Say Goodnight von Rinami ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Raue Wellen prellen gegen die harten Steine und brechen sich. Der Sturm peitscht sich durch die tiefschwarze Nacht und der Himmel weint tausende von Tränen. Donnergrollen erfüllt die kalte Luft und verlassen erklingt der Ausruf einer im Sturm verloren gegangenen Möwe. Ein Blitz durchzuckt die Finsternis und erleuchtet für wenige Sekunden das weite Meer. Wenn man den wirr umher schlagenden Wellen folgt, erkennt man weit entfernt einen Leuchtturm, der alleine auf einer Brandung und fernab von jeglicher Zivilisation steht und einsam versucht, den ziellosen Booten den Weg zu zeigen. Während das Licht des Leuchtturms unermüdlich kreist, erklimmen leise Schritte die zahllosen Stufen, die den Weg hinauf zur Lampe ermöglichen. Voll Schweigens schweift ein Blick wehmütig aus einem der wenigen Fenster, die den dunklen Gang erhellen. Dann wandern die Schritte weiter. Oben angelangt öffnet sich die Tür mit einem elendem Knarren und Quietschen. Jemand schreitet in das Zimmer und leise fällt die Tür zurück ins Schloss. Im kurzen Licht des Blitzes lassen sich grob die Umrisse des Zimmers erkennen. Alles ist kalt und grau gehalten, so grau wie die Mauer, die den Leuchtturm nach außen hin ziert. Dort, wo die Lampe kreist, ist ein kleiner Balkon umrandet von einer Fallsicherung aus Glas. Schon sehr oft hatten sich die Leute, die den Leuchtturm wateten, hier hinab gestürzt, um der elenden Einsamkeit ihres Lebens zu entfliehen. Ein erneuter Blitz erhellt den stillen Raum. Ein leises und unruhiges Keuchen ist von der hinteren Ecke aus zu vernehmen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man dort ein einfaches Holzbett auf dem jemand zu liegen scheint. Nach und nach nähert sich jemand dem Bett und vorsichtig wird ein Stuhl heran geschoben. Wenige Momente darauf kann man die Silhouette eines jungen Mannes erkennen, der sich besorgt über das Bett beugt. Seine Augen beobachten ein Mädchen, welches sich unruhig auf dem Bett windet. Ihr schwerer und hektischer Atem durchbricht die Stille. Mit kummervollen Blick schaut der Mann hinaus auf den Balkon. Nichts als der tosende Sturm und das unruhige Meer weit und breit. Kein Schiff, was ziellos nach Hilfe fleht. Vorsichtig tastet die Hand des jungen Mannes über das kaltschwitzige Gesicht des Mädchens. Er weiß genau, wie es um sie steht und doch erhofft er sich eine Besserung. Auch wenn diese Möglichkeit nahezu unmöglich zu sein scheint. Er kann es nicht lassen, zu hoffen. Für einen kurzen Moment donnert es wieder und das Mädchen wird zunehmend unruhiger. Der Mann schließt seine traurigen Augen und versucht die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Er denkt nach. Schon so lange quält sie sich, schon so lange erlebt sie Tiefen und Höhen, Aufstiege und Rückfälle. So oft schien sich alles zum Guten zu wenden, doch letztendlich wartete und blieb nur die bittere Enttäuschung. Auch wenn er mit allen Mitteln versuche, diese Gedanken zu verdrängen, so war ihm im Inneren klar, dass es endete. Unwiderruflich und endgültig. Seine Augen öffneten sich wieder und sein Blick wanderte gen Himmel, dann wieder zu ihr. Sie, die da lag in ihrem Kampf mit sich und dem Leben. Mit der Krankheit, die sich Leid nennt, die niemand zu heilen vermag. Während er behutsam über ihr Gesicht streichelt, bemerkt er, wie sie ihre blauen Augen öffnen und ihr Blick auf ihm ruht. Sie öffnet ihren Mund, um ihn etwas zu sagen, doch kein Wort entweicht ihren Lippen. Tränen sammeln sich in ihren Augen. Verzweifelt schaut sie auf zu ihm. Beruhigend schüttelt er mit den Kopf und streicht ihr die Tränen aus dem Gesicht. “Der Himmel wartet auf dich. Schließe nur deine Augen und sage Lebwohl.” Noch immer blickt sie ihn an. Ihre Hand greift nach seiner. Er spürt, wie ihr Puls weiter und weiter schlägt. Nach und nach wird ihm klar, in was für eine Misere er sein Leben gelebt hat. Er schaut ihr in die Augen und begreift, dass, wenn er es denn könnte, er sogar die ganze Welt opfern würde, nur um sie halten zu können. Doch das Gewicht der Welt ist einfach zu schwer für sie, ihrem kleinen Körper ist es unmöglich, diesem großen Druck noch länger stand zu halten. Sie wendet ihren Blick ab von ihm und schaut aus dem Fenster. Noch immer ist der Himmel schwarz und finster. Einen Moment später wandert ihr Blick wieder zu ihm. Trauer und Verzweiflung spiegeln sich in ihren Augen wieder. Er schaut sie an und spürt, wie sein Atem entweicht. Seine Hand wandert zu dem Nachtschränkchen um die Glaskanne zu nehmen, die dort steht. Er erschreckt, als er etwas scharfes, kantiges in seinem Fleisch spürt und schaut dorthin. Die Kanne war in tausende Scherben zerbrochen und nun, dadurch das er sich bewegt hatte, vielen die kleinen zerbrochenen Glastückchen zu Boden. Das Mädchen sieht ihn besorgt an, zu mindest denkt er das. Erneut wendet er sich ihr zu und haucht ihr einen leichten Kuss auf ihre Lippen. “Sag Gute Nacht. Schlafe nur schön. Sag gute Nacht.” Der Himmel strahlt blau und allüberall erklingen die Ausrufe der hungrigen Vögel. Sie kreisen um die Brandung, in der Hoffnung, irgendwo einen kleinen Fisch erblicken zu können, den sie dann verspeisen. Der Wind zieht auf und umspielt ein weißes Holzkreuz, vor dem sehr viele Blumen liegen. Er steht da, und spürt, wie kalt ihn die ganzen schönen Farben lassen und sein Herz nicht berühren. Langsam lässt er die schwarzen Rosen aus seiner Hand gleiten und wendet sich ab. “Hier bin ich nun und du bist bei mir. Hier bin ich nun. Unsere Welt endet .” Ihre Stimme hallt in seinem Kopf, während er zügig und unglücklich den Weg zum Leuchtturm zurück schreitet. Noch immer liegen dort die Glasscherben, doch das Bett ist leer. Stattdessen steht nun am anderen Ende des Raumes eine kleine Wiege und freudiges, kindliches Glucksen ist zu vernehmen. Er lenkt seine Schritte zur Krippe des Kindes und betrachtet es nachdenklich. Ihm erscheint ihr Lächeln und ihr Gesicht in seinen Erinnerungen. Nun wird ihm klar wieso. Das Kind. Es reflektiert das Gesicht des Mädchens durch seinen Augen. Ein wohliges Gefühl breitet sich in ihm aus und liebevoll betastet er die kleinen Wangen des Babys. Doch plötzlich erlischt das Strahlen des Himmels und die Welt scheint trist und kahl zu werden. Kalte Luftzüge peitschen den Turm, die Wellen wollen ihn brechen. Die Temperatur im Zimmer sinkt . Ihm wird eins klar. Sie ist nicht mehr da und sie wird auch nicht wieder kommen. Erinnerungen schreien und versuchen, sich zu befreien. Doch auf einmal herrscht Stille, nichts geschieht. Eine kalte Berührung umspielt seinen Hals. Er kann ihre Stimme hören. “Hier bin ich mit dir. Ich bleibe bis zum Ende.” Erinnerungen rufen ihn. “Sag Lebwohl, mein Freund.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)