Der Französischlehrer von Terrormopf (Heathcliff St. John's) ================================================================================ Epilog: -------- Der Notarzt konnte nur noch Richards Tod feststellen. Louis war nicht hingegangen. Während alle an ihm vorbei nach draußen gestürmt waren, die Sensation zu sehen, war er, ganz langsam, hinauf in Richards Zimmer gegangen, hatte sich dessen Rosenkranz aus der Schublade genommen und sich den um den Hals gehängt. Dann war er aufs Dach hinausgestiegen und hatte eine geraucht. Stumm waren ihm die Tränen über die Wangen gelaufen. Er hätte es wissen müssen. Richard war eben immer noch der kleine Junge mit dem unsicheren Lächeln von früher, der nichts verkraftete. Sich nach außen hin immer stark gestellt hatte, aber nachts dann heulend zu ihm ins Bett gekrochen kam. Er hätte es bemerken müssen. Er war der Einzige mit dem Richard je wirklich gesprochen hatte, aber durch seine Affäre mit Nemours hatte sich das schlagartig geändert gehabt. Noch jemand war aufs Dach gekommen, redete mit ihm, doch er hatte lediglich im Regen gesessen und geraucht. Es hatte ihn nichts interessiert, auch nicht die Sirenen der Polizei, des Krankenwagens, als diese die Auffahrt hinauffuhren. Er nahm lediglich das Kreuz des Rosenkranzes zwischen seine Finger, führte es zu seinen Lippen und küsste es. Er musste bei der Polizei eine Aussage machen. Der Anblick Richards Eltern ließen seine Eingeweide sich verkrampfen. Seine Mutter weinte und schrie und sein Vater versuchte, das Gesicht ebenfalls überströmt mit Tränen, sie zu beruhigen. Er hatte auf die Wache mitkommen müssen und in einem dieser unpersönlichen Befragungsräumen seine Aussage machen müssen; alles was er sagte wurde auf Band aufgenommen. Er zeigte keinerlei Emotionen. War höchstens genervt von der überfürsorglichen Polizistin und dem übermüdeten Kommissar. Er wollte raus, und zwar sofort, denn ihm war, als wurde die Luft in diesem Raum immer weniger. „Sie sind auf einmal so blass; ist Ihnen nicht gut?“ Es war die Frage, die ihm die Polizistin gestellt hatte und die einzige, an die er sich erinnern konnte. Er hatte verneint. Und als er das endlich hinter sich hatte, es wunderte ihn fast, dass die Polizistin ihm keinen Lolli angeboten hatte, weil er das so toll gemacht hatte, stand ihm noch eine Anhörung vor dem Schulleiter bevor. Zusammen mit Nemours und seinen Eltern. Natürlich hatte der Chemielehrer den Zwischenfall gemeldet. Nichts Anderes hatte Louis erwartet. Seine Mutter würgte das Telefonat, das sie gerade führte, etwas notgedrungen ab, als sie in sein Zimmer trat und gab ihm einen Kuss auf die Wange, sodass er sich etwas angewidert darüber strich, um den Lippenstift abzubekommen. Sein Vater schloss die Tür hinter sich, stellte sich mit dem Rücken zum Fenster und musterte seinen Sohn finster. Irgendwann klopfte der Sekretär und sagte freundlich: „Mister und Misses Macheath? Mister Macheath Junior, wenn Sie mir bitte folgen würden?“ Er folgte den Erwachsenen schweigend in das Büro des Direktors und setzte sich zwischen sie, als der Direktor ihnen die Stühle anbot. Nemours war schon im Raum gewesen, hatte sich nicht zu ihnen umgedreht, als sie eingetreten waren, doch nun sah er zu Louis; seine Augen hatten wieder jenen ausdruckslosen Ausdruck wie Louis sie zum ersten Mal gesehen hatte, doch er erwiderte den Blick ungerührt. Ihm konnte das nun nichts mehr anhaben. „Hör sofort auf meinen Sohn so lüstern anzustarren, elender Franzake!“ Sein Vater war aufgesprungen, die Zornesröte im Gesicht und funkelte Nemours an. Der wandte tatsächlich den Blick ab, doch der Direktor versuchte ihn zu beschwichtigen: „Nun beruhigen Sie sich doch, Mister Macheath. Wir können natürlich verstehen, wie Ihnen zumute ist und seien Sie versichert, dass es uns nicht minder trifft als Sie.“ Louis sah seinem Vater an, dass es ihm schwer fiel sich zu beherrschen und dass er dem Direktor am liebsten einige unfeine Worte gegen den Kopf geschleudert hätte, doch die Hand seiner Frau, die sich auf seine legte, hielt ihn zurück und er setzte sich wieder. „Nun Louis“, wandte der Direktor sich jetzt mit ernstem Gesicht an ihn und sein Herz schien für einen Augenblick stehen zu bleiben, als sich auch die Blicke aller anderen Anwesenden auf ihn richteten. „Was hatte es mit diesem Geschlechtsakt auf sich?“ Er spürte den bohrenden Blick Nemours’ auf sich. Wurde dieser vor ihm einzeln befragt? Was hatte er wohl gesagt? Die Wahrheit wohl kaum… „Er sagte mir, dass ich bessere Noten bekomme.“ „Das ist doch wohl…!“ Erneut sprang Louis’ Vater auf und erneut bat ihn der Direktor um Ruhe. Louis schielte zu Nemours und ihre Blicke trafen sich. Natürlich wusste Nemours genauso gut wie er selbst, dass er damals zu seinem Lehrer gekommen war. Aber es durfte ihn nicht kümmern. So fuhr er fort seinen Eltern und dem Direktor das Märchen des armen Jungen, der von seinem Französischlehrer verführt worden war, zu erzählen. Nemours fiel ihm nicht einmal ins Wort. Er sah ihn an und tat nichts. Als sie vom Direktor entlassen wurden und mit Nemours hinausgingen, hielt dieser ihn einen Moment am Arm fest und sagte: „Darauf hattest du es abgesehen. Als hätte ich es nicht gewusst…“ Damit wandte er sich um und ging kopfschüttelnd den Gang entlang in Richtung der Lehrerzimmer. Er wurde suspendiert und soweit Louis wusste, war er zurück nach Frankreich gekehrt. Nach Frankreich, wo sie nicht so streng, so konservativ waren wie hier in England. Louis war von seinen Eltern nach Eton gesteckt worden; es war hier nicht besser als in Heathcliff. Und es wurde ihm nicht gestattet auf die Beerdigung Richards zu gehen. Er hatte keine Gelegenheit gehabt sich von Richard zu verabschieden. Von seinem Richard. Alles was ihm von ihm übrig blieb war der Rosenkranz und der Zettel. Ja, Richard war ein elender Egoist gewesen. Er hatte ihn erst geküsst, nach dem ersten Sex mit Nemours. Er hatte ihn nie teilen wollen und nun, als er es womöglich doch hätte tun müssen, da floh er und ließ Louis einfach alleine zurück. Er war ein jämmerlicher Egoist gewesen. So wie alle Menschen. ~ Fin ~ Nun ist es vorbei. Ich möchte mich bei allen bedanken, die die Geschichte gelesen haben und besonders bei jenen, die mir immer fleißig Kommentare geschrieben haben. LG, Terrormopf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)