Neu im Chaos von Toru-Jung (Chris und Ryan One) ================================================================================ Kapitel 15: Das Licht in der Dunkelheit --------------------------------------- Chris Am Morgen war meine Mutter kurz zu Besuch gekommen, weil mein Fieber wieder etwas anstieg. Und das wo es doch fast schon völlig weg war. Bestimmt wegen den Sorgen die ich mir wegen Ryan machte, sagte meine Mutter. Ich freute mich dass sie kam, aber ich fand es auch etwas unnötig. Mir ging es ja wieder gut. Das Fieber war nicht der Rede wert und ich konnte wieder quietschfidel herumspringen. Eigentlich könnte ich schon heute nach Hause. Ich mochte diese beklemmende Krankenhausatmosphäre nicht mehr. Vorhin war wieder der Doktor bei mir. Er sagte ich müsse noch einen Tag bleiben. Über Ryan sagte er, sein Zustand hätte sich nicht geändert. Und ich konnte noch immer nicht zu ihm. Außerdem war, die von Doktor angekündigte, Polizei bei mir gewesen und hatte mich ausgefragt. Warum ist dein Freund von der Brücke gesprungen? Woher hat er die Abdrücke an seinen Handgelenken? Wer hat ihn diese Schnittwunde zugefügt? Wo war er vorher? Und so weiter. Ich konnte ihnen auf all diese Fragen keine Antwort geben. Dann gingen sie, nachdem sie mich wer weiß wie oft noch gefragt hatten ob ich wirklich nichts wusste. Ich seufzte. Heute war Heiligabend. Und ich musste ihm Krankenhaus hocken. Mir war so entsetzlich langweilig. Ich schaute mich im Zimmer um. Hier war einfach nichts was man machen konnte. Raus gehen konnte ich laut dem Doktor nicht. Dafür war es zu kalt. Ich legte mich auf die Seite und stütze mich auf den Ellenbogen. Auf den kleinen Tisch neben mir stand nur eine Lampe. Mir fiel ein dass ich meine Mutter vielleicht doch lieber gebeten hätte mir etwas von zu Hause mitzubringen. Selbst ein Buch würde ich lesen. So langweilig war mir. Ich schaltete die Lampe an. Und wieder aus. Lämpchen an. Lämpchen aus. Dann lies ich mich auf das Kissen fallen und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Doch an die Decke zu starren wurde auch schnell zur nerv tötenden Sache. Sollte ich vielleicht noch ein Nickerchen machen? Doch auf einmal kamen wir wieder Gedanken an Ryan hoch. Ihm musste es miserabel gehen. Und ich ärgerte mich hier dass es so langweilig war. Ich fühlte mich wieder schlechter wenn ich daran dachte. Nein, einfach nicht dran denken, sagte ich mir. Ryan wird bald wieder gesund sein. Ein leises klopfen war kurz zu hören. Ich setze mich auf und glaubte der Doktor würde gleich rein kommen. Aber kaum eine Sekunde später hatte ich Bianca am Hals. “Hey, Bianca. Nicht so fest!” Nicht nur das sie mich so was von erschrocken hatte jetzt quetschte sie mich auch noch zu Brei. “Ach, lass dich knuddeln”, sagte sie belustigt. Hinter ihr kam auch schon gleich der Rest der Truppe herein. Vincent und Jessy. Sara war nicht mitgekommen, da sie über Weihnachten zu ihren Eltern gefahren war. Und Robert, von dem will ich gar nicht reden. Der sollte da bleiben wo der Pfeffer wächst. “Hi, Chris”, sagte Jessy. “Hallo. Wie geht es dir? fragte Vincent. Nachdem Bianca endlich etwas lockerer wurde konnte ich wieder normal reden. “Soweit ganz gut”. “Da bin ich froh. Wir hatten uns alle schon Sorgen gemacht”. Ok, um eins klar zu stellen. Ich hatte Vincent vor einer Stunde mal angerufen weil mir so langweilig war. Aber dass er hier auftauchen würde und auch noch die Mädchen mitbrachte hätte ich nicht gedacht. Sicher, er klang am Telefon schon ziemlich geschockt als ich sagte von wo ich anrief. Dabei war es auch unvermeidbar das ich ihm die ganze Geschichte erzählte. “Weißt du wie es Ryan geht?”, fragte Bianca. Ich antwortete nicht sofort weil ich nicht so genau wusste wie. “Er wird wieder”. Ich hoffte das klang nicht so deprimierend. Aber wie es nicht anders kommen konnte, machten alle drei ein trauriges Gesicht. Jessy war die erste die wieder fröhlich drein sah. “Na, dann ist ja alles ok. Kommt schon, macht nicht solche Gesichter, das hilft auch nichts”, sagte sie. Und hatte damit eigentlich vollkommen Recht. Es half nichts. Warten und hoffen war das einzige dass wir tun konnten. “Ja, lasst uns über was anderes reden. Sich Sorgen machen ist nicht gut für die Gesundheit”. Bianca die noch auf dem Bett saß und an mir hing, hob ihre Hand und legte sie auf meine Stirn. “Du siehst noch ein bisschen rot aus. Hast du noch Fieber?” Ich schob ihre Hand langsam wieder weg. “Es geht”. “Also ich könnte es keine Minute lang alleine in einem Krankenhaus aushalten. Mir läufst schon eiskalt den Rücken runter wenn ich es nur von außen sehe. Wenn Jessy Und Vinc nicht mitgekommen wären würde ich mich gar nicht rein trauen. Aber ich wollte dich auch unbedingt sehn”. Sie lächelte süß und drückte mich wieder fester mit ihrem Armen um meinen Hals. Lies aber gleich wieder los und setzte sich gerade hin. “Du kannst aber jederzeit sagen wenn wir dir auf die Nerven gehen. Du brauchst doch sicher noch Ruhe”. “Ist schon in Ordnung. Ich freue mich dass ihr gekommen seid”. “Wirklich? Kann ich verstehen, dir muss hier ja furchtbar langweilig sein”. Sie schaute sich im Zimmer um. “Wenn wenigstens noch jemand hier liegen würde. Dann wäre es nicht so langweilig. Anderseits hast du so deine Ruhe”. “Sollen wir dir nächstes mal was mitbringen wenn wir kommen?” fragte Vincent. “Nein, nicht nötig. Ich werde Morgen schon entlassen”. Bianca horchte auf. “Das ist ja toll. Dann können wir vielleicht doch auf das Treffen. Darauf hab ich mich doch schon das ganze Jahr gefreut”. “Ja, mal sehn”. “Dass man entlassen wird heißt nicht dass man wieder alles machen kann, Bianca”. Gab Vincent zu bedenken. Darauf sagte sie: “Dann pack dich ganz dick ein. Dann geht das schon. Und es ist ja nicht so das wir die ganze Zeit draußen sind. Das wird alles in einer großen Halle gemacht. Und da gibt’s auch heiße Getränke”. “Ja, das wissen wir”. Jessy verschränkte die Arme vor der Brust. “Was ist denn mit dir? Fragte Vincent. Bianca antwortete für sie: “Sie ist nur beleidigt weil Robert sich so lang nicht bei ihr gemeldet hat”. “Na und”, gab sie zickig zurück. “Hey, ihr seid nicht hier um zu streiten”, mischte sich Vincent ein. “Wer streitet denn?” Bianca machte einen Schmollmund und sah weg. Ich sagte nichts dazu. Mädchen konnten bei so was echt giftig sein. Da war es besser sich nicht einzumischen. Nach einiger Zeit, in der noch die ein oder andere zickige Bemerkung gesagt wurde, beschlossen die drei zu gehen. Damit ich mich weiter erholen konnte, sagten sie. Aber das einzige was es bewirkte, war das ich mich wieder langweilte. Ich machte, um die Zeit tot zu schlagen, noch ein Schläfchen. Als ich wieder aufwachte schaute ich auf die Uhr an der Wand und sah dass nicht mal eine Stunde vergangen war. Die Zeit konnte manchmal echt grausam sein. Dann hörte ich es wieder an der Tür klopfen. Und sogleich wurde die Tür geöffnet und der Doktor kam herein. Er hatte wieder dieses Lächeln aufgesetzt. Doch diesmal wirkte es anders. Irgendwie echter. Er stellte sich an das Bettende und breitete kurz die Arme aus und wieder zusammen. “Gute Nachrichten. Dein Freund ist vor ein paar Minuten aufgewacht. Er ist auf dem Weg der Besserung und soweit das wir ihn von der Intensivstation hohlen können”. Ich war heil froh dass diese Nachricht endlich kam. Die Ungewissheit wann Ryan endlich wieder aufwachte zerrte so sehr an meinen Nerven das ich schon an ein Koma dachte. Aber das war völliger Quatsch. Noch jemand klopfte an der Tür und der Doktor rief: “Kommen sie rein”. Eine junge Krankenschwester schaute herein. Dann verschwand sie aus meinem Blickfeld ohne die Tür wieder geschlossen zu haben. Und in den folgenden Sekunden stand mir fast der Atem still. Die Schwester schob ein Bett herein. Und darauf lag Ryan. Sie schoben das Bett neben das leere neben mir. Der Doktor hob Ryan hoch, als wäre er ganz leicht und legte ihn in sein neues Bett. Die Schwester deckte ihn zu und befestigte dann die Infusion, die am Bett gefestigt war, an Ryans Arm. Man sah noch deutlich die Abdrücke, von denen der Doktor gesprochen hatte. Sie waren blau rot verfärbt. Dann legte die Schwester Ryans Arm unter die Decke und machte sich daran das Bett wieder hinaus zu schieben. Ich konnte nicht weg sehen von Ryan. Er hatte die Augen zu und atmete ruhig. Noch immer war er sehr blass. Seine Wangen waren leicht gerötet. “Er schläft im Moment wieder. Da wird das Fieber auch bald zurückgehen. Aber er muss noch einige Tage hier bleiben. So dann will ich euch nicht weiter stören. Ruh dich auch noch etwas aus, Chris. Du willst doch nicht länger hier bleiben als nötig, nicht wahr”. Er ging zu Tür hinaus. Ich wollte zwar so schnell wie möglich hier raus, aber jetzt wo Ryan neben mir lag war das anders. Jetzt wünschte ich, ich könnte so lange hier bleiben bis auch er gehen konnte. Ich beobachtete ihn wie er schlief. Seine Brust senkte und hob sich langsam. Er sah so friedlich aus. Draußen wurde es allmählich dunkel. Ich sah Ryan noch lange an. Bis das Licht verschwand und ich langsam einschlief. Diesen fürchterlichen Traum den ich in jeder vergangenen Nacht hatte, kehrte diesmal nicht wieder. Ich hatte meine Angst über ihn verloren und konnte unbekümmert schlafen. Mitten in der Nacht, oder war es bereits Morgen, wachte ich auf. Durch das Fenster schien schwaches Licht der Straßenlaternen herein. Ich hörte etwas. Ich sah zu Ryan. Die Lampe wollte ich nicht anmachen. Ich konnte ihn auch so durch das schwache Licht erkennen. Er lag auf dem Rücken und hatte einen Arm über die Augen gelegt. Er atmete schneller und gelegentlich gab er ein leises schluchzen von sich. Er weinte. Ich wollte mich nicht bewegen. Er sollte nicht wissen dass ich wach war. Ich ließ ihn eine Zeit lang in Ruhe. Jeder brauchte mal einen Moment in der er einfach weinen konnte. Das machte all die Trauer erträglicher. Doch mit jeder Sekunde wurde es unerträglicher Ryan so zu sehn. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ihn weiter in Ruhe lassen und warten bis er sich beruhigte? Oder versuchen mit ihm zu reden und ihn trösten? Wenn er merkte dass ich mitbekam wie er weinte war ihm das sicher unangenehm. Und wenn ich versuchte ihn zu trösten würde er dann, wie schon früher, abblocken und sagen ich solle in ihn Ruhe lassen. Und überhaupt, mir fielen sicher nicht die richtigen Worte ein. Ich wusste ja nicht mal warum er weinte. Er hatte sicher schreckliche Sachen durchgemacht. Wie konnte ich ihn dann mit billigen Worten aufmuntern. Ich hatte doch keine Ahnung von seinem Leid. Ich ließ ihn. Doch er beruhigte sich nicht. Es kam mir vor als würde er schon Stunden vor sich her weinen. Oder waren es nur Minuten? Ich konnte es bald nicht mehr mit anhören. Es zog mir das Herz zusammen ihn so zu sehn. Ich wollte etwas tun. Egal was es war, ich hoffte das richtige zu tun. Ich setzte mich auf. Wollte etwas sagen. Aber mir fiel nichts ein. Ich stand auf. Ryan hatte mich gehört und drehte mir den Rücken zu. Er zog sich mit zusammen und vergrub das Gesicht im Kissen. Ich trat näher und stand nun direkt hinter ihm. Unter der Decke zeichnete sich deutlich sein Körper ab. Er sah klein und zerbrechlich aus. So hilflos. Er hatte aufgehört zu schluchzen aber seine Schultern bebten. “Ryan”, flüsterte ich. Er murmelte ins Kissen, “Geh weg!” Ich wollte ihm die Hand auf die Schulter legen. Aber ließ es dann doch lieber bleiben weil es mir so unpassend schien. Und zog meine Hand wieder zurück. Ich dachte an den Traum. In dem ich Ryan verloren hatte. Ich musste ihn wieder zurück hohlen. Ich musste endlich ernst machen. Ich ging um sein Bett herum und blicke auf ihn hinunter. Er sah mich nicht an. Bewegte sich nicht mal. Und ich sah ihn einfach nur an. Plötzlich fielen mir die Worte wieder ein die Ryan in meinem Traum sagte: “Hilf mir”. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett. Und hätte erwartet das er wieder sagte ich solle weg gehen. Aber nichts dergleichen. Er blieb regungslos. Mir war so als müssten in diesem Moment all meine Gefühle und Gedanken, die ich für Ryan hatte, heraus. Ohne noch weiter zu zögern, packte ich Ryan an den Schultern, zog ihn zu mir und umarmte ihn. Er zuckte kurz zusammen, weil es so plötzlich kam. Hielt aber still. Ich war so glücklich ihn endlich zu spüren und genoss es. Ich wusste dass er mich wahrscheinlich gleich weg schubsen würde. Doch er tat es nicht. Er ließ es zu das ich ihn fest hielt. Und ich war froh dass er endlich seine Verteidigung fallen gelassen hatte. Ich hielt ihn noch lange fest. Ich spürte seinen Kopf an meiner Schulter, meine Hände an seinem Rücken, der sich so knochig anfühlte. Er war so klein und dünn das ich fürchtete ihm weh zu tun wenn ich ihn fester halten würde. Ich hörte seinem Atem zu. Noch weinte er leise, aber beruhigte sich stück für stück. Es war eine Stille eingekehrt die ich mir schon so lange wünschte. Ich wollte dass dieser Moment nie verging. Oder dafür sorgen dass er wieder kam. Ryan sollte bei mir bleiben. Ich hielt ihn fester. Er gab ein ächzendes Geräusch von sich. Etwas verlegen fragte: “Tu ich dir weh?” Ich spürte das Ryan leicht den Kopf schüttelte. Es verging ein Moment in Schweigen. “Bitte, sag mir was passiert ist”. Er antwortet nicht. Flüsternd sagte ich: “Ich will dich beschützen”. Plötzlich versuchte Ryan mich weg zu schupsen. Ich ließ ihn los. Ich wollte ihn nicht wütend machen. Er saß vor mir. Den Kopf gesenkt und die Hände zu Fäusten geballt. Ein paar schwarze Strähnchen hingen über seine Augen die durch seine Tränen glänzten. Kaum merkbar nickte er. “Erzähl mir bitte alles. Wer hat dir das angetan?” Ryan schluckte schwer und sagte: “Ich weiß nicht wer der Typ war”. Seine Stimme zitterte noch etwas. “Er hat mich einfach geschnappt und dann wieder gehen lassen. Ich weiß dass er schon länger hinter mir her ist. Aber nicht was er von mir will”. Er machte eine kurze Pause und sagte dann den Tränen nahe: “Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr verfolgt werden. Ich will endlich meine Ruhe”. Ich sagte einen Moment nichts. Ich wollte nichts überstürzen. “Warum bist du von der Brücke gesprungen?” “Weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Und weil meine Mutter…” Er brachte kein Wort mehr heraus. Und ich auch nicht. Langsam kamen mir die Tränen. Es war schwer zuhören was er erlebt hatte. Aber noch schwerer musste es für ihn sein, es zu erzählen. Ich wusste es zu schätzen, dass er es tat. Er schien mir endlich zu vertrauen. Ich stellte ihm eine letzte Frage: “Wo hat dieser Typ dich hingebracht?” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)