Zu weit weg... um zu vertrauen von Kiajira (Manche Einsicht kommt zu spät...) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Disclaimer:Die Welt von Harry Potter und alles, was in ihr rumwuselt, gehört J.K. Rowling. Ich leihe mir Ihre Charas nur für eine Weile aus und gebe sie alle unbeschädigt wieder zurück (Jedenfalls nicht mehr beschädigt, als sie es schon getan hat) Zu weit weg... um zu vertrauen Teil 1 Über Nacht hatte es geschneit. Eine dichte weiße Decke hatte sich über die Ländereien und den gefrorenen See gelegt. Die Baumwipfel des verbotenen Waldes trugen Schneehäubchen. James hinterließ tiefe Spuren im noch unberührten Weiß, als er an der Spitze der Rumtreiber auf Hagrids Hütte zuging. Der Kerl war ihm nicht ganz geheuer, wie den wenigsten in der Schule. Einzig Dumbledore schien ihn gern zu haben. James konnte nicht verstehen, wieso, doch um ehrlich zu sein, es interessierte ihn auch nicht im Geringsten. Solange er nicht wusste, was Hagrid liebenswert machte, konnte er ihm auch weiterhin Streiche spielen, ohne sich schlecht zu fühlen. Manch einer hätte sich sicherlich gewundert, hätte jemand ihm gesagt, James Potter könnte etwas wie ein schlechtes Gewissen haben, und es sicher mit einer Handbewegung abgetan. Doch genau so war es. Über fünf Jahre lang hatte er mit Sirius, Remus und Peter die ganze Schule unsicher gemacht. Niemand war sicher vor ihren Streichen gewesen, und wenn sie jemanden nicht mochten, wurde der ein oder andere Streich durchaus bösartig. Am schlimmsten erging es immer den Slytherins, einigen Auserwählten lauerten sie fast täglich auf. James wusste es zwar nicht, doch ganz Slytherin hasste ihn mittlerweile: Für seine Streiche, die nicht selten zu harten Duellen ausarteten, dafür, dass er immer mit allem davonkam, ein genialer und überall beliebter Sucher war und obendrein jede Prüfung im Schlaf zu meistern schien. Doch etwas hatte er mittlerweile erkannt: Seine Opfer hatten ihm in den allermeisten Fällen nichts getan, und selbst in dem seltenen Fall, dass er eine Rechnung zu begleichen hatte, rechtfertigte das nicht den Terror, zu dem die Streiche meist ausarteten. James fand diese Einsicht zunächst sehr beunruhigend. War er etwa schon einer von diesen erwachsenen Langweilern geworden? So redeten die ja. Nein, stellte er schließlich fest. Er hatte sich lediglich verändert. Und - auch das musste er mit Schrecken feststellen - zum Besseren. Nur nutzte seine Erkenntnis seinen Opfern überhaupt nichts. Er hatte seine Freunde beobachtet. Sie dachten nicht einen Moment lang darüber nach, wie sich ihr Gegenüber fühlen mochte, wenn sie es triezten, oder ob es überhaupt gerechtfertigt war, was sie taten. Sie hatten weiterhin Spaß daran, aus Langeweile - oder was auch immer - Streiche zu spielen. Falls das Wort Streiche noch angebracht war. In einigen speziellen Fällen artete es in letzter Zeit ziemlich aus. James wollte gar nicht daran denken. Er wollte nicht weitermachen mit dem Terror - doch aufhören konnte er auch nicht. Wenn er das tun würde, würden seine Freunde, vor allem Sirius, ihn für verrückt erklären, links liegen lassen und ohne ihn weitermachen. Und wem wäre damit geholfen? Keinem, er würde nur seine Freunde verlieren. Und die waren ihm wichtiger als alles andere auf der Welt. Sogar wichtiger als Lily. James musste schmunzeln, als er durch Hagrids zugeschneites Kürbisbeet stapfte und schließlich stehen blieb. Ihr Lachen hallte durch seine Gedanken, doch er schob es beiseite. Jetzt war nicht der Zeitpunkt zum Träumen. "Alle soweit? Gut, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Hoffentlich habt ihr gute Ideen", murmelte er und warf den Tarnumhang ab, unter dem sie gesteckt hatten. Er wurde mittlerweile recht eng. Peter war verwandelt auf Remus' Schulter mitgekommen und verwandelte sich nun zurück in einen Menschen. Einen Moment blinzelte er verdattert, dann richtete er sich auf und zückte wie die anderen seinen Zauberstab. Seine Stimme war die einzige, die in der eisigen Morgenlandschaft zu hören war, die anderen drei zauberten lautlos. James regte sich einen Moment lang über Peter auf - hatte der Kerl etwa immer noch nicht begriffen, worauf es bei ungesagten Zaubern ankam? - und ließ abwesend den Blick schweifen, während er die vor ihm liegenden Riesenkürbisse verwandelte. Unter den Bäumen des verbotenen Waldes lag kein Schnee, dort war noch das heruntergefallene Laub zu sehen, das im Laufe der letzten Wochen zu Boden gefallen war. Alles war ruhig. Nein, Moment, dort hinten bewegte sich etwas im Unterholz. Eine Gestalt! Sie trug einen schwarzen Umhang und hatte schwarze Haare. Außerdem ging sie gebückt, den Blick auf den Boden gerichtet. Jetzt bückte sie sich und zupfte eine Pflanze ab, die sie in ihrem Umhang verschwinden ließ. James atmete auf. Wahrscheinlich einer aus dem UTZ-Kurs bei Slughorn, der Kräuter sammelte, solange es noch dämmerte. Die Gestalt bemerkte sie nicht. Alles war still. James brauchte einen Moment, um zu begreifen, was das bedeutete. Peter zauberte nicht mehr. Das musste heißen, die anderen waren auch fertig. James holte tief Luft. "Wir sollten schnell verschwinden", zischte er Sirius und Peter zu und zog bereits den Tarnumhang aus der Tasche, da musste Remus laut niesen. So laut, dass es einerseits sicher bis in Hagrids Hütte zu hören gewesen war, es andererseits aber auch die Gestalt am Waldrand aufschreckte. Sie zuckte hoch und wirbelte herum. Es war Severus Snape. Sein blasses Gesicht blickte sie einen Moment lang abschätzend an, dann machte er sich betont ruhig auf den Weg zurück ins Schloss. James musste schlucken. Snape war eins ihrer Lieblingsopfer... Er selbst hatte die fiesesten Sachen an Snape ausprobiert, einfach, weil dieser mit Lily befreundet gewesen war, aus Eifersucht. Er hatte auch dann noch weitergemacht, ihn zu quälen, als die Freundschaft zwischen den beiden in die Brüche gegangen war, diesmal, um Lily zu rächen. Snape hatte sie als Schlammblut bezeichnet. Lilys Proteste hatte er nie verstanden - bis jetzt. Er verspürte nicht mehr den geringsten Wunsch, Snape etwas anzutun. Snape verhielt sich ihnen gegenüber zwar auch nicht nett, wohl wahr, doch sie waren selbst Schuld daran. Hätten sie ihn eben nicht getriezt... James biss sich auf die Lippe und hoffte das unmögliche - dass seine Freunde Snape alle wie durch ein Wunder übersehen und ihn ungeschoren davonkommen lassen würden - doch vergeblich. "Schniefelus!! Wo willst du denn hin? Willst du uns nicht begrüßen, wie es sich gehört?", rief Sirius. James schloss einen Moment lang die Augen und atmete tief durch. Es ging also wieder einmal los. Er begann, es zu hassen. Stumm setzte er sich in Bewegung, Snape hinterher, jedoch nicht schneller als im Schritttempo. Vielleicht konnte er ihn doch noch davon kommen lassen? Seine Freunde sahen in ihm schließlich eine Art Anführer... Doch wieder hoffte er vergebens. "James, beeil dich gefälligst mal ein bisschen!", rief Sirius und lief an ihm vorbei, die anderen im Schlepptau. "Du willst dir doch wohl nicht den Spaß entgehen lassen!" "Doch, ich glaube, das will ich", murmelte James. Trotzdem lief er schneller, um zu Sirius aufzuschließen. Er konnte nicht einfach aufhören. Er konnte es einfach nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben war James Potter feige. Und er hasste sich dafür. -----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^----- Severus taumelte durch die dunklen Kerker. Er konnte nicht einmal mehr um die Ecke gehen, ohne irgendwo anzustoßen. Mit jedem Schritt, den er tat, verfluchte er die Rumtreiber. Jetzt hatte er nicht einmal mehr beim Kräutersammeln seine Ruhe! Am liebsten hätte er diese neunmalverfluchten Gryffindors in Stücke gehext, bei lebendigem Leib verbrannt oder ihnen Stück für Stück die Haut abgezogen. Wie konnten sie ihm nur seinen Zauberstab abnehmen und ihn direkt unter die Peitschende Weide werfen? Wie konnten sie ihm, als er verzweifelt versuchte, sich unter den Ästen hindurchzustehlen, um ihn wieder zu bekommen, einen Verwechslungszauber auf den Hals jagen? Auch jetzt noch lief er, wenn er links abbiegen wollte, nach rechts und krachte im dümmsten Fall gegen eine massive Steinwand. Wie er sie hasste! Die Weide hatte seinen Spaß mit ihm gehabt, hatte ihn kreuz und quer durch die Gegend geschleudert und ihm so ganz nebenbei mindestens einen Arm gebrochen. Sie würden bezahlen. Jeder einzelne von ihnen. Dafür, dass sie daneben gestanden und gelacht hatten. Dafür, dass sie ihm den Weg zum Krankenflügel abgeschnitten hatten und ihm verkündet hatten, sie hätten den Krankenflügel mit einem Erkennungszauber belegt, der ihnen melden würde, wenn er dort hinkäme und sie verpetzte, und sie daraufhin kämen, um ihm die Petzerei auszutreiben. Er konnte nicht in den Krankenflügel. Die Krankenschwester würde ihn niemals, ohne zu wissen, was ihm zugestoßen war, verarzten. Und er hatte keinen Zauberstab, um sich selbst zu heilen. Wie er sie hasste! Alle! Während er weiter durch die dunklen Korridore in den Kerkern schlurfte, schob sich ihm ein Bild vor Augen, eine Erinnerung, die so gar nicht zu seinem momentane Zorn passen wollte. -----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^----- Jemand packte ihn von hinten, während er durch einen niedrigen Tunnel ging. Am Ende, dorthin, wo er wollte, konnte er eine Gestalt sehen, die sich unter schauerlichen Schreien krümmte und auf dem Boden wälzte und verwandelte... Die Schreie gingen in Jaulen über, wie von einem Hund, während dieser Jemand ihn unbarmherzig zurückschleifte, bis die Gestalt aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Irgendwann ging es nach oben, er wurde aus einem Loch ins Freie gezogen. Severus fand sich neben einem besorgt dreinblickenden James Potter unter einer wie erstarrt dastehenden Peitschenden Weide wieder. Dieser fragte ihn schon fast sanft: "Ist alles in Ordnung mit dir?" Severus konnte nicht anders, als ihn anzufauchen: "Alles in Ordnung? Was zur Hölle ist mit Lupin los?! Der Kerl benimmt sich ja wie ein Werwolf!" Potter schwieg und wurde bei diesen Worten kreidebleich. Severus riss die Augen auf. "Sag nicht, er ist tatsächlich einer?!" Potter blickte ihn nur traurig und seltsam resigniert an. Severus knirschte mit den Zähnen. "Black wollte mich umbringen", zischte er mühsam beherrscht hervor. Potter zuckte mit den Schultern. "Ich glaube nicht, dass er sich Gedanken darüber gemacht hat, was Remus mit dir anstellt, wenn er dich sieht." Er schüttelte resigniert den Kopf. "Er sollte sein Hirn wirklich mal etwas mehr benutzen. Das hier war kein Streich mehr, das war lebensgefährlich." Severus blickte ihn fassungslos an. DAS hätte er am wenigsten erwartet, von allen Dingen, die Potter sagen konnte. "Hab ich gerade richtig gehört, Potter? Das klang ja fast - vernünftig!" Potter musste schmunzeln, doch er sah immer noch ziemlich mitgenommen aus. Für einen Moment verspürte Severus das Bedürfnis, ihn wieder aufzubauen, doch er verbot sich diesen Gedanken sofort wieder. Das war schließlich James Potter! "Tja, Snape, auch ich besitze irgendwo einen Funken Verstand", meinte Potter. "Halt dich von der Weide fern, solange Vollmond ist. Er hat es schon ein paarmal durch den Tunnel geschafft und ist nachts rausgekommen." Severus musste schlucken. Ihm wurde mulmig bei diesen Worten, doch er zwang sich, still stehen zu bleiben. Er wollte sich vor Potter keine Blöße geben, keine Gelegenheit, ihn zu verspotten. Fast genoss er dieses ungewöhnlich friedliche Gespräch im Mondschein. Kaum hatte er das gedacht, schlug er sich mental gegen die Stirn. Was war nur los mit ihm? Das war James Potter!! Der Potter, der ihm seit fünf Jahren das Leben zur Hölle machte!! Der andere wandte sich jetzt grußlos zum Gehen. Nach ein paar Schritten drehte er sich jedoch noch einmal um. "Du weißt von nichts, ist das klar? Ich - " Er fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. "Ich bitte dich, sag niemandem etwas." Als er die Worte endlich über die Lippen gebracht hatte, blickte er zu Boden. Severus' Herz vollführte einen Trommelwirbel in seiner Brust. James Potter bat ihn, Severus Snape, um etwas? Das war ungefähr genauso wahrscheinlich, wie Dumbledore, der sich seinen Bart abrasierte. Er schnaubte ungläubig. "Wie bitte?" Potter blickte ihn wieder seltsam traurig an, Severus konnte aus seinem Blick Bedauern lesen. "Wenn du mir den Gefallen tust und den Mund hältst, müssen wir dich nicht fertig machen, damit du es tust. Das ist mir lieber und dir hoffentlich auch. Gute Nacht." Damit drehte er sich um und lief rasch zurück zur Schule. Severus blickte ihm fassungslos hinterher. Er konnte nicht glauben, was er da gehört hatte. Mit dem Entschluss, niemals ein Sterbenswörtchen über diese Nacht zu verlieren, machte er sich ebenfalls wieder auf den Weg in sein Bett. Kurz darauf schallte Wolfsgeheul über die Schlossgründe... -----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^----- Severus spuckte der kalten Wand das Passwort fast entgegen, schleppte sich in den Gemeindschaftsraum und ließ sich auf ein dunkelgrünes Sofa fallen. Doch das war keine gute Idee, er hatte sich anscheinend am Hintern ein paar saftige Prellungen geholt. Fluchend setzte er sich bequemer hin und vergrub schließlich das Gesicht in den Händen. Jetzt, wo er sich wieder an jene Nacht erinnerte, wurde ihm auch bewusst, dass Potter nicht gelacht hatte, als er mit der Peitschenden Weide um seinen Zauberstab kämpfte. Sofort begann sein Herz schneller zu schlagen, und ohne dass er es wollte, stand ihm Potters Gesicht vor Augen. Potter, der ihn anlächelte. Und zwar freundlich, nicht hinterhältig oder fies grinsend, wie er es schon so oft getan hatte. Severus schlug sich gegen den Kopf. Verflucht nochmal, warum konnte er Potter nicht einfach hassen?? Warum ging er ihm nicht mehr aus dem Kopf seit jener Nacht? Er hatte doch danach nicht mit dem Terror aufgehört! Er hatte weitergemacht! Nun gut, er hatte ihn nicht mehr so oft verspottet, doch er hatte eindeutig weitergemacht! Wie konnte Severus dann so von ihm denken? Das war ja fast schon Gefühlsduselei! "Ich hasse Potter", sagte er laut in den leeren Gemeindschaftsraum hinein, doch seine Stimme war ungewöhnlich zittrig und nicht annähernd hasserfüllt. Er starrte ins Leere. Wieso konnte er diesen Kerl, dieses ausgekochte A****loch nicht mehr hassen?? Es fühlte sich fast schon so an, als... als würde er ihn MÖGEN. James Potter. War er jetzt komplett wahnsinnig geworden? Diese miese Ratte machte ihm hier das Leben zur Hölle, und er MOCHTE ihn? Severus ließ sich nach hinten in die weichen Kissen sinken und schloss die Augen. "Du bist übermüdet, das ist alles", sagte er sich laut. Und glaubte sogar daran. -----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^-----^----- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)