D.Gray-Man von Owl_of_the_Arcane (Die unbekannte Geschichte) ================================================================================ Kapitel 12: Schwert und Lanze ----------------------------- Es war doch immer wieder erstaunlich, wie schnell der Alltag in das Kloster Einzug halten konnte. Vielleicht lag das aber auch daran, dass die gewohnte Routine in den Zeiten der Unsicherheit, des Bangens und der Sorge Halt und Zuversicht gab. Wie dem auch war, für die Mitarbeiter des schwarzen Ordens bedeutete dies, wie auch an jedem anderen Tag eine Menge Arbeit. Den größten Teil der Belegschaft machten die Wissenschaftler aus, die unentwegt forschten, analysierten und auswerteten. Woher sonst kam der Papierteppich, mit dem Komuis wissenschaftliches Labor zentimeterdick gepflastert war, her? Für die Exorzisten hingegen bestand der Alltag aus Training, Missionen, Bereitschaftsdienst und einem kleinen, luxuriösen Quäntchen Freizeit. Für das wichtige Training, das neben der regulären Grundausbildung auch zur Weiterentwicklung der eigenen Kampffähigkeiten beitrug, stand eigens eine geräumige Trainingshalle zur Verfügung. Diese war in mehrere Areale bzw. Arenen unterteilt und simulierte mit ihren unterschiedlichen Topographien möglichst viele verschiedene Arten von Kampfplätzen. Neben den Arenen, in denen Exorzisten gegeneinander oder gegen einen Trainingsroboter antreten konnten, gab es natürlich auch noch zwei lange Schießstände, einen mit unbeweglichen und einen mit mobilen Zielscheiben. Somit war für jeden etwas dabei, vom Anfänger bis hin zum Profi, vom Nahkämpfer bis hin zu denen, die nur aus der Distanz angreifen konnten. Jeder konnte dort nach seinen gegebenen Möglichkeiten und Fähigkeiten trainieren. Diese Möglichkeit nahm an diesem Morgen auch die kleine Gruppe rund um General Tiedoll wahr, da das jüngste Mitglied möglichst rasch den sicheren Umgang mit ihrer Innocence erlernen konnte. Von General Tiedoll angeführt betraten sie die noch um diese frühe Stunde leere Trainingshalle und suchten sich eine der leichteren, ebenen Arenen aus, sodass sich die Trainingspartner vorerst keine Gedanken um ihre Umgebung machen brauchten.. Die Anregung des strategischen Denkens, wenn man auf schwierigem Gelände kämpfen musste, würde erst um einiges später im Lehrplan folgen. „Ich will ja nicht unhöflich sein, aber wäre es nicht besser, wenn ich erstmal alleine trainiere, um überhaupt ein Gespür für meine Innocence zu bekommen…? Ich habe nämlich noch gar keine Ahnung, wie ich eigentlich von ihr Gebrauch machen soll…“, merkte die Franzosin mit unsicherem Blick auf die Kampfarena an, während ihr ein mulmiges Gefühl im Magen bereits jetzt schon etwas zu schaffen machte. Dieses Problem erhielt im Hinblick auf ihren Trainingspartner noch zusätzliches Gewicht. Marie, der große, dunkelhäutige Hüne war ihr auf Grund seiner Innocence eindeutig überlegen und ein eher ungeeigneter Trainingspartner, da er sie in sekundenschnelle mit seinen Stahlfäden „eingefangen“ hätte. Der murrende Samurai, so wie Samantha Kanda hinter dessen Rücken zu nennen pflegte, war da schon eher geeignet, da sein Innocence-Katana Mugen ihrer Lanze in punkto Kampftechnik entgegenkam. „Tch, macht sich schon in die Hosen…“, hörte sie Kanda abfällig murmeln und schenkte dem französischen Mädchen ein hämisches Grinsen, das Samantha ihm gerne aus dem hässlichen Gesicht geschlagen hätte. Mit Kanda als Trainingspartner hatte sie sich das perfekte Opfer ausgesucht, um ihre Wut, die sie nun schon mehrere Wochen mit sich herumschleppte, an ihm auszulassen. Sie scherte sich nicht wirklich darum, ob sie ihm im Zuge ihrer „Auseinandersetzung“ ein paar Schnittwunden oder Presslungen zufügte. „Das ist nicht nötig. Das kommt während des Trainings ganz von alleine. Versuch möglichst locker und entspannt zu sein, zwing es nicht herbei, sondern warte geduldig ab, bis sie ganz von alleine erscheint…“, meinte Tiedoll leichthin und setzte sich mit Marie an den Rand der Arena auf eine von mehrere Steinbänken, die für Zuschauer oder Teamkameraden bereitstanden. Der General hatte gut reden. Er musste ja nicht völlig unbewaffnet mit einem unberechenbaren, jähzornigen Samurai in den Ring steigen, um sich mit ihm zu messen. Wenig begeistert stiefelte sie mit etwas Abstand zu eben jenem zu der steinigen Arena. Der Boden bestand aus braunem, solidem Felsgestein, das nahezu eben war. Nur hier und da zeugten kleinere Vertiefungen von vorangegangenen Kämpfen. Mit einigen Metern Abstand von einander bezogen die beiden Kontrahenten Position, als wollten sie sich ein altes Westernduell liefern, nur, dass sie von keinen Revolvern Gebrauch machten, sondern von nicht minder gefährlichen Nahkampfwaffen. „Ach und Kanda, halt dich bitte etwas zurück. Samantha kommt gerade erst aus dem Krankenflügel, du brauchst die nicht gleich wieder dort einzuliefern…“, merkte der General vorher noch unbekümmert an, als würde er jediglich über das Wetter reden. Er schien sich überhaupt keine Sorgen um das Leben seines neuesten Schützlings zu machen, obwohl Kanda noch eine Rechnung mit dem Mädchen offen hatte. Normalerweise lag Kandas persönliches Niveau einfach zu hoch, als das ihn eine Beleidigung so einfach treffen konnte, doch das, was ihm Samantha auf der Feier an den Kopf geworfen hatte, war nicht ohne gewesen und hatte seinen Stolz schwer gekränkt. Jetzt sann er natürlich auf Rache, um seinen Stolz, seine Person wiederherzustellen. Ob er dafür auch über Leichen gehen würde? Nun, die Franzosin schien es jedenfalls auf einen Versuch drauf ankommen zu lassen, da sie trotz ihrer geäußerten Zweifel mit ihm in den Ring stieg. Entweder war sie verdammt mutig, oder verdammt dumm. Letzteres schien nach seiner Ansicht wahrscheinlicher zu sein. Er würde jedenfalls keine Rücksicht auf sie nehmen, nur weil sie ein Mädchen war. Es war gegenüber dem entwaffnenden Scharm des anderen Geschlechts, anders als manche seiner Kollegen, immun. Kanda taxierte seine ungeliebte Teamkollegin mit einem finsteren Blick, der auf Grund seiner hervorragenden Schulung sofort etliche offene Schachstellen an der Haltung seiner Kontrahentin feststellte. Sie stand ihm frontal gegenüber, bot ihm so die größtmöglichste Angriffsfläche, während sie sich selbst unwissentlich in der Bewegungsfreiheit einschränkte. Aus ihrer Position heraus würde sie ihre Füße erst noch in eine Ausweichstellung bringen müssen, bevor sie sich dann mit einem Sprung zur Seite aus dem Gefahrenbereich bringen konnte. Kanda hingegen fokussierte sie seitlich, den Körper so positioniert, dass seine linke Schulter zu ihr zeigte. Derartig aufgestellt, bot er am wenigsten Angriffsfläche dar und konnte durch den zurückgesetzten, rechten Fuß schnell zum Angriff beschleunigen, oder sich nach hinten zurückziehen, was aber hier wohl nicht von Nöten sein würde. Samantha war kein ernst zu nehmender Gegner für ihn, dennoch ließ er nicht zu, dass seine Konzentration deswegen nachließ, selbst wenn es unwahrscheinlich war, dass sie ihm ernsthaft Probleme bereiten könnte, war er auch für diese Eventualität gewappnet. General Tiedoll würde ihm gewiss angemessen zurechtweisen, sollte er sie bei ihrem Training schwer verletzen. Wäre es da nicht besser gewesen mit Holzschwertern zu kämpfen? Offensichtlich setzte der General auf das Bedrohungsmoment, das eine echte Waffe ausstrahlte, um in dem Mädchen den instinktiven Schutzreflex und damit ihre Innocence hervor zu locken. Mit relativ extremen Situationen konfrontiert, konnte der Mensch erstaunliche Kräfte mobilisieren, zumindest zielte wohl dahingehend der Plan des Generals. „Du bist schon tot, nur weißt du es noch nicht…“, murmelte Kanda mit unheilvoller Grabesstimme, bevor er sein gewicht leicht nach vorne verlagerte und dann mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf sie zusprintete. Im Nu hatte er die wenigen Meter bis zu seiner überraschten Kollegin zurückgelegt und ihr mit der Breitseite seines stumpfen, deaktivierten Katanas einen ordentlichen Schlag gegen den linken Oberarm versetzt, der sie mit einem mehr überraschten denn schmerzhaften Aufkeuchen zurücktaumeln ließ. Sie war gewarnt. Mit eigenen Augen hatte sie gesehen, wie schnell und gezielt er vorgegangen war, hatte am eigenen Körper erfahren, wie real und gefährlich die Bedrohung durch ihn und sein Katana war, auch wenn seine Waffe im Moment noch nicht scharf war. Vor allem das kalte, mörderische Glitzern in seinen nahezu schwarzen Augen vermittelte ihren Sinnen absolute Alarmbereitschaft. Adrenalin rauschte durch ihre Adern, schärfte ihre Sinne und spornte Herz wie Lunge zu Höchstleistungen an, entweder für Angriff oder Flucht. Im Moment konnte sie allerdings nicht anderes tun, als vor Kandas wütenden Hieben zu fliehen. Wie ein aufgescheuchtes Huhn trieb er sie vor sich her über den gesamten Platz, während sie hin und wieder einige schmerzhafte Schläge von ihm bezog. Es war aussichtslos, dass sie irgendwie gegen den gefährlichen Samurai würde bestehen können, nicht jetzt, nicht so. Das Beste, was sie tun konnte, war eine möglichst große Distanz zwischen sich und ihn zu bringen und seinen Schwerthieben so gut sie es vermochte auszuweichen. „Mugen wird aktiviert…“, murmelte Kanda mit einem mal und strich mit dem Zeigefinger seiner linken Hand über das noch stumpfe Stichblatt seiner Innocence, das mit einem Mal scharf wurde. Auf der blanken, fast schwarzen Klinge spiegelte sich nun Samanthas entsetzter Gesichtsausdruck wieder. //Das kann nicht sein Ernst sein…!// dachte sie panisch beim Anblick der blanken Klinge und war Hilfe suchend einen Blick hinüber zu der Steinbank, auf der Marie und Tiedoll saßen. Das ging doch eindeutig zu weit. Sie musste das doch auch so sehen und endlich eingreifen, oder nicht? Marie schien ein wenig beunruhigt über die Entwicklung des Kampfes zu sein. Zwar konnte er wegen seiner Erblindung nicht sehen, was sich auf dem Kampfplatz zutrug, doch dank seiner Innocence-Kopfhörer, konnte er es hören. Nichtsdestotrotz griff keiner von beiden ein, sondern warteten noch ab, ob sich das Blatt nicht vielleicht doch noch zugunsten der Franzosin wenden würde. Für den einen, kurzen Augenblick, in dem sie fatalerweise ihren gefährlichen Gegner nicht im Blick hatte, musste sie bitter büßen. Ein heißer Schmerz zog sich einmal quer über ihren linken Oberschenkel, dort wo Kandas Schwertklinge sich in kleines Stück in ihr Fleisch gesenkt hatte. Es war keine wirklich schlimme Verletzung, fast so als hätte sie sich an einem Blatt Papier geschnitten, trotzdem, oder gerade wegen dieser eher oberflächlichen Verletzung schmerzte die Wunde mehr, als es ihr eigentlich zustand. „Drehe niemals deinem Gegner den Rücken zu, noch lass ihn aus den Augen, oder du bist tot…“, zischte ihr Kanda wie eine giftige Viper entgegen, bevor er wieder etwas auf Abstand ging, um sein geschocktes Opfer zu umkreisen. Samantha war ihm völlig hilflos ausgeliefert, hatte keine Chance sich ihm und seinem Schwert zu entziehen, außer indem sie die Flucht nach hinten antrat, um den Kampfplatz wenigstens lebend zu verlassen. Aber was brachte das schon? Das nächste Mal würde es wieder genauso sein, er würde sie wieder auf diese Art und Weise in der Hand haben und wie eine Katze mit ihr spielen. Wollte sie das? Nein! Wollte sie es ändern? Aber ja! Sie wollte gegen ihn kämpfen, sich ihm gegenüber beweisen, sich selbst beweisen, dass sie stark und unabhängig war. Sie brauchte niemanden, der auf sie aufpasste, sie bemutterte und beschützte. Sie war alt genug, um alleine klar zu kommen, zumindest war sie dieser Ansicht. //Ich brauche niemanden…// hämmerte sie sich ein und fixierte ihren Kontrahenten mit einem wütenden, angriffslustigen Funkeln. So leicht würde sie jetzt nicht klein beigeben, das verbot ihr ihr eigener Stolz, ihr eigenes Selbstwertgefühl. Sie wollte ihm diesen Triumph nicht gönnen, nicht ihm, diesem arroganten Schwertkämpfer. Kanda fiel der erstaunlich Wandel, den seine Kontrahentin vollzog, auf. Der verunsicherte, verängstigte Welpe fletschte doch tatsächlich seine Milchzähne vor ihm. //Ihr Kampfgeist ist erwacht….gut, dann brauche ich mich nicht mehr zurückzuhalten…// dachte Kanda und ein leichtes, morbides Lächeln zierte seine blassen Lippen. Sie war nach wie vor unbewaffnet, somit stellte sie für ihn keine wirkliche Bedrohung dar, nichtsdestotrotz nahm er eine defensive Haltung ein und sah belustig zu, wie sie frontal auf ihn zustürmte. //Was für eine Idiotin…// dachte Kanda abfällig und konnte nicht glauben, dass er sich wirklich dazu herabgelassen hatte mit ihr zu trainieren. Allein sein Rachewunsch hatte ihn zu dieser dämlichen Idee verleitet. Der Japaner machte sich bereit, um ihr die etwas stumpfere Breitseite seines Katanas in den Bauch zu rammen und ihr so den Wind aus den Segeln zu nehmen, als das Unerwartete geschah. Wie ein Hase sprang sie kurz vor ihm zur Seite und wich so seinem Schlag gekonnt aus. Jetzt lag seine komplette linke Seite völlig deckungslos offen. Mit einem gezielten Tritt gegen den Oberkörper oder seine Kniekehlen könnte sie ein paar Punkte für sich verbuchen, doch sie tat nichts dergleichen. Stattdessen warf sie die Arme in die Höhe, als wollte sie dort etwas ergreifen und tatsächlich, als sie ihre Arme mit Schwung wieder herabfahren ließ, hielt sie eine gewaltige, rote Lanze , die einer Naginata nicht unähnlich war, in den zierlichen Händen. Nur ein beherzter Sprung zur Seite bewahrte ihn davor seinen linken Arm zu verlieren. Dort, wo er gerade eben noch gestanden hatte, steckte nun das gebogenen Stichblatt der Innocence-Lanze im felsigen Untergrund, in den es, wie ein Messer durch weiche Butter, geglitten war. Das Blatt hatte sich mit dem Erscheinen von Samanthas Innocence gewendet, doch Kanda war noch lange davon entfernt sich ernsthaft Sorgen zu machen. Er konnte eindeutig mehr Kampferfahrung und Geschick im Umgang mit seiner Waffe vorweisen, als das französische Mädchen. „So, die Mücke hat also einen Stachel…dann lass mal sehen, ob du mit diesem auch umgehen kannst…“, höhnte Kanda geringschätzig, was natürlich Samantha rasend machte. Sie war schon zu Beginn des Trainingskampfes nicht gerade bester Laune gewesen, da war es nicht sonderlich verwunderlich, dass es ihr schwer fiel bei solchen Worten ruhig zu bleiben. „Wir werden ja nachher sehen, wer hier wen verhöhnt…“, konterte sie gereizt und stürzte wieder auf ihn zu. Mit der großen Lanze hatte Samantha eindeutig die größere Reichweite, allerdings war sie nicht sonderlich gut für den absoluten Nahkampf geeignet. Wenn es Kanda gelänge unter der Lange wegzutauchen, war er dich genug heran, um, sie nahezu defensivlos anzutreffen. Es war ein Leichtes für einen Veteranen wie ihn dieses Vorhaben durchzuführen, da die Handhabung der Lanze den groben, ungelenkigen Bewegungen eines Holzfällers oder Metzgers glich. Wahllos und ungelenk stocherte sie durch die Luft, während Kanda, agil wie er war, durch ihre Defensivlinie brach und schon mit seiner Kling auf ihre rechte Schulter zielte, als er plötzlich einen heftigen Stoß in der rechten Seite verspürte, der ihn ein Stück zur Seite taumeln ließ und dabei den eigentlich nahezu harmlosen Schlag gegen die Oberseite ihrer rechten Schulter soweit ablenkte, dass die Klinge schräg nach unten geneigt in diese eindrang. Der Aufschrei ließ die beiden Gestalten auf der Steinbank aufschrecken und sofort zum Geschehen eilen. Samantha war zu Boden gestützt und hielt sich die blutende Schulter, während Kanda neben ihr kniete und versuchte sich ein Bild von der Verletzung zu machen. Kaum, dass sein Katana durch ihren Körper geglitten war, hatte er auch schon sofort wieder herausgezogen, um nachsehen zu können, wie schlimm es war. Der Japaner knirschte verärgert mit den Zähnen, als er die Verletzung, entgegen Samanthas Protest, endlich freigelegt hatte und die saubere Stichwunde betrachtete. Er hatte ihr nur einen kleinen Schnitt an der Haut zufügen wollen, so wie am Oberschenkel, doch jetzt hatte er sie ernsthaft erwischt. General Tiedoll würde ihn nachher wieder ins Gebet nehmen, auch wenn es nicht allein sein eignes Verschulden gewesen war. Mit seinem Mugen trennte er ein größeres Stoffstück von seiner Uniform ab, um es auf die Verletzung zu pressen und so die Blutung wenigstens etwas zu stillen. „Ab zum Krankenflügel…“, war alles was Tiedoll sagte und überließ es Kanda seine Teamkollegin dorthin zu bringen. Immer noch mit den Zähnen knirschend legte er sich ihren linken Arm um seine rechte Schulter während sein rechter Arm sich stützend um ihre Taille schlang. Von den beiden anderen eskortiert machten sie sich zum Krankenflügel auf, der in weiser Voraussicht nicht allzu weit von der Trainingshalle entfernt errichtet worden war. Welch ironisches Bild die beiden boten. Der allzeit jähzornige, genervte Samurai stützte seine verwundete Kameradin und erbitterte Gegnerin. Ein heftiger Konflikt tobte in dem Japaner. Er konnte das französische Mädchen absolut nicht leiden. Sie war es gewesen, die seinen Stolz auf das Schlimmste gekränkt hatte. Irgendwo in seinem Inneren war diese Lust gewesen, sich an ihr zu rächen, ihr wehzutun, doch er hatte es ihr mit ähnlichen Waffen heimzahlen wollen, mit Worten, nicht mit dem Schwert. Kanda mochte zwar meist jähzornig sein, doch er war nicht brutal. Es ging gegen sein Ehrgefühl seine Waffenstärke gegen jemand schwächeres, unterlegeneres einzusetzen. So fand er also auch keinen Gefallen an den Schmerzen, die sie offensichtlich durch ihre stark blutende Stichwunde litt. Immer noch zerknirscht gab er sie in die Obhut eines Arztes, der sich um die frische Patientin schon kümmern würde. Ein wenig zwickte ihn sein schlechtes Gewissen. Er musste sich eingestehen, dass er sie unterschätzt, sie auf die leichte Schulter genommen hatte und wegen dieser, seiner Unachtsamkeit war dieser vermeidbare Unfall geschehen. Es seufzte im Stillen und versuchte das Unangenehme auszublenden, während er den Kampf nochmals Revue passieren ließ. Ihr fehlte zwar die Finesse und das Geschick eines trainierten, erfahrenen Kämpfers, doch sie war durchaus in der Lage zu improvisieren und das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Sie war eine Mücke mit einem Stachel, der ordentlich wehtun konnte, wie ihm seine rechte Seite pochend vor Augen führte. Kanda bezweifelte nicht, dass sie, sofern man ihr vorhandenes Potential richtig förderte, eine wahre Bereicherung für die Gemeinschaft der Exorzisten werden könnte, die die Frontlinie in diesem Krieg gegen den Milleniumsgrafen ausmachte. Ungeduldig, wie genervt wartete er mit den anderen auf den Befund des Arztes. Eine knappe, halbe Stunde verging, ehe sie ihn wieder sahen. „Es besteht kein Grund zur Besorgnis. Sie hat nochmals Glück im Unglück gehabt. Die Klinge hat keine Organe beschädigt, lediglich einige größere Blutgefäße durchtrennt, doch das haben wir ohne Komplikationen wieder hinbekommen. Nichtsdestotrotz muss ich darauf bestehen, dass beim Training mehr Vorsicht geübt wird…“, gab der behandelnde Arzt nüchtern Auskunft und ließ den intensiven Blick seiner dunkelbraunen Augen bei den letzten Worten bedeutungsvoll auf dem Japaner ruhen, der sich mit einem empörten Schnauben abwandte. Es gab für ihn keinen weiteren Anlass mehr länger im Krankenflügel auszuharren. Er würde es den anderen überlassen an ihrem Bett zu wachen und ihre Hand zu halten. Was scherte ihn schon das französische Mädchen? //Nichts…// war Kandas simple Antwort darauf, als er mit wehenden Uniformrock den Krankenflügel verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)