Nagini & Voldemort von Vauvenal (Die Geschichte einer tiefen Freundschaft) ================================================================================ Nagini und Voldemort – Die Geschichte einer tiefen Freundschaft Nagini lag zusammengerollt im Schoß ihres Meisters. Wobei „Meister“ eigentlich nicht das richtige Wort war, fand sie. Lord Voldemort alias Tom Riddle war nicht ihr Meister. Sie war immer bei ihm gewesen und er immer bei ihr. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah in das Gesicht des Schwarzmagiers. Er sah aus, als würde er schlafen, doch Nagini wusste, dass er lediglich in Gedanken versunken war, Voldemort streichelte der Schlange den Kopf und zischte ihr leise zu: „Schlaf ruhig weiter, Liebes. Ich wecke dich, wenn etwas passiert.“ Hätte sie gekonnte, hätte Nagini wohl gelächelt, aber so ließ sie nur einmal kurz ihre gespaltene Zunge zwischen den geschuppten Lippen hervorschnellen, um danach wieder ihren Kopf niederzulegen und weiter diesen seltenen ruhigen Moment zu genießen. Zärtlich legte sich eine blasse, spinnfingrige Hand in ihren Nacken. Niemand in der ganzen übrigen Zaubererwelt, nicht einmal die engsten Diener des Dunklen Lords, kannte diese Seite an ihm. Solche Zuneigung brachte er nur seiner geliebten Freundin entgegen. Der Beginn dieser engen Beziehung, die mehr als Freundschaft, mehr als Liebe, mehr als Familie war, lag in einer alten Tierhandlung in London. Nagini war damals noch sehr, sehr klein gewesen. Sie hatte den ganzen Tag hinter der Glasscheibe gelegen und das Leben, das sich vor ihrem Gefängnis Tag für Tag immer gleich abspielte, betrachtet. Leute waren in den Laden gekommen, hatten süße Hunde und niedliche Katzen gekauft. Aber eine Schlange wollte niemand haben. Bis eines Tages dieser schwarzhaarige junge Mann die Tierhandlung betrat. Er ging an den Katzen, Hunden und Hamstern vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Direkt auf Naginis gläsernen Kerker zu. Überrascht hob die Schlange den Kopf. Sie spürte, dass etwas Besonderes von diesem Menschen ausging. Das von schwarzen Locken umrahmte Gesicht beugte sich zu ihr hinunter, bis sie direkt in die tiefen, dunklen Augen blicken konnte und ihr Spiegelbild darin entdeckte. Ein Zischen drang an ihre Ohren. „Furchtbar, wie du hier behandelt wirst…“ Es war der Mann, der da mit ihr sprach. „Ein so schönes Tier wie dich in einen engen Glaskäfig zu sperren…“ Nagini legte leicht den Kopf schief und ließ ihre Zunge ein- zweimal herausschnellen. „Ja, ich verstehe dich… niemand wollte dich haben…“ Ein Lächeln zuckte über die schönen Lippen des zukünftigen Lord Voldemort. Er erhob sich wieder und rief nach dem Verkäufer. Wenige Minuten später verließ er eiligen Schrittes den Laden, einen, seiner und Naginis Meinung nach viel zu kleinen, Holzkasten mit ein paar Luftlöchern unter dem Arm. In einer dunklen Gasse machte er halt und apparierte zu sich nach Hause, wo er rasch das Holzgefängnis seiner neuen Freundin öffnete. Nagini erinnerte sich noch genau, wie sie schüchtern aus der Kiste gekrochen war und ihr neues Umfeld begutachtet hatte. „Gefällt es dir?“, zischte Tom. Die Schlange neigte zustimmend den Kopf und antwortete: „Danke, dass du mich befreit hast.“ Der Schwarzmagier lächelte. „Das ist das Mindeste, was ich für ein so schönes Geschöpf wie dich tun kann. Hast du einen Namen?“ Abermals nickte das Tier. „Ich heiße Nagini. Und du?“ „Nagini… was für ein schöner Name. Ich heiße Tom Marvolo Riddle.“ Seit diesem Augenblick an waren Tom und Nagini zu einem unzertrennlichen Paar geworden. Die anfangs noch von der schlechten Behandlung in Gefangenschaft gezeichnete Schlange erholte sich unter Voldemorts Pflege recht schnell. Allmählich wurde aus der schwächlichen, kranken Nagini eine stattliche, kräftige Schlange. Sie begleitete Tom quasi überall hin. Wenn er die Todesser zu sich rief, kroch Nagini ihm auf Schritt und Tritt hinterher. Wenn er die schwarze Magie erforschte, wand die Schlange sich um seine Stuhllehne und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Und wenn er jemanden nicht mehr brauchte, wurde dieser jemand an seine treue Freundin verfüttert. Eines Tages saß Tom wieder einmal in der Bibliothek und grub sich durch die Wurzeln der Schwarzmagie. Er hatte schon Stunden dort gesessen, Nagini war mittlerweile auf seiner Schulter eingenickt. Die Kerze auf dem Tisch, die mit ihrem flackernden Licht die Bücher erhellte, war schon fast niedergebrannt und der Mann war kurz davor, aufzugeben und am nächsten Tag weiterzuforschen, da entwischte ihm ein Freudenschrei, der die Schlange auf seiner Schulter erwachen ließ. Sie sah ihren Freund an. „Was ist?“ Ein finsteres, siegessicheres Lächeln lag auf Toms Lippen. „Nagini, ich habe es gefunden. Mein Weg zur Unsterblichkeit…“ Verzweifelt presste Voldemort sich die Hände gegen sein entstelltes Gesicht. „Verschwinde Wurmschwanz! Raus! Und ihr anderen auch!“ Wurmschwanz und einige hochrangige Todesser verließen hastig das Gemach ihres Herrn. Irgendetwas war schief gelaufen. Der Mann sank auf die Knie. „Nagini…“ Einen Moment lang war aus dem mächtigen dunklen Zauberer wieder der empfindsame, der ängstliche, der verletzliche Mensch geworden. Zärtlich wand die Schlange sich um den Oberkörper ihres Freundes. „Zeig mir dein Gesicht…“, flüsterte sie. „Ich kann nicht… irgendetwas… irgendetwas an dem Zauber muss fehlgeschlagen haben.“ Er spürte, wie Naginis Zunge seine knochigen Hände kitzelte, und ließ diese langsam sinken. Er sah die Schlange an; und in seinem Gesicht stand ein Ausdruck, den Nagini von ihm nicht kannte: Blanke Angst. Angst vor dem, was aus ihm geworden war. Angst vor dem, was der Unsterblichkeitszauber aus ihm gemacht hatte. Angst vor sich selbst, vor den roten Augen mit den schlitzförmigen Pupillen, Angst vor der bleichen Haut, die sich über seine Wangenknochen spannte, Angst vor den krallenartigen Fingernägeln an seinen langen, spinnenartigen Händen. Zitternd wisperte er: „Ist das wirklich der Preis, den ich für die Unsterblichkeit zahlen muss?“ Nagini hätte gern etwas geantwortet, doch sie fand keine Worte, die der Situation angemessen waren. Stumm ließ sie ihren Kopf auf der Schulter des Menschen liegen. Voldemort wusste nicht, wie lange er dort saß, das beruhigende Gewicht von Naginis Kopf auf seiner Schulter und die Angst in seiner Brust. Irgendwann brach die Schlange die Stille. „Das Leben geht weiter. Und für dich geht es ewig weiter, Tom.“ Tatsächlich schlich sich bei diesen Worten ein leichtes Lächeln auf die Lippen des Dunklen Lords und er richtete sich auf. „Vermutlich hast du Recht.“, zischte er nur und streichelte Naginis Kopf, woraufhin die Schlange sich in seine Handfläche schmiegte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)