Am Rande der Nacht von C-Bird ================================================================================ Kapitel 1: Alexander -------------------- Autor: C-Bird (the-court@onlinehome.de) [Ausarbeitung/ Story], Susi T. (Story) Kapitel: 2/? Summary: Begegnungen.... Disclaimer: Der Name Georgiana Darcy gehört Jane Austen, dasselbe gilt für (Fitz)William Darcy, sowie Carolyn und Charles Bingley. Die übrigen Charaktere gehören mir und sind frei erfunden und ich verdiene selbstverständlich kein Geld damit. Kommentar: Nach einer Ewigkeit das zweite Kapitel. Tut mir leid für die Trödelei, ich gelobe Besserung! Dafür ist es deutlich länger. Ich hoffe es gefällt euch. Achja, wenn ihr Rechtschreibfehler findet, bitte melden, dann korrigiere ich sofort! ____________________________________________________________________ „Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, Miss Georgiana. Master Heargraves ist ein sehr gutaussehender Mann. Überaus charmant. Ihr seid wahrlich beneidenswert.“ Kann ich Carolyn Bingley sagen hören und kann nicht umhin die Augen zu verdrehen. Dieser heuchelnde Tonfall, das in die Höhe gereckte Kinn, als sie neben uns her auf das Stadthaus der Familie Heargraves zuschreitet, gerade so als habe sie einen Stock verschluckt. Niemals käme sie auf den Gedanken sich ernsthaft positiv über jemanden zu äußern, so dass es mich kaum überraschen würde, wäre Master Heargraves in Wahrheit fettleibig und hässlich. Daneben ihr Bruder Charles zerstreut, doch ehrlich und von frohem Gemüt, ein geschätzter Freund Williams, der nichts mit Carolyn gemeinsam hat, wenn man einmal von Eltern und dem flammend roten Haar absieht. Georgiana hüllt sich in höflich reserviertes Schweigen, Roux summt eine heitere Melodie. Ein übellauniger Bediensteter heißt uns Willkommen, führt uns wortkarg in das vornehme Herrenhaus, durch die prachtvolle Galerie, in welcher sich keltische Artefakte an antike Statuen und zahllose Gemälde reihen. Mit knappen Bemerkungen äußert sich der Angestellte zu jedem Bild, nennt die Namen der abgebildeten Personen, bis wir zum Ende kommen und kurz vor dem letzten Portrait innehalten. „Und zuletzt: Master Heargraves.“ Nachdem ich bisher mein Interesse lediglich heucheln musste, um nicht allzu unhöflich zu wirken, stockt mir nun, als meine Augen über die Leinwand streifen, der Atem. Alexander Heargraves sieht nicht einfach ‚gut aus’. Insofern der Künstler wert auf eine wahrheitsgemäße Darstellung gelegt hat, ist der zukünftige Count überaus attraktiv, seine selbstbewusste Haltung, der herrische, fast arrogante Ausdruck in dem maskulinen Gesicht, die unergründlichen dunkelbraunen Augen und dazu die Andeutung eines schelmischen Lächelns, das seine Mundwinkel umspielt. Mit leichtem Entsetzen ertappe ich mich dabei, wie ich mich frage, was für einen Körper sein Anzug zu verbergen sucht... Unsanft trifft mich Roux’ Ellenbogen in den Rippen und ich muss mich fast gewaltsam von dem Anblick losreißen, um meinen Freund anzusehen. Sein wissender Blick treibt mir die Schamesröte ins Gesicht, doch anscheinend hat sonst niemand meine kurze ‚Abwesenheit’ zur Kenntnis genommen und so setzt sich nun der kleine Tross wieder ein Bewegung. Schließlich lassen wir die Galerie hinter uns und betreten den Ballsaal, wo uns eine schiere Masse an Menschen empfängt, die eingeladen wurden, um der Bekanntgabe des Grafen beizuwohnen: Dicke Geschäftsmänner, hochnäsige Aristokraten, junge Damen, die einen Mann suchen, und füllige verbiesterte Witwen, die den ihren bereits überlebt haben. Wir folgen unserem Führer durch die Menge, hin zu einem großzügigen Buffet mit kaltem Braten und Bowleschüsseln, wo sich tuschelnd eine Traube aus einem halben Dutzend Mädchen tummelt, um dem Gastgeber möglichst nahe zu sein. Er erwartet uns am Ende des langen Tisches, ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen, in Begleitung eines jungen, verwegen aussehenden Mannes und einer arrogant wirkenden Lady, deren Blick abfällig über die zahllosen Gäste schweift. Offensichtlicht erfreut uns endlich los zu sein, stellt uns der Bedienstete vor. „Countess.“ Eine Verbeugung in Richtung der Frau, deren Blick kalt und abweisend bleibt, dann eine weitere gegenüber ihrem Sohn. „Master Heargraves. Soeben sind die Herrschaften Darcy und Bingley eingetroffen sowie ein gewisser Mister Delacourt.“ Neben mir kann ich Roux abfällig schnauben hören, als der Diener seinen Namen englisch betont. Während die Countess kaum mehr als ein Nicken für uns übrig hat, tritt der junge Erbe einen Schritt auf uns zu, offenkundig höchst erfreut über irgendetwas, das nur indirekt mit unserem Kommen zu tun hat. „Es freut mich, dass Ihr die Zeit fandet der Einladung meines Vaters zu folgen.“ Seine Augen huschen von einem zum nächsten, kommen schließlich auf mir zum Ruhen und scheinen direkt in mich hinein zu sehen. „Bedauerlicherweise wird er nicht selbst erscheinen können, da ihn ein schweres Gebrechen ans Bett fesselt. Ich bitte dies zu entschuldigen.“ Und in eben jenem Moment, als er mir direkt in die Augen sieht und der tiefe, weiche Klang seiner Stimme mit dem leichten irischen Akzent darin in mir widerhallt, wird mir klar, wie sehr ich an meiner Beherrschung arbeiten muss. Ich senke den Blick und sehe so betreten auf den Boden vor mir wie ein Zwölfjähriger, der zum ersten Mal im Londoner East End ist und es nicht wagt die Freudenmädchen dort anzublicken. So kostet es mich fast körperliche Anstrengung aufzuschauen, um die Abwesenheit meines Bruders zu entschuldigen und ich beginne mir allmählich zu wünschen, dass Alexander Heargraves tatsächlich hässlich ist. Während sein durchdringender Blick auf mir ruht, welchen zu erwidern nahezu unmöglich ist, hoffe ich darauf, dass ich einfach im Erdboden versinken möge, nur um dieser unangenehmen Lage zu entkommen. Natürlich geschieht nichts dergleichen und stattdessen muss ich mich hilflos in ein entschuldigendes Lächeln flüchten. Ich benehme mich kaum besser als die jungen heiratswilligen Mädchen, die sich ihm schüchtern vorstellen, lediglich von der Hoffnung getrieben, nicht völlig ignoriert zu werden. Großartig. Fasziniert beobachte ich, wie sich seine Lippen zu einem sanften Lächeln verziehen, dann legt er mir für den Bruchteil einer Sekunde eine Hand auf die Schulter, um sich im nächsten Moment meiner Schwester zuzuwenden. Er hat in mir kaum mehr gesehen als einen dummen Jungen, der wie so viele Andere zu ihm aufsieht... „Mon dieu ...“ Seufzt Roux neben mir in der ihm eigenen Theatralik, umfasst meinen Oberarm und zieht mich ein wenig von den Übrigen weg. „Denk daran, was William dir aufgetragen ’at.“ Sagt er schließlich, als wir uns außer Hörweite befinden, klingt jedoch mehr amüsiert als tadelnd. „Es fällt mir schwer, ihn kritisch zu betrachten.“ Räume ich missmutig ein, meide dabei seinen Blick, indem ich die Menschenmenge betrachte. „Das ist kaum su überse’en.“ „Du übertreibst.“ Gebe ich trotzig zurück, wobei meine Augen nun den Pulk nach Master Heargraves absuchen. „Das würde isch niemals, Angélique, niemals.“ Roux grinst wissend, was mich ihn gegen den Oberarm knuffen lässt. „Fang ’ier ja keine Prügelei an.“ Mahnt er mich, den Zeigefinger drohend in die Höhe gereckt. „Warte kurs, isch werde uns etwas su trinken ’olen.“ Wir nicken uns zu, dann sehe ich zu, wie ihn die Menge verschluckt.. Wieder suche ich nach unserem Gastgeber, fahre unwillkürlich zusammen, als ich feststelle, dass er in meine Richtung sieht. Das er mich ansieht. Kaum haben sich unsere Blicke getroffen, lächelt er und macht eine Geste mit der Hand.. Die Gelegenheit sie zu deuten bleibt mir jedoch verwehrt, als sich plötzlich drei junge Frauen aufdringlich in mein Blickfeld schieben. „Mr Darcy!“ Freut sich die Erste, deren Gesicht mir nur allzu vertraut ist. Lillian – meine Verlobte. Ich möchte direkt zu beginn unterstreichen, dass sie sich bei mir nicht gerade großer Sympathie erfreut. Sie ist aufdringlich und jagt in der ihr massig gegebenen Freizeit am liebsten jungen Männern hinterher – zu meinem großen Bedauern bin ich meistens das bemitleidenswerte Opfer. „Miss Lillian.“ Stelle ich mit eher geringer Begeisterung fest und hoffe, dass sie bemerkt, wie unerwünscht sie und ihr Gefolge sind. Sie kichert trotzdem und stellt mir ihren Anhang vor , der ebenso kichert. „Was führt Euch hierher ?“, fragt Lillian nun und klimpert mit ihren langen Wimpern. „Ich denke, ich bin eingeladen worden.“ Ich widerstehe dem Drang vor so viel Dummheit die Augen zu verdrehen. „Oh...“ Macht sie und fächert sich überflüssigerweise Luft zu. „Dann seid Ihr mit Master Heargraves bekannt?“ Nein, ich bin ganz zufällig hier vorbeigekommen, erwidere ich in Gedanken. „Er scheint mit meiner Schwester verlobt zu sein.“ Antworte ich ein wenig gereizter und verspüre einen nicht definierbaren Groll gegen die Mädchen. Selten bin ich so froh gewesen Roux zu sehen. „Madmoiselles !“Erklingt fröhlich seine Stimme hinter ihnen und er bedeutet mir unauffällig zu verschwinden. „Monsieur Delacourt!“ Sagen die Drei im Chor und drehen sich nicht weniger heiter zu ihm herum. Ein äußerst geeigneter Augenblick, um sich unauffällig auf den Balkon zurückzuziehen. Frische Abendluft empfängt mich, eine Brise durchfährt mein Haar und die einsame Dunkelheit erscheint mir in diesem Moment als eine gute Gesellschaft. Ich stütze die Ellenbogen auf das Geländer, betrachte den Garten, der sich geheimnisvoll vor mir ausbreitet. Minuten vergehen, in denen ich nichts Anderes tue, als mich zu fragen, was in mich gefahren ist, als ich das Portrait sah. „Ihr scheint Euch nicht gerade zu amüsieren.“ Erklingt plötzlich eine Stimme hinter mir, die mich auf der Stelle herumfahren lässt. Master Alexander Heargraves steht kaum zwei Meter von mir entfernt, dennoch habe ich ihn nicht kommen hören. Eine Hand hat er in seiner Hosentasche vergraben, während die Andere ein Glas hält, das mit einer goldenen Flüssigkeit gefüllt ist. Der Umstand, das er mich soeben beinahe zu Tode erschreckt hat, scheint ihn zu amüsieren, denn er hat die Brauen in die Höhe gezogen und formt mit den Lippen ein mühsam unterdrücktes Grinsen. „Es war sicher nicht meine Absicht, Euch derart zu erschrecken.“ Entschuldigt er sich und ich beginne mich zu fragen, an welchem Punkt mir die Sprache abhanden gekommen ist. Keinen einzigen Laut bringe ich heraus, nicht einmal als er ohne Eile auf mich zugeht, um sich neben mir an die Balustrade zu lehnen. Er ist mir so nah, dass ich trotz des Lärms, der von Innen zu uns dringt, jeden seiner Atemzüge zu hören glaube. Es steigert meine Nervosität und ich versuche mich auf irgendetwas zu konzentrieren, das sich nicht auf diesem Balkon befindet. „Ich bin mir durchaus im Klaren darüber, zu welchem Sinn und Zweck Ihr Eure Schwester begleitet, Mr Darcy, und aus eben diesem Grund möchte ich Euch gerne eine Frage stellen.“ Während er spricht, blickt er auf den Garten hinaus und ich kann nicht anders als gebannt sein Profil zu betrachten. „Ich verstehe nicht, worauf Ihr...“ Beginne ich hilflos und bringe nicht einmal einen vollständigen Satz zustande. Seine braunen Augen lösen sich von dem Anblick des Gartens, um geradewegs in die Meinen zu sehen. „Seid Ihr verlobt, Mr Darcy ?“, fragt er unvermittelt und lässt mich ein wenig verwirrt die Stirn runzeln, bis ich langsam nicke. „Ich nehme an, sie ist aus gutem Hause und die Verbindung ist bereits seit vielen Jahren vorgesehen, damit Ihr sie irgendwann heiratet, so wie es die Familie geplant hat.“ Er nippt an seinem Glas und der beißende Geruch von Brandy steigt mir in die Nase. „Alles soll perfekt werden, unabhängig davon, was sich das Brautpaar wünscht.“ Seine Stimme ist ein wenig leiser geworden , so dass ich mich vorbeugen muss, um ihn zu verstehen. „Ihr habt Euch schon beinahe damit abgefunden, dass Ihr dem Weg folgen müsst, den man für Euch erdacht hat – und plötzlich begegnet Ihr jemandem.“ Er flüstert nun fast und ich finde mich mit dem Rücken zur Brüstung wieder, als er sein Glas außer Reichweite platziert, um dann genau vor mir stehen zu bleiben. Seine Größe zwingt mich zu ihm aufzusehen. „Ihr begegnet jemandem, Ihr seht ihn zum ersten Mal und beginnt Euch zu fragen, was Euch wichtiger wäre...“ Er verstummt und scheint seine nächsten Worte mit Bedacht zu wählen. „Worauf wollt Ihr hinaus ?“ Entgegne ich mutiger, als ich mich tatsächlich fühle, wobei ich einen Schritt vortrete. „Ich möchte wissen, was Ihr tun würdet.“ Womöglich bin ich ihm ein wenig zu nahe gekommen, denn beim Sprechen streift sein warmer Atem über meine Wange. Da er mich um gute 10 Zentimeter überragt, recke ich trotzig das Kinn, um ihm in die Augen sehen zu können. Schweigend blicken wir einander an, ohne dass ein Wort der Erwiderung meine Lippen verlässt. Ich halte die Luft an, als seine Hand leicht über meine Wange fährt, meinen Unterkiefer entlang, hin zu meinem Nacken. Er kommt näher, ich möchte mich an seinem Anzug festhalten, doch ich kämpfe den Drang nieder. Zu gebannt starre ich in seine Augen, warte, meine Lippen sind einen Spalt geöffnet, nur wenige Zentimeter liegen zwischen uns, nur ... „Alexander ?“ Fast augenblicklich tritt er zurück, fährt eilig herum zu der Frau, die umrandet vom Licht des Balls in der Tür steht. Es ist nur dem Umstand zu verdanken, das wir uns im Schatten befinden, dass sie nicht gesehen hat, wie nah wir uns bis eben gewesen sind. Zumindest hoffe ich das. Schließlich löst sie sich aus dem Licht, die Silhouette festigt sich und kaum dass ich sie erkennen kann, zieht sich etwas in mir zusammen. Honigfarbene Haut, raubtierhafte Augen in einem schönen südländischen Gesicht, üppiges schwarzes Haar, das wie Seide auf ihre Schultern fällt, ein aufreizendes rotes Kleid... und sie hat ihn beim Vornamen genannt. „Ich komme.“ Antwortet er mit fester Stimme, dann tritt er, ohne mich noch einmal anzusehen, an ihre Seite. „Ich habe nach dir gesucht.“ Erwidert sie und legt eine Hand auf seinen Unterarm. Ich wende den Blick ab und nehme sein Glas von der Brüstung, um es dann nach kurzer Betrachtung in einem Zug zu leeren. „Zu Eurer Frage, Master Heargraves...“ Höre ich mich selbst sagen und meine Stimme klingt so fremd und kühl, dass ich daran zweifle, dass es tatsächlich die Meine ist. Doch sein überraschter Blick, als ich ihm mit einem reserviertem Lächeln sein leeres Glas in die Hand drücke, ist Beweis genug, dass dies meine Worte sind. „Ich würde die Verlobung auflösen.“ Die Wärme des Alkohols vermischt sich mit meiner Wut, Wut auf mich selbst und meine Naivität. Wortlos trete ich an der Frau vorbei, hinein in die stickige Atmosphäre des Ballsaals. Nach einer Weile mache ich Roux am Büffet aus und ich geselle mich an seine Seite. „Dü sie’st ein wenig mitgenommen aus.“ Stellt er mit einem kurzem Seitenblick auf mich fest und seine Augenbrauen heben sich fragend. Meine Stimme ist belegt, als ich ihm antworte. „Ich glaube, ich habe ein Problem.“ „Das wäre ?“ Fragt er, obwohl ich eine Vorahnung in seinen Augen sehen kann. „Es könnte sich ergeben haben, dass ich mich in meinen zukünftigen Schwager verliebt habe.“ Ich senke den Blick, kann nur aus den Augenwinkeln sehen, wie sich ein stummes Lächeln auf seine Lippen stiehlt. „Das könnte in der Tat ein Problem sein.“ Entgegen meiner Erwartung scheint er nicht im Geringsten überrascht, so wie er es auch nicht war, als mir selbst klar wurde, dass ich mich weit mehr von Herren wie dem zukünftigen Count angezogen fühle, als von jungen Frauen wie meiner Verlobten Lillian. Er bemerkte es von allein und vermeidet jegliche Form der Verurteilung, unterstützt mich seither, so dass ich ihm sorglos meine Gedanken anvertrauen kann. So machen wir uns nun auf den Weg nach draußen, in den Garten, fern von neugierigen Ohren und ich schildere ihm mein – recht einseitiges – Gespräch mit Master Heargraves. Währenddessen beginne ich mich zu fragen, was er getan hätte, wenn die junge Frau nicht erschienen wäre. Und was hätte ich getan ? „Du würdest die Verlobung auflösen ?“ Fragt Roux, kaum dass ich geendet habe, und betrachtet mich voller Unglauben. Plötzlich beginnt er zu grinsen und ich unweigerlich zu erröten. „Das möschte isch se’en, Angélique, vraiment. Wie du William die Stirn bietest.“ Er schüttelt den Kopf und wird wieder ernst. „Ich wollte mich nicht wie ein kleines Mädchen aufführen.“ Erwidere ich trotzig, wobei mir schon im nächsten Augenblick bewusst wird, dass ich wie ein solches klinge. „Crâneur.“ Gibt er zurück. „Du wolltest das letste Wort ’aben, weil du eifersüschtig bist.“ „Warum sollte ich eifersüchtig sein ?“ Empöre ich mich, obwohl gerade dadurch überdeutlich wird, dass ich genau dies bin: eifersüchtig auf die junge hübsche Frau, die meinen zukünftigen Schwager beim Vornamen nennen darf und wie selbstverständlich seinen Arm berührt. Aus Roux’ heiterem Ausdruck schließe ich, dass mir jeder dieser Gedanken von der Stirn abzulesen ist. „Nun ein wenig ’offnung beste’t...“ Murmelt er nachdenklich, wobei er über sein dürftig rasiertes Kinn streicht. „Es wäre durschaus möglisch, dass er gerade tatsäschlisch versucht ’at ... sisch dir su nä’ern... gewissermaßen..“ Schnell werfe ich ihm einen zugleich ungläubigen wie vernichtenden Blick zu, was ihn aber nur die Schultern zucken lässt. „Oder er wollte mir übel mitspielen, weil ich ihn angestarrt habe wie eine liebestolle Verehrerin. Ich bitte dich, Roux. Du sollest mir so etwas ausreden und mich auf den Pfad der Tugend zurückführen, statt mich darin auch noch zu bekräftigen.“ Belehre ich ihn, wobei ich fortwährend auf und ab gehe. „Je suis Français!“ Antwortet er, als würde dies alles erklären. In der Tat bezweifle ich, dass man in Frankreich anders darüber denken würde. „Fassen wir susammen: il es un homme, il est le fiancé de Georgiana.. William est ton frère.“ „Sehr schlechte Voraussetzungen. “ Beendete ich seine Aufzählung mit einem frühzeitigen Fazit, bevor ich mich langsam auf den Weg zurück zum Herrenhaus mache. „Mit dieser Einstellung wirst du dein Verspreschen bestimmt nischt ein’alten können.“ Tadelt er mich, nachdem er zu mir aufgeschlossen ist, und aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass er über diesen Sachverhalt ernsthaft nachzudenken scheint. Vielleicht ist das größte Problem, das Roux kein Problem in der Tatsache sieht, das ich mich – möglicherweise ! – in den baldigen Count verliebt habe, sondern darin welche Hindernisse sich mir in den Weg stellen, sollte dies tatsächlich zutreffen... Ich schüttle den Kopf, um derlei wirre Gedanken loszuwerden und ihm zu antworten.. Oder besser: Ihm irritiert eine Frage zu stellen. „Was für ein Versprechen ?“ „Deine Verlobung aufsulösen.“ Erwidert er mit so einer schockierenden Selbstverständlichkeit, dass ich abrupt stehen bleibe direkt im Eingang des Ballsaals. Meine eigenen Worte kommen mir ins Gedächtnis und dazu das überraschte Gesicht des Iren. Mit Mühe versuche ich mich auf das Gesagte zu konzentrieren und NICHT auf das erwähnte Gesicht – was mir deutlich leichter fallen würde, wäre Master Heargraves nicht das Erste, was ich im Saal sehe... oder wahrnehme... oder sehen will. „Du tust es schon wieder.“ Höre ich Roux sagen und zucke fast augenblicklich zusammen. Alexander ... Master Heargraves ist auf der Treppe am anderen Ende des Saals. „Was?“ Frage ich nicht sehr überzeugend. „Du starrst i’n an.“ Gerade will ich zu einer patzigen Antwort ansetzen, als sich in einer Art Deja-vû –Erlebnis mein Verderben in Gestalt von drei jungen Frauen in mein Blickfeld schiebt. „Wen ?“ Will meine Verlobte wissen und ich muss feststellen, dass ich ihr bonbonbrosanes Kleid schrecklich finde. „Master ’eargraves. Da der ältere Monsieur Darsy i’m aufgetragen ’at, i’n nischt aus den Augen su lassen. Lawrense nimmt seine Pflichten se’r ernst.“ Er ist so überzeugend, dass ich es fast selbst glauben möchte. „I’r ’abt wirklisch Glück, Madmoiselle Lillian.“ Fügt er mit seinem charmantesten Lächeln hinzu, das mich ihm augenblicklich einen vernichtenden Blick zuwerfen lässt. Lillian fühlt sich dazu veranlasst, meinen Arm zu ergreifen, als wäre er ein Teddybär. Es fällt mir schwer nicht zurückzuzucken, noch schwerer als Roux es plötzlich für notwendig erachtet in der Menge zu verschwinden und mich mit den dreien allein zu lassen. Für quälende zehn Minuten versuche ich den Eindruck zu erwecken, das es mich interessiert, weshalb meine Verlobte ihre Kleider nur bei „Constantine’s“ anfertigen lässt, wobei ich gleichsam nach einer Gelegenheit suche, die drei möglichst höflich loszuwerden. Während nun also Emily Furlong ausführlich berichtet, welche schrecklichen Erfahrungen sie bereits mit „Constantine’s“ gemacht hat, tritt jemand an meine Seite, der sie augenblicklich verstummen und verzückt lächeln lässt. „Master Heargraves.“ Höre ich Lillian und mir ergibt sich die Frage, ob sie jedem seinen eigenen Namen nennen muss. „Meine Damen.“ Erwidert seine tiefe Stimme dicht neben mir und ich überwinde mich zu ihm aufzusehen. „Mr Darcy.“ Fügt er mit dem Hauch eines Lächelns hinzu. Fast rechne ich damit, dass mich für meine Gedanken der Schlag trifft. Nichts dergleichen geschieht. Ich lebe weiter und tue mich schwer damit, das Lächeln nicht dümmlich wie Emily zu erwidern oder vor den Augen meiner Verlobten fortzusetzen, was wir eben auf dem Balkon begonnen haben. Eilig schiebe ich den Gedanken beiseite. Was haben wir überhaupt begonnen? Glaube ich wirklich, dass er mich geküsst hätte, wenn diese Frau nicht aufgetaucht wäre ? Das nimmt sich auf beinahe dreiste Weise lächerlich aus. „Was können wir für Euch tun?“ Fragt Miss Emily mit ihrer Kleinmädchenstimme, fächelt sich übertrieben Luft zu und versucht ihm dabei eindeutig schöne Augen zu machen. „Ich denke nicht, dass Ihr irgendetwas für mich tun könnt, Miss Furlong. Ich bin nicht wegen Euch hier.“ Antwortet er geradeheraus und trotz dieser offenkundigen Unhöflichkeit scheint sie sich auch noch geschmeichelt zu fühlen, dass er sie wenigstens angesehen hat. „Ich fürchte, ich bin hier um Mr Darcy aus Ihrer Mitte zu entführen. Wir haben einige Dinge zu besprechen.“ Ich werde nicht mit ihm gehen. Ich werde einfach bei den Dreien bleiben, denn sollte ich dies nicht tun, werde ich sicher wieder keinen Ton herausbekommen. Die Entscheidung darüber wird mir unglücklicherweise abgenommen, als die Mädchen plötzlich von ganz allein verschwinden, um sich ein neues Opfer zu suchen. „Eure Schwester bat mich , Euch von der Gesellschaft der drei Damen zu befreien.“ Erklärt er sich, wobei ich seinen Blick wie eine Hand auf meinem Gesicht spüre, obwohl ich den Blick gesenkt halte. „Wie zuvorkommend.“ Lobe ich ihn in gespielter Anerkennung und sehe das Gesicht der fremdländischen Frau vor mir, ihren ganzen aufreizenden Aufzug. „Von meiner Schwester.“ Füge ich bissig hinzu, bevor ich ihm den Rücken zuwende und mich auf die Suche nach Roux mache. Die nächste Zeit verbringe ich beinahe ausnahmslos damit, nach der rotgewandeten Frau Ausschau zu halten, indem ich genau beobachte mit wem Master Heargraves spricht – was in den meisten Fällen allerdings Georgiana ist. Er tanzt nicht ein einziges Mal, weder mit meiner Schwester noch mit anderen Mädchen. Bin ich der Einzige, den dies wundert ? „Non, du bist der Einsige, dem es auffällt.“ Antwortet Roux und weist mich auf diese Weise darauf hin, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen habe. Ich sollte tatsächlich vorsichtiger sein. „Weißt du schon, was du William sagen wirst ?“ Fragt er und mustert mich forschend, als würde sich ihm so die Antwort von allein offenbaren. „Dass ich keine Bedenken habe ..Insofern Georgiana damit einverstanden ist, natürlich.“ Erwidere ich leise, ohne ihn anzusehen, da mein Blick noch immer auf meine Schwester gerichtet ist. NUR auf meine Schwester. Sie ist in ein ernstes Gespräch mit ihrem Verlobten vertieft, Sorgenfalten auf der sonst ebenmäßigen Stirn. Roux folgt meinem Blick, streicht sich ein paar fuchsbraune Strähnen hinters Ohr, die sich aus seinem Bauernzopf gelöst haben, und schüttelt ein wenig den Kopf. „Je ne comprend pas ça.“ Sagt er so leise, dass es schwer für mich ist, sein Französisch zu verstehen, sowie jedes Mal, wenn er aufgebracht in seine Muttersprache zurückfällt. Allerdings ist es dieses Mal nicht nötig nachzufragen, worüber er sich erzürnt. Es ist zu offensichtlich: Er kann nicht nachvollziehen, warum sie ihn heiraten muss, obwohl er sich so augenscheinlich nicht für sie interessiert und Georgiana selbst lieber einen mittellosen Schriftsteller ehelichen würde, während mir wiederum die Vermählung mit Miss Lillian bevorsteht. Manchmal verstehe ich es selber nicht. Mitternacht ist bereits überschritten, als sich unsere Kutsche auf den Heimweg macht, und Carolyns gehässiger Blick macht es mir schwer die Nerven zu wahren. „Seid Ihr zufrieden mit Eurem Verlobten, Miss Georgiana ?“ Fragt sie mit einem unsympathischen und vor allem aufgesetzten Lächeln. „Seid Ihr wütend, weil er Euch keines Blickes gewürdigt hat?“ Stelle ich eine Gegenfrage, wobei ich nicht einmal meine Augen vom Fenster abwende. Drei Augenpaare starren mich entsetzt bis überrascht an, während Roux neben mir still in sich hinein grinst. „Ich verbitte mir derlei unverschämte Unterstellungen!“ Zischt sie beleidigt zurück, erwartet offensichtlich eine Entschuldigung. Meinetwegen kann sie auch aus der Kutsche springen. „Von mir aus.“ Gebe ich zurück und bin mir durchaus im klaren darüber wie unhöflich ich gerade bin. Vor ungefähr einer Viertelstunde erreichte meine Gemütslage ihren Tiefpunkt, als wir uns von Master Heargraves verabschiedeten. Es war nicht zu übersehen, dass ihn meine vorangegangene Patzigkeit beleidigt hatte. Er küsste Georgiana und Carolyn den Handrücken zum Abschied mit jenem nur angedeuteten Lächeln, bei dem die meisten Frauen erröten und beschämt den Blick abwenden. Alle Frauen. Und wie ich zu meiner Schande gestehen muss: Mir ist es nicht besser ergangen. Umso schwerer war es zu ertragen, dass er für mich kaum mehr als einen schwachen Händedruck übrig hatte. „Also..“ Setzte er in kühlem Ton an, doch ich fuhr ihm patzig dazwischen. „Also was ?“ Meine Stimme überschlug sich beinahe, war eine gute Oktave zu hoch und kaum hatten die Worte meine Lippen passiert, schämte ich mich dafür. „Also dann.“ Das waren seine letzten Worte gewesen. Was hatte ich erwartet? Nur am Rande bekomme ich mit, dass Georgiana sich für mein rüdes Benehmen entschuldigt und zugleich beteuert, wie zufrieden sie mit ihrem Verlobten sei. Carolyn erwidert irgendetwas, das das Wort Charm beinhaltet, woraufhin meine Schwester ein gemeinsames Abendessen erwähnt. Ich bin zu sehr damit beschäftigt finster in die Nacht hinauszustarren, um dem eine Bedeutung beizumessen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)