Die Geschichte des Blutwolfes - Painwolf von Seica (Wenn eine Welt am Abgrund steht...) ================================================================================ Kapitel 10: Ein Unglück folgt dem anderen II -------------------------------------------- - Magere Tage Nichts ereignete sich in den folgenden Stunden und Tagen, nicht das geringste. Jetzt wo das Fieber zur Gänze abgeklungen war, konnten sich die Wölfe wieder unterhalten, aber ihnen war nicht nach einer Unterhaltung zumute. Ihr Wasserproblem war behoben und der kleine Wolf fragte sich wie es dazu gekommen war, aber diesbezüglich äußerte sich die Wölfin nicht und so gab er sich damit zufrieden. Die Zeit zog sich dahin und Naumi versuchte regelmäßig sich aufzurichten, aber es gelang ihr nie. Der Jungwolf hingegen machte sich auf um seinen Beitrag zu leisten. Er erinnerte sich an den Tag an dem die Wölfin gesagt hatte er müsse ihr nur beim Jagen zusehen, es dann selbst probieren und dann würde er es können. Hungrig schlich er durch den Wald. Zuerst führten ihn seine Schritte zum Teich, dort angelangt sah er sich nach einer möglichen Beute um. Nachdem er das Gewässer zur Hälfte umrundet hatte fiel ihm ein braunes Tier mit einem langen buschigen Schweif ins Auge, welches aufgeregt am Boden herumsprang als suche es nach etwas. Der kleine Wolf ging langsam auf seine auserwählte Beute zu, aber schon nach etwa zehn Schritten hob das Tier seinen Kopf und war Sekunden später den Stamm eines nahe stehenden Baumes hochgeklettert. Voll Bitterkeit wurden dem Jungwolf klar, dass er gleich die erste Lektion vergessen hatte, nämlich das er sich duckten musste wenn er sich ungesehen anschleichen wollte. Droben am Himmel ballten sich währendessen die Wolkenmassen zusammen und es wurde dunkler und dunkler. Dem kleinen Wolf war nicht bewusst, dass dies nicht der Sonnenuntergang war, bis die ersten Regentropfen seine Nase berührten. Er sah hoch in den Himmel und blinzelte, da ihm das Wasser in die Augen rann. Im fiel ein, dass es am ersten Tag seiner Freiheit auch geregnet hatte und, dass dieser Regen angenehm gewesen war und alles gut gemacht hatte. Vielleicht, sagte sich der kleine Wolf, wird dieser Regen auch alles gut machen. Leider aber musste er feststellen, dass er auch heute keine Beute machen konnte. Er stellte sich einfach zu ungeschickt an, aber das war diesmal nicht das einzige Problem. Die Tiere des Waldes zogen sich in ihre Schlumpfwinkel zurück um sich vor dem niederprasselnden Regentropfen zu verstecken. Niedergeschlagen schlich der Jungwolf zur Höhle zurück und berichtete Naumi wie sein Tag gewesen war. Die Wölfin horchte ihm aufmerksam zu, denn im Moment war das ihre einzige Unterhaltung und auch ihre letzte Verbindung zur Außenwelt. Keiner von beiden wusste wie lange, der Tag an dem sie den vermeidlichen Stein gefunden hatten schon zurück lag. - Regentage Am nächsten Morgen war da keine Sonne, die die Wölfe geweckt hätte. Immer noch war der Himmel von geballten Wolkenmassen verdeckt und der Regen trommelte auf die Erde. Mit traurigen giftig grünen Augen blickte der weiße Wolf in den düsteren Wald hinaus. So trostlos war ihm noch kein Tag seit seiner Flucht erschienen. Er hatte den Kopf auf die Pfoten gebettet und wartete ab. "Aber, dass du mir ja nicht hinausgehst", warnte die sanft-raue Stimme hinter ihm in der Höhle. Natürlich wollte die Fähe nicht, dass sich ihr Schützling erkältete. "Mach ich nicht", gab der kleine Wolf die Worte zurück, doch zum ersten mal war ihm danach gegen ihre Worte zu handeln. Bisher hatte er sich immer damit zufrieden gegeben ihr zu gehorchen, aber diesmal glaubte er ihr wiedersprechen zu können. Natürlich tat er es dennoch nicht, aber in seinem Kopf spielten sich allerlei Gedanken ab. Der Jungwolf ließ die Zunge über die Lefzen gleiten. Ihm war als wisse er gar nicht mehr wie die Waldmäuse geschmeckt hatten. Seit einigen Stunden spürte er neben dem beißenden Hunger einen furchtbaren Schmerz im Bauch, so als hätten ihm die weißen Riesen eine ihrer nadelfeinen Klauen hineingejagt. Er zwang sich nicht zu wimmern, weil ihr wusste das Naumi es hören würde. Als er zuvor probiert hatte Kot zu lassen, war der Schmerz plötzlich unerträglich gewesen. Das alles erinnerte ihn sosehr an seine Gefangenschaft, den engen Käfig und die vielen traurigen Laute seiner Leidensgenossen, dass er am liebsten einfach weglaufen würde. Laufen, einfach nur laufen und verschwinden bis ihm endlich nichts mehr weh tat. Er konnte die Worte von Ratte in seinem Kopf hören und auch die sanft-raue Stimme der Wölfin, die beide sagten er dürfe gar nicht daran denken einfach so zu sterben und er rechtfertigte sich damit, dass er doch nur laufen wollte. Zu all diesen Gedanken kamen noch ganz andere. Als er letzte Nacht an die Brust der Grauen gekuschelt geschlafen hatte, hatte er all ihre Knochen gespürt. Sofort war er laut geworden und hatte versucht sie aufzuwecken und da ihre Antwort so lange ausblieb, war er schon im Glauben gewesen sie wäre tot. - Zum ersten mal All das, die Schmerzen, die Erinnerungen und die Angst um die Wölfin, die doch die einzige war die er hatte, brachten den kleinen Wolf irgendwann dazu aufzustehen und in den Regen hinaus zu laufen. Es war noch nie vorgekommen, dass er nicht auf Naumi gehört hatte. Und immer war doch alles gut gewesen, wenn er ihr gehorchte, was wenn jetzt etwas schreckliches geschehen würde? Schon nach ein paar Schritten drehte sich der Jungwolf noch einmal um und für Minuten blickte er auf den Höhleneingang, während sich sein Fell mit Wasser vollsog. Ich muss das tun, ging es ihm durch den Kopf, aber gleichzeitig fühlte er schon jetzt die nagenden Schuldgefühle. Hastig wand er sich herum und rannte so schnell er konnte in den Wald hinein. Weg vor diesen Gefühlen, weg vor der Schuld, der Angst, dem Schmerz und den Sorgen. Er musste etwas tun! Wie könnte er einfach so herumsitzen und sie sterben lassen? Hätte der kleine Wolf anders gehandelt wenn er gewusst hätte, das sein eigener Tod viel näher stand als ihrer? Wer weiß... - Auf der Suche Das weiße Bündel richtete seine Nase auf dem Boden um eine Spur aufzunehmen. Es roch nach Wasser, nach Schlamm, nach Nadelholz, aber nicht nach einer Beute. Bald schon hatte der Jungwolf Wasser in der Nase und zu seinen Leiden gesellte sich die Kälte die ihm in die Glieder kroch. Er blieb stehen, hob die Pfote und wischte sich damit über Gesicht und Schnauze, immer wieder, er wollte die Gefühle abstreifen wie eine Haut, wollte das sie weggingen, dass es aufhörte, damit er der Wölfin helfen konnte. So ein großes Herz hatte der kleine Wolf, dass er allen helfen wollte, aber vor allen ihr weil sie ihm geholfen hatte. So klug war er, sowenig er auch wusste. Aber wer sollte ihm helfen in dieser dunklen Stunde? Ja dunkel war es. Man konnte nicht einmal sagen welche Stunde geschlagen hatte und der Regen war kalt wie Eis aber was erwartete man zu dieser Jahreszeit? Der Jungwolf erwartete nichts, er kannte weder Frühling, noch Sommer oder Winter, er kannte nur Tage an denen es regnete, solche an denen es lediglich bewölkt war und solche an denen die Herbstsonne schien. Der kleine Wolf rieb so lange an seinem Kopf herum bis sie plötzlich etwas löste und zu Boden sank. Fragend stupste er den Verband mit der Nasenspitze an. Immer noch roch er nach Blut und Medikamenten. Dieser Geruch war das letzte was der Jungwolf im Moment brauchen konnte, denn es verstärkte seine Erinnerungen nur noch. Suchend stapfte er durch den Schlamm. Er konnte nichts riechen außer das Wasser, nichts sehen außer die Tropfen. Wann immer sich wo ein Gebüsch bewegte, so war da nichts, denn nur das Wetter hatte ihn bewegt und der Schmerz war zu einer konstanten Realität geworden, so wie das Atmen. - Der Sturm Während der kleine Wolf damit kämpften musste seine verbliebene Hoffnung und die Orientierung nicht zu verlieren, gesellte sich zum Regen ein leichter Wind der kontinuierlich stärker wurde. Irgendwann war dieser Wind so stark, dass der Jungwolf glaubte ihm würden die Beine unter dem Leib weggerissen werden. Gut das er immer noch seinen Instinkt besaß, diese seltsame Seite an sich die er gar nicht kannte und die immer richtig handelte und Dinge tat von denen er nicht das geringste verstand. Hastig schlüpfte er unter einen Busch mit harten Geäst und blättern, die sich eng an den Boden pressten. Dort legte er sich hin und wartete. Wieder hieß es warten, hätte er doch nur auf Naumi gehört und wäre in der Höhle geblieben. Das leise Winseln des Weißen ging in dem mittlerweile zum tosenden Sturm gewordenen Wind unter. - Ein Schatten in der Nacht Stille herrschte vor als der Jungwolf aufwachte. Es war so ruhig, das er sich sicher war, er wäre deshalb aufgewacht. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen und der Regen hatte sich gelegt. Vorsichtig schob sich der kleine Wolf unter dem Busch hervor und blickte sich um. Vermutlich war der Sonnenuntergang noch gar nicht so lange her, stellte er fest. Dennoch verspürte er plötzlich eine Angst in sich und kalt war ihm auch schon die ganze Zeit. Vorsichtig setzte er eine Pfote vor die andere. Er wollte zurück. Er wollte wieder in diese meeresblauen Augen sehen die ihn immer beruhigten. Langsam bewegte er sich in die Richtung aus der er gekommen war. Sein Magen knurrte fürchterlich. Da ein Schatten. Ohne das ein Geräusch entstanden wäre flog auf einmal ein Geister über ihn hinweg und streifte den Jungwolf an der offenen Stelle auf seiner Stirn, wo vor kurzem noch der Verband gewesen war. Verängstigt schrie der kleine Wolf auf und traute sich keinen Schritt mehr weiter. "Du brauchst vor mir doch keine Angst zu haben", rief eine tiefe Stimme von oben herab. Orange Augen funkelten den Weißen aus dieser Richtung entgegen, woraufhin er zu zittern begann. "Jetzt habe doch keine Angst." Auf lautlosen Schwingen glitt der Schatten auf den Boden herab. Der kleine Wolf betrachtete den Vogel mit verängstigtem Blick. Es war eine Eule und sie stakste auf ihn zu, als ob sie nicht sehr glücklich darüber war, sich am Erdboden zu befinden. - Die Worte der Eule "Wer, wer bist du?" Fragte der Jungwolf zögernd. Dieser Vogel war groß und seine Krallen sahen sehr scharf aus, aber am meisten verschreckten ihn diese runden Augen, die so grell leuchteten und die steilen Brauen darüber, die ihn so grimmig schauen ließen. "Ich? Ich bin die Waldohreule", sagte die Eule und daraufhin ließ sie ein lautes „Huh-Huhuhu-Huuuh“ ertönen, welches der kleine Wolf sofort wieder erkannte. Der Vogel trat von einem Fuß auf den anderen hin und her, dann drehte er den Kopf bevor er sich nahe zu dem Gesicht des Jungwolfs hinlehnte. "Die Farbe deiner Augen ist interessant", sagte er, als wollte er ihr Gespräch in diese Richtung lenken, dann aber begann die Eule ihr Gefieder zu putzen und wirkte auf einmal ganz abwesend. Der kleine Wolf versuchte diesen großen orangen Augen zu entgehen in dem er sich zurücklehnte, außerdem wollte er antworten, war aber durch das Verhalten des Vogels zu verdutzt um etwas zu sagen. "Ich habe noch nie einen Wolf mit solchen Augen gesehen. Woher kommst du?" Die Eule hatte damit aufgehört ihr Gefieder zu putzen und stattdessen ihre Schwingen ausgebreitet, sie schlug sanft damit als wolle sie die einzelnen Feder ausschütteln, dann legte sie die Flügel umständlich an. Der Jungwolf wunderte sich darüber, dass dieser Vogel offensichtlich nicht still stehen konnte, aber in dem Moment in dem seine Gedanken in diese Richtung gingen rührte sich die Waldohreule plötzlich gar nicht mehr. Minutenlang ging keine Bewegung durch den Raubvogel. "Ich... ich komme aus einem Labor", antwortete der kleine Wolf zögernd und die Eule sah ihn verblüfft an. "Aus einem Labor? Etwa das, dass die Menschen "Black-Hill" nennen?" Der Rüde nickte langsam. Der Vogel war ihm ganz und gar nicht geheuer. "Meine Gattin ist dort... sie haben sie mitgenommen. Schon im Frühjahr." Der kleine Wolf wusste nicht was Frühjahr bedeutete, aber er hatte verstanden. Mitleid wanderte in seinen Blick, aber er war nicht sicher ob er etwas dazu sagen sollte. Plötzlich blickte die Waldohreule den Jungwolf mit anderen Augen an. Jetzt war da etwas in diesen leuchtend runden Augen, als sehe sie erst richtig die Narben und die magere Gestalt des Wolfes. Es war nicht sicher ob sie das Mitleid das ihr entgegen gebracht wurde überhaupt erkannte, aber es stand fest, dass sie nun ihrerseits Mitleid empfand, auch wenn man es nicht sah. - Das Opfer Die Eule zögerte, sie wunderte sich. Gewöhnlich half eine Tierart der anderen nicht, es lag nicht in ihrer Natur wenn für sie selbst nichts dabei raussprang, so war nun einmal der Lauf der Dinge. Und dennoch wirkte dieser halbe Welpe als ob er seine Gefährtin befreien würde, wenn er es denn könnte. Deutlich war sein Mitleid zu sehen. So deutlich wie der Raubvogel nun sein eigenes Mitleid spüren konnte und das wunderte ihn noch mehr. Er wollte diesem Geschöpf helfen und es lag auch in seiner Macht, aber für ihn würde es keinen Nutzen bringen und dennoch wollte er es. Schweigend hatte der kleine Wolf den Vogel angesehen nun aber zuckte er zusammen und sprang daraufhin zur Seite. Die Eule hatte ihre Flügel ausgebreitet und schlug heftig damit, dann verschwand sie im Dunkel der Nacht. Als sich der Jungwolf umsah konnte er die orangen Augen an einem nahe gelegenen Baum erspähen. "Folge mir", rief die dunkle Stimme und entfernte sich dabei. Der kleine Wolf zögerte nicht und tat was der Raubvogel ihm sagte. Er konnte zwar nichts sehen aber hören konnte er gut und so lief er dem anhaltenden „Huh-Huhuhu-Huuuh“, das durch die Nacht hallte hinterher. Der Boden war feucht vom Regen und hier und da lagen Zweige, die der Sturm von den Bäumen gerissen hatte. Wären die Rufe der Eule aufeinmal verklungen, der kleine Wolf hätte nicht mehr gewusst wo er sich befand. Er fürchtete sich je tiefer er in den Wald hineinlief, aber er traute sich auch nicht mehr umzudrehen. Nach einer Weile wanderte der Ruf gehn Erdboden hinab. Die Waldohreule war auf dem Stamm eines liegenden Baumes gelandet. Der Jungwolf wusste nicht, weshalb dieser Baum einfach so dalag, aber er wollte auch nicht fragen. Zudem war ihm ein Geruch in die Nase gestiegen, den er nicht ausblenden konnte. Es roch nach Blut. "Hier, das ist für deine Anteilnahme, friss dich daran satt", gab der Raubvogel zwischen dem Gefiederputzen von sich. Feder für Feder zog er durch seinen Schnabel. Die grünen Augen blickten von dem Vogel hinab zum Boden. Unter dem Baum lag ein totes Reh und das erschreckte den kleinen Wolf. "Warum bewegt es sich nicht", fragte er ohne über seine Wortwahl nachzudenken. Die Eule unterbrach sich und schaute den Jungwolf lange aus ihren runden Seelenspiegeln an. "Der Sturm hat den Baum niedergerissen und dieses Geschöpf unter sich begraben", erklärte sie trocken. - Endlich etwas zu fressen Der Weiße näherte sich dem toten Reh vorsichtig und schnupperte daran. Er verstand nicht warum dieses arme Tier hatte sterben müssen. Niemand hatte es getötet und doch war es tot. Nein, der Baum hatte es getötet. Unsicher blickte sich der kleine Wolf um. Bäume konnten töten? Seine Zurückhaltung hielt nicht lange an, viel zu lange hatte er nichts mehr gefressen. Es waren Tage gewesen, so viele Tage. Der Kadaver roch frisch, kein Käfer hatte es berührt und auch die Zeit hatte ihre Finger noch nicht nach ihm ausgestreckt. Er biss in das Bauchfleisch und zog und riss heftig daran. Am Anfang hatte er nur Fellbüschel im Mund später kleine Stückchen die er hastig hinunterschlang. Die Waldohreule beäugte ihn bei seiner Mahlzeit, dann hüpfte sie vom Stamm herunter und wies dem Jungwolf mit ihrem Flügel zur Seite zu gehen. Nur trotzig gehorchte dieser, denn sein Hunger hatte die Oberhand gewonnen. Der Raubvogel hieb mit seinem scharfen Schnabel und mit den noch schärferen Krallen nach dem Bauch des Rehs bis eine klaffende Wunde den Weg zu dem saftigen Fleisch freigab. Der kleine Wolf drängte sich an der Eule vorbei, die sogleich wieder auf ihren Hochsitz sprang, und begann hastig zu fressen soviel er nur konnte. Schnell füllte sich sein Magen an wie eine pralle Kugel und eine Wärme durchflutete ihn, die die bösen Gedanken an das Labor vertrieb. Und endlich verschwand auch dieser furchtbare Schmerz. - Schuldgefühle Plötzlich stoppte sich der weiße Rüde woraufhin die Waldohreule annahm er wäre satt. Im Grunde sah sie ihre Arbeit getan und wollte sich einen Baum zum ausruhen suchen, bevor sie im Morgengrauen wieder auf die Jagd gehen würde, aber irgendetwas hielt sie davon zurück. Fragend besah sich die Eule den Jungwolf. Er saß einfach nur da und starrte auf das Reh hinab, als täte es ihm leid von ihm gefressen zu haben und dann begann er leise zu winseln. Wieder hüpfte der Raubvogel zu ihm hinab und stoppte sein Jaulen indem er ihm fest in die Augen blickte, was den kleinen Wolf schlichtweg erschreckte. "Was ist los mit dir? Wenn du es nicht frisst werden es andere tun." Der Weiße schüttelte beklommen den Kopf. Darum ging es doch überhaupt nicht. "Ich habe einfach gefressen", wimmerte der Jungwolf. "Und Naumi hat immer noch großen Hunger, ich hätte ihr vorher etwas bringen müssen." Die Augen der Eule schienen für den Moment noch größer und runder zu werden. Sie hatte nicht erwartet, dass dieser Welpe noch eine Freundin bei sich hatte. "Du kannst ihr jetzt immer noch etwas bringen. Jetzt nachdem du gefressen hast hast du wenigstens die Kraft das Fleisch zu tragen." Der Blick des Jungwolf erhellte sich schlagartig. Der Vogel hatte mit dem was er sagte recht, aber bestimmt würde die Graue dennoch böse auf ihn sein, weil er einfach weggelaufen war obwohl sie es ihm verboten hatte. Aber vielleicht, dachte er sich, würde sich die Wölfin freuen wenn er besonders viel Beute mitbringen würde, genug damit sie bald wieder gesund war und mit ihm jagen gehen konnte. Nur wie sollte er soviel mitnehmen? Wieder begann er zu winseln. "Was ist denn jetzt noch?" Fragte die Waldohreule und ihre Worte klangen zusehends genervter. Sie war sich nicht mehr so sicher ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, gegen ihren eigenen Insinkt vorzugehen. - Bitte hilf mir "Kannst du mir helfen das Fleisch zur Höhle zu tragen? Bitte", das letzte Wort hängte der kleine Wolf mit Nachdruck an, denn er erinnerte sich daran, das Ratte ihm gesagt hatte man solle nie darauf vergessen. Mit traurigen Augen starrte der Wolf die Eule an, welche damit begann unbehaglich von einen Fuß auf den anderen zu steigen. Der Vogel plusterte entrüstet sein Gefieder auf und drehte den Kopf. Für meinen Moment wirkte er als wolle er einfach nur seine Ruhe haben und würde die Augen nicht wieder öffnen. Einsichtig legte der Jungwolf die Ohren an und begann damit seinerseits ein großes Stück aus der Beute zu reißen. Hierführ schnappte er nach dem Lauf, denn das Fleisch darauf hatte er noch nicht angerührt und es wäre ein großer Happen. Die Eule beäugte ihn derweil aus einem halboffenen Augen. Dann aber wand sie sich ebenso dem Kadaver zu und löste ein Stück aus dem Bauch. "Gut dann führ mich zu deiner Freundin", sagte sie dem Schicksal ergeben. Wie es schien war nichts mehr so wie es früher einmal gewesen war, wenn sich jetzt schon die verschiedenen Tierarten untereinander beistanden. Der kleine Wolf jubilierte, dann zog er noch einmal mit aller Kraft an dem Lauf bis er sich endlich löste. Jedoch forderte dieser Kraftakt auch seinen Tribut denn der Jungwolf rutschte dabei aus und war nun voller Schlamm und Erde, aber das störte ihn nicht weiter. Sofort machte er sich auf Richtung Höhle. Er brauchte ein bisschen um den Weg wieder zu finden. Aber als er an der Stelle war wo er die Eule getroffen hatte war ihm schon wieder klar, wo er sich befand. Der Raubvogel folgte ihm flügelschlagend, das Fleischstück in den scharfen Klauen. - Wiedersehensfreude Es war schon vorhin relativ dunkel gewesen, nun aber war die Nacht so düster wie sie nur sein konnte. Zumindest hatten sich Sturm und Regen nicht wieder blicken lassen. Der Himmel war trotzdem voller Wolken, nicht einen Stern konnte man sehen. Als die Höhle in Sicht kam landete die Waldohreule oben im Geäst des Ahorns und blickte fragend in die Tiefe. Dieser Teil des Waldes war nicht ihr Jagdgebiet, aber sie kam trotzdem hin un wieder hier vorbei und an dieses Erdloch erinnerte sie sich nicht. Prüfend blickte sie in die grünen Augen des kleinen Wolfes. Er hatte die Höhle gewiss nicht gegraben, aber wer dann? Als der Jungwolf den Blick der Eule erwiderte löste diese die Klauen von dem Fleischstück und es fiel zum Erdboden hinab, direkt vor den Eingang. "Kleiner Wolf bist du das?" Es war die sanftraue Stimme der Wölfin die da zu ihnen hervordrang. Die Waldohreule plusterte sich auf, während der Weiße die Beute zur Seite legte und ihr zurief. Dann nahm er das kleiner Fleischstück, das die Eule getragen hatte in den Fang und schlüpfte hastig in den hinein. Naumi lag im Schlafraum wie eh und je, aber über den Boden des Ganges zogen sich einzelne Moosbällchen, was darauf hinwies, dass sie auch am Eingang gewesen war. "Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht", sagte sie als der kleine Wolf zu ihr in den engen Raum geschlüpft war. Ihre raue Zunge leckte ihm überschwänglich über die Stirn, sowie über die offene Stelle an seinem Kopf. Sie ist gar nicht wütend bemerkte der Jungwolf und wedelte dabei hastig mit dem Schweif. "Ich habe dir was zum fressen gebracht", jubelte er und schob das Fleischstück vor ihre Schnauze. Es war zu Dunkel in der Höhle um etwas zu sehen, aber das behinderte die Wölfin nicht. Sie roch sofort, dass es sich um frisches Rehfleisch handelte. "Wie hast du es denn geschafft so ein großes Tier zu erlegen?" Der kleine Wolf nahm sich nicht sofort Zeit zum Antworten. Er drängte sich an den Hals der Grauen und leckte ihr freudig durchs Fell. So fest drückte er seine Schnauze in den dichten Pelz, das er nur noch sie roch und alles andere unwichtig wurde. Endlich war er nicht mehr allein, endlich brauchte er keine Angst mehr zu haben. Seine Rute schlug so wild umher, dass sie auf der Höhlenwand trommelte. - Das hätte ich nicht erwartet Die Wölfin lächelte sanft und beließ es dabei, ihr Hunger war auch viel zu stark um noch länger zu warten. Hastig wie es Wölfe nun einmal taten schlang sie das Fleischstück hinunter. Es war ein relativ großes Stück und sie fühlte wie gut es ihr tat. Naumi kaute noch am letzten Bissen herum, als am Höhleneingang ein Rascheln zu hören war. Die Ohren der Grauen zuckten aufgeregt, der kleine Wolf aber kuschelte sich rundum zufrieden an ihren Bauch. "Ich hätte erwartet du und deine Freundin würden auch einmal nach draußen kommen", erklang eine raue Stimme und die blauen Augen blickten auf den Eingang in den Schlafraum obgleich sie nichts sehen konnten. Da erschien ein oranger Schimmer. Der Vogel hatte sich ganz entgegen seiner Natur in die Erdhöhle hinein begeben, er wusste selbst nicht was ihn dazu getrieben hatte. "Du bist...?" Fragte die sanft-raue Stimme und die Eule erwiderte: "Eine Waldohreule und du eine ausgewachsene Wölfin." Wieder plusterte sie das Gefieder. Keines der beiden Tiere hatte erwartet dem anderen hier zu begegnen. - Ein Gespräch "Er hat mir geholfen das Fleisch zu finden und es herzubringen", jubelte der kleine Wolf und hüpfte durch den engen Raum was aber nicht wirklich funktionierte. Naumi blickte mit einem seltsamen Gefühl im Bauch in die orangen Augen und die Eule sah sie wohl mit einem ähnlichen Gefühl an, anders als die Wölfe konnte sie ja auch hier noch recht gut sehen. Als uns damals die Katze geholfen hat, hat mich das schon beeindruckt, aber immerhin war sie ein Säugetier, ging es der Grauen durch den Kopf. "Danke", formte sie ihre Gedanken in Worte. Sie fand keinen Grund weshalb ein Eulerich ihnen helfen sollte und war umso dankbarer, das er es getan hatte. Der Vogel drehte verwirrt den Kopf und wusste nicht recht was er antworten sollte, schließlich konnte er sein Verhalten selbst nicht erklären. Wieder begann er damit einzelne Federn durch seinen Schnabel zu ziehen um sie zu säubern, scheinbar half ihm das dabei einen klaren Kopf zu bekommen. "Dein Welpe kommt aus demselben Labor in das sie meine Gattin gebracht haben und er hatte obendrein Mitleid mit ihr", erklärte die Waldohreule dann, wusste aber schon nicht mehr weiter. "Oh das tut mir Leid", antwortete Naumi. "Dann wirst du dir wohl eine neue Gefährtin suchen müssen." "Das sollte ich", antwortete der Raubvogel. "Im Frühjahr hört man immer die Rufe anderer Eulenmännchen drüben im Wald hinter den Feldern. In diesem Teil des Waldes waren meine Gattin und ich aber immer die einzigen Eulen", sie verfiel einen Augenblick in Gedanken und trauerte den alten Tagen nach in denen sie beide Jungtiere aufgezogen hatten. "Dann gebe es also keine Eulen mehr hier, wen du dich dazu entschließen würdest hinüber zu fliegen", erkannte die Wölfin und irgendwie schmerzte ihr diese Tatsache. Immer mehr Tierarten verschwanden, obgleich die Menschen seid einigen Jahren die Wälder selbst nicht mehr anrührten. Die Labors, sowie die Krankheiten und die alten Fallen die man vergesse hatten taten ihr übriges. "Und eben dieser Gedanke liegt mir zu fern... noch bin ich nicht bereit dazu meine Heimat zu verlassen." Die Waldohreule und Naumi schwiegen. Der Raubvogel rührte sich nicht, wie es seine Rasse zu tun pflegte, war er wie zur Statue erstarrt, der kleine Wolf hingegen war, an den Bauch der Grauen geschmiegt, eingeschlafen. - andere Wölfe "Ihr könnt euch glücklich schätzen", sagte die Eule irgendwann während sie den Jungwolf bei seinem ruhigen Schlaf beobachtete. Die Wölfin blickte auf und sah fragend in den orangen Schimmer. "Ihr seid nicht die letzten in diesem Waldgebiet", ergänzte der Raubvogel und begann abermals sein Gefieder zu putzen. Irgendwie fühlte er sich hier unter der Erde als wären seine Federn mit einer Staubschicht bedeckt. Naumi versuchte geduldig zu bleiben und zu warten bis ihr Gast fertig war, aber sie hielt es schon nach einigen Minuten nicht länger aus. "Du hast andere gesehen?" Die sanft-raue Stimme klang erregt. Wenn es tatsächlich so war, dann könnte das eine ernsthafte Bedrohung für sie darstellen. Die Waldohreule plusterte ihr Gefieder und die großen Büschel über ihren Augen bewegten sich, natürlich sah dies niemand in der Dunkelheit. "Sag es mir bitte", sagte die Wölfin mit Nachdruck. Sie wusste das ihr altes Rudel auch manchmal in diesen Wald kam um zu jagen, aber gewöhnlich drangen sie bei weitem nicht so weit vor als das die Eule sie hätte sehen können. "Vor einigen Tagen sah ich einen Wolf durch den Wald streifen er suchte offenbar nach etwas", erklärte der Raubvogel aber seine Stimme klang halb erbost, denn ihm gefiel ihre Tonlage nicht. "Wie sah er aus? War es ein Rüde?" "War es", antwortete die Waldohreule die ihren Blick zu dem kleinen Wolf wandern ließ der sich regte weil die Wölfin so hastig gesprochen hatte. "In der Dämmerung sieht man Farben nicht so gut." Erst der durchdringende Ausdruck in den blauen Augen brachte den Raubvogel dazu genauer zu werden. "Er war nicht sehr besonders, sein Fell war wie der Boden, braun, grau, weiß. Seine Augen hatten die Farbe von Harz." "Wie alt war er?", fragte Naumi aber dies war eine Frage zuviel. Die Eule breitete in dem engen Gang ihre Flügel aus und schlug damit so weit es ging. Sie drohte. "Woher soll ich das wissen Wölfin? Ich bin keiner von euch, für mich seht ihr alle gleich aus." Noch eine Weile plusterte der Raubvogel die Federn auf, damit er größer aussah, dann legte er sie an und wand sich zum Gehen. "Es ist spät ich muss mir jetzt einen Schlafplatz suchen." Die Gestalt der Eule verschwand begleite von einem Rascheln. Die Fähe war beunruhigt sie atmete schwer und blickte mit geweiteten Augen in die Dunkelheit. Wenn es nun tatsächlich ein Wolf aus ihrem Rudel war und wenn er nach ihnen suchte? Aber die Beschreibung konnte auf jeden passen. Der kleine Wolf regte sich und öffnete eines seiner Augen. Es gelang ihm nicht zu schlafen solange Naumi sich bewegte. Hastig leckte ihm die Wölfin über die Stirn und bettete dann ihren Kopf auf ihre Pfoten. Nur wiederwillig schloss sie die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)