Schlaflose Nächte von kaherashico (Narcissa & Lucius) ================================================================================ Prolog: Nicht gesucht - und doch gefunden. ------------------------------------------ Passten sie nicht perfekt zusammen? Das hatten auf ihrer Hochzeit alle verkündet, ausnahmslos. Bei den vielen entzückten Gesichtern wäre ihr fast schlecht geworden. Der beifallheischende Blick ihres Vaters hatte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Er hatte ja fast so getan, als wäre es sein großer Tag, nicht ihrer. Der Traum eines jeden Mädchens – oder besser gesagt, der Traum ihrer Eltern. Oh, sie wusste um die heimliche Angst ihrer Eltern, sie könnte genauso missraten sein wie ihre ältere Schwester. Zu einer Schande werden. Eine weitere würde dem Ansehen der Familie erheblich schaden, hatten sie doch schon alles getan, um die erste zu vertuschen. Nervös hatten sie beobachtet, wie sie älter wurde, in dieses gefährliche Alter kam, wo das andere Geschlecht plötzlich eine Rolle spielte. Natürlich wurde nie darüber gesprochen. Der Stolz lag seit Generationen in der Familie. Gefühle hatte man perfekt im Griff zu haben, öffentliche Ausbrüche wurden zum Skandal. „Führe die Tradition der Familie fort, Narcissa. Erhalte die Ehre.“ Schon als kleines Kind hatte sie das zu hören bekommen, ohne die Bedeutung zu erfassen. Heimlich hatte sie heiße Tränen der Erleichterung vergossen – als sie den Brief von Hogwarts bekam. Nicht auszudenken, wenn sie als einzige in der Familie keine Hexe war! Wie stolz war sie, als sie nach Slytherin kam – wie teilnahmslos dagegen ihre Eltern. Sie war nichts Besonderes, sondern hatte lediglich die Erwartungen erfüllt. Auch jetzt erfüllte sie ihre Erwartungen, ihre Wünsche, ihre Ansprüche. Einen Reinblütigen zu heiraten war ihr seit ihrer Geburt vorbestimmt gewesen – sie ergab sich treu ihrem Schicksal. Wie es sich für ihren Rang und Namen gehörte, war sie die Unschuld in Person, hatte sich vollkommen für ihren Zukünftigen aufgehoben. Erst hatte Bellatrix sie scharf im Auge behalten, später Lucius. Lucius. Sie hatte sich vorgenommen, ihn zu hassen. Dafür, dass sie keine Wahl hatte. Sie hatte sich vorgenommen, ihn zu ignorieren. Wenn sie erst mal verheiratet wären. Sie hatte sich vorgenommen, ihn zu verachten. Für seinen Gehorsam gegenüber Mächtigeren. Sie hatte sich vorgenommen, ihn zu enttäuschen. Indem sie Widerworte gab. Es war alles anders gekommen. Sie hatten sich nicht gesucht – und doch gefunden. Sie war erstaunt. Über sein sicheres Auftreten. Sie war fasziniert. Von seinen klugen Augen. Sie war beeindruckt. Von seiner gewählten Ausdrucksweise. Sie war verblüfft. Über seine ungeheure Ausstrahlung. Alles in allem ähnelten sie sich sehr. Waren höflich, vornehm und zurückhaltend, wie ihre Erziehung es vorschrieb. Aus alter Tradition her unsagbar reich und sehr stolz. Legten viel Wert auf Herkunft und Haltung. Blasse Haut umrahmt von blonden Haaren, stets angemessen gekleidet. Ihre Kinder würden wie kleine Engel aussehen. Davon waren selbstverständlich ebenfalls sämtliche Gäste überzeugt. Sie hatte ihn geheiratet. Weil es so arrangiert war. Sie hatte seinen Namen angenommen. Wie es sich gehörte. Sie wurde Hausherrin. Um ihre Pflicht zu erfüllen. Sie teilte sein Bett. Weil sie ihn liebte. Kapitel 1: „Lucius…“ -------------------- „Lucius…“ Sie murmelte seinen Namen im Schlaf. Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen, während er sich nahezu geräuschlos anzog. Nach einem kurzen Zögern küsste er sie auf die Stirn. Ein Fehler. Er seufzte, als sie ihm den Kopf zuwandte. „Geh nicht.“, forderte sie mit geschlossenen Augen. Statt einer Antwort erhob er sich. „Lucius!“ Schweißgebadet fuhr sie hoch und saß senkrecht im Bett. Nach einem kurzen Moment des Schreckens atmete sie erleichtert auf und ihr Herzschlag normalisierte sich. Nur ein Alptraum, rief sie sich zum wiederholten Mal in Erinnerung. Nur ein Alptraum. Trotzdem konnte die junge Frau nicht verhindern, dass ihr Körper zitterte. Ihr Blick fiel auf die leere Hälfte des Bettes. Vor ihrem geistigen Auge tauchte er auf - wieder und wieder. Umzingelt. Zurückgedrängt. Besiegt. Bestraft. Gefoltert. Tot. Es war so real, die Angst so begründet. „Lucius!“ Das bestimmte Klopfen riss sie aus ihren düsteren Gedanken. Überrascht sah sie zum Fenster – von dort war das Geräusch gekommen. Strömender Regen lief die Scheibe hinab. Mit zusammengekniffenen Augen erspähte sie wie ein großer Schatten davor aufgeregt auf und ab flatterte – eine Eule! Mit schnellen Schritten durchquerte sie das Zimmer, riss atemlos das Fenster auf. Der Waldkauz sah sie vorwurfsvoll an, ehe er auf dem Sims platznahm und sein Gefieder so heftig schüttelte, dass ihr mehrere Tropfen ins Gesicht spritzten. Die Eule schien das wohlwollend zu beobachten – Narcissa nahm davon keinerlei Notiz. Gebannt starrte sie auf die zusammengerollte Zeitung neben dem Tier. Ihre schlanken Finger wollten schon danach greifen, da spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Hand. Der Vogel hatte nach ihr gepickt! Auffordernd streckte er jetzt sein Bein aus. „Richtig, das hatte ich ja ganz vergessen“, murmelte Narcissa zerstreut, bevor sie eilig ein paar Münzen holte. Nachdem sie die in den kleinen Beutel getan hatte, erhob sich der Waldkauz, breitete erhaben seine Schwingen aus und verschwand wieder in der tiefschwarzen Nacht. Narcissa atmete einmal tief durch – und schlug die Zeitung auf. „LUCIUS!“ Ihr markerschütternder Schrei gellte durchs ganze Haus, dass die Wände wackelten. Sämtliche Familienportraits erwachten aus ihrem Tiefschlaf und bekundeten grummelnd ihren Unmut. Was hatte ihr Verwandter sich da nur für ein Weibsstück eingehandelt? Narcissa beachtete sie gar nicht, sondern schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Der Tagesprophet fiel achtlos zu Boden. Ihre blauen Augen waren vor Schreck geweitet, sie erstarrte in ihrer Bewegung. Langsam lösten sich die ersten Tränen, rannen über ihr blasses Gesicht, um unbemerkt auf die aufgeschlagene Titelseite zu tropfen. Vereinzelt verschwammen Buchstaben, doch der große Aufmacher war noch deutlich erkennbar: „ERNEUTE KONFRONTATION – ZAHLREICHE TOTE AUF BEIDEN SEITEN“ Lucius. Ihre Gedanken kreisten nur um ihn. An Schlaf war nicht zu denken. Narcissa hatte es aufgegeben, sich etwas vorzumachen. Unruhig wippte sie in dem alten Schaukelstuhl vor und zurück. Zum wiederholten Male in dieser Nacht starrte sie auf die Uhr über dem Kamin. Halb sieben. Die Zeiger bewegten sich quälend langsam – noch dazu mit diesem grässlich lauten Ticken. Nie hatte es sie so gestört wie jetzt. Sie sollte etwas tun. Sich von diesen schrecklichen Gedanken ablenken. Doch die junge Mrs Malfoy wusste genauso gut, dass es zwecklos war. „Lucius!“ Ihm galt ihr erster Gedanke, als sie das leise Knarren der schweren Tür vernahm. Hastig durchquerte sie den Raum und lief zur großen Treppe. Atemlos beugte sie sich über das Geländer und spähte suchend mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit hinab. Die riesige Eingangshalle war nur spärlich durch das hereinfallende Mondlicht erleuchtet. Weit und breit herrschte gähnende Leere. Doch dann sah sie etwas, dass ihr für einen kurzen Augenblick das Herz stehen ließ. Im Schatten ragte eine unverkennbare Kapuze hervor – die eines Todessers. „Lucius?“ Es war ein zaghaftes Flüstern, ein Hauch. Was, wenn er es nicht war? Sondern ein anderer, der ihr die schlimme Botschaft überbringen sollte? Diese bange Ungewissheit quälte sie mehr als alles andere. Narcissa versuchte, ihre aufkeimende Hoffnung zu unterdrücken und wappnete sich für das Schlimmste. Er würde nicht wollen, dass sie sich hier die Blöße gab. Ihre Schultern strafften sich, ihre Züge wurden hart. Gefühle hatte man im Griff zu haben. Schließlich trat eine Person aus dem Schatten und streifte die bedrohliche Kapuze ab. Den hellen Haarschopf, der nun zum Vorschein kam, würde sie unter tausenden wiedererkennen. „Lucius!“ Mit einem Aufschrei flog sie, gleich mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab, direkt in seine Arme. Die Maske fiel von ihr ab, hemmungslos schluchzend ließ Narcissa ihren Gefühlen freien Lauf, klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihren Mann. Dabei krallten sich ihre Finger so fest an seine Brust, dass er vor Schmerz das Gesicht verzog. Nichtsdestotrotz hielt er sie fest, küsste ihr duftendes Haar und murmelte beruhigende Worte. „Lucius…“ Erschöpft ruhte ihr Kopf an seiner Schulter. Ihre Tränen waren mit der Zeit versiegt, hatten unendlicher Dankbarkeit platzgemacht. Er lebte noch. Er war wieder bei ihr. Alles war gut. Zumindest vorerst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)