Vergangene Schatten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Die fliegenden Sterne -------------------------------- Als Electra am nächsten Morgen erwachte, stieg eben die Sonne aus der Erde in den Himmel hinauf und das Kätzchen beobachtete von ihrem Korb aus, wie die goldroten Lichtstrahlen ganz allmählich über den Boden bis zu ihrem Fensterbrett krochen. Anschließend wandte sie ihren Kopf wieder der Sonne zu - und erschrak. "Etcetera!", rief die Kleine entsetzt und stürzte zum Schlafkorb der älteren Schwester hinüber, "Etcetera, das musst du dir ansehen: die Sonne blutet!" Die junge Jellicle, die erst in der Dämmerung schließlich vor Erschöpfung eingedöst war, wälzte sich unter ihrer Decke im Korb auf die andere Seite, runzelte verständnislos die Stirn und schüttelte den Kopf. "Freut mich auch, dass du schon wach bist, Electra." Den bissigen Unterton konnte sie sich einfach nicht mehr verkneifen, doch das rötliche Tabby-Kätzchen schien sich nicht daran zu stören. Im Gegenteil, nun gab sich Electra größte Mühe, die junge Katze an der Pfote aus dem Korb zu ziehen. "Jetzt mach schon, Etcetera, die Sonne ist verletzt!" Stöhnend gab diese es endlich auf und erhob sich: "Was erzählst du da eigentlich für einen Unsinn? Niemand kann die Sonne verletzen und sie blutet auch nicht!" "Aber wenn ich es dir doch sage!", beharrte das Kätzchen aufgeregt und zog die missmutige, resignierte Etcetera vor das hohe Fenster. Als sie den blutroten Glutball am Morgenhimmel stehen sah, dachte die junge Jellicle, ihr Herz müsste stehen bleiben, doch sie offenbarte ihre Gedanken nicht vor Electra. Noch mehr Anlass zur Beunruhigung, egal welchen Ausmaßes, wollte Etcetera ihr nicht geben, denn ihre kleine Schwester klebte fast mit den blauen Augen am Fensterglas. "Hoffentlich ist es nicht so schlimm, nicht, dass sie morgen nicht mehr aufsteigt." Mit einem Ausdruck größten Erntes im Gesicht wandte sich das Kätzchen schließlich von der roten Sonne ab und verließ munter das Zimmer. "Munkustrap weiß bestimmt, warum sie heute so aussieht!" Etcetera seufzte und wollte ihr gerade folgen als der Anblick der roten Sonne eine grausige Assoziation in ihr hervorrief. Schnell drehte die junge Jellicle ihren Kopf in eine andere Richtung und hastete aus dem Raum. "Nun, ich glaube nicht, dass die Sonne bleibende Schäden davontragen wird." Ernst, trotz seines Schmunzelns, saß Munkustrap den beiden Kätzchen gegenüber und zwinkerte Etcetera zu. Diese bemühte sich um ein schwaches Lächeln, während der graugetigerte Kater sich Electra zuwandte. Sein Tonfall veränderte sich als er weitersprach. "Allerdings sind wir an solchen Tagen besonders vorsichtig; es könnte sein, dass etwas bis dahin Unvorhergesehenes oder Schlimmes geschieht." "Wie zum Beispiel, dass Macavity plötzlich auftaucht", entfuhr es Etcetera unwillkürlich leise, doch Electra wandte ihr sofort erschrocken beide Ohren zu. "Macavity?" Die blauen Augen wuchsen vor Angst, doch Etcetera beschwichtigte sie augenblicklich: "Keine Angst, dir wird schon nichts passieren!" Sie sprach mit betont locker klingender Stimme und zwang sich zu einem Grinsen. Schnurrend lehnte Electra sich an ihre ältere Schwester und Etcetera hielt sie mit beiden Armen fest. Munkustrap nickte mit einem vielsagenden Blick und fuhr fort. "Es könnte für uns tatsächlich das Zeichen sein, dass Macavity uns bald in irgendeiner Weise Schwierigkeiten bereiten wird." Seine hellgrünen Augen blitzten kurz grimmig, dann wurde ihr Blick wieder warmer und freundlicher als sie das kleine Tabby-Kätzchen fixierten. "Allerdings könnte es auch bedeuten, dass bald etwas Wertvolles zu Bruch geht, wenn du nachher im Wohnzimmer Ball spielst!" Spielerisch zupfte Munkustrap an deren rötlichen Ohren um ihr die Angst zu nehmen. Das Kätzchen schrie lachend mit sehr hoher Stimme auf und langte mit ihren Pfoten nach seinen. Blitzschnell zog der getigerte Tom sie grinsend weg, bevor das Spiel von Neuem begann. Etcetera saß lächelnd daneben und vergaß für einen Moment lang all ihre Sorgen. Sie erhob sich schließlich mit der Begründung, Munkustraps richtigen Sohn Shadow besuchen zu wollen. Der junge Tom lebte inzwischen mit Pouncival und dessen Bruder Tumblebrutus in einer Dreier-WG auf der Straße. Nur selten kehrte er ins elterliche Haus zurück und verblieb lieber in der Nähe seiner Mutter Demeter, die allerdings regelmäßig darauf bestand, gemeinsam mit ihm das Haus aufzusuchen. Deshalb kam es öfter vor, dass Munkustrap und Shadow sich auf halber Strecke auf der Straße trafen. Dabei liebte der junge Jellicle seinen Vater über alles, doch Munkustrap hatte schon früh gespürt, dass es seinen Sohn nach draussen in die Freiheit zog. Seiner Meinung nach konnte das nur dem Temperament von Bombalurina, das bei Shadow offensichtlich viel stärker zum Ausdruck kam als bei seiner Partnerin Demeter, zu verdanken sein. Damit brachte er die hübsche, sinnliche Queen oft zum Lachen. "Wenn das so wäre, müsste das Kätzchen meiner Schwester die Unschuld und Schüchternheit in Person sein." Und obwohl die Straßenkatze noch lachte, wurden ihre Augen danach starr und lachten nicht mehr mit. Als Shadow und Etcetera sich mehr oder weniger zufällig in den Straßen der Stadt begegneten, umarmten sich die beiden Jellicles erfreut. "Was machst du denn hier?", fragte der junge Tom sofort mit aufmerksam gespitzten Ohren und legte fragend den Kopf schräg; er sah seinem Vater dabei so ungeheuer ähnlich, dass Etcetera leicht mulmig wurde. Dabei war sie sogar noch älter als Shadow! "Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit Electra, Victoria, Sulumi, Sillabub, Cacao und mir morgen Nacht in die Achter-Gasse zu kommen. Oh, und vielleicht fragst du Pounce auch gleich. Cacao würde sich bestimmt freuen, wenn der mitkäme." Diese Sätze verließen ihr Maul wie ein auswendig gelerntes Gedicht. Der junge Kater runzelte skeptisch die Stirn. "Warum? Und außerdem, hälst du das wirklich für eine gute Idee? Die Achter-Gasse, an der sich acht Wege schneiden, ist verboten, bis Macavity aufgespürt ist!" Argwöhnisch musterte Shadow das Kätzchen, das hastig den Kopf schüttelte: "Ach, Quatsch! Wir wollen doch nicht dort übernachten. Aber woanders geht es nicht!" Aufgeregt gestikulierte sie wild in Richtung des Toms, der noch immer reichlich verwirrt wirkte. "Aber was willst du denn da?" Verschwörerisch gelang der jungen Tabby sogar ein Grinsen. "Das wirst du dann schon sehen." Und hoffte innerlich, dass der Sturkopf sich doch endlich überzeugen ließ, indem sie den Kater neugierig machte. Tatsächlich schien ihre Saat nun aufzugehen; Shadow nickte langsam und versprach, Pouncival mitzubringen. "Und du bist sicher, dass du weißt, was du tust, Tizi?" Das war mehr eine Feststellung als eine Frage und trotzdem brachte er Etcetera dazu, auf- und in seine Augen zu schauen. "Logo weiß ich, was ich tue", meinte sie lächelnd. Als Shadow sich außer Hörweite zum Gehen gewandt hatte, fügte die junge Katze noch murmelnd hinzu: "Ich war mir dessen noch nie so sicher." "Wie weit wollen wir denn noch in dieses Netz rein, Tizi? Ganz ehrlich, mir ist nicht wohl dabei." Victorias Stimme war kaum ein Flüstern, während sich die schneeweiße Queen ständig nervös umwandte, ob jemand sie verfolgte. Etcetera verdrehte genervt die Augen und auch Pouncival und Shadow, die eben zu allen anderen Kätzchen dazugestoßen waren, grinsten. "Mach dir nicht gleich ins Fell, Vici, wir sind doch auch noch da!", gab Pouncival verschmitzt zurück; der junge Jellicle hatte, wie sein Mitbewohner, seine Krallen gezogen und schaute wachsam umher. Victoria warf dem Straßenkater einen sehr bissigen Blick zu und legte eine Pfote um Sulumi. "Etcetera?", fragte sie erneut um endlich eine Antwort auf ihre Frage zu erhalten. Etcetera wandte den Kopf zu der weißen Katze um und zwinkerte: "Nicht mehr weit. Und wenn wir da sind, werdet ihr alle mit mir darin übereinstimmen, dass der Weg sich gelohnt hat." Victoria zog zweifelnd die Ohren nach hinten. "Wenn du das sagst ... " Und so schlich die kleine Gruppe weiter durch das Gassenviertel, wobei die beiden jungen Kater jeweils rechts und links die Kätzchen flankierten. Oft schnupperten die jungen Jellicle-Katzen in die Nachtluft hinein, doch von Macavity und seiner Bande fand niemand eine Spur. Allerdings drehte der Wind oftmals in dieser Nacht, so dass das Trüppchen mehrmals auf Seitengassen ausweichen musste um Straßenhunden, die sie plötzlich witterten, zu entgehen. Als die Kreuzung der acht Gassen entfernt sichtbar wurde, beschleunigte Etcetera zunehmend ihre Schritte, in der Hoffnung, ihr Plan würde aufgehen. Natürlich hatte die junge Katze ihre Freunde nicht ohne Hintertürchen in diese Falle gelockt; in der Hoffnung, Macavity doch noch überlisten zu können, hatten sie und Electra nicht wie sonst die Eingangstür, sondern das hohe Fenster in ihrem Schlafzimmer benutzt um das Haus zu verlassen. Es stand noch immer offen als Zeichen für Munkustrap, der dann, unabhängig von Macavity, feststellen würde, dass die Kätzchen fort waren. Zusätzlich hatte Etcetera, von Electra unbemerkt, eine eindeutige Botschaft gut sichtbar in den hölzernen Fensterrahmen geritzt. Wenn Munkustrap wie jeden Abend noch einmal bei ihnen vorbeischauen würde, würde es ihm nicht entgehen. Schließlich konnte die helle Tabby ja nicht den Kater bewusst auf Macavity ansetzen, nur um letztenendes Electras Leben zu gefährden! Der Wind zauste böhig durch ihr aller Fell und brachte die jungen Jellicles zum Zittern. Sillabub zog wie Sulumi, Cacao und Electra die Schultern hoch und bibberte; es war wirklich ungewöhnlich kalt in dieser Nacht, doch abgesehen von der Kälte war da noch etwas anderes, was ihr Unwohlsein bereitete. Pouncival und sein Kumpel Shadow schienen es nicht zu bemerken. Etcetera biss sich auf die Unterlippe und trieb sie weiter zur Eile an. "Los, kommt, sonst ist es zu spät!" Und dann fing sie an zu laufen. "Heeeey, Tizi, warte doch mal!", rief Electra und stürmte sofort hinter der hellen Tabby her. Sulumi zögerte erst, nahm dann jedoch kurzerhand Victorias Pfote und zog die überraschte Queen hinter sich her. Daraufhin konnte es auch Pouncival sich nicht nehmen lassen, Cacao mit einem breiten Grinsen an der linken Pfote zu packen und den anderen mit ihr im Schlepptau in schnellem Lauf zu folgen. Zurück blieben Shadow und Sillabub; beide warfen sich einen kurzen Blick zu, wandten sich jedoch sofort ab und rannten hinter der Gruppe her. Als die zwei jungen Katzen sie erreicht hatten, versuchten die anderen bereits, das Dach eines verlassenen Lagerhauses zu erklimmen. Dabei musste Pouncival wieder einmal zeigen, was er konnte: auf dem schmalen Vorsprung des Daches balancierte der junge Tom hin und her und alberte ununterbrochen herum, sehr zur Belustigung von Cacao und Sulumi, rutschte jedoch auf einem losen Ziegel aus, der daraufhin herunterfiel. Gerade noch rechtzeitig gelang es dem Straßenkater, höher auf die Dachschräge zu springen als der herabgefallene Stein unten am Boden zerschellte. Ein wenig erschrocken krallte Pouncival sich an den Ziegeln fest, die unter seinem Gewicht glücklicherweise nicht nachgaben und richtete sich vorsichtig auf. Cacao war im ersten Augenblick vor Schreck zu Eis erstarrt und streckte nun ihre Pfote zu ihm aus. "Danke", nuschelte der junge Jellicle nur und ließ sich hochhelfen. Kaum war er glücklich oben angekommen kuschelte Cacao sich in seine Arme und schnurrte erleichert. "So, hoffentlich sind alle anderen jetzt auch auf den Gedanken gekommen, sich irgendwo hinzusetzen, wo sie möglichst nicht runterfallen können", meinte Etceteras helle Stimme ungeduldig und ein wenig verärgert. Electra hatte sich an den äußersten Rand der einen Dachseite gesetzt und sich zu ihrer Zieh-Schwester umgedreht: "Warum sind wir denn nun hier?", fragte sie neugierig und starrte zurück über die Dächer der Stadt. Die Aussicht war unleugbar fantastisch, doch das Kätzchen war skeptisch; außer den Lichtscheinen, ausgehend von einigen wenigen Straßenlaternen, konnte sie in der Dunkelheit nicht viel erkennen. "Du schaust in die falsche Richtung, du Nase!", meinte Etcetera deshalb lachend und zwickte ihr Schwesterchen in die Seite. Schrill quietschte Electra auf und schlug verärgert deren Pfoten weg: "Lass das, ich mag das nicht, das weißt du ganz genau!" Anschließend demonstrierte das Kätzchen eindrucksvoll, wie gut sie darin war, die Beleidigte Leberwurst zu spielen. Shadow musste kichern; er hatte zwar nur wenig Zeit mit Electra verbracht, da er bald nach ihrer Adoption das Haus verlassen hatte. Trotzdem hatte der junge Tom sie von Anfang an in sein Herz geschlossen. Daher balancierte der Kater vorsichtig über das Dach zu Electra hinüber. Die kleine Jellicle wandte der Gruppe mit verschränkten Armen den Rücken zu und hatte die Ohren pikiert spitz nach oben gedreht. "Ach, komm schon Electra", meinte Shadow und setzte sich neben sie. Das Tabby-Kätzchen wandte ihm erst ihre Ohren zu, eine Angewohnheit, die sie unter Garantie von Munkustrap übernommen hatte, bevor sie sich ganz zu dem jungen Kater umdrehte: "Aber nur weil du es bist!" Mit diesen Worten lehnte sich Electra an Shadow an und schnurrte zufrieden. Das war echt typisch! Etcetera bließ missmutig ihre Wangen auf und ließ die Luft lautstark entweichen, dann bemühte sich die junge Katze wieder um die Aufmerksamkeit ihrer Freunde. "Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis sie kommen. Richtet eurer Augenmerk auf den Nachthimmel, dann könnt ihr sie sehen!" Erneut klang sie sehr aufgeregt und sah ebenfalls mit leuchtenden Augen zum Himmel hinauf. "Was ist denn da nun?" Electras Ungeduld übertrug sich allmählich auf die anderen. Sulumi konnte sich ein langes Gähnen nicht verkneifen; sie hatte den ganzen Tag über nicht geschlafen und auch Sillabub wünschte sich langsam in ihren warmen Korb ... "Also, mir reichts langsam Tizi, entschuldige bitte", meinte Victoria schließlich und streckte ihre langen schlanken Beine, "ich hatte nichts dagegen, mitzukommen, aber wenn das noch allzu lange dauert, möchte ich jetzt geh- " Weiter kam sie nicht, denn ein lauter Ausruf von Pouncival brachte alle zum Schweigen. Der junge Tom kauerte auf dem äußersten Rand des Daches und wies mit der Pfote begeistert zum Himmel auf etwas, das vor wenigen Augenblicken vor seinen großen, erstaunten Augen dort vorbeigezischt war. "Das habt ihr noch nicht gesehen!" Sofort drehten sich die anderen in seine Richtung und versuchten hektisch den Grund für seine Freude auszumachen, als es erneut geschah: winzige Lichter wie helle Funken flogen blitzschnell an ihnen vorbei, und da waren noch viele, viele mehr! Die Kätzchen konnten sich daran nicht sattsehen und auch Victoria nahm wieder platz und verfolgte faziniert diesen seltsamen Tanz. "Was ist das?", wollte Sulumi wissen und auch Shadow war wie gebannt. Sillabub schüttelte den Kopf. "Ich hab keine Ahnung." Da sah sie das nächste Licht vorüberziehen und folgte ihm ratlos und gespannt mit den Augen. "Aber sie sehen aus wie- " "STERNE!", unterbrach Electra sie laut, während sie unentwegt zum Himmel starrte und lachte, "das sind Fliegende Sterne!" Das Kätzchen saß mit dem Rücken zu Victoria, die sich zu Sillabub gewandt hatte und zweifelnd die Ohren zur Seite stellte. Doch der schokoladenbraunen jungen Jellicle war es gleich; derartiges hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Etcetera genoss das Schauspiel solange, bis sie einen Hauch von Macavitys Spur vernahm. Sie hütete sich, jetzt äußerlich nervös zu werden - zumindest nicht, bis die anderen ihn ebenfalls rochen. Das hellgetigerte Kätzchen spannte ihren ganzen Körper an, bereit, die Scare Strays jeden Moment auf den umliegenden Dächern zu entdecken. Schließlich war es so verabredet gewesen. Doch noch geschah nichts. Kein Macavity. Plötzlich spürte sie eine Pfote auf ihrer Schulter und zuckte heftig und erschrocken zusammen. Gerade drehte sich Etcetera wütend um, doch jeder Zorn verrauchte als sie in Electras blaue Augen blickte: "Cool, dass du mit uns heute Nacht hergekommen bist." Noch immer flogen die Sterne über den sonst finsteren Himmel und es schien als würden sie auf die Erde niederregnen. Etcetera wagte es nicht, zu dem Tabby-Kätzchen zurück zuschauen und musste sich abwenden. Aber wenn alles nach Plan lief, würden sie alle mit dem Schrecken davon kommen und niemandem würde etwas geschehen. Vor allem Electra wäre in Sicherheit ... Die junge Jellicle nickte langsam und leicht beklommen; ihr Gegenüber bekam davon nichts mit und beschäftigte sich wieder mit dem Sternenphänomen am Himmel. Ein paar Schritte weiter entfernt hockte Cacao auf Pouncivals Schoß und zählte mit ihm die vorbeifliegenden Lichter. "... 12, 13, 14 - da, schau, da war noch eins!", rief Cacao strahlend und zählte an den Ballenspitzen die Lichter ab. "Nein, 16, mach deine Augen auf!", neckte der junge Streuner grinsend und drückte sie noch mehr an sich. Das hellbraun-gefleckte Kätzchen schnurrte und schaute in seine Augen: "Ich sehe noch zwei mehr, Pounce", sagte das Kätzchen mit leiser Stimme lächelnd und zeichnete mit ihren Pfotenspitzen die braunen Muster um Pouncivals Augen nach; da sein rechtes Auge fast völlig braun war, strich Cacao bis über seine Nase. Der junge Tom schnurrte wohlig und erschauderte beinahe unmerklich. Er grinste. "Ich habe auch noch zwei gefunden und schon lange bemerkt, dass kein Stern am Himmel heller leuchten kann als sie." Zärtlich biss er seiner Auserwählten ins linke Ohr und genoss den Moment, in dem Cacao scharf die Luft einsog und ihren Kopf heftig an seinem Körper rieb. Jetzt oder nie!- Doch eben in dem Augenblick als Pouncival den Kopf weiter neigte um Cacao zu küssen, bemerkte er einen Schatten, der genauso schnell wieder verschwand wie er aufgetaucht war. Und als er den Kopf weg von Cacao in eine andere Richtung wandte, nahm er nicht nur mehr ihre zarte Spur, sondern auch andere Fährten wahr - darunter auch die markante des Straßenkaters, den Pouncival jetzt, gerade hier mit Cacao, am allerwenigsten treffen wollte. Sofort drehte der junge Kater sich zu den anderen um. Cacao sah ihn verunsichert an: "Was ist los, Pounce?" Das Kätzchen hatte den Kopf fragend schräg gelegt, bekam aber keine Antwort. Etcetera spürte im selben Moment als Pouncival den Kopf von Cacao wegdrehte, seine Nervosität und dass er die Katzen bemerkt hatte. Während Sulumi, Victoria, Sillabub und Electra noch wie gebannt zum Himmel schauten, wandte Shadow sich ebenfalls seinem Kumpel zu. "Hey, Pouncival, alles in Milch und Butter?" Argwöhnisch stand er auf als auch er aus den Augenwinkeln die Gestalten erkannte, die ständig um das Haus herum huschten. Wie zu Eis erstarrt beobachtete der junge Jellicle sie einige Sekunden, fassungslos und wohl viel zu spät witterte auch er schließlich die Gefahr, in der sie alle schwebten: "SIE SIND HIER!" Sein Schrei, bestehend aus einem entsetztem Fauchen und alarmierendem Kreischen scheuchte blitzartig alle anderen Jellicles auf, deren feine Nasen in dem Duftgemisch der Feinde gefangen schienen. Nun beugte sich auch Sulumi hektisch vor um die Streuner zu erspähen, musste allerdings von Victoria im Nacken wieder zurückgezogen werden um nicht herunter zu fallen. Electra stand die pure Angst im Gesicht, wimmernd drückte sie sich an die anderen Katzen. "Was wollen die von uns?", rief Cacao angstvoll und wich vom Rand des Daches zurück - keine Sekunde zu früh. Schon tauchte ein großer, dunkler Kopf mit zerrissenen Ohren vor ihr auf und bleckte die Zähne: "Was denn? Bin ich etwa nicht so hübsch wie dein Freund?" Der Kater öffnete sein Maul, entblößte dabei ein äusserst hässliches Gebiss und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Bist recht ansehnlich, genau richtig für- " Weiter kam er nicht, denn Pouncival erschien mit einem Mal in seinem Blickfeld und versetzte dem Streuner einen heftigen Tritt ins Gesicht: "ELENDER MISTKERL!", schrie der junge Tom wutentbrannt, zog Cacao mit einem kräftigen Ruck auf die Beine und packte ihre Pfote. "Bleib bei mir, was auch immer geschieht!" Das Kätzchen nickte zitternd während der lüsterne Straßenkater sich nun fauchend und knurrend den Dachrand hinaufzog und drehte sich auch zu den anderen um. Shadow rangelte wild mit einem anderen Streuner, der ebenfalls aufs Dach klettern wollte und versuchte immer wieder, ihn herunter zu stoßen. "Das hat keinen Sinn, Shadow, wir müssen hier verschwinden!" Mit diesen Worten nahm Pouncival mit Cacao Anlauf und beide sprangen mit einem gewaltigen Satz von diesem auf die umliegenden Dächer. Nur Bruchteile von Sekunden später folgten Sillabub, Sulumi, Victoria und Etcetera, während Shadow Electra huckepack nahm, das Kätzchen anwies, sich gut festzuhalten und schließlich selbst sprang. Als die beiden drüben waren, warf Shadow einen Blick zurück auf das Dach und erkannte die hünenhafte Gestalt von Macavity, der seine Bande um sich scharrte und beide Arme in Richtung der Kätzchen ausstreckte. "Los! Holt sie mir!" Seine dunkle, raue Stimme hallte durch die Nacht und schon setzten sich die Scare Strays in Bewegung. Als Shadow die Meute auf sich zukommen sah, fand er endlich die Kontrolle über seine Beine wieder und jagte mit Electra auf dem Rücken ihren Freunden hinterher. Sulumi und Victoria hatten bereits das Dach über die Regenrinne verlassen, ebenso wie Pouncival und Cacao, die nun Shadow und Etcetera zur Eile antrieben. "Nun mach schon!", rief auch Sillabub panisch; die Kater waren fast bei ihnen. Bevor Shadow etwas erwidern konnte, hatte sich vor ihm Etcetera die Regenrinne hinutergehangelt und war schon unten. "Beeilt euch", feuerte sie die Freunde an und lief zu Pouncival und Victoria hinüber. "Na los, Electra geht vor!", schrie auch das schokoladenbraune Kätzchen und deutete unmissverständlich nach unten. Der junge Jellicle nickte: "Wir sehen uns unten!", rief er ihr ermutigend zu und schwang sich am klirrenden Blech zum Boden hinab. Direkt danach wollte Sillabub es ihm gleichtun, doch kräftige, schmutzige Pfoten packten das Kätzchen und hielten sie fest. Sillabub begann sofort instinktiv damit, den Kopf heftigst hin- und her zu werfen und mit Armen und Beinen zu schlagen und zu treten. Dabei stieß sie mit weit aufgerissenem Maul einen schrillen, markerschütternden Hilfeschrei aus, den nichts und niemand mehr unterdrücken konnte. Shadow, der noch nicht ganz unten angelangt war, versuchte augenblicklich hektisch wieder herauf zu gelangen. "Sillabub!", rief er verzweifelt und klammerte sich an der Rinne fest, konnte jedoch nicht verhindern, dass er langsam an ihr abrutschte, "NEIIIN! ... " "Puh, bei der Ewigen Katze, das war echt knapp!" Mungojerrie schnaufte laut und sank mit dem Rücken an der steinernen Gassenmauer herab. Neben ihm tat Rumpleteazer es ihm gleich und beide stießen fast synchron einen erleichterten Seufzer aus. Zu ihrem großen Glück hatte der dickbauchige Koch, dem das Pärchen einen gewaltigen Broiler quasi direkt vor seiner Knollennase weggeschnappt hatte, die Jagd auf die vorwitzigen Streuner hinter der neunten Gassenbiegung resigniert, aber nichts desto trotz laut schimpfend aufgegeben, und war in seine Küche zurückgekehrt. Nach einer kurzen Atempause, in der beide wieder tief Luft holten, besah Teazer das Grillhähnchen mit Stielaugen: "Mhm, der sieht wirklich hervorragend aus", bemerkte die buntgetigerte Queen und leckte sich hungrig ihr Maul. Jerry grinste: "Na dann, Lady's First!" Das ließ sich seine Partnerin nicht zweimal sagen, brach sich gekonnt den rechten Flügel ab und biss in das weiche, knusperige Fleisch hinein. "Oah, mhm, der is wirklif fo gut fie er auschieht." Und in windeseile hatte sie den Flügel bis auf den Knochen abgenagt und griff bereits nach dem anderen. "Hey, lass mir aber auch noch was übrig, ja?" Lachend trennte der Tom gerade eines der Beine ab, damit er von dem Leckerbissen auch noch etwas abbekam als er einen schrillen, hohen Schrei vernahm. Stirnrunzelnd richtete Jerry sich auf und auch Rumpleteazer erhob sich, noch kauend, mit fragend nach vorne gedrehten Ohren: "Was ischt denn da losch?- War das nicht unsere kleine Silla?" "Auf jeden!" Und schon stürmten die beiden los, ein wenig um den großen, saftigen Broiler trauernd, der einfach in der Gasse liegen blieb. Doch sowohl für Jerry als auch für Teazer war klar, dass der gesamte Klan um die Kätzchen weit mehr Tränen vergießen würde. Das Kätzchen oben auf dem Dach kreischte und fauchte inzwischen fürchterlich, doch die Kater unternahmen beinahe nichts um sie zu bändigen oder gar zu schwächen. Sillabub wollte sich im Moment nicht fragen warum - denn etwas anderes war viel merkwürdiger. "Macavity ist nicht hier, passt auf!" So laut wie möglich rief sie das ihren Freunden zu, lediglich schraubstockartig an den Armen gepackt um sie an der Flucht zu hindern. Shadow hatte es nun aufgegeben und wollte einen anderen Weg hinauf suchen als er die Worte des Kätzchens hörte: "Was meinst du?" Doch die Worte blieben dem jungen Tom im Hals stecken als die grimmigen Gesichter mehrerer Scare Strays über ihm auftauchten und anfingen, laut zu fauchen. Electra, die sich an Shadows Schultern klammerte, zog ängstlich den Kopf ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)