Niemand von Toozmar ================================================================================ Kapitel 4: Say you, say me -------------------------- Jetzt lag er hier, alleine, völlig zugedröhnt und desorientiert in seinem Flur. Immer noch fragte er sich wie das mit Rodrigo vor ein paar Stunden, oder waren es Minuten, passieren konnte. Von Liebe war dort keine Spur gewesen. Die einzige Person die jemals einen Platz in seinem Herz haben würde war Jan. Und kaum dachte Bela an den Blonden stiegen wieder Tränen in ihm auf. Er lies sie laufen, weinte einfach nur und dachte an seinen ehemals besten Freund. Immer wieder fielen ihm seine Augen zu, bis er sie schließlich nicht mehr öffnen wollte und endlich einschlief. Der nächste Morgen kam und Bela schlief immer noch. Die Stunden vergingen in denen er sich unruhig auf dem kalten und harten Fußboden wälzte. Er träumte mal wieder und natürlich träumte er von Jan, von dem Moment als der große Blonde ihm vorschlug die Band aufzulösen. Bela wollte gerade etwas sagen, Jan endlich sagen dass sie die Band nicht auflösen sollten, da er ohne sie und ohne ihn nicht mehr Leben konnte. Doch bevor auch nur ein Laut aus seinem Mund drang, wachte er auf. Fragend sah er sich um, konnte sich nicht erinnern wie er gestern Abend den Weg in seine Wohnung gefunden hatte. Langsam stand er auf, sein Kopf fühlte sich tonnenschwer an und sein Rücken war endgültig im Arsch. Alles tat ihm tierisch weh und das aufstehen entwickelte sich zu einer schier unlösbaren Aufgabe. Als er endlich auf seinen wackligen Beinen stand, torkelte er ins Bad. Mal wieder betrachtete er sich im Spiegel. Tiefe schwarze Augenringe, zersauste Haare und ein extrem verschlafener Blick. Sein Spiegelbild war genau so, wie er sich momentan fühlte: Scheiße! Mehr oder weniger gründlich putzte Bela sich seine Zähne um wenigstens halbwegs diesen ekligen Geschmack aus seinem Mund zu bekommen. Als er den weißen Schaum ausspuckte war jener aber sofort wieder da. Mit einem genervten Blick schaute er auf die Zahnpastatube. „12h frischer Atem“, jaja von wegen… alles Lügen. Ziellos irrte er durch seine Wohnung, wusste nicht so recht was er nun machen sollte. Im Schlafzimmer entdeckte er die kleine Tüte, in der vor ein paar Tagen noch etliche Tabletten waren. Jetzt wusste er was er machen konnte, seinem Freund, oder eher Dealer einen kleinen Besuch abstatten. Mit genügend Geld bewaffnet schlenderte Bela durch die Straßen Berlins, bis er nach einigen Minuten an einer weißen Haustür stehen blieb. Dieser Gang war für ihn in den letzten Monaten so verständlich gewesen, so wie alle anderen eben auch ihre Einkäufe erledigten. Routine eben. Minuten später stand er auch schon wieder auf der Straße, glücklich und mit etlichen Stimmungsmachern bepackt. Auf seinem Weg nach Hause kaufte er noch schnell ein wenig zu Essen ein, immerhin war sein Kühlschrank schon seit Tagen überschaubar gefüllt gewesen. Und so trat er schließlich seinen Rückweg an. Die vollgepackte Tüte mit Lebensmitteln zerrte an seinem immer noch schwachen Arm, weshalb Bela zumindest versuchte sich zu beeilen. Auf seinem Weg betrachtete er die einzelnen Schaufenster, Angebote für Staubsauger oder Matratzen strahlten ihm entgegen, interessierten ihn aber kein Stück. Doch plötzlich bleib er ruckartig stehen und starrte in eine der großen Glasscheiben. Das leuchtende Gelb eines CD-Covers hielt seinen Blick gefangen. „King Kong“ war dort in großen grünen Buchstaben geschrieben. Natürlich musste er ausgerechnet jetzt dieses Album entdecken, jetzt wo er gerade einmal nicht mit seinen Gedanken bei Jan war. Es fiel ihm schwer, doch letztendlich lief er weiter, weit weg von dieser CD und seinen Gedanken an den blonden Hünen. Erschöpft lies Bela die schwere Einkaufstasche auf den Boden fallen, räumte den Inhalt eben jener in die Schränke und den Kühlschrank. Seine anderen Errungenschaft schmiss er auf sein zerknittertes Bett, lies sich mit einem schweren Seufzen direkt neben die kleinen Muntermacher fallen. Seine Gedanken, die er eben noch am Plattenladen hatte stehen lassen, holten ihn ein, stürzten ihn wieder in dieses tiefe Loch, aus dem es kein entrinnen gab. Fest schloss Bela seine Augen, hoffte endlich mal nicht dieses Grinsen vor seinen Augen zu haben. Mit geschlossenen Augen tastete er neben sich, hörte ein Knistern und zog die kleine Tüte auf seinen Schoss. Langsam öffnete er wieder seine Augen, blickte auf die vielen kleinen Pillen, die ihn wenigstens für kurze Zeit dabei halfen alles zu vergessen. Mit diesen Gedanken öffnete er leise das Tütchen, holte sich eine Pille raus und lies sie langsam in seinen Mund gleiten. Gut schmeckten sie nicht, irgendwie nach gar nichts, aber das war unwichtig. Wichtig war allein nur der Effekt, ja dieses schöne Gefühl, diese Wärme… Es dauerte eine Weile, nur ein paar Minuten, dann fühlte er sich entspannter. Immer noch mit Millionen Gedanken beladen, aber sie schienen nicht mehr so quälend zu sein. Mit einem Lächeln lies er sich wieder auf seinen Rücken fallen, starrte an die Decke. Stille. Einfache Stille herrschte um ihn, keine nervigen Geräusche. Eigentlich mochte er es, wenn alles so ruhig war, doch in den letzten Monaten war diese Stille so erdrückend gewesen. Lies sie ihm doch genügend Platz um seinen Gedanken nachzugehen, keine Chance sich durch etwaige Töne ablenken zu lassen. Schweigend lag Bela auf seinem Bett, merkte wie so langsam seine Gedanken wieder abschweiften und als er schließlich die blonden Haare vor seinem inneren Auge erblickte riss er die Augen auf. „Verdammt! Kannst du nicht endlich aus meinem Kopf verschwinden!“ Kopfschüttelnd richtete er sich wieder auf, streckte seine Arme aus. Geräusche, Töne, irgendwelchen Lärm brauchte er jetzt, irgendetwas was seine Gedanken vertrieb. Seine Plattensammlung wurde genervt durchgestöbert. Irgendwie schien er auf nichts Lust zu haben, weder die Ramones noch die Sex Pistols wollten von Bela gehört werden. Plötzlich hielt seine Hand inne. Seine Augen erblickten eine unscheinbare Kassette. „Demos“. Die Handschrift konnte er eindeutig Jan zuordnen. Er erinnerte sich. Damals vor ein paar Jahren, sie waren im Studio, die Aufnahmen waren schon mehr oder weniger abgeschlossen. Sie hatten noch Zeit, ein Tag in denen das Studio noch für sie gemietet war. Jan und er hatten Langeweile, spielten sinnlose Songs ein, mit sinnlosen Texten. Er selbst ging irgendwann, schließlich musste er noch arbeiten gehen, damit er wenigstens etwas Geld hatte. Jan blieb noch im Studio, nahm ein paar Cover-Songs auf, irgendwelche Songs die er damals schön fand, oder sonst irgendwie interessant, oder einfach nur total kitschig. Später hatte er ihm dann die Kassette gegeben, hatte gemeint, irgendwann sollten sie mal ein Cover-Album machen. Ja, irgendwann sollten sie das mal machen. Damals hatte er lediglich die Hälfte gehört, hatte irgendwann einfach keine Lust mehr gehabt, hatte bis heute diese Kassette komplett vergessen. Und jetzt hielt er sie wieder in der Hand. Bald war sie auch schon in seiner kleinen Stereoanlage verschwunden und die ersten Töne einer verzerrten Gitarre ertönten. Eine kurze Pause, ein kleines Fluchen und dann begann Jan zu singen. Say you say me say it for always that's the way it should be say you say me say it together naturally I had a dream I had an awesome dream people in the park playing games in the dark and what they played was a masquerade from behind the walls of doubt a voice was crying out Say you say me say it for always that's the way it should be say you say me say it together naturally As we go down life's lonesome highway seems the hardest thing to do is to find a friend or two that helping hand someone who understands when you feel you've lost your way you've got someone there to say "I'll show you" Say you say me say it for always that's the way it should be say you say me say it together naturally So you think you know the answers oh no well the whole worlds got you dancing that's right I'm telling you time you start believing oh yees believe in who you are you are a shining star Say you say me say it for always oh that's the way it should be say you say me say it together naturally say it together naturally Ein Klicken, noch ein kleiner Fluch und dann begann auch schon das nächste Stück. Wie in Trance stoppte Bela das Band. Das Lied war kitschig, keine Frage, er erinnerte sich wie sie sich über diese Liebeschnulzen lustig gemacht hatten. Und jetzt? Jetzt fühlte sich dieser Kitsch so unglaublich gut an. Vielleicht lag es nur an Jans Stimme, die ein bisschen rauer war als sonst, vielleicht lag es an den vielen Erinnerungen, vielleicht lag es auch an Belas jetziger Situation. Er wusste es nicht und schüttelte wie zur Bestätigung seiner Gedanken mit dem Kopf. Wie gerne würde er jetzt mit Jan reden, einfach nur reden, so wie sie es damals auch immer getan hatten, oder auch einfach nur ein wenig zusammen spielen. Irgendetwas, Hauptsache er konnte wieder was mit Jan unternehmen. In seinen Gedanken hastete er gerade zum Telefon, wählte zittrig die bekannte Nummer, meldete sich und fing direkt an zu reden, so als wäre nie was gewesen, doch er traute sich nicht. Die Angst lähmte ihn, Angst davor dass Jan einfach auflegen würde, nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Immerhin war er augenscheinlich nicht mehr der Strahlemann Farin Urlaub, nein er war nur noch Jan und das für jeden. Für seine Bandkollegen, die ihn wahrscheinlich nicht mal annähernd kannten. Seine Fans, wobei die meisten noch aus Ärzte-Zeiten dabei waren. Seine neuen Freunde, die Bela nicht kannte und auch nie kennen lernen wollte. Er wollte doch einfach nur wieder seinen Jan zurück haben, sein Lächeln, seine aufmunterten Worte, seine unglaublich inspirierende Aura spüren. Doch alles was er jetzt noch hatte, waren die vielen, drückenden und schmerzenden Erinnerungen und alte Fotos. Bela wusste einfach nicht mehr weiter, er war traurig, alleine und für seinen Geschmack gerade viel zu nüchtern. Nüchtern dachte er zuviel nach, erinnerte sich viel zu gut. Aus diesem Grund fand eine weitere Pille den Weg in seinen Mund, schnell schluckte er sie runter, um sich noch eine auf die ausgestreckte Zunge zu legen. Seine Augen schlossen sich wieder, einmal atmete er tief durch. Natürlich war es Schwachsinn zu denken, dass er seine Gedanken besser im Griff hatte wenn er high war, aber eingestehen konnte der Schwarzhaarige sich das nicht. , die Kassette kam ihm entgegen, seine Finger legten sich um das schwarze Plastik. „Jan!“, leise kam es aus seinem Mund. „Du Arsch!“, mit einem Knall landete das Plastik an der Wand, zersplitterte ein wenig, blieb aber weiterhin funktionsfähig. „Du bist so ein Arsch!“, sein Fuß stampfte kräftig auf die Kassette, die nun knackte und weiter zersplitterte, bis sie schließlich aus mehreren Einzelteilen bestand. „Warum kannst du nicht einfach komplett verschwinden?“, er brüllte. „Verschwinde endlich aus meinem Leben, ich will nicht mehr!“, das Brüllen wurde leiser. Tränen standen Bela jetzt in den Augen, doch er war nicht gewillt sie laufen zu lassen. „Ich kann einfach nicht mehr….“ Die letzten Silben gingen in seinem Schluchzen unter. Ein kleiner Gedanke schoss in seinen Kopf, es war ein Hilferuf, ein verzweifelter Gedanke und wenn er ehrlich war, hatte er ihn schon oft gehabt. Einfach gehen, weit weg, für immer. Doch noch war er nicht bereit es auch vollends durchzuführen. Immer wieder schwebte Hoffnung in ihm, die Hoffnung auf eine Reunion, auf ein Happy End für ihn und Jan. Doch so langsam realisierte er, dass dies nur Hoffnung bleiben würde. Warum sollte Jan wieder zurückkommen? Zurück zu einem seelischen und körperlichen Wrack wie Bela es zurzeit nun mal war. Erschöpft lies er sich wieder auf sein Bett fallen. Diese Gedanken würden ihn irgendwann noch in den Wahnsinn treiben, ihn zerstören. Noch ein paar Pillen wurden wütend heruntergeschluckt. Wie viele es waren wusste er nicht, selbst wenn es zu viele waren, dann sollte es doch so sein. Vielleicht war es einfach jetzt richtig für ihn zu gehen. So wie Hendrix damals. Vielleicht war das alles Schicksal. Die Begegnung mit Jan, die Gründung ihrer Band, die langsam ansteigende Karriere, der Erfolg, die Trennung, der Absturz. Vielleicht hatte er seinen Lebenssinn schon erfüllt, hatte seine Rolle auf dieser Welt gespielt und konnte nun von der Bühne gehen. Er merkte, dass seine Augen schwerer wurden, er fühlte sich müde, ausgelaugt, einfach schlapp. Ja vielleicht könnte er jetzt endlich gehen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)