Lied zur Nacht von kanashimi (- Blut und Asche -) ================================================================================ Kapitel 1: déchirer le silence ------------------------------ »Ein Vampir wird im allgemeinen als übermäßig groß und hager, mit abstoßendem Äußeren und Augen beschrieben, in denen das rote Feuer der Verdammnis glüht. Hat er jedoch seine Lust auf warmes Menschenblut gestillt, wird sein Körper grausig aufgebläht und gedunsen, als wäre er ein großer, bis zum Platzen vollgesogener Blutegel. Kalt wie Eis oder auch fiebrig und brennend wie glühende Kohlen, ist die Haut totenbleich, doch die Fangzähne, die er tief in den Hals seiner Beute schlägt, um dort die Lebensströme zu saugen, welche seinen Körper neu beleben und all seine Kräfte stärken, scheinen bemerkenswert scharf und spitz.« -Montague Summers (1880-1948)- Unwirsch schlug Gabin das Buch zu und warf es in den lodernden Kamin, ehe er sich aus dem antiken Ohrensessel erhob. Die dünnen Papierseiten ergaben sich dem Feuer und die Buchstaben auf dem Einband verschwanden knisternd in den Flammen. Asche zu Asche… Von wegen abstoßend und aufgebläht… Diese Kreatur hatte doch überhaupt keine Ahnung! Aber vor allem das große Glück bereits tot zu sein, sonst hätte sich der stattliche Vampir jetzt persönlich darum gekümmert. Gabin Bellemort war von hochgewachsener Statur, schlank, aber auf keinen Fall hager und seine milchig, weiße Haut verkörperte lediglich eine adelsgleiche Blässe und nicht diese fade Totenbleiche, die seine Bekanntschaften immer davon trugen, sobald er ihrer überdrüssig wurde. Seine Iris zierte ein klares Eisblau, welches einen faszinierenden Kontrast zu seinen dunkelbraunen, langen Haaren bildete und der gewollt mysteriösen Ausstrahlung den letzten Schliff verlieh. Er glich keinesfalls einem vollgesogenen Blutegel, sondern vielmehr einer Augenweide für den geneigten Betrachter. Der Erfolg gab ihm Recht. Die Frauen lagen ihm und seinen Reizen zu Füßen und genau da wollte er sie auch haben, bevor er ihnen das Leben stahl. Eine Zeremonie des Todes. Ein Akt der vollkommenen Ekstase, geprägt von rauer Lust, die sich durch die gellenden Schreie der Erwählten unbeschreiblichen Höhepunkten entgegen trieb. Quieken sollten sie wie Mäuse unter scharfen Katzenkrallen. Heulen wie Wölfe, die in den rostigen Tellereisen der Jäger gefangen, auf ihr sicheres Ende warteten. Und winseln wie geprügelte Hunde, denen langsam die Kraft entsagte. Eine Symphonie der Qual. Die Melodie des Todes auf den weichen Lippen der Evastöchter, die in seinen Bann gerieten. Anmutig und zart hatte er sie am liebsten, mit seidiger Haut und großen, neugierigen Augen. Das pure Leben sollte aus ihnen strahlen, damit er es ihnen nehmen konnte, wenn sein Hunger unerträglich wurde. Der Durst nach warmem, jungen Blut, welches so appetitlich in den Venen pulsierte, während die naiven Geschöpfe kokett lachend seinem Charme erlagen und ihrem Henker in die Arme sanken, brachte ihn manches Mal fast um den Verstand. Aber er genoss den bittersüßen Schmerz ebenso, wie die letztendliche Erlösung. Ein lustvolles Spiel, um der unendlichen Ermüdung für einen Augenblick zu entkommen. Der Ausbruch aus einem Jahrhunderte andauernden Dasein, bis zum Überdruss ausgeschöpft und dennoch unendlich. Gefangen in einer Existenz, die weder wahres Leben, noch den Tod versprach. Ein Seufzen drang durch Gabins volle Lippen, als er seinen Kleiderschrank in Augenschein nahm, um sich für die Nacht herzurichten. Nantes war einfach nicht mehr dieselbe Stadt, für die er 1703 seine Leidenschaft entdeckt hatte. Als Vampir war er schon viel herumgekommen. Über Nizza, Marseille, Toulouse und Bordeaux, hatte es ihn schließlich in diese Stadt verschlagen und im 18. Jahrhundert war die Hafenmetropole ein regelrechtes Festbankett für einen ausgehungerten Blutsauger mit Stil. Der florierende Sklavenhandel brachte stets neue Leckerbissen an die Küste. Während der Französischen Revolution fielen ein paar Leichen mehr nicht ins Gewicht und der Vendée-Aufstand mit seinen vielen Opfern, den Blutbädern und den Brandschatzungen durch die »höllischen Kolonnen« der Pariser Regierung, machten diese Zeit zu einer pompösen Happy Hour, die seinesgleichen suchte. Auch die holde Weiblichkeit glänzte früher noch durch Zurückhaltung und unterschwellige Begierde, die es einem leicht machten, die ein oder andere für ein kleines Abenteuer zu begeistern. Wenn er so zurückdachte… Die elegante Anais mit den warmen, braunen Augen und der geraden, feinen Nase, die in aristokratischer Scheu erst einmal erobert werden wollte, um dann gierig ihre schmalen Lippen in seinem Schoß zu versenken. Élodie, das hitzköpfige Dienstmädchen mit den Sommersprossen, welches ihm in einer kühlen Nacht anno 1893 im Pferdestall die Sporen gab. Oder Ines und Chloe, die so feengleich im Wasser tollten und alles um sich herum vergaßen, als er ihren blanken, zarten Leibern das Laster zeigte, bevor er ihnen das Leben entzog und einer Familie in dieser lauen Sommernacht gleich zwei Töchter nahm. Er hatte sie alle nie vergessen, auch wenn sein Interesse nach ihrem Tod ebenso plötzlich das Zeitliche segnete. Gabin behielt ihren Atem in Erinnerung, ihr Lachen und den Klang ihrer Stimmen, wenn sie das Ende kommen sahen. Nicht diese starren Hüllen zu denen er sie schlussendlich gemacht hatte. Das Bild von toten Geschöpfen vergrätzte seinen Sinn für Ästhetik aufs Tiefste. Kalte Körper, ohne einen Funken Energie. Plumpes Fleisch und maskenhafte Mienen. Alles unvermeidbare Resultate seines Handelns, und doch gab er sich daran keine Schuld. Sie waren am Ende eben alle zu schwach gewesen, um seine Gunst zu halten. Zu menschlich. Eine sehr mangelhafte Kreation der Natur, zu seinem Leidwesen… Aber all das war Vergangenheit. Heute, im 21. Jahrhundert, gab es kaum noch Spuren dieser feudalen Grazie und ein wenig Wehmut verdunkelte seine Sinne. Seine letzte Mahlzeit hatte sich leider als ziemlich enttäuschend erwiesen. Dabei verhieß Apolline doch ein recht appetitliches Häppchen zu sein. Die süße Apolline mit ihren blonden Korkenzieherlöckchen, den rosigen Wangen und strahlend, grünen Augen. Die süße Apolline, deren Lachen einer rostigen Kreissäge glich, und die sich im Bett als wenig bemüht herausstellte. Dem Frauenzimmer hätte auch mit nur siebzehn Jahren klar sein müssen, dass ein Mann nicht auf geschlechtliche Betätigung aus war, die eingeschlafenen Füßen glich und sich nur unnötig in die Länge zog. Im anschließenden Sterben war sie dann – wiedererwartend - recht hastig gewesen. Kaum der Rede wert und sicher keine befriedigende Tatsache. Die modernen Frauen waren alle so…Er wusste kaum eine passende Beschreibung zu liefern, doch irgendwie war es ihm, als hätten die meisten ihre emotionale Unschuld bereits mit einsetzender Geschlechtsreife verloren. Keine Ziererei, kaum Scheu und eher die Forschheit eines jungen Galans mit angestauter Libido zeichnete die neuen Generationen aus. Er musste sich kaum bemühen, um die holde Gunst der Damen, denn sie warfen sie ihm fast ungeschminkt vor die teuren Abendschuhe. Konnte man früher noch eine leichte Röte auf ihre Wangen zaubern, wenn man ihnen eindeutigere Avancen machte, so taten sie dies heute oft selbst und so mancher Mann erglühte bei ihren Äußerungen. Auch Apolline war so eine gewesen. Machte keinen Hehl daraus auf welche nächtlichen Aktivitäten sie abzielte, und reizte recht undamenhaft durch ihr knappes Röckchen und die dirnengleichen, hohen Schuhe. Die Straßen waren gepflastert mit diesen leichten Mädchen, welche ein ausgedehntes Werben eher als lästig empfanden, denn verlockend. Für einen Mann dem dieser Akt des Freiens schon zum Vorspiel diente und einen Teil der letztendlichen Befriedigung ausmachte, ein herber Schlag. Das Spielen mit der Verheißung war diesen Weibern fremd geworden und sie überrollten einen wie klobige Panzer mit ihren Gelüsten. Dennoch ließ er sich darauf ein. Was blieb ihm auch sonst? Sein Appetit war so groß wie eh und je, nur die Mahlzeiten fielen kärger aus. Darum ging er auch viel häufiger als früher, auf die Suche und hoffte doch endlich einmal wieder einen kleinen Diamanten in diesem falschen Glanz zu finden. Doch heuer flammte Hoffnung in ihm auf, denn er war auf einen Maskenfest geladen. Ganz im Sinne der guten alten Zeiten, wollte die gehobene Gesellschaft sich vergangenen Epochen hingeben und Frauen in wallenden Kleidern warteten - ohne es schon zu ahnen - nur darauf hingebungsvoll von ihm geschlachtet zu werden. Lange hatte er seine - früher so alltägliche - Kleidung nicht mehr getragen. Das weiße, gerüschte Hemd, kombiniert mit der braunen, engen Kniebundhose und den groben Stiefeln machte die Vergangenheit wieder ein Stück weit lebendig und nahezu gut gelaunt verließ Gabin nach Sonnenuntergang das Haus. oOo Der Tanz war schon in vollem Gange, als der junge Edelmann den Saal betrat. Er hatte sich eine recht schnörkellose Halbmaske umgebunden, welche nur Augen und Nase geheimnisvoll umhüllte, seinen Mund aber für geneigte Konversationen unbeeinträchtigt ließ. Außerdem waren seine vollen Lippen viel zu Schade, um sie den ganzen Abend lang verdeckt zu halten. Nach außen hin unbeeindruckt, durchforstete er neugierigen Blickes den Raum, immer auf der Suche nach einer interessanten und hoffentlich köstlichen Bekanntschaft. Es war ein munteres und buntes Treiben und die Kostüme reichten von dilettantischer Vermummung bis hin zu kunstvollen Nachbildungen längst vergangener Zeiten. Er entdeckte ein paar Frauen, die sich fröhlich unterhielten und ihre langen, bestickten Samtkleider einer gegenseitigen Modekontrolle unterzogen. Ihre Masken waren aufwändig geschmückt, verdeckten fast alle das komplette Gesicht und erinnerten ihn durch ihre elfenbeinfarbene Basis leider wieder an Tod und Kälte. Da konnten auch die bunten Federn und die oft schwarz eingerahmten, zarten Ornamente nichts mehr ausrichten. Der erste Weibertross hatte seine Ansprüche soeben nicht erfüllt. Sein Blick schweifte weiter zu drei wohl noch jungen Damen, im Gespräch mit zwei recht stümperhaft gekleideten Herren, die durch ihre grobe Gestik mehr denn lächerlich auf ihn wirkten. Denen sollte man erstmal erklären, dass man zu einem klassischen Frack auch die obligatorische, weiße Frackweste zu tragen hatte und weder die Manschetten umschlug, noch protzige Armbanduhren hinzukombinieren durfte. Eine wirkliche Beleidigung für das geübte Auge. Doch diesen Weibsbildern in ihren ärmellosen, weißen Musselingewändern, schien all das weder etwas auszumachen, noch störten sie die holzigen Annäherungsversuche, der beiden Möchtegernaristokraten. Ausgemustert angesichts mangelndem Stilgefühls. Sollte diese Nacht tatsächlich ein grober Reinfall für ihn werden? Musste er sich am Ende entweder hungrig, oder mit einer geschmacklosen Kaltspeise nach Hause begeben? Gabin war der Resignation nahe, als plötzlich ein unerwarteter Glanz seinen Augenwinkel streifte. In der Nähe einer prunkvoll geschmückten Säule, verschwand soeben eine schlanke Gestalt hinter einem roten, schweren Vorhang, der auf die Veranda führte. Innerlich in heller Aufruhr, doch äußerlich völlig entspannt, schritt der Vampir auch in Richtung Balkon und trat ins Freie. Gespielt überrascht bemerkte er das junge Frauenzimmer und verbeugte sich in adeliger Manier zum Gruße. Die Dame schmunzelte erfreut und machte ihrerseits einen höfischen Knicks um dem feudalen Spiel genüge zu tun. Gabin bemühte sich seine musternden Blicke so gut es ging vor ihren Augen zu verbergen, ohne jedoch desinteressiert zu wirken, was bei diesem Anblick auch keine Schwierigkeit darstellte. Dunkelgrüner Damast betonte die zarte Silhouette an den richtigen Stellen, und die feine Spitze umschmeichelte das zauberhafte Dekolletee der Trägerin auf vortreffliche und dennoch dezente Weise. Das lange, rote Haar fiel in sanften Wellen über ihre schmalen Schultern und die goldene Schmetterlingsmaske verdeckte lediglich die Partie rund um die Augen. Dadurch konnte der geneigte Betrachter auch einen Blick auf ihren ebenmäßigen Teint und die winzigen Sommersprossen werfen, welche die rosigen Wangen und die reizende Stupsnase zierten. Ein Lichtblick! Ein Augenschmaus! Hoffentlich blieb es auch bei diesem ersten und begeisterten Eindruck. Denn noch hatte er ja nicht mit ihr gesprochen und die Erinnerung an Apolline, die Kreissäge, mahnte ihn zur Vorsicht. „Sie wirken so nachdenklich, mein Herr.“, unterbrach die junge Frau Gabins Gedanken, mit weicher Stimme und betrachtete ihn leicht irritiert. Leider warf ihre Maskierung Schatten, sodass dem neugierigen Vampir ihre Augenfarbe noch verborgen blieb. Geschwind nahm er seine Sinne zusammen und lächelte ihr sanft entgegen. „Ich sorgte mich nur soeben darum, ob die kühle Nachtluft nicht Ihrer Gesundheit nachteilig werden könnte.“, erklärte er sich und sah sie leicht bekümmert an. „Es würde mich untröstlich stimmen ein so zartes Geschöpf ans Bett gefesselt zu wissen, und das nur, weil es mir und den anderen Herren einen so lieblichen Anblick bescheren wollte.“ >Treffer versenkt.<, durchschoss es den Vampir ganz ungalant, als er der leichten Röte um ihre Wangen gewahr wurde und sie verlegen auf ihren Rocksaum starrte. „Ich hoffe doch, ich habe Sie nun nicht vergrätzt, Gnädigste?“, erkundigte er sich ernsten Blickes und trat ein Stück an sie heran. „Nein, nein!“ Kurz stockte sein Gegenüber und räusperte sich leise. „Ich meine…durchaus nicht, mein Herr. Es beschämt mich nur ein wenig, derart schmeichelnde Worte, im Bezug auf meine Erscheinung, auszulösen.“ Nun hob sie den Kopf und Gabin sah sich smaragdgrünen Augen ausgesetzt, die ihm kurz den Atem nahmen. Wirklich ein Leckerbissen dieses Frauenzimmer und stimmlich zum Glück mehr Nachtigal, als rostige Kreissäge. „Ich wollte Sie auch in keinster Weise beschämen, Teuerste.“, versicherte er schnell und griff nach ihrer schmalen Hand. „Ich bin es nur gewohnt, stets das zu sagen, was mich bewegt und dies auch, ohne einer Lüge habhaft zu werden. Solch Liebreiz verdient meine gänzliche Aufrichtigkeit.“ Noch rasch ein hingehauchter Kuss auf ihre schlanken Finger und schon war das Eis gebrochen. Der Vampir war in seinem Element, und heute durfte er endlich einmal wieder aus den vollen schöpfen. In der Nacht der Masken, die seiner früheren Welt, zwar nur vage nahe kam, aber immerhin Freiraum für sein geliebtes Spiel des Tändelns bot. „Dürfte ich mir nun erlauben nach ihrem Namen zu fragen, Verehrteste? Mich drängt zu erfahren, wie denn die zarte Rose heißt, deren Hand ich mir gerade so taktlos zueigen machte.“ „ Coralie.“, brachte die Angesprochene nur verblüfft hervor und schluckte leicht, als Gabin kurz die Augen schloss. „Coralie…“, wiederholte er verträumt und seine Mundwinkel zuckten leicht. Er hatte Hunger. Massiven Hunger. Aber noch mehr drängte ihn das verlockende Spiel, um die Sympathie der nächsten Mahlzeit. Und so tat er, was er immer tat, wenn sein Appetit sich regte: Er wurde noch charmanter. Um sein Opfer genüsslich verzehren zu können, musste es zuerst vollkommen zufrieden mit der Wahl seines Henkers sein. Mehr als gewillt, der holden Dame die schönste Nacht ihres Ablebens zu bereiten, ergriff der Vampir die Gunst der späten Stunde. „Mademoiselle Coralie, Sie würden mich zum glücklichsten Mann dieses Festes machen, wenn ich um Ihre Hand zum nächsten Tanz bitten dürfte!“ Die Falle schnappte zu, und bereitwillig ließ sich die geschmeichelte Dame von ihrem Verehrer zurück in den Saal begleiten, in dem gerade ein eigens engagiertes Streichquartett zu einer Loure aufspielte. Dieser langsame, höfische Reigen war Gabin noch gut in Erinnerung und er führte seine Tanzpartnerin sicher und elegant über das Parkett. Alles lief so perfekt, dass der Brünette es kaum fassen konnte, aber er behielt die tadellose Fassade eines Gentlemans aufrecht – trotz Heißhunger. Und während sie noch zu weiteren Musikstücken den Takt wahrten, sich unterhielten, scherzten und er Coralie immer näher kam, durchzuckte den Vampir ein leichter Schmerz, den er zuvor noch nie verspürt hatte. Diese Frau hatte eine derart faszinierende Ausstrahlung. Sie war gebildet – im wahren Leben Geschichtsprofessorin – trotz ihrer 30 Lebensjahre von atemberaubender, jugendlicher Schönheit, durch die man sie eigentlich auf Anfang 20 schätzen konnte, und sie brachte ihn zum Lachen. Zu einem ehrlichen Lachen, welches völlig unbefangen seiner Kehle entwich und nicht, wie sonst, gespielt das Interesse aufrechterhalten sollte. Die attraktive Frau mit irischen Wurzeln, begann ihn allmählich ernsthaft zu bezaubern. Ein ungewohnter und verwirrender Umstand, der Gabins innere Ruhe zum Wanken brachte. Unbekanntes Terrain, auf dem sich der Vampir nun zu bewegen versuchte, ohne den Halt zu verlieren. Er war der Spielmacher. Der planvoll vorgehende Casanova, mit der blutigen Komponente, und auch wenn ihn seine Erwählten schon oft begeistern konnten, hatte er noch nie derartige Sympathien für sie gehegt. Sie waren beileibe alle schön gewesen, doch einer derart inner Schönheit war er noch nie gewahr geworden. Er lief Gefahr die Zügel aus der Hand zugeben, während er sie zu den unterschiedlichsten Violinenmelodien durch den Raum geleitete. Wie konnte es sein, dass er sich binnen dieser kurzen Zeit dieser Dame schon so verbunden fühlte? Wie war es möglich, dass sie ihm ein Gefühl bescherte, welches ihn so vehement an den warmen Schein einer Kerze neben dem Kamin erinnerte? Er wusste sich selbst kaum noch zu helfen, weil es ihn so drängte ihre Nähe zu spüren. Sich eng an sie zu schmiegen Und so bettete er seinen Kopf an ihre Schulter, erfühlte mit der Wange ihre weiche Haut und wurde von einem unbändigen Hunger ergriffen, der ihn augenblicklich in seine bittere Realität zurück schleuderte. Ihre Halsvene pochte leise, aufgescheucht vom tänzerischen Tun und sein Ohr vernahm dieses köstliche Pulsieren des Blutes, welches ihm einen dürstenden Schauer durch die Glieder trieb. Es war zurück, das Raubtier. Die Gier, die all sein Denken ergriff, und doch sehnte er sich nach diesem lodernden Gefühl, welches ihm so flüchtig das kalte Herz erweichte. Doch es war verschwunden. Er würde tun, was er immer tat. Nur dieses Mal mit einem Quantum Mitleid für das erwählte Geschöpf, das ihn soeben lachend Richtung Ausgang zog. Ihr Schicksal war in dem Moment besiegelt, als sie bereitwillig zu ihm in das Taxi stieg und sie gemeinsam zu seiner Wohnung in der Rue de la Paix aufbrachen. Während der Fahrt entledigten sich die beiden noch ihrer Maskierung und blickten neugierig und mit wachsendem Wohlgefallen in das Gesicht, des jeweilig Anderen. Angekommen, öffnete Gabin ihr zuerst galant die Auto- dann die Haustür und führte sie in seine Kammer des Schreckens, welche noch, in unschuldigem Schein der Kerzen, eher einem komfortablen Liebesnest gleich kam. Die Grünäugige lief begeistert durch das Wohnzimmer, betrachtete verzückt die Fülle an Antiquitäten, welche der Vampir einst als die neueste Mode erstanden hatte und heute als gute Kontakte zu entsprechenden Händlern auslegte, und erschrak fast, als sich seine kühlen Finger an ihrem Nacken zu schaffen machten. Fast abwesend umstreifte Gabin die Halswirbel, strich an ihrem Genick entlang, streichelte über ihre Schulterblätter und entlockte ihr kleine, wohlige Seufzer, die ihm verrieten, dass er ungehindert weiter gehen durfte. Coralie schloss genießerisch die Augen, während weiche Lippen federleichte Küsse auf ihrer Halspartie verteilten, und ihr Kleid langsam zu Boden rutschte. Mit nichts am Leib, außer ihrem Spitzenhöschen, stand sie nun da und spürte bald darauf, wie eine forsche Zunge an ihrer Wirbelsäule hinabwanderte, um überall prickelnde Zärtlichkeiten zu verteilen. Gabin stoppte erst an ihrem Steißbein. Er liebkoste das verlockende Fleisch und entwendete ihr, in genussvoller Ruhe, auch noch das letzte Kleidungsstück, um die Evastochter in gänzlicher Blöße betrachten zu können. Minuten des Schweigens hielten Einzug und die Rothaarige wagte kaum zu atmen. Es war alles so unwirklich, ein wenig beklemmend und doch so lustvoll, dass sie es kaum erwarten konnte, was nun noch folgen würde. „Setzt Euch.“, durchdrang plötzlich die dunkle Männerstimme den Raum und sie nahm, wie bedeutet, in einem großen Ohrensessel Platz. Es war seltsam so völlig nackt auf den Polstern zu verweilen, aber auch aufregend neu. Der Brünette kniete nieder und drückte sanft ihre Beine auseinander, um kurz darauf einen kleinen Kasten unter dem Möbelstück hervorzuholen. Gespannt beobachtete Coralie, wie er den Behälter öffnete und eine wunderschöne Violine zum Vorschein kam. Gabin sagte nichts, sondern begann dem Instrument eine Melodie zu entlocken, welche die Zuhörerin im Ohrensessel durchaus zu begeistern vermochte. Wieder senkten sich ihre Lider und für einen Augenblick war alles um sie herum vergessen. Der Vampir beobachtete wie sich ihr makelloser Körper immer mehr entspannte. Sich völlig dem Klang hingab und seinen Durst verstärkte. Die Rothaarige nahm kaum mehr wahr, dass die Melodie irgendwann verebbte, er die Geige zurücklegte und den Kasten wieder zwischen ihren Beinen hindurch, unter dem Sitz verstaute. Sie kam erst wieder richtig zu sich, als sie von starken Armen angehoben wurde und Gabin sie mit sich ins Schlafzimmer nahm. In dieser Nacht fand der Schlaf keinen Platz im Bett der Sünde. Die rote Venus lag so sanft in seinen Armen, kleine Schweißperlen auf der Stirn und ein verzücktes Keuchen auf den Lippen. Jeder normale Mann würde sich jetzt dem Himmel nahe fühlen und dankbar sein für dieses Geschenk an Liebreiz und intuitiver Erotik. Doch Gabin fühlte nichts außer Gier, und es machte ihn wahnsinnig. Sie lächelte warm und schloss die Augen, um sich der forschenden Zunge auf ihrem Schlüsselbein ganz hinzugeben, das Prickeln auf ihrer Haut zu fokussieren und den Tanz der Körper gänzlich zu genießen, bis das Finale sie glühend mit sich riss. Atemlos legte Coralie die Hände in den Nacken ihres Verführers. Sie war erschöpft und doch viel zu ruhelos, um sich in Morpheus Arme zu begeben. Es war eine außergewöhnliche Nacht gewesen. Irgendwie düster und doch so erfrischend. Kaum ein anderer Mann hatte sich je so um sie bemüht, und ihr alles gegeben, wonach ihr Körper suchte. „Ich glaube, in dich könnte ich mich verlieben.“, hauchte sie ihrem Eroberer ins Ohr und lächelte sanft, als er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergrub. „Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.“, flüsterte Gabin. „Ja das wünschte ich wirklich…“ Irritiert blickte die Rothaarige auf den dunklen Haarschopf zu ihrer Rechten. Doch für Fragen war es bereits zu spät. Coralie riss panisch die Augen auf, als sich ein schmerzliches Brennen durch ihren Körper zu ziehen begann. Das Geräusch von aufplatzender Haut ließ den Vampir erschauern. Der Blutrausch begann, und die klagenden Laute an seinem Ohr verstärkten den Drang sich tief in das rosige Fleisch zu graben. Er wollte mehr. Wollte den Moment voll auskosten, in dem ihr zitternder Leib um sein Leben kämpfte. Coralies Nägel krallten sich in seinen Rücken und auch ihn durchfuhr ein bittersüßer Schmerz. Scharf sog er die Luft in seine Lungen, presste sich fester an den sich windenden Frauenkörper und trank sich an dem warmen Blut in Rage. Die schlanke Dame atmete schon sehr flach, lag da wie paralysiert und wimmerte kläglich. Es erregte ihn sie so zu sehen und er spürte, dass seine Erlösung bald kommen würde. Doch noch wollte er sie nicht gehen lassen. Der Augenblick sollte andauern, bis sein Hunger verebbte. Gabin ließ ab von ihrem Hals betrachtet die Haut, gleich weißer Schokolade an der die roten Tropfen gen Laken rannen und in dunklen Flecken auf dem weißen Satin endeten. Ein schönes Bild. Fast vollkommen und doch nur von kurzer Dauer. Wie jedes Mal, wenn er dem Raubtier in sich die Zügel überließ. Die Grünäugige war so makellos in ihrem Todeskampf, dass er ihr am Liebsten noch tausendmal beim Sterben beiwohnen würde. Doch die Nacht neigte sich dem Ende und nun konnte und wollte er nicht mehr länger warten. „Sing für mich.“, wisperte er seiner Nachtigal ins Ohr und drang ein letztes Mal zwischen ihre Beine, ließ ihren Schoß erzittern und ein gellender Schrei erfüllte den Raum, als scharfe Zähne Coralies linke Brust durchschlugen. Gabin wollte den Tanz beenden…nah an ihrem ruhelosen Herzen, dem er alsbald die Stille brachte… Alsdann lag sie da. Verkrampft und fahl. Die Augen weit geöffnet und mit starrem Blick. Der Mund verzerrt, die Lippen von einem unnatürlichen Blau gezeichnet. Gar nicht mehr schön. Richtig hässlich wurden sie, wenn man ihnen das Leben aus den Adern gesogen hatte. Ohne das warme, pulsierende Blut glichen sie plötzlich reizlosen Puppen, die jedem noch so geschmackvollen Ort den Zauber nahmen. Sein Bett war wieder einmal geschmückt mit einem scheußlichen Klumpen Fleisch. Verschandelt vom Tod, der sein Dasein bestimmte. Noch vor dem ersten Sonnenstrahl hatte er das Weib und ihre wenigen Habseligkeiten in einer etwas abgelegenen Seitengasse entsorgt. Sollten sich doch die Ratten darum kümmern. Vielleicht würde man auch dem verwirrten Stadtstreicher ihr Ableben anlasten. In seinem Suff hatte der Penner gar nicht mehr begriffen aus welchem Material sein neues Kopfkissen bestand. Gabin konnte es egal sein. Er zog sich zurück in den Kerker. In seine Wohnung, welche die Sonne tagtäglich neu zu einem Gefängnis verkommen ließ. Die Jalousien verbannten das Tageslicht. Kerzen flackerten in ungefährlichem Glanz. Das Bett hatte er frisch bezogen, doch Ruhe fand er darauf nicht. Also schleppte sich Gabin zu seinem Ohrensessel, zog seinen Geigenkasten darunter hervor und begann wie so oft, seine Verbitterung in einer Melodie zu ertränken. Mit der Violine in der Hand wartete er rastlos auf die Dunkelheit…spielte sich einem neuen Tanz entgegen und sehnte sich nach Leben. Selbst wenn der Tanz endet, die Musik erstirbt nie… ENDE PS: Ich gehe mal wieder davon aus, dass meine Kommasetzung ein paar Mängel aufweist. Aber ich hab mich schon gebessert ^__^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)