Bad Guys Always Die von In-Genius (Wer früher stirbt, ist länger tot) ================================================================================ Ride One: You never met me, and you'll probably never see me again ------------------------------------------------------------------ Die Schüsse flogen ihm um die Ohren und das laute Rufen der Männer in seinem Rücken folgte unmittelbar. Sie schrien ihm nach, wollten ihn am Galgen hängen sehen. Er spornte sein Pferd an, trieb es weiter, um seinen Verfolgern so schnell wie möglich zu entkommen. In welche Richtung er ritt, wusste er nicht und so lange ihn die fremden Kugeln nicht trafen, war es auch erst mal nicht wichtig. Hauptsache fort von hier. Sein Pferd preschte davon, flog förmlich über den Sand und wirbelte Staub auf. Es lief geradewegs in die Wüste. Damit würde er seine Jäger abschütteln. Nie folgten sie einem windigen Hund wie ihm blindlings in die Wüste. Das könnte sie umbringen. Lieber zählten sie darauf, dass er sich in der Wüste verirrte und jämmerlich verdurstete und verhungerte, wie der jämmerliche Hund, der er war. Schweine! »Ihr wollt doch bloß mein Kopfgeld!«, schrie er ihnen zurück, riskierte den Blick nach hinten und streckte ihnen seinen Mittelfinger entgegen. Er konnte es wohl Glück nennen, dass sie das schon nicht mehr sahen, dafür war er schon zu weit geritten. Denn allein für diese Geste hätten sie ihm eine Ladung Blei gratis in den Hintern geschossen. Trotzdem hatte er Recht, das wusste er nur zu genau. Wenn sie ihn erkannten, jagten sie ihn immer nur wegen seines Kopfgeldes von 60 Millionen Berry und nicht, weil sie der Gesellschaft etwas Gutes wollten. Dabei tat er niemandem weh. Zumindest theoretisch. Pisste man ihm ans Bein, gab er das gerne auch einmal doppelt zurück. Strafe musste sein und auf das Gesetz konnte man sich hier nicht verlassen. Alles eine Frage des Standpunktes und der Auslegung – des Richters oder des Sheriffs. Die waren natürlich nicht auf seiner Seite. Das Leben konnte schon hart sein als Wüstenpirat, wie man sie nannte. Er zügelte sein Pferd und lies es in einen seichten Trab fallen. Die Verfolger hatten ihn schon längst aufgegeben und seinem Schicksal überlassen, manifestiert in der unbarmherzig herabscheinenden Sonne. Hoffentlich erreichte er schnell die nächste Stadt. Das einzige, was er erreichte, war Durst, unbändigen Durst und Hunger. Vor drei Tagen war ihm das Wasser ausgegangen und letzte Nacht war ihm sein Pferd weggelaufen. Aber er kämpfte sich weiter durch das trockene Land dieser Ebene, wie die vergangenen drei Wochen schon. Immer vorwärts und hoffend, bald auf einen kleinen Fluss oder Bach, einen Teich zu stoßen oder tatsächlich endlich die nächste Stadt zu erreichen. Ansonsten würde er bald hier draußen krepieren. Dabei hatte er noch so viel vor … Er blinzelte, beschattete seine Augen. Er glaubte, in der Ferne vor sich lange, große Schatten zu sehen. Könnte eine Stadt sein; wenn es keine Fata Morgana war. Er drückte sich selbst die Daumen. Stetig schritt er weiter auf die Schatten am Horizont zu, doch sie kamen und kamen nicht näher. Es war deprimierend. Da stand er so kurz vor der Rettung und könnte trotzdem noch ungehört sterben. Aber er setzte weiter einen Fuß vor den anderen, sein Ziel fest und klar im Blick. Ja nicht aus den Augen verlieren! Er hustete, röchelte. Der Staub nistete in seiner Lunge, seiner ausgetrockneten Kehle. Er meinte zu spüren, wie ihm schon Sand statt Blut durch die Adern floss. So ein Schwachsinn. Er wanderte die ganze Nacht, immerhin wusste man ja nie, ob man am nächsten Morgen wieder aufwachte, wenn man erst einmal schlief. Selbst wenn er noch so erschöpft war, er hatte einen eisernen Willen. Manche sagten, dies würde ihn noch einmal Kopf und Kragen kosten, seine Sturheit. Doch sein stärkster Gegner sah darin seinen Weg zum Ziel. Er gab niemals auf – schon gar nicht kampflos. Auch nicht, wenn er gegen eine Urgewalt der Natur kämpfte. Als die Sonne am höchsten stand, stolperte er an den ersten Häusern vorbei, traf seit langer Zeit erstmals wieder auf Menschen. Die Schatten waren also doch keine Fata Morgana. Er hielt eine Frau an, die geschäftig ihren Weg ging, und wollte sie nach einem Saloon, einer Kneipe, einem Gasthaus fragen. Irgendwas, wo man trinken und etwas essen konnte. Doch mehr als ein Röcheln bekam er nicht zustande. Die Frau lächelte mild und deutete schräg die Straße hinunter: »Das siebte Haus auf der anderen Straßenseite, da kriegen Sie was zu trinken und zu essen, junger Mann.« Er nickte leicht, dankbar und ging die Straße hinunter, vergaß die Häuser mitzuzählen. Doch er fand die Lokalität zum Glück auch so. Groß hing das Schild am Giebel: Flying Lamb. Heftig stieß er die Tür auf, betrat die Kneipe oder was es im Endeffekt auch sein mochte, und schritt direkt auf den Tresen zu. Nur wenige Leute saßen hier, vorzugsweise Männer ohne Nutzen. Schwer ließ er sich auf einen der Hocker nieder, nahm seinen sandigen Hut ab und forderte mit brüchiger, staubverklebter Stimme: »Trinken. Essen.« Mehr konnte er nicht sagen. Der Wirt nickte: »Klar«, und stellte ihm sogleich ein großes Glas Wasser vor die Nase. Gierig schüttete er sich das wunderbare Nass seine ausgetrocknete Kehle hinunter. Endlich. Unaufgefordert bekam er noch ein weiteres und kurz darauf auch eine Portion Reis mit Sauce. Er verschlang das Essen und das Wasser. »Nah, nicht so heftig«, grinste der Wirt, »Hast' dich in der Wüste verlaufen, hm?« Er zuckte mit den Schultern: »Pferd verloren.« »Glück gehabt. Hätte bös' ins Auge gehen können.« »Ich weiß«, er nickte leicht, »Haste auch Rum?« »Hast du auch Geld?«, stellte der Wirt die Gegenfrage und wackelte spöttisch mit einer gekringelten Augenbraue, die unter dem blonden Haar hervor lugte. »Ich bin g'rad erst dem Tod von der Schippe gesprungen und du denkst an Geld?«, pokerte er. »So ist das Geschäft. Es sind für uns alle harte Zeiten.« Er war noch nie gut in Poker gewesen. Theatralisch seufzte er auf, hustete und suchte in seinen sandigen Taschen nach ein paar Münzen. Mit etwas Glück … »Drei Berry und sechzig«, kam er schließlich auf eine Summe, als er alle Taschen durchsucht und die kleinen Münzen gefunden hatte. »Ist ja nicht gerade viel«, stellte der Wirt fest. »Wenn du's nicht willst, ich kann's auch woanders ausgeben.« »Sicher – Rum? Kommt sofort.« »Geht doch«, brummte er noch und fuhr sich durch die grünen Haare, Sand rieselte auf seine Schultern und den Boden. Der Wirt stellte ihm den gewünschten Alkohol vor und musterte ihn nun eingehend. Er trank einen Schluck aus der Flasche, fragte: »Hab ich was im Gesicht?« Der stechende Blick nervte ihn. »Ja, Sand.« »… Witz komm raus«, schnaubte er. Der Wirt zuckte nur leicht und amüsiert mit den Schultern, musterte ihn weiter. Schließlich fragte er: »Kenn' ich dich irgendwoher?« Er hob zweifelnd eine Augenbraue: »Miese Anmache, die is' doch echt überfällig.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)