Toras Vergangenheit von igorrrr ================================================================================ Kapitel 1: Was ihr Leben veränderte ----------------------------------- 1. Was ihr leben veränderte Tora lag an diesem Abend im Bett und konnte nicht einschlafen. Ken hingegen war schon seit Stunden im Reich der Träume. Sie beobachtete den leichten Wind der mit den hauchdünnen weißen Gardinen des Fensters spielte. Es war warm in dieser Nacht, um die 25° C. Die brasilianische Sonne hatte am Tag die Luft bis zu 40 Grad aufgeheizt. Tina sah auf ihren Partner und erinnerte sich, an die Gegebenheiten, wie sie sich kennen lernten. Wie er ein Teil ihres Lebens wurde: Es war 1996. Sie besuchte gerade die zehnte Klasse in der St. Georg Realschule in Rostock. Ihre Eltern waren politisch angagiert. Doch ihr war das im jugendlichen Alter von 16 Jahren ziemlich egal. Ihr kleiner Bruder Stephan war gerade erst vier Jahre alt. Der Kleine war, wie sie sagte, ihre persönliche Nervensäge, aber sie liebte ihn abgöttisch. Am 13.8. 1996 um 10 Uhr: „Tina, hast du nicht Lust mit auf die Kundgebung zukommen?“, fragte ihr Vater, von der unteren Etage nach oben. „Es ist mitten in der Nacht. Lass mich schlafen.“, nörgelte sie aus ihrem Bett heraus. „Du hast demnach keine Lust auf Stephan aufzupassen?“, rief ihre Mutter hoch. „Nehmt ihn doch mit. Habt ihr mit mir damals auch gemacht.“ „O.K., aber du machst dann Mittag. Wir sind etwa um 12.30 Uhr wieder da.“ Sie schlief bis 11 Uhr, stand auf und haute sich dann eine CD in den gegenüber stehenden Rekorder. Ihr Zimmer sah aus wie ein kleines Schlachtfeld. Überall lagen Sachen, Bücher und anderes Zeug rum. Sie duschte, zog sich an, räumte etwas ihr Reich auf und begann dann zu kochen. Sie machte Eierkuchen à la Tina. Es war alles zum abgemachten Zeitpunkt fertig und sie wartete. 12.45 Uhr niemand kam: - Ist garantiert ein Redner da, der tierisch interessant ist. -, dachte sie 13.00 Uhr: - Der faszinierte Redner hört sich wohl gerne reden. -, sinnierte Tina. 13.35 Uhr: Sie sah nach draußen, aber erblickte nur das Geländer der Treppe und dahinter den Nadelbaum. Kein Auto war zu hören, nur ein Zug der hinter dem Haus vorbei fuhr. - Jetzt reicht es. Ich fange an zu essen. -, dachte sie frustriert. Um 14.00 Uhr klingelte es: „Die Eierkuchen sind jetzt kalt!“, rief sie, während sie zur Tür ging. Doch davor stand nicht ihre Familie, sondern zwei Männer. Sie machte die Tür wieder etwas ran, um sie im Falle eines Falles gleich schließen zu können: „Was möchten sie?“, fragte sie verwirrt. „Tina Fuchs?“ „Ja“ Sie zogen ihre Polizeiausweise. „Mein Name ist Kommissar Mayer und das ist mein Kollege Schulz. „Was möchten sie?“, fragte sie noch einmal. „Fräulein Fuchs, heute auf der politischen Veranstaltung von Herrn Gabur wurde ein Anschlag verübt.“ Tina wurde panisch: „Ist meinem Bruder, meinen Eltern etwas geschehen?!“ Die Polizisten sahen sie mitleidig an: „Wir müssen ihnen leider mitteilen, dass ihre Familie ermordet wurde.“, sagte Kommissar Schulz. „Nein, nein. NEIN!“, schrie sie und begann zu weinen. Mayer legte die Hand auf ihre Schulter: „Sie können nicht tot sein! Ich muss sie sehen, vielleicht haben sie, sie verwechselt.“ Sie brach zusammen. Die Polizisten riefen einen Krankenwagen und sie wurde ins Hospital gebracht. Stunden später wachte sie völlig desorientiert auf: „Wo bin ich?“, fragte sie. Das EKG piepte schneller. Sie sah sich in dem sterilen Vierbettzimmer um. Nur eine Krankenpflegerin war mit ihr dort. „Beruhigen sie sich.“, sagte die Schwester. Sie sind ohnmächtig geworden. Die Polizei hat sie hergebracht.“ „Dann ist... ist es war... meine Familie...“, sie bekam einen erneuten Weinkrampf. Die Krankenschwestern versuchten sie zu beruhigen. Es gelang erst als der Arzt ihr eine Beruhigungsspritze gab. Dennoch stand sie vor den Trümmern ihres Lebens. Ihr wurde bewusst, dass sich alles verändert hatte und sie ihre Familie nie wiedersehen würde. Sie erwachte Stunden später aus einem Dämmerschlaf, den ihr die Beruhigungsspritze aufgehalst hatte. Neben ihrem Bett stand jemand: „Anke?“, fragte Tina verunsichert. „Ja.“, antwortete sie von der Trauer ebenfalls halb erstickt. Dennoch nahm sie, sie in den Arm. Beiden flossen Tränen über die Wangen. Stunden blieb sie bei ihr, um Tina so gut es ging zu trösten. Diese musste noch zwei Tage im Krankenhaus bleiben. Für Tina war es irreal, dass ihre Familie nicht mehr da sein sollte. Erst als sie mit Anke vor ihrer Haustür stand und sie aufschloss überkam sie die Gewissheit, dass sich in ihrem Leben alles verändert hatte. Sie sah im Flur Spielsachen von ihrem Bruder liegen. Die Pöms, die sich ihre Mutter gerade erst gekauft hatte. Die Jacke ihres Vaters hing an der Garderobe. Er musste sie an dem Tag vergessen haben. Wahrscheinlich hatte Stephan wieder all seine Aufmerksamkeit aufgebraucht und ihr Vater war froh, als er ihn endlich im Auto hatte, wollte dann aber nicht mehr ins Haus zurück. Er hatte keine Ahnung, dass er es nie wieder betreten würde. Tina hielt den Schlüssel krampfhaft fest und wagte nicht den Flur zu betreten: „Ich kann da nicht rein.“, flüsterte sie. „Soll ich dir ein paar Sachen rausholen?“, fragte Anke. Sie antwortete nicht, also wollte ihre Freundin das Haus betreten. Plötzlich hielt Tina sie fest: „Nein, ich... Ich gehe.“, sie betrat das Haus. Sie gingen nach oben und packten ein paar Sachen zusammen. Bei Anke in Reutershagen setzte sich Tina aufs Bett: „Kann ich was für dich tun? Hast du vielleicht Hunger oder Durst.“ „Nein.“, sagte Tina. „Soll ich uns vielleicht einen Film reinschmeißen?“, bot Anke an. Sie antwortete nicht und legte sich hin. Ihre Freundin hatte Tränen in den Augen, wendete den Blick ab und setzte sich an ihren PC, der auf dem Schreibtisch in ihrem Zimmer stand. Tage später war Fräulein Fuchs alleine im Haus ihrer Eltern. Der Briefkasten explodierte fast als sie ihn öffnete. Es waren Rechnungen über Rechnungen. Sie wusste, es würde ihr nichts anderes übrig bleiben als zum Amt zu gehen, um diese bezahlen zu können. Tina besorgte sich einen Termin. Jetzt saß sie in einem Wartebereich. Es war groß und unpersönlich. Viele Menschen waren da. Sie kam sich komisch vor, so als würde sie gleich betteln gehen und das mochte sie nicht. Nach etwa anderthalb Stunden wurde sie aufgerufen. „Guten Tag, mein Name ist Beck. Was ist ihr anliegen?“, fragte die Beamtin. Tina erzählte die Geschehnisse der letzten Woche. „Oh, das mit ihren Eltern tut mir wirklich leid.“ „Kann ich Geld beantragen, um weiter im Haus wohnen zu können?“ Frau Beck sah sie mitleidig an: „Es tut mir leid, aber das Haus müssen sie verkaufen. Wenn das Vermögen vom Hausverkauf und von den Lebensversicherungen ihrer Familie aufgebraucht ist, können wir sie unterstützen.“ „Was, das kann doch nicht ihr ernst sein! Ich komme hier her, weil irgend so ein Arsch meine Familie umgebracht hat und was kriege ich? Ratschläge wie ich das Erbe meiner Familie verscheuere!“, brüllte sie die Beamtin völlig verzweifelt an. „Es tut mir leid, aber das sind die Bestimmungen...“ Tina ging aus dem Zimmer. Die Tage vergingen und die Beerdigung ihrer Familie rückte immer näher. Auf dem Neuen Friedhof fand die Trauerfeier statt. Tina stand am Grab ihrer Familie, Anke neben ihr, um sie zu trösten. Beide waren umgeben von Fotografen und irgendwelchen Politikern die ihr Beileid bekundeten. Darunter war auch Paul Schmidt. Ein unangenehm dicker Mann mit Schnauzbart. Er war der politische Gegenkandidat des Mannes, auf dessen Pressekonferenz Tinas Familie umgebracht wurde. Der Trauerredner sprach seine Worte. Sie konnte ihm nicht folgen, so sehr schüttelte sie der Verlust. Sie wollte einfach nicht begreifen, dass sie endgültig aus ihrem Leben geschieden waren und ihr nur noch die Erinnerungen blieben: „Anke, lässt du mich bitte alleine?“, bat sie ihre Freundin, nachdem auch die meisten anderen gegangen waren: „Du denkst, ich lasse dich jetzt hier stehen? Vergiss das mal ganz schnell.“, sagte sie. Fuchs legte ein schmerzhaftes Lächeln auf: „Bitte, ich werde mir schon nichts antun.“ „Versprichst du es?“, fragte Anke. „Ja.“ Sie legte ihr kurz die Hand auf die Schulter und ging. Fuchs beobachtete die Gräber. Dahinter war ein Gebüsch und sie hörte etwas: „... SIE GLAUBEN MICH MIT 30.000 DM ABSPEISEN ZU KÖNNEN!“, brüllte jemand. „Seien sie doch nicht so laut, verdammt. ´Hand´, sie haben ihren Job nicht erledigt. Der Kandidat lebt immer noch und sie haben Kinder getötet...“, zischte ein anderer. Tina schlich sich an die Buchenhecke. Konnte es wirklich sein, dass der Mörder und sein Auftraggeber auf der anderen Seite standen. Wie konnten sie es wagen auch hier aufzutauchen. Sie sah durch die Zweige und erkannte den einen an seinen ausladenden Körpermasse. Paul Schmidt. Der andere war aufgrund dessen Ausmaße nicht zu sehen. Tina durchfuhr eine nie gekannte Wut. Es war der blanke Hass. Kapitel 2: Ein Freund --------------------- 2. Ein Freund Drei Monate später: Tina lebte mittlerweile in einer Platte in Rostock Dirkow. Sie hatte dort eine Zweizimmerwohnung bezogen. Sie musste fast alles aus dem Besitzt ihrer Eltern verkaufen. Die Ablösung der Kredite brauchte das gesamte Geld auf und hinterließ ihr dennoch Schulden. Sie funktionierte letztendlich nur noch. Anke besuchte sie so oft es ging, doch die Fröhlichkeit war aus Tinas Leben gewichen. Am Abend im Dirkower Hausflur: „Fräulein Fuchs.“ „Dr. Schwarz?“ „Ja, hallo.“ „Was machen sie hier?“, wendete sie dem Blick zur Tür. „Ich wohne am Ende des Flures und sie?“, fragte der Arzt. „Hier.“, sagte sie, schloss auf und ging rein. - Die Kleine tut mir leid. -, dachte er noch und ging zur Klinik. Er war den ganzen Tag über mit seinen Gedanken bei Tina. Natürlich war er den Patienten gegenüber professionell. Als er nach einer 24h Schicht nach hause kam, fand er sie weinend vor ihrer Haustür. „Fräulein Fuchs, was ist geschehen?“, fragte er, doch sie antwortete nicht. Er hob sie hoch, brachte sie in seine Wohnung und legte sie auf sein Bett. Danach schloss er von außen die Tür und ging in die Küche. André machte sich etwas zu essen. Stunden später erwachte Tina in der fremden Wohnung: „Wo bin ich?“, fragte sie sich halblaut und erinnerte sich nur verschwommen. Sie blickte aus dem Fenster und stellte fest, dass sie noch in ihrem Haus sein musste. Das Zimmer in dem sie sich befand war aufgeräumt, an der Wand hingen Acrylbilder von Rostock und es war hell und freundlich. Tina stand auf und entdeckte im Wohnzimmer Dr. Schwarz. Er wurde auf sie aufmerksam: „Geht es ihnen wieder besser?“, fragte er. „Nein, ich habe meine Schlüssel in der Wohnung gelassen und niemand ist mehr da, um mir zu öffnen.“, meinte sie traurig. Der Arzt grinste sie an: „Seien sie nicht zu schnell mit ihrem Urteil.“, stand er auf und holte aus einer Schublade im Schrank ein Etui: „Kommen sie mit.“ Er ging aus seiner Haustür zu Tinas Wohnung. Aus der Tasche holte er zwei Dietriche und machte sich daran die Tür zu öffnen. Binnen 30 Sekunden war das Schloss geknackt: „Wie haben sie das gemacht?“, fragte Fräulein Fuchs erstaunt. Er wurde etwas verlegen: „Was soll ich sagen. Ich bin Chirurg.“, meinte er dann verschmitzt. „Ich danke ihnen.“ „Kein Problem, Fräulein...“ „Bitte nennen sie mich Tina.“, unterbrach sie ihn: „Mit diesem Fräulein habe ich immer das Gefühl ein Lehrer spricht mit mir.“ „Gut, wenn dir das lieber ist, aber dann nennst du mich André.“ „O.K. und danke noch mal fürs Türaufmachen.“, lächelte sie. „Na das sieht doch schon viel besser aus als dieser traurige Blick.“, freute er sich: „Ich lege mich jetzt ins Bett habe in ein paar Stunden wieder Dienst, aber solltest du irgendwas brauchen, zögere nicht bei mir zu klingeln.“ „Warum bist du so nett zu mir?“, fragte sie. „Ich weiß was es heißt seine Familie zu verlieren. Was hätte ich damals für ein bisschen Unterstützung gegeben.“, sagte er, reichte er ihr die Hand und ging. Mit der Zeit freundeten sie sich sehr gut an. Sie lagen auf einer Wellenlänge und konnten sich stundenlang unterhalten. Als sie an diesem Nachmittag wieder einmal zusammen Tee tranken, fragte André: „Was willst du nach dem Abitur eigentlich machen?“ Sie sah nach oben zu ihm ohne den Kopf zu heben, dann lehnte sie sich zurück: „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, fragte sie. Er nickte: „Ich..., nein ich kann dir das nicht erzählen.“, sie sah auf den Boden. „Tina, du kannst mir vertrauen. Ich lache garantiert nicht.“ „Das ist es nicht, worüber ich mir Sorgen mache...“ „Ich werde alles was wir beide miteinander besprechen für mich behalten, das weißt du. Komm schon.“, überredete er sie. „Ich... will Gerechtigkeit für meine Eltern. Ich weiß das Paul Schmidt für das Attentat bei dem meine Familie starb verantwortlich ist. Ich habe ihn und den Killer auf der Beerdigung gehört.“, sagte sie mit blinden Hass in den Augen. „Warum bringst du die Sache nicht zur Anzeige?“, fragte Schwarz. „Dann steht Aussage gegen Aussage und es wird nichts passieren.“ „Da könntest du Recht haben,“ er lehnte sich in seinen Sessel: „aber um an Schmidt und seinen Killer ranzukommen, musst du in Nahkampf und Schusswaffen sehr gut ausgebildet sein.“, sagte er sehr locker, was Fuchs wunderte und sah ihn fragend an. Der Doktor lächelte. Sie sah ihn weiter an: „Kannst du ebenfalls ein Geheimnis für dich bewahren.“, fragte André. „Natürlich.“ „Diese Branche ist mein eigentliches zu Hause.“ „Du bist ein Killer?“, fragte sie nun doch geschockt. Er bejahte: „Dann lass mich deine Partnerin werden. Bitte.“ „Nein, das kann ich nicht machen. Du musst das Verstehen. Es ist schwierig und keine angenehme Sache.“, versuchte er ihr das auszureden. „Was muss ich tun, um diese beiden in die Hölle zu befördern?“, fragte sie. André aber schüttelte den Kopf: „Tina, ich kann dich da unmöglich mit reinziehen, versteh doch...“ „NEIN, DU MUSST VERSTEHEN!!! Meine Eltern, mein kleiner Bruder mussten sterben, weil dieses Untier meinte, sie seien es nicht wert zu leben!“, schrie sie. „Beruhige dich.“, zischte er halblaut. „Hilf mir, bitte.“, flehte sie. Er stöhnte: „Du musst Kampfsport und Schießen lernen...“ „Ich werde alles tun, um mein Ziel zu erreichen.“, meinte sie. „Gut, ich gebe dir die Adresse eines Lehrers, der wird dir das Meiste beibringen.“ Abends am Telefon: „Hi Raimund, hier ist André.“ „Ich kriege das Geld in ein paar Monaten zusammen, das habe ich dir doch schon gesagt.“ „Du hast eine Möglichkeit es abzuarbeiten. Ich schicke dir morgen eine junge Frau. Bringe ihr das Killerprogramm bei.“ „Das ist aber bei weitem mehr wert, als die lächerlichen fünf Riesen, die ich dir schulde.“, verhandelte Raimund sofort. „Schreibe mir für den Rest eine Rechnung und ich rechne nach.“ „Traust du mir etwa nicht.“ „Doch natürlich, wie einem Trickbetrüger... und bevor ich es vergesse, lasse die Finger von ihr.“ André legte auf. Am nächsten Tag fuhr Tina nach der Schule zur August- Bebelstraße. Dort stand ein Hochhaus mit dreiundzwanzig Stockwerken. Am Eingang wartete sie: „Fräulein Fuchs?“, fragte plötzlich ein Mann Anfang 30 mit roten Haaren und drei Tage- Bart. „Ja, Herr Bützow?“, fragte sie. Er nickte: „André sagte, sie wollen ein bestimmtes Training?“ Sie bejahte mit einem Kopfnicken: „Lassen sie uns gleich was klarstellen, es wird kein Spaziergang.“ „Alles was ich will, ist Gerechtigkeit.“, sagte Tina. Raimund begann zu lachen: „Was ist so witzig?“, fragte sie erbost. „Gerechtigkeit ist eine Frage des Standpunktes. Nichts desto trotz ist das was sie vorhaben gegen das Gesetz und...“ „Verschonen sie mich mit ihren Weisheiten. Ich will verhindern, dass es anderen ebenso ergeht wie mir.“ „Oh wie edelmütig, da haben wir eine echte Jungfrau von Orleon.“ Der Typ machte sie wütend. Er sah das und grinste: - Feuer hat die Kleine ja. -, ging ihm durch den Kopf: „Komm.“, sagte er, schloss die Tür auf und führte sie in die Kellerräume des Hochhauses. Es war ihr zwar etwas mulmig, aber sie folgte ihm: „Ich werde sie im Nahkampf unterrichten. Solltest du meine Anweisungen nicht befolgen, könnte das ziemliche Konsequenzen haben.“, drohte er. Tina sah ihn an und nickte. Zwei Monate später trank Doktor Schwarz mit Tina Tee, wie immer einmal die Woche: „Raimund sagte mir, du seiest sehr talentiert.“, sagte André. „Ich kann ihn nicht ausstehen.“, meinte Tina, den Keks in sich reinmümmelnd. Er lachte: „Ich weiß genau was du meinst.“, lachte er, dann wurde sein Gesichtsausdruck ernster: „Aber du findest hier in der Umgebung keinen besseren.“ Sie stand auf: „Ich muss jetzt los. Anke kommt nachher.“, sagte sie. „Du weißt, dass du diese Freundschaft aufgeben musst. Je früher desto besser.“ „Wieso?“, fragte Tina geschockt. „Durch sie wirst du immer angreifbar sein, um sie und dich zu schützen ist es nötig.“ „Das kann ich nicht machen, sie hat mir so sehr geholfen.“ „Sie wird unweigerlich zwischen die Fronten geraten. Wenn jemand herausfindet wer du bist und was du machst.“ „Das kann ich nicht machen...“ „Deine Entscheidung.“, zuckte er mit den Schultern: „Aber du handelst dir damit mehr Schwierigkeiten ein als du brauchst.“ Tinas Tagesablauf bestand jetzt in Schule, danach Training mit Raimund und am Abend Hausaufgaben und lernen. Sie sorgte dafür, dass die Treffen mit Anke weniger wurden, aber aufgeben konnte sie die Freundschaft nicht. Das elfte und zwölfte Schuljahr lief für Tina nicht so gut. Sie schaffte es beide Male nur mit Mühe und Not versetzt zu werden. Das lag vor allem an ihrem Chemielehrer Herr Schöne. Dieser Mann war für den Lehrerberuf derartig unfähig, dass sich bei ihm alle Schüler bis zu drei Noten verschlechterten. An Tina hatte er einen regelrechten Narren gefressen. Er liebte es sie zu demütigen. Das Training von Bützow hinderte sie oft am Lernen. Sie spielte oft mit dem Gedanken eines der Beiden Ziele aufzugeben, aber André überzeugte sie dranzubleiben. Kapitel 3: Der geheimnisvolle Asiate ------------------------------------ 3. Der geheimnisvolle Asiate An dem Tag war es soweit. Sie schaffte es Raimund auf die Matte zu legen: „Gut!“, sagte er begeistert: „Es wird Zeit für den nächsten Schritt.“ „Waffen?“, fragte sie. „Ja, du kommst morgen in die Richard Wagnerstraße. Da ist ein Schießclub. Wir treffen uns da um 17 Uhr.“, sagte er. Zur richtigen Zeit war sie dort. Sie wartete vor dem Haus und beobachtete die vorbeifahrenden Straßenbahnen. An ihr vorbei ging ein Mann asiatischer Herkunft. Sie sahen sich kurz in die Augen, doch er löste den Blick sofort wieder. „Tina! Hey Tina träumst du?“, fragte Bützow und riss sie aus ihrem Gedanken. „Was? Entschuldige.“ „Gehen wir rein.“, meinte er. Dort gab es eine Art Theke, wo man sich Waffen ausleihen, Jagdzubehör und Patronen kaufen konnte. Seitlich waren mehrere Gänge, die zu den Schießständen führte. Diese waren mit einer Art Linoleum ausgelegt und -gekleidet. Die Stände waren durch halbdurchsichtige Kunststoffwände voneinander getrennt. Die Zielscheiben waren hochmodern. Jeder Treffer auf ihnen wurde durch einen Computer gleich ausgewertet und auf einen kleinen Bildschirm am Platz geschickt. Auf einem der Schießstände erklärte Raimund ihr die Grundlagen des Schießens und den Aufbau einer Pistole. Der Vortrag langweilte sie ein wenig. Sie wollte endlich schießen. Mit der Waffe in der Hand ging sie in den Stand: „Jetzt ganz ruhig. Schau über die Kimme und visiere das Ziel an...“ Sie schoss und war meilenweit an der Zielscheibe vorbei. Der Asiate, dem sie vorhin begegnet war, grinste. Sie merkte es jedoch nicht. Das Schießtraining wollte bei ihr keine Früchte tragen. Sie konnte froh sein, wenn sie die Zielscheibe traf. Als sich nach fünf Wochen immer noch keine deutliche Verbesserung zeigte, flippte Raimund aus: „Meine Güte Tina! Das kann doch nicht so schwer sein!“, meckerte er, verließ den Stand und später das Gebäude. Sie hingegen lud ihre Pistole durch und schoss aggressiv daneben: „Sie halten ihre Waffe als wollten sie jemanden damit erschlagen und nicht damit schießen.“, sagte plötzlich jemand. Sie blickte den Asiaten an, dem sie inzwischen schon öfter begegnet war. „Halten sie sich da raus. Das geht sie nichts an!“ „Im Prinzip nicht, aber die Kugel, die mir später im Arsch steckt, geht mich schon was an, so wie sie zielen.“, sagte er. Sie wurde wütend und richtete die Waffe auf ihn. Er grinste und im Null Komma nichts lag sie entwaffnet auf dem Boden. „Was fällt ihnen ein?!“, schimpfte sie. „Mir fällt ein, dass du deine Waffe auf mich gerichtet hast. Na ja, wenigstens in die Richtung von mir und dass diese Magnum keine Pistole für sie ist. So wie du jetzt schießt, kannst du froh sein, wenn du einen Elefanten aus nächster Nähe erwischst.“, er gab ihr die Waffe zurück. Tina starrte nur darauf, während er sich umdrehte und den Weg zum Ausgang einschlug: „Warten sie!“, rief Tina. Der Mann blieb stehen: „Was machen ich denn falsch?“, fragte sie sehr leise. „Hm.“ „Bitte, helfen sie mir.“, forderte sie nun auf. „Warum sollte ich?“, fragte er nun forsch. „Weil ich sie darum bitte.“ „Du bist ganz schön frech. Das mag ich nicht.“, sagte der Asiate und ging. Tina brachte in Erfahrung wann der Mann immer zum Schießen kam und trug sich für die gleichen Zeiten auf der Nebenbahn ein. In der folgenden Woche war sie jedes Mal da, wenn er schoss und beobachtete ihn auffällig. Sie setzte sich auf einen Stuhl und guckte. Natürlich merkte er das: - Sie wird schon aufhören, wenn sie merkt, dass ich darauf nicht reagiere. -, dachte er sich. Doch er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit ihrer Hartnäckigkeit. Die darauf folgende Woche begann und sie saß wieder da: „Gott verdammt! Verschwinde endlich!“ „Wenn ich schießen kann, sind sie mich los.“, sagte sie. „Und was habe ich davon?“ „Ihre Ruhe. Ich lasse sie in Frieden, wenn ich mit Schusswaffen umgehen kann. Ist das ein Deal?“, streckte sie ihm jetzt ihre Hand hin. Er zögerte und sah ihr in die kämpferischen Augen: „Mein Name ist Ken Misaki, aber du wirst keinem sagen, dass ich sie unterrichte. Vor allem nicht diesem Amateur mit dem du sonst hier warst.“, meinte er. „O.K.“ Sie schüttelten sich die Hände. Ken erheblich weniger begeistert als sie. Er hatte eigentlich gar keine Zeit oder Lust dazu. Er atmete genervt aus: „Erst mal müssen wir für dich eine Waffe finden, die zu dir passt.“ Sie gingen in den Eingangsbereich, wo man sich Pistolen ausleihen konnte. Ken zeigte zielsicher auf mehrer Gestelle: „Wir brauchen für jede jeweils zehn Patronen.“, forderte Ken. Wieder auf der Bahn: „So, ehm, wie heißt du eigentlich?“ „Tina.“ „Also Tina, gehe in den Schießstand.“ Sie stellte sich hinein: „Sieh dir die Zielscheibe an, präge sie dir ein... Schließe die Augen und stelle sie dir vor.“ Sie konzentrierte sich und hörte auf jedes Wort, das Misaki- san ihr sagte: „Jetzt ziele auf die Mitte der Scheibe...“ Fuchs wollte die Augen öffnen: „NEIN, lass sie zu. Du siehst sie doch vor dir.“ „Ich sehe gar nichts. Ich habe die Augen geschlossen.“, meinte sie schnippisch. „Tu was ich dir sage! Versuche dir vorzustellen, wo das Ziel ist.“, sagte er. Tina hob die Pistole etwa auf Höhe der Mitte: „Jetzt öffne die Augen und drücke ab.“ Sie tat es. Ihre Kugel traf die Nummer fünf und für jemanden der vorher kaum die Scheibe traf, war das schon gut. Tina lernte relativ schnell von Misaki das Schießen. Sie wurde richtig gut. An diesem Abend fragte er schließlich nach: „Sag mal Tina, wozu brauchst du das eigentlich?“ Sie sah sofort auf den Boden: „Das... kann ich ihnen nicht sagen.“ Seine Augen verengten sich: „Dann hören wir hier und jetzt mit dem Training auf!“, er nahm seine Pistole und drehte sich zum Ausgang: „Nein, ich brauche das Training. Bitte!“, rief sie fast panisch. „Wieso?“, fragte er düster. „Weil... Weil nie wieder jemand, das Gleiche durchmachen soll wie ich. Paul Schmidt soll nie wieder die Möglichkeit haben Familien zu zerstören...“, sie hatte Tränen in den Augen: „Du willst deshalb eine Killerin werden.“, Ken schüttelte den Kopf: „Für dieses Metier fehlt dir noch einiges.“, meinte er sich abwendend. „Ich weiß, aber ich werde es durchziehen.“, sagte sie mit der rauesten Stimme, die sie hatte. Er sah über seine Schulter zu ihr: - Wow, Leidenschaft und Willenskraft für ihre Sache hat sie ja. Ich könnte eventuell eine Partnerin gebrauchen... Nein! Nein, das ist Schwachsinn. - „Wie hattest du vor das anzugehen?“, fragte er etwas überheblich. „Ich habe einen guten Freund..., der hilft mir.“, sagte Tina schüchtern. „Du meinst doch hoffentlich nicht diesen Schwachkopf, mit dem du vorher hier warst?“, spottete Ken. „Jemand anderes und als Nahkampflehrer war Raimund gar nicht so schlecht.“ „Ach ja?“ Mit einem mal fegte er ihr die Beine weg und sie landete unsanft auf ihrem Hintern: „Au! Was soll das?!“, fragte sie. „Du bist auf Angriffe überhaupt nicht vorbereitet, so bist du sogar für einen vierjährigen ein leichtes Opfer.“ Sie starrte ihn fassungslos an: „Das ist nicht wahr, wenn ich gewarnt bin...“ „Und wer soll dich bitte warnen?“, fragte er und nahm sie blitzschnell in den Polizeigriff: „Gegen einen Auftragskiller wie Schmidt ihn hat, bist du chancenlos.“ Misaki ließ sie los und ging. Tina rieb sich ihr Handgelenk, räumte ihre Walther PKK weg und verließ ebenfalls das Gebäude. Sie war deprimiert, das Ziel, dem sie sich schon unglaublich nahe fühlte, rückte wieder in weite ferne. Sie schloss abends ihre Wohnung in Dirkow auf, als: „Hey, was ist denn mit dir los?“, fragte André und berührte mit der ganzen Hand kurz ihre Haare. Sie starrte, nachdem sie ihn erkannt hatte auf den Boden: „Hallo.“, sagte sie traurig. „Komm mit rüber. Ich mache dir einen Tee.“ Tina trottete mit gesenktem Haupt mit in Dr. Schwarz´ Wohnung. Als sie eine dampfende Tasse vor sich stehen hatte: „Ich werde es nicht schaffe.“, meinte sie, den Blick immer noch nicht hebend. „Was?“, fragte André. „Paul Schmidt aufzuhalten.“ „Warum nicht?“ „Ich weiß einfach nicht was ich tun soll.“, sie stützte ihren Kopf auf die Hände. Ken hörte alles durch eine Wanze, die er Tina heimlich in die Jacke geschmuggelt hatte, mit. Drei Stunden später klopfte es an Andrés Tür. Er dachte es wäre erneut Tina und öffnete ohne durch den Spion zu sehen. Die Tür, die nach innen aufging, erhielt von außen einen heftigen Stoß. Der Arzt bekam sie gegen die Nase, diese brach mit einem hässlichen knacken. André fiel mit dem Gesäß auf den Boden und plötzlich stand Misaki in seiner Wohnung: „Sie sind also der „gute“ Freund von Tina.“, meinte er sarkastisch. „Ja, was wollen sie?“, fragte Schwarz erstaunlich ruhig. „Ich will wissen, was sie mit der Kleinen vorhaben? Sie lassen sie direkt in den Tod rennen! Mit dem bisschen, was sie kann, verspeist sie der Killer von Schmidt zum Frühstück.“, sagte Ken jetzt sehr deutlich. „Ich versuche ihr lediglich zu helfen, Frieden zu finden.“, richtete er sich auf. „Wenn sie tot ist, hat sie Frieden, oder wie verstehe ich die Sache?“ „Wer sind sie?“, fragte André mit einem immer mulmigeren Gefühl im Magen. „Man nennt mich Ráion.“ „Ráion? Ráion?... Ich kenne den Namen.“ Ken hörte gar nicht was André sagte. Sie sahen sich gegenseitig in die verengten Augen: „Was willst du? Warum interessiert dich das?“, fragte Schwarz. „Wenn du willst, dass sie überlebt, gib sie zu mir.“ – Was mache ich hier? -, sagte und dachte Ken. „Und was willst du dafür?“, fragte André. „Wie was will ich?“ Tinas Freund lächelte: „Ein Auftragskiller, der jemanden uneigennützig helfen will? Ich bitte dich.“, meinte er sarkastisch. „Es ist sicher nicht uneigennützig.“, sagte Misaki und ging. Er verschaffte sich Zutritt zu Fuchs´ Wohnung und stand jetzt in ihrem Zimmer. Der volle Mond beleuchtete ihr schlafendes Gesicht: - Was zum Hagetaka* mache ich hier? -, fragte er sich wieder und wollte schon gehen. Doch in dem Moment wachte Tina auf und erschrak: „Wer...?“, sie erkannte ihn jetzt: „Misaki- san, was machen sie hier?“ „Ich hätte eine Frage.“ „Und welche?“, fragte sie. „Wärst du bereit weiter zu gehen?“ „Wie weitergehen?“ „So wie deine Fähig- und Möglichkeiten jetzt sind, wirst du es nie schaffen Schmidt und seinen Killer zu erledigen, eher landest du unter der Erde und wenn du es schaffst, wirst du keine Chance haben, dich an einem längeren Leben zu erfreuen.“, redete er mit ihr nun Klartext. „Was soll ich tun?“, fragte Tina. „Ich könnte dir die Möglichkeit geben, beides zu erreichen.“ „Und wie?“ „Ich würde dir alles nötig beibringen, um die Zwei zu liquidieren und dann kommst du mit mir.“, sagte er und wusste nicht, warum ihm das plötzlich so wichtig war. Frauen waren für ihn sonst ein Betthupferl und nun bat er dieses Mädchen fast, mit ihm zu kommen. „Wieso?“ „Machst du es oder nicht?“, fragte er jetzt wieder rauer. „Lassen sie mich darüber nachdenken?“, sie sah wie sich seine Miene verdunkelte: „Nur bis morgen.“, sagte sie schnell. „Ich komme morgen wieder.“, sagte Ken und ging. Tina fand sich Momente später vor Andrés Tür und klopfte. Diesmal sah er durch den Spion und öffnete: „Tina, was führt dich morgens um zwei Uhr zu mir?“ Sie ging, ohne ihn anzusehen, ins Wohnzimmer. Erst dort drehte sie sich zu ihm um: „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte sie, als sie seine bandagierte Nase sah. „Ach, eine Tür stellte sich mir in den Weg.“, er blickte sie an: „Was kann ich für dich tun?“ Darauf senkte sie ihre Augen: „Er hat dir angeboten mit ihm zu gehen, oder?“, fragte er direkt. „Woher weißt du von ihm?“, antwortete sie geschockt. „Ich habe meine Quellen überall und willst du?“ „Ich weiß nicht. Bei ihm habe ich das Gefühl mein Ziel schneller und sicherer erreichen zu können. Aber ich will dich nicht enttäuschen. Ich schulde dir so viel.“, sagte sie von ihrem schweren Gewissen erschöpft. André drehte sich zum Schrank: „Da werden wir uns schon einig.“ Sie kam zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange: „Ich danke dir.“ „Also?“, fragte Ken, der erneut in ihrer Wohnung stand. „Gut, ich werde mit ihnen gehen.“ „Dann zieh dir dein Trainingszeug an.“, sagte er. „Jetzt?“ „Ja, jetzt. Ich wiederhole mich nicht gerne.“, raunzte er. Tina ging in ihr Schlafzimmer, zog sich um und packte ihre Schulsachen. „Was willst du mit dem ganzen Zeug?“, fragte Misaki. „Ich denke nicht, dass ich noch die Zeit haben werde, nachher meine Bücher zu holen.“ „Du hast noch Schule.“, fiel es ihm wieder ein. Er dachte einen Moment lang nach: „Ich kann das schmeißen, wenn du willst.“, sagte sie. „Nein, komm nach der Schule wieder her.“, meinte er und ging. Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen und war deshalb schon früh am Schulhof. Sie sah sich dort gedankenverloren um und merkte nicht wie die Zeit verging: „Du sitzt auf meinem Lieblingsplatz!“, sagte plötzlich jemand. Tina sah nach oben. An der Bank stand Franziska Krause, diese hatte sie schon seit zwei Jahren auf dem Kicker. Fuchs war auf keine ihrer Beleidigungen eingegangen, aber das die ganze Zeit zu ertragen, war nicht immer leicht. Krause hatte alle beliebten Schüler auf ihrer Seite und wen sie nicht leiden konnte, hatte es schwer. Zwei Schüler sind wegen des Mobbings schon von der Schule gegangen, eine hatte sogar versucht sich das Leben zu nehmen. „Mach dich vom Acker, Waisenkind!“, sagte Franziska. Fuchs würdigte sie keines Blickes, nahm ihren Rucksack und ging. Sie flüsterte etwas ihren Kumpanen zu und alle lachten hinter Tinas Rücken. Sie ging ins Klassenzimmer, setzte sich auf ihren Platz und packte für die erste Stunde aus, Chemie bei Herrn Schöne. Sie mochte diesen Lehrer gar nicht und sie hielt sich gerade so mit einer schwammigen vier über Wasser. Der Schultag war insgesamt ziemlich frustrierend. Es war Herr Schöne wieder einmal eine große Freude Tina bloßzustellen und eine fünf zu verpassen. Franziska konnte die ganzen acht Stunden ihre Schadenfreude nicht für sich behalten und niemand versuchte auch nur Fuchs ein bisschen aufzuheitern. Sie fuhr Nachmittags mit der Straßenbahn Nummer 656 nach Dirkow. In ihrer Wohnung wartete Misaki: „Zieh dich um. Wir wollen los.“, sagte er, kaum dass sie drin war. Tina tat wie ihr geheißen und wenig später saßen sie im Auto, unterwegs nach Häschendorf. Dort in einem Anwesen stand sie, nun völlig eingeschüchtert: „Was haben sie mit mir vor?“, fragte sie. Ken hörte die Angst in ihrer Stimme: „Glaubst du, ich tue dir was?“ „Ich weiß einfach nicht, was sie mit mir vorhaben.“, wiederholte sie. „Warum bist du dann mitgekommen?“, fragte er schon genervt. „Weil ich es nur mit ihnen schaffe mein Ziel zu erreichen.“ „Aber wenn du mit mir arbeiten willst, brauche ich dein Vertrauen...“ Sie sahen sich an: „... Wir machen einen Vertrag, einverstanden? Ich verspreche dir zu helfen deine Familie zu rächen und du versprichst, mir zu vertrauen und an meinen Unterrichtsmethoden nicht zu zweifeln.“, er streckte diesmal ihr die Hand hin. „Ich werde es versuchen.“, griff sie danach, doch er zog sie weg: „Nein, nicht versuchen! Entweder du tust es oder du tust es nicht!“, sagte er streng: „Meine Regeln sind hart, aber befolgst du sie ohne zögern, hast eine gute Chance alles lebend zu überstehen. Sie starrte auf seine Hand, zögerte ein wenig, aber dann ergriff sie, sie. Dieses Schuljahr wurde mörderisch für Tina. Von 8.00 – 15.00 Uhr hatte sie Schule. Danach bis Abends Training und Unterricht bei Misaki- san und nachts musste sie ihre Hausaufgaben machen, die alleine hatten schon ein Pensum von 4- 5h. Sie kam eigentlich nur in der Straßenbahn zum Schlafen. Tina schaffte es dennoch zum Abitur zugelassen zu werden. Ken jedoch nahm keine Rücksicht darauf, dass sie schwere Prüfungen vor sich hatte und nahm sie weiter sehr hart dran. Ráion griff sie an, wo er konnte. Er zielte mit Gummigeschossen auf sie, die nicht töteten oder ernsthaft verletzten, dafür aber höllisch schmerzten. Er überfiel sie, wenn sie aß oder einfach neben ihr stand. Sie schaffte es jedoch immer besser darauf zu reagieren. Kapitel 4: Der Tanz zur Rache ----------------------------- 4. Der Tanz zur Rache An diesem Tag legte sie ihre letzte mündliche Abiturprüfung ab: „Nun Fräulein Fuchs, ich bin überrascht, dass sie es geschafft haben.“, sagte Herr Schöne überheblich: „Hätte ich ihnen nicht geholfen sie zur Vernunft zu bringen, hätten sie es nicht geschafft.“, meinte er noch selbstzufrieden. „Ihre Selbstherrlichkeit verursacht bei mir jedes Mal einen Brechreiz. Sie hätten mich doch am liebsten scheitern gesehen! Um ihnen eins auszuwischen habe ich durchgehalten.“, sprach sie nun endlich aus, darauf hatte sie drei lange Jahre gewartet. Dem Schöne blieb die Luft weg. Tina ging aus dem Prüfungsraum, vorbei an den grinsenden Kollegen des Lehrers. Sie fuhr mit dem Mofa, dass Ken ihr besorgt hatte, nach Häschendorf. An der Tür des Anwesens wurde sie angegriffen. Sie blockte die Schläge ab, noch wütend vom Schöne. Schließlich schleuderte sie ihn auf den Boden und tat als würde sie ihn töten. Sie lag jetzt auf ihm und machte keine Anstalten sich zu bewegen. „Was hast du?“, fragte Ken. „Ich bin durch das Abitur.“, sagte sie und schloss die Augen. Er streifte ihr die dunkelblonde Strähne aus dem Gesicht. Doch sie senkte noch tiefer den Kopf. Es tropften Tränen auf seinen Bauch. Tina wusste nicht was mit ihr war. Er hob ihr Gesicht, dass sie ihn sehen konnte und stützte sich auf einen Ellenbogen. Mit der anderen Hand berührte er ihre Wange. Sie sah ihn verwirrt an: „Hab keine Angst.“, sagte Ráion. Er führte ihre Lippen an seine und küsste sie. Tina riss die Augen auf und mit einem geschickten Griff hatte sie seinen Arm auf den Rücken gedreht: „Jetzt warst du nicht vorbereitet!“, duzte sie ihn das erste Mal: „Und wage es nie wieder mich zu küssen!“, jagte sie ihm noch ihr Knie an das Gesäß und ging rein. Er war total perplex: - Was ist bloß los mit mir? -, fragte er sich. Am nächsten Tag kam Ken zu ihr in die Wohnung: „Tina, nächste Woche, Dienstag Abend kannst du Schmidt und ´Hand` übern Jordan schicken. Die beiden treffen sich hier.“ „Woher weißt du das?“ „Ich habe beide, jeweils im Namen des anderen, her bestellt.“, sagte er. „Ich wollte so wieso nicht auf den Abschlussball.“, meinte sie. „Komm wir müssen uns vorbereiten.“, tat er, als hätte er ihren letzten Satz überhört: „Ich habe sie nach Diedrichshagen bestellt...“, Misaki holte einen Plan raus: „... und zwar auf diese Lichtung. Wir fahren da jetzt hin, um die Gegend genauer in Augenschein zu nehmen.“, meinte er. Sie folgte ihm ins Auto und fuhren an den Zielort. Die letzten zwei Kilometer mussten sie durch einen Wald laufen. Fuchs sah sich auf der Lichtung um. Sie hörte das Meer rauschen, es konnte nicht mehr als hundert Meter entfernt sein: „Hier gibt es genug Deckung für uns...“, er erklärte ihr seinen Plan. Tina wurde nervöser, je näher der Tag rückte: „Meinst du, du schaffst das, morgen?“, fragte Ken. „Wissen sie wie lange ich auf diesen Tag gewartet habe?“ „Drei Jahre.“ „Drei Jahre.“, wiederholte sie: „Wer weiß, wie viele Familien er inzwischen zerstört hat, wie viele ermorden lassen hat? Das muss endlich ein Ende haben.“, versuchte sie sich von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen. Ráion verdrehte etwas die Augen und verließ die Dirkower Platte. Auch Tina ging wenig später aus dem Haus und setzte sich in eine Straßenbahn Richtung Stadtmitte. Sie stieg am Doberaner Platz um, kaufte Blumen und fuhr zum Neuen Friedhof. Dort an den Gräbern stand sie jetzt und legte auf jedes der Drei zwei weiße und eine rote Rose: „Es tut mir leid.“, sagte sie und kniete sich hin: „Es tut mir leid, dass ich das Morgen tun muss. Wie sehr muss ich mich für euch verändert haben. Vor allem für dich, Stephan. Weißt du dieses Jahr wärst du in die Schule gekommen...“ „Tina?“, fragte plötzlich jemand. „Gisela, was machst du hier?“, fragte sie ihre ehemalige Nachbarin. „Wohl das Gleiche wie du. Ich habe sie vermisst und da dachte ich, ich besuche sie mal.“, sprach die alte Frau: „Wie geht es dir?“ „Ich weiß nicht, jeden morgen wache ich auf und fühle, dass in meinem Leben eine ganze Menge fehlt.“, sagte Fuchs. „Ich verstehe dich, aber glaube mir, es geht ihnen gut, da wo sie sind.“, sagte Gisela. „Glaubst du daran?“ „Ja, das tue ich. Habe Mut, auch du wirst dein Leben packen.“, nahm sie Tina in die Arme. Am nächsten Tag fuhren Misaki und Fuchs nach Diedrichshagen und wanderten zur Lichtung: „Also Tina, du bewegst dich nicht, bevor ich den Killer nicht erledigt habe. Gegen den hast du einfach noch keine Chance. Hast du mich verstanden.“ Sie nickte: „Ich überlasse dir Paul, der ist so breit, den müsstest sogar du treffen.“, schmunzelte er. Sie zuckte nicht mal mit den Mundwinkeln. Ihr ging nicht ein Gedanke durch den Kopf. In ihrem Bauch fühlte sie einen großen Stein. „Gehe in dein Versteck. Sie werden in etwa zwei Stunden kommen, da sich hier kurz vorher nichts regen darf... Gut, du weißt was du zu tun hast.“ Sie nickte. Anderthalb Stunden später erschien Paul Schmidt auf dem Weg. Tina sah durchs Gebüsch und gleichzeitig die Gräber ihrer Familie vor sich: „Was wollen sie?“, rief er in den Wald. Ein anderer Mann, sehr viel athletischer als Schmidt betrat von einem anderen Weg her die Lichtung: „Wieso ich? Sie haben mich bestellt.“, sagte ´Hand´. Plötzlich hallte ein Schuss los. Es war das Letzte was ´die Hand´ hörte. Er sackte zusammen. Der Politiker sah sich hektisch um und nahm schnell die fetten Beine in die Hand. Er lief direkt vor Tinas Pistolenlauf: „Erinnern sie sich an mich?“ „Wer sind sie?“, fragte er furchtsam. „Sie sind schuld, dass mein Bruder nie wieder lachen kann. Sie haben verhindert, dass meine Eltern ihre Kinder aufwachsen sehen. DAS ICH NIE WIEDER MIT IHNEN SPRECHEN KANN!!!“, schrie sie jetzt. Die Waffe zitterte in ihrer Hand. Paul nahm die Chance wahr und lief. Ráion trat neben Tina: „Ich habe mir fast gedacht, dass du es nicht kannst.“, er hob seine CZ. „Warte.“, sagte sie leise, zielte und drückte ab. Die Kugel traf Schmidt mitten ins Herz: „Sauberer Schuss, Kleine.“ „Was soll daran sauber sein? Ich wollte seinen Schädel treffen.“, sagte Tina. Er lachte: „Egal, das Ergebnis ist das Gleiche. Komm, ich habe noch eine kleine Überraschung für dich.“ Ken fuhr mit einem Bleifuß nach Rostock zurück und zu Ankes Wohnung in Reutersagen. Diese stand schon vor ihrer Tür und wartete auf sie: „Tina komm, du musst dich beeilen, wenn du noch rechtzeitig kommen willst.“, sagte sie und zog sie aus dem Auto. Sie war völlig unfähig sich zu wehren: „Dein Freund hat dir ein irres Kleid rausgesucht.“ „Wofür?“, fragte Tina jetzt. „Na für deinen Abi- Ball. In welcher Welt lebst du?“ Anke steckte sie in das Kleid, machte ihr die Haare und Make- up: „Wow, du siehst super aus.“, lächelte ihre Freundin sie an: „Gehe jetzt raus, er wartet schon.“ An der Tür: „Ich danke dir.“, sagte Tina und ging die Treppe hinunter. Ken blieb der Mund offen stehen, als er sie sah, besann sich aber schnell wieder und öffnete den Wagen: „Darf ich bitten.“ Erst jetzt merkte sie, dass auch er sich umgezogen hatte. Er trug einen Anzug, der sehr elegant war: „Wo hast du den denn her?“, fragte sie angenehm überrascht. „Der verstaubt schon seit Jahren in meinem Schrank. Habe zu selten Gelegenheit ihn anzuziehen.“, log er, in Wahrheit hatte er ihn passend zum Kleid gekauft. Sie fuhren zur Stadthalle, wo der Ball stattfand. Es waren schon alle dort. Als sie den Festsaal betraten, wurde dort gerade eine Rede gehalten: „Puh, wir sind noch rechtzeitig.“, flüsterte Misaki. „Mit wem ist die Fuchs denn da gekommen?“, fragte Franziska ihren Trupp. Alles reckte den Hals: „Der Typ sieht aus als wäre er Asiate.“, sagte Konstanze. „Siehst du das, der trägt einen Anzug von Armani.“, meinte Sarah. „Und Tina hat auch ein Designerkleid an. Siehst du das Franzi?“, fragte Claudia, die vierte im Bunde. Krause antwortete nicht, sondern starrte nur eifersüchtig auf sie. Zur Zeugnisübergabe wurden alle Abiturienten nach vorne gebeten: - Alle anderen verblassen gegen Tina. -, dachte Ken. „Ey Tina, sag mal was kostet denn dein Begleiter? Und für die Klamotten musstest du sicher einen horrenden Kredit aufnehmen.“, meinte Franziska gehässig. „Du könntest ihn nicht mal damit bezahlen.“, sagte Tina. „Ich denke mit 10 Mark, müsste ich ihn dir doch ausspannen können.“ „Lass gefälligst die Finger von ihm!“, sagte sie und starrte ihre Kontrahentin mit gefährlichen Augen an. Franziska bekam einen Schreck. Es war das erste Mal, das Fuchs sich wehrte. Krause drehte sich um, plötzlich war ihr das ´Waisenkind´ unheimlich. Ohne sich noch mal anzusehen, nahmen sie ihre Zeugnisse entgegen: „Misaki- san, lassen sie uns gehen.“, meinte Tina. „Du wirst dir doch von dieser Zimtzicke nicht den Abend verderben lassen.“ „Haben sie uns gehört? Wie?“, fragte sie überrascht. Er lachte: „Ich kann von den Lippen ablesen, ist eine nützliche Fähigkeit.“ Er drehte leicht den Kopf in Richtung der Lautsprecher: „Sie spielen einen Walzer. Hast du Lust zu tanzen?“ Sie lächelte und bejahte. Sie gingen auf die Tanzfläche und begannen. Die weichen Bewegungen mit denen Ráion sie führte, überraschten Tina. Sie fühlte sich unglaublich wohl, warm und geborgen. Die eifersüchtigen Blicke prallten einfach an ihr ab. Dann wurde sie plötzlich grob angetippt: „Mach Platz! Ich tanze jetzt mit dem Süßen.“, keifte Franziska. Da wurde es Tina zuviel. Sie drehte sich langsam zu ihr um und sagte: „Du merkst echt nicht wann Schluss ist. Es mag ja sein, dass sonst alles nach deiner Nase geht, aber hier ist Ende der Fahnenstange.“, zischte Fuchs. „Ich habe gesagt, du sollst Platz machen!“, hob Krause die Hand. Tina blockte den Schlag ab und hatte sie sehr schnell im Polizeigriff. Es hatte sich schon ein Kreis um sie gebildet: „Was ist hier los?!“, kam Herr Schöne dazu. „Das Mädchen hat versucht Tina zu schlagen.“, sagte Ken mit einem Grinsen im Gesicht: „Fräulein Fuchs, lassen sie Fräulein Krause los.“, langsam tat sie es. Franziska war wütend, drehte sich zu ihrer Rivalin um und wollte sie erneut angreifen, aber dieses wurde schon im Keim, von Tina, erstickt. Sie fegte ihr einfach die Beine weg. Alle, die nicht zu Franziskas Trupp gehörten applaudierten. Der Direktor, der ebenfalls alles mitbekommen hatte, schmiss Franziska nach kurzem lamentieren ihrerseits raus. Sie hatte versucht die Schuld auf Fuchs zu schieben, das gelang diesmal aber nicht. Ken nahm wieder Tinas Hand, um weiter mit ihr zu tanzen. Er kam dicht an sie: „Ich habe selten so eine schnelle Abwehr gesehen.“, flüsterte er ihr ins Ohr. Sie glaubte nicht was sie hörte: „Ist das... ein Lob?“, fragte sie. Er erschrak vor sich selbst und merkte, dass das heute schon das Zweite mal war. Er reagierte leicht schüchtern: „Ja.“, gab er schließlich zu, guckte sie aber nicht an. „Danke... Danke Ken.“, sagte sie. Er blickte auf, direkt in ihre Augen. Sie zögerten, obwohl es beide wollten. Ihre Lippen berührten sich und ein endlos scheinender Kuss ließ sie alles um sich herum vergessen. Tina legte nun den Kopf auf seine Schulter, schloss die Augen und ließ sich von Misaki führen. Die ganze Zeit tanzten sie. Es war für beide ein schöner Abend. Es war bereits morgens um 2 Uhr als sie nach Dirkow zurück fuhren: „Wohin werden wir jetzt gehen?“, fragte Tina. Doch er zuckte nur mit den Schultern: „Ich weiß nicht. Erst mal in eine andere Stadt.“, wich er aus. Sie merkte das, ging aber nicht darauf ein. Ken setzte sie vor ihrer Wohnung ab: „Gute Nacht Misaki- san und danke.“, sagte sie leicht verträumt. „Bis nachher.“, meinte er und fuhr los. Kapitel 5: Russische Drogen --------------------------- 5. Russische Drogen Sie schloss die Haus- und danach die Wohnungstür auf. Sie setzte sich auf die Couch und schloss die Augen. Ihr Atem war ruhig aber kräftig. Sie konnte nicht glauben, was für einen Abend sie hinter sich hatte. Alles war fantastisch gelaufen und Franziska hatte einen Denkzettel bekommen und Schmidt seine gerechte Strafe. Sie schlief fast, als es an ihrer Tür klopfte. Tina sah durch den Spion: „André, was möchtest du um die Uhrzeit.“, fragte sie ihren Freund. Der mit einer ernsten Miene eintrat: „Du siehst gut aus.“, quälte er sich dann doch noch ein Lächeln ab. „Danke, was kann ich für dich tun?“, fragte sie noch mal. „Ich würde gerne mit dir reden.“, sagte André. „Setz dich, willst du einen Tee?“, bot sie gleich an. Er schüttelte jedoch nur den Kopf und begab sich auf den Sessel. Sie setzte sich auf ihr ausziehbares Sofa: „Was willst du mit mir besprechen?“, fragte sie. „Ráion, gehst du mit ihm?“, wurde er deutlich und sah Tina an. Sie wich seinem Blick aus. „Das hatte ich eigentlich vor. Hier hält mich jetzt nichts mehr. Ich werde dir das Geld vom Training mit Bützow zurückzahlen sobald ich kann.“ „Warum willst du mit ihm gehen?“, fragte er verständnislos. „... Ich will das Ende meiner Familie vergessen und das kann ich hier nicht. Zuviel erinnert mich an sie.“ „Der Schmerz wird nicht besser, wenn du ihm ausweichst...“, meinte er. „Außerdem hat Misaki- san recht, wenn Schmidts Gefolge kommt, haben ich keine ruhige Minute mehr.“, sagte Tina. „Und du glaubst bei Ráion hast du sie? Herr Gott! Du weißt nichts von diesem Mann.!“, fluchte André. Sie sah ihn nur mit einem entschuldigendem Blick an: „Ah verstehe, du bist verliebt.“, meinte er etwas herablassend. „Blödsinn.“, sagte sie nur, das Gesicht zum Fenster gedreht. „Er wird dich außer Landes bringen und da kann ich dich nicht mehr beschützen.“, sagte er jetzt sehr ernst. „Ich weiß und ich danke dir, dass du auf mich aufpassen willst...“ Sie stand auf und ging an den Schrank. Sie holte eine Schatulle raus, die einmal ihrem Vater gehört hatte und übergab sie ihm: „... aber Ráion kann das ebenfalls.“ Er öffnete es und fand darin zwei goldene Manschettenknöpfe mit edlen Verzierungen: „Was soll ich damit?“, fragte Schwarz. „Es ist ein Geschenk für dich. Sozusagen von meinem Vater als Dankeschön, dass du immer für mich da warst.“ Erst jetzt begriff er, wie wertvoll dieses Geschenk war: „Du bist ganz sicher, dass ich das nehmen soll?“, fragte André verdutzt. „Ja, ich wüsste keinen besseren. Du hast wenigstens Gelegenheit sie zu tragen. Bei mir sehen sie nicht so gut aus.“, lächelte sie, aber mit Traurigkeit in den Augen. „Tina, wenn du jemals Hilfe brauchst, egal ob es Geld oder ein Schnupfen ist. Meine Tür ist immer für dich offen.“, sagte Schwarz. „Ich danke dir.“, gab sie ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Er drehte sich zur Tür: „Ich muss jetzt los und du sei bitte vorsichtig.“, verabschiedete er sich und ging zu seinem Mercedes. Angelehnt an den Kotflügel stand Ken: „Hast sie nicht überzeugen können, dass ich ein böser bin, was?“, stellte der mehr fest als das er fragte. „Solltest du ihr jemals weh tun, werde ich dich finden und dir jegliche Eingeweide rausreißen. Jetzt verschwinde von meinem Wagen.“ Ken grinste breit und trat drei Schritte vom Auto weg: „Die Angst frisst sich schon in mir hoch.“, lachte Misaki und machte sich dann endgültig auf den Weg. Inzwischen war es vier Uhr und Tina fuhr nach Häschendorf. Die ganze Zeit dachte sie über die Worte von André nach. Was wenn er recht hatte. Sie stellte ihr Mofa vor dem Anwesen ab und ging rein. Im Garten bemerkte sie jemanden. Sie ging an ihm vorbei, als hätte sie ihn übersehen. Dann griff er an. Der Mann trug eine Skimaske und beherrschte die Kampfkunst nicht weniger als sie. Sie schlugen sich Hände und Füße um die Ohren. - Man ist die gut. -, konnte er nur noch denken, bevor die Wand immer schneller auf ihn zukam. Er krachte dagegen: „Wer bist du.“, fauchte sie ziemlich aggressiv. „Du gehst los wie ein Tiger, da muss sich ein Löwe ganz schön vorsehen, Tora.“ „Misaki- san, seit wann schleichen sie hinter mir her?“, fragte sie. „ Seit du aus dem Haus bist. Könntest du mich jetzt vielleicht loslassen?“ „Warum sollte ich das?“ „Vielleicht weil du mir weh tust.“ Sie ließ seine Hand los und sofort hatte er sie im Polizeigriff. „Wie ich sehe, müssen wir noch an deinem Misstrauen arbeiten, wenn du denn mit mir kommen willst, Tora.“, sagte er und ließ sie los. Tina rieb sich den Arm: „Wohin mitkommen?“, war sie neugierig. „Ich wollte in etwa einem Jahr zurück nach Japan und in zwei Wochen geht es nach Russland.“, antwortete er. Sie überlegte einen Augenblick? „O.K. Misaki- san.“, siezte sie ihn wieder. „Mein Namen ist Ken.“, bot er nun endgültig das Du an. „Ken, was heißt Tora?“, fragte sie. „Es bedeutet Tiger.“, sagte er. Zwei Monate später in St. Petersburg: „Jetzt sage mir doch bitte, warum wir den umbringen?“, fragte Tina durch das Mikrophon hinter ein paar Paletten versteckt. „Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte Ken, hinter dem Lagerhaus in Deckung. „Kennst du die Lästigkeit eines Gewissens?“ „Ich glaube, ich habe schon mal was davon gehört.“ „Also?“, flüsterte sie. „Muss ich dir das jetzt erklären. Wir sind mitten im Einsatz.“, fluchte er leise. „Ich kann auch wieder zurück kommen.“, zischte sie. „Ich hätte dich Zicke nennen sollen...“ „Ich warte.“ „Der Typ ist Politiker und Mafiaanhänger.“, sagte er kurz. „Wie kann man denn beides zusammen sein?“ „Verdammt!!! Konzentriere dich auf deine Aufgabe!“, presste Ken jetzt wütend durch seine Zähne. Tora sah sich in der fast dunklen Lagerhalle um. Hier und da standen bewaffnete Wachen herum. Sie schlich zu einer Hintertür und drehte sich nochmals um, um zu checken ob niemand guckte: „Ich gehe da jetzt rein.“ Sie öffnete die Tür. Ein gewaltiger Durchzug in Richtung Tina entstand und wirbelte sämtliches Kokain in dem Drogenlabor auf. Sie atmete eine ziemliche Menge davon durch Mund und Nase ein. Sie hustete: „Tora, was ist los?“ „Ein... weißes Pulver.“, röchelte sie. „Sie zu, dass du da rauskommst!“, brüllte Ken ins Mikro, aber er bekam schon keine Antwort mehr: „Scheiße!“, rannte er aus seinem Versteck und stürmte ins Lagerhaus. Er machte immer wieder von der Schusswaffe gebrauch. Ken entdeckte Tina. Sie saß auf dem Boden. Neben ihr ein kreidebleicher Mann mit einer Schutzmaske, der ihr eine Pistole an den Kopf hielt: „Ich drücke ab, wenn sie näher kommen.“, versuchte er mit zittriger Stimme zu drohen. Sehr schnell gab Ken zwei Schüsse ab. Die erste Kugel traf die Hand mit der Pistole, die Zweite den Schädel des Mannes. „Tora! Tora!“, rief er und spürte die Angst in sich aufsteigen. In dem Moment öffnete Tina die Augen: „Ken, schön dass du da bist.“ Nüchtern wären ihr diese Worte nie über die Lippen gegangen. „Verschwinden wir hier.“, legte er ihren Arm um seine Schulter und schleppte sie raus zum Auto, nicht ohne noch drei bis vier bewaffnete Männer zu erschießen. Er wusste, dass sie Glück hatten, da heil wieder rausgekommen zu sein und er war sauer. Als Tora morgens aufwachte hatte sie einen starken Kater. Sie erinnerte sich nur noch irgendeine Tür aufgemacht zu haben. Sie fasste sich an ihren Schädel, um die Kopfschmerzen etwas zu senken. Dann drehte sie sich zur Seite und da lag jemand. Der Oberkörper von Ken war entkleidet, der Rest war unter einer Bettdecke. Plötzlich merkte sie, dass auch sie unter der Decke nackt war: - Oh Gott! Was habe ich getan? -, fragte sie sich. In dem Moment, als sie sich aus dem Bett stehlen wollte, erwachte auch Ken mit ebenfalls höllischen Kopfschmerzen. Er sah sich um und entdeckte verwundert Tina in seinem Bett: „Mmh, was machst du hier?“ „Ich, ich weiß es nicht.“, sagte sie wahrheitsgemäß und wurde feuerrot im Gesicht. „Hast du auch nichts an?“, fragte er. Sie bestätigte indem sie den Kopf schüttelte, noch röter werdend. Es war nicht so, dass sie völlig unerfahren war, aber sie war noch nie nackt, unwissend warum mit einem Lehrer aufgewacht. Er war auch nicht gerade unattraktiv, aber eine intime Beziehung hatte sie sich, trotz der Küsse, nie vorgestellt. Beide hatten keine Ahnung, ob sie miteinander geschlafen hatten oder nicht. Auch Ken war es sehr unangenehm. Er hatte Tina bisher „nur“ als Schülerin gesehen, nie als richtige Frau, aber das änderte sich schlagartig: „Steh du zuerst auf!“, forderte Ráion. „Vergiss es!“, meinte sie nur. „Wer hat denn Schuld an diesem... diesem Desaster?“ „Also ich nicht!“ „Ach nein und wer rennt geradewegs in das Drogenlabor und verursacht da eine Havarie?“, klang jetzt ein Vorwurf aus seiner Stimme. „Hättest du mir das gesagt, wäre ich da nicht reingegangen!“, fluchte sie. „Ich habe dir gesagt, du sollst Räume immer vorher checken!“ „Und wie sollte ich das machen? Vielleicht durchs Schlüsselloch gucken?!“, war sie böse. „Dann noch das ganze Zeug einatmen...“ „Und du nicht oder was? Mit wem bin ich denn gerade nackt aufgewacht?“, schnauzte sie, verschränkte die Arme und ließ sich zurück ins Bett fallen. In normalen Situationen wäre er ausgeflippt, wenn jemand so mit ihm gesprochen hätte, aber die ganze Sache entbehrte nicht einer gewissen Komik: „Was grinst du denn so bescheuert?“, fragte sie, als sie ihn kurz darauf wieder ansah. Er begann zu lachen: „Was?“, fingen jetzt auch ihre Mundwinkel an nach oben zu gehen und bevor sie es sich versahen, lagen beide schallend lachend in dem Bett. Eine Stunde später: „Wer von uns steht jetzt als erster auf?“, fragte er. „Ich, aber du musst dir die Augen zuhalten.“ Ken legte die Hände aufs Gesicht. Tina stand so schnell wie möglich auf und flitzte ins Bad, nicht ohne dass Ráion durch die Finger sah: - Wow. -, dachte er. Vor dem Badezimmerspiegel untersuchte sie sich nach irgendwelchen Anzeichen, ob sie eventuell zu was gezwungen wurde. Sie fand jedoch nichts. Als das Wasser über ihren Körper lief, überlegte sie: - Ich habe ihn heute das erste Mal richtig lachen gehört. Wie wird unser Verhältnis jetzt nachdem... Quatsch, wir wissen beide nicht ob etwas gelaufen ist. Wieso sollte sich was ändern? - Das Haus, dass in der Nähe von St. Petersburg als Versteck für die beiden Killer diente, lag nun im Licht der untergehenden Sonne. Wobei der Schnee das rote Licht zusätzlich reflektierte. Da die Zwei den ganzen Tag im Drogenrausch verschlafen hatten, aßen sie erst jetzt Frühstück: „Tora, wir sollten mit dem Japanisch anfangen. Denn wenn du in meinem Land als AK überleben willst, musst du die Sprache beherrschen und zwar Verstehen, Sprechen und Lesen.“, sagte er. „Ráion, nur als Hinweis, was Sprachen angeht, bin ich... na ja sagen wir untalentiert.“ „Es gibt so einen netten Spruch in Deutschland: Hartnäckigkeit gewinnt, wo Talent nur zuschaut. Es wird Arbeit, also mache dich auf was gefasst.“, drohte er fast. Ken begann sie zu unterrichten und sprach mit der Zeit mehr und mehr japanisch mit ihr. So manches mal kotzte sie seine Hartnäckigkeit an, aber es nützte etwas. Es waren gerade mal 10 Monate vergangen und sie sprachen jetzt ausschließlich Japanisch. Während dieser Zeit hatten sie auch einige hochgestellte Verbrecher zur Strecke gebracht. Kapitel 6: Geschehnisse in St. Petersburg ----------------------------------------- 6. Geschehnisse in St. Petersburg „Ich weiß nicht Ken, irgendwas stört mich.“, sagte Tina als sie den Plan für ihre nächste Aktion durchgingen. „Traust du mir etwa nicht?“, fragte er. Sie sah ihn böse an: „Red keinen Quatsch! Ich sage doch nur, dass ich kein gutes Gefühl bei der Sache habe.“ Er sah jetzt ebenfalls auf den Plan, ihm fiel aber nichts besonderes auf, außer das was sie schon besprochen hatten: „Was stört dich denn?“, fragte Ráion. Sie sah sich den Grundriss des Grundstücks noch einmal an und tippte mit dem Finger auf ein Gebäude: „Hier, das kleine Häuschen.“ „Das?“, er lachte: „Da wohnt nur seine kleine Tochter Lucianna. Die ist gerade mal 16.“ „Und? Ich bin 19 und trotzdem eine Killerin.“, sah sie ihn kritisch an. „Dann nimm eine Kugelsichere Weste mit, wenn es dich beruhigt.“, meinte er leicht verächtlich. Eigentlich nur um ihn zu ärgern, tat sie es und fuhr los. Die Straßen waren schneebedeckt und glatt. Der Himmel war voll Wolken, die den Vollmond bedeckten. Sie stellte ihr Fahrzeug etwa einen Kilometer vom Haus des Mafiabosses Lucianno ab und öffnete die Tür. Minus zwölf Grad schlugen ihr entgegen: „Ich hasse diese Kälte?“, fluchte sie, wobei ihr Atem sofort Kondensierte und eine Rauchwolke erzeugte. Sie setzte sich eine Skimaske auf und kämpfte sich durch den Schnee an die Rückseite des Hauses. Sie überwand den Zaun ohne Alarm auszulösen. Der Schnee machte das Anschleichen schwer, es knirschte bei jedem Schritt. Doch den Wachen war zum Glück so kalt, dass sie sich ebenfalls bewegen mussten und Geräusche erzeugten. Sie kam an ihnen vorbei und verschaffte sich Zutritt zum Haupthaus. Sie war schon fast in der zweite Etage, wo ein Bodyguard, der charakteristischer nicht sein konnte auf seinem Stuhl schlief. Plötzlich hörte sie, wie jemand die Haustür öffnete. Sie sah sich um und entdeckte einen großen Putzschrank, indem sie sich kurzerhand versteckte: (Russ.)„Ey Iwan!“, der Bodyguard auf dem Stuhl erwachte: „Was?“, fauchte der. „Du hast schon wieder die Haustür nicht abgeschlossen. Wenn das noch einmal vor kommt, berichte ich es dem Boss.“, sagte der Mann, der Anstalten machte die Treppe hochzukommen. Tina hielt den Atem an: „Ich werde es nicht wieder vergessen.“, sagte Iwan eher beiläufig. Der andere ging die beiden Stufen, die er hochgekommen war, kopfschüttelnd wieder runter. Iwan setzte sich auf seinen Stuhl und nach zehn Minuten schnarchte er erneut. Tora öffnete leise die Tür des Schrankes und ging die restlichen Treppen hoch. Sie setzte den Bodyguard außer Gefecht und schlich ins Schlafzimmer. Lucianno schlief seelenruhig in seinem Bett. Sie nahm ihre Pistole mit Schalldämpfer und erschoss ihn. Leise verließ sie das Haus und durchquerte den Garten. An dem kleinen Haus vorbeikommend, öffnete sich die Tür und eine hübsche Italienerin stand plötzlich vor Tora: „Wer bist du?“, fragte Lucianna in gebrochenem russisch. „Du wirst es erfahren.“, sagte Tora, sprang auf sie zu und stieß sie zurück ins Haus. Tina begann zu rennen. Das Mädchen war wütend, nahm sich eine in der Nähe liegende Pistole und schoss ihr hinterher. Drei Kugeln trafen in die Weste: - Verdammt tut das weh. -, fluchte Tora das Auto startend. Sie kam ins Haus und hielt sich den Rücken als sie eintrat: „Bist du gealtert?“, scherzte Ken. „Halt die Schnauze! Dein kleines sechzehnjähriges Mädchen, von dem keine Gefahr ausgeht, hat mir mehrere Schüsse in die Weste gejagt. Vielleicht hörst du das nächste Mal auf mich!“, schmiss sie ihm diese wutentbrannt entgegen und stand jetzt vor ihm: „Ist der Auftrag erledigt?“ Sie gab ihm eine kräftige Ohrfeige: „Danke dass du fragst wie es mir geht, Idiot!!!“, rief sie und verschwand in ihrem Zimmer. Ken stand verwundert da. Tina zog sich unter Schmerzen die Kleider aus: - Verdammter Idiot! -, dachte sie erneut. Ráion stand vor der Tür und bereute seinen Egoismus. Er legte die Hand auf die Tür und senkte den Kopf: „Tora, es tut mir leid.“, sagte er ziemlich kleinlaut: „Weißt du, mein Bruder sagte mein Eigensinn wird mir irgendwann auf die Füße fallen. Na ja, heute hat er mich im Gesicht erwischt.“ Sie antwortete nicht. Ken ging ins Bad und bereitete eine Schüssel mit einer übel riechenden Substanz vor. Er öffnete ihre Tür: „Was willst du?“, fragte sie barsch. „Zeig mir deinen Rücken.“ „Nein!“ „Gut, wenn du die Schmerzen behalten willst.“, er wartete kurz und wandte sich dann zum Gehen: „Ráion, so wie das Zeug stinkt, ist das entweder ein gutes altes Hausmittel oder es hat dich jemand tierisch übern Tisch gezogen.“, sagte sie. Er lachte: „Mach deinen Rücken frei.“ Sie sah ihn misstrauisch an: „Keine Sorge, ich bin ein Gentleman.“ Tora lachte: „Na klar, so wie vor ein paar Monaten.“, sie stand auf: „Ich bin gleich wieder da.“ Im Bad zog sie ihr T- Shirt aus. Sie legte sich ein Handtuch um den vorderen Brustkorb und betrat ihr Zimmer erneut. Ken wartete auf dem Bett sitzend: „Wenn sich deine Finger verirren, breche ich sie dir, klar?“ „Klar, lege dich hin.“ Er tat ihr ein getränktes Handtuch auf den Rücken. Es war warm und trotz des Gestankes angenehm: „Was ist das für ein Zeug?“, fragte sie. „Es hilft zu entspannen.“ „Ja, aber was ist es?“ „Mach die Augen zu und halt den Mund, sonst wirkt es nicht so gut.“ Nach ein paar Minuten war sie eingeschlafen. Ken deckte sie bis zur Hüfte zu und tränkte die ganze Nacht immer wieder das Handtuch in der Flüssigkeit. Gegen vier Uhr erwachte sie. Ken war auf dem Stuhl eingeschlafen. Sie richtete sich auf und sah ihn an: „Ich danke dir, mein Löwe.“, flüsterte sie. Er erwachte dennoch und sah sich um: „Wie geht es dir?“ „Besser, danke.“ „Hast du eben was gesagt?“, fragte Ken interessiert. „Nichts weiter.“, wich sie aus. „Na gut, ruhe dich noch etwas aus.“, meinte er, nahm das Tuch weg und deckte sie zu. Er verließ mit einem letzten Blick auf Tora, die, die Augen geschlossen hatte, das Zimmer. Ken wusste nicht was mit ihm los war. Er war über seine Gefühle noch nie so im Unklaren. Normalerweise kümmerte es ihn herzlich wenig, was andere über ihn dachten. Sogar seinen Bruder hatte er meistens auf Grundeis laufen lassen. Doch Tinas Wut machte ihn nachdenklich. Er hatte in seinem Leben viele Liebschaften gehabt, aber bei keiner war es ihm jemals so ergangen wie mit Tina: - Könnte es sein, dass ich, ich der andere umbringt, jemanden... Nein, nein das darf nicht sein.-, sagte er sich. Tora erwachte am Morgen. Sie hatte keine Schmerzen mehr und fühlte sich erholt. Auf ihrem Bett sitzend streckte sie sich. Tina ging ins Bad und duschte sich. Am Frühstückstisch war Ken sehr schweigsam und schaute sie auch nicht an. Sie sprach ihn nicht darauf an. Sie wusste seine Launen einzuschätzen. Eine e- Mail war der erste Anreiz heute miteinander zu sprechen: „Tora, dieser Doktor Bunt aus Rostock will sich mit dir treffen.“, meinte er verächtlich. „Sein Name ist André Schwarz, das sagte ich doch schon.“, meinte sie zu ihm. „Meinetwegen.“ Sie las sich die Nachricht durch: „Und was will der Heini?“ „Er möchte sehen, wie gut ich geworden bin.“, sagte sie etwas niedergeschlagen. „Den steckst du doch mit links in die Tasche.“, meinte er beiläufig. „Das ist es nicht. Immerhin hat er mir nach dem Tod meiner Eltern sehr geholfen. Er war, nein, ist ein Freund.“ „Dann lehnst du ab, weil er dir etwas bedeutet?“, meinte er ziemlich eifersüchtig. „Nein,“ sie sah weiterhin auf den Bildschirm des Computers: „ich möchte ihm beweisen, was ich kann und ich freue mich auf ein wiedersehen.“ Sie hörte nur noch das Knallen der Tür. Ken war rausgegangen. Verwundert sah sie auf diese, wandte sich dann wieder dem Computer zu. Sie schrieb André auf, wo und wann sie sich treffen wollten. Sie war nervös. Tina hatte von Dr. Schwarz seit fast einem Jahr nichts mehr gehört. Sie freute sich auf ein wiedersehen. Sie trafen sich an einem Wald. Tora lächelte als sie den schwarzen Mercedes und den darin sitzendes Arzt erkannte. Sie kam auf ihn zu und nahm ihn in den Arm: „André, ich freu mich sehr dich wiederzusehen.“ „Ich mich erst. Geht’s dir gut?“, fragte er und lächelte ebenfalls. „Ja, ich kann nicht klagen.“, sagte sie. „Bist du trainiert? Ich will mal sehen, wie gut du wirklich bist.“ „Und wie willst du das testen? Soll ich dich umbringen?“, fragte sie grinsend. „Ich dachte an einen Hindernislauf. Wir laden unsere Pistolen mit Farbpatronen und versuchen uns damit zu treffen.“ Tina sah sich plötzlich nervös um: „Was hast du?“ Sie schaute sich noch mal um: „Nichts... Nichts weiter. Lass uns beginnen.“ Beide gingen in den Wald, ohne sich aus den Augen zu lassen. Sie nickten sich zu, wobei die Bäume Schatten auf ihre Gesichter warfen. Doktor Schwarz verschwand plötzlich, auch Tora lief los und zunächst hinter eine Zeder. Sie ging los und machte einige Geräusche. Sie hörte das Klicken eines Revolvers und schmiss sich auf den Boden. Die Kugel verfehlte sie knapp. Sie rollte sich seitwärts weg und stand wieder auf. Sie erhob ihre Pistole und schoss: „Verdammt mein neues Sacko.“, folgte. Sie steckte die Waffe ein und stemmte die Hände in die Hüfte: „Warum ziehst du es auch an, wenn du dich mit Farbe beschießen lassen willst.“ „Eigentlich hatte ich vor zu gewinnen. Ich wusste ja nicht, dass du so gut bist.“ Er sah sie an: „Wie sieht es mit einem Decknamen aus?“, fragte er. „Der lautet Tora.“ André sah sie fast geschockt an: „Du ? Du bist Tora ?! Hättest du das nicht gleich sagen können, dann hätte ich das Sacko nicht angezogen.“ Sie lächelte: „Was mich interessiert, bist du noch mit Ráion unterwegs.“ Tina wurde leicht rot und sah nach unten: „Liebst du ihn?“, fragte der Arzt. „Natürlich nicht. Unsere Beziehung ist rein geschäftlich. Wir arbeiten halt gut zusammen.“ Das traf Ken, der in der Nähe stand nun doch. Er dachte sie empfindet genauso wie er. Tina verabschiedete André und blieb noch an ihrem Wagen stehen: „Du bleibst also nur bei mir, weil wir gut zusammen arbeiten?“, fragte Ken plötzlich auf sie zukommend. Sie zuckte zusammen und senkte sofort den Blick. Sie antwortete nicht auf seine Frage. Ráion drehte sich weg und ging. Am liebsten hätte sie ihn aufgehalten, aber sie wusste einfach nicht was ihm sie sagen sollte. - Geh nicht. -, sprach sie in Gedanken, brachte aber nichts über die Lippen. Sie sah ihm nach als er wegfuhr. Sie zögerte nach hause zu fahren. Was könnte sie sagen? Was könnte sie machen ohne ihm zuviel zu verraten. War das überhaupt möglich. Als sie ins Versteck kam, hatte Ken seine Sachen gepackt und war fort: „Nein.“ Das erste Mal seit einem Jahr fühlte sie sich wieder verletzlich und angreifbar. Sie legte ihre Sachen in einen Koffer und verließ St. Petersburg ebenfalls. Kapitel 7: Der Bunker --------------------- 7.Der Bunker Inzwischen waren Monate vergangen. Sie war allein in Berlin und erledigte hier und da kleinere und größere Aufträge, die sie übers Internet bekam. Ken verfolgte ihre Geschäfte, obwohl er zurück in Japan war, ganz genau. Er wohnte bei seinem Bruder Neo, der eine Ausbildung zum Polizisten machte: „Hey! Alles klar mit dir?“, fragte Neo, als er seinen Bruder schmachtend vorm Computer sah: „Ah, da ist ja die Politesse.“, sagte Ken mit wenig Motivation. „Früher klang das viel spitzer. Jetzt ist es ein billiger Abklatsch eines Versuches mich zu ärgern.“, meinte Neo: „Also großer Bruder, was ist mit dir?“ „Nichts!“, wendete der sich ab. „Willst du mich auf den Arm nehmen? Du hast dich total verändert. Seit Wochen hängst du hier rum, wie ein nasser Sack und ich möchte jetzt von dir wissen wieso.“ „Das geht dich nichts an.“, fauchte der ältere Misaki- Bruder. Neo setzte sich neben ihn und starrte ihn an. Ráion ging das mächtig auf den Keks: „Budda! Du bist ja schlimmer als Tora! Wenn man bei ihr sagte: Schluss, dann war auch Schluss.“ „Aha, also doch eine Frau.“ „Hä, höre auf zu spinnen.“, sagte Ken schnell. „Oh doch, was ist das Einzige auf der Welt, dass einen Mann in einem Jahr so verändern kann? Vor allem einen Dickschädel wie dich. Da kommt nur eine Frau in Frage in die er verliebt ist.“ Ken sagte nichts und starrte nur auf den Bildschirm. „Dein Schweigen verrät alles. Warum rufst du sie nicht einfach an und entschuldigst dich bei ihr.“ „Wie kommst du darauf, dass es meine Schuld ist?“ „Weil wir immer schuld haben.“, sagte Neo. Ráion stand auf und ging: „Mein liebeskranker Bruder ist echt belastend.“ Ken war zu Fuß in den Straßen von Tokio unterwegs. Er achtete gar nicht auf die Einfamilienhäuser in Juban, an denen er jetzt vorbei ging. Er war mit den Gedanken bei ihr und überlegte: - Habe ich mich wirklich so sehr verändert? Na ja, ich starre nicht mehr jedem Rock hinterher. -, er blieb stehen und sah auf seine Schuhe: - Aber ich muss zugeben, dass ich sie vermisse. Dank ihr konnte ich auch mal wieder richtig lachen. -, erinnerte er sich an ihren Drogenkater. Ein kleines Grinsen huschte ihm unwillkürlich über die Lippen: - Tina. -, ging ihm liebevoll ihr Name durch den Kopf. Es war schon abends als er zurück in der Wohnung seines Bruders kam. Dieser war gerade mit duschen fertig und zog sich für einen schicken Abend mit seiner Freundin an: „Sag mal Ken hast du heute Abend Zeit?“ „Wieso?“ „Vielleicht hast du ja Lust mit uns mitzukommen.“, bot der kleine Misaki an. „Und ich bin dann das fünfte Rad am Wagen, nein danke.“ „Bist du nicht. Sie könnte dann ihre Freundin mitnehmen.“ Ken verzog das Gesicht: „Gut, ich rufe sie an und sage, dass du mitkommst.“, sagte Neo. Der Abend war ein einziges Desaster. So dass sich im Endeffekt sogar Neos Freundin trennte. Nun standen die beiden Männer im Arisugawa Memorial Park: „Danke! Vielen Dank, Ken!“, fluchte Neo. „Mach dir nichts draus. Die Kleine war eh nichts für dich.“ Wumms, hatte er eine sitzen. Er hätte sie im Schlaf abblocken können, aber er wollte nicht: „Du schlägst zu wie ein Mädchen.“ Peng, „Und wie war es mit der?“, fragte der jüngere Misaki. „Ich muss dir leider sagen, dass meine Tigerin mehr Schmackes drauf hat als du.“ „Aber deine sogenannte Tigerin will mit einem Arsch wie dir nichts mehr zu tun haben, weil du nie aussprichst was du wirklich fühlst!“, brüllte Neo. Im nächsten Moment sprang Ken auf ihn zu und riss ihn zu Boden und kurz darauf waren sie nur noch als Knäuel zu erkennen. Noch in der gleichen Nacht zog Ken aus und suchte sich vorerst ein Hotel. Die Tage darauf machte er sich auf die Suche nach einem neuen Versteck. Er fand schließlich eins und machte sich anschließend auf den Weg nach Deutschland. Tora kam gerade von einem Auftrag aus Italien zurück. Im Geiste war sie völlig woanders, als sie das Hochhaus mit ihrer Wohnung betrat. Sie wollte ihre Tür aufschließen, als sie eine Rose an ihrem Türknauf hängen sah: -Was ist das? -, fragte sie sich und zog vorsichtig ihre Pistole, aufpassend dass niemand es sah. Leise schloss sie die Tür auf und schlich durch den Flur. Sie stieß die Wohnzimmertür auf und hielt die Waffe im Anschlag. Tina war überrascht. Der Raum war abgedunkelt und nur durch ein paar Kerzen erhellt. Auf der Couch lagen Dutzende von roten Rosen. Sie senkte die Walther und blickte sich weiter um. Plötzlich klingelte es. Die Tür war noch auf und dort stand jemand, sein Gesicht verdeckt von weiteren Rosen. Sie ging dahin und schlug Ken das Brett vor der Nase zu. Er holte den Dietrich raus mit dem er sich Stunden zuvor schon Zutritt verschafft hatte und öffnete das Schloss. Tora stand wie gebannt vor dem Rosenzimmer. Sie hörte wie die Tür aufging. Ráion kam von hinten an sie ran. Tina spürte seinen Atem an ihrem Hals. Er fasste ihr auf die Schulter. Sie senkte den Kopf und löste sich von der Berührung: „Tora...“, er sprach nicht weiter. Die Worte erschienen ihm viel zu gefährlich, als dass er sie aussprechen könnte: „Ráion, was bezweckst du?“, fragte sie mit erstickter Stimme, ihm immer noch den Rücken zugedreht. „Weißt du, die ganze Zeit, die du jetzt nicht bei mir warst..., musste ich... an dich... denken.“, stotterte er sich zurecht: „Mein Bruder machte mir dann klar, wie sehr ich dich vermisse.“, während er das sagte, ging er um sie herum. „Aber du vertraust mir nicht und...“ Er legte ihr den Finger auf den Mund: „Ich vertraue dir. Sogar mehr als mir. Ich bitte dich, verzeih mir meinen Egoismus.“, flehte er. So hatte sie ihn nie gesehen. „Du vertraust mir?“ „Mehr als jedem anderem.“ „Und liebe?“, fragte sie, ihn nicht ansehend. „Soll nicht zu kurz kommen.“, sagte er leicht schelmisch, meinte es aber ernst. Die vorbeifahrenden Autos beleuchteten sein Gesicht und seine Augen blitzten immer wieder auf. Sie ging auf ihn zu: „Ken, ich liebe dich.“, gestand sie ihm endlich. Er nahm sie in den Arm: „Was hast du vor?“, fragte Tora nervös. Er berührte ihre Wange und führte ihre Lippen an seine. Sie riss die Augen auf, schloss sie dann aber und genoss das Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit. Als sie am nächsten Morgen erwachten, schmiegten sie sich aneinander: „So eine Nacht habe ich noch nie erlebt, zwischen Rosen.“ Ráion küsste sie: „Willst du mit nach Japan kommen?“, fragte er, noch etwas benebelt von der Nacht. Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und wendete sich zu ihm: „Wozu habe ich sonst die Sprache gelernt. Außerdem sind hier einige Syndikate, Mafiafamilien und sonstige üble Typen hinter mir her.“ „Warst also fleißig.“, schmunzelte er. „Ein bisschen.“ Ken wirkte plötzlich wieder ernst: „Schaffst du es in drei Stunden zu packen? Dann könnten wir heute schon losfliegen.“ „Heute schon, warum?“, fragte sie etwas panisch. „Ich muss dringend nach Tokio.“ „Wieso?“ „Ist nicht so wichtig. Nimm nur das Nötigste mit. Wir kaufen alles andere in Japan.“ Sie steckte größtenteils Erinnerungen ein. Fotos, den Plüschhasen ihres Bruders, das Schmuckkästchen ihrer Mutter und von ihrem Vater die Pfeife. Mit Ken betrat sie noch am gleichen Tag den Flughafen. In zwei Stunden würde sie mit ihm im Flugzeug nach Japan sitzen. Noch drei Tage vorher hatte sie versucht sich an den Gedanken zu gewöhnen, ihn nie wieder zu sehen. Sie war froh, aber andererseits auch traurig, dass sie ihr Heimatland für immer verließ. Achtundvierzig Stunden später standen Tora und Ráion am Tokioer Airport vor dem Haupteingang. Es war voll. Die Menschen drängten zu den Taxen und Bussen. Fast jeder beladen mit Koffern und Taschen: „Wo geht’s jetzt hin?“, fragte Tina, die ebenfalls einem ziemlich großen Rucksack trug. „Zur U- Bahn, wir müssen nach Azabu Juban.“; sagte Ken und ging mit seinem kleinen Gepäck voran. Auch am Bahnhof drängten sich Unmengen von Leuten. Es war eng. Ständig wurde sie angerempelt. Im Zug quetschten sich alle wie Ölsadienen aneinander. Auf Deutsch fragte sie Ken: „Ist das hier immer so?“ „Ja, täglich bis zu 20 Stunden.“ „Kriegst ja eine Macke.“ Er lachte nur. Mit dem Auto würden wir stundenlang im Stau stehen.“ Am Bahnhof Juban stiegen sie aus. Zielsicher ging Tina in Richtung Treppe. Doch Ken hielt sie am Ellenbogen fest: „Warte.“, sagte er und führte sie, entgegen des Menschenstromes. Sie standen jetzt am Gleistunnel: „Wo wollen wir hin?“ Ken antwortete nicht, sondern sah sich nur um. „Komm.“, sagte er und ging in den Tunnel hinein: „Beeil dich, der nächste Zug kommt in zwei Minuten. Sie gingen seitlich an der Wand entlang. „Halt.“, sagte Ken und schob an der Tunnelmauer. Diese gab nach und es entstand ein Durchgang. Etwa 1.75m hoch und 50cm breit. Am Tunnelende waren die Lichter der herannahenden U- Bahn bereits zu sehen. Beide gingen in die Wand. „Wo sind wir hier?“, fragte Tora in völliger Finsternis. Er berührte sie an den Schultern: „Keine Sorge, wir sind gleich da.“ Er entfernte sich ein Stück von ihr und öffnete, nach ihrem Gehör, eine sehr schwere Tür und etwa 15 Meter von ihr weg, wurde eine Bauleuchte angemacht. Tina nahm einen unangenehmen Geruch war: „Sag mal verrottet hier dein letztes Opfer?“, sie konnte bei der stickigen Luft kaum atmen. Sie traf fast der Schlag, als sie durch die Panzertür ging. In diesem enorm großen Hohlraum war wohl seit dem Ende des ersten Weltkrieges niemand mehr gewesen. Die Wände waren schwarz vor Moder. Das starke Licht wurde regelrecht verschluckt: „Was ist das hier?“, fragte sie mit Mühe ihren Mageninhalt zurückhaltend. „Unser neues Versteck. Das ist ein vergessener Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Er war für 75- 100 Menschen gebaut worden.“ „Wenn du glaubst ich wohne in diesem Loch, hast du dich geschnitten.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging raus: „Tora, hey Tora warte!“, lief er ihr nach. Er hielt sie am Oberarm fest: „Ich weiß, es ist nicht gerade ein Hotel, aber mit etwas arbeit, kann man da viel draus machen.“, versuchte er zu überzeugen. Tina wusste nicht was sie denken, was sie machen sollte. In diesem versifften Loch leben, wollte sie nicht. Ohne Ken sein, konnte sie nicht: „Tu mir wenigstens einen Gefallen, lass uns heute Nacht woanders schlafen.“, bat sie. Er verdrehte leicht die Augen, sagte dann aber zu. Sie nahmen sich ihre Sachen und suchten in Juban ein preiswertes Hotel. Schon früh lagen sie im Bett. Ráion starrte an die Decke und sah dann sie an: „Tina, ist das Versteck wirklich so schlimm?“, fragte er. „Du weißt, ich machen fast alles mit, aber da würde nicht mal eine Ratte leben.“ Er stützte sich auf die Ellenbogen und sah sie an: „Wir kriegen da schon Ordnung rein. Wir könnten ein paar Wände einziehen.“, versuchte er positiv zu klingen. „Mmh.“ Er legte sich wieder hin und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es klug war Tora zu sich zu holen. Auf einmal hatte er ihr Gesicht vor sich: „Worüber denkst du nach?“, fragte sie, diesmal stützte sie sich über ihn. „Nichts weiter.“, wich er aus und streichelte ihre Wange. Sie kam an ihn ran und küsste ihn. Sie spürten einander und hauchten sich sanfte Berührungen mit den Lippen auf die Haut: „Du bist unglaublich.“, sagte Ken wenig später und drückte sie an sich. „Wieso hast du damals im Schießstand eigentlich nachgegeben und mir den Umgang mit Waffen gezeigt?“, fragte Tina. „Ich wollte einfach keine Kugel im Hintern.“ Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Ach komm schon, das wird doch nicht alles gewesen sein.“ „Du willst die Wahrheit?“, fragte er. Sie nickte: „Also gut, mir gefiel deine Hartnäckigkeit. Ich hatte die Wahl. Entweder dich erschießen oder dir das beibringen.“, sagte er. „Du hättest mich umgebracht?“ „Ich stand kurz davor.“, grinste er, meinte es aber ernst. Sie schüttelte leicht den Kopf und legte sich wieder hin. Am nächsten Morgen begann die Aktion: Bunkerreinigung. Sie brauchten fast drei Wochen, um dort eine Grundreinigung reinzubringen. Sie räumten alles aus. Zum Glück fanden sie einen weiteren Weg aus dem Bunker, durch den sie alles abtransportieren konnten. Sie mussten in voller Schützkleidung die Wände abkärchern und es mit einem Umluftgerät trocknen. Ken zog Stromleitungen und Wände ein, sie verputzten, tapezierten, fliesten, legten Auslegware und Matten aus. Das Ganze dauerte etwa anderthalb Monate. Das Versteck hatte jetzt 2 Zimmer, einen großen Aufenthaltsraum mit Küche, in einer Ecke standen Couch und Fernseher, einen Trainingsraum ausgelegt mit Judomatten und Boxsäcken, einem Schießstand und einem kleinen Labor.“ Außerdem hatten sie für eine Klimaanlage für Frischluft gesorgt. Die Eingangstür war mit einem Händeabdrucksystem gesichert. Sie hatten Strom, Internet- und Fernsehanschluss, sogar ein Bad mit Toilette und Dusche. Die Wände waren ein wenig mit warmen Farbe und Bildern versehen worden. Einige Pflanzen standen drin, darauf hatte Tora bestanden. Ken hatte für so´n Unkraut nichts übrig, aber es machte den Tunnel, wie sie das Versteck auch nannten wohnlicher. Wasser-, Strom-, Abwasser- und Internetrechnung übernahm die Stadt, ohne es zu wissen: „Und, was sagst du?“, fragte Ken, als der letzte Handschlag getan war. „Im Gegensatz zu vorher, super.“, meinte sie. Tina sah durch den großzügigen Aufenthaltsraum. Die hölzerne Küche, der große Esstisch, die Fernsehecke mit dem Lümmelsofa: „Eins ist sicher, Fenster putzen brauche ich nicht.“ „Bist du denn mit nichts zufrieden!“, fluchte er und ging in den Trainingsraum. Tora sah ihm verwirrt hinterher. - Es sollte doch nur ein Scherz sein. -, dachte sie. Ráion prügelte auf die Boxsäcke ein. Tina kam dazu: „Ken, so war das doch nicht gemeint.“ Er kickte ihr den Boxsack entgegen. Sie wich elegant aus: „Sind wir über das Stadium nicht schon hinaus?“, grinste sie, um ihn weiter zu reizen. Es folgten Fußtritte und Fausthiebe, immer ins Leere. Dann stieg Tora ein. Sie grätschte in seine Füße und brachte ihn zu Fall: „Was soll denn das?“, beschwerte er sich. „Was fragst du mich. Du hast damit angefangen.“, stellte sie fest. Ken lag noch wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Sie drehte sich um, stand auf und sah ihn an: „Willst du mir sagen was los ist?“, fragte sie. „Es ist nichts.“, wich er aus, erhob sich und ließ sie im Trainingsraum stehen. In den folgenden Wochen war Misaki äußerst distanziert. Tina wusste, in den Situationen lässt man ihn am besten in Ruhe. Doch irgendetwas hatte sich verändert. Es kam vor, dass er tagelang verschwand. Es gab während dessen immer wieder unerklärliche Todesfälle, was von Tora allerdings unbemerkt blieb. Jedes mal, wenn er da war, spürte sie dass ihn etwas belastete, aber sie fragte nicht nach. Sie wusste, sie würde keine Antwort bekommen. Sie machte sich Gedanken, da unten in ihrem Versteck und lenkte sich mit Training ab. Sowohl physisch, als auch kognitiv trainierte sie jeden Tag. Teilweise bis zur Erschöpfung, um nicht durchzudrehen. Eine weitere Ablenkung war Doktor André Schwarz, dieser war, wie sie glaubte, ihr hinterhergezogen. Sie freute sich ehrlich darüber, dass sie jetzt nicht nur Ken als Ansprechpartner hatte, sondern auch jemand außerhalb der Bunkermauern. Es waren wieder vier Tage vergangen, seit sie Ken, das letzte mal gesehen hatte, als eine SMS auf ihrem Handy erschien: „Tora, ich brauche dich. Komm schnell zur Midori no dono.“ Tina hielt nichts mehr. Ráion war in Schwierigkeiten oder schlimmeres. Fünfzehn Minuten später hielt sie mit quietschenden Reifen in der Straße. Ken stand vor einem Restaurant. Ihr fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, als sie ihn erkannte. Sie ging auf ihn zu: „Was soll das?“, fragte sie ihn. „Ich dachte, ich lade dich mal zum Sushi ein.“, lächelte er. „Und deshalb schickst du mir eine Nachricht, als wenn du gleich abgeschlachtet wirst.“, fragte Tina jetzt doch aufgebracht. „Du solltest dich beeilen.“, grinste er. „Und tschüß.“, sagte sie, stieg in ihren Wagen und fuhr los: - Dieser Vollidiot. -, ging ihr durch den Kopf. Als Ráion ins Versteck kam, hatte sich Tora in ihrem Zimmer eingeschlossen. Er klopfte an die Tür: „Verschwinde!“, fluchte sie. „Warum bist du denn so sauer?“, fragte er. „Warum wohl! Ich mache mir seit Tagen sorgen. Dann schickst du mir diese SMS. Ich denke es ist dir sonst was passiert und du sagst: Ich wollte, dass du dich beeilst. Vielleicht geht es in deinen Kopf rein, dass ich mir Sorgen mache.“, brüllte sie. Nun war es ihm doch unangenehm: „Ach komm schon, so schlimm war es doch nicht.“, versuchte er es runter zu spielen. „Für dich vielleicht nicht. Du bist ein Arsch, auf meine Gefühle nimmst du keinerlei Rücksicht!“, schrie sie durch die Tür. Er sah es nicht, aber sie hatte Tränen in den Augen. „Tora, komm schon. Es war nicht so gemeint.“ Wütend schmiss sie ein Buch an die Tür. Es knallte laut und Ken erschrak. Er setzte sich vor die Tür auf den Boden: „Tora, es tut mir leid.“, sagte er ziemlich kleinlaut. Sie hörte das, machte aber nicht auf. Kapitel 8: Shuryoka ------------------- 8. Shuryõka Die Nacht verging, Tina hatte kein Auge zugemacht. Morgens um fünf Uhr dreißig kam sie aus ihrem Zimmer. Ken war im Rahmen eingeschlafen und hatte die ganze Zeit auf dem kalten Boden gesessen. Ihre Wut auf ihn verflüchtigte sich leicht: „Löwe?“, fragte sie leise. Er öffnete die Augen und fühlte sich schwach. Ihm taten die Knochen weh und er hatte starke Kopfschmerzen. „Du siehst krank aus.“, stellte sie fest. „Ach qua...“, wollte er raunzen, doch heraus kam nur ein krächzen. „Lege dich ins Bett. Ich mache dir einen Tee.“ „Blödsinn.“, flüsterte er. „Leg dich selbst rein oder ich zwinge dich dazu!“, ließ sie keine Möglichkeiten für ihn übrig und da Ken im Augenblick weder über die Kraft, noch über den Willen verfügte, sich mit ihr auseinander zu setzen, tat er was sie wollte. Wenige Minuten später betrat sie mit einer sichtbaren Tasse Tee und einem versteckten Thermometer sein Schlafzimmer. Sie stellte die Tasse auf den Nachtschrank und setzte sich dann neben ihn: „Dreh dich um.“, sagte sie. „Was hast du vor?“ „So verkrampft, wie du eben aufgestanden bist, tut dir alles weh. Ich will dich ein wenig massieren.“, sagte sie. Er wendete ihr den Rücken zu. Ihre Hände wanderten unter Decke und Shirt und begannen. Erst die Schultern, die Schulterblätter, die gesamte Rückenmuskulatur über die Hüften, schließlich zum Gesäß: „Das tut gut.“, sagte Ken. In dem Moment jagte ihm Tora das Fieberthermometer rein: „Was soll das?! Mach das raus.“, beschwerte er sich und versuchte sich auf die Seite zu drehen: „Bleib liegen, dann ist es auch gleich vorbei.“, grinste sie bis über beide Ohren: „Neununddreißig, drei, ich besorge dir was Fibersenkendes. Ken?“ In den paar Sekunden war er schon eingeschlafen. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ den Bunker. An der Oberfläche zückte sie ihr Handy: „André, ich bräuchte was von dir.“, waren ihre nächsten Worte. Sie trafen sich um zehn Uhr dreißig hinter dem Krankenhaus, indem er seit etwa zwei Wochen arbeitete: „Hi Tienchen, was kann ich für dich tun? Bist du krank?“ „Nein, ich nicht, aber Ráion hat es ziemlich erwischt...“, sie beschrieb ihm seine Symptome: „Das hört sich ziemlich nach der Grippe an, die im Moment überall grassiert. Ich kann dir einiges an Medikamenten mitgeben.“, er sah sich um: „Warte im Park.“, sagte er und besorgte ihr einiges aus der Krankenhausapotheke. Auf einer Bank erwartete sie ihn: „Also, das Zeug ist gegen Fiber, 3 mal am Tag eine. Diese...“ er hielt eine gelbe Kapsel hoch: „... sind gegen die Schmerzen und die Tropfen nimmst du, wenn du den Typen doch mal loswerden willst.“, er gab ihr ein kleines Fläschchen. Tina sah auf das Dioxin: „Du gibst wohl nie auf?“, fragte sie. „Man muss sich immer alle Möglichkeiten offen halten.“, schmunzelte er. „Ich melde mich bei dir, wenn es mal soweit ist.“, meinte sie kopfschüttelnd und gab ihm das Dioxin zurück: „Wenn du was brauchst, ruf an.“, meinte sie und gab ihm den vertrauten freundschaftlichen Kuss auf die Wange: „Auf wiedersehen André.“, sie war schon am Gehen, als er noch etwas sagte: „Weißt du wie froh ich bin, dass du nicht Lebe wohl sagst?“ Sie sah noch mal zurück und lächelte. Ken hatte die ganze Zeit in seinem Zimmer geschlafen. Das tat er auch noch, als Tora die Tür öffnete. Normalerweise war er sofort hellwach, sobald auch nur jemand die Türklinke berührte. Mit dem Tablettencocktail betrat sie sein Reich: „Ken?“, fragte sie leise. Er öffnete seine verquollenen Augen: „Ich habe dir Medizin besorgt.“, sagte sie. „Was ist das für´ n Zeug?“, krächzte er und setzte sich auf. „Was fiber- und schmerzsenkendes.“ „Und woher hast du es?“ „Von André.“ „Dann will ich es nicht.“ „Sei nicht kindisch und nimm das verdammte Zeug.“, fluchte sie. „Woher soll ich denn wissen, dass das nicht vergiftet ist?“, fragte Ken, so aggressiv er es in seinem Zustand konnte. „Vertraust du mir?!“ „Was hat das damit zu tun. „Vertraust du mir?!“, fragte Tina noch einmal. „Ja.“, flüsterte er fast und sah auf seine Decke. „Dann nimm jetzt diese Gott verdammten Pillen!“, sagte sie, packte sie auf seinen Nachttisch und ging in den Aufenthaltsraum. Er dagegen sah misstrauisch zwischen Tisch und Bett hin und her, mindestens drei Minuten lang. Es machte ihn nervös und das mochte er nicht. Schließlich und endlich nahm er sich die Tabletten und schluckte sie mit einem kräftigen Schluck Tee herunter. Er legte sich wieder hin. Tora setzte sich an den Computer und öffnete den Posteingang: „Nachricht von: Shuryõka Betreff: Auftrag Sie klickte es an: „Ich möchte, dass sie Kobayashi Hanata töten. Ich biete ihnen 120.000 Yen.“ - Das Angebot ist fast zu verführerisch. Mal sehen, wer dieser Shuryõka ist. -, dachte sie und machte sich daran herauszufinden, woher die Nachricht kam. Nach dreieinhalb Stunden hatte sie es endlich geschafft. Die Spur führte sie in ein öffentliches Internetcafé. Sie sah nach Ken, der tief schlief und verließ den Tunnel. Mit einem gefälschten Polizeiausweis und einer Perücke betrat sie das Café: „Guten Tag, Mayobi.“, sie zeigte den Ausweis: „Heute Morgen, um 9.43 Uhr, wurde von einem ihrer Computer eine Nachricht verschickt, können sie mir sagen, wer alles hier war?“ „Kommen sie, glauben sie die tragen alle Namensschilder. Woher soll ich wissen, wer wann hier war und ...“, sagte der junge Mann am Tresen. Während er palaverte, sah sie sich um und entdeckte im Bauchnabel einer Buddastatue eine Kameralinse: „Mir würde das Band ihrer Überwachungskamera reichen.“ „Wovon reden sie? Wir haben hier keine.“, wurde er nervös. „Hören sie, ich kann es ihnen leicht machen oder auch großen ärger bringen. Wie wollen sie es haben?“, fragte sie unmissverständlich. Kommen sie mit.“, sagte der Angestellte, sich ergebend. Er führte sie in den Observierungsraum. Sie sah noch Bildschirme von weiteren Kameras: „Welche Aufnahmedauer haben die Videos?“, fragte sie. „Sechs Stunden, die Bänder von heute morgen sind noch drin.“ „Gut, ich brauche jedes einzelne!“, forderte sie. „Was, das können sie nicht machen!“, sagte der geschockt. „Hören sie, sie verstoßen hier eindeutig gegen geltendes Recht, also händigen sie mir diese Videos aus!“, wurde Tina lauter. Der junge Mann war völlig eingeschüchtert, nahm diese aus den Rekordern und überreichte sie ihr: „Danke.“, sagte Tora nun völlig entspannt und ging. Im Bunker checkte sie die Bänder. Um neun Uhr dreißig betrat ein Herr, Anfang bis Mitte fünfzig, das Café. Sie spulte mehrmals hin und her, irgendetwas machte sie misstrauisch und da war es. Als er sein Sacko öffnete, um sich hinzusetzen, schimmerte eine Dienstmarke der hiesigen Polizei auf: - Diese verdammten Bullen. Was glauben die, wer wir sind. -, dachte sie. Tina kriegte heraus, wer dieser Polizist war. Sein Name war Hana Oda und er war Capt´n des Jubanreviers. Sie nahm sich die Autoschlüssel, sah noch mal nach dem schlafenden Misaki und fuhr los. Sie parkte unauffällig in der Nähe des Eingang des Polizeireviers und beobachtete. Der Mann, der die e- Mail geschrieben hatte, verließ gegen 22 Uhr abends seinen Arbeitsplatz. Er ging in die Tiefgarage und fuhr wenig später mit einem blauen Combi heraus. Sie startete ihren Wagen und fuhr ihm nach. Hana fuhr eine einsame Straße entlang. Da nutzte Tina die Gelegenheit und bremste ihn aus. Der graue Toyota der Auftragskillerin stand nun quer vor dem Wagen des Polizisten. Sie sprang aus ihrem Wagen, zog ihre Walther und zielte über ihr Dach auf die Fahrerseite des blauen Fahrzeuges: „Steigen sie aus, Hana!“, brüllte sie: „Und Hände in die Wolken.“ Er tat was sie verlangte. „Wer sind sie?“, fragte er. „Sie sollten wissen, dass wir jeden Auftrag genau überprüfen. Wir lassen uns nicht so einfach fangen!“ „Ich wollte sie nicht fangen!“, sagte er plötzlich sehr ruhig. „Was wollen sie dann von uns?“, fragte sie weiter angespannt. „Ich möchte ihnen einen Auftrag geben!“ „Für die Polizei arbeiten wir nicht!“, sagte Tora, böser werdend. „Auch nicht, wenn es gute Gründe gibt?“ „Und die wären?“, spannte sie den Abzug. Er blieb gelassen stehen. „Ich möchte, dass sie Kobayaschi töten. Dieses Mistschwein schafft es immer wieder mit sadistischen Morden an Frauen durchzukommen. Die gesamte Polizei weiß, dass er unser gesuchter Serientäter ist. Wir können ihm nur nichts nachweisen und als wir es konnten, hat sein Anwalt ihn rausgehauen.“, sagte Hana bitter. „Die andere Frage ist, ob sie sich uns leisten können?“, wurde die Hand mit der Waffe ruhiger. „Meine Familie ist ziemlich reich.“, sagte er fast grinsend. „Warum sind sie dann Polizist geworden?“ „Ich war mal Idealist.“ Sie lächelte: „Werden sie es machen?“ „Ich werde ihre Geschichte überprüfen, wenn sie stimmt, haben sie uns.“, Tora steckte ihre Kanone ein, stieg wieder ins Auto und fuhr davon. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie kam ins Versteck zurück, machte Ken seine Tabletten fertig und ging bewaffnet mit einer Kanne Tee, einem Becher, einem Sandwich und dem bunten Pillencocktail in sein Zimmer: „Ken? Hey Ken, wach auf.“ Er öffnete die verquollenen Augen: „Was ist?“, fragte er heiser. „Ich habe dir einen kleinen Happen zu essen gemacht. Wie geht’s dir?“, setzte sie sich an die Bettkante. „Immer noch beschissen.“ „Siehst aber besser aus als heute morgen. Iss ein wenig und nimm deine Tabletten.“ Sie stellte das Tablett auf den Nachttisch und verließ den Raum. Tora legte sich nicht schlafen, sondern setzte sich erneut vor den PC. Sie versuchte etwas über Kobayaschi herauszubekommen. Sie stieß auf mehrer Zeitungsartikel. Einer weckte ganz besonders ihre Aufmerksamkeit. Er war von vor drei Jahren: „Kommissarentochter geschändet und ermordet Die 19jährige Tochter eines Kommissaren wurde am Freitag tot in einem Abwasserkanal gefunden. Sie wurde elfte Opfer des seit Jahren gesuchten Tokiokillers, der bis jetzt alle halbe Jahre einmal zuschlägt. Hana Setzuna war von einem Ausflug vor einer Woche nicht nach hause gekommen. Wenn sie Hinweise haben...“ - Deshalb will er ihn umbringen lassen. -, ging ihr durch den Kopf. Sie suchte sich alle Informationen, die sie brauchte, um einen Plan zu machen. Sie hob leicht den Kopf: „Wieso bist du nicht im Bett?“, fragte sie. „Woher wusstest du, dass ich hinter dir bin?“, wunderte sich Ken. „Das Rasseln deiner Lunge und die tropfende Nase hört man einen Kilometer gegen den Wind.“ „Was machst du?“, fragte Ken. „Ich bereite einen Auftrag vor.“, antwortete sie sachlich. „Ich habe doch gar keinen angenommen.“ „Nein, ich habe ihn angenommen. Keine Sorge, ich habe den Auftraggeber überprüft...“ „Was haben wir vor?“ „Pass auf, ich werde über das Fenster im ersten Stock einsteigen, während du im Bett liegst und dich auskurierst.“, meinte sie. „Das ist nicht dein Ha... Ha... Hatschi!“ “Und wie das mein ernst ist. Stell dir vor, das passiert wenn wir im Haus sind. Wenn es anders herum wäre, würdest du mich auch nicht gehen lassen.“, meinte sie aggressiv. Ken sah sie böse an, wusste aber, dass sie recht hatte. Er legte sich wieder hin, dort: - Manchmal könnte ich... -, war er sauer. Sie arbeitete weiter und abends brachte sie Ráion noch mal Medikamente und etwas zu essen ins Zimmer. Er tat als würde er schlafen: „Ken, manchmal erinnerst du mich an ein kleines Kind.“, lachte Tora. „Wieso?“, fragte er herausfordernd. „Die nimmt mich nicht mit. Die ist so gemein.“, imitierte sie. „Ist das wahr?“ „Ja, nimm deine Tabletten.“, sagte sie. Er mümmelte das Zeug in sich rein. Sie ging zu ihm und küsste ihn auf die Stirn: „Bin morgen früh wieder da.“, sagte sie und verließ das Zimmer und den Bunker. Kapitel 9: Freundschaft ----------------------- 9. Freundschaft? Mit dem Toyota fuhr sie in die Nähe von Kobayaschis Haus. Sie wartete darauf, dass die Lichter im Haus ausgingen. Tina stieg vorsichtig aus dem Auto und ging unauffällig zum Haus. Tiger schlich durch den Garten von Busch zu Busch. Robbend und laufend erreichte sie das Gebäude. Der Einstieg, den sie für sich ausgewählt hatte, ein Kellerfenster, war durch Holz von innen verbarrikadiert, wahrscheinlich von einem Schrank. - Verdammte Scheiße! -, dachte sie. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich einen anderen Weg zu suchen. Sie konnte es über die Hintertür, ein weiteres Fenster oder die Vordertür versuchen: - Mist, ich bin schon über meinem Zeitplan. – Sie überbrückte die Alarmanlage, brach die Garage auf und kam durch diese ins Haus. Tora zog ihre Walther PKK mit Schalldämpfer und betrat die Küche. Der Kühlschrank summte vor sich hin, sonst waren nur kaum vernehmbare Schritte zu hören. Sie setzte ihre Nachtsichtbrille auf und streifte durchs Haus und fand das Schlafzimmer von Kobayaschi: - Sag lebe wohl. -, dachte Tina und lud seelenruhig ihre Waffe durch. Sie betrat den Raum. Ihr Opfer schlief unbekümmert und sie erfüllte ihren Auftrag ohne eine Spur zu hinterlassen. Plötzlich schimmerte Blaulicht durch die Gardinen, Sirenen ertönten und Reifen quitschen: „Scheiße!“, fluchte sie in ihrer Sprache. Sie nahm die Beine in die Hand und stürmte nach oben auf den Flur: - Wohin jetzt? – Inzwischen wurde unten die Tür aufgebrochen. Sie sah nach oben und entdeckte einen Aufgang zum Dachboden. Sie zog ihn runter, ging rauf und zog ihn wieder hoch. Tora versteckte sich hinter einem Schrank. Sie hörte wie die Polizisten alles absuchten und einer brüllte: „Ruf einen Notarzt!“ Sein Partner kam dazu: „Ein Pathologe wäre hier eher angebracht.“ Im Flur standen weitere Beamte: „Sakada, hast du was gefunden?“, fragte ein Keikan den anderen: „Nein Hiro, hier ist niemand! Nur ein paar Wertsachen.“, flüsterte Sakada und steckte sich was ein. - Hoffentlich verschwinden die bald und morgen Abend werde ich zum Shuryõka. -, war sie sauer. Bis einundzwanzig Uhr verharrte sie in dem Schrank. Sie sah durch das Dachfenster. Die Wagen der Polizei und der Spurensicherung waren gerade losgefahren. Sie sah noch die Heckklappe des letzten Autos. - Das Haus ist bestimmt versiegelt worden, dass heißt wohl, ich muss klettern. -, sie öffnete ein Fenster und sah sich nach etwas um, woran sie runter kommen konnte: „Ich hasse solche Kletterpartien.“ Sie schlich übers Dach, wobei sie zwei mal fast abgestürzt wäre. Tora war fuchsteufelswild als sie unten ankam: - Der wird mich kennen lernen! -, dachte Tina und machte sich auf den Weg zu Hanas Anwesen. Vor dem Haus stand ein schwarzer Mercedes und in der Auffahrt das Auto des Capt´ns. Vorsichtig ging sie durch den Garten. Die Augen offen und die Ohren gespitzt. Sie verschaffte sich Zutritt zum Haus und zog erneut ihre PKK. Es war still im Haus. Nichts regte sich. Doch plötzlich bewegte sich etwas in Bodennähe. Fuchs richtete die Pistole darauf. Gerade noch rechtzeitig erkannte sie eine kleine Katze. Diese rannte der Killerin nach: „Néko, verschwinde?“, zischte sie. In dem Moment bemerkte sie eine weitere Person, die in dieses Haus nicht reinzugehören schien. Sie schlich durch das obere Stockwerk. Tora drückte sich gegen die Wand. Sie sah den Mann die Treppe herunterkommen, die Haustür durchqueren und folgte ihm. Er ging in die Garage, schloss die Tür aber nicht, sondern lehnte sie nur an. Fuchs sah hindurch. Sie kniete sich hin. Der Innenraum war mit Neonleuchten erhellt. Es stand kein Auto darin. An den Wänden hingen Werkzeuge. Die Betonfarbe des Bodens war mit Erde und Öl verschmutzt. Hana saß gefesselt auf einem Stuhl. Der Typ zog seine Pistole. Sie sah wie er die Waffe auf Hana richtete. Ein Schuss war zu hören, aber es war Tora, die geschossen hatte. Sie stand auf, ging in die Garage und schloss die Tür: „Lassen sie die Tür für Killer immer auf?“ „Ich dachte, der gehört zu ihnen.“ „Wenn ich etwas gegen jemanden habe, Hana- san, bringe ich ihn selbst zur Strecke.“ „Ich entschuldige mich, dass die Polizei bei Kobayaschi aufgetaucht ist.“, meinte Oda. Tina hüstelte: „Leute, die mich reinlegen wollen, haben bei mir kaum eine Chance, lebend da rauszukommen.“, sagte sie, ihn nicht ansehend. Sie wendete ihren Kopf und blickte ihm wütend in die Augen: „Warum?!“, fragte sie. „Ich habe sie nicht verraten.“ Sie richtete ihren Lauf auf ihn. Er schloss die Lider. Ein Luftzug ließ Tora herumschnellen: „Hat er wirklich nicht Tina. Ich war es.“, sagte plötzlich jemand auf deutsch. „André, was machst du hier und was soll das heißen?!“ Mit ihrer Walther zielte sie nun auf den Doktor. „Tja, wie soll ich das erklären?“, fragte er mehr sich als sie: „Würdest du bitte das Schießeisen runter nehmen?“ „Nein!“, antwortete sie gereizt. „Mh, aber es macht mich nervös.“, nahm er jetzt schon leicht die Hände hoch. „Das ist mir ziemlich egal.“, zischte sie, immer wütender werdend: „Jetzt sage mir, verdammt noch mal, warum du die Polizei eingeschaltet hast?“ Schwarz lächelte leicht: „Ich wollte wissen, wie gut du im Einsatz und vor allem unter brenzligen Situationen bist.“ Tora sah ihn böse an: „Ráion hat mich bestens ausgebildet!“, schimpfte sie. Hana saß immer noch gefesselt auf seinem Stuhl und verstand kein Wort. „Verschwinde.“ „Heute kein Kuss auf die Wange?“ „Nein, ich liebe Ken und ich werde ihn um nichts in der Welt verlassen.“, sprach sie nun endlich in Andrés Gegenwart aus. Er verließ die Garage. Mit Tränen in den Augen, die sie nicht zurückhalten konnte, befreite sie Hana. Dieser sah sie an: „Was hatte das zu bedeuten?“, fragte er, sich die Handgelenke reibend. „Sie hatten Glück, Hana.“, sagte sie und verließ ihn ebenfalls. Er stand total perplex da. Sie war sauer und enttäuscht. Nie hätte sie erwartet, dass André so ein hinterhältiger Mistkerl sein konnte. Von Ráion wusste sie das und schätzte es als Training, aber André war doch ganz anders. Sie kam zurück in den Tunnel. Kapitel 10: Ein Versprechen --------------------------- 10. Ein Versprechen Ken saß am Tisch. Er hatte immer noch eine rote Nase: „Meine Güte, wo hast du gesteckt?“, meinte er, froh das sie wieder da war. „Frag nicht.“, meinte sie und ging in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Sie setzte sich aufs Bett und überlegte: - Was hat ihn nur dazu getrieben? Ich verstehe das nicht. – In den folgenden Tagen war sie mehr an den Sandsäcken, als irgendwo sonst. Ken, der genesen war, konnte es sich nicht mehr mit ansehen und ging zu ihr rein. Er blieb an der Tür stehen: „Bin ich daran schuld?“, fragte er sehr laut, um die Geräuschkulisse, die Tora schlagend am Boxsack verursachte, zu übertönen. „Nein!“, fauchte die Tigerin zurück. „Na, da bin ich beruhigt. Was hat dich so in Rage gebracht?“, wollte er wissen. „Männer sind Idioten!“, schlug sie einen Sack. „Warum?“, lachte er leicht. Sie hörte ihn gar nicht und trat weiter unkontrolliert zu. - Jetzt reicht es aber! -, dachte Ken, lief pfeilschnell auf sie zu und blockte ihre Schläge. Sie standen jetzt voreinander: „André war unmöglich.“, rückte sie nun endlich raus. Seine Miene verdunkelte sich bei dem Namen sofort: „Was hat dieser Arsch gemacht?“ Sie drehte sich von ihm weg und erzählte es. Kens Hand legte sich auf ihre Schulter. Tina schloss die Augen, während er ihr näher kam und sie von hinten in die Arme nahm: „Soll ich ihn platt machen?“, fragte er ohne Umschweife. Einen Moment lang antwortete sie nicht, dann: „Nein, André ist und bleibt meine Sache. Ich denke er hat verstanden, dass es nicht klug war mich zu ärgern.“, sie drehte sich um und küsste ihn. Es war ein gegenseitiges Vertrauen da, welches von beiden sehr genossen wurde. Tina erwachte am Morgen in Kens Bett. Dieser musste schon aufgestanden sein, denn er war nirgends zu sehen. Sie legte sich auf den Rücken, die Decke verhüllte ihren Körper nur halb und schaute auf das Bild an der Wand. Sie spürte, dass sie glücklich war mit Ken. Seit sie mit ihm zusammen war, wusste sie plötzlich, war sie glücklich. In diesem Moment war er gerade im Keller eines Wolkenkratzers in der Waseda- dori Nummer 9. Es war düster dort. Ein Korridor säumte den Weg zu einem Raum, in den Misaki jetzt reinging. Er schloss die Tür. In dem Moment ging ein grelles Licht an, dass ihn blendete: „Es wird Zeit, dass sie die zweite Bedingung unseres Vertrages erfüllen.“, schallte eine verzerrte Stimme in den Raum: „Ich bin der Meinung, ich habe bereits genug für sie getan.“, rief Ráion. „Sie haben ihre Schulden erst zur Hälfte beglichen. Vergessen sie unsere Vereinbarung nicht. Ab sofort arbeiten sie für Zakawa- san.“, meinte die Stimme. „Geben sie mir noch einen Monat Zeit. Ich muss noch verschiedenes erledigen.“, forderte Ken. „Wenn sie noch ein Jahr länger für mich arbeiten, sollen sie ihren Monat bekommen.“ Misaki mochte es nicht erpresst zu werden, willigte aber ein. Als er in den Bunker zurück kam, hatte er Brötchen und außerdem noch einen Milchkaffee aus der besten Bäckerei in Tokio mitgebracht. Er stellte es auf dem Tisch ab und ging ins Zimmer. Tina lag noch in den Federn. Die Augen geschlossen und völlig entspannt. Ken kniete sich neben das Bett: „Hey Süße, wach auf.“, sagte er sanft. Er streichelte ihr übers Haar. Sie erwachte, überrascht von Kens Stimmlage: „Hast du heute morgen mit Weichspüler geduscht?“, fragte sie. Er lächelte: „Warum?“ „Sonst heißt es: Komm hoch, wird Zeit.“ „So schlimm?“, fragte er. Tora drückte ihm ein Kissen ins Gesicht, so dass er auf den Allerwertesten fiel, und stand auf. Sie ging ins Bad und nahm eine erfrischende Dusche, während Ken sich vom Hintern auf die Füße quälte und den Frühstückstisch deckte. Wenig später setzte sich Tora im Bademantel zu ihm. Sie aßen zusammen. Er sprach dabei kein Wort und starrte nur vor sich hin. Sie beobachtete ihn: „Was hast du, Ken?“, fragte sie. „Nichts weiter.“, meinte er. Sie sah ihm in die Augen: „Mir ging heute nacht nur verschiedenes durch den Kopf.“, sagte er. „Wovon sprichst du?“ „Weißt du, wenn mir bei einem Einsatz mal was passieren sollte...“ Sie schüttelte leicht den Kopf: „... darfst du keinen Rettungsversuch unternehmen. Nimm die Beine in die Hand und flieh.“, sagte er. „Warum? Du hast mir so oft das Leben gerettet, da renne ich doch nicht weg.“ „Es bringt nichts, wenn wir beide draufgehen. Wenn ich nicht mehr fliehen kann, will ich wenigstens, dass du überlebst.“, er sah traurig aus und ihr schien es, als sei ihm das unheimlich wichtig. Sie wendete den Kopf ab und sagte: „In Ordnung, Ken.“ „Ich danke dir, Tora.“, meinte er in einem merkwürdigen Ton, wie sie fand. Sie aßen weiter Frühstück, keinem ging mehr ein Wort über die Lippen. Tina überlegte, was dies alles zu bedeuten hatte. Er war traurig, ließ sich aber im Großen und Ganzen kaum was anmerken. Um sie und sich schließlich auf andere Gedanken zu bringen, fragte er beim Abräumen: „Nachher Lust auf Nahkampftraining.“ „Gern.“, lächelte sie, aber hatte immer noch sein Verhalten in Gedanken. Im Trainingsraum standen sie sich nun gegenüber: „Greif an!“, forderte er. „Ich bin nicht mehr so voreilig.“, schüttelte sie leicht den Kopf und schmunzelte. Sie schlichen lange umeinander: „Einer muss angreifen, sonst bringt das ganze Training nichts.“, sagte er. „Dann greif an.“, meinte sie. Mit einem Fußtritt und mehreren Schlägen versuchte er sie zu treffen. Sie wich aus und blockte. Sie konterte, indem sie sein Handgelenk packte und ihn über die Schulter warf. Ken rollte sich ab und stand sofort wieder. In dieser Intensität und Präzision ging es über eine dreiviertel Stunde. Ken hatte sein Ziel erreicht. Beide vergaßen für eine Weile die Unterhaltung am Frühstückstisch. Er schmiss sich auf den Boden und brachte auch Tora zu Fall. Beide lagen jetzt mit „verknoteten“ Beinen auf dem Boden und jappten nach Luft: „Was machen wir jetzt? Jeder kann den anderen an der Erde halten.“, meinte sie. „Für uns AK´s eine Scheiß Situation, weil bei uns meist keine Unterstützung kommt, deshalb immer ein Messer irgendwo am Körper haben.“, gab er den Hinweis. Beide ließen nicht locker: „Löst du jetzt deine Umklammerung?“, fragte Ráion. „Nein.“, machte sie ein wohlwissendes Gesicht. „Du kennst mich zu gut.“, meinte er. Sie grinste: „Lass du los.“ „Du hältst mich auch für´ n bisschen doof.“ „Ach, nicht mehr als sonst auch ... patt?“, fragte sie. „Patt.“, sagte auch er und beide entspannten die Beine. Sie atmeten aus und lagen am Boden: „Du bist richtig gut geworden.“, lobte er. „Danke.“, sie stützte sich hoch und über ihn: „Hast du heut noch was vor?“, fragte Tina. „Ich will noch zu meinem Bruder Neo, mal sehen wie es dem Saftsack so geht.“, sagte er. „Soll ich für dich nachher noch was einkaufen.“ „Wieso?“, antwortete er ein wenig verständnislos. „Ich dachte du hättest vielleicht auf etwas besonderes Lust.“, antwortete sie verwirrt über seine Reaktion. Er merkte das und begann zu lächeln. „Bring doch etwas Sushi mit.“ Sie erwiderte die Geste, stand auf und ging sich duschen. Abends trafen sich Ken und Neo am Grab ihrer Eltern. Neo hatte Erde an seinen Händen, weil er Blumen gepflanzt hatte: „Hallo du Spinner. Wie geht’s?“, fragte Ken. „Was möchtest du von mir?“, fragte Neo leicht argwöhnisch. „Hey, ich wollte nur wissen, wie es meinem kleinen Bruder so geht.“ „Mh.“, drehte der jüngere Misaki sich zu einer Gießkanne um, nahm sie in die Hand und goss die weißen Blumen. Beide schwiegen. Ken hatte sich von ihm und den beiden Gräbern weggedreht: „Sag mal, wo steckst du eigentlich die ganze Zeit? Du bist nirgends zu finden.“, sagte Neo. „Hier und da.“, meinte Ráion ohne ihn anzusehen. Die beiden Brüder redeten die nächste halbe Stunde kaum ein Wort. Sie wussten nicht recht, was sie miteinander besprechen sollten. Ken sah den jüngere Misaki, nachdem der die Arbeiten an dem kleinen Beet beendet hatte, an. „Tu mir einen Gefallen?“ „Hä? Was meinst du?“, fragte Neo. „Für den Fall, dass du mal auf mir Blümchen pflanzt, nimm ein paar ordentliche.“, grinste Ráion. „Wenn du die hier nicht magst, dann reiß sie raus und kümmere du dich um die Grabstätte. Solange ich das mache, pflanze ich auch was ich will!“, regte er sich auf und wollte gehen. „Neo! Warte!“, rief er ihm nach. Dieser blieb stehen, schaute aber nicht zurück. „Ich will mich bei dir bedanken, dass du dich immer darum kümmerst. Ich bin zu nachlässig damit, dass weiß ich.“ Er drehte sich nun doch um und versuchte seinem älteren Bruder in die Augen zu sehen: „Ich möchte mich bedanken für all das, was du für sie tust.“ Ken ließ den sich wundernden Neo stehen und ging: - Was ist denn mit dem los? -, fragte der sich. Er ging noch mal zurück zu seinen Eltern: „Oka- san, damals im Krankenhaus hattest du recht. Er gibt einem mehr Rätsel auf als jeder andere. Ich frage mich nur, was er macht. Wo er immer ist. Für wen oder was er arbeitet. Wer zum Hagetaka ist dieser Mann, der sich Misaki Ken nennt. Wir sind eher entfernte bekannte als Brüder?“ Diese Erkenntnis machte ihn traurig. Sein Vater starb, da war Neo gerade erst acht Jahre alt. Ken war schon achtzehn und seine Mutter meinte, seit der Krankheit des Vaters hat sich sein Bruder sehr verändert. Es war plötzlich Geld da, um ihren Vater behandeln zu lassen. Doch alles Geld nützte nichts. Nach zwei Jahren starb er an einem plötzlichen Nierenversagen. Nun war Ken mehr und mehr unterwegs. Er vertraute niemanden mehr, erklärte nicht was er tat. Versorgte jedoch weiterhin seine Mutter und den Bruder. Als Neo sich mit sechzehn entschied Polizist zu werden, gab es den ersten riesengroßen Krach. Der ältere Bruder sagte ihm, dass er sein Leben wegwerfen würde. Das es eine schwachsinnige Idee sei. Er habe sich doch nicht abgerackert, dafür dass sich Neo von irgend so einem besoffenen Junky abknallen ließ. Der Kleine ließ sich trotzdem nicht davon abbringen. Seit diesem Zeitpunkt war ihre Beziehung sehr platonisch. Es waren circa zwei Wochen seit dem Gespräch in der Waseda- dori Nummer neun vergangen und Ken bereitete einen nächsten Auftrag vor. Er hatte Pläne von einem Geschäftshaus am Tokioer Stadtrand und saß am Tisch. Tora trat neben ihn: „Wer ist es denn diesmal?“, fragte sie. „Jemand für den bezahlt wird.“, meinte er etwas ruppig. Sie verdrehte die Augen und ging in die Küche. Sie machte sich was zu trinken. Plötzlich spürte sie ihn hinter sich: „Was hast du vor?“, fragte sie. „Woher weißt du das?“, fragte er Tina, sich ärgernd, dass er sie nicht ein bisschen erschrecken konnte. „Eine Frage, wie oft in den letzten Jahren hast du mich überraschend angegriffen, mich erschreckt oder sonst was aus dem dunklen getan. Glaubst du nicht, dass man da langsam ein Gefühl kriegt.“, meinte sie, weiter mit dem Getränken beschäftigt. Er kam an sie ran und umfasste von hinten ihre Hüfte und begann ihren Hals zu küssen: „Lass das.“, versuchte sie ihn nur halbherzig abzuschütteln. Ráion hörte nicht auf und drehte sie um. Er liebkoste sie weiterhin: „Ken... ich hab...“, doch zu dem was sie hatte, kam sie erst mal nicht. Er ging ihr an die Wäsche, auch ihr Interesse war nun geweckt. Ihre Lippen und Zungen berührten sich immer wieder. Im Aufenthaltsraum ließ sich Tora auf dem großen Tisch nieder. Wo Ráion mit viel Geschick ihre Sachen entfernte und ihre nackte Haut streichelte. Seine Hand berührte ihren Hals und wanderte von dort zu ihrem Bauch und Hüften. Es bildete sich bei ihr eine angenehme Gänsehaut. Sie setzte sich auf und streifte ihm das T- Shirt ab. Sein muskulöser Körper umschloss den ihren. Sie öffnete Knopf und Reisverschluss seiner Hose. Wenig später lag sie mit dem Oberkörper auf dem Tisch, während er stehend in sie eindrang. Es war für beide ein wahnsinniges Gefühl. Sie dachten an gar nichts, nur das Gefühl ihrer Körper zählte jetzt. Am Morgen danach erwachte Tora als erstes. Sie schmiegte sich an Ken, der fast im selben Moment die Augen aufschlug: „Guten morgen meine Schöne.“, sagte er und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. - Etwas hat sich verändert. Doch ich finde es schön, dass er endlich einmal seine Gefühle zeigt. -, ging ihr durch den Kopf. Er streichelte noch ein mal kurz ihre Wange und stand dann auf. Er begab sich ins Bad, während Tina den Frühstückstisch deckte. „In sechsunddreißig Stunden werden wir zwei einen weiteren Kunden erledigen. Ich habe schon alles vorberei...“ „Können wir erst mal frühstücken. Ich will in Ruhe essen, danach können wir uns über blutige Details unterhalten.“, unterbrach sie ihn. „Wenn du meinst.“, zog er die Augenbrauen hoch. Beim Frühstück schwiegen sie sich an und warfen sich nur verstohlene Blicke zu: - Ob sie etwas gemerkt hat? -, fragte er sich: - Ich hoffe nur, dass morgen Abend alles glatt geht.-, war er bereits nervös. Am nächsten Tag um 20 Uhr kletterten sie einen Aufzugsschacht hoch: „Sag mal, war das ein Auftrag von Shuryõka?“, fragte sie. „Nein, jemand anderes.“, flüsterte Ken, mittlerweile oben angekommen. „Und warum verpassen wir dem einen Zettel am Zeh?“, stellte sie die altbekannt Frage. „Das du bei den Aufträgen immer labern musst.“, fluchte er leise. Sie grinste, was er natürlich nicht sah: „Würde nicht passieren, wenn du mir Auftrag und Grund gleich sagen würdest.“, meinte sie bei ihm angekommen. Er half ihr im fünften Stock aus dem Schacht. Tora stand vor ihm und plötzlich küsste er sie leidenschaftlich und lange: „Vertraue mir.“, sagte er. Sie völlig perplex: „O.K.“ „Ich gehe auf die linke Seite des Flures und erledige den Typen. Du gehst auf die Rechte und achtest darauf, dass keine unerwünschten Gäste auftauchen. Verstanden.“ „Ja.“ Es kam ihr komisch vor, sagte aber nichts. Ráion öffnete die Fahrstuhltür, beide gingen rein und sahen sich noch mal in die Augen bevor sie sich trennten. Sie schlichen, jeder in seine Richtung. Misstrauisch kontrollierte sie jeden Büroeingang. Ihre Augen und Ohren auf jedes Anzeichen eines möglichen Angriffs konzentriert. Tina sah kurz auf Ken. Als in dem Moment die Tür neben ihm aufsprang und die Gewehrsalve eines Maschinengewehrs auf ihn niederging. Dort wo die Kugeln einschlugen hinterließen sie blutige klaffende Wunden: „KEEEEN! NEIN!“, brüllte sie und wollte hinlaufen. „Tora... flieh.“, hauchte er in sein Headset. „Nein!“, rief sie, wurde aber langsamer. „Du hast es ... es mir verspro...“ Sie hörte ein letztes ausatmen. „Ken, ich liebe dich.“, sagte sie, wusste aber, dass er es nicht mehr hörte. Sie drehte sich zum Fenster um, sprang durch auf die Feuerleiter und sah zu, dass sie weg kam. Kapitel 11: Trauer ------------------ 11. Trauer Der Weg zurück in den Bunker wollte sie zu Fuß zurücklegen. Tina war unfähig etwas zu denken, obwohl sie aus Schnitten blutete und ihr war kalt war, lief sie weiter. Die Arme um den Bauch geschlungen ging sie durch die Straße. Mit der Zeit wurde ihr übel. Es konnte einfach nicht sein, dass er tot war. Wo lag da der Sinn, dass sie erneut einen geliebten Menschen verlor. Sie war jetzt bereits mehrere Stunden unterwegs und sah sich um. Hier in der Nähe wohnte André. Sie ging zu seinem Haus und klingelte. Einerseits hoffte sie, dass er zu hause war, andererseits auch nicht. Es öffnete niemand. Sie drehte sich um zum Gehen, in diesem Augenblick fuhr ein schwarzer Mercedes die Auffahrt hoch. Der Fahrer bremste mit einem Quietschen, als er Tina sah. Zog hastig die Handbremse an, stieg aus, ohne die Autotür zu schließen: „Tina, was ist passiert.“, fragte Dr. Schwarz, der sie nur einmal in einem ähnlichen Zustand gesehen hatte. Das Gesicht blutverschmiert, der Rest der Haut blass, die Augen ebenfalls feuerrot, in einem Schockzustand: „Nimm den Schlüssel und gehe schon mal rein.“ Wie in Trance tat sie das, während er das Auto parkte: - Wen dieser Ráion ihr das angetan hat, bringe ich ihn um. -, waren seine Gedanken beim reingehen. Er betrat seine Wohnung durch die offene Tür. Der kurze Flur gab den Blick auf das Wohnzimmer und die Couch frei, auf der Tora nun saß. Sie hatte ihre Jacke nicht ausgezogen. In ihren Haaren war ebenfalls Blut, wie er nun unter dem Licht wahrnahm. André holte seinen erste Hilfe Kasten. Er stellte ihn auf den Tisch, setzte sich neben sie und tränkte eine Kompresse mit ein wenig Jod: „Das könnte jetzt ein wenig schmerzen. Hältst du das durch?“, fragte er, während er seine linke Hand an ihr Kinn legte und ihr Gesicht in seine Richtung zog. Der Arzt säuberte ihre Wunden. Tora zuckte nicht einmal, als die brennende Flüssigkeit ihre Verletzungen berührte. Sie sprach während der ganzen Zeit nicht ein Wort. Schwarz besorgte eine Decke. Als er sie um Fuchs´ Schultern legte, schien sie leicht die Realität, um sie herum wieder wahrzunehmen: „Danke, Danke André.“, sagte sie und berührte die Pflaster in ihrem Gesicht: „Willst du mir sagen was geschehen ist?“, fragte er. Etwas verkrampfte sich in ihrem Bauch und Tränen stiegen in ihr hoch: „Ken... Ken ist tot. TOT!“, rief Tina, fiel an seine Brust und weinte hemmungslos. Er umarmte sie. Sein Gesicht nahm einen eigenartigen Gesichtsausdruck an: „Ich weiß, er hat dir viel bedeutet.“, der Doktor spürte, wie die Trauer sie schüttelte. Zwei Stunden brauchte sie, um sich einigermaßen beruhigen zu können. Sie saß da, angelehnt an ihrem Freund aus Deutschland, der sie wärmte: „Möchtest du vielleicht einen Tee?“, fragte er. „Ja.“, erklang es matt aus ihrem Mund. Sie legte sich aufs Sofa, gleich nachdem er aufgestanden war. Als er ihr das Getränk reingebrachte, sah er, dass sie eingeschlafen war: - Ob sie bei mir auch so trauern würde? -, fragte er sich und stellte den Tee leise auf den Tisch. „Nein Ken! Nicht da lang! Pass auf! NEEEIIIN!!!“, wachte sie auf. Im ersten Moment wusste sie nicht wo sie war. Dann sah sie André und es wurde ihr alles wieder bewusst. Sie hätte am liebsten wieder geweint, aber es waren keine Tränen mehr da. Ihre Augen waren trocken. Sie sah auf den Tisch, wo der inzwischen erkaltete Tee stand: „Wie spät ist es?“, fragte sie heiser. „Es ist sechzehn Uhr. Du hast fast zehn Stunden geschlafen.“ Sie fühlte sich um Jahre zurückversetzt. Wieder im Krankenhaus, wo sie Doktor Schwarz das erste Mal begegnet war. Es ging ihr keinen Deut besser als damals. Der gleiche Schmerz, die gleiche Hoffnungslosigkeit. „Tina, wenn du willst, sage ich meine Schicht ab.“, meinte André. „Das ist nicht nötig, wirklich nicht.“, sie hörte sich für ihn wenig überzeugend an. Seine Arbeitszeit begann um siebzehn Uhr. Er packte seine Sachen und fuhr los. Auch Tina blieb nur noch kurz. Sie zog ihre Jacke über und verließ die Wohnung. Es war windig mit dem Bus machte sie sich auf den Weg zum Auto. Als sie eine dreiviertel Stunde später ankam, blieb sie etwa zehn Meter davor stehen. Völlig erstarrt durch ihre Gefühle. Ihr Leben war wieder ein Trümmerhaufen. Sie näherte sich dem Wagen und stieg ein. Sie startete es, in dem Moment setzte Regen ein. Es war plötzlich alles klar. Sie fuhr in Richtung Küste und dem Leuchtturm. Dort angekommen öffnete sie die Tür. Sofort drückte ihr der Wind den Regen ins Gesicht. Es hielt sie aber nicht ab auszusteigen und an den Turm zu gehen. Sie stellte sich an die windstille Seite und zog das einzige Foto heraus, das sie von Ken besaß. Tina sah auf ihren Löwen, dessen Gesicht mit jeder Umdrehung des Leuchtfeuers aufflackerte: - Was soll ich bloß mache? -, fragte sie sich. Wieder erleuchtete sein Gesicht: „WAS SOLL ICH TUN?!“, schrie sie in das Getöse des Sturms. Tora ging auf die Klippen zu: „Wenn du das machst, bist du schwächer als ich dachte!“, hörte sie Kens raue Stimme in ihren Gedanken. „Ich will und kann nicht schon wieder allein sein.“, weinte sie und fiel auf die Knie. „Ich hätte mir die ganze Mühe und den Ärger mit dir sparen können.“ Der Wind riss ihr in dem Moment das Foto aus der Hand. Es flatterte hoffnungslos im Lichtstrahl des Leuchtturms, bevor es für immer aus ihrem Leben verschwand. Sie sah auf die verschwommenen Lichter der Stadt: „Ich habe dich verstanden Ken. Ich werde meine Schuld dir gegenüber begleichen und am Leben bleiben.“, flüsterte sie. Nach zwei Wochen wurde Ken beerdigt. Das Grab lag neben dem seiner Eltern. Die einzigen Teilnehmer waren sein Bruder Neo und dessen Kollege Fudo Keda. Der Trauerredner sprach über einen Mann, der nach seinen eigenen Regeln lebte. Der das Reisen liebte und viele Interessen hatte: - Der lässt Ken besser dastehen, als er war. -, dachte Neo. Er stand noch eine Weile dort und starrte auf den Stein: - Ich hätte es wissen müssen, Ken. Du verlässt diese Familie wieder. -, dachte er und ging enttäuscht vom Friedhof. Nachts um zwei Uhr kam jemand mit einer weißen Orchidee auf Ken zu: „Ich bin es.“, sagte Tora traurig: „Ich habe dir etwas mitgebracht.“, sie legte die Blume auf die Erde: „Ich weiß, du liebst Orchideen, deshalb werde ich dir jeden Abend eine bringen... Du fehlst mir so sehr.“, weinte sie und hielt sich am Stein fest: „Tina?“, hörte sie plötzlich eine Stimme und drehte sich um. Sie wischte über ihre Augen. Vor ihr stand André mit einer weißen Nelke: „Was ist das?“, fragte sie. „Das ist ein Versöhnungsangebot.“, lächelte er schwer. Tora drehte sich wieder zum Grabmal: „Warum hast du ihm das nicht schon früher gemacht?“ „Jetzt kann er nicht mehr nein sagen.“, scherzte er. Sie lief in seine Arme und begann erneut zu weinen. Er legte die Hände um sie und streichelte ihr übers Haar: „Es tut mir so leid.“, meinte er und legte seinen Kopf an ihren: „Lass uns nach hause gehen.“, sagte André noch und führte sie vom Friedhof. Mit dem dunklen Mercedes brachte er sie zurück in seine Wohnung. „Ich fasse es nicht, dass ich schon wieder bei dir sitze, wegen eines verlorenen Menschen.“, sagte sie. „Ja, so langsam könnte ich Praxisgebühr nehmen.“, stellte er ihr einen Kaffee hin. Er setzte sich auf seinen Sessel und sah sie an: „Was hast du jetzt vor?“, fragte er. „Ich weiß nicht. Ich denke, ich werde weiterarbeiten.“, meinte Tina. „Darf ich dich dann jetzt öfter hier begrüßen?“, fragte Schwarz. Sie senkte den Kopf: „Ich denke schon.“, leicht lächelnd sagte sie: „Weißt du, was ich für ein großes Glück habe dich als meinen Freund zu bezeichnen.“ „Ja.“, meinte er selbstbewusst. Sie lächelte weiter: „Na also, ich habe dir schon einmal gesagt, dass das viel schöner aussieht, als dieses traurige Gesicht.“ Stunden später war sie im Bunker und räumte auf. Sie packte einen Großteil von Kens Sachen weg. Sein Schwert legte sie in den dazugehörigen Glaskasten, den Tora extra dafür hatte anfertigen lassen. Er hatte sich jedoch immer geweigert es da reinzulegen. Sie betrachtete es einen Moment lang und stellte es dann im Trainingsraum auf einen Schrank. In den folgenden Monaten übernahm sie mehrere Aufträge, um ihre Technik und Erfahrung zu vergrößern und wie versprochen brachte sie ihm jeden Abend eine weiße Orchidee ans Grab. Sie verweilt dort Minuten, manchmal auch Stunden. Sie hielt es in Ordnung und pflanzte je nach Jahreszeit, die entsprechenden Blumen. An seinem Grab fühlte sie sich ihm nahe und doch schlechter als sonst. Tora hatte ihren Lebenswillen wieder, aber nur weil sie dachte, sie würde Ken etwas schulden. Es war nichts desto trotz ein weiterer Teil in ihr gestorben. Sie war kälter geworden, härter gegen ihre Feinde und auch sich selbst. Sie trainierte alles, oft bis zur absoluten Erschöpfung. Kapitel 12: Der unbekannte Lebensretter --------------------------------------- 12. Der unbekannte Lebensretter Shuryõka wurde ihr Hauptauftraggeber. Sie eliminierte Personen, die der Polizei seit Jahren durch die Lappen gingen. Einerseits durch gute Anwälte, andererseits durch Korruption. Zwei Jahre nach Kens Tod erreichte sie ein heikler Auftrag: „Tora, ihr nächster Auftrag lautet Zakawa Jin aus dem Weg zu Räumen. Er ist allerdings durch seine Bodyguards gut bewacht. Sein sie wachsam. Shuryõka Tina überlegte, sollte sie sich an so einen gefährlichen Fisch wagen. Sie hatte schon einiges über diesen Großindustriellen gehört und in den Killerkreisen galt er als eine entfernte Galaxie, nicht zu erreichen. Der Grund waren die vielen Bodyguards, die er ständig mit sich führte. Es waren bereits zwölf Anschläge auf ihn verübt worden. Neun Bodyguards waren zu Tode gekommen, doch seit etwa anderthalb Jahren hatte er jemanden Namens Crowfort, der jeden Auftragskiller schon auf fünf Kilometer bemerkt und ebenso Bomben und ähnliches. Beim Namen Crowfort zuckte so gut wie jeder bezahlte Mörder zusammen. Sie beschloss erst mal Informationen über Zakawa einzuholen, zog sich die Jacke an und ging zum Boulevard. Tora entdeckte an einem großem Kaufhaus einen Mann, der versuchte Touristen irgendwelchen Krempel anzudrehen. Als sie auf ihn zukam, entdeckte er sie, schmiss seinen Tisch um und begann zu rennen. Die Tigerin sofort hinterher. Sie liefen durch belebte und vielbefahrene Straßen. Ein Lastwagen überfuhr ihn fast. Im irrtümlichen Glauben er hätte sie abgehängt versteckte er sich in einer Gasse hinter ein paar Mülltonnen. Tina lehnte sich an die Hauswand, die eine Seite der Sackgasse bildete: „Sanchi!“ Ihm rutschte das Herz in die Hose: „Ich weiß, dass du hinter den Eimern sitzt, also würdest du freundlicherweise rauskommen?“, fragte sie ruhig. Mit einem Messer in der einen Hand und einem Mülleimerdeckel in der anderen, erhob er sich: „Was soll das werden? Soll ich mich totlachen?“, grinste sie ihn an. Er dagegen war vor Angst fast erstarrt als sie näher kam: „Nimm das runter, bevor ich anfange mich zu ärgern.“, meinte sie und stand nun dicht vor ihm: „Wenn du mich töten wolltest, hast du den Zeitpunkt des Angriffes verpasst.“ Nun wollte er mit dem Messer auf sie einstechen, was gründlich misslang. Sie packte die Hand und drehte sie, nachdem er das Messer fallen gelassen hatte, auf den Rücken: „Ahhh, lassen sie mich los. Lassen sie mich los!“, wurde er panisch. „Sanchi, eigentlich wollte ich einen Kaffee mit dir trinken und ganz in Ruhe mit dir reden. Stattdessen stehe ich hier im Müll und wehre deine lächerlichen Angriffe ab UND lass endlich diesen bekloppten Deckel los!“ Voller Furcht ließ er ihn sinken: „Also, kann ich dich jetzt loslassen, ohne dass du einen zwecklosen Flucht- oder Angriffsversuch unternimmst?“, fragte Tora. Er nickte und sie ließ ihn frei. Schwitzend drehte er sich um und wandte ihr sein leicht mit Falten durchzogenes Gesicht zu: „Sie wollen mich nicht umbringen?“, meinte er verständnislos. „Glaube mir, wenn ich dich umbringen will, bist du der letzte der es erfährt. Was weißt du über Zakawa?“ Sanchi sah sie überrascht an: „Mutig sind sie ja, oder soll ich sagen lebensmüde...“ Sie fasste in Richtung Pistole: „Schon gut, schon gut. Nun über Jin ist kaum was bekannt.“, sagte er. „Hast du einen Vorschlag, wie ich an Insider- Informationen komme?“, fragte Tina. „Freiwillig wird ihnen keiner was sagen.“, wusste Sanchi. „Wer!“, wurde sie wieder lauter. „Es könnte bei einem von Zakawas Bodyguard klappen. Wie ich hörte, ist der nicht der Intelligenteste...“ „Den NAMEN!“ „Meio.“ „Wo finde ich den?“ Er nannte ihr die Adresse: „Was mache ich jetzt mit dir?“, fragte sie sich laut. Sanchi bekam es wieder mit der Angst zu tun, als sie in ihre Jackentasche griff. Seine Augen weiteten sich und er wich zurück. Sie zog etwas heraus, doch statt einer befürchteten Waffe warf sie ihm ein Geldknäuel zu: „Das ist für dich.“ Er atmete erleichtert aus: „Übrigens, wenn ich höre, dass du irgendwem erzählt hast, was wir gerade besprochen haben...“ Sie deutete mit der rechten Hand eine Pistole an und zielte auf seinen Kopf: „Capische?!“, fragte sie. Er nickte ängstlich und sie ging. Es war bereits zweiundzwanzig Uhr dreißig als Sanchi an den Docks auf jemanden Wartete: „Du sagst, du hast was für mich.“, wurde er angesprochen und zuckte zusammen. „Du hast gesagt ich soll bescheid geben, wenn einer nach deinem Boss fragt, nun...“ „Was?“ „Tora hat sich nach ihm erkundigt.“ „Ist die wirklich so dämlich?“, fragte er mehr sich als ihn. „Crowfort... ich gehe ein beträchtliches Risiko ein, weil ich dir das erzählt habe.“ „Darüber würde ich mir keine Sorgen mehr machen...“ „Aber wenn sie... ahhh!“, stöhnte er. Crowfort hatte ihm blitzschnell ein Messer in die Rippen gejagt: „Tja, mein lieber, Tora hat dich doch sicher gebeten mit niemanden zu reden.“, grinste er wissend und ließ Sanchi an Ort und Stelle zum Sterben liegen. Tora erwischte Meio erst nach einer Woche allein, abends zu hause. Sie öffnete sehr leise das Schloss und betrat die Wohnung. Diese war sehr spartanisch eingerichtet. Doch das was da stand, war alt. Sie roch danach als wäre hier das letzte Jahr kein Lappen oder Putzmittel angerührt worden. In der Küche stapelte sich das Geschirr und im Wohnzimmer lag alles kreuz und quer. Tina schlich ins Schlafzimmer, wo Meio mit Daumen im Mund schlief. Sie holte ein Blasrohr hervor, setzte es an ihren Mund und pustete. Eine kleine Nadel bohrte sich in seinen Hals und weckte ihn. Er sah sich um und entdeckte die Tigerin: „Wer sind sie?! Was wollen sie?! Ich kann mich nicht mehr bewegen!“, wurde er panisch. „Bleib cool, Junge. Das ist nur Kuraare. Es lähmt alles unterhalb des Halses, circa für eine halbe Stunde.“, meinte sie gelangweilt. „Was wollen sie?“, fragte er immer noch ängstlich. „Du wirst mir ein paar Fragen beantworten und dazu habe ich mein kleines Messerchen mitgebracht.“ Sie zog Kens ein Meter zwanzig langes Samuraischwert: „Nein! Nein! Nein! Ich sage ihnen alles!“ Sie steckte die Spitze des Schwertes neben seinem Hals ins Bett. Den Griff hielt sie hoch: „Also mein kleiner Daumenlutscher, wenn ich dir Fragen stelle und mir die Antwort nicht gefällt, geht die Klinge ein Stück tiefer, VERSTANDEN?!“, fragte die Auftragskillerin deutlich. Er nickte: „Gut, zu welcher Zeit kommt man am Unauffälligsten an Zakawa ran?“ „Ich... Ich weiß nicht.“ Sofort sank die Klinge. Seine Augen weiteten sich: „Ich glaube nachts, wenn er im Bett ist.“, sagte Meio schnell. „Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es am und im Haus.“ Er erklärte ihr alles, doch etwas war faul: „Du verheimlichst mir doch was.“, sagte Tina. „Nein...“ Das Schwert war plötzlich an seinem Hals und ritzte schon die Oberhaut an: „Ah.“, entwich ihm erneut ein kurzer Schrei. „Rede, oder es gibt hier eine riesige Sauerei.“, meinte sie ungeduldig. „Sobald sie sich nähern oder irgendwas versuchen, hat Crowfort sie schon erwischt.“, stotterte er, wobei das Blut auf sein Kissen rann. „Warum glaubst du, bin ich hier? Ich will wissen wann dieser Crowfort frei hat.“ „Ich glaube in zwei Tagen, aber das ändert sich auch ganz schnell wieder.“ „Du solltest dir die nächsten paar Wochen frei nehmen. Wenn ich dich in Zakawas Nähe sehe, bist du die Leiche neben ihm, klar.“ Sie nahm das Schwert und machte sich auf den Heimweg. Meio lag eine weitere viertel Stunde im Bett als die Wirkung des Kuraare langsam nachließ. Es war ihm allerdings noch nicht möglich aufzustehen, als eine weitere Person seine Wohnung betrat: „Ah Meio, du bist gerade in einer ganz beschissenen Lage.“, Crowfort zückte das Messer, mit dem er Tage zuvor schon Sanchi ermordet hatte: „Nein, ich habe ihr nichts gesagt.“, packte ihn erneut die nackte Panik. „Verschone mich bitte mit deinen schlechten Lügen. Du bist mir schon lange ein Dorn im Auge und ich habe es satt, ständig deine Fehler ausbügeln zu müssen.“ Das aufblitzen des Messers in Crowforts Händen war das Letzte was er sah. Zwei Tage später: Tora knackte gerade das Schloss vom hinteren Gartentor. Es gelang ihr. Wie in einem Gefängnis suchten Scheinwerfer das Grundstück ab. Sie mussten sich vorsehen, um unentdeckt zu bleiben. Sie lief durch den Garten. Plötzlich war ein Lichtstrahl neben ihr und versuchte sie zu entlarven. Mit einem gewagten Hechtsprung hinter einen Busch rettete sie sich. Schweiß perlte von ihrer Stirn: - Du musst aufpassen! -, sagte sie sich. Sie sah sich um, dann ergriff sie die Chance, um an die Kellertür zu kommen. Verwunderlicherweise war diese auf. Sie traute dem nicht, aber es schien alles in Ordnung zu sein. Tina holte ihre kleine Taschenlampe heraus und fand so den Weg nach oben. Leise erklomm sie die Treppe. Die Zwischentür zum Erdgeschoss war verschlossen: - Wäre ja auch zu schön gewesen. -, dachte sie und begann mit einem Dietrich das Schloss zu öffnen. Wenig später betrat sie den Flur, der ab und an von den Lichtern im Garten erhellt wurde. Sie sah sich unten um, fand aber kein Schlafzimmer. - Warum haben eigentlich alle Gewohnheitsverbrechen ihre Schlafzimmer im zweiten Stock? -, fragte sie sich und sah das im Obergeschoss Wachen patrollierten. Was nicht in ihren Blick fiel, war ein Mann, der durch das Fenster mit einem Scharfschützengewehr auf sie zielte: „Und hast du ihn?“, wurde der Schütze plötzlich gefragt: „Was machst du hier? Ich denke du hast frei.“, antwortete der ohne aufzusehen. „Ich hatte das Gefühl, ich müsse mal vorbei kommen.“ „Dein 6th sence, was?” “So in etwa.“ Bevor der Scharfschützen schießen konnte, wurde ihm das Genick gebrochen. Tora durchsuchte mucksmäuschenstill die obere Etage und fand am Ende des Flures Zakawa in seinem Bett. Sie holte eine Waffe mit Schalldämpfer heraus: „Gute Nacht.“, sagte sie und jagte ihm die Kugel frontal durch den Schädel. So leise wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder. Keiner schrie, niemand weiter bemerkte sie. Nur einer hatte ihr das Leben gerettet, doch das würde sie nie erfahren. Kapitel 13: Der Fehler ---------------------- 13. Der Fehler Mit dem Zakawa- Mord stieg ihr Honorar gewaltig, ebenso ihr Kopfgeld in der Unterwelt. Doch da fast niemand an der „Oberfläche“ wusste, wie sie aussah, war sie „relativ“ sicher. Ken hatte ihr einmal gesagt: „Wenn sich dein Preis erhöht, wirst du besser.“ – Ich sollte Shuryõka danken. -, ging ihr durch den Kopf. Sie war drei Tage danach bei André zu besuch: „Tina, ich bin beeindruckt. Wie hast du das bloß hingekriegt?“ „Rein ins Haus, Zielperson umgelegt, raus aus dem Haus.“, meinte sie trocken. Er lachte, dann sah er sie ernst an: „Tienchen.“, er berührte sanft ihre Hand, die gerade auf der Teetasse ruhte. Sie nahm sie weg: „André, das Thema hatte wir bereits.“, sagte sie einerseits entschuldigend, andererseits ein wenig genervt. „Vielleicht möchtest du es dir überlegen?“, fragte er sehr sanft. Doch sie schüttelte nur leicht mit dem Kopf: „André, du weißt wie viel ich für dich empfinde: Vertrauen, Dankbarkeit und Freundschaft. Eine sexuelle Beziehung würde uns beide auf Dauer unglücklich machen.“, war sie der festen Überzeugung. „Lass uns doch wenigstens einen Versuch starten.“ Sie sah ihn geschockt an: „Meinst du das ernst?“ „So ernst wie ein Osteom*.“, meinte er. „Ich weiß nicht, André, ob das unserer Freundschaft gut tut.“ „Wenn es dir nicht gefällt, gehe ich dir nie wieder auf den Keks. Ist das ein Deal?“, streckte er ihr die Hand hin. „Mir war in Zakawas Haus, als würde Ken in meiner Nähe sein. Ich habe ihn gespürt.“, sie sah ihn an: „Ich weiß, das klingt lächerlich und es war wahrscheinlich nur ein verzweifelter Versuch meines Unterbewusstseins, ihn wieder in meiner Nähe zu haben. Zumindest gefühlsmäßig. Verstehst du?“, sagte sie weiter: „Tolle Analyse deiner Gefühle, ersparst du dir so den Seelenklempner?“, fragte André bissig. „Ich versuche es immer noch zu begreifen.“, antwortete Tora. Er setzte sich neben sie und schloss sie in die Arme. Sie kuschelte sich an ihn und legte ihre Hände um ihn. Minutenlang verweilten sie so. In Erinnerung an Ken senkte sie das Gesicht. Er hob ihren Kopf: „Vertraue mir. Ich werde dich nicht enttäuschen oder verletzen.“, sprach er beruhigend. Er küsste ihre Tränen weg und legte dann seine Stirn an ihre. Sie öffnete ihre Augen und sah den Mann, dem sie eine Menge verdankte. Letztendlich auch die Bekanntschaft mit Ken. Tina küsste ihn Leidenschaftlich: - Wow. -, ging es André durch den Kopf. Die Hände streichelten jeweils den Körper des anderen. Tina war unfähig gegen ihr eigenes Handeln anzugehen. Sie spürte Andrés Hand unter ihrem Shirt und an ihrem Busen. Es erregte sie, dennoch war sie trauriger denn je: „Lass uns ins Schlafzimmer gehen.“, meinte er. Dort angekommen küssten sie sich immer wilder und leidenschaftlicher. Ihre Kleider wurden vom jeweils anderen ausgezogen und achtlos ins Zimmer geworfen. Sie berührten sich an empfindlichen und intimen Körperstellen, bevor sie sich aufs Bett legten. Tina spürte, dass Ken nie weiter von ihr entfernt war als in diesem Augenblick und sie weinte während des gesamten Aktes. André bemerkte es erst, als er luftschnappend neben ihr lag: „War ich wirklich so schlecht?“, fragte er leicht spaßig. Sie sah zu ihm: „Es tut mir leid, André. Ich werde wohl nie so viel für dich empfinden, wie für Ken.“, erklärte sie ihm, zog sich rasch an und ging. Direkt danach fuhr sie zum Friedhof und fühlte sich immer bedrückter, je näher sie seiner Ruhestätte kam: „Hallo Koibito.“, sagte sie schüchtern und sah auf den dunklen Grabstein. Als sie wieder Misaki Ken las, fiel sie auf die Knie und brennend heiße Tränen liefen über ihre Wangen: „Es tut mir leid. Es tut mir leid! Es tut mir leid!“, heulte sie. Sie wiederholte den Satz weitere male. Es war ihr unbegreiflich, wie es zu dieser Situation kommen konnte und wusste, dass Ken ihr das wohl nicht verzeihen würde. Diese Erkenntnis ließ sie die ganze Nacht vor seinem Grab knien und ihn um Vergebung bitten und sie erkannte wie einsam sie war. Kapitel 14: Das junge Mädchen ----------------------------- 14. Das junge Mädchen Als sie an diesem Morgen wieder ins Versteck kam, blinkte auf ihrem PC eine e- Mail. Sie kümmerte sich zuerst nicht darum und machte sich erst mal einen Kaffee. Tina setzte sich an den großen Tisch. Sie trank den Café au lait und nebenbei las sie die Zeitung, die sie zuvor gekauft hatte. Ihr prangte eine große Überschrift entgegen: „Großindustrieller Zakawa Tokio: Am Freitag Morgen wurde der Industrielle Zakawa Jin erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Die Polizei hat keinerlei Spuren gefunden. Aus zuverlässiger Quelle hat sie die Vermutung, dass ein Auftragskiller dafür verantwortlich ist. Zakawa hatte viele Feinde und angeblich auch Kontakte zur Unterwelt. Neben dem Großindustriellen wurde auch einer seiner Bodyguards ermordet aufgefunden. Die Sonderkommission „Inu“ wurde auf den Fall angesetzt.“ - Ein zweiter Mord? Ich habe definitiv nur meine Zielperson erledigt. Wer oder Wie kam der Zweite zustande? -, fragte sie sich. Sie blickte auf den PC, langsam aber sicher ging ihr das Geblinke auf den Keks. Sie ging hin und öffnete sie. Die Nachricht war nicht von Shuryõka. Ein anderer wollte ihr einen Auftrag zukommen lassen, dessen Bezahlung jenseits von Gut und Böse lag. Einziger Haken, es musste heute noch erledigt werden, bevor das Ziel Jammamoto Izugi um fünfzehn Uhr das Gerichtsgebäude in Juban betrat. Dieses lag schräg gegenüber von Käpt´n Hanas Büro. Das Risiko war enorm hoch, genau wie der Zeitdruck. Es war dreizehn Uhr fünfundfünfzig. Tina sprang auf, lief zum Waffenschrank und holte den Koffer mit ihrem Scharfschützengewehr heraus, lief aus dem Untergrund zu ihrem Wagen und fuhr los. Sie fuhr von hinten an das Nebengebäude vom Jubanrevier. Dieses hatte vier Stockwerke und ein Flachdach. Sie ging die Stufen, des alten Gebäudes hoch. Niemand begegnete ihr oder sah sie. Die Feuerschutztür, die zum Dach führte, war verschlossen. Sie zog einen Dietrich raus und öffnete sie. Tora lief über das Dach. Das Polizeigebäude war ein Stockwerk höher und ein Fenster von den Zellen zeigte auf die Asbestplatten des Daches. Sie machte sich Sorgen. Packte dann aber doch ihr Gewehr an der Dachmauer aus und wartete. Zwanzig Minuten lang geschah nichts. Dann hielten drei Autos vor den Treppen des Gerichtes. Auf der Beifahrerseite stieg ein Mann aus und sah sich um. Die Hintertür öffnend, beobachtete er weiter die Umgebung. Er sah auch mehrmals an den Häusern hoch, nahm Tora aber nicht wahr. Nun stieg Izugi aus und stieg die ersten Stufen empor. Tina legte das Gewehr an: - Nur ein gezielter Schuss, Tora. Bleib ganz ruhig. -, hörte sie Kens Stimme. Sie drückte ab. Jammamoto bekam die Kugel in den Kopf, wobei dieser förmlich zerplatzte. Die Tigerin duckte sich hinter der Mauer. Plötzlich bemerkte sie etwas aus den Augenwinkeln. Am Zellenfenster bewegte sich etwas und sie legte das Gewehr erneut an. Sie sah durchs Zielfernrohr in die Augen eines vielleicht sechzehn jährigen Mädchens. Dieses versuchte nicht in Deckung zu gehen oder Hilfe zu holen. Sie sah Tina einfach an mit hoffnungslosen Augen und ihrem Schicksal entgegen. Der Finger der Auftragskillerin krümmte sich nicht. Im nächsten Moment packte sie ihre Waffe ein und verschwand. Im Bunker: - Was zum Hagetaka hast du da gemacht? -, fragte sie wütend sich selbst, weil sie eine Zeugin am Leben gelassen hatte. „Verdammt! Verdammt! Verdammt“, ärgerte sie sich und setzte sich vor den Computer: „Wenn sie mich beschreiben kann, was mache ich dann?“ – Dann kann ich mich oben kaum noch blicken lassen. -, sagte und dachte sie. Tora sah durch die Minikameras, dass die junge Frau ins Verhörzimmer gebracht wurde: - Mist! – Sie schaltete die Wanze dort ein: „Verdammt, du musst doch was mitbekommen haben!!!“, schrie Sargeant Hiro. Sie schwieg: „Du könntest deine Lage erheblich verbessern, wenn du was gesehen hast.“, grinste er. „Es liegt doch gar nicht in ihrem Interesse, dass sich meine Lage verbessert, also warum sollte ich reden?“ Hiro haute auf den Tisch und schrie die Kleine an, aber sie schwieg. Bis ein Uhr morgens sagte sie nicht ein Wort. Als sie wieder in ihre Zelle gebracht wurde, fragte sich Tina: - Warum redet sie nicht? Sie hat mich genau gesehen. – Sie stand vom PC auf und lief schweigend hin und her. Was Ráion sagen würde, wusste sie: „Bring sie um, sie ist eine Gefahr für dich.“ Sakada Enni sollte am nächsten Tag ins Jugendgefängnis überstellt werden. Tina wusste, dass das Gefängnis außerhalb von Tokio lag. Sie hatte sich an einer Straße postiert, die der Transportwagen benutzen musste. Es war eine Landstraße, die seitlich von Bäumen und Büschen begrenzt wurde. Mit dem Scharfschützengewehr lag sie im Dickicht und wartete. Es dauerte eine Ewigkeit und die Ameisen schienen sich einen Spaß daraus zu machen an ihr hoch zukrabbeln und zu beißen. Sie nahm kurz den Finger vom Abzug, um ein besonders hartnäckiges Exemplar von ihrem Hals zu schnipsen, als der gesuchte Kleinbus vorbei fuhr: (dt.) „SCHEIßE!“ Tora sprang auf, zielte und zerschoss einen Reifen. Der alte Wagen geriet ins Schlingern und kam mit einer spektakulären Vollbremsung zum Stehen. Augenblicke später stand sie an der Fahrertür. Sie hörte den Fahrer seinen Kollegen fragen: „Geht es dir gut?“, doch der antwortete nicht. Er hing mit einer Platzwunde am Kopf im Gurt. Die maskierte Tina klopfte mit dem Lauf ihrer Pistole ans Fenster: „Aufmachen und Flossen hoch!“, forderte sie. Der Polizist regte sich nicht: „Mach die Tür auf oder du und dein Auto haben ein paar Löcher mehr!“, fauchte sie. Er tat es: „Was wollen sie? Wir haben kein Geld bei uns.“, meinte der Fahrer verwundert. „Machen sie hinten auf!“, machte Tina weiter Druck. Er schloss auf: „Wir sind ein Gefangenentransport. Wir haben nichts von Wert bei uns.“ Die Tür wurde geöffnet. Darin saß wie ein Häufchen Elend, an der Stirn leicht verletzt, Sakada Enni. Sie sah wie die Maskierte den Mann niederschlug und hatte in dem Moment auch keine Hoffnung mehr für sich: „Komm raus!“, sagte Tora barsch. Die Kleine tat es und die Killerin richtete erneut die Waffe auf sie: - Ich kann wieder nicht abdrücken? Warum nicht? – Sie sah sie einen Moment an und entschied dann: „Du wirst mit mir kommen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)