich nicht um.“ Honda und Jounouchi wechselten einen schnellen Blick. „Aber Yuugi“, weihte Jounouchi seinen besten Freund ein und legte ihm einen kameradschaftlichen Arm um die Schulter. „Hierbei geht es nicht nur ums Essen; es geht ums Prinzip.“ „Genau“, stimmte Honda mit ein, der eine Hand auf sein Herz legte und todernst nickte. „Wir als Männer sind dazu verpflichtet, uns unsere gegenseitigen Stärke zu beweisen und ständig heraus zu fordern, denn in diesem ewigen Kampf des Lebens haben nur die Besten eine Chance auf Ruhm und Ehre.“ „Ruhm und Ehre?“, wiederholte Yuugi und seine großen Augen blinzelten verwirrt. „Absolut“, griff Jounouchi den Faden auf und drückte Yuugi fest an sich. „Und nicht zu vergessen die Frauen! In diesem Sinne...“ Seine Stimme schwoll dramatisch an. „Es kann nur einen geben!“ Anzu stemmte erbost ihre Hände in die Hüfte. „Erstens redet ihr Stuss und zweitens hast du das Zitat geklaut“, beschwerte sie sich und zeigte auf Yuugi, den Jounouchi immer noch fest im Griff hatte. „Und Drittens erwürgst du gerade Yuugi, also wenn du vielleicht die Güte besäßest ihn loszulassen?“ „Oh, sorry Kumpel“, lachte Jounouchi heiser und kratzte sich verlegen am Kopf. „Es ist wohl gerade ein wenig über mich gekommen.“ Er boxte Yuugi leicht in die Schulter. „Noch alles heile bei dir?“ „Ja, danke“, lächelte Yuugi und nahm Honda den Riegel aus der Hand. „Mir würde es aber noch besser gehen, wenn ihr zwei einfach teilen würdet.“ Er brach den Riegel entzwei und reichte ihnen je eine Hälfte. „Ärks, wenn es denn sein muss“, murrte Jounouchi halbherzig und verspeiste mit einem großen Bissen seinen Anteil. Honda tat es ihm gleich. „Nur fürs Protokoll“, mampfte er mit vollem Mund und leckte sich die Finger sauber. „Meine Frauen teile ich nicht mit dir!“ „Welche Frauen? Du hast doch gar keine.“ „Aber du was?“ „Im Gegensatz zu dir“, Jounouchi tippte sich zur Verdeutlichung auf seine stolz geschwellte Brust, „verpassen mir nicht alle Weiber einen Korb. Wenn ich wollte, könnte ich eine an jedem Finger haben!“ „Die Weiber will ich überhört haben“, mischte sich Anzu beleidigt ein, was aber sowohl Honda als auch Jounouchi nicht weiter beachteten. „Beweise!“, verlangte Honda und gestikulierte in eine vorbeigehende Menschenmenge. „Da, lauter Mädchen. Dann mal ran, oh du großer Frauenheld.“ „Das, mein Freund, kannst du haben. Ich wähle die Kleine dort drüben, dann kannst du mal sehen, wie man das richtig macht“, zeigte Jounouchi auf ein Mädchen und marschierte mit arrogant erhobenem Kinn davon. Yuugi warf einen zweifelnden Blick auf die Auserwählte. „Uh, Jounouchi-kun“, warf er zaghaft ein, nachdem er das Mädchen genau in Augenschein genommen hatte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das...“ „Ja, ja, ich weiß schon“, tönte Jounouchi und winkte ab. „Du willst sagen, dass das eine dumme Idee ist. Lass mich nur machen.“ Damit rannte er in Rekordtempo auf sein ahnungsloses Opfer zu, das gerade interessiert einige Schaufenster inspizierte. Jounouchi räusperte sich. „Hallo, schönes Wetter heute, was?“, grinste er und verschränkte lässig die Arme hinter seinem Kopf. Das Mädchen an seiner Seite versteifte sich. Uh oh, das war nicht gut. „Ähm, bist du öfter in der Gegend?“, wollte er dann schnell wissen und legte so viel Verführung in seinen Tonfall, wie er ohne Vorbereitung nur konnte. Was nicht viel war, wenn er die Reaktion des Mädchens bedachte, das nun leise lachte und ansonsten weiterhin stur die Geschäftsauslagen betrachtete. Aus der Ferne drang Hondas selbstgefälliges Gelächter an seine Ohren. „Na gut, Zeit für Plan B“, dachte Jounouchi grimmig. Eigentlich hatte er nicht so weit gehen wollen, aber Honda ließ ihm keine Wahl. Er würde es seinem angeblichen Freund schon zeigen. „Ich heiße Jounouchi Katsuya“, stellte er sich mit weiß blitzenden Zähnen und funkelnden Augen vor. „Und es wäre mir eine Freude dich auf einen Kaffee einzuladen. Klingt doch super, oder?“ Gedanklich verabschiedete er sich bereits schweren Herzens von seinen hart erarbeiteten letzten Yen und dem leckeren Essen, das er sich eigentlich davon hatte kaufen wollen. „Ach, ich weiß nicht“, stammelte das Mädchen und starrte auf ihre Schuhe. „Ich und du, ganz alleine...“ „Wirke ich wirklich so kriminell?“, wunderte sich Jounouchi beleidigt. Das verlangte eine sofortige Klarstellung. „Hey, ich bin ein ganz Lieber! Jeder, der mich kennt, wird dir das bestätigen und diejenigen, die es nicht tun, kennen mich nicht und zählen deshalb nicht. Also? Ich gebe dir auch noch ein Stück Kuchen dazu aus.“ „Na gut“, gab sich das Mädchen geschlagen und drehte sich zu ihm um. „Aber ich muss dich warnen, mein Freund ist von der eifersüchtigen Sorte. Genau genommen ist er gerade ganz in der Nähe und wenn er uns zusammen sieht, kann ich für nichts garantieren.“ „W-was?“ Erschrocken trat Jounouchi zurück. „Nee, darauf kann ich verzichten!“, rief er entschieden und sah sich panisch nach irgendwelchen wütend auf ihn zustürmenden Freunden um, die planten ihn zu Mus zu hauen. Das Mädchen lachte lauthals ob des Anblicks und als Jounouchi erneut seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sie richtete, traf es ihn wie ein Hammerschlag. Er blinzelte einmal, zweimal, doch noch immer wollte das Bild nicht verschwinden. Verblüfft rieb er die Augen, was ebenfalls keine Änderung herbei führte. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, dieses Mädchen sah genauso aus wie Yami! „Yami?“, fragte er deshalb vorsichtig und dieser grinste breit und salutierte in falscher Hochachtung. „Der einzig Wahre“, bestätigte er und sah aus den Augenwinkeln Yuugi und seine restlichen Freunde, die zu ihnen eilten. „Ich muss schon sagen, deine Erleuchtung kam ganz schön spät.“ „Ja, gut, aber warum siehst du auch aus wie...“ Er machte eine hilflose Geste. „Wie das da halt. Warum trägst du einen Rock und alles? Bist du plötzlich eine Transe oder was?“ Yamis Brauen hoben sich überrascht. „Hat Yuugi dir nichts erzählt?“, wollte er wissen und Jounouchi zuckte die Schultern. „Schon, er hat irgendetwas von Yakuza, Flucht und Schule gesagt. Klang wie ein schlechter Film, deshalb habe ich irgendwann nicht mehr richtig zugehört.“ Bevor Yami dazu eine Erwiderung einfallen konnte, war Yuugi schon bei ihm und riss ihn in eine dicke Umarmung. „Mensch, Yami, ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht“, war seine vorwurfsvolle Begrüßung, die in Yami die Schuldgefühle hochsteigen ließ. „Tut mir Leid. Ich hätte mich ja öfter gemeldet, aber...“ „Aber?“, harkte Anzu nach und umarmte ihn nun ebenfalls, wobei Yami von der ganzen Umarmerei vor Luftmangel schon rot anlief. Als Honda ihn ebenfalls noch drückte, hatte Yami das Gefühl, jeden Moment ohnmächtig umzufallen. 'Aber ich war so glücklich allein mit Kaiba zu sein, dass ich alles andere um mich herum vergessen habe' wäre die ehrliche Antwort gewesen. Selbstredend war das etwas, was er seinem Aibou nicht sagen konnte, denn noch mehr verletzen wollte er Yuugi nun wirklich nicht. „Es ist kompliziert“, meinte er stattdessen und Yuugi, dem Yamis Unbehagen nicht entging, akzeptierte die nichtssagende Aussage widerspruchslos. „Wir hätten dir helfen können“, warf Anzu leise in die Runde und Honda und Jounouchi stimmten sofort mit ein. „Ja Mann, diese Typen machen wir gemeinsam platt!“ „Wie in alten Zeiten. Zusammen besiegen wir jeden Feind.“ „Genau, du sagst es“, bekräftigte Jounouchi und reckte eine Faust in die Höhe. „Zeig mir das Arschloch, das dich umbringen will und ich mach ihn für dich alle.“ Yami fehlten die Worte. Das war ja furchtbar lieb (und bescheuert), dass sich seine Freunde dermaßen für ihn engagierten und ihre eigene Sicherheit dabei über Bord warfen, aber keinesfalls würde Yami zulassen, dass sie sich seinetwegen in Gefahr brachten. „Kaibas Männer haben den Schuldigen bereits ausfindig gemacht und die Polizei verständigt“, schwindelte er und setzte ein unbeschwertes Lächeln auf. „Ihr kommt also zu spät.“ „Wirklich?“, fragte Yuugi, der nicht sicher war, ob er Yami wirklich Glauben schenken sollte. „Dann kommen du und Kaiba-kun bald nach Hause?“ „Ja“, bestätigte Yami und wich Yuugis misstrauischem Blick aus. „Wir müssen nur noch ein paar Sachen erledigen. Dauert aber bestimmt nur zwei, drei Tage.“ Mit einem Mal blickte er hastig auf seine Uhr. „Ah, schon so spät“, erklärte er und rannte unvermittelt los. „Der Bus fährt gleich, ich habe es also eilig!“ Das war eine glatte Lüge, aber bevor Yuugi und die Anderen ihn stoppen konnten, war Yami bereits um die nächste Ecke verschwunden. Es war ihm wahrlich nicht wohl dabei seine Freunde dermaßen abblitzen zu lassen, doch wenn sich diese erst einmal vorgenommen hatten, ihn zu beschützen, würde er sie niemals davon abbringen können. Und für Yami stand fest, dass Yuugi im weiteren Gesprächsverlauf sein Lügengebilde durchschaut und gemerkt hätte, dass die Angelegenheit mit der Yakuza nicht so erledigt war, wie Yami ihm weismachen wollte. Zurück bei Kaiba begrüßte ihn dieser mit einem mürrischen „Wo warst du? Ich warte schon seit Ewigkeiten auf dich.“ Mit Schwung warf er Yami dessen Jacke entgegen. „Jedenfalls habe ich keine Lust, noch länger deinen Kleiderständer zu spielen. Nur weil deine Freunde dich damit nicht sehen sollten, musst du nicht mir dein Zeug aufdrücken.“ Yami ignorierte das Gemecker, zog sich seine Jacke über und blickte sich suchend um. „Nicht, dass ich mich nicht freue, dich zu sehen, aber wo ist Mokuba? Du wolltest dich doch hier mit ihm treffen, oder nicht?“, wollte er wissen und Kaibas Augen verdunkelten sich unheilvoll. „Er kann nicht“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und auch wenn seine Worte in erster Linie wütend klangen, konnte Yami deutlich die Enttäuschung in Setos Gesicht erkennen. „Isono hat mich vorhin angerufen und mir mitgeteilt, dass Mokuba Nachsitzen und Aufräumdienst als Strafe für eine Prügelei bekommen hat und noch für die nächsten zwei Stunden in der Schule festsitzt.“ Yami stutzte verwundert. „Mokuba hat sich geprügelt?“ „Ah“, meinte Kaiba ohne weitere Ausführung und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Und warum?“, bohrte Yami weiter, bekam als Antwort aber nur ein Schulterzucken, womit Kaiba offenbar das Thema als beendet ansah. Es war nicht so, dass Kaiba das 'warum' nicht kannte; vielmehr war er der Meinung, dass es Yami schlichtweg nichts anging. Ein besonders übles Gerücht über einen angeblichen Zusammenbruch Seto Kaibas hatte leider den Weg in Mokubas Schule gefunden und als dieser deswegen von einem extrem vorlauten Jungen immer wieder aufgezogen worden war, hatte sein Bruder schließlich die Nerven verloren und zugeschlagen. Unschlüssig kaute Kaiba auf seiner Unterlippe. Mokuba hatte ihn nur verteidigen wollen und an dessen Stelle hätte Seto, wenn es um seinen kleinen Bruder gegangen wäre, genauso gehandelt, aber er fand es dennoch beunruhigend zu sehen, wie ähnlich ihm Mokuba in gewisser Hinsicht war. Kaiba war klar, dass er selbst nicht immer das beste Vorbild abgab. Umso mehr hoffte er, dass zumindest Yuugi einen mäßigenden Einfluss auf den Kleinen haben würde, selbst wenn das bedeutete, dass er dafür hin und wieder Yuugis Gegenwart (sowie die seiner ihm ewig nachlaufenden Freunde) ertragen musste. „Zumindest Yami dürfte dies gefallen. Der liegt mir ohnehin ständig in den Ohren, dass ich zu dem Versagerpack netter sein soll. Yami wäre somit glücklich und Mokuba hätte jemanden zum Spielen. Alles in allem kein schlechter Handel“, tröstete er sich, wenngleich der Gedanke dennoch einen fahlen Nachgeschmack bei ihm hinterließ. Zum Glück hatte Yami nie erwähnt, dass Kaiba bezüglich seiner Nettigkeit keine Hintergedanken haben durfte. Dennoch, nachdem Mokuba heute nicht mehr auftauchen würde, war für Kaiba der Ausflug gelaufen. „Wir sollten zurück zum Bahnhof gehen und dort in einem Cafe auf die Abfahrt des Busses warten“, beschloss er und wartete Yamis Reaktion erst gar nicht ab, sondern setzte sich sogleich in Bewegung. Yami folgte ihn mit einem verhaltenen Seufzen. ----------------------------------- Wenn der Mann im schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille seine Woche mit einem Wort zusammen fassen müsste, so wäre es das folgende: Ein Trauerspiel. Seit Tagen nun suchte er schon seine ungebetenen Zeugen, um sie abzuknallen und die ließen sich nicht mal ansatzweise blicken! Jiro war nur froh, dass er dies bis jetzt vor seinem Boss hatte geheim halten können und auch die Polizei von seinen Zeugen noch nicht eingeschaltet worden war, doch ewig würde dieser Umstand sicher nicht halten und was für Konsequenzen ihm dann drohten, wollte sich Jiro nicht mal in seinen kühnsten Albträumen vorstellen. Umso wichtiger war es, dass er endlich diese Jungs in die Finger bekam. „Man sollte meinen, dass die schräge Frisur von dem Zwerg ein todsicherer Anhaltspunkt wäre, aber nein...scheiß Jugendliche mit ihren scheiß Trends und ihren scheiß Haaren!“, grollte Jiro und kickte verärgert eine leere Dose über den Bürgersteig. Wie hätte er denn ahnen sollen, dass Stachelköpfe unter den Jugendlichen gerade der Renner schlechthin waren? Besonders verbreitet in Jugendgangs, die einfach nur mit ihrem Aussehen provozieren wollten, aber auch unter diesen sogenannten Duellanten von diesem blödsinnigen Kartenspiel, die damit ihrem ebenso blödsinnigen König nacheiferten und huldigten. Ein gewisser Yuugi Mutou, wie ihm berichtet wurde. Diesen hatte Jiro in einem kleinen Spielegeschäft ausfindig machen können, doch nur ein Blick auf den kleinen Jungen mit den großen, violetten Augen, der unbeschwert lachend aus der Ladentür getreten war und Jiro hatte bereits gewusst, dass er schon wieder den falschen Typen erwischt hatte. Sein Zeuge hatte einen größeren, kräftigeren Körperbau gehabt und selbst aus der Entfernung eine viel stolzere, um nicht zu sagen arrogantere Haltung sowie mehr Stachel auf dem Kopf. Angesäuert sah sich Jiro in den überfüllten Straßen Dominos um. Es war hoffnungslos; er würde bei diesen ganzen Menschenmassen nie seine beiden Gesuchten finden; insbesondere, da sich seine Kenntnisse über die Gestalt des zweiten auf 'er ist groß, schlank und männlichen Geschlechts' beschränkten. Zur Nervenberuhigung zündete sich Jiro eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, während er gleichzeitig seine Umgebung im Auge behielt. Vielleicht sollte er einen Privatdetektiv anheuern, der ihm unterstützend unter die Arme griff? Oder er könnte eins seiner Bandenmitglieder einweihen. Irgendjemand schuldete ihm bestimmt noch einen Gefallen und würde ihrem Boss gegenüber dicht halten und... ...Und meine Güte, war das eine abscheuliche Jacke! Das Mädchen stach mit dem grellen Kleidungsstück geradezu aus der Menge heraus und Jiro konnte nicht anders, als hemmungslos zu starren. Das war das Schöne an der Kin-Yakuza-Bande: Sie legte Wert auf ein gepflegtes Äußeres, so dass dort solche Modeentgleisungen gar nicht erst vorkamen. Aber selbst von der Jacke abgesehen, war die junge Dame ein Fall für sich; ihre rötlichen Augen und das blond-schwarz-rote Haar jedenfalls waren zweifelsohne ungewöhnlich und fesselten nachhaltig Jiros Interesse. Plötzlich kam ein kräftiger Windstoss auf und pustete Jiro beinahe die Brille von der Nase. Die Frisur des Mädchens sowie die ihrer hochgewachsenen Begleiterin litten ebenfalls und wurden ordentlich zerzaust, doch während sich das große Fräulein nur genervt durch die Haare strich, musste sich die Kleinere einen komplett neuen Pferdeschwanz binden. Und in dem kurzen Moment, in dem sie das Gummiband gelöst hatte, sprangen ihre Haare in perfekter Sternenform nach oben. Jiro fühlte sich wie vom Blitz erschlagen. Das – genau das – war das Bild, das er vor einer Woche in der Dunkelheit auf diesem alten Fabrikgelände gesehen und was ihn seither verfolgt hatte! All die Punks und Nachahmer, denen er seither begegnet war, waren seiner Erinnerung zwar nahe gekommen, aber bei weitem nicht so nahe wie dieses...Mädchen. Die Stirn des Yakuza legte sich in zahlreiche Falten. Er suchte kein Weib, er suchte zwei Kerle! Wenngleich bezüglich nichts anderem, so war er sich in diesem Punkt zumindest ganz sicher. Allerdings, wenn er genau darüber nachdachte, so sahen diese beiden Mädchen gar nicht mal so besonders mädchenhaft aus und es war wirklich ein seltsamer Zufall, dass ihr Aussehen (vom Geschlecht mal abgesehen) mit dem seiner gesuchten Zeugen übereinstimmte; sie sich zudem in dem Bereich Dominos aufhielten, in dem Jiro damals die Zeugen verloren hatte. Es war ein Schuss ins Blaue, aber dennoch der beste Treffer, den Jiro bisher vorweisen konnte. Außerdem war er verzweifelt. Diskret befühlte er die Waffe in seiner Jackeninnentasche, rückte seine Sonnenbrille zurecht und nahm die Verfolgung auf. Mit ein wenig Glück fand seine elende Suche heute endlich ein Ende und – er tastete erneut nach seiner Pistole – er würde sicherstellen, dass es ein endgültiges war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)