Until I lost my faith ... von moonlight_005 ([NejiTen] In Zusammenarbeit mit Knispell) ================================================================================ Kapitel 1: Teil I: Die Sache mit dem Glück ------------------------------------------ Teil I: Die Sache mit dem Glück Solange ich denken konnte, hatte mich das Pech verfolgt. Es fing schon mit meinen ersten Schritten an, die ich unbeholfen auf unseren flauschigen Teppich setzte. Natürlich musste einfach etwas schief gehen und so rannte ich bei meinem ersten Versuch gleich die nächste Blumenvase um, die mit einem herrlichen Knall in tausend Teile zerbrach. Das hätte man ja noch als ein Versehen durchgehen lassen können, aber was dann folgte, entsprach einfach nicht mehr bloßem Zufall. Als ich in die Schule kam, häuften sich die Missgeschicke und schon bald wurde ich von so ziemlich allen meiner Klassenkameraden gemieden, weil sie nicht mit dem Mädchen, das ‚ das Pech anzog’, in Berührung kommen wollten. ‚Seltsam’ war wohl das Wort, mit dem sie mich beschrieben hätten, wenn sie gefragt worden wären und vielleicht war ich das ja auch. Tenten, ein normales Mädchen mit gewöhnlichem Elternhaus, mittlerem Zensurendurchschnitt und der unheimlichen Neigung, ständig in Schwierigkeiten zu geraten. Der einzige, der mit mir befreundet sein wollte, war wohl der schrägste Typ, den es auf der Schule gab. Für meine Mitschüler keine große Verwunderung, dass sich der, in ihren Augen, durchgeknallte Rock Lee plötzlich mit mir abgab. Auf meine Frage, ob er keine Angst hatte, auch Teil meines Pechs zu werden, schaute er mich nur verblüfft an und antwortete, dass er gerade das interessant finden würde, es dadurch doch viel lustiger sei – und das war für ihn das Wichtigste: eine Herausforderung. Als er den Ausdruck ‚lustig’ gebrauchte, hätte ich ihn zwar liebend gerne ins Unglück gestürzt, doch irgendwie war ich ihm auch dankbar, dass er mich nicht wie all die anderen im Stich ließ. Wären meine Pechsträhne und meine Neigung, in den verschiedensten Situationen alles ins Chaos zu stürzen, nicht gewesen, wäre wohl alles in meinem Leben ganz normal verlaufen. Ich hätte eine schöne Kindheit gehabt, hätte erfolgreich meine Schullaufbahn durchlaufen und irgendwann einen normalen Beruf eingeschlagen. Wie gesagt... Wenn ... Mit dem Mut der Verzweiflung hatte ich mich schließlich im Karate-club angemeldet. Noch heute hatte ich all die verblüfften Augenpaare in Erinnerung, die mich so entgeistert angestarrt hatten, als wäre ich geradewegs dem Zoo entlaufen. War es denn wirklich so abwegig, dass ausgerechnet ich, die wandelnde Pechmarie, mir ein wenig Selbstbewusstsein zulegen wollte? Wohl kaum. Allerdings sagten die Blicke doch wieder etwas ganz Anderes aus. Wirklich kein schönes Gefühl und vermutlich wäre es auch besser gewesen, wenn ich all die Erniedrigungen nicht satt gehabt hätte und kurzerhand den unangefochtenen Champion unter ihnen herausgefordert hätte. Er war der Inbegriff von allem, was ich nicht war: Er war schlau, geschickt, sportlich, sah gut aus, stammte aus angesehenem Elternhaus und das Wichtigste: Es war praktisch unmöglich, dass er irgendwelche Missgeschicke fabrizierte. Der Karatelehrer, sowie all seine Schüler hatten diese äußerst merkwürdige Kampfpaarung zwar für unmöglich gehalten, aber nun hatte ich sie eines Besseren gelehrt. Zugegeben, mit dem spontanen (und ungewollten) Stolpermanöver hatte ich Neji Hyuga ganz schön aus dem Konzept gebracht, doch im Nachhinein konnte ich mich doch glücklich schätzen, nur von ihm mit aller Wucht auf die Matte geschleudert worden zu sein, danach mein letztes bisschen Stolz zusammengerafft zu haben und schließlich doch mit den Grundübungen begonnen zu haben. Wie also war es dazu gekommen, dass ich mitten auf dem Schulflur vor dem schwarzen Brett stand und auf den neuesten Aushang starrte, der den Sommerball ankündigte? So genau konnte ich das wirklich nicht sagen, aber mal ehrlich: Wollte nicht jedes Mädchen irgendwann mal ein Kleid tragen und sich in den Armen ihres Märchenprinzen im Tanz wiegen? Dumm nur, dass es bei mir weder den Märchenprinz, noch Träumereien gegeben hatte. War ich schlicht zu realistisch, oder ließ sich auch das auf mein Pech zurückführen? Ich wusste es nicht und eigentlich wollte ich auch gar nicht länger darüber nachdenken. Doch die knallbunten Schriftzüge zogen nach wie vor meine Aufmerksamkeit an und irgendwie konnte ich mich nicht recht von der Anzeige lösen. „Was starrst du denn so, Tenten?“ Zu Tode erschrocken fuhr ich herum und erblickte Sakura, die eine der wenigen war, die sich überhaupt mit mir abzugeben wagten. Dabei war ich schon sechzehn. Sechzehn! War es denn so schwer zu begreifen, dass ich nicht mehr das kleine Mädchen war, dem andauernd die merkwürdigsten Dinge passierten? Ok, das mit dem kleinen Mädchen stimmte schon, die merkwürdigen Dinge hatten sich zu meinem Leidwesen allerdings immer noch nicht eingerenkt. Ich musste längst meinen Ruf verspielt haben, falls ich je einen gehabt hatte, daher schien es umso merkwürdiger, dass sich Sakura seit neuestem trotz allem gut mit mir verstand. Vermutlich lag es an ihrer Hartnäckigkeit und der Neigung, stets das Gute im Menschen zu sehen, oder es war schlicht und ergreifend die Tatsache, dass sie Klassensprecherin war? Mir sollte es egal sein, denn sobald ich mit ihr redete, fühlte ich mich nicht mehr so als Außenseiterin. Sakura wedelte wild mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum, während ich mal wieder in meine Tagträume abgedriftet war, eine weitere Eigenschaft, die ich mir neben bissigem Sarkasmus zugelegt hatte. Die Rosahaarige beugte sich über meine Schulter und las ihre Stirn runzelnd die erste Zeile des Aushangs „Sommernachtsball? Also das hört sich ja mal wieder super an, da werde ich wieder Ewigkeiten brauchen, um Sasuke von solch einer faszinierenden Veranstaltung zu überzeugen.“ Sasuke Uchiha, schwarze Haare, ebenso schwarze Augen, ein Hang zur Selbstüberschätzung, bei den Mädchen beliebt und geliebt wie sonst keiner -und bis auf Weiteres Sakuras Freund, was er in der Öffentlichkeit ebenso entschlossen abstritt wie seine Verwandtschaft mit seinem älteren Bruder Itachi, der als Referendar meist Informatik unterrichtete. Ich hatte Sasuke nie wirklich gemocht. Er erschien mir still und ein bisschen arrogant, was ich – Gott verzeih mir – auf den Tod nicht ausstehen konnte. „Träumst du von deinem Märchenprinz, Tenten, oder warum starrst du auf dieses Plakat, als wolltest du es hypnotisieren?“ Augenblicklich wachte ich wieder auf und musste zu meiner Missbilligung die erneute Tatsache anerkennen, dass Sakura mich schon wieder dabei erwischt hatte, wie ich mir meine kleine Welt in den wildesten Farben ausmalte. „Gehst du hin?“, fragte Sakura. Verblüfft starrte ich meine Fast-Freundin an. „Mal ehrlich Sakura, kannst du dir nicht vorstellen, was für Unfälle ich da anrichten würde? Im besten Fall muss die Hälfte der Besucher ins Krankenhaus, du eingeschlossen.“ „Also nicht?“, stichelte sie weiter. „Definitiv nicht“, antwortete ich. Beleidigt zerrte sie an meinem Ärmel. „Komm schon, du kannst dich doch nicht ewig verkriechen, denk an all die süßen Kerle, die da draußen auf dich warten.“ „Sobald sie mich mit meinem Pech gesehen haben, werden sie die Flucht ergreifen“, knurrte ich. Wütend funkelte Sakura mich an- wobei ich zugegebener Maßen leicht zusammenschrumpfte und den Kopf einzog. „Herr Gott, Tenten, jetzt sei doch nicht immer so pessimistisch“ Es läutete und sie fügte leicht ungehalten hinzu: „Außerdem müssen wir jetzt zu Bio.“ Sakura zerrte mich weiter und mir blieb nur noch ein letzter Blick auf das bunte Plakat, das Vertretungspläne und angebotene Ferienjobs größtenteils verdeckte. Irgendwie machte mich der Anblick ein wenig traurig, gleichzeitig fand ich das ganze Theater absolut unnötig und den ganzen Aufwand schlicht übertrieben. Doch ein Teil von mir, vermutlich der, der immer in Träumereien abdriftete, malte sich die Szene einer Tenten im Abendkleid aus, die von einem gutaussehenden Jungen zum Tanz aufgefordert wurde und selbstverständlich passierten keinerlei Missgeschicke. Ich hielt in meinen eigenen Gedanken inne, schüttelte verächtlich den Kopf und verhöhnte mich für meine Gedankengänge. Was für einen Quatsch ich mir da nur wieder zusammenphantasiert hatte. Aber das Bild in meinem Kopf wollte nicht weichen, das war eine andere Seite an mir, die niemand je beachtet hatte und vielleicht verankerte sich das Bild gerade deswegen in meiner Vorstellung. Denn eigentlich wünschte ich mir genau das. Ich wollte nicht mehr die ewige Außenseiterin sein, der laufend merkwürdige Dinge passierten. Endlich einmal wollte auch ich auffallen, als das, was ich wirklich war. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Den Biounterricht nahm ich wie durch einen Schleier wahr, die Stimme der Lehrerin drang nur gedämpft an mein Ohr und der Sinn ihrer Worte verpuffte irgendwo auf dem Weg zu meinem Gehirn. Wenn man mich danach gefragt hätte, ich hätte nicht sagen können, was wir im Moment behandelten. Dass ich gleich noch ein Dutzend Versuchsgläser zerdeppert hatte, machte die Sache auch nicht besser und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Frau Mitarashi mich seitdem immer wieder mit ihren Blicken erdolchte. Nachdem ich dann nach einer Viertelstunde, die sich ewig hinzuziehen schien, endlich in die Pause entlassen wurde, steuerte ich direkt auf die Mensa zu. Ein rundes, aus Glas bestehendes Gebäude, in dem es in jeder Essenspause unerträglich stickig war. Ein undefinierbarer Geruch lag in der Luft, bei dem sich fast jedes Mal ein Gefühl der Übelkeit bei mir einstellte. Ich war nie wirklich dahinter gekommen, um was für eine Art Geruch es sich hier handelte. Eine Mischung aus schlechten Speiseresten, ungewaschenen Socken und faulen Eiern vielleicht, aber die Variante von fauliger Milch klang auch ganz plausibel. Angewidert drückte ich die schwere Tür auf und wie erwartet drehte sich mir fast der Magen um. Ich rümpfte meine Nase, als ich mich auf den Weg zu meinem angestammten Platz machte. Im Moment saß nur mein bester Freund Lee am Tisch, der mich heute schon irgendwie die ganze Zeit so komisch anstarrte. Ich schmiss meine Tasche in die eine Ecke und ließ mich dann erschöpft ihm gegenüber nieder. „Bio?“, fragte er ohne mich zu begrüßen. Na herrlich, das Chaos bei Mitarashi hatte sich schon so weit herumgesprochen, dass sogar er Bescheid wusste. Ich gab keine Antwort und stocherte angesäuert in meinem Essen herum, dass ich mir auf dem Weg noch schnell besorgt hatte. Lee hob eine Augenbraue, grinste dann und meinte: „Komm schon Tenten, du hast doch schon ganz andere Sachen durchgestanden.“ Dabei sah er so seltsam belustigt aus, dass es in mir zu kochen begann. Wieso hatte dieser Idiot, wenn es um Mathe ging, ein Gedächtnis wie ein Sieb und bei meinen Peinlichkeiten ein unschlagbares Erinnerungsvermögen? „Weißt du noch die Sache, als du aus Versehen deinen Baseballschläger weggeschleudert und damit Orochimaru K.O. geschlagen hast? Oder damals, die Sache mit dem Farbeimer...“ Doch wenn es darum ging, Rock Lee nicht zu beachten, dann war ich ein Meister. Ohne eine einzige Regung schnitt ich mir das angebrannte Schnitzel klein und schlang die gelbliche Pampe, die sich als Kartoffelbrei entpuppte, hinunter. Innerlich verzog ich zwar das Gesicht, aber das war jetzt irrelevant. Wichtig war einfach die Tatsache, dass ich meine Ruhe hatte. Nachdem ich die Hälfte in mich rein gestopft hatte, konnte ich einfach nicht mehr und ließ die Gabel auf den Teller fallen und verzog angeekelt meinen Mund. Nie wieder! Als ich meinen Blick wieder Lee zuwandte, hob sich automatisch eine meiner Augenbrauen. Er war in seiner Position erstarrt und starrte irgendetwas, was sich hinter mir befand, an. Wenn ich mich umgedreht hätte, dann hätte ich auch die Blicke einiger anderer Schüler bemerkt, doch momentan waren mir diese ‚anderen’ herzlich egal. Ich wollte jetzt nicht mehr an Bio denken und mir erst recht nicht irgendwelche blöden Kommentare anhören. Mit noch mieserer Stimmung schob ich den Teller weg und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Düster starrte ich auf die abgesessenen Polster, dessen Muster ich sowieso schon seit zwei Jahren satt hatte. „WAS?!“, fragte ich gereizt, als ich immer noch Lees Blick auf mir spüren konnte. „Ist auch nicht der Weltuntergang, Tenten, morgen redet keiner mehr davon.“ Anstatt zu antworten, grummelte ich etwas Unverständliches. „Was ich dich die ganze Zeit schon mal fragen wollte“, nahm Lee den Faden wieder auf, „hast du schon von dem Sommernachtsball gehört?“ „Jeder hat davon gehört“, brummte ich, „… Gehst du hin?“ „Nein“, antwortete ich. Zu meinem Pech zeigte mein angenervter Blick bei Lee allerdings nicht die geringste Wirkung. „Das wird bestimmt ein Spaß“, erklärte Lee mit unglaublich gut gelaunter Stimme. Finster funkelte ich ihn an. „Du solltest dich doch noch an die Klassenparty erinnern, oder? Ich werde mich nicht noch einmal zwingen, diese grässlichen Schuhe anzuziehen, von einem Kleid ganz zu schweigen.“ Als hätte er meine Gedanken erraten sagte Lee: „ Aber Bowle gibt es doch dieses Jahr gar nicht.“ Ich schenkte ihm einen todbringenden Blick. „Verdammt Lee, mir geht es hier ums Prinzip. Ich gehe ganz sicher nicht dahin und mache mich lächerlich, das hat gar nichts mit der verdammten Bowle zu tun“, zischte ich. Ich erinnerte mich nicht gern an diese verfluchte Party, auf der mich Sakura und Ino gezwungen hatten die höchsten Schuhe, die ich in meinem Leben gesehen hatte, auszuprobieren. Das Resultat war einfach das gewesen, dass ich mitsamt dem zuvor ausführlich ausgesuchtem Outfit stolperte und kopfüber in die Bowle gekippt war. Danach hatte ich den Rest der Zeit unglücklich auf meinem Zimmer verbracht. „Aber du musst da hingehen.“ Kurz runzelte ich die Stirn und nippte dann an meinem Orangensaft, den ich allerdings nicht als solchen erkennen konnte. „Du bist doch in Neji Hyuga verknallt.“ Beinahe hätte ich den Saft wieder ausgespuckt, doch so verschluckte ich mich nur und hustete so stark, dass Lee um den Tisch geeilt kam und mir auf den Rücken klopfte. „Was?!“, brachte ich schließlich heraus, als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen, du bist schon seit der Fünften in ihn verknallt. Genau ab dem Zeitpunkt, als du mit dem Karate angefangen hast und meintest, ihn unbedingt besiegen zu müssen.“ Ich starrte ihn nur fassungslos an. „Und dann in der Siebten, da hast du angefangen, ihm nach jedem Training hinterher zu gucken, meinst du denn, ich bin blind?“, fuhr er fort. „Ich – habe – Neji – Hyuga – nicht – hinterher – gesehen“, knurrte ich. “Aber-“„ Und – ich – bin – nicht – in – Neji – Hyuga – verliebt“, zischte ich gefährlich leise. „Natürlich bist du das“, sagte er und nickte zufrieden mit sich selbst.“ Nein, bin ich nicht!“ Allmählich wurde ich sauer, natürlich war ich nicht in den beliebtesten Typen der Schule verliebt. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich sogar nur ein kurzes ‚Hallo – Tschüss’ mit ihm gewechselt. „Ach, komm, das ist doch wohl offensichtlich, immer, wenn man seinen Namen erwähnt, wirst du rot.“ „Erzähl nicht so einen Quatsch! Ich und verliebt in Neji Hyuga?“ Fast unmerklich war meine Stimme lauter geworden und zu meinem eigenen Ärger lief ich vor Wut oder Scham – was von beidem wusste ich nicht – prompt rot an. Unangenehm berührt wurde mir bewusst, dass sich bereits einige Schüler zu uns umgedreht hatten. „Du bist verliebt?“, erklang plötzlich Sakuras Stimme hinter mir. Am liebsten wäre ich augenblicklich im Boden versunken. Das konnte ja nur mir passieren, natürlich musste Sakura genau in dem Moment vorbeikommen, in dem ich mich mit Lee in einer heftigen Diskussion über mein eigenes Pubertätsverhalten befand. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was das für mich bedeutete. Neben all ihrer unvergleichlichen Talente, hatte sie nämlich die unangenehme Angewohnheit, alles, was sie aufschnappte jedem brühwarm unter die Nase zu reiben. Tratschen war ganz eindeutig etwas, das Sakura tadellos beherrschte. „Ja, in-“ „Ach was! Das bildet sich der Typ nur ein!“, unterbrach ich den noch immer grinsenden Lee, nahm mein Tablett, murmelte etwas von nicht gemachten Hausaufgaben und trat den Rückzug an. Ich achtete nicht auf Sakuras verdutzten Blick, sondern eilte einfach weiter. Lee würde ihr seine Theorie sowieso sofort in allen Einzelheiten erläutern. Da konnte ich wirklich drauf verzichten und so wie ich Sakura kannte, würde es spätestens morgen die ganze Schule wissen. Eigentlich konnte es nicht mehr schlimmer kommen. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Zu meinem Glück hatten Lee und Sakura andere Kurse als ich und so war ich für den heutigen Tag vor ihren Sticheleien in Sicherheit. Trotzdem schien sich die Zeit eine Ewigkeit hinzuziehen. Mein einziger Trost dabei war Kakashi Hatake, mein Chemielehrer, der erst in den letzten zehn Minuten aufgekreuzte und mir somit zumindest keine Gelegenheit gab, irgendetwas in die Luft zu jagen. (Es wäre nicht das erste Mal gewesen...) Jetzt saß ich im stickigen Schulbus, in dem ich nur mit Müh und Not einen Platz gefunden hatte. Um mich herum redeten die Schüler in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, was mir auf die Dauer ganz schön auf die Nerven ging. Busfahren hatte ich schon immer verabscheut, es war laut, kostete Geld und obendrein hatte man meist keinen Platz. Düster starrte ich aus dem Fenster. Irgendwie fühlte ich mich erschöpft. Zugleich war ich aber auch eigenartig ruhig und müde? Wusste ich nicht so genau. Hochhäuser, Geschäfte und Restaurants zogen an meinem Auge vorbei, Gebäude, von denen der Putz abbröckelte, ab und zu mal ein Baum. Ich lehnte mich an den Sitz, der schon arg zersessen war und holte eine leicht zerfledderte Zeitschrift aus meiner Tasche, die ich auf dem Sitz neben mir platziert hatte. Die ersten Seiten waren mit bunt schillernder Reklame bedruckt, zwei Models, beide in ausgefallenen Klamotten, saßen auf einer Bank auf einem leeren Bahnhof. Verächtlich zog ich eine Augenbraue hoch. Immer mussten die Designer und Fotografen einem eine angeblich ‚bessere’ Welt vorgaukeln. Als ob ich nichts besseres zu tun hätte, als mir stets und ständig Kleidung zu kaufen. Ich blätterte weiter und hielt schließlich bei den Astrologieseiten, die in mysteriösem Violett gehalten waren, inne. ‚Ihr Horoskop’ Ich runzelte die Stirn, schlug dann die Zeitschrift zu und stopfte sie zurück in die Tasche. Ich glaubte nicht an diesen Hokuspokuskram, im Grunde könnte ja selbst ich mir etwas aus den Fingern saugen und es dem nächstbesten Menschen verkünden. So nach dem Motto: ‚Hallo, guten Tag. Ich muss sagen ihrer Karriere geht’s im Moment blendend, aber sie sollten vielleicht auf ihre Großmutter aufpassen, es kann nämlich sein, dass sie demnächst das Zeitliche segnet.’ Also bitte! Es war schlicht lächerlich. Warum ich mir diese Zeitschrift trotzdem kaufte wusste ich nicht. Vielleicht war das auch nur ein Verzweiflungsakt, um mich mal ein bisschen, wie sollte ich sagen, ‚weiblicher’ zu fühlen? Mit einem Rumpeln bremste der Bus ab, was die stehenden Fahrgäste allesamt nach vorne schleuderte. Quietschend hielt er an der kleinen Haltestelle, die schon mit genügend Graffiti und blöden Sprüchen versehen war. Von den Unmengen an Zigarettenkippen ganz zu schweigen. Ein paar Leute stiegen aus dem Bus aus, manche quetschen sich noch in das Gedränge bevor der Bus mit lautem Rumpeln wieder anfuhr. Grummelnd lehnte ich mich gegen das angenehm kühle Fenster. Noch drei Stationen und ich hatte endlich meine Ruhe. Eine heiße Dusche war im Moment alles, was ich wollte. Ich schweifte weiter in meine Gedanken ab und bemerkte so nicht, dass jemand auf einmal vor meinem Sitzplatz stand. „Darf ich mich setzen?“ Erschrocken sah ich auf und erkannte zu meinem Entsetzen, dass niemand anderes als Neji Hyuga mich angesprochen hatte. Ich musste ihn eine Ewigkeit angestarrt haben, bevor ich ein krächziges „Was?“ herausbrachte. „Der restliche Bus ist voll“, stellte er überflüssigerweise fest, was mich nur noch verlegener machte. „Äh ... ja natürlich“, stotterte ich, verfrachtete meine Tasche auf meinen Schoß während er sich schließlich neben mir nieder ließ. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn; die für einen Jungen eigentlich untypischen langen Haare, die ihm jedoch trotz allem hervorragend standen, seine aufrechte Haltung und die schönen geraden Hände. Verdammt, wie schaffte er es selbst in diesem überfüllten Bus so elegant rüberzukommen!? „Weißt du eigentlich, wann wir das nächste Mal Training haben?“, fragte ich mit dem tapferen Versuch, das Gespräch wieder aufzunehmen. „Es ist immer donnerstags um genau fünfzehn Uhr“, antwortete er monoton. „Ähm... ja.“ Danach sagte keiner mehr ein Wort und eine peinliche Stille trat ein, die Neji Hyuga aber in keiner Weise zu stören schien. Er schien die Wartezeit mit der Tätigkeit totzuschlagen, die anderen zu beobachten. Ich wiederum hatte mit meinen Gedanken zu kämpfen, in denen ein grinsender Lee vorkam und mir mitteilte, dass ich in meinen Sitznachbar verknallt war. Kurz warf ich ihm einen Blick zu, begegnete eine Sekunde lang dem Blick aus seinen erstaunlich hellen Augen und lief auf der Stelle knallrot an. Oh Gott, das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt himmelte ich ihn schon wie ein gestörter Teenager an. Wie alt war ich denn? Zwölf? Dreizehn? „Wenn du damit fertig bist, mich anzustarren, würde ich dir raten, auszusteigen. Das ist nämlich deine Haltestelle.“ Ich musste jetzt mindestens so aussehen wie Hinata Hyuga, wenn sie Naruto Uzumaki erblickte. In der Tat kein gutes Zeichen, denn sie war jedes Mal vor lauter Verlegenheit einer Ohnmacht nahe. Mit Erschrecken fiel mir ein, dass sie Nejis Cousine war, was mich wieder auf meine eigene Verlegenheit zurückbrachte. Peinlich berührt schaute ich Neji an. „Wie? Woher weißt du das?“ „Es steht auf deiner Busfahrkarte“, antwortete er nur. Mein Blick wanderte nach unten und ich entdeckte, dass ich meine Karte gut sichtbar in einem Fach in meiner Tasche steckte. Zerstreut schnappte ich meine Tasche und stand schwankend auf. (Der Busfahrer fuhr mit Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Kurve.) Neji, der sich vorausschauend bereits erhoben hatte, hielt sich an einer der Haltestangen fest und machte mir Platz, sodass ich aussteigen konnte. „Ähm... dann bis Donnerstag... beim Training.“ Ich sah ihn noch mal an, suchte in seinem Gesicht nach irgendetwas, das nun ja, wie sollte ich sagen, untypisch für ihn war, aber Neji hatte den leicht abweisenden, manchmal arrogant wirkenden Ausdruck, den er immer hatte. Ich war fast an der Tür und wollte aussteigen, als er noch etwas sagte. „Pass auf, dass du dich nicht schon wieder hinlegst!“ Ich wirbelte herum, starrte Neji verblüfft an, aber noch immer schien er mich nicht zu bemerken und schaute leicht desinteressiert auf die elektronische Anzeige im Bus. Ich musste es mir eingebildet haben. Neji Hyuga machte nie eine Bemerkung zu meinen Unfällen, schon gar keine ironische. Aber als sich die Türen quietschend schlossen, meinte ich, dass ein Schmunzeln seine Lippen umspielte. Zehn Minuten später kam ich zu Hause an. Ich wohnte mit meinen Eltern etwas abseits der Stadt in einem kleinen Klinkerhäuschen aus verschiedenfarbigen Steinen mit einem gepflegten Garten, in dem jetzt die unterschiedlichsten Blumen wucherten. (Meine Mutter war leidenschaftliche Gärtnerin.) Ich raffte meine Tasche und schloss dann die Tür auf. Aus dem Wohnzimmer drangen Geräusche vom Fernsehen, was wohl bedeutete, dass mein Vater wieder eine seiner heißgeliebten Gerichtssendungen verfolgte. Was daran so interessant sein sollte, hatte ich nie wirklich verstanden, war doch das Meiste sowieso gestellt. Seufzend hängte ich meine Jacke auf und machte mich auf den Weg in die Küche. Als erstes holte ich mir ein Glas aus dem Schrank und goss mir anschließend Orangensaft ein. Auf der Spüle stand noch das Geschirr vom Mittagessen, das meine Mutter wohl nicht mehr geschafft hatte zu spülen, auf dem Tisch lag ein Zettel. Bei näherem Hinsehen entpuppte er sich als eine Notiz für mich, in dem meine Mutter mir mitteilte, dass das Abendbrot im Kühlschrank stand. Schließlich fand ich nach längerem Suchen endlich die Lasagne, die in den hintersten Winkel gequetscht und liebevoll mit einem Zettel beschriftet war. Nach einigen Versuchen gelang es mir endlich, die Schüssel herauszuziehen und dann in der Mikrowelle warm zu machen. „Tenten, bist du wieder da?“, hörte ich meinen Vater aus dem Wohnzimmer rufen. „Ja! Seit einer Viertelstunde. Ist dieser Meuchelmörder jetzt endlich überführt?“, rief ich zurück. „Diese Idioten versuchen ihn zu entlasten!“, grollte er. Ich unterdrückte ein leises Lachen. „Ich esse oben was!“ „Ja, ja, du bist sicher erschöpft.“ Ein leises ‚Bing’ erklang und ich nahm zwei Topflappen, um die heiße Schüssel aus der Mikrowelle zu nehmen. Ein verführerischer Duft ging von der Lasagne aus, sodass ich schon Heißhunger bekam. Im Gegensatz zu der Pampe aus der Caféteria war das der Himmel auf Erden. Als ich oben in meinem Zimmer ankam, stellte ich zuerst das Tablett mit meinem Abendessen auf den kleinen Holztisch ab. Nach etwa zehn Minuten hatte ich alles weggeputzt, was wohl an meinem Heißhunger lag, den das Schulessen mir auf alles andere bereitete. Widerwillig kramte ich die Englischhausaufgaben aus meiner Tasche und machte mich daran, die englische Grammatik zu entziffern. Die Sonne schien durch das Fenster und tauchte das Zimmer in orangerotes Licht. Irgendwo tickte ein Wecker. Nur langsam schrieb ich ein paar Adverbien, dann fiel mir der Stift aus der Hand und ich sackte auf meinem Schreibtisch zusammen. Der Vorhang bewegte sich leicht von der Windböe, die durch das offene Fenster hereinkam. Wie lange ich geschlafen hatte, wusste ich nicht. Doch als ich erwachte, war es schon fast dunkel. Die Anstrengung des Tages musste mich so sehr erschöpft haben, dass ich prompt eingeschlafen war. Gähnend streckte ich mich. Auf Hausaufgaben hatte ich jetzt wirklich keine Lust mehr, geschweige denn auf irgendetwas anderes ‚Anstrengendes’. Müde rieb ich mir den Schlaf aus den Augen, dann richtete ich mich auf. Na klasse! Ich hatte es geschafft auf meinem Schreibtisch einzuschlafen, jetzt würde ich wieder zwei Tage Rückenschmerzen haben. Angesäuert feuerte ich meine Vokabeln in die Ecke und ließ mich dann auf mein Bett fallen. Zehn Uhr. Ich starrte an die Decke. Es war so ruhig hier, gar nicht so hektisch wie in der Schule oder im Bus. Irgendwie war mir nachdenklich zumute. Ich war doch nie nachdenklich, eigentlich lebte ich mehr oder weniger für den Moment und meistens mit einer gehörigen Portion Pessimismus. (Der allerdings berechtigt war.) Ich griff hinter mich auf das über mir hängende Bücherregal und ertastete ein in Leder gebundenes Fotoalbum. Sanft strich ich über den Umschlag, bevor das alte Buch aufklappte. Die ersten Seiten waren neu, Fotos von mir, Lee und Sakura. Manchmal in Farbe, mal schwarzweiß. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, als ich an Lee mit seiner neuen Ausrüstung dachte. Die nächsten Seiten waren eher schlicht, meist von meiner Klasse oder vom Karate. Ich hielt inne. Streckte das Album von mir weg in die Luft und betrachtete das Foto. Ich wusste gar nicht, dass ich dieses Foto besaß. Lee musste es mir heimlich zugesteckt haben, als er einen Karate-Wettbewerb fotografiert hatte. Ich blickte auf eine Fotografie von Neji Hyuga. ‚Du bist doch in Neji Hyuga verknallt’, hatte Lee gesagt. War ich verknallt? Ich dachte an die Sache im Bus und augenblicklich stieg mir die Hitze in den Kopf. Wild schüttelte ich den Kopf. Das wäre ja noch schöner, wenn ich mich in den verlieben würde – oder? Aber als ich das Bild näher ansah ... Den kühlen Blick, die aufrechte Haltung, die ihn unvergleichlich elegant erscheinen ließ ... kamen mir Zweifel. Ich hatte gedacht, ich mochte ihn nicht, hatte ihn als arrogant abgestempelt, aber jetzt... schlich sich mir der Gedanke ein, dass es da noch mehr geben musste. Irgendwo hinter der Fassade, die er so sorgsam um sich herum aufrichtete. Plötzlich hatte ich ein grellbuntes Plakat vor Augen - und die Gewissheit eines stillschweigenden Einverständnisses, dass ich mich nicht noch einmal lächerlich machen wollte. Irgendwo in meinem Kopf flammte ein Lämpchen auf und ich fasste einen Entschluss. Es war Zeit, endlich wieder an etwas zu glauben, zu vertrauen, dass es nicht nur Pech geben konnte. Kapitel 2: Teil II: Wie das Leben spielt ... -------------------------------------------- „Bist du wirklich in Neji Hyuga verknallt?“ Ungläubig starrte ich Kiba Inuzuka an, der mich ungeniert beobachtete und auf eine Antwort wartete. Zu meinem Ärger musste ich feststellen, dass ich schon wieder knallrot war. Das war jetzt schon der dritte, der meinte, mich ausquetschen zu müssen. (Hatten die Leute nichts Anderes zu tun?) Wütend knackte ich mit den Knöcheln. „Sakura?“ - „Nein, das hat Ino mir erzählt. Ich hätte nicht von dir gedacht, dass du dir gleich so einen Typen angeln willst, Tenten.“ Er lachte, während sich in meinem Kopf nur ein weiterer Gedanke einnistete. Ino Yamanaka, diejenige, der ich es zu verdanken hatte, dass ich mir beinahe die Füße gebrochen hatte. Nebenbei bemerkt, Sakuras beste Freundin, die sie in Sachen Gerüchte verbreiten noch übertraf. „Hör mir mal zu, Kiba, wenn du nicht willst, dass ich hier und jetzt einen Handkantenschlag an dir ausprobiere, verschwindest du auf der Stelle und verbreitest nicht einfach irgendwelche Gerüchte.“ „Du willst mich k.o. schlagen? Bist du sicher, dass du dir dabei nichts tust?“ Er schien sichtlich nicht beeindruckt und kümmerte sich dabei nicht um das bisschen Stolz, das mir noch geblieben war. „Ach vergiss es“, grummelte ich und ließ ihn stehen. „Also stimmt es doch“, rief er mir hinterher, aber ich beachtete ihn nicht. Die erste Stunde Mathe verbrachte ich größtenteils damit Lee zu ignorieren, ihn hilflos den Formeln zu überlassen und ihm ab und an mal böse Blicke zuzuwerfen. War er doch letztendlich an meiner Situation schuld. So gern ich diesen Idiot auch mochte, in dieser Sache war ich sehr sensibel und hasste es, wenn man sich in meine Sachen einmischte. Bei Sakura und Ino verhielt ich es genauso. Das könnte denen passen, mich erst auszuquetschen, dann in der Schule rumzuerzählen, ich sei in Neji Hyuga verknallt und dann noch Hilfe von mir erwarten. Ha! Nicht mit mir. Drei Tische weiter hatten eben diese beiden ihre Köpfe zusammengesteckt und kicherten einvernehmlich. Ab und an warfen sie mir einen vielsagenden Blick zu. Himmel war ich froh, dass Neji im Jahrgang über mir war, wenn der das mitgekriegt hätte... Moment. Wenn Ino und Sakura es rumerzählt hatten (Gestand ich mir damit nicht ein, wirklich verknallt zu sein?), konnte es dann nicht sein, dass er wusste, dass Sakura und Ino zu wissen glaubten, dass ich ihn mochte? Oh Gott... Hätte ich doch nur nicht nachgedacht... Ein Zettel landete vor meiner Nase. Mit bösem Blick auf Sakura und Ino faltete ich schließlich das Papier auseinander. Verschnörkelte Schrift stach mir entgegen, konnte nur Inos Werk sein. Hast du ihn schon gefragt? Ich beschloss mich dumm zu stellen und kritzelte ein ‚Wen?’ zurück, zielte und traf Sakura am Ohr. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich Antwort bekam. Das weißt du ganz genau, Tenten! Was ist jetzt mit Neji? Gehst du mit ihm auf den Ball? Ohne eine Antwort zu schreiben, knüllte ich den Fetzen zusammen und zielte über meinen Hinterkopf auf Inos Gesicht. Dabei hatte ich allerdings nicht bemerkt, dass Asuma gerade Sakuras Lösungen nachrechnete. Es kam, wie es kommen musste, ich traf ihn am Kopf, während er den Wisch mit Leichtigkeit auffing und überflog. Er schürzte die Lippen und blickte mich dann durchdringend an. „Ich finde es zwar sehr interessant zu lesen, wie der Sommerball bei euch ankommt, doch muss ich dich dennoch bitten, nicht während meines Unterrichts die Frage zu beratschlagen, ob du Neji Hyuga um ein Date bitten möchtest, Tenten.“ Die Klasse indes stimmte in lautes Getuschel und Gelächter ein, während ich auf meinem Stuhl so klein wie möglich machte. Ich schwöre, ich wäre am liebsten in der Erde versunken. Wie ich die letzte halbe Stunde überstanden hatte, konnte ich mir später nicht erklären. Wahrscheinlich war es die Tatsache, dass ich Karate machte und meine Mitschüler sich deshalb den Rest der Stunde nur auf Flüstereien und Gekicher beschränkten. Das Klingeln war nach dieser mentalen Folter das schönste Geräusch auf Erden für mich. Ich glaube, so schnell habe ich noch niemals zuvor einen Klassenraum verlassen. Ich rannte in einem Höllentempo die Gänge entlang, rempelte im Vorbeigehen ein paar Erstklässler an und hielt erst inne, als ich vollkommen erschöpft an meinem Spind ankam. Schnaufend lehnte ich mich gegen die leicht lädierte Tür (irgendwie hatte ich es fertig gebracht, einen Putzwagen dagegen zu donnern) und kramte in meiner Tasche nach dem Schlüssel. Nachdem ich beinahe die Hälfte des Inhalts hinaus befördert hatte, fand ich endlich das Gesuchte, drückte mich von der Tür weg – und erstarrte. Irgendjemand hatte in knallpinken Buchstaben die Aufschrift Tenten liebt Neji quer über die Tür geschmiert. Blitzschnell holte ich mir die benötigten Bücher für die nächsten Fächer heraus, stopfte dann meinen Mathekram in den überfüllten unordentlichen Spind und knallte die Tür zu. Wenn ich diesen Mistkerl erwischen würde, der mir diese Schmach bereitet hatte... Mit noch mieserer Laune schlurfte ich die Gänge entlang. Ungeachtet der Tatsache, dass ich sowieso nirgendwo hinlief, da es Gott sei dank immer noch Pause war. Ganz meiner Absicht nach befand sich niemand mehr auf den Fluren und so hatte ich erst mal meine Ruhe. Außerdem war ich nicht ganz sicher, ob noch jemand es überleben würde, der in Zusammenhang mit mir Neji Hyuga erwähnte. In Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich nicht mehr ganz so allein war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Abrupt blieb ich stehen, als ich Neji (höchstpersönlich! Oh Gott!) und Hinata Hyuga aus einem leeren Klassenzimmer kommen sah. Das schüchterne Mädchen schien mich nicht zu bemerken und flüsterte eindringlich auf Neji ein, den das aber völlig kalt zu lassen schien. Mein Herz machte einen Sprung. Sollte ich ihn jetzt fragen? Ich starrte ihn weiterhin an und kam zu keinem Ergebnis. Tu es! Er würde mich für verrückt erklären. Ich konnte ihn doch nicht fragen, wenn seine Cousine dabei war. Tu es jetzt! Ich würde mich lächerlich machen und höchstwahrscheinlich würde ich Neji schon bei dem Versuch, mit ihm zu reden skalpieren. Jetzt! sagte die hinterhältige Stimme in meinem Kopf. Nein. Nein! Das konnte ich nicht tun. Das konnte ich wirklich nicht tun! Oder konnte ich es doch? Unsicher tat ich einen Schritt, dann noch einen. Jetzt konnte ich schon deutlicher verstehen, worum sich das Gespräch handelte. „Neji, das ist wichtig. Du kannst dich nicht einfach davor drücken!“, hörte ich Hinata sagen. Leise erwiderte Neji etwas, doch ich konnte es nicht verstehen. Jetzt befanden sich nicht mal mehr fünf Meter zwischen uns. Hatte Neji vergessen, was im Bus geschehen war? Verdammt, ich konnte das nicht! Andererseits konnte so viel Schlimmes auch gar nicht passieren. Wovor hatte ich also Angst? Ich hatte es mir doch vorgenommen... Neuen Mutes ging ich gerade heraus auf Neji und Hinata zu, die mich noch immer nicht zu bemerken schienen. Ein Schritt, dann noch einer. Ich versuchte so lässig wie möglich zu wirken, aber es schien mir, als müsse Neji das Gehämmer meines Herzen schon auf drei Kilometer Entfernung hören können. Jetzt oder nie! Ich holte tief Luft, doch kaum, dass ich den Mund aufgemacht hatte, spürte ich wie sich ein kalter Schauer über mich ergoss und ein Eimer hart auf meinem Kopf landete. Ich ging sofort völlig k.o. zu Boden und sah aus den Augenwinkeln, wie Naruto schuldbewusst von einer Leiter kletterte, die er an die Tür des Kunstraumes gelehnt hatte, und sich mit einem leisen ‚Ups’ aus dem Staub machte. Der Krach hatte nun auch Nejis und Hinatas Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sie blickten erstaunt auf das Häufchen Elend, das ich war. Ich hatte keine Ahnung, was für eine Art Streich Naruto einem der Lehrer spielen wollte, aber jetzt war mir so ziemlich alles egal. Vergessen waren meine Fast – hätte – ich – Neji Hyuga – nach – einem – Date – gefragt Gedanken, ebenso wie die Schmierereien auf meinem Spind und die peinliche Angelegenheit mit dem kleinen Briefwechsel á la Sakura und Ino. In meinem Funksystem war nur noch das Wort ‚Rache’ einprogrammiert, das darauf aus war dem Unruhestifter so gründlich auseinander zu nehmen, dass er mindestens eine Woche nicht mehr Sitzen konnte. Ohne einen Ton von mir zu geben stand ich blitzschnell auf, nicht darauf achtend, dass mir die Klamotten am Körper klebten und ich wie ein begossener Pudel aussehen musste. In der Ferne erkannte ich wie Narutos Silhouette hinter der nächsten Ecke verschwand. Stinksauer setzte ich zu einem Sprint an, verkannte allerdings den nassen Boden, den die Putzfrauen zu meinem Entsetzen spiegelglatt poliert hatten und verlor das Gleichgewicht. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich nur noch wie Neji sich mit einem leichten Zucken seiner Mundwinkel umwandte und in der entgegengesetzten Richtung verschwand. Hatte ich gedacht, es könnte nicht schlimmer kommen? Nun, in diesem Moment musste ich feststellen, dass ich vollkommen daneben gelegen hatte. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Ich war hoffnungslos verloren. Das hatte ich schon vor einiger Zeit festgestellt, und im Moment war es mir wieder völlig klar. Meine tollpatschige Art stand mir im Weg - wortwörtlich. Eigentlich versuchte ich, das Ganze nicht zu eng zu sehen und immer weiter zu machen, egal was kam und wie ich mich dabei präsentierte, denn ich hätte mich längst daran gewöhnen müssen, negativ und zur Belustigung anderer im Mittelpunkt zu stehen. Doch leider war das nicht der Fall, was so viel hieß wie: Pech gehabt. In der Regel gab es viele Zeugen, die sich später in aller Ruhe über mich lustig machen konnten und schon des Öfteren war ich das Gesprächsthema Nummer Eins in der Schule, zumindest neben der abwegigen Schwärmerei für die Herren Hyuga und Uchiha, die ich nicht verstehen konnte. Und wie immer benahm ich mich wie ein Vollidiot, wenn es darum ging, etwas richtig zu machen. Dabei war es nicht einmal meine Schuld, dass ich dastand wie der letzte Depp. Immer, wenn ich einen Versuch unternahm, Neji zu fragen, kam mir irgendjemand dazwischen, fast jedes Mal Lee oder Naruto und meist endete alles in einer peinlichen Situation für mich. Wie könnte es auch anders sein? Einmal zum Beispiel (nach minutenlangem Selbstaufbauen) hatte ich mich endlich dazu durchgerungen, Neji in der Mensa, die sich nach dem Essen geleert hatte(Was zur Folge hatte, dass sich nur noch wenige Schüler hier befanden), anzusprechen. Fest entschlossen stiefelte ich also auf Nejis Tisch zu, der am anderen Ende des großen Saals lag. (Wie konnte es anders sein?) Dummerweise bemerkte ich Naruto nicht, der mal wieder zu spät kam und in halsbrecherischem Tempo sein vollbeladenes Tablett quer durch den Saal balancierte. Auf halbem Weg trafen wir aufeinander, er in Vorfreude auf sein Essen starrend und ich völlig entschlossen und nicht auf meine Umgebung achtend. Es kam wie es kommen musste. Ich bekam die volle Breitseite und hatte seine heißgeliebte, unangerührte Mahlzeit im Gesicht, wohlgemerkt war es wieder die Pampe, die sie uns hier als Essen verkaufen wollten. Da saß ich nun völlig perplex auf dem Boden und bemerkte die Stille um mich herum, die schwer auf mir lastete und mir wurde klar, dass ich mich mal wieder zum Gespött der Schule gemacht hatte. Ein paar Sekunden vergingen, dann brachen die meisten Anwesenden in Gelächter aus, nur Naruto sah mit Bedauern auf mich herunter, dann wurde sein Blick mürrisch und seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Im ersten Moment hatte ich tatsächlich den Eindruck, als trauere er dem Essen nach und dachte nicht an die Tatsache, dass er mich gefälligst untertänigst um Vergebung für meine erneute Blamage bitten sollte. (Nicht, dass ich das erwartet hätte.) Im zweiten schaffte er es sogar, ein schuldbewusstes Grinsen hinzulegen. (Was meine Wut nicht trübte – im Gegenteil). „Du?, begann er, doch ich unterbrach ihn. „Naruto, wenn du es jetzt wagen solltest, irgendetwas zu sagen, dann schlage ich dir die Rübe zusammen, hast du verstanden?“, drohte ich Furcht erregend leise und es sah einen Augenblick so aus, als hätte er wirklich Angst vor mir, doch dann fing er sich wieder und lächelte wie immer. „Aber nicht doch, Tenten, ich war ja selbst schuld“, lachte er und drehte sich verdächtig schnell um und verschwand mit großen Schritten. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gedacht, er wollte vor mir davonlaufen. Langsam drehte ich mich um und bemerkte, dass die meisten sich schon wieder abgewandt hatten und hinauseilten, um die frohe Kunde zu verbreiten. Dann streifte mein Blick den Hyuga und abermals fiel mir das leichte Zucken seiner Mundwinkel auf, doch kurz darauf blickte er typisch cool wie immer drein und ich stempelte es als pure Einbildung ab. Doch es sollte eben nicht das einzige Mal sein, dass meine Pläne vereitelt wurden und das alles in der Gegenwart meines unerreichbaren Ziels, wie ich Neji inzwischen gedanklich nannte. Ich war tollpatschig und die Lage hoffnungslos, doch das sollte nicht heißen, dass ich aufgeben würde, nie und nimmer. Das lag einfach nicht in meiner Natur, obwohl es nun schon auf mich wie eine attraktive Alternative wirkte. Und nein, nicht einmal die Sache vor dem Klo oder die Anspielung Sakuras im Musikunterricht (wohlgemerkt in Gegenwart Neji Hyugas) konnten mich aufhalten. Gut nach der Sache im Hauswirtschaftskurs, die damit geendet hatte, dass eine bedrohlich lange Klinge Millimeter an Nejis rechtem Ohr vorbeigeschrammt war, hätte ich mir eigentlich mal Gedanken machen sollen. Aber mit einem guten Willen und einer großen Menge Verzweiflung hatte ich noch immer nicht aufgegeben. Schließlich ging ich das Ganze logisch an. Es gab im Prinzip nur eine Handvoll Gelegenheiten, die ich nutzen konnte. Während der Busfahrt – kam mir etwas komisch vor, wenn die anderen mich alle anglotzen, außerdem hatte ich die Gelegenheit bereits verspielt - bei Gruppeneinteilungen – sehr wahrscheinlich, dass ich mit Neji in eine Gruppe kommen würde – ... und nach dem Karatetraining. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die Zeiger meiner Armbanduhr zeigten exakt Sechzehn Uhr Fünfundvierzig an, als ich mir nervös und verschwitzt das weiße Karatehemd über den Kopf zog. Die meisten anderen waren schon gegangen, aber um sicher zu sein, diesmal allein mit Neji sprechen zu können, trödelte ich lieber noch ein wenig herum. Die nächsten fünf Minuten kamen mir wie eine Ewigkeit vor, dabei hatte ich in dieser Zeitspanne lediglich mit zittrigen Fingern meine Sachen in meine Sporttasche gestopft. Aus der Ferne hörte ich, wie es ein paar Mal schellte, aber ich nahm es nur als undeutliches Geräusch wahr. Die kahlen Wände verwandelten meine momentane Gefühlslage auch nicht gerade in Wohlbehagen und bevor ich mich versah, fröstelte ich in dem eigentlich recht warmen Raum. Zitternd stand ich auf. Nie hatte ich gedacht, jemals so nervös zu sein. Das letzte Mal war es vermutlich so schlimm gewesen, als ich das Pech hatte, von Jiraiya, dem vertretenden Biologielehrer, ein Referat über die menschliche Sexualität aufgebrummt zu kriegen. Aber das hier tat ich aus freien Stücken und war damit doppelt so schlimm. Quietschend öffnete sich die Tür, die dringend mal geölt werden musste, und ich trat ins Freie. Noch einmal holte ich tief Luft und versuchte dann so lässig wie möglich nach dem ungeschlagenen Champion Ausschau zu halten. Ich wartete. Fünf Minuten. Zehn. Eine Viertelstunde. Allmählich brach mir der Schweiß aus und von der anfänglichen Motivation war nicht mehr gerade viel übrig geblieben. Ich wollte schon aufgeben, da entdeckte ich Sai und Neji, die langsam nebeneinander herschlenderten und sich über verschiedene Angriffstechniken beim Karate austauschten. Sai war neu an der Schule, ein hochbegabter Schüler, zwar ein bisschen wortkarg, aber manchmal hatte er eine fiese Bemerkung auf den Lippen, die ich wohlgemerkt jetzt überhaupt nicht gebrauchen konnte. Sofort nach seinem Eintritt, war er in die Karatetruppe gewechselt und hatte sich dort als Nejis erfolgversprechendster Rivale herausgestellt. Nach ausführlichem Nachdenken – in der Zwischenzeit war ich beiden unauffällig gefolgt – kam ich zu dem Schluss, dass ich es schlicht riskieren musste – Und gleichzeitig beten, dass Sai diesmal vielleicht so was wie Mitleid mit mir hatte. Mein Körper begann zu beben und die Anspannung kroch mir bis in die Fingerspitzen, bis ich so nervös war, dass ich kaum noch gehen konnte. Im gleichen Moment verabschiedeten sich beide – Neji mit einem einfachen Zunicken und Sai mit einem Schulterklopfer, der Neji ganz offensichtlich nicht so ganz behagte. Wie aus einem anderen Blickwinkel sah ich, wie Sai sich langsam entfernte, Neji sich an den Maschendrahtzaun lehnte und einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm. Eine ganze Weile beobachtete ich ihn und schließlich erkannte ich in diesem Augenblick meine einzige Chance. „Also gut, was willst du von mir?“ Zu Tode erschrocken zuckte ich zusammen und blickte ihn zögernd an. Neji hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich da war und ihn beobachtete. Die Flasche noch in der Hand war sein Blick auf mich gerichtet. Das Ganze musste nicht mal eine Minute gedauert haben, da drehte er sich um und ging. Ich war mir nicht ganz sicher, ob seine vorherige Aussage nun als Frage verstanden werden sollte und mir damit die Gelegenheit auf ein Gespräch gab – oder eine ganz einfachere Abfuhr war. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass er mich an Ort und Stelle stehen lassen würde, sollte ich ihn weiterhin stumm wie ein Fisch anstarren. „Warte!“ Er drehte sich um und sah mich unbewegt an, als ich schwieg, hob er eine Augenbraue. „Also?“ Diese Aussage ließ mich merklich schlucken. Wenn es schon so begann, sollte ich dann überhaupt fragen? „Ähm… i-ich…“, stammelte ich, um Zeit zu schinden. Ungewohnt ruhig, fast abwartend betrachtete er mich. „Was willst du?“, fragte er, als ich nichts über meine Lippen bringen konnte. Es entstand eine Pause des Schweigens, in der ich immer wieder verlegen versuchte Blickkontakt aufzubauen. Ungeduldig zuckten seine Mundwinkel und machten mir unmissverständlich klar, dass er nicht ewig warten würde. „Ich, also ... ich wollte dich fragen, ob du mit mir zum Sommerball gehst.“ Verlegene Stille bereitete sich zwischen uns aus. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte und wartete mit Herzklopfen auf seine Antwort. Er hingegen schien kurz zu überlegen, sagte weiter nichts und kniff die Lippen aufeinander. Wo ich so darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich wahrscheinlich nicht die einzige war, die ihn gefragt hatte. Kurz drehte er den Kopf noch mal zu mir, dann ging er weiter. „Nein“, war seine schlichte Antwort auf die Frage, die mich so viel Überwindung gekostet hatte. Die ganze Spannung der letzten Wochen fiel von mir ab und ich sank wie ein Häufchen Elend an Ort und Stelle zusammen. Während mir eine Träne die Wange herunterrann, beobachtete ich wie Nejis Silhouette langsam hinter der nächsten Ecke verschwand. Es sollte also nicht sein. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Er blätterte eine Seite um und starrte auf die klein gedruckte Schrift, die er jetzt schon geschlagene drei Stunden sehen musste. Steuerhefter und Kundenakten lagen fein säuberlich gestapelt vor ihm, während sich auf seiner linken Seite ein riesiger ungeordneter verbleibender Berg befand. Wütend starrte Neji auf einen Vertrag. Nur weil sein Onkel ein riesiges Unternehmen aufgebaut hatte, das mit großangelegtem Autohandel eine Menge Profit einbrachte, hielt er es für nötig, ihn in die Geschäftswelt einzuführen, wie er es nannte. Warum er das gleiche nicht bei seinen Töchtern machte, blieb ihm schleierhaft, aber vermutlich lag es daran, dass Hiashi Hyuga selbst keine männlichen Nachkommen hatte und er, Neji, der nächstliegende Verwandte war. Der Sohn seines verstorbenen Bruders. Entgegen dessen, was Hiashi vermutete, wusste Neji schon lange, was all diese unnötigen Stunden zu bedeuten hatten. Das Familienoberhaupt wollte einen Nachfolger bestimmen. Einen männlichen Nachfolger, der das Unternehmen auf seine Art und Weise, nach seinen Vorstellungen führen sollte. Dabei duldete er weder Einmischung noch Einwände von außerhalb. Die Autofirma war seit Generationen im Besitz der Hyuga-Familie und genoss ein sehr hohes Ansehen, das auf ihre Machtposition am Automarkt zurückzuführen war. Eine Macht, die Hiashi ohne zu Zögern ausnutzte, wenn er es musste. Selbst seine Cousine Hinata war nicht so blind, dass sie es nicht mitbekommen hatte. Sie wusste, dass ihr Vater ihn zu seinem Erben bestimmen wollte, was der Grund war, dass sie ihn abgefangen und auf ihn eingeredet hatte. Er konnte ehrlich nicht ganz verstehen, warum ausgerechnet sie sich darüber Gedanken machte, ob er zu dem kommenden Treffen auftauchte, oder nicht. Schließlich überging ihr Vater doch gerade sie, was das Erbe in seiner Familie betraf. Neji machte sich nichts vor. Sein Onkel hielt seine älteste Tochter für ungeeignet und Hanabi war einfach noch zu jung, um mit diesem enormen Druck umzugehen. Er hingegen war ein Jahr älter als Hinata und mit einem Talent der Führungskraft gesegnet, das von Nöten war, wenn er eine Chefposition einnehmen sollte. Der Schwarzhaarige legte die Akte zur Seite. Hinata hatte unterschwellig angedeutet, dass das kommende Geschäftsessen unter anderem dazu diente, den höheren Geschäftskreisen mitzuteilen, wer in Zukunft die Hyuga-Corporation führen würde. Genau das war der Grund, weshalb er sich nach Kräften gewehrt hatte. Seine Cousine wäre wohl noch deutlicher geworden, wenn sie in eben diesem Moment nicht Naruto Uzumaki und Tenten unterbrochen hätten. Neji runzelte die Stirn. Er wurde aus diesem Mädchen einfach nicht schlau. Sie war vollkommen durchschnittlich, hatte allerdings ein Talent, in Schwierigkeiten zu geraten. In der letzten Woche, wenn er genau mitgezählt hatte, waren ihr sage und schreibe zwölf ‚Unfälle’ passiert, die alle irgendwie in seiner Nähe stattgefunden hatten. Es hätte ihn wahrscheinlich auch nicht gekümmert, wenn nicht die Gerüchte angefangen hätten. Angeblich war Tenten, das erste Mädchen, das ihn je im Karate herausgefordert hatte, in ihn verliebt. Er hätte es nicht geglaubt, doch ihr Verhalten sprach Bände. Warum hätte sie ihn sonst gefragt, ob er mit ihr auf diesen Ball gehen wollte? Wie dreizehn andere vor ihr. Und allen hatte er dieselbe Antwort gegeben. Nein ... Aber sie war anders. Sie war nicht so wie die meisten Mädchen, sie kämpfte gegen etwas an und war nicht bereit aufzugeben. Warum kämpfte sie? Es war ihr klar gewesen, dass er ablehnen würde, warum hatte sie es trotzdem versucht? Auf den ersten Blick wirkte sie leicht zu durchschauen, aber als er jetzt über sie nachdachte, wurde ihm klar, dass sich bei ihr viel mehr hinter ihrer Fassade versteckte als man ahnen würde. Sie war ihm in so vielen verschiedenen Sachen so unähnlich wie es nur sein konnte, ohne, dass er bemerkt hatte, dass auch sie mit Dingen zu kämpfen hatte. Neji schob den Verwaltungskram von sich und stand auf. Er brauchte jetzt mal Zeit, um nachzudenken. Eilig kritzelte er einen Zettel für seinen Onkel und verließ dann den Raum. Die Sonne strahlte durch das Blätterdach des Parks, auf dessen Wegen er dahin schlenderte. Die sommerlichen Temperaturen taten ein Weiteres, um viele Menschen hierher zu locken, was ihm nicht wirklich behagte. Menschenversammlungen hatte er schon immer gehasst. Es machte irgendwie so gefangen. Man musste in Rollen schlüpfen und versteckte sich hinter einem Bild, das man nicht war. Er wollte sich nicht fangen lassen, er wollte sein eigenes Leben, keines, das man ihm vor die Füße warf. Und sein Onkel war kurz davor, ihn in einen Käfig zu sperren. Neji ging weiter. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen, als er einen abgeschiedeneren Weg einschlug. Die Blumenbeete waren sorgfältig arrangiert und gepflegt. Es gab Bänke, die zum Ausruhe einluden und an manchen Stellen waren bunte Informationsschilder angebracht, die auf besondere Vogelarten aufmerksam machen sollten. Eigentlich war dies ein Ort, den er sonst in jeglicher Hinsicht gemieden hätte. Neji sah ihn, bevor er registrierte, dass er da war. Augenblicklich drehte er sich um. Den konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Doch bevor er es verhindern konnte, hatte Rock Lee den Kopf gehoben und ihn entdeckt. Er hielt kurz in seinem Ausdauerlauf inne und steuerte dann auf ihn zu. „Hey!“ Neji hielt inne. “Was willst du?” Verärgert verschränkte Lee die Arme, als er schließlich vor Neji zum Stehen kam. Er hatte da so eine leise Ahnung, was Lee wollte. „Oh, da gibt es Einiges. Aber vor allem will ich wissen, was du mit Tenten-chan gemacht hast.“ Innerlich verdrehte er die Augen, hatte er es doch gewusst. „Wusstest du, dass sie die Schule geschwänzt hat und sich unter dem Vorwand einer Erkältung in ihrem Zimmer verbarrikadiert.“ Lee holte Luft: „Und ich bin mir sicher, dass du schuld bist!“ „Was habe ich damit zu tun, dass sie krank ist und nicht aus ihrem Zimmer kommt? Was geht dich das überhaupt an?“ Lee stemmte die Arme in die Seite und starrte ihn vor Wut blinzelnd an: „Ganz einfach, Hyuga, sie hat zwei Wochen versucht, dich um dieses verdammte Date zu bitten und dann vergisst sie auf einmal, dass sie mir donnerstags immer Mathenachhilfe gibt? Ich bin nicht blöd, weißt du!“ Darauf wusste Neji nichts mehr zu sagen. Doch Lee war noch nicht fertig. „Immer wird Tenten nur als dieses vom Unheil verfolgte Mädchen gesehen. Hat sich eigentlich mal einer die Mühe gemacht, einfach ganz normal mit ihr zu reden? Du bist so ziemlich alles, was sie sein wollte, sie hat dich bewundert seit sie in der Siebten war. Und endlich traut sie sich mal etwas. Entgegen dessen, was alle anderen denken und du lehnst einfach ab ohne mal nachzudenken. Hast du dir vielleicht mal überlegt, dass du ihr damit mehr wehtust als mit dieser ganzen Heuchelei?“ Lee hatte sich so in Rage geredet, dass er schwer atmen musste, Neji aber immer noch vor Wut fixierte. Halb zu ihm gedreht hatte Neji Lees Vorwürfe ohne ein Wort über sich ergehen lassen. Aber irgendwo unter all den Beschuldigungen regte sich sein Gewissen. „Nein“, sagte er ehrlich. Lee schnaubte wütend. „Vielleicht wäre es besser, du würdest mal dein Hirn einschalten, Hyuga, ich lasse es nicht zu, dass du meine beste Freundin verletzt. Denk mal darüber nach!“ Mit einem filmreifen Abgang ließ Lee Neji an Ort und Stelle stehen. Der junge Hyuga starrte Lee nach. Eigentlich war er hierher gekommen, um in Ruhe über seine Zukunft nachzudenken. Aber es war ganz anders gekommen. Lee hatte ihn überrumpelt mit seiner aufbrausenden Art, er hatte etwas in ihm angerührt, das er fast vergessen hatte. Es war Zeit nachzudenken über das, was richtig und falsch war. Über sich selbst und über das, was er tun wollte. Er wollte über sie nachdenken und über das, was man aus ihm machen wollte, denn beides hing so eng zusammen, dass es nur eins geben konnte. Er musste sich entscheiden... Kapitel 3: Teil III: Über das Mögliche hinaus --------------------------------------------- Ich hatte mich nach einer unendlich langen Woche wieder aufgerafft und mich zur Schule geschleppt. Äußerlich sah ich aus wie immer, doch in meinem Inneren hielt der Schmerz weiterhin seine Stellung, was mich nun wirklich nicht wunderte. Aber hatte ich es nicht eigentlich irgendwie geahnt? Klar hatte ich das, doch immerhin hatte ich es versucht. Entweder war ich zu blind, um zu erkennen, dass ich wirklich, ich meine wirklich, komisch und anders war oder Hyuga und alle anderen waren einfach zu oberflächlich. Natürlich waren sie das! Immer konnte ich ja nicht schuld sein. Sie schauten einfach nicht genauer hin, machten sich nicht die Mühe, unter die Schale eines Menschen zu sehen und seinen wahren Kern zu erblicken. Tja, oder sie waren schlicht und einfach ignorant und desinteressiert. Hmm… oder beides… Ach! Was zerbrach ich mir eigentlich den Kopf über so was? Die ungeschminkte und schmucklose Tatsache war, dass er mich abserviert und (wahrscheinlich wusste schon die halbe Schule darüber Bescheid) einfach stehen gelassen hatte. Sollte ich je den Mut fassen, ihm noch mal unter die Augen zu treten, wäre die Verlockung, ihm den Hals umzudrehen, vielleicht doch ganz verlockend … Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sich ein hibbeliger Rock Lee auf mich warf und zu Boden riss. Toll. Da hatten wir es mal wieder. Mein Leben war schlichtweg im Eimer. Ich blickte auf und entdeckte Sakura, die mich breit angrinste und Sasuke hinter sich herzog, der ein wenig, aber wirklich nur ein bisschen, bedeppert auf den vor Freude in Tränen ausbrechenden Lee hinunter sah. Er würde es natürlich niemals zugeben, schließlich war er ja cool. Dachte er zumindest. Gedanklich hüstelte ich. Selbstredend ignorierte ich Lee, der mir die Ohren voll jammerte, was für Sorgen er sich gemacht habe, da ich es schlichtweg nicht für nötig gehalten hatte, mich bei ihm zu melden. Wen wunderte es, dachte ich sarkastisch. Würde er sich aufraffen und zum Telefon kriechen, wenn er total am Boden war, weil ihn ein Kerl versetzt hatte? Nein würde er nicht! Ha! Moment… von einem Kerl? Uhh… Igitt… Ich verzog unwillkürlich mein Gesicht und war wieder völlig mit den Gedanken abgedriftet. „-ten…!“ Wirklich gruselig die Vorstellung… Als ob Lee es mit einem Kerl… Moment…Hatte er mir nicht vor ein paar Wochen (natürlich hatte ich ihm nicht wirklich zugehört) vorgeschwärmt, wie toll Gaara in seinem neuen Sportzeug aussah und wie unglaublich gut sein Hintern zur Geltung kam? Mein linkes Augenlid begann unwillkürlich zu zucken. „Tenten!“ Und ich hatte gedacht, er wollte mich aufheitern, dabei hatte er mir von seinem Schwarm erzählt?! Uh… Mir wurde auf der Stelle übel, denn das bedeutete, dass Lee… „Du bist schwul?!“, schrie ich ihn an und blickte ihm unglaubwürdig in die Augen. Alle im Umkreis von 50 Metern sahen mich in diesem Moment an, hielten in ihren Gesprächen inne und betrachteten gespannt das Geschehen, doch das ignorierte ich gekonnt. (Darin hatte ich schließlich genug Übung) Sakura hob eine Augenbraue und Sasuke warf einen Blick auf Rock Lee. Dann trat er unauffällig zwei Schritte von ihm weg. „Was redest du da?“, kam es von Lee, der mich besorgt musterte. (Dachte wahrscheinlich ich hätte Halluzinationen…) „Aber du hast doch neulich…“, stammelte ich (knallrot von der Tatsache von der halben Schule gemustert zu werden). „Du weißt doch ganz genau, dass meine Liebe aussichtslos ist.“ Er warf Sasuke einen bitterbösen Blick zu, der diesen in Asche verwandelt hätte, wäre dies möglich gewesen. Sakura … Natürlich. Wie hatte ich das nur vergessen können, immerhin schwärmte er mir schon seit der zweiten Klasse etwas von ihr vor. Da ich keine Lust hatte, eine noch peinlichere Auseinandersetzung mit Lee über sein Gefühlsleben über mich ergehen zu lassen, winkte ich rasch mit einem: „Ich hab’s ja nicht so gemeint“ ab und machte mich kurzerhand aus dem Staub. Vermutlich war das das erste Mal, dass Rock Lee nichts mehr zu sagen hatte, denn aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten wie er mir bedröppelt nachstarrte und Sakura ihm mitfühlend die Hand auf die Schulter legte, was allerdings Sasuke nicht so richtig zu schmecken schien. Man konnte es eben keinem recht machen und ich stand wohl leider ganz oben auf der Abschussliste. […] Den restlichen Tag verbrachte ich damit (aus Versehen natürlich) eine Schere auf dem Globus in der Erdkundestunde zu werfen, (Jene Schere hatte ich eigentlich dazu verwenden wollen, die Schweiz auszuschneiden, was leider misslungen war), eine komplette Sammlung Golfbälle in der Sporthalle zu verteilen (wo waren die plötzlich hergekommen?) und Orochimaru (zum sechzehnten Mal in dieser Woche) zur Weißglut zu treiben, was damit endete, dass ich eine weitere Stunde Nachsitzen aufgebrummt bekam. Insgesamt kein schöner Zeitvertreib, aber ich hatte schon schlechtere Bilanzen gehabt. Und zu meinem Stolz hatte ich diesmal sogar sämtliche Kommentare überhört. Die hässliche Schrift auf meinem Spind hatte ich auch entfernt. Nur um Lee tat es mir leid, da ich mit meiner überstürzten Aktion nicht nur mich sondern auch ihn blamiert hatte. Nachdem ich schließlich das Nachsitzen hinter mich gebracht hatte (das ich damit verbrachte, Kerzenreste aus Reagenzgläsern zu kratzen – verdammtes Zeug!) ging ich durch die menschenleeren Korridore. Zu dieser Zeit war kaum jemand mehr in der Schule, nur jene, die einem Klub beigetreten waren, wie beispielsweise Shikamaru oder Sai, die im Schach- und Zeichenkurs waren. (Mein Karatetraining fand in der Sporthalle statt.) Doch selbst die ließen sich nicht blicken. Ich kam an meinem Spind an und stopfte drei Viertel meiner Bücher in den sowieso schon überfüllten Schrank, was ein Wunder war, denn ich schaffte es jedes Mal nur mit dem perfekten Timing, die Tür rechtzeitig zuzuknallen. Es war wirklich ein Segen, den Kram los zu sein, denn ich merkte schon, wie sich Rückenschmerzen anbahnten. Schließlich kam ich am Eingang an und atmete erst einmal den frischen Duft der Freiheit ein. Die Luft war angenehm warm, sodass es mir in meiner Schuluniform nicht wieder so kalt wurde wie im Herbst. Es war nicht so warm, dass die einzig mögliche Konsequenz das Schwimmbad wäre und nicht so kühl, dass ich mir schon wieder eine Erkältung eingefangen hätte. Erleichtert schulterte ich meine Tasche und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Es war ein wunderschöner Tag, Sonnenschein im Überfluss und nicht ein Wölkchen am Himmel. Eigentlich etwas, das mich aufheitern sollte, doch irgendetwas in mir war immer noch traurig. Ich hatte mir die ganze Zeit falsche Hoffnungen gemacht, Neji würde mich nie mögen, jemand wie er… und ich. Wir passten einfach nicht zusammen. „Tenten?“ Mein Herz blieb stehen. Ich kannte diese Stimme. Tausendmal hatte ich den Klang in meiner Fantasie durchgespielt, hatte mir ausgemalt, wie sie etwas sagte, wie sich ihre Stimmlage änderte und wie sie klang, wenn sie wütend, traurig oder glücklich war. Als ich mich langsam umdrehte, erkannte ich, dass ich direkt an Neji Hyuga vorbei gerannt war, der lässig an einer Mauer lehnte. Zuerst spielte ich mit dem Gedanken, mich umzudrehen und ihn an Ort und Stelle zurückzulassen (In letzter Zeit hatte ich festgestellt, dass Flucht doch gar nicht so schlecht war), aber der verdammte Typ musste ja diesen unwiderstehlichen Blick haben, der mich an den Boden fesselte. Er sah mich einfach nur an. Wie konnten seine Augen nur so viel Intensität ausstrahlen? Also versuchte ich es auf die unbekümmerte Art: „Was gibt’s denn?“ Neji zuckte nicht mal mit der Augenbraue, was mein aufgesetztes Lächeln auf der Stelle gefrieren ließ. Mein Griff um meine Tasche verkrampfte sich, ich wollte nicht mit ihm reden, vor allem nicht mit ihm, aber abschlagen konnte ich ihm trotzdem noch nichts. „Ich wollte mit dir reden“, sagte er leise. Eine Strähne fiel ihm ins Gesicht und er strich sie in einer fließenden Bewegung zurück. Mein Blick folgte der Bewegung. Schließlich seufzte ich. „Lass uns ein Stück gehen“, sagte ich, als er zu mir aufgeschlossen hatte. Zusammen gingen wir den gepflegten Kiesweg entlang, wobei keiner einen Ton sagte. Niemals hätte ich gedacht, mal so friedlich neben ihm zu gehen. Jetzt bemerkte ich, dass er nur ein kleines Stück größer war als ich und seinen leicht federnden Gang. Neji sah so gut aus wie immer, aber mir kam er jetzt sogar noch ein Stück attraktiver vor, was mir wieder einmal vor Augen führte, warum ich mich in ihn verliebt hatte. Ein bisschen introvertiert, immer beherrscht und kein Verschwender unnützer Worte. Und ich mochte seine Augen, diesen intensiven Blick, der mir eine Gänsehaut verpasste, sobald ich diesem auch nur für eine Sekunde begegnete. Auf einmal blieb Neji stehen. „Ich glaube, ich habe dich neulich ziemlich verletzt, oder?“ Sofort erstarrte ich. Niemals hatte er so mit mir gesprochen. Mit einer Spur Verständnis? Ich drehte mich nicht um und hörte nur seine knirschenden Schritte, als er zu mir kam und kurz hinter mir stehen blieb. Langsam nickte ich. Er hatte mich verletzt, zwecklos es zu leugnen. „Es tut mir Leid“, sagte er dann. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Er … er hatte sich bei mir entschuldigt. „Wa…was willst du eigentlich von mir? Du hast doch nicht auf mich gewartet, nur um mir das zu sagen.“ - „Nein“, gab Neji mir Recht. „Was dann?!“, explodierte ich. Immer schwieg er sich aus, ich wollte mich nicht länger von ihm vorführen lassen. Leicht überrascht sah er mich an, obwohl man das nicht richtig erkennen konnte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, durcheinander genug war ich ja. Und wenn ich es bei meiner defekten Wahrnehmung nicht besser wissen würde, würde ich sagen, dass er leicht verlegen wirkte. Er packte mein Handgelenk, als ich ein paar Schritte zurückwich, sah mich wieder an. Sah mich einfach nur an, als ob er damit alles beantworten konnte. Jede Frage, die mir in den Sinn kam… „Ich wollte dich wirklich nicht verletzen“, flüsterte er, „du warst nie wie die anderen, hast nicht versucht, etwas zu sein, was du nicht bist. Ich konnte es nur nicht sofort erkennen.“ Ich spürte, wie meine Lippen bebten. Ich schloss die Augen, wollte das nicht hören, nicht, wenn alle sich über mich lustig machten. „Ich wollte dich fragen, ob du noch mit mir auf den Ball gehen möchtest.“ Ich erstarrte. Nein … NEIN !!! Niemals hatte er das gesagt! Spielte meine Fantasie mir einen Streich oder … war das wirklich? Real? Ich spürte wie seine Hand um mein Handgelenk ganz leicht zitterte. Wie er den Blick abwandte, als ich ihn ansah. „Ich…ich“, stotterte ich und hatte doch keine Ahnung, was ich sagen wollte. Er hatte mich schon wieder auf dem falschen Fuß erwischt und mich in eine Situation gebracht, die ich nicht unter Kontrolle hatte. „Ich habe neulich nicht wirklich darüber nachgedacht, du warst immerhin nicht die Einzige, die mich gefragt hat und um ehrlich zu sein, hatte ich keine Lust.“ Neji hatte die Arme verschränkt und schaute angestrengt auf ein Gänseblümchen. Es war ihm peinlich. Es war ihm wirklich peinlich… Und er rechtfertigte sich, noch etwas, was ich noch nie gesehen hatte. Ich drehte mich zu ihm um. Erwartungsvoll und ein bisschen nervös sah er mich an. „Ich würde sehr gerne mit dir auf den Ball gehen“, sagte ich und sah ihm direkt in die hellen Augen, die mich schon immer fasziniert hatten. Nejis Gesicht hellte sich kaum merklich auf, als hätte er etwas hinter sich gebracht, das ihm schwer im Magen gelegen hatte. „Dann treffen wir uns am Schuleingang“, bestimmte er, während er sich eilig umdrehte und in einer anderen Richtung verschwand. Seine Finger streiften mein Handgelenk. „Acht Uhr!“ , rief er noch. „Ja“, hauchte ich, während ich ihm verträumt nachstarrte. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Noch nie zuvor hatte ich solch eine Genugtuung empfunden. Die ganze Woche war ich blendender Laune gewesen, was wohl das komplette Gegenteil der Woche davor darstellte. War ich in der letzten Woche noch verdammt deprimiert gewesen, so schwebte ich jetzt durch die Gänge. Selbst, wenn mir Unfälle passierten (die sich leider nie wirklich einstellten), begegnete ich diesen mit einem Lächeln auf den Lippen und ließ Beteiligte verdutzt stehen. Dass Neji mir einmal in Gegenwart Sakuras im Korridor begegnete und mir zulächelte (Wenn man es so nennen konnte – ich nahm mir die Freiheit es als solches zu bezeichnen), trieb meine gute Laune nur noch weiter in die Höhe. Und jetzt, da ich mit Sakura zum Ball fuhr, konnte ich es mir fast nicht mehr verkneifen, ständig vor mich hinzugrinsen. (Was ziemlich albern wirkte.) Dennoch konnte ich es nicht ändern, dass ich mir ziemlich unsicher in dem Kleid vorkam, das mir meine Großmutter aufgezwungen hatte. Unsicher zupfte ich an dem Stoff herum, doch Sakura ergriff sofort meine Hand und machte keine Anstalten, sie loszulassen. „Zum letzten Mal, Tenten, das sieht gut aus. Sehr gut, wenn ich das so sagen darf. Neji wird hin und weg sein. An deiner Stelle würde ich wohl eher aufpassen, dass du nicht zu lange mit ihm alleine bist, nicht, dass er noch auf unartige Gedanken kommt“, grinste Sakura. Ich warf ihr einen bösen Blick zu. „Da kennst du dich ja am besten aus, was?“, murmelte ich. Sie erwiderte meinen Blick und grinste. „Da kannst du sicher sein, meine Liebe. Ich habe massig Erfahrung.“ Das war wirklich nicht verwunderlich, denn Sasuke war bei Weitem nicht der einzige, der ein Auge auf sie geworfen hatte. Wahrscheinlich war sogar das der Grund, warum Sasuke sie letztendlich gepackt hatte und vor allen Leuten mit ihr herumgeknutscht hatte. Besser man erstickte mögliche Konkurrenz gleich im Keim. Gar keine schlechte Strategie eigentlich, allerdings würde ich ja wohl nicht … Auf der Stelle wurde ich knallrot, was Sakura mit einem schrillen Quietschen kommentierte. „Oh, ich will gar nicht wissen, was du gerade gedacht hast, Tenten!“ Ich konnte Sakura fast nicht in die Augen sehen, so gut gelaunt war sie, während ich mich zunehmend nervöser fühlte. Die restliche Fahrt kam mir wie eine endlose Achterbahnfahrt vor. Einerseits war ich voller Vorfreude und Glück, andererseits hatte ich keine Ahnung, was ich sagen würde, wenn ich Neji gegenüberstand. Würde er denn von sich aus ein Gespräch beginnen? Würde er … Der Wagen hielt mit quietschenden Reifen und ich schlug mir fast den Kopf an der Sitzlehne vor mir. Sakuras Vater, der Sakura und mich zum Ball brachte, öffnete die Fahrertür und half dann seiner Tochter aus dem schicken windschnittigen Wagen. Mit einem Lächeln öffnete er auch die Tür auf meiner Seite, was mich erneut verlegen machte. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass man mich so normal behandelte. Ich schwang vorsichtig die Beine aus dem Auto und stieg unsicher aus. Das Kleid fiel wieder glatt um meinen Körper und ich starrte erneut auf den Stoff, der mir die ganze Zeit schon viel zu elegant für mich vorkam. Ein wenig fröstelte ich in der kühlen Abendluft, doch selbst das legte sich, als ich die festlich angezogenen Schüler erblickte. Überall leuchteten Lichter auf und tauchten die Szenerie in ein gedämpftes Licht, was bei fast schwarzem Himmel ungeheuer romantisch wirkte. „Was stehst du da so rum, Tenten?“, rief Sakura plötzlich und ich merkte, dass ich schon wieder in Tagträumereien abgedriftet war. Als ich mich zu Sakura aufmachte, strahlte diese wie die Sonne. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt und trug ein dunkelgrünes Kleid, was sich sehr gewagt an ihren Körper schmiegte. Sie war so hübsch, dass ich mir schon wieder ungeheuer klein vorkam. Mich verließ der Mut. Neji würde ungeheuer attraktiv sein und ich … ich war klein und unbedeutend und verblasste in dem Licht, das er ausstrahlte. Ich hatte mich nicht von der Stelle gerührt und Sakura, die schon ungeduldig mit dem Fuß wippte, drehte sich um und kam zu mir. Fragend sah ich sie an, bekam allerdings keine Antwort auf meine ungestellte Frage. Auf einmal griff sie mir in die Haare und löste die schmalen Bänder, die sonst meine Haare an Ort und Stelle hielten. Eine Welle glänzenden dunkelbraunen Haars fiel meinen Rücken herab. Ich trug meine Haare nie offen. „Versteck dich nicht, Tenten. Ein Ball ist ein zauberhafter Moment für ein Mädchen. Du solltest Neji offen zeigen, dass du nicht nur einen Karateanzug tragen kannst, sondern auch, dass du ein hübsches Mädchen bist.“ Sakura lächelte, während ich sie sprachlos anstarrte. Das war … sie hatte mich wirklich berührt. Dann ergriff sie mein Handgelenk und zog mich mit sich. Ein Ball dachte ich, nichts Gewöhnliches, eher eine Art Märchen. Der Eingang war strahlend hell erleuchtet und überall standen Schüler herum, die sich lauthals miteinander unterhielten oder einfach aufeinander einredeten. Es gab oberflächliche Gespräche, die sich nur darum drehten, wer am besten aussah und wer in der Auswahl seiner Abendgarderobe vollkommen daneben gegriffen hatte; freundschaftliche Kabbeleien und das schüchterne Geflüster Verliebter, die ihr erstes Date hatten. Sakura war alles andere als schüchtern. Alle fünf Meter begrüßte sie lautstark Bekannte und schleifte mich zu Gesprächspartnern, die ich allesamt nicht leiden konnte. Verflucht sei die Tatsache, dass sie so viele Leute kannte! Erst als ihr Sasuke gentlemanlike von der Treppe, die in den Ballsaal führte, entgegenkam und sie mit durchbohrendem Blick ansah, verstummte sie. Der Herzensbrecher Nummer 1 an der Schule trug einen schwarzen Smoking und ein weißes Hemd, an dem er lässig zwei Knöpfe offen gelassen hatte. Seine Lackschuhe (Hatte der Typ zu viel Geld?!) waren auf Hochglanz poliert. Sakura war sofort hin und weg, sah nichts mehr, ließ die Leute stehen und war vollkommen in einer Art Bann. Es dauerte keine fünf Sekunden, da hatte sie sich schon bei ihm eingehakt und war mit ihm davon stolziert. Einen Moment lang war ich sprachlos. Sie hatte mich einfach stehen gelassen! Mich! Sie hatte mir hoch und heilig versprochen, mich nicht im Stich zu lassen. Das würde sie mir büßen… „Ich hasse ihn“, sagte plötzlich jemand neben mir und als ich mich umdrehte, erkannte ich Lee, der einen hübschen olivfarbenen Anzug trug und im Gegensatz zu Sasuke sein Hemd ordnungsgemäß trug. Nur die rot karierte Krawatte stach etwas aus dem Gesamtkonzept. „Lee!“, entfuhr es mir. (Musste der sich so anschleichen?) Doch der achtete nicht auf mich, sondern erdolchte Sasuke mit seinen Blicken. Schließlich drehte sich Lee zu mir um. Er ließ den Blick über meine Aufmachung schweifen und sagte keinen Ton mehr, was dazu führte, dass ich mich nur noch unbehaglicher fühlte. Himmel! Ich hatte ein Kleid an, na und? „Du siehst hübsch aus“, brachte er schließlich hervor. Selbst jetzt, da ich es eigentlich gewohnt sein müsste, war ich sofort verlegen. Es war einfach so normal. Ich war nicht länger wie die Menschen mich sonst sahen. Auf einmal hatte ich mich in Tenten verwandelt. „Danke“, sagte ich leise und doch würde Lee wohl nie wissen, wie viel mir dieses Kompliment bedeutet hatte. Aber ich würde es ihm sicher nicht auf die Nase binden, nicht, dass das in einem Desaster enden würde. Bei zu emotionalen Freundschaftsbekundungen hatte Lee leider die Angewohnheit zutiefst gerührt zu reagieren, was dazu führte, dass er uns beide blamierte. „Sag mal...“ Jetzt sah mich Lee erst recht forschend an. „Stimmt es, dass du jetzt doch mit Neji auf den Ball gehst?“ Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht schlich. (Schon wieder!) „Ich meine“, fuhr er dann vor, „ich habe ihm ja ordentlich die Meinung gesagt. Er müsste es eigentlich verstanden haben, aber bei ihm…“ Lee stoppte abrupt, als er den Ausdruck in meinem Gesicht sah. Mir waren sämtliche Züge entglitten und ich starrte ihn fassungslos an. „Du hast was!?“ „Also bitte, Tenten, es war zu deinem Besten!“ Ich konnte Lee an der Nasenspitze ansehen, was das für ein Treffen gewesen war, ich wusste einfach, dass er mich bis aufs Blut verteidigt hatte und Neji … Oh Gott. „Apropos“, fuhr Lee unbarmherzig fort, „ist der gute Herr etwa zu feige, dich auch abzuholen, wenn er dich nun endlich fragt?“ Im Stillen musste ich ihm Recht geben, aber wie fast immer war ich zu stolz um das zuzugeben. „Wir wollten uns eigentlich hier treffen“, verteidigte ich mich. (Und Neji wie ich feststellen musste) Lee machte ein merkwürdiges Geräusch, was mir sofort klarmachte, für was für einen Waschlappen er Neji hielt. Wahrscheinlich hatte er ihn immer akzeptiert, Sportler mussten ja zusammenhalten… natürlich, aber als er mich abblitzen gelassen hatte, hatte Lee ihn wohl als ernstzunehmenden Fall dessen, was mir schaden konnte, eingestuft. Oder er hatte sich auf einmal eine überdurchschnittliche Besorgnis um mein Wohlergehen mit Jungs dazugelegt. Oder beides… Lee war manchmal echt unberechenbar. „Also ich sehe Romeo hier nirgends“, sagte Lee, als er sich suchend umgeblickt hatte. Nun sah auch ich mir die Leute näher an, Neji war nirgends zu entdecken. Der Magen drehte sich mir um. Hatte Neji mich einfach nur lächerlich machen wollen? Hatte er mit meiner Naivität gespielt oder war er einfach spät dran? Einen großen Auftritt würde er wohl nicht hinlegen, dafür war er einfach ein zu stiller Mensch, er mochte keine Aufmerksamkeit. „Er ist nicht hier!“, flüsterte ich panisch, „er hat mich sitzen gelassen…“ Jetzt hörte sich meine Stimme verdammt bösartig an. „Vielleicht taucht er ja noch auf, Tenten, komm erst mal mit, wir gehen rein.“ „Ich kann da doch jetzt nicht reingehen, ich werde mich blamieren, wenn ich da ohne Neji reingehe.“ Plötzlich sah mich Lee eindringlich an und packte mich an der Hand. „Jetzt hör mir mal genau zu, Tenten, wenn dieser Typ nicht aufkreuzt, dann schieß ihn zum Mond! Und außerdem brauchst du ihn nicht, um ein bisschen Spaß zu haben.“ Er stockte und betrachtete noch einmal mein Kleid. (Ich könnte schwören, dass er ein bisschen rosa um die Nase wurde…) „Es wird dich wahrscheinlich sowieso niemand in diesem Aufzug erkennen.“ Ich warf Lee einen bösen Blick zu. „Wie meinst du das nun wieder?“, knurrte ich. Lee seufzte und sah mich dann an wie ein begriffsstutziges Kind. Er ließ meine Hand los. „Na glaubst du vielleicht, dass dich so jemand wiedererkennt? Du bist wie ausgewechselt, Tenten, du bist wunderhübsch, nicht, dass du das nicht schon vorher warst“, redete er sich raus. Meine Mundwinkel hoben sich kaum merklich. Ich hielt Lee meinen Arm hin. Es vergingen ein paar Momente, als Lee sich schließlich bei mir einhakte. Langsam gingen wir auf den hell erleuchteten Eingang zu. „Danke“, flüsterte ich. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Der Raum, in dem die Konferenz stattfinden sollte, war lang und so hoch, dass man sich plötzlich ganz klein vorkam. Neji selbst saß rechts neben seinem Onkel und trug einen schicken schwarzen Anzug, den Hinata ihm aufgedrängt hatte. Äußerst widerwillig machte er gute Miene zum bösen Spiel, denn die restlichen Männer waren wichtige Geschäftspartner seines Onkels, die in der Autobranche enormen Einfluss hatten. Vor jedem Gast stand genau ein Gläschen Sekt, von dem die meisten furchtbar wichtigtuerisch nippten. Nie zu viel natürlich. Insgesamt schätzte er die ganze Belegschaft auf ca. zwanzig Personen, für seinen Geschmack viel zu viele Menschen, die sich mit tiefen Bässen unterhielten. Ein jeder so gewichtig wie man ihn nur einmal in einem Unternehmen traf. Hiashi Hyuga stand auf und klatschte zweimal in die Hände. Sofort verstummten sämtliche Gespräche und die Geschäftspartner schenkten Nejis Onkel ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Dieser ließ seinen Blick durch die Runde wandern und richtete seine Notizen, die er fein säuberlich vor sich aufgestapelt hatte. Hiashi Hyuga räusperte sich. „Schön, dass Sie alle gekommen sind. Hiermit möchte ich Sie alle zur fünfzehnten Firmenkonferenz der Hyuga-Corporation willkommen heißen.“ Neji richtete sich noch mal widerwillig auf und konzentrierte sich auf das Geschehen vor ihm. Da alle auf seinen Onkel achteten, bekam niemand mit, dass er unauffällig auf die Uhr schaute… ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Der Saal war brechend voll, sodass man froh sein konnte, überhaupt einen halben Meter zu finden, der einem nicht sofort streitig gemacht wurde. Lee schien das ja nichts auszumachen, aber ich achtete normalerweise auf einen gewissen Abstand zwischen mir und meinen Mitmenschen. Dieses Gedrängel war so ziemlich gar nicht nach meinem Geschmack. Allerdings schien der Idiot neben mir das gekonnt zu ignorieren. (Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben!) Irgendwie quetschten wir uns zum Buffet, das sich von all den Appetithäppchen schon gefährlich senkte. „Hast du Hunger?“, fragte Lee. Ich sah ihn verdutzt an, eigentlich hatte ich angenommen, dass er kurz vorm Verhungern war, so wie er hierhin wollte. „Jetzt sag mir nicht, dass ich mich für nichts und wieder nichts durch diese Menschenmasse gequält habe“, fauchte ich. Lee kam um die Antwort herum, denn urplötzlich wurde ich angerempelt, knallte auf Lee und dieser konnte sich nur noch abstützen, indem er mit seiner Hand aus Versehen in die Salatschüssel griff, was wiederum dazu führte, dass der Reis gefolgt von kalten Schnittchen auf dem Fußboden landete. „Oh, Hallo Lee!“, schnarrte plötzlich Narutos unüberhörbare Stimme zu meiner Linken. Ich sah ihn an und stellte fest, dass er offenbar erst jetzt bemerkte, was er da wieder angerichtet hatte. Merkwürdigerweise schien er mich zu ignorieren… Endlich schien ihm ein Licht aufzugehen, als Lee die Hand aus der Schüssel zog und umständlich am Tischtuch abwischte. (Natürlich so, dass es niemand mitbekam.) Der Blonde kratzte sich am Hinterkopf. „Tut mir Leid“, entschuldigte er sich, was Lee wiederum mit einem Schulterzucken quittierte. „Bist du schon lange da?“, fuhr er fort. „Nein“, sagte Lee. Ich beschloss, dass es Zeit war, sich einmal in ihr Gespräch einzumischen. „Wo ist Hinata?“, stichelte ich. Erst jetzt schien Naruto meine Anwesenheit zu bemerken und sah mich an, als ob er mich nicht richtig zuordnen könnte. „Hinata?“ Er sah mich verwirrt an, „ich bin alleine hier.“ Das durfte doch wohl nicht wahr sein, selbst ich hatte es fertig gebracht, Neji zu fragen. Gut, bei Hinata konnte man nicht die gleichen Maßstäbe ansetzen, aber ich hatte doch zumindest erwartet, dass Naruto vielleicht einmal (Ein einziges Mal!) so zu vorkommend sein könnte, dass er den Anfang machte. Ich meine, es war ja allgemein bekannt, dass Hinata in Naruto verliebt war, er wiederum aber zu blöd war, um das zu kapieren. Ich sah ihn eindringlich an und in mir keimte ein Rachegedanke auf. „Du gehst sie jetzt sofort suchen!“, befahl ich, „immerhin weiß doch jeder, dass ihr den Eröffnungstanz haben werdet.“ Naruto wurde blass. Die Genugtuung in mir wurde immer größer. Naruto konnte nicht tanzen. Hatte ich am eigenen Leib feststellen müssen, als er mich einmal angerempelt hatte und ich dabei in besagter Bowle gelandet war. Es war zwar nicht wirklich fair gegenüber Hinata, aber anders kam sie ja auch nicht in die Hufe. Ein kleiner Schubs in die richtige Richtung konnte ja schließlich auch nicht schaden. „Aber ich … ich dachte Sakura und Sasuke fangen an zu tanzen, das ist doch immer so…“ Kumpelhaft zog ich ihn aus Lees Hörweite, damit er nicht alles mitbekam. „Die“, begann ich, „verschwinden doch schon nach den ersten Tönen in einer dunklen Ecke und sind am Rumknutschen, also bitte, da muss doch mal ein Ersatz her.“ Naruto sah mich immer noch vollkommen verwirrt an. „Aber wieso ich?“ Gut, jetzt war ich auch ein bisschen überfragt, spürte Lees Blicke im Rücken und fühlte mich irgendwie ausgeliefert, andererseits machte mir das hier unheimliches Vergnügen… „Es gab da so eine geheime Abstimmung“, ließ ich meiner Fantasie freien Lauf, „so etwas muss doch eine Überraschung werden.“ Jetzt nickte Naruto einsichtig. „In Ordnung, ich mache mich sofort auf die Suche“, sagte er und wollte sich aus dem Staub machen. Im letzten Augenblick erwischte ich ihn am Hemdkragen, rupfte eine Lilie aus einer Vase auf dem Buffettischen und drückte sie ihm in die Hand. „Vermassel es nicht“, zischte ich. Noch einmal nickte der Blonde gehorsam, dann verschwand er in der Menge. Sofort baute Lee sich vor mir auf: „Also?“ Ich sah ihn schweigend an. „Tenten?“ Ich konnte spüren, dass er ungeduldig wurde, Lee hasste es, nicht zu wissen, was los war. Ich zuckte mit den Achseln und grinste fies. „Naruto wird sich jetzt auf die Suche nach Hinata machen, ihr unter Ehrerbietung eine wunderhübsche Lilie schenken, die ich soeben abgezogen habe und sie dann in aller Öffentlichkeit zum Tanzen auffordern.“ Lee starrte mich an. „Wenn wir Glück haben, baut er vielleicht sogar noch eine auf – die – Knie - fall Nummer ein…“, fuhr ich fort. „Tanzen?“ Seine Augen glitzerten verräterisch und ich sah ihm zu meinem Entsetzen besagten Gedanken an. Er ergriff meine Hand. Okay… jetzt war es wirklich Zeit sich Sorgen zu machen. „Du hast doch nichts dagegen, Tenten? Solange Romeo immer noch nicht da ist? Komm schon!“ Ich brachte keinen Ton heraus, was Lee als Einverständnis wertete. Er legte sich meinen Arm um seine Schulter und schleifte mich auf die Tanzfläche, wo Naruto Hinata so eben gefunden hatte. Die Musik setzte an und für mich gab es nun keine Möglichkeit mehr, mich aus dem Staub zu machen. Dieser Elende… […] Irgendwie hatte ich es geschafft, Lee zu entkommen, war außer Atem und hatte mich zur Tarnung auf den Balkon verkrochen. Ich hielt ein Sektglas in der Hand und tat nun furchtbar beschäftigt. (Was den Rest davon abbringen sollte, mir irgendwelche Fragen zu stellen.) Grinsend erinnerte ich mich an die geniale Szene zurück, dessen Auslöser ich war. (Naruto hatte mich nicht erkannt und keine Ahnung, dass ich der Drahtzieher war.) Hinata hatte nicht so viel Glück gehabt. Schon als Naruto (immer noch total verwirrt und zu meinem Vergnügen) vor ihr auf die Knie gesunken war, war sie einer Ohnmacht nahe und konnte nur noch dadurch gerettet werden, dass ihr mehr oder minder heimlicher Verehrer sie elegant auffing, was dazu führte, dass ihr in seinen Armen endgültig schwummerig wurde. (Sie war knallrot geworden und schien einige Schwierigkeiten mit dem Luftholen zu haben, was ich im Nachhinein doch ein wenig bedauerte.) Allerdings hatte das Naruto nicht mehr wirklich gestört, da er ohnehin nicht mehr viel mitbekam und seinen Arm leicht peinlich berührt um ihre Hüfte legte und sie schließlich auf die Tanzfläche zog. (Ich hatte genau gesehen, wie Kiba diesen denkwürdigen Moment festgehalten hatte…) Zur allgemeinen Verwunderung hatte sich Naruto sogar gar nicht schlecht dabei angestellt. Vielleicht hatte er ja geübt… Irgendwann musste ich Hinata mal die Wahrheit gestehen, aber bis dahin war noch Zeit. Außerdem war es ohnehin nur ein Zeitvertrieb gewesen… Zum zwölften Mal sah ich auf die große Uhr, die im Ballsaal hing. Viertel vor Zehn … Neji ließ mich jetzt schon über eine Stunde warten. Er … er hatte mir doch gesagt, dass wir uns um acht treffen wollten. Er hatte mich doch selbst gefragt, oder hatte er einfach nur eine Wette verloren? Wollte sich über mich lustig machen… Ich hatte es gewusst … er hatte mich nicht ernst genommen, wahrscheinlich war es ihm egal. Er hatte sicher Wichtigeres vor und ich stand ohne ein Date auf dem Sommerball, während der Rest annahm, dass ich mit Lee gekommen war, den die Leute wiederum fragten, wer seine Begleitung (also ich) war. Das einzig Tröstliche war, dass mich noch niemand erkannt hatte, was auch nicht weiter verwunderlich war, wenn man mal von meinem Aufzug absah. Ich blickte an mir herunter. Das Kleid, das ich trug war brombeerfarben mit silbernen Fäden durchzogen, die den Stoff in ausgefallenen Mustern und Formen schmückten. Das Kleid selbst reichte bis zu meinen Füßen. Es war hoch am Hals geschlossen, hatte lange weite Ärmel und war recht figurbetont geschnitten. Um meine Beine herum war es weitauslaufend und flatterte mir bei jedem Schritt um die Beine herum. Meine Haare, die ich sonst immer so streng zurückfrisiert hatte, (was praktischer war …) wehten jetzt leichtfüßig um meinen Kopf herum. Wahrscheinlich war das der einzige Grund, warum ich so ‚anders’ rüber kam. Die Leute sahen mich nicht als Tenten an, sie beäugten mich neugierig und teilweise interessiert, was mir furchtbar unangenehm war. Als mir das zum sechsten Mal passiert war, wünschte ich mir direkt meine Schuluniform zurück. Nicht, dass ich die lieber mochte, aber sie war einfach alltäglicher. Ich seufzte. Es war schon komisch. Wenn ich nicht Tenten war, wollte ich unbedingt in diese andere Rolle schlüpfen, jemand sein, der ich nicht war und wenn ich mich in diesen jemand verwandelt hatte, dann wollte ich wieder Tenten sein. Dabei war das ganze doch wirklich simpel: Selbst, wenn ich mich anders anzog, anders gab, so blieb ich doch ich selbst: Das merkwürdige Mädchen, das ständig in Unfälle verwickelt war. (Ich sollte zum Fernsehen gehen, damit würde ich noch Millionen machen…) Es war wie immer… Ich hatte einfach furchtbares Pech! Das lag nicht an Neji oder mir oder Lee oder sonst jemanden. Es war mein verfluchtes Pech! Am liebsten würde ich einfach losheulen und mich irgendwo verkriechen. „Tenten?“ Ich antwortete nicht, ich wusste sowieso, wer hinter mir stand und dass sie mir gleich wieder eine Predigt halten würde. Und diesmal verwünschte ich sie. Sie war so perfekt und ich … Ich war einfach nur …ich. „Tenten!“ Diesmal war Sakuras Stimme schon eindringlicher. „Oder“, überlegte ich weiter, „ hatte sie einfach nur das, was ich wollte: Den Typen, den sie mochte, egal, was andere dazu sagen würden. Ich war eifersüchtig … und ich hatte nicht die geringste Lust, mich dann gerade mit ihr zu unterhalten. Sie packte mich an der Schulter, drehte mich mit einem Ruck um, sodass ich sie anschauen musste und funkelte mich wütend an, doch sie sagte nichts. „Wo ist Sasuke?“ Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme verdammt herablassend und verletzend klang. Sakura ließ meine Schulter los. „Er füllt Naruto ab“, antwortete sie. Für einen Moment war ich wirklich verdutzt, Naruto hatte heute wirklich keinen leichten Abend. „Aber eigentlich“, fuhr sie fort, „wollte ich sowieso mit dir reden.“ „Das tust du ja jetzt“, schoss es mir durch den Kopf. „Das ist aber schön“, antwortete ich sarkastisch, „ich warte da schon den ganzen Abend drauf, weißt du? Du hast mich einfach stehen lassen!“ Sakura sah zerknirscht zur Seite, stritt den Vorwurf aber auch nicht ab. Es verging ein Moment, in dem ich wütend mein Sektglas auf den nächsten Tisch knallte, ohne Sakura auch nur eines Blickes zu würdigen. „Weißt du, ich bin dir in gewisser Weise ähnlich. Früher war ich für alle einfach nur die kleine Streberin, die in Sasuke Uchiha verschossen war. Sie haben mich nicht für voll genommen und dann war erst mal großes Drama, als ich mit ihm zusammengekommen bin. Glaubst du wirklich, du hättest dich noch mal nach mir umgeschaut, wenn Neji aufgetaucht wäre?“ Ich schwieg. So hatte ich das noch gar nicht betrachtet, aber sie hatte ja auch noch nie was gesagt… „Tut mir Leid“, flüsterte ich. „Ist schon okay“, sagte Sakura. Wir schwiegen eine ganze Weile, wobei mir auffiel, dass Sakura in ihrem schwarzen Cocktailkleid erheblich mehr zitterte als ich. „Wenn er nicht in innerhalb einer Stunde auftaucht, hetze ich am Montag die halbe Schule gegen ihn auf“, sagte sie dann. „Was?!“ „Ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst, Neji ist ein verdammter Idiot!“ Meine Hand verkrampfte sich. „Nein, das ist er nicht. Es versteht ihn nur niemand.“ „Dann wird es Zeit, dass er sich mal besser darstellt, sodass man es kann. Im Moment sieht es nämlich verdammt danach aus, dass er dich sitzen lässt.“ Ich betrachtete den schwarzen Himmel, auf dem vereinzelt Sterne funkelten. „Wenigstens erkennt mich keiner“, ließ ich meinem Pessimismus freien Lauf. Jetzt beäugte mich Sakura neugierig. „Also, wenn du es genau wissen willst, haben mehr als die Hälfte dich erkannt.“ Mir rutschte das Herz in die Hose, das konnte doch nicht wahr sein! Oh mein Gott! Ich hatte mich bereits bis auf die Knochen blamiert! Sakura klopfte mir mitfühlend auf die Schulter, was ich beinahe gar nicht mehr mitbekam. Mit dem Versuch, ein anderes Thema anzuschlagen, fragte ich schließlich: „Warum füllt Sasuke Naruto ab?“ Sakura sah mich die Schultern zuckend an und deutete auf die Stelle, wo sich besagte Unruhestifter gerade die Kante gaben. (Sasuke tat vorsorglich nur so, während Naruto beängstigend schief auf seinem Stuhl hing.) „Ach keine Ahnung“, brummte sie, „du kennst die doch, die lassen doch nie eine Möglichkeit aus, den jeweils anderen irgendwie dranzukriegen.“ „Jetzt sag nicht, du bist nur gekommen, weil Sasuke Naruto Streiche spielt.“ „Nö, das ist dem werten Herrn Uchiha ganz allein eingefallen, als ihm langweilig war. Ich krall ihn mir schon noch wieder.“ In diesem Moment musste ich einfach ihren unerschütterlichen Optimismus anerkennen. Außerdem musste ich feststellen, dass ich mich zum ersten Mal völlig ungezwungen mit ihr unterhalten konnte. Gut, ich hatte es auch sonst schon getan, aber über Belangloseres. Es war praktisch noch nie vorgekommen, dass sie einfach auf mich zuging und mich auf Neji ansprach, ihr Beziehungsleben vor mir ausbreitete und auf einmal eine merkwürdige Neigung zum Humor hatte. Sakura hatte viel mehr Selbstvertrauen als ich ihr zugetraut hatte, ich hatte sie einfach nicht so gesehen wie sie war… War das nicht genau das Gleiche, wie mich die anderen behandelten? Nie mehr würde ich jemanden so objektiv betrachten, nie wieder würde ich mich an das halten, was die anderen dachten. Sakura war meine Freundin, nicht, weil sie Mitleid mit mir hatte, sondern, weil sie mich mochte. „Kommst du mit?“, fragte sie plötzlich. Ich verstand nicht. „Kommst du wieder zurück oder wartest du noch?“ Neji … Sie hatte nicht aufgegeben und ich auch nicht … Warum vertraute ich ihm so? Wieso glaubte ich trotz allem noch, dass er auftauchen würde? Ich sah sie an und lächelte zaghaft: „Ich warte lieber noch.“ […] Es war still geworden. Die Band spielte leise Stücke, die mir auf der Haut prickelten und sich angenehm in meinen Ohren anhörten. Sie waren seltsam melancholisch, doch trotzdem irgendwie schön. Noch immer stand ich auf der Balkonterrasse, die jetzt nur noch von ein paar aufgestellten Kerzen beleuchtet wurde. Die meisten Leute waren bereits gegangen und hatten einen fast leeren Raum zurückgelassen, der wohl bald geschlossen werden würde. Allerdings hatte ich um zwölf mit dem Zählen aufgehört. Es war mir mittlerweile fast gleichgültig, was man von mir dachte. Ich hatte mir mit einem Hauch Galgenhumor sogar zweimal Früchtebowle nachschenken lassen. (Man hatte mir sehr seltsame Blicke zugeworfen …) Mir war kalt und hundeelend. Am liebsten würde ich einfach abhauen oder mir einen hinter die Binde kippen. (Naruto und Sasuke mussten einen schlechten Einfluss auf mich haben, wenngleich Sakura beide nach der siebten Runde zur Sau gemacht hatte.) Ich wusste, dass Neji nicht mehr kommen würde. Es war längst zu spät… Warum hatte ich mich nur in Neji verlieben müssen? Warum er? Es gab doch genug andere, die vielleicht mal mit mir ausgegangen wären. Es musste nicht unbedingt er sein. Doch selbst jetzt wusste ich, dass es niemals anders gekommen wäre. Neji war … nichtssagend, geheimnisvoll, stark und in sich gekehrt. Er sah gut aus, war intelligent und hatte doch auch Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte. Ich seufzte tief. Die Situation hatte eine gewisse Ironie. Ich hatte mich etwas getraut, war über mich hinaus gewachsen und doch schien mir das Glück nicht hold zu sein. Es war nicht fair. Aber was war schon fair? Und wie hätte ich auch wissen können, dass Neji nicht kommen würde? Aber zumindest hatte ich meine Angst besiegt. Ich war allein hier, aber nicht einsam. Die Stille war irgendwie genau das, was meiner momentanen Gefühlslage entsprach. Still. Unerhört. Allein. Ich konnte es nicht verhindern, jetzt kamen mir doch die Tränen. Ich schniefte, wollte schlucken und wusste doch, dass es mir nichts bringen würde. Ich wischte mir mit dem Arm über die Augen, aber ich konnte nicht aufhören. War mein Vertrauen jetzt endgültig aufgebraucht? Ich wusste es nicht. Leise. Ganz leise hörte ich Schritte hinter mir. Sie waren hastig, fast erschöpft, als ob jemand schwer atmend ankam. Ich drehte mich nicht um. Sollte derjenige doch vorbeigehen und mich in Ruhe lassen. Eine Träne rann über meine Nasenspitze und tropfte auf mein Kleid. Stille. Ich hörte nichts mehr, spürte nur noch die Anwesenheit eines anderen Menschen. Warum? Warum jetzt? „Ich bin spät“, sagte Neji. Ich schwieg ihn an. „Tenten?“ Jetzt klang seine Stimme schuldig und als ob ihm die ganze Situation unangenehm wäre. „Es tut mir Leid.“ „Das habe ich schon mal gehört“, flüsterte ich endlich. Noch einmal wischte ich mir über die Augen und drehte mich schließlich nach ihm um. Neji trug einen schwarzen Anzug mit einem weißen Hemd, das an einer Seite aus seiner Hose hing. Seine Haare hatte er direkt am Haaransatz zu einem Zopf zurückgebunden. Sein Blick war auf mich gerichtet und er kam langsam auf mich zu. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er bei mir ankam. Auf einmal stand er vor mir und war mir näher, als ich es eigentlich gewollt hätte. Er roch ein bisschen nach Schweiß und ich erkannte, dass er wohl gerannt sein musste. Keiner von uns sagte etwas, wir standen uns einfach nur gegenüber und sahen einander an. Es war eine angenehme Stille und ich wusste auch, was mir Neji sagen wollte, selbst wenn er nicht mit mir sprach. Und ich verzieh ihm. Verzieh ihm ein weiteres Mal. Wollte immer noch glauben, ihm vertrauen. Ich fragte nicht nach dem Grund seiner Verspätung, ich warf ihm nicht vor, dass er mich allein gelassen hatte. Es war einfach nur ein Moment, der mir gehörte und ihm. Ich wünschte mir, wir würden ewig hier stehen bleiben. Hier auf dem Balkon in der Kälte untermalt mit leiser Musik. „Die Vergangenheit kann man nicht ändern“, sagte Neji leise, „man kann sie verfluchen, die Dinge verabscheuen und sich wünschen, nie gelebt zu haben.“ Einen Moment schien er zu überlegen, was er sagen wollte. Zögernd hielt er mir die Hand hin. „Aber die Zukunft schon.“ Ich versank in diesen unergründlich hellen Augen, spürte wie auch sein Blick in meinem gefangen war, dann legte ich langsam meine Hand in die seine und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. Vielleicht würde meine Zukunft anders sein, vielleicht nicht. Aber ich hatte gelernt, dass nicht alles das war, was es vorgab zu sein. Ich hatte verstanden, was Freundschaft bedeutete. Und Mut. Ich hatte gelernt zu vertrauen. ~ Until I lost my faith … I will believe in you. ~ . . . Ein gleißendes Licht erhellte den Raum und ich sah mich sofort paranoid um. Neji sah ein bisschen übertölpelt aus. (Wenigstens ließ er mich nicht los.) Dann erkannte ich den Übeltäter. Kiba lehnte lächelnd am Saaleingang und hielt breit grinsend eine Kamera in der Hand, warf mir einen fiesen Blick zu und verschwand mit verheißungsvoller Miene nach draußen. Morgen würde das Bild höchstwahrscheinlich in der Schülerzeitung stehen, aber als ich jetzt wieder Neji ansah, merkte ich, dass es mir egal war. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Hallo an alle, die unsere Zusammenarbeit verfolgt haben =) Nach langem Hin und Her haben wir es nun geschafft! Fertig!!! Die Geschichte ist nun in sich abgeschlossen und wird auch keine Fortsetzung haben. In diesem Teil sind einige Parts, bei denen es euch überlassen ist sie zu deuten oder weiterzuspinnen. So zum Beispiel die Hyuga Konferenz. Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Lesern bedanken, die unsere Fanfiction gelesen haben. Da wir einen eher ungewöhnlichen Stil ausprobiert haben, freut es uns natürlich besonders, dass es ganz gut angekommen zu sein scheint ^-^ Wir hoffen natürlich, dass es euch gefallen hat. (und ihr mal ein Grinsen auf dem Gesicht hattet) Was unsere beiden Wichtelkinder angeht: Deryan und hiatari, wir hoffen, dass euch *Until I lost my faith...* gefallen hat, alles Weitere steht in der Beschreibung. Danke für euer Interesse. Knispell & moonlight_005 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)