Zwischen Leben und Sterben von vampireMiyu ================================================================================ Kapitel 4: Aggression --------------------- Sie kehrte für den Tag nicht mehr zur Schule zurück. Sie schwänzte, so wie sie es manchmal tat, obwohl sie dafür ständig richtigen Ärger bekam. Mit einem müden Lächeln im Gesicht schüttelte sie den Kopf darüber, vergrub ihre Hände nur umso tiefer in ihre Jackentaschen. Wen kümmerte es schon wenn Wolf weg war? Sie war nur wieder mal ein weiteres Gesicht in der Masse, jemand den man ohne Mühe vergessen konnte. Wahrscheinlich vergaß selbst Red dass sie sie ansprach. Wahrscheinlich vergaß selbst ihre Mutter dass sie noch da war. Deshalb, was spielte es schon eine Rolle wenn sie sich manchmal Urlaub von der Klasse nahm? Hob ein kleines, abgebrochenes Ästchen vom Boden auf, drehte ihn einmal in ihren Händen herum. Spielte doch sowieso keine Rolle. Brach ihn entzwei. Nichts spielte eine Rolle. Brach ihn in noch mehr Stücke, immer mehr und mehr, bis die kleinen Stücke ihr aus den Fingern fiel, auf ihre dreckigen, schwarzen Stiefel landete. Es spielte überhaupt nichts eine Rolle. Solange sie einfach das tat, was man ihr sagte, dann sollte eigentlich alles in Ordnung sein. Sie legte den Kopf wieder in den Nacken, starrte in den immer dunkler werdenden Himmel – hinaus, in eine Ewigkeit die nie ihr gehören würde. Wer war sie schon? Sie war Wolf. Sie flüchtete von der Schule, verschanzte sich im Stadtpark – riskierte wohl wieder damit von irgendwelchen Bekannten gesehen zu werden. Aber da war niemand. Nur sie. Sie, in ihrer eigenen Welt – in ihrer Realität. Die Bäume kannten sie nicht. Die Spatzen schenkten ihr nur manchmal Gesellschaft, wollten ohnehin nur ein paar Fritten abbekommen die sie sich irgendwann mal kaufte. Ab und zu mal ein brauner, dreckiger Köter der immer wieder vorbei guckte, sie sinnlos ankläffte, mit dem Stummelschwanz wedelte. Die einzigen Besucher in ihrer Welt. Eine Welt die sie verließ als sie ihre Beine von der Bank hochhievte, sich Dreck und Krümel von der Kleidung abklopfte. Es war schon dunkel, wahrscheinlich schon viel zu spät; ihre Mutter war mit Sicherheit schon wieder auf Achse, würde ihr eine Predigt halten. Konnte sich schon ihr wütendes, verzerrtes Gesicht vorstellen – ein Gesicht das dem ihren wirklich nicht ähnlich sah, obwohl sie doch ihre biologische Mutter war? Den Gedanken von sich stoßend schüttelte sie einmal heftig den Kopf, brachte damit ihre Kapuze zum runterrutschen. Nicht darüber nachdenken, Wolf. Nicht darüber nachdenken. Es ist es nicht wert. Du hast die Narben gesehen. Die Fotos. Sie ist deine Mutter. Deine leibliche. Drückte die Tür zum Vorgarten auf und sah das Haus an das vor ihr stand. So grell. So bunt. Damit es ja auch fröhlich erscheint. Ihr Haus, eines Tages. Ihre Zukunft. Zukunft? „Hier gibt’s keine Zukunft...“ Wieder schüttelte sie den Kopf, machte sich zum Inneren, so schnell wie möglich zu ihrem Zimmer. Als sie endlich drin war sah sie kurz im Wohnzimmer vorbei, bereute es aber auch schon das getan zu haben – denn plötzlich erkannte sie einen schwarzen Haarschopf, erkannte wie sich jemand vom Sofa erhob und ohne zu zögern auf sie zuschritt. „Du kleines, widerliches Mistbalg, wo warst du so lange?!“ Sie spürte wie etwas auf sie einklatschte – prallte vor lauter Schrecken am Boden auf, sah entgeistert zu der älteren Frau hoch. Augenringe, so wie bei ihr. „Ich war nur... äh, musste was in der Schule ma-„ „Es ist mir scheiß egal was du machen musstest – ich habe es dir ausdrücklich verboten später als 6 Uhr draußen zu bleiben, und ich erwarte von dir dass du es auch ein hältst! Du verfluchtes, kleines... Warum zum Teufel hab ich mein Leben auf’s Spiel gesetzt?! Hätte ich nur gewusst dass so ein“, sie schlug wieder auf sie ein, trat sie, zerrte an ihren Haaren herum, „so ein verdammter Sturkopf wie du geboren wirst, dann hätte ich nie-„ Sie fuhr fort zu schreien; unlogische, unzusammenhängende Beschuldigungen, Ausrufe, Flüche. Beleidigungen. Schlug Wolf wann immer sie versuchte etwas zu erwidern, sich zu entschuldigen, irgendetwas gegen all die Anschuldigungen zu machen. Irgendwann mal wurde es ihr aber egal. Sass nur noch da, den Blick auf ihre Hände gerichtet, schaltete ihr Gehörsinn ab. Wartete darauf dass ihre Mutter sich endlich entfernte. Ihr Vater kam dazu, wieder führte es zu einem Streit. Wieder Geschrei. Wieder dieser unglaublich starke Druck in ihr. Wieder das Verlangen nicht existieren zu müssen. Ein Verlangen das weiter anhielt selbst als sie sich in ihr Zimmer verzog, sich vor ihren Bildschirm pflanzte, sich gefühlstaub durch das Internet klickte. Gore. Blood. Hardcore porn with no limits. Wolf dröhnte sich zu, lustlos, bewusstlos. Sie spielte mit dem Cutter in ihren Händen herum, ließ die Klinge reinfahren, raus fahren. Sah immer wieder auf, zum Bildschirm, starrte die Bilder an die am laden waren. Grotesque imageries of life. Snuff. Exploding heads, how fun. Das Desinfektionsmittel stand bereit, wurde auch benutzt, spürte wie die brennenden Schmerzen durch ihren Körper fuhren. Umso besser, umso besser. Dann fühlte sie sich wenigstens lebendig. Mehr Schmerz als Wut, damit sie bei Bewusstsein blieb, das Cutter nicht noch womöglich wem in die Kehle rammte. Dann hatte sie genug. Sie tippte nebenbei noch an ihrer Geschichte, wieder mal eine Horror Story mit Splatter Elementen. Über ein Mädchen das massakriert wird, immer und immer wieder, so viele male dass es sie nicht mehr kümmert. Ihre Beschreibungen wurden härter, brutaler, aggressiver; wollte ihrer Wut, die sich seit einiger Zeit in ihr aufstaute, Luft geben. Aber es half nicht viel. Es schien zu verschwinden, ja. Aber als ihre Mutter in ihr Zimmer rein gestürmt kam, ihr das Netzkabel raus riss und sie anschrie, da spürte sie wie die Wut in ihr wieder aufkochte. Stärker, stärker. Heißer. Immer mehr und mehr. Sie verzog sich in ihr Bett. Zog die Decke über ihren Kopf, schloss die Augen. Konnte nicht schlafen, zu viele Gedanken die ihr durch den Kopf rasten. Konnte nicht schlafen, zuviel Lärm unten. Zuviel Geschrei. Konnte nicht schlafen wegen ihrem Handy, das wieder mal aufklingelte. Guten Tag, Wolf (: Tut mir leid dass ich dir noch so spät schreibe, hoffe es macht dir nichts aus. Könntest du morgen zum Deutschunterricht deine Geschichten vortragen? – Ich würde gerne etwas illustrieren, da kommen deine Geschichten sehr gelegen. – Herr X Ihre Kehle verengte sich. Geschichten vortragen? Vor der Klasse? Sie schüttelte den Kopf, schaltete das Handy ab. Wollte nichts von all dem Unsinn hören. Die Klasse würde nur lachen, nicht verstehen – niemand verstand. Nicht einmal ihr Vater. - Aber... vielleicht... vielleicht, vielleicht... Red. Das Mädchen, an das sie nicht denken wollte – nicht an dem Tag. Sie wollte sie nicht beschmutzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)