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Assoziatives Schreiben

von

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Satz 06: Große Stadt

Aber etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit an, ein Geruch neben den schweren Düften des Weines und des schwelenden Holzes. Die tiefen, alternden Schwingungen von Rost stiegen mir durch die Nase ins Bewusstsein und, weil ich meine Augen nicht öffnen wollte, baute sich dahinter mein eigenes Bild des jetzigen Moments auf. Ich roch von Grünspan zerfressenes Eisen und Meersalz und Oxidation, die ich nur hier riechen konnte, wo ich mir jeden Geruch nur vorstellen musste.

Ich dachte an das eiserne Klettergerüst in meiner Heimat. Oben, weit im Norden am Meer, wo es kalt war und nicht wie hier in den Straßen der großen Stadt, in der es niemals wirklich kühl wurde. Die warme, verbrauchte Luft und der Dampf, die überall aus den Kanaldeckeln und Abzugsrohren stieg, ließ niemals auch nur einen Hauch von Frische in die Gassen. Ich konnte es riechen – selbst jetzt – wie es den Rotwein, das Verbrannte und den Rost überlagerte wie eine zweite Haut.

Ein Gefühl der Abgestandenheit beschlich mich langsam. Ich fühlte mich verbraucht und benutzbar, wie alles um mich herum, außer dem starken Aroma des Weines, das irgendwo aufstieg. Trotz geschlossener Augen drehte sich die Welt um mich und ich musste befürchten zuviel getrunken zu haben, denn mein Körpergefühl war eigenartig taub und schwer, aber hypersensitiv.

Ich hörte in einer unwirklichen Ferne eine fahrige Stimme: „Das Wichtigste dabei einen guten Wein nicht zu genießen ist“, ich erkannte amüsiert, dass es meine eigene Stimme war, „ihm kein angemessenes Gefäß zu bieten, welches es ihm ermöglicht seinen Geschmack zu entfalten. Die einzige Möglichkeit alle Säure- und Bitterstoffe zu erhalten ist“, mein Arm mit der Flasche in der Hand führte sie ganz allein an meinen Mund, „ihn ohne jede Hemmung und Niveau aus der Flasche zu trinken.“

Die lauwarme Flüssigkeit rann mir die Backe hinunter, während ich trank, und es fühlte sich an wie Säuretropfen, die sich durch mein Gesicht fraßen. Die Flasche war leer, ein guter Teil davon glitt gerade an meinen Geschmacksnerven entlang, ehe ich meinen Arm wieder dazu bringen konnte sie abzusetzen. Mit einem lauten Klirren setzte ich sie auf einer hölzern klingenden Oberfläche ab. Mein Fußboden, erinnerte ich mich, in meiner kleinen Wohnung in der großen Stadt.

Aus dem Nichts erfasste mich die Klarheit der Erkenntnis: Ich hätte niemals in die große Stadt gehen dürfen. Ich hätte nie meine Heimat hinter mir lassen sollen. Und das Meer. Und das Klettergerüst, das vermutlich mittlerweile verrostete, weil sich keiner mehr darum kümmerte. Denn alle Kinder hatten sicherlich ihr Glück in der großen Stadt gesucht und verloren.

„So wie ich“, kommentierte meine raue Stimme. Ich hustete. Es war heißer als sonst in meiner Wohnung. Irgendwie stickig. Ich bekam Lust aufzustehen, um die zu kleinen Fenster zu öffnen und mir etwas Kaltes zu trinken zu holen.

Der heiße Schmerz in der Bauchgegend riss mich wieder zu Boden und mir die Augen auf. Die Vorhänge und der Teppich hatten mittlerweile Feuer gefangen. Ich erinnerte mich die Kerze auf dem brennenden Tisch selbst in meine Manuskripte gestoßen zu haben. Die klaffende Wunde in meinem Bauch schmerzte nun, da ich sie sehen konnte, entsetzlich. Ein sauberer, tiefer Schnitt quer über den Bauch mit dem schärfsten und längsten Küchenmesser, das ich gefunden hatte. Sehr authentisch. Doch das Blut wirkte dunkler als ich erwartet hatte, was vermutlich an den Farbtönen lag, in die das Feuer den Raum tauchte.

Mich überkam zu meiner eigenen Überraschung wenig Panik in Anbetracht der Situation, obwohl ich mein Leben lang schreckhaft gewesen war. Ich legte den Kopf nur wieder zurück auf den Fußboden, schloss die Augen und konnte das Meer sehen.

Satz 07: Magnus Exorcismus

"Und doch war da diese schwache, bange Stimme in mir, die sich fragte, ob es sehr wehtun würde, wenn... wenn es ein schlechtes Ende nahm“, schoss Shay klar durch den verschwommenen Nebel der Gedanken, der Stimmen ihrer inneren Geister. Die Stimmen sprachen in diesen Tagen wenig und wirr miteinander, waren oft nur das ferne Rauschen eines Bachs gegen das verzehrende Grollen. Umso beängstigender war die Klarheit der plötzlichen Erkenntnis.

Das Grollen brüllte und wütete seit mehreren Monden in ihrem Kopf wie eine zügellose Bestie. Es verwirrte die klare Vernunft und vertrieb ihre Konzentration. Manchmal schwoll es so sehr an, dass es gewaltsam aus den Gedanken in ihre Stimme überquoll. Oft hatte Shay unbeabsichtigt ihre Freunde beschimpft und sogar einmal ihren kleinen Bruder geschlagen, bis ihrem Vater, dem Häuptling des Stammes, klar geworden war, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Weil er großes Vertrauen in den Mut und die Besonnenheit seiner kleinen Tochter hatte, unterbreitete er ihr seine böse Vorahnung.

Er hatte noch am selben Tag einen der jungen Männer des Dorfes ausgesandt und seitdem hatte Shay ihr Zelt nicht mehr verlassen. Sie hätte sich isoliert gefühlt, doch der andauernde Aufruhr in ihrem Inneren und die Angst vor den bevorstehenden Ereignissen ließen dafür keinen Raum. Ihre inneren Geister waren aufgewühlt und hilflos, standen ihr mit keinem guten Rat zur Seite.
 

So lag sie, ungewiss darüber wie viele Tage vergangen waren und ob es gerade Morgen oder Abend war, auf den Fellen am Boden des Zeltes und blickte trübe ins Zwielicht. Sie versuchte darüber nachzudenken, welche Folgen ihr Zustand haben konnte, und wie sie damit umgehen würde. So sehr sie sich bemühte dem schwachen Flüstern der Stimmen zu lauschen und klar im Kopf zu bleiben, fiel es ihr mit jeder unwirklichen Stunde, die verstrich, schwerer. Oft wurde sie nun von Krämpfen geschüttelt und schrie, wenn das Grollen sich in ihre Gedanken krallte. Es verbiss sich in ihrem Herz und machte Jagd auf ihre inneren Stimmen. Das Gefühl bei lebendigem Leib ausgeweidet zu werden, krümmte sie stundenlang, die Arme um sich selbst geschlungen, auf den Fellen zusammen.
 

Ihre ältere Schwester Shayan war, seit Shay das Zelt nicht mehr verlassen konnte, nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Sie brachte ihr zu Essen, zu Trinken und half ihr bei allem anderen, was sie nicht mehr allein schaffte.

Shays schmaler Körper war fast nackt, doch ihre drei Schwestern und die Medizinfrau Anka hatten ihn über und über mit Liniengeflechten und den Symbolen der Schamanen bemalt. Vom Grün der Himmelsdecke aus hohen Bäumen bis zum tiefen Violett des Lichtes in der Abenddämmerung, bedeckten fast ein Dutzend Farben ihre dunkle Haut.

Die dicken Seile, die lose um Shays Hände und Füße geknüpft waren, waren umschlungen mit in dunkles Holz geschnitzten Gebetstäfelchen und auf Lederstreifen geätzte Runen der alten Sprache. Obwohl sie leicht hätte aus den weiten Schlaufen hinausschlüpfen können, hielten diese sie unverwüstlich an ihrem Platz. Selbst wenn das Grollen so gewaltig durch ihren Körper tobte, dass sie um sich schlug und sich gegen die Seile aufbäumte, konnte es sie nicht mehr als einen halben Meter um die Mitte des Zeltes bewegen. Sie selbst dachte nicht einmal daran sich von den schützenden Fesseln zu lösen, auch wenn das Grollen manchmal zu einem rauen liebevollen Flüstern wurde, das ihr beteuerte, sie wünsche sich in Wirklichkeit die Freiheit.

Shayan saß währenddessen meist nur still am Rand des Raums, ihr Gesicht ein gutmütiges Oval, und wusch ihr den Schweiß vom erschöpften Körper, wenn sich ein Ausbruch wieder gelegt hatte. Manchmal sang sie auch mit sanfter Stimme oder flüsterte ihr die Mythen ihres Volkes ins Ohr. Stundenlang erzählte sie Shay über die Reise des Geistes aller Geister und das Übel aus der schwarzen Quelle in der Nacht: Wie der Große Geist von der lichtesten Sphäre der Welt in die niederste wandern musste, um ihren Urahnen den Wald erschaffen zu können. Und wie er in den tiefsten Abgründen der Welt auf den schwarzen Brunnen gestoßen war, noch dunkler als die Finsternis, der stets bodenloser wurde, je weiter er ihn hinuntertauchte. Solang bis selbst er – die Essenz allen Seins – umkehren musste, ohne den Grund gesehen zu haben.

Nur die Geschichte, wie die schwarzen Wasser als Tautropfen im Blattgefieder des Geistes aller Geister hängen blieben, als er wieder über den Rand des Brunnens stieg, und mit ihm in die Hallen des einst erschaffenen Waldes zurückkehrten, sparte Shayan aus, doch Shay kannte die alten Legenden ebenso gut wie sie.
 

Sie war gerade in einen kurzen Dämmerschlaf verfallen, als die Geräusche von außerhalb des Zeltes lauter wurden und zu einem Stimmengewirr anschwollen. Shay stützte sich aus ihrer Rückenlage auf die Ellenbogen auf und blickte ihre Schwester müde fragend an. Als Shayan gerade aufstand, um draußen nachzusehen, wurden die schweren Felle vor dem Eingang gehoben. Zum ersten Mal seit langer Zeit entrollte sich wieder schummriges Mittagslicht in einem breiten Streifen ins Zeltinnere. Beide Schwestern kniffen die Augen zusammen und bedeckten sie mit den Händen, um etwas sehen zu können.

Die Gestalt im Zelteingang war nur eine dunkle Mauer gegen das blendende Licht. Nach kurzem Blinzeln konnte sie erkennen, dass sie den Mann nur bis zum Oberkörper sah. Seine Schultern und der Kopf verschwanden oberhalb der Öffnung, doch trotzdem wusste Shay sofort, um wen es sich handeln musste. Neben ihm konnte sie die vertraute Silhouette ihres Vaters erkennen, der dem Anderen knapp bis zur Schulter reichte.

Frischer Wind wehte durch die von Kräutergeruch stickige Luft des Zeltes, während die beiden Männer im Eingang leise miteinander sprachen. Ihr Vater musste sich nach oben recken, während der Hochgewachsene sich nach unten beugte und zum ersten Mal einen Blick ins Innere warf. Gegen das Licht wirkten die Umrisse seines Gesichts wie eine Maske – ruhig, ausdruckslos und mit Konturen bunter Farbe geziert.

Mit einer einfachen Geste gebot ihr Vater der älteren Schwester mit ihm das Zelt zu verlassen. Sie wisperte Shay im Gehen einen Segensspruch zu, während ihr Vater nur einen langen, bekräftigenden Blick mit seiner jungen Tochter austauschte, den sie besser verstand als jedes Wort. Sie nickte ihm entgegen und als Vater hinter Shayan die schweren Felle wieder zu Boden gleiten ließ, war sie mit dem großen Fremden allein.
 

Gebeugt war er in zwei Schritten an ihrer Seite und setzte sich neben ihr auf die Felle nieder. Er musterte sie eindringlich, während der eine große lederne Tasche von der Schulter zu Boden gleiten ließ.

„Weißt du, wer ich bin, mein Kind?“, fragte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

„Ihr seid der große Schamane“, antworte Shay mit kratziger Stimme und versuchte sie zu räuspern. Sie musste husten.

Er griff nach dem Tonkrug am Rand des Zeltes und füllte ihr eine Holzschale mit Wasser. Sie wandte den Blick nicht vom Schamanen ab, während sie trank. Seine Züge waren ohne Alter, irgendwo zwischen einem jungen Erwachsenen und einem alten Weisen. Seine Haut war noch dunkler als die ihre, fast schwarz wie die Nacht. Der Kopf war glatt geschoren und nur die Gesichtsbemalung und ein aus gefärbtem Stoff gewebten Rock hoben sich aus seiner ebenmäßigen Erscheinung heraus. Die Arme und die breite Brust waren übersät mit den hellen Strichen von Narben, manche nicht größer als Kratzer, andere lang und breit wie Flüsse.

„In den Geschichten haben die Dämonenaustreiber mehr Narben“, entwich Shay der Gedanke, jetzt mit klarer Stimme, bevor sie darüber nachdachte. Seine Mundwinkel verzogen sich unmerklich nach oben.

„Dann muss ich wohl ein besonders guter sein.“ Er betrachtete sie nachdenklich und fuhr weniger fragend als feststellend fort:„ Und du weißt auch bereits, weshalb ich gekommen bin, mein Kind.“

„Ein böser Geist wohnt in mir. Schwarze Wasser fließen durch mich“, antwortete Shay mit vergeblich ruhiger Stimme.

„Schwarze Wasser fließen durch dich, mein Kind“, wiederholte der Schamane, wie eine feierliche Formel. Er goß eine weitere Schüssel voll Wasser und wusch sich das Gesicht, bis die Bemalung verschwunden war und die hellen Augen als einzige Merkmale zurückließ.

Schweigend betrachtete Shay, wie er Dinge aus seiner Tasche langsam vor sich auslegte – zwei verschlossene Flaschen, eine lederne Schriftrolle und viele kleinere Gegenstände – und ruhig vor sich hin sprach. Sie konnte den Schamanen nicht verstehen, obwohl die Laute sie an ihre Sprache erinnerte, nur gutturaler und kantiger als der gewohnte weiche Sprachfluss.

Das Grollen in ihr hatte bisher regungslos verharrt, doch jetzt begann es sich zu winden und davon kriechen zu wollen vor dem Anblick des Mannes. Flüche und Beschimpfungen quollen zwischen ihren Inneren Geistern hervor, doch sie konnte sie unter der Oberfläche halten. Es fürchtete sich davor, dass er es aus ihr herausziehen und zerschlagen würde – und Furcht machte es wütend. Shay wiederum fürchtete diesen Zorn und wie sehr es sie verletzen konnte. Als hätte er ihre Gedanken gehört, richtete der Schamane wieder seine Worte an Shay:„ Vergiss nie, dass an dir nichts böse ist. Das Böse hat sich in die Welt geschlichen, um das Werk des Geistes aller Geister zu entstellen. Es ist der eine Gifttropfen im reinen Blut seiner Kinder.“

„Der große Geist hat in die Abgründe der Welt geblickt, um uns alles Mögliche zu kennen, bevor er uns daraus erschuf. Es ist die Ehre der Stärksten unter seinen Kindern die schrecklichen Anblicke, die er nicht vergessen konnte, zu ertragen“, stimmte sie, einem Gebet gleich, mit ihm ein.

„Dein Vater hat dich die ältesten Geschichten gelehrt und er tut Recht daran. Du bist wirklich ein kluges Mädchen, mein Kind. Jene, die der große Geist berührte, werden seine stärksten und schönsten Kinder nicht vergehen lassen.“ Shay spürte wie ihr die Wärme ins Gesicht stieg. Ein Anflug von Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des Schamanen, doch dann wurde er ernster als zuvor.

„Ich kann dich nicht belügen darüber, wie schwer die nächsten Stunden für uns beide werden, mein Kind. Ich werde für dich kämpfen und du wirst für mich überleben. Ich will nur wissen, ob du sehen willst, was geschieht, oder es in Ruhe ertragen?“

Shay schluckte schwer. „Ich will es sehen.“

Er nickte und griff nach einer der beiden Flaschen, öffnete sie und reichte sie Shay. Während sie trank, verstaute er die andere Flasche wieder in der Tasche. Einige Zeit verharrten beide in Stille, während Shay langsam bemerkte, wie sich eine Ebene neuer Eindrücke voll Klarheit über die matten Konturen ihrer bisherigen Wahrnehmung legte.
 

Den Körper des Schamanen umgab eine Aura klammen Leuchtens, das den Raum in einen dunkelgrünen Schein tauchte. Seine Hände glitten mit knappem Abstand vom Kopf herab ihren Oberkörper entlang, während er leise in einer fremden Zunge intonierte. Wogende Wellen sanften Lichts, wie sich im Wind wiegende Grashalme, entglitten seiner Stimme und rannen aus dem Mund die gespannten Arme hinab. In den kreisenden Bewegungen seiner Hände fielen die Lichttropfen wie moosgrüne Perlen von seinen Fingerspitzen auf ihren nackten Oberkörper. Sie schlugen auf wie Kieselstein in einen stillen See und zogen Wellen, die sie am ganzen Leib erschütterten. Ihr wurde klar, dass die Tropfen nicht auf ihre Haut fielen, denn die Bemalung ihres Körpers blieb unversehrt. Doch gleichzeitig sammelte sich das Licht zu einem schimmernden Riss quer über ihren flach atmenden Bauch. Sie spürte nichts davon. Sie konnte nur sehen, wie der Riss langsam zu einem Spalt ausfranste und der Schamane die Bewegungen seiner Hände auf den Riss konzentrierte, während unaufhörlich sanftes Licht aus seiner Stimme rann.

Dann begann das Knistern, ein Knirschen von alten Zahnrädern, als sich ein schwarzes Spinnenbein durch die Öffnung in ihrem Bauch schob. Es war haarig und kalt, als es ihre Haut streifte; so dick wie eine Liane. Dann kam ein zweites hinterher gekrabbelt und ein drittes. Vorsichtig betasteten sie den Mädchenleib, während sie ein Gefühl bekam, als verkrampfe sich ihre Magen. Fünf weitere Spinnenbeine stießen nacheinander durch die Öffnung und wirkten jetzt wie eine große Spinne, deren Körper in ihrem Inneren feststeckte.

Der Schamane formte weiter ruhige Bewegungen in der Luft, schien die Spinnenbeine gar nicht zu bemerken. Nur gelegentliche, ziehende Gesten seiner kreisenden Arme verrieten, dass er mit der seltsamen Erscheinung interagierte: Er versuchte sie immer weiter aus dem Körper zu ziehen.

Abrupt stockte sein gesamter Körper und die Hände wurden zu Fäusten. Grelles Licht, wie die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach der Bäume, lud sich in seinen Armen auf. Jede Ader, jeder Muskel erstrahlte in einem komplizierten Muster.

Ohne den Fluss der Lichttropfen auf ihrem Bauch würde der Spalt schmerzhaft. Schwarze Spuren rissen von den Rändern der Öffnung über den gesamten Oberkörper und krochen zu ihrem Hals hinauf. Sie verkrampfte unter brennenden Schmerzen und schrie auf.

Die gleißenden Hände griffen alle Spinnenbeine und rissen an ihnen, wie man an einer Pflanze reißt, um sie mit der Wurzel herauszuziehen. Die schwarzen Spuren zogen sich zurück und zuerst ein Kopf, dann der gesamte Körper eines erwachsenen Mannes, kamen aus dem Riss zum Vorschein. Der Schamane hatte das Wesen an den Haaren herausgezogen und saß ihm nun Angesicht zu Angesicht gegenüber.

„Hexendoktor! Giftmischer! Lügenpriester!“, kreischte die Gestalt dem Schamanen entgegen. Shay wollte sich vor Schmerzen winden, doch es war als sei sie mit einem Baumstamm auf den Boden gepfählt. In ihren Augen stand Entsetzen. Das Gesicht des Wesens war eine verzerrte Parodie menschlicher Züge; die Augen widernatürlich ineinander verschmelzende Rubine und Smaragde. Der verdrehte Körper bleich und schuppig von schwarzen, dicken Adern durchzogen.

„Dämon“, entfuhr ihr, ohne Kontrolle über sich selbst.

Das Wesen schenkte ihr einen schmelzenden Blick und eine gebleckte Reihe Messerzähne. „Nur keine Furcht, meine Kleine. Wir werden noch viel Zeit miteinander verbringen, wenn ich das hier erledigt habe.“

Die Faust des Schamanen traf das Wesen unerwartet. Grüne Funken sprühten, als die das weiche Fleisch seines Gesichtes verformte. Ein zweiter Schlag grub sich in seine Brust. Es spie dunkle Flüssigkeit, die den Arm des Schamanen mit einem zischenden Geräusch traf, ohne dass er eine Miene verzog. Ungerührt nahm er den rechten Arm des Wesens und riss ihn herum, bis er verwinkelt und schlaff am Körper herab hing. Der linke Arm folgte. Glühende Brandmale mit grünlichen Rändern blieben, wo der Schamane zugepackt hatte.

Shay warf sich zwischen Ohnmacht und Staunen unter Schmerzen auf den Fellen hin und her. Alles was der Schamane dem Geschöpf der schwarzen Wasser zufügte, spürte auch sie in einem abgeschwächten Nachklang. Sie hatte immer geglaubt die Schamanen würden beten, um Dämonen zu vertreiben. Kräuter mischen und Rituale vollführen, wie es die Medizinmänner und Ältesten taten, um eine Krankheit zu bekämpfen. Die Handlungsweise der Schamanen war erheblich direkter.

Das Wesen schlug um sich, seine Spinnenhaare peitschten über den Körper des Schamanen und hinterließen blutige Spuren, während dieser weiter auf den Dämon einschlug. Zuletzt vernahm sie brechende Geräusche, als die leuchtenden Fäuste den bleichen Leib trafen. Er legte die Hände um den Hals des Wesens und drückte zu. Während dieses verzweifelt kreischend und gurgelnd versuchte sich loszureißen, spürte Shay, wie ihr Bewusstsein schwand.
 

Als sie wieder zu sich kam, war es ruhig im Zelt und in ihrem Inneren. Ihre inneren Stimmen sprachen wieder lauthals miteinander und beruhigten sie, dass alles in Ordnung sei. Neben ihr saß immer noch der große Schamane, vornüber zusammengesunken in tiefem Schlaf. Die blutigen Spuren auf seinem Oberkörper begannen bereits Krusten zu bilden. Shay musste lachen, als sie feststellte, dass er leise schnarchte.

Vorsichtig schlüpfte sie aus den Schlaufen ihrer Fesseln, um nach draußen zu ihrer Familie und ihrem Stamm zu gehen.
 


 

Abschließende Bemerkungen:

Erst einmal vielen Dank, da ihr diese Geschichte gelesen haben dürftet, wenn ihr das hier lest.

Die Assoziation dieser Geschichte mit dem vorgegebenen Satz kam mir sehr spontan, hat jedoch eine kleine Vorgeschichte, die vielleicht erwähnenswert ist:

Der Gedanke für eine solche Exorzismusszene kam mir früher einmal bei einer Diskussion mit meinem DSA (Das Schwarze Auge)-Spielleiter. Die Grundlage war die Tatsache, dass nach den Regeln von DSA einige magische Wesen und vor allem Dämonen nur mit magischen oder geweihten Waffen verletzt werden können. Zusätzlich gelten magische Charaktere (Elfen, Magier, Schamanen, Druiden) und Geweihte der Götter als körperlich magisch, also von Magie bzw. der Weihe eines Gotter beseelt. Wir kamen also zu der Erkenntnis bzw. Idee, dass Charakter, der die Rolle eines Dämonenaustreibers einnimmt, abgesehen von den üblichen Bannungsritualen, tatsächlich einen Dämon, der von einem Menschen Besitz ergriffen hat, sobald er diesen zu fassen bekommt, zu Tode prügeln könnte. Auch wenn es vielleicht etwas brutal und seltsam sein mag, fand ich die Vorstellung doch immer sehr interessant und wollte es schon immer mal irgendwie verarbeiten.

Als ich den Satz für dieses Mal gelesen habe, kam mir diese Erinnerung sofort wieder hoch.

Was es den Rest der Geschichte angeht, kann ich nur sagen, dass natürlich der religiöse bzw. mythologische Teil nicht besonders umwerfend ist, da ich ihn nicht wirklich ausgearbeitet habe, sondern einfach geschrieben, wie es mir einfiel. Ich hatte darüber nachgedacht es etwas stimmiger nachzuschleifen, aber dachte mir, dass das eigentlich den Sinn dieser Schreibaufgaben über den Haufen wirft.
 

In diesem Sinne hoffe ich, dass es euch gefallen hat ^_~.
 

shu

Satz 08: Sturm in der Teetasse

„Er hat mit seinem Mörder Kräutertee getrunken, wie die Überreste in den Tassen zeigen“, merkte Inspektor Ian Crowley an, während er einen verschlossenes Plastikbeutelchen mit den ausgekratzten Resten und Teekrümeln über die Theke des Ladens schob, „doch es ist schwer Experten für solche Fragen aufzutreiben, weswegen ich sie aufsuche, Doktor.“

Dr. William Gallagher, der es – wie Crowley wusste – schätze bei seinem Titel genannt zu werden, obwohl er nur Besitzer eines Teeladens war, zog das Beweisstück von der anderen Seite der Ladentheke zu sich. Mit gespreiztem Daumen und Zeigefinger hochhebend begutachtete er den Inhalt gegen das Licht. Die jungen Züge seines Gesichts zerknitterten erste, zarte Falten und auch seine vollen, dunkelbraunen Locken durchwob feines Grau. Die Weste mit Taschenuhr und das gestreifte Hemd rundeten das Bild eines gutherzigen, englischen Gentlemans in den Dreißigern ab. In einer Mischung aus kritischer Analyse und kindlicher Neugier begutachtete er lange das gehaltene Objekt.

Crowley nahm auf einem der Hocker an der Theke Platz. In der Atmosphäre des Ladens und vor allem der Gegenwart seines Besitzers fühlte er sich weiterhin deplaziert. Obwohl kaum jünger als der Doktor kam er sich wie unangebrachter Witz vor in seinem mehr schlecht als recht gebügelten Polizeianzug und unrasiert seit Tagen. An seinen letzten Haarschnitt konnte er sich nur noch vage erinnern.

Er zwang sich dem Gefühl von Ehrfurcht und Ruhe nicht nachzugeben, welches Gallaghers Präsenz jedes Mal aufs Neue in ihm weckte, und sich auf seine Pflichten als Polizist zu konzentrieren. Auch wenn er die Gesellschaft des verträumten Teeliebhabers mit der spät abgebrochenen akademischen Laufbahn in den letzten Wochen zu schätzen gelernt hatte. Oft hatte er sich nach Feierabend in dessen Laden auf Tee und Diskussionen über Byron und Austen eingefunden, doch heute war er – wie eigentlich immer - zu allererst Staatsdiener und Ermittler. Wie in einer Geste der Ermahnung an sich selbst zog er seinen Anzug zu Recht und richtete die Krawatte, während Gallagher den Beutel mit Teeresten wieder auf der Theke absetze.

„Und ihnen fehlt jede Spur, um den Täter anderweitig zu identifizieren, Mr. Crowley?“ Besorgt hob der Teehändler die schmalen Brauen, um wie einen Teil der Frage nachzusetzen: „Eine Tasse Tee?“

„In der Tat, Doktor“, bestätigte der Inspektor nickend, „wir können nicht einmal sicher sein, ob der Tee etwas mit dem Mord zu tun hat. Die Analyse der Substanz bereitet uns ebenso große Schwierigkeiten, wie alles andere. Wir tappen im Dunkeln.“ Normalerweise sah er sich vor Außenstehenden Informationen über die Ermittlungen Preis zu geben, – selbst wenn es eigentlich keine Informationen gab, wie er sich hier eingestehen musste – doch ließ die kurzweilige Freundschaft zu William Gallagher ihn überraschend nachlässig werden. Sowohl für seine Prinzipien, als auch für seine Dienstvorschriften. Hatte er den Teehändler doch erst bei den laufenden Ermittlungen kennen gelernt, da eines der Opfer verschiedene Teesorten aus Gallaghers Laden besaß und er Crowley als eine gute Anlaufstelle erschien, um mehr über den „Kräuterteemörder“ herauszufinden.

Der Polizist lachte innerlich und konnte nicht umhin sich zu fragen, ob die Namensgebung der Presse schon immer so durchschaubar gewesen war.

„Selbst aus den Resten lässt sich sehen, dass es sich um keinen einfach gekauften Tee handelt“, begann der Doktor zu erläutern, während er Wasser aufsetzte und Tassen bereitstellte, „sondern um eine zusammengestellte Mischung. Aber das werden sie vermutlich auch schon erkannt haben, als sie es nicht zuverlässig analysieren konnten.“ Der Inspektor nickte nur stumm. Ihre Experten waren nach durchnächtigten Wochen am Rande des Nervenzusammenbruchs bei dem Versuch die einzelnen Komponenten der Teereste zu bestimmen.

„Weiterhin will ich mit auch nur einem Blick behaupten, dass es sich um keine mir bekannte gängige Mischung handelt“, setzte Gallagher fort, während er aus einer der Hunderten kleiner Schublädchen, die die hintere Wand seines Ladens bildeten, zwei Fingerspitzen einer Teemischung in die Tassen streute, „vielmehr höchstwahrscheinlich eine sehr individuelle Kreation. Will sagen: es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Tee in direkter Verbindung zum Täter steht.“

Der Teekessel pfiff und Crowley ordnete die Aussagen des Doktors in seine bisher spärlichen Erkenntnisse ein, als er diesem zusah, wie er dampfendes Wasser in die Tassen goss. Erst tanzten die getrockneten Blätter und Blüten vom heißen Wasser zu neuem Leben erweckt in seiner Tasse umher, doch schon bald sanken sie zu Boden und legten sich wieder – tot wie sie waren – zur Ruhe.

„Können sie feststellen, welche Inhaltsstoffe der Tee enthielt, von dem die Überreste stammen, Doktor?“, fragte der Polizist, ohne vom Sturm in der Teetasse aufzusehen.

„Nicht mit den Augen allein“, antwortete der Teehändler und seine feingliedrigen Hände begannen geschickt den Beutel zu öffnen.

„Wäre ja auch zu schön gewesen.“ Crowley nippte am Tee und ließ sich das würzige Aroma durch den Mund gleiten, bevor er es herunterschluckte.

„Würde die ganze Welt in Rauch aufgehen, Mr. Crowley, dann würden wir mit der Nase sehen.“ Der Doktor grinste verschmitzt, während er fachmännisch am geöffneten Beutel roch.

„Nietzsche?“

„Vorsokratiker.“

„Ich werde nie verstehen, weshalb sie den Geisteswissenschaften den Rücken gekehrt haben.“ Der Inspektor lächelte kopfschüttelnd. Er selbst hatte nach wenigen Semestern erfolglos sein Studium abgebrochen und hatte sich seiner praktisch veranlagten Natur gebeugt.

„Sie wissen, ich schätze Abwechslung in meinem Leben und brauche die Spannung des Neuen, Mr. Crowley. Zumindest sind die Menschen, mit denen ich mich heute tagtäglich beschäftige alles andere als tot und verstaubt.“ Vorsichtig zerbröselte Gallagher einige Brocken aus dem Beutel zwischen den Fingern und roch. „Eine wirkliche interessante Komposition. Er ist ein Kenner. Ein Schöngeist, will ich meinen.“

„Kennen sie die Zusammensetzung, Doktor?“ Der Polizist sah ihn begierig an, doch der Teehändler schüttelte lächelnd den Kopf.

„Die Mischung ist äußerst facettenreich“, stellte er mit einer Spur von Bewunderung fest, während er einen Schluck aus seiner eigenen Tasse nahm, „ganz ähnlich jener, die wir gerade trinken, doch auch wieder gänzlich verschieden. Ich werde ihnen notieren, was ich erkenne, befürchte jedoch, dass ich ihnen weiter keine Hilfe sein kann, Mr. Crowley.“

Für eine Sekunde war der Inspektor aufgeschreckt, als Gallagher die Ähnlichkeit zu ihrem eigenen Getränk erwähnte, doch schnell belächelte er die Vorstellung gerade „das Gift“, die mögliche Mordwaffe, zu sich zu nehmen. Märchen von vergiftetem Tee, den die Laboranalyse der modernen Kriminologie nicht nachweisen konnte, waren ein allzu unnützes Hirngespinst.

Natürlich hatte Inspektor Crowley zu Anfang in Betracht gezogen, dass es sich beim äußerst intelligenten Teekenner Dr. William Gallagher um einen Verdächtigen und möglichen Täter handeln könnte; schon allein, weil es zu einer gedanklichen Routine seiner Arbeit gehörte. Doch schnell hatte er die Idee verworfen ein kreatives Genie von einem gewieften Mörder vor sich zu haben, es als einen Detektivtraum seiner lebhaften Fantasie abgetan. Professionelle Polizeiarbeit funktionierte so nicht.

„Mr. Crowley?“ Der Polizist schreckte aus seinen Überlegungen hoch und sah den Teehändler gedankenverloren an, welcher ihm einen säuberlich beschriebenen Zettel über die Theke schob.

„Ja?“

„Noch eine Tasse Tee, Mr. Crowley? Sie sehen überarbeitet aus.”

“Nein … ahm …”, langsam vor sich hin faselnd versuchte der Inspektor seine Gedanken zu ordnen und schüttelte schließlich klärend den Kopf, „Nein Danke, Doktor. Ich fürchte, die Pflicht ruft.“ Er überflog kurz die auf der Theke liegende Liste und steckte sie dann zusammen mit dem Beutel ein. „Sie schließen aus, dass der Tee etwas enthielt, was für den Tod direkt verantwortlich sein könnte?“

„Absolut, Mr. Crowley. Der Tee war so ungefährlich wie der, den wir gerade zusammen getrunken haben. Das kann ich trotz aller Ungewissheit sicher sagen.“ Er lächelte freundlich.

Inspektor Ian Crowley bedankte sich für die Mühe des Doktors und ging, versprach aber sobald es seine Zeit zuließ dem Laden abends wieder einmal einen Besuch abzustatten, wenn er nicht im Dienst war.

Mit einem gutmütigen Lächeln blickte Dr. William Gallagher seinem Freund und Kunden hinterher und verharrte noch eine Weile regungslos nachdem die Ladenglocke verklungen war. Dann machte er sich seufzend daran die Tassen von der Theke zu räumen.

„Möglicherweise ist es langsam an der Zeit für eine neue Abwechslung.“
 

Abschließende Anmerkungen:

Wie immer erst einmal vielen Dank an jeden, der so weit gekommen ist und diesen Beitrag gelesen hat.
 

Um noch ein paar Zeilen mit Gedanken und Gelaber zu füllen sei gesagt, dass meine Assoziationen dieses Mal wieder ein ziemliches Fragment geworden sind und mir dies auch bewusst ist. Rahmenbedinungen und genaue Informationen lassen zu wünschen übrig, ebenso wie eine eindeutiges Ende bzw. eine Klärung.

Dennoch bin ich eigentlich sogar halbwegs zufrieden mit der Geschichte. Es sollte eine Momentaufnahme werden, eine möglichst klar sichtbare Szene mit kleinen, subtilen Spannungen und Liebe zum Detail, aber keinem großen Handlungs- und Spannungsbogen. Gewissermaßen eine Szene, um die herum man das restliche Stück aufbauen müsste, um klare Verhältnisse zu haben. Ich hoffe das ist mir ein wenig gelungen.

Für grobe Schnitzer im Bezug auf das Wissen über Kriminologie, polizeiliche Rechte, Pflichten und Verhaltensweisen, sowie Tee bitte ich gnädigst um Entschuldigung, da ich alles natürlich aus dem Gedächtnis bzw. nach Intuition und Stimmigkeit entworfen habe.

Abschließend möchte ich nur nochmal ganz pauschal betonen, dass ich Tee für eine verdammt stilvolle Mordwaffe halte (, ob er es in diesem Fall nun war oder nicht ^_~).

Satz 09: Whiskey und Schatten

Ihre Eltern vertraten den liberal-europäischen Standpunkt, dass Jugendliche, denen Alkohol schon früh frei zur Verfügung steht, auch entsprechend früh lernen, damit umzugehen. Weil auch ihre Eltern sich nie dem übergeordneten Problem gestellt hatten, ob es überhaupt sinnvoll war den Umgang mit Alkohol zu lehren, hatten auch sie selbst es niemals in Frage gestellt.
 

Jeremias stand ebenso skeptisch wie nervös vor einer weißen Tür, von der langsam die Farbe abblätterte, im vierten Stock des alternden Wohnungskomplexes. Ebenso wie seine Räume war der Komplex vor zehn Jahren einmal begehrt und modern gewesen, doch jetzt bezahlte nur noch Geld für das Privileg einen Raum zu benutzen, wer kein Stemmeisen bemühen wollte, um eines der Zimmer „anzumieten“.

Immer noch ungläubig wechselte sein Blick zwischen dem auf Augenhöhe anmontierten Schild ‚Gynäkologische Praxis Dr. Birgit Schnitter’ und der leicht kryptischen, jedoch eindeutigen, Wegbeschreibung in seinen Händen. Er war eindeutig an seinem Ziel angekommen.

Er schluckte, murmelte: „War ja klar, dass die Praxis mit dem Namen nix wird“ und hämmerte zweimal laut mit den Fingerknöcheln gegen die Tür. Während sich durch das gedämpfte Geräusch von Bass laute Schritte von der anderen Seite der Tür näherten, zupfte er eine Franse rotblonden Haars in eine andere Richtung, zog dann an einer anderen und struppelte sich letztlich wild durch die Haare und überließ es Göttin Fortuna.

Die Tür wurde aufgerissen und fiel nach wenigen Zentimetern in fünf angebrachte Ketten.

„Ach, verdammte Sch ... hey, Jeru, du bist ja tatsächlich … warte …“ Ausschnitte einer Mädchengestalt erschienen im sich öffnenden und schließenden Türspalt wie ein übergroßes Daumenkino, bis sie schließlich alle Verriegelungen gelöst hatte.

Valerie hatte die vom ständigen Blondieren dünnen Haare zu Bärenohren zusammengeknotet, ihr Tartanrock mit passender Bluse wirkte beinahe neu.

„Jeru.“ Ihre übermüdeten Augen funkelten, als sie ihn von oben bis unten begutachtete, um sich dann auf Zehenspitzen gestellt um seinen Brustkorb zu schlingen. „Jeru, es ist so lange her.“

Er sog den Geruch von Supermarkt-Deo und Whiskey ein und legte ihr dann umarmend die Arme über die Schulter. „Ja, das ist es.“

Das Mädchen löste sich von ihm und zupfte skeptisch an seinem weißen Hemd. „Nette Klamotten. Wo bist du so lange gewesen?“

„Auslandssemester. England. Bin erst vor einer Woche wieder zurückgekommen“, antwortete er überstürzt, doch Valerie schien es nicht aufzufallen. Sie drehte sich um und streckte theatralisch eine Hand in den Raum.

„Willkommen in unserem Reich, Heimgekehrter. Bringst du Opfergaben aus dem Land der Heiden?“

Jeremias’ Blick schweifte über den verfallenen Empfangsraum der ehemaligen Praxis. Durch die Wand aus Milchglas, welche ein Wartezimmer vom Hauptraum abgrenzte, waberten bunte Lichter und der tiefe Klang von Musik war zu vernehmen, während ein langer Gang sich geradeaus im Dunkel verlor. Die Türen der Untersuchungsräume zweigten davon ab, so vermutete Jeremias, der sich ungern an das letzte Mal erinnern wollte, als seine Anwesenheit in einer Frauenarztpraxis erforderlich war. Er meinte aus den entfernten Räumen vereinzelte Stimmen und Gelächter zu vernehmen. Beiläufig zog er eine Flasche bernsteinfarbenen Inhalts aus der Jackentasche.

„Selbstverständlich. Single Malt“, kommentierte er, während er Valerie die Flasche unter die begeistert leuchtenden Augen hielt, und setzte schmunzelnd hinterher, „sind die Untersuchungsräume noch ‚in Benutzung’?“

„Würde nicht versuchen es raus zu finden, wenn du gewisse Einsichten vermeiden willst.“ Sie schnappte sich die Whiskeyflasche mit der einen Hand und hakte sich mit der anderen bei ihm unter, zerrte ihn spielerisch zur Tür des Wartezimmers. „Komm’ schon, die anderen freuen sich sicher auch dich zu sehen.“
 

Ein Raunen seines Spitznamens ging durch den Raum, als Jeremias in Valeries Schlepptau durch die Tür trat. In den Couchen und Sesseln, die chaotisch über den Raum verteilt waren, sah er bekannte Gesichter – allesamt übermüdet, angetrunken und vertraut.

Valerie löste sich von ihm und übergab ihn der Menge, während sie genug passende Gläser zur erbeuteten Whiskeyflasche suchen ging. Jeremias schüttelte Hände und tauschte Umarmung aus, bekam irgendwo auf seiner langsamen Wanderung durch die Sitzgruppen und Gespräche des Raumes eine Flasche Bier in die Hand gedrückt – und noch eine; und noch eine. Irgendwann nach einer oder drei Stunden teilte sich Tamara, ein liebenswert arrogantes Mädchen mit Hemd und übertrieben lässig gelöster Krawatte, eine Flasche Rotwein mit ihm, während sie, ohne oft Luft zu holen, über ihre Ausbildung zur Buchhändlerin fluchte. Er war dankbar für den Wein und dafür nicht selbst reden, sondern nur nicken und grinsen zu müssen.

Langsam goss sich die konstante Alkoholzufuhr wie Honig über seine Synapsen und die bisher dröhnende Musik wurde zum warmen Mantel, der ihm über die Schultern gelegt wurde.

„ … aber wenn du mal Bücher günstiger brauchst, sag’ einfach“, endete Tamaras Redefluss wie der Wein am Boden der Flasche.

„Ja, klar“, sagte Jeremias und grinste, “ich denke, ich schlepp’ mich mal weiter.“ Er nahm den letzten Schluck aus seinem Glas und setzte es auf einem nahen Tisch ab.

„Tu’ das. Alle wollen ein Stück Jeru ab haben.“

Als er sich aus dem Sessel erhob, schwang der ganze Raum im ersten Moment wie ein Farbschemen nach rechts, dann kehrte sein Gleichgewicht verspätet zurück. Mit langsamen, kontrollierten Schritten trabte er vorwärts. Alles wankte wie auf einer Galeone bei Seegang. Tamara kicherte neben ihm und andere drehten sich zu ihm und stimmten mit ein. Jeremias lächelte selbst verlegen, während er versuchte die schweren Schritte zu einem möglichen nächsten Platz zu bewältigen.
 

Jemand rief seinen Namen, als er einige Schritte gegangen war. Er drehte sich zu der Stimme um und sah noch eine ausgestreckte Hand, bevor sie ihn am Arm griff und nach unten zog. Unfähig auch nur unter normalen Bedingungen seine Balance zu halten stolperte er in Zugrichtung und landete halbsitzend auf einer Couch. Sich umblickend, um den dreisten (An-)Greifer zu identifizieren, breitete sich sofort ein Grinsen wie ein Reißverschluss vom einen Ohr zu anderen aus.

„Hey, Tom“, grüßte er den guten Freund, der mit einem Whiskeyglas in der Hand halb liegend neben ihm auf der Couch saß.

„Hey, Jerry.“ Der Junge mit dem schwarzen strähnigen Haaren hatte sich nicht verändert und wirkte immer noch wie ein Satan aus der Vorstadt. „Lange nicht gesehen.“

„Hab’ gar nicht gesehen, dass du da bist.“ Jeremias’ Erinnerungen schwammen in einem Meer aus Äthanol und warteten auf die zündende Eingebung.

„Kam später. Warst gerade dabei dir von Kathi und Martin erklären zu lassen, wie ein Hausmädchenkostüm ihre Beziehung gerettet hat.“ Tom bleckte grinsend die schiefen Zähne und nippte am Whiskey. Jeremias ließ den Kopf in die Hände sinken und seufzte.

„Ich war so nah dran es zu verdrängen.“

„Gern geschehen.“ In einer Geste von Mitgefühl reichte er ihm das Glas und dieser nahm einen tiefen Schluck.

„England also. Lag die Uni in den schottischen Hochmooren oder hättest du den Anruf mit Blut bezahlen müssen, um dich mal zu melden?“

Sie sahen sich tief in die Augen und schon war die Frage rhetorisch geworden. Tom seufzte und förderte hinter der Armlehne ein weiteres Glas und die geplünderten Überreste der Whiskeyflasche zu Tage. Er goss ein.

„Vor drei Monaten hab’ ich mir 400 Euro genommen und bin zum nächsten Flughafen gefahren. Nichts dabei, nur ein Rucksack voll Plunder. Keinen Tag später war ich in London.“

Er trank aus, Tom goss ein.

„Ich bin einfach nur gelaufen. Durch die Stadt, die Vororte. Manchmal hab’ ich mir ein Tagesticket für die U-Bahn gekauft und bin nur herumgefahren. Wenn ich Hunger hatte, hab’ ich was aufgetrieben. Hab’ geschlafen, wo ich müde wurde.“

Jeremias trank aus, er goss ein.

„Irgendwann war natürlich das Geld leer, aber ich bin einfach weitergelaufen. Durch die Stadtteile, die Straßen, die Gassen. Ich seh’ jetzt noch den orange grauen Nachthimmel, der niemals wirklich dunkel wird, vor mir. Dachte irgendwann würde ich die Stadtgrenze erreichen, aber es ist einfach größer als ein Mensch gehen kann.“

Er trank aus und goss Tom ein.

„Irgendwann lehne ich in einer Gasse und kann nicht mehr weiter. Ich bin zufrieden und zu allem bereit, schlafe zum ersten Mal seit Tagen ein.“

Tom trank aus und Jeremias wollte nachgießen, doch die Flasche war leer.

„Jedenfalls weiß ich jetzt, dass Vermisstenanzeigen auch landesübergreifend wirklich gut funktionieren. Und dass man drei Monate durch London wandern kann, ohne dass sich hier etwas verändert. … Und wer zum Teufel säuft den ganzen guten Whiskey, wenn ich ihm mal zwei drei Stunden den Rücken zuwende?“

Tom blickte noch immer wie hypnotisiert auf die Flasche, fing sich dann langsam.

„Woher der Whiskey, wenn sie dich halbtot aus einer Londoner Gasse nach Hause verfrachten?“ Er versuchte noch ihm die Geschichte nicht zu glauben. Jeremias grinste.

„ Meine letzte Habseligkeit, mein Ticket aus der Stadt. War wohl ihre Art von Anteilnahme ihn mir zu lassen.“

Tom schüttelte den Kopf. „Es hat sich was verändert: Valley ist nicht mehr mit Alex zusammen.“

Jeremias’ Puls pochte bei Toms Worten in seinen Ohren. Er versuchte den Endorphinschock zu überspielen. „Du willst nur davon ablenken, dass du den ganzen Whiskey getrunken hast.“

„Nein, will er nicht, denn das war ebenfalls ich“, erklang Valeries Stimme dicht neben seinem Ohr. Als er sich überrascht umdrehte, lehnte sie mit den Armen über der Rückseite der Couch, direkt neben ihm.

„Wie lange hört sie schon zu“, wandte er sich an Tom.

„Lange.“ Er lachte.

„Sehr lange“, kommentierte sie, „und jetzt krieg’ ich mein Stück Jeru, nachdem alle anderen ihn schon hatten.“

Sie drückte sich an der Lehne hoch und drängte Jeremias ebenfalls zum Aufstehen, indem sie ihn am Arm nach oben zog. Lachend stolperten sie ineinander, während sie sich darum bemühten aufrecht stehen zu bleiben. Valerie zog ihn in Richtung Tür und beide verschwanden wankend aus dem ehemaligen Wartezimmer.

„Valley und Jerry, bitte gehen sie in Untersuchungsraum Drei“, murmelte Tom kopfschüttelnd, während er sich nach mehr Alkohol umsah.
 

Jeremias und Valerie standen sich gegenseitig stützend im Gang vor dem Wartezimmer. Warme Musik und schummrige Farben trafen auf ihre Rücken. Der Mond war aufgegangen und schien durch das lange Fenster hinter der Empfangstheke in den Raum. Ihr Gesicht war ein bleicher Schatten, gegen seine Schulter gelehnt aufsehend.

„Komm.“

Sie machte zwei Schritte und nahm ihn an der Hand, fiel fast über ihre eigenen Füße. Er fing ihren vermeintlichen Sturz ab, kam selbst ins Schwanken und sie stolperten beide gegen die Gangwand. Er stützte sich ab, hielt sie fest und sie gingen vorsichtigen Schrittes weiter.

Bei der Tür zum ersten Untersuchungsraum wollte er nach der Klinke greifen, doch sie hielt seinen Arm fest.

„Nicht.“ Sie grinste schelmisch und als er einen Moment still stand, konnte Jeremias leises Stöhnen hören. „In Benutzung.“

„Ich pack’ das alles nicht. Wieso gerade eine alte Frauenarztpraxis?“, murmelte er mehr zu sich selbst, als es wirklich zur Frage stellend.

Valerie legte ihm einen Finger auf die Lippen und zog ihn weiter, bis sie nach drei weiteren Räumen die letzte Tür im Gang öffnete und eintrat.
 

Im Raum war es fast gänzlich dunkel. Valerie war ein schlanker Schemen, der sich im finsteren Raum bewegte, während Jeremias wie angewurzelt in der Tür stand. Er seufzte.

„Tut mir leid, dass ich dich vorhin angelogen hab’, aber weißt du …“ Etwas flog ihm ins Gesicht und stellte sie als ihr Rock heraus, nachdem er es in die Hände genommen hatte. Valerie kicherte und gegen die Schatten zeichneten sich ihre Konturen auf der Untersuchungsliege ab. „Schon vergessen? Ich kenne die Geschichte schon. Ich hab’ dir zugehört.“

„Die Sache mit Alex … Wie …“

„Jeru …“ Sein Name ging in einem leichten Seufzen unter.

„Ich bin viel zu betrunken.“

„Na und? Ich auch.“

„Valley, wenn ich daran denke, warum wir das letzte Mal zusammen in so einem Zimmer sein mussten … ich bin nicht sicher, ob ich das bringe.“ Er war ins Faseln geraten und hatte beinahe angefangen zu stottern, machte jedoch zwei Schritte nach vorne. Der Alkohol tat Wunder darin ihn bei den Bildern und Erinnerungen, die gerade in seinem Gedächtnis auftauten, nicht in Panik zu geraten.

Dieses Mal sah er das Stück Stoff auf sich zukommen und fing ihre Bluse noch im Flug. Er konnte nun aus der Nähe deutlicher erkennen, wie sie sich auf der Liege schlängelte.

„Andererseits …“, seufzte er. „Du weißt schon, dass das ziemlich makaber ist?“

„Ich denke, makaber ist mir zur Zeit ganz recht“, murmelte sie, während er näher kam. „Aber mach’ trotzdem wenigstens die Tür zu.“

Jeremias ging ein paar Schritte zurück und gab der Tür einen sanften Tritt.
 

Die Tür fällt ins Schloss und wir bleiben vor verschlossenen Türen stehen.
 

Abschließende Anmerkungen:

Nicht viel zu sagen dieses Mal. Sehr assoziativ geworden, teilweise auch sehr wahllos und nur lose verknüpft. Aber dadurch auch stilistisch oft sehr brüchig.
 

Die Tempuswechsel und der Wechsel der Erzählperspektive sind beabsichtigt. Die Absurdität des gesamten Szenarios ist mehr oder weniger beabsichtigt. Uneindeutigkeiten sind beabsichtigt.

Bei allem anderen stößt Kritik auf offene Ohren ... nun ja, bei den drei genannten eigentlich auch.
 

Die Geschichte enthält eine Anspielung auf eines meiner derzeitigen Lieblingsbücher. Wer findet sie *g*?
 

Vielen Dank für das Lesen und die Aufmerksamkeit.

Satz 10: Eisentanz

Er gab sich ernsthaft Mühe und schien nicht zu begreifen, was für einen lächerlichen Anblick er bot, als er die ungelenken Beine und Hüften in verzweifelter Bemühung anmutig zu bewegen versuchte. Das Schwarzlicht und der stroboskopische Flackerschein tanzen um ihn herum, genau wie die sich mechanisch weich wiegende Menschenmasse, der es im Gegensatz zu ihm mit offenbar spielerischer Leichtigkeit gelang. Auch der Boden und die Wände tanzten zitternd im Rhythmus des großen Generators, doch er schaffte es nicht recht die Schwingungen aufzunehmen und wieder unverfälscht abzugeben, denn er versuchte sie zu verstehen, statt sie durch sich hindurch fließen zu lassen. Alles um ihn herum war wandlungsfähige Luft oder ein Vakuum, während er wie ein Prisma mittendrin schwebte.

Ein Frauenkörper, halbnackt bis auf wenige dunkle Flächen und phosphoreszierende Linien und nur ein Schemen im Dunkel, pendelte ihren Körper im Takt der Oszillation umher und durchschnitt den Raum wie ein menschliches Glühwürmchen. Andere Leiber im großen Uhrwerk, unterschiedlich wie Dämonen und Blumen, zeichneten neben ihr und um sie herum ihre Bahnen und sie kreisten umeinander im System einer Struktur, die ihm fremd und erstaunlich war.

Als er versuchte die Laufrichtung der einzelnen Zahnräder zu verstehen, um selbst eins zu werden, stieß er noch ungeschickter mit der bebenden und behänden Routine der anderen zusammen. Einzelne abfällige Blicke, wie ein Knirschen in der Mechanik, bevor er resignierend die Tanzfläche verließ und sich in die tieferen Schatten zurücklehnte. Mit einem bestiefelten Fuß an die Wand gestützt, sortierten seine Augen die Bewegungen, welche aus der Distanz nicht minder systematisch wirkten, als aus unmittelbarer Nähe der Berührung. Immer wieder drehten sich Menschen als neue Elemente in den Kreislauf hinein und passten, als wären sie an eben dieser Stelle so dringend nötig gewesen. Es schien Leerläufe zu geben, die er nicht erkennen konnte, so sehr er sich auch bemühte.

Als das Stechen seiner Gedanken begann zu Kopfschmerzen zu werden, gab er die Analyse auf und sank gegen die Wand nieder und hinein ins Schauen. Wie die Minuten verstrichen waren, konnte er sich kaum noch erinnern, als sein aufsaugender Blick die fließende Starre des Gebildes, flüssigem Stahl gleich, in sich aufnahm. Verloren hinter den eisernen Gitterstäben seiner gefangenen Augen, tanzte sein Blick mit den wispernden Falten der Röcke und dem demütigen Kreisen der Hüften, bis hinauf zu den schlängelnd sich räkelnden, unberührten Armen. In diesem großen, lebendigen Körper war jeder einzelne Körper ein Organismus, unterworfen unter die gewaltige Anziehungskraft, und behielt doch selbst eine eiserne Gravitation.

Er versank Stunden im Bestaunen der kosmischen Symmetrie, ohne wieder einen Versuch zu wagen, sich darin einzupassen, bis die innere Uhr ihm befahl, dass bald der Morgen grauen würde und die monochrome Ordnung mit seinen klärenden Strahlen zerreißen. Er hob sich auf die tauben Beine und schüttelte den Staub von der Kleidung, bevor die Füße ihn in weitem Bogen am Rand des Ziffernblatts entlang um das große Uhrwerk herum trugen und er sich unbemerkt zur Tür ins Freie hinausstahl.
 

Abschließend-unqualifizierte Äußerungen:

Nicht viel zu sagen dieses Mal. Sehr kurz, sehr assoziativ. Ein Klumpen meiner Erinnerungen schwimmt auch in der Brühe und löst sich langsam darin auf.
 

Falls jemand den Drang verspüren sollte irgendetwas hineinzuinterpretieren - was ich nicht befürworten kann -, möchte ich keine Themen wie "Außenseitertum", "Diskrepanz zwischen dem Selbst und der Gesellschaft" oder "Kritik an der Goth-Kultur" hören ;) Das wäre etwas zu einfach.

Reizwortgeschichte: Deadline

Ich lehne gerade mit einer Tasse Kakao in einer der Sitznischen aus Glas und Stahl, weit oben in den verborgenen Winkeln der Bibliothek, und blicke geistesabwesend aus dem Fenster heraus auf die vereinzelten Farbpunkte in der Tiefe.

Als eine Rakete aus lebendigem Stahl und gleißendem Licht in den Himmel hinaufgleitet, entzündet sich auch bei mir die Lunte der Erinnerung und ich schrecke auf.

Hoffend blicke ich auf die Uhr, doch wie befürchtet habe ich viel zu wenig Zeit, um die heute anfällige Aufgabe noch zu erledigen, und so stürze ich hektisch mein Getränk herunter und zungenverbrannt in den Korridor zum Aufzug.

Natürlich vergesse ich in meiner Eile, als ich in der Eingangshalle meine Sachen aus dem Schließfach in meine Manteltaschen stopfe und die Tragetasche schultere, dass ich das Buch noch in der Hand halte, welches ich zuletzt las.

Der Alarm geht los, doch ich weiß, dass ich mich nicht mit den Formalitäten herumschlagen kann, wenn ich bis zum Abend noch die Maske aus Lilien und Rosen abliefern will, die sich in meiner Tasche befindet, und so sprinte ich durch die gläsernen Gassen, während ich mich frage, auf welchem Weg ich überhaupt noch rechtzeitig dort sein kann.

Die Sirenen der jagenden Bibliothekare zur Linken und das Geifern der herannahenden Bücherjäger im Nacken spürend, verwerfe ich den Plan ein Flugzeug zu nehmen, denn entweder sie würden mich verhaften, während ich mein Ticket kaufe oder schon gleich in der Warteschlange erschießen und sich nicht nur das Buch, sondern auch meine wertvolle Fracht unter die Finger reißen.

Ich kann den Mond nur schnell genug erreichen, wenn ich über die neuronale Brücke reise und mir den physischen Weg erspare, auch wenn es mich jetzt schon bei der Vorstellung erschauern lässt, wie leicht es mir die Synapsen zerfetzen kann, wenn etwas schief geht, oder ich schlimmstenfalls völlig neu zusammengesetzt und als sabberndes Wrack auf der anderen Seite ankomme.

Mir bleibt keine andere Wahl – das weiß ich – und spüre erst wieder ein Gefühl von Optimismus, als ich sehe, dass der Brückentroll gerade da ist und mich – das weiß ich auch – gegen den richtigen Preis sicher hinüber auf die andere Seite des großen Ufers geleiten wird, denn ich habe einen der roten Fische in der Manteltasche, die er so liebt, und der ihm reichlich genug Bezahlung ist, um mich lebendig passieren zu lassen und nicht auf halber Überfahrt aus seinem Nachen zu schubsen.

Wir schweben auf seinem zerebralen Gleiter über die große Wasserpfütze des Alls, in der sich semantische Algen und Syntaktiker-Krebse tummeln, während er lässig auf den letzten Gräten meines Zolls herumkaut und über die körnigen Wellenstürme philosophiert, die sich am Ufer des großen Nichts an den vagen Klippen brechen.

Ich habe kaum bewusst zugehört, da ich in Gedanken versunken war, doch als ich von Bord klettere kann ich in der Ferne die Wellenlängen der erleuchteten Schule wahrnehmen, während kaum der Nachmittag dämmert und bin beruhigt noch zur rechten Zeit anzukommen, um meinen Job zu erledigen.
 

Kommentarisches:

Nichts zu sagen. Hat großen Spaß gemacht. Ich mag es ^^.

Satz 11: anthropos

"Einen Namen müssen wir ihm ja wohl auch geben", sagte er im Dunkeln, während er die Hosenträger überstreifte und die mit Öl beschmierten Hände an einem alten Lappen abwischte. Kurz davor hatte er die letzten Kabel neu verdrahtet und die massive Brustplatte wieder auf den Titan legierten Torso geschraubt. Er begann die robuste Kleidung wieder anzulegen, die er ausgezogen hatte, um davon nicht eingeschränkt zu sein und war nur im Synthskin – Anzug seiner Arbeit nachgegangen.

„Wenn es funktioniert“, gab die junge Frau, die hinter ihm im Schatten kniete, zu bedenken. Sie hatte während der gesamten Reparatur – oder Operation, wie es selbst lieber nannte, wenn die Maschine ein Android war – auf der Lauer gelegen und durch das Visier ihrer Flinte die Umgebung sondiert. Ihr schmutziges Haar war in unzähligen Bändern zurückgebunden und der klobige Sichtverstärker – ein Kasten aus Linsen vor ihren Augen – hielt ihr die Strähnen aus dem Gesicht. Es ließ sich nur erahnen wie die Frau unter dem Apparat aussah und Tom hatte sie schon lange genug nicht mehr gesehen, um sich nur noch vage an Kiras Gesicht zu erinnern. Flach wie ein gefallenes Blatt lag sie über den Trümmern, hinter denen sie sich verschanzt hatten und nur ihr Kopf und der Lauf des Gewehres bewegten sich gelegentlich.

„Sag nicht es dazu, ich finde er sieht menschlich aus“, argwöhnte Tom und schlüpfte wieder in seine Weste hinein, die er zur besseren Bewegungsfreiheit während der Operation ausgezogen hatte. Die Schichten aus Kevlar und Keramik ließen den untrainierten Körper des Biotechnikers – Maschinendoktor, wie Kira zu sagen bevorzugte – wie üblich im ersten Moment fast zu Boden sinken. Kira drehte für einen unmerklichen Moment den Kopf, um ihn über die Schulter hinweg anzugrinsen. Die grünen Linsen leuchteten matt.

„Nennen wir ihn Jack.“

„Jack?“

„Der Name meines Sohns.“

„Ah.“ Tom erschauderte, doch er musste nicht fragen, wo Kiras Sohn war oder wie es ihm ging oder was mit ihm passiert war. Jeder, der überlebt hatte, trug eine Vergangenheit aus toten Menschen mit sich herum. So wenige, wie überlebt hatte, war das unvermeidlich. Manche, die sie auf ihrer Wanderung durch das große Trümmerlabyrinth der einstigen Zivilisation trafen, gingen nur weiter, weil sie glaubten, dass irgendwo noch ein Freund oder ein Verwandter lebte. Eine Tochter vielleicht oder auch nur eine Freundin der Tochter. Andere trugen das Bewusstsein ihres Verlustes wie ein Banner vor sich her und wenn zur Rast die Feuer angefacht wurden, konnte sie gar nicht genug davon kriegen zu erzählen, wer ihre Mitmenschen gewesen waren. Tom und Kira nannten die erste Sorte „Jäger“ und die zweite „Barden“ und sahen sich selbst als keins von beidem. Manchmal redeten sie von sich selbst als „Krieger“, an einem guten Tag auch als „Ritter“, doch meistens vermieden sie es sich über sich selbst Gedanken zu machen.

„Zeit aufzuwachen, Jackieboy“, kommentierte Tom, als er einen Schalter im Nacken der Maschine umlegte und die Schutzplatte darüber zuzog: ab jetzt würde nur noch „Jack“ aus eigener Entscheidung die Platte öffnen können. Oder ein guter Plasmabrenner. Oder ein ordentliche Handvoll Plastiksprengstoff.

Satz 12: Großer weißer Jäger

Er packte sie mit beiden Händen um die Kehle und schüttelte sie wie ein tollwütiger Hund. Es war naheliegend es so zu tun, denn der Unterschied von einem wild gewordenen Hund zu einem Wolf war nur minimal, wenn ein Mensch ein Tier mit bloßen Händen erwürgte.

Er war früher schon ein Bär von einem Mann gewesen und nun viele Winter der weiße Jäger des Stammes, was im Bezug auf Menschlichkeit langsam die Grenzen verschwimmen ließ.

Weißes Reh stand nur ungerührt daneben, während die große Wölfin zwischen seinen Pranken von Händen in der Luft zappelte, mit den Läufen ausschlug und japsend um sich biss, doch allein dass sie zusah und sich nicht abwendete rechnete er seiner Schülerin hoch an. Auch wenn er sie in den Wintern ernährte, kam er vielen Bewohnern des Dorfes wie ein bestialisches Ungetüm vor; ein unabdingbares Übel, mit dem sie leben mussten. Er nahm es nach unzähligen Jahren nicht mehr sonderlich schwer, doch als er seine Bestimmung als junger Mann angetreten hatte – so wie Weißes Reh sie in wenigen Jahren als junge Frau antreten würde – war die Ablehnung und damit verbundene Vereinsamung prägend gewesen. Er würde, nachdem er die Aufgabe an sie abgetreten hatte, noch viele Jahre bei ihr sein, doch dann würde es auch ihn irgendwann in die Wildnis hinaustreiben.

Der Kiefer der Wölfin könnte problemlos den Arm eines Menschen durchtrennen, wenn sie ihn zu fassen bekam, und selbst ihre Krallen unangenehme Wunden reißen, doch auch wenn es ihm deutlich weniger zu schaffen machen würde, ließ er es so weit nicht kommen. Sie hing in seinen ausgestreckten Händen wie in einem Galgen und er und Weißes Reh warteten auf das Knacken der Wirbelsäule oder das Ersticken. Eins von beidem trat früher oder später ein. Er war damals von seinem Mentor, dem vorherigen weißen Jäger, angewidert gewesen, wenn dieser sich den Gefahren der Natur mit reiner unbändiger Gewalt seines Körpers gestellt hatte, doch mit dem Wandel der Jahre hatte er den Alten verstanden. Anfangs hatte er selbst noch mit dem Bogen und Fallen gejagt, später mit Speeren und irgendwann mit Messern, ebenso wie es Weißes Reh auch tun würde. Doch mit der Bestimmung kam die Veränderung und auch wenn der Wandel nicht bei jedem Weißen gleich ablief, so konnte er jetzt schon an Weißes Reh die Spuren erkennen, die ihr selbst vermutlich nicht bewusst waren.

Er riss den Wolfskörper in einem weiteren kräftigen Ruck umher und nach einem schmatzenden Brechen hing dieser so unmittelbar regungslos in seinem Griff, wie er sich eben noch nach Leibeskräften gewehrt hatte. Er ging in die Knie und ließ ihn in den Schnee fallen. Ein leichtes Knistern der überfrorenen Schneedecke. Dampf stieg auf vom durch Anstrengung erhitzten Körper.

„Zerleg' es.“ Weißes Reh passierte ihn ohne Zögern oder Augenkontakt, machte sich an ihre Aufgabe. Er stand nur da und sah den Hügel hinab in die Ferne, während die schneidenden und glitschigen Geräusche ihres Handwerks die ruhige Landschaft erfüllten. Ein warmer Dunst stieg auf.

„Muss es so sein?“ Ihre schmalen Hände arbeiteten weiter und ihr Blick wandte sich nicht ab, während sie in der Bauchhöhle der Wölfin herumwühlte.

„Das Jagen?“ Er betrachtete wie das Blut den Schnee und ihre Hände durchtränkte, jedoch ohne auf ihre Handgriffe zu achten. Sie verstand sich bereits bestens darauf und er hatte ihr nichts mehr beizubringen.

„Ja. Hätte sie nicht einfacher sterben können?“ Sie hat gemerkt, dass es eine Wölfin war. Gute Schülerin.

„Schneller, nicht einfacher.“

„Einfacher für dich?“ Sie ging zum Schlitten herüber und holte Lederbeutel und Utensilien heraus, um die verwertbaren Teile für den Transport bereit zu machen. Alles Übrige ließen sie für die anderen Tiere hier und fanden bei der nächsten Jagd nie mehr ein Anzeichen davon.

„Natürlich. Es gibt einfache Arten zu töten. Nie eine einfache Art zu sterben.“ Weißes Reh sah ihn an, die hellen Augen vernebelt und getrübt von Nachdenklichkeit, die ihm aus verblassender Erinnerung nur allzu bekannt war. Diese Gespräche waren wichtig. Das einzige, was er ihr wirklich geben konnte. Die Kunst des Jagens lag ihr wie ihm ebenso im Blut wie Atmen und Schlafen und sie würde es auch alles ohne seine Anleitung mit spielerischer Leichtigkeit meistern, doch die Bedeutung und das Schicksal war niemals zu verstehen; erst recht nicht allein.

„Ist es schnell denn nicht auch einfacher? Und leichter für das Tier?“

Er bleckte grinsend das Gebiss, das massiven Fangzähnen immer ähnlicher wurde.

„Es dem Tier leicht zu machen wird am Anfang dein Gemüt beruhigen, aber irgendwann wird es dir wie mir gehen und dem vor mir und der vor ihm ...“

„Und vielen unzähligen davor“, ergänzte sie wie in einem Gebet.

„... und du wirst einfach empfinden, was dir dein Instinkt sagt. Wir weißen Jäger gehen alle mit dem Instinkt. Wir müssen ihn annehmen, wenn wir uns nicht selbst zerfleischen wollen.“

„Wörtlich gesprochen?“ Eine helle Neugier schimmerte im trüben Klar auf.

„Der Alte, Weißes Karibou, hat mir erzählt von einem vor vielen unzähligen Wintern, dem seine Natur so zuwider war und der sie nicht akzeptieren konnte, dass der Wandel seine Gestalt schmerzhaft und zu seiner höchsten Qual veränderte.“

„Mh.“ Sie erhob sich und warf sich einen der ledernen Säcke über die Schulter, um ihn zum Schlitten zu tragen. Während er die restlichen Teile der Jagdbeute verstaute, wusch sie sich die Hände und das Gesicht im Schnee.

„Bringen wir die Gaben ins Dorf und gehen wir dann nach Hause. Es war ein anstrengender Tag.“ Er warf sich die Zugleinen des Schlittens um und Weißes Reh lief mit leichtfüßiger Schnelligkeit hinter ihm her, um mit seinem weiten Stapfen Schritt zu halten.

„Ja, das war es.“

Satz 15: Zeit

Ständig wurde er von Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren, Jahrhunderten und Äonen verfolgt.

James fluchte leise. Das ununterbrochene Ticken trieb ihn in den Wahnsinn.

„James Antoine O’Connor, ich verlange eine Erklärung!“, meldete sich die hohe Mädchenstimme irgendwo hinter ihm.

Isabellas wohlerzogene Empörung wäre der nächste Stichpunkt auf der langen Liste in Richtung Wahnsinn, knapp hinter dem Ticken, der Gesamtsituation und der möglicherweise global existenzbedrohlichen Lage. Er zog vorsichtig die Hände aus dem Kreis und wandte sich seinem kleineren Problem zu.

„Miss Saintsbrook“, setzte er zum Reden an, während er noch seine Gedanken ordnete und die noch kindlichen Augen des jungen Mädchens fixierte. Im sanften Meer schwamm ein großes Floß beherrschten Unmuts verwirrt umher. Junge Damen wie Isabella, dachte James, wurden niemals wirklich wütend oder zornig oder verloren einfach die Beherrschung durch irgendein namenlos ungeheures Gefühl, weil nichts Bedrohliches oder Widerwärtiges in ihrer kleinen Welt existierte, woran sie hätte solche Emotionen entwickeln können. Ebenso war sie wie jetzt, wenn sie eine nahende Bedrohung und Ungewissheit verspürte, vollkommen damit überfordert dieser Ahnung mit Bewusstsein nachzukommen.

Schon wie Isabella nun ihr Rüschenkleid glatt strich und mit erwartungsvoller Miene wartete, was er zusagen hatte, zeigte James, dass das Mädchen kein Unglück begreifen konnte, dass über eine zerbrochene Teetasse hinausreichte, selbst wenn es eine Machete an ihren Hals drücken würde.

Lesen die wohlbehüteten Adelstöchter heute keine Abenteuerromane mehr, seufzte seine innere Stimme abfällig. Nein, antwortete er sich selbst, die werden für zu grobschlächtig und missverständlich erachtet.

„Zuerst einmal bin ich Anwalt und mit einer solchen Situation deutlich außerhalb meines Kompetenzbereichs“, setzte James an. Isabella kräuselte sehr sachte die Brauen. Wie eine Falte in glatter Seide.

„Aber Sie sind Pirat“, fiel ihm das Mädchen ins Wort. James seufzte.

„Ich bin Anwalt auf einem Piratenschiff“, gab er zu. „Also zuallererst einmal Anwalt, vielleicht Piratenanwalt, oder ein piratischer Anwalt, je nachdem welche Perspektive Ihnen besser gefällt, Miss Saintsbrook. Ich würde Sie schließlich auch nicht als Piratin bezeichnen, sondern als junge Lady aus adeligem Hause auf einem Piratenschiff, nur weil sie sich wie ich – genauer gesagt länger als ich – auf einem solchen aufgehalten haben.“

Isabella sah ihn schweigend an und dann nachdenklich zur Seite. Entweder die Argumentation hatte sie überzeugt oder war zu kompliziert für eine Zwölfjährige.

„Dorian hat immer gesagt, ich sei der ‚Köder’“, setzte das Mädchen wieder an. Sie war offenbar vom aktuellen Problem zu einer unkomplizierteren Fragestellung gesprungen. „Anfangs hatte ich Angst, dass er mich ins Wasser wirft, aber bisher hat er nie versucht mit mir Fische zu fangen, obwohl er immer lachte und sagte, er würde durch mich reichlich Beute machen. Dorian und ich saßen oft oben auf Deck und haben Kuchen gegessen. Wussten sie, dass Dorian ausgezeichneten Orange Pekoe zubereitet, Mr. O’Connor?“

„Ich habe im Moment offen gesagt andere Sorgen als Dorian Blacks Teekünste, Miss Saintsbrook“, ergriff James die Frage als Gelegenheit, um Isabellas Redefluss zu unterbinden.

„Tatsächlich, welche?“ Das Mädchen sah ihn verdutzt an wie Sancta Simplicita höchstselbst. Gott habe sie selig, murmelte seine innere Stimme.

„Wie sie bereits zuvor bemerkt hatten, bin ich gerade mit diesem … Ding beschäftigt, dass möglicherweise uns alle in Gefahr bringen könnte“, versuchte James händeringend zu erklären und deutete nur auf den Kreis hinter sich. Wie soll ich ihr erklären, was ich selbst nicht verstehe, stöhnte er in sich hinein. Du könntest es mit Raumzeittheorie versuchen oder den Hypothesen multipler Paralleldimension, schlug ihm die Stimme in seinem Kopf vor, vielleicht lesen höhere Töchter ja neuerdings so etwas statt Abenteuergeschichten. Dabei stirbt wenigstens niemand. Außer vielleicht uns. Jetzt.

Isabella reckte neugierig den Kopf über seine Schulter und James folgte ihrem Blick.

Der Kreis war eigentlich eine Kugel, wenn man um ihn herumging oder ihn nicht genau betrachtete. Doch wenn man davorstand und den Kopf nur ein wenig zur Seite legte und wieder zurück, dann wurde klar, dass das Ding nicht dreidimensional war. Es folgte der Perspektive des Anschauenden wie ein Kreis ohne räumliche Tiefe. Der Kreis war ein Loch und er verlor sich in einer Tiefe, die er offenkundig von Außen betrachtet nicht besaß, wie ein Fass ohne Boden. Innerhalb des Lochs gab es Schichten um Schichten von ineinandergreifenden Zahnrädern und haardünnen Kupferdrähtchen. Überall darin waren Zeiger, doch meistens fehlten die dazugehörigen Ziffernblätter oder waren in sich vollkommen verquer, sodass keine Uhren zustande kamen, trotz all der Mechanismen. Keine Uhren – Keine Zeit. Doch das lästige Ticken, abertausendfach gleichzeitig, war da und nun erinnerte sich James wieder daran. Es hob erneut dazu an ihn in den Wahnsinn zu treiben.

„Oh“, formte Isabellas Mund nur. „Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Und was hatten Sie damit zu schaffen? Sie wirkten angespannt und abwesend. Ich war besorgt um Sie, Mr. O’Connor.“

„Können Sie sich noch daran erinnern, weshalb wir hier sind?“, hakte James skeptisch mit einer Gegenfrage nach.

„War es vielleicht, weil …“ Das Mädchen stockte nachdenklich wie eine Spieluhr, die man vergessen hatte aufzuziehen. Es passierte jedem seit ein paar Wochen. Kann schon mal passieren, sagte James zu sich selbst, wenn das Zeitgefüge schief läuft.

„Wir sind hier, weil seit drei Wochen die Sonne nicht mehr untergeht, Miss Saintsbrook. Wir sind hier, weil wir ständig heute ins Bett gehen und gestern aufwachen. Oder übermorgen. Wir sind hier, weil so mancher einen halben Tag braucht, um eben schnell die Flinte zu holen, die er in seiner Kabine vergessen hat, während ich gelegentlich Bücher von tausend Blatt binne einer Stunde lese.“ James’ Gesprächsfaden riss ab, weil er keine Lust hatte sich noch mehr Beispiele aus der derzeitigen Zeitkrise auszudenken.

„Oh“, machte Isabella erneut. „Wie konnte ich die Zeit vergessen?“

„Möglicherweise denken Sie nicht so oft darüber nach, wie viel Zeit noch bleibt“, seufzte er und fragte sich sogleich, ob es eine zu harsche Antwort war. Nein, du bist eine verzogene, sorgenfreie Göre, wäre unhöflich gewesen.

„Und was ist das Problem?“, verlangte Isabella, nun wieder bestimmter, zu wissen.

„Nun, ich weiß nicht so recht, was ich mit der Zeit anfangen soll“, gab James beschämt zu. „Ich greife hinein und versuchte sie richtig einzustellen, aber sofort hängen sich mir allerhand Zeiteinheiten und deren Einteilung, Planung, Nutzen und Bedeutung auf den Pelz und lassen nicht mehr von mir ab, als wollten sie etwas von mir. Ich bin offen gesagt überfordert mit der Zeit umzugehen.“

Isabella legte den Kopf schief. „Und man kann hier einfach in die Zeit hineingreifen und sie regeln?“

„Deshalb sind wir bis hierher vorgedrungen bzw. es sind nur noch Sie und ich bei dem Versuch übrig geblieben.“ James setzte sich ratlos auf den kahlen Fußboden. Er betrachte wehmütig den tickenden Kreis. „Aber es ist ein sensibles Gebilde und man darf nichts kaputt machen.“

„Können wir sie nicht einfach wieder aufziehen, sodass sie normal weiterläuft?“, fragte das junge Mädchen nachdenklich, ausnahmsweise nicht gerade altklug.

„Wie meinen?“

„Nun ja, wie eine Taschenuhr eben. Oder andere mechanische Getriebe.“ Sie machte einen Schritt auf den Kreis zu und streckte die kleine Hand hinein.

James zuckte erschrocken zusammen und wollte sie aufhalten, doch wollte keine hektischen Bewegungen machen, die womöglich großen Schaden anrichten würden, solange Isabella ihre Hände in der Zeit hatte.

Ein rhythmisches Surren erfüllte den Raum und das Ticken verstummte, während Isabella nur den Arm einige Male sachte drehte. Dann zog sie die Hand wieder heraus. Das Ticken setzte wieder ein, nun jedoch nur ein einziges.

„Was haben Sie getan?“, wollte James entgeistert wissen.

„Ich habe sie aufgezogen.“

„Sie haben die Zeit wieder aufgezogen?“

„Ja, der Schlüssel steckte noch. Können wir jetzt gehen, Mr. O’Connor? Dort drin ist es furchtbar dreckig und ich habe mir die Finger schmutzig gemacht.“ Bei den letzten Worten wirkte sie zum ersten Mal wirklich besorgt. James musste grinsen.

„Nehmen Sie mein Taschentuch, Miss Saintsbrook.“ Er zog es aus der Westentasche und reichte es ihr. „Sie dürfen es sogar behalten. Natürlich können wir jetzt gehen.“

Isabella wirkte sehr erfreut sich die Hände abwischen zu können und glitt sogleich in ihrem wehenden Gang zur Tür. „Wird die Zeit jetzt wieder laufen?“

James sah aus dem einzigen schmalen Fenster des Raumes, hoch über dem Meer.

„Zumindest ist die Sonne gerade untergegangen. Alles Weitere werden wir sehen.“

James sah sich noch einmal im schlichten hohen Raum um, in dessen Mitte der Kreis war, als würde er schweben.

„Was für ein trostloser Ort für die Zeit.“

„Was meinen sie? Nicht einmal mein werter Herr Vater hat ein ansprechender möbliertes Flanierzimmer.“ Sie stand draußen im Gang und sah ihn skeptisch an, als würde er den Verstand verlieren. „Ich dachte, sie kämen aus einfachen Verhältnissen, Mr. O’Connor.“

James sah noch einmal in den leeren Raum, dann schloss er die Tür hinter sich.

„Vergessen Sie’s. Wir müssen ein Schiff kriegen.“

Satz 16: Highway Skyline

Höchste Zeit, ihr klar zu machen, dass sie es mit einem echten Mann zu tun hatte. Jake räusperte sich laut und deutlich, als hätte das lange Schweigen zwischen ihnen seine Zunge mit Sand belegt.

„Weißt du, ich war immer fasziniert vom Gedanken an das Helsinki-Syndrom. Die Idee, dass ein Mensch gerade unter Zwang sich mit einem anderen zu befassen, starke Sympathie und Bindung zu ihm aufbauen kann.“ Er sah ein paar Mal lässig aus dem Augenwinkel von der Straße hinüber. Seine linke Hand hing locker auf dem Lenkrad wie ein karger Baum am Rand einer Klippe. Er hörte ein leichtes Schnauben.

„Stockholm.“

„Mh?“ Er wandte sich verwirrt desinteressiert zu ihr. Das Mädchen saß bequem in den Beifahrersitz gelehnt und hatte ihre Kappe tief ins Gesicht gezogen, als würde sie schlafen. Das Sonnenlicht fiel schräg durch die Windschutzscheibe und spiegelte sich in der Handschelle, die sie ans Armaturenbrett kettete. Wäre der Sonnenglanz in Metall nicht dort, gäbe es das friedliche Bild einer nachmittäglichen Autofahrt ab.

Vermutlich war die Handschelle bei 120 auf der Autobahn unnötig, da sie wohl kaum dumm genug wäre aus dem fahrenden Wagen zu springen. Andererseits hatte er viel Zeit und Arbeit damit verbracht den Eisenring ins Armaturenbrett einzubauen.

„Es heißt Stockholm-Syndrom, du Held, und ich glaub’ du hast das Prinzip nicht ganz verstanden. Es funktioniert etwas anders als eine feste Beziehung.“ Sie schob die Kappe während sie sprach weit genug nach Oben, um eine skeptisch gezückte Braue zu entblößen. ‚Just weird.’ las Jake zum ersten Mal die Aufschrift der Kappe, während die Information ihm wie Sand ins Getriebe rieselte und er knirschend nach einer souveränen Antwort grub.

Solche Ansagen waren nicht dazu geschaffen auf schlagfertige Gegenrede zu treffen. Man musste sofort für einen gebildeten Schizoiden gehalten werden, was jeder Argumentation den Sinn unter den Füßen wegzog. Scheiße noch mal, er hätte sich den Wikipediaeintrag mehr als einmal durchlesen sollen.

„Eine meiner Beziehungen ist mal an einem RAM-Riegel gescheitert“, nahm Jake einfach den ersten Gedanken auf, der ihm entgegenkam.

„So?“, reagierte das Mädchen träge, sah ihn allerdings an.

Er hätte ‚Mir fallen da noch ein paar andere Gründe ein, warum dich jemand verlassen würde’ oder ‚Lag es nicht vielleicht auch daran, dass du amtlich einen an der Waffel hast?’ erwartet. Kein Moment der Distanzierung von ihm; sie war wirklich gut.

„Wir hatten zwei Rechner zu Hause. Einer funktioniert einwandfrei, der andere, alt und zusammengeschraubt, ist ständig abgestürzt. Wollten uns eigentlich abwechseln, aber sie wurde immer genervt und mies gelaunt, wenn der Kaputte abstürzte. Also hab’ ich sie immer an den Funktionierenden gelassen, aber natürlich hat es mich innerlich aufgeregt; fand es ziemlich egozentrisch, glaub’ ich.“ Jake nahm die Coladose aus dem Getränkehalter und trank einen Schluck. Sein Hals fühlte sich trocken an. Irgendwie kam die Geschichte nicht so flüssig und pointiert wie sie immer in seinem Kopf ablief.

„Und?“ Das Mädchen hatte umständlich auf dem Sitz in einer verqueren Abart von Lotussitz ihre Beine verknotet und saß in seine Richtung gedreht. Ihr behandschellter Arm hing zum Amaturenbrett hinüber wie ein kahler Ast. Ihr T-Shirt verkündete ‚Ich hasse es, wenn die Leute mich nach Grim Fandango fragen’. Jake musste grinsen, was er nicht beabsichtigt hatte. Verdammt. Stoischer Kidnapper. Stoisch, du Idiot!

„Wir haben uns natürlich nicht deswegen getrennt. Aber ein halbes Jahr danach ging der Funktionierende kaputt – ‚Wasserschaden’ – und ich musste den Alten benutzen. Nachdem er mir ein paar Mal abgestürzt ist, hab’ ich versuchsweise einen der RAM-Riegel rausgenommen. Ist immer abgeschmiert, wenn ich viel auf einmal laufen ließ. Deswegen.“

„Und?“ Jake bog von der Autobahn ab und befand sich bald auf einer schmaleren Landstraße. Er sah wie ihre Hand zum Kopf wandern wollte, aber an der Schelle hängen blieb. Ein Scheppern wie billige Osterhasenglöckchen. Sie hatte die Handschelle völlig vergessen und sah fast überrascht dazu rüber. Dann nahm sie die andere Hand und schob sie kratzend unter die Kappe. Eine Strähne rotbrauner Haare kam zum Vorschein, bevor sie die Kappe wieder tief zog.

„Lief einwandfrei mit nur einem Riegel. Der andere war nicht in Ordnung. Ich war nur die ganze Zeit zu faul gewesen mich damit zu beschäftigen.“ Jetzt grinste Jake vage wirre. Geplant.

Das Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mädchens aus und schon bald schüttelte sich ihr Körper vor Lachen in herzlichen Wellen. Jake stimmte nicht mit ihr ein, denn er genoss es in Ruhe. Faszinierend.

„Das’s ja wirklich klasse.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Auge, dieses Mal auf Anhieb mit der richtigen Hand. „Ich hatte schon befürchtet mich entführt gerade irgendein Schreibtischhengst, der von seiner Familie ausbricht, um seinen zweiten Frühling zu erleben. Also nichts gegen den Anzug. Der ist schick, aber … du weißt schon.“

„Ich fand das angebracht.“ Jake sah kurz an sich hinab auf den immer noch ordentlichen Anzug, der ihn ein halbes Monatsgehalt gekostet hatte. Hielt definitiv, was er versprach. Noch tadellos nach einem halben Tag Entführung. Was will man mehr.

„Indeed. Ach, ahm, dein Name? Gott, das wirkt unter solchen Umständen ja noch gezwungener als normalerweise.“

„Jake.“ Ihm war nicht danach ihr irgendein dämliches Synonym zu nennen. Das würde ihm irgendwie die Stimmung vermiesen.

„Marielle.“ Sie grinste schief. „Und jetzt fragt sich jeder von uns, wessen Name eher erfunden ist.“

„Steht für Jacob“, bemerkte er beiläufig, während er nach den Richtungsschildern am Rand der Straße sah. Ein roter Familienwagen an dessen Scheibe sich ein kleiner Junge die Nase platt drückte, überholte ihn. Jake grinste ihn an und winkte, dann war der Wagen vor ihnen. „Halbamerikaner. Deswegen.“

„Steht für Marielle. Deutsche Eltern mit einem ordentlichen Wermutstropfen im Tee ihres Weltbilds“, entgegnete sich mit geschnaubtem Lachen. „Hey, darf ich mal ’n Schluck von der Cola. Entführt werden macht durstig.“

„Klar, bedien’ dich. Wir sind gut eingedeckt.“

Jake sah Marielle an, während sie grinsend und nickend zum Getränkehalter langte. In einem Sekundenbruch beugte sie sich nach Vorne und ihre Hand schnellte in seinen Schoß, wo die Pistole lag. Scheiße, er hatte völlig seine Pistole vergessen. Verdammte ungezwungene Atmosphäre.

Bevor er ihr in die Hand greifen konnte, warf das Mädchen sich zurück und hielt die Waffe gerade vor sich. Fsck, jetzt kommt das ganze Bedrohungsspiel. ‚Fahr’ langsam an den Straßenrand ...’ hallte es schon in seinen Gedanken.

Ein Schuss löste sich und seine Hand wurde vom Lenkrad geschleudert; kam erst zum Stehen, als sie gegen die Seitenscheibe klatschte. Die Armbeuge brannte. Verblüfft starrte er ihr Grinsen an und gleichzeitig wanderte der andere Arm irgendwo zwischen Schlag und Ohrfeige in ihre Richtung. Er traf sie irgendwo am Kinn und es schleuderte ihr Fliegengewicht zur Seite auf die Armatur.

Der Wagen begann zu schlingern. Jake entriss ihr die Pistole und schmiss sie in seinen Fußraum. Marielle lag immer noch an der Armatur und lachte laut vor sich hin. Irgendwie wirkte es nicht, als würde sie ihn auslachen, sondern viel mehr … Spaß haben … oh Scheiße, verdammte Scheiße.

Während er mit einer Hand wieder das Lenkrad ergriff und den Wagen gerade zog, bevor er sich über eine Kurve in den Straßengraben verabschiedete, brannte der andere Arm wie in Flammen aufgegangen; wie unter Strom.

„War es für dich genauso schön wie für mich?“ Er konnte aus dem Augenwinkel sehen wie Marielle sich wieder ordentlich in ihrem Sitz niederließ, aber konzentrierte sich auf die Straße, um den Schmerz zu überblenden und keine Wut aufkommen zu lassen.

Jake sah in der Rückscheibe des roten Wagens, der immer noch vor ihnen fuhr wie sich das Gesicht des kleinen Jungen zu einem überraschten „Oh“ konzentriert hatte. Er musste grinsen.

„Ach, das glauben ihm seine Eltern sowieso nicht.“

„Hey, ignorier’ mich nicht. Für mich war’s auch das erste Mal, aber ich fand du warst ganz gut.“ Er riskierte einen Blick hinüber und Marielle hatte wieder ihre Kappe ins Gesicht gezogen. Nur ihre gerötet anschwellende Wange zeugte noch davon, dass überhaupt etwas seit dem Beginn ihrer Unterhaltung passiert war. Er grinste ein wenig über die Wand aus Schmerzen in seinem Kopf hinweg.

„Hat dir nie jemand gesagt, dass es beim ersten Mal tierisch weh tut, wenn man es zu wild treibt“, bekam er zusammen, bevor ihm, „Scheiße, tut das weh“, entfuhr.

Marielle lachte schnaubend in sich hinein.

„Ich hoffe du weißt noch mehr von deinem Erste-Hilfe-Kurs als ich“, bemerkte er mit bissig geknirschten Zähnen.

„Nö, hatte nie Bock drauf.“ Marielle legte die nackten Beine auf das Amaturenbrett. Hätte sie einen Rock statt kurzen Hosen getragen, hätte Jake ihr drunterschauen können. „Aber ich hab’ viele Roadmovies gesehen.“

„Ja, das merkt man.“ Jake lachte und versuchte die Schmerzensbisse, die sich den Arm hinaufknabberten wie ein Mann zu nehmen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (48)
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Von:  Knoblauchgurke
2009-08-07T20:16:57+00:00 07.08.2009 22:16
Eine wirklich interessante Geschichte. Ich kann mich Ito-chan in allen Punkten anschließen. Die Charaktere sind sympathisch und deine Darstellung der Zeit ist ungewöhnlich. Man erkennt, worum es sich bei dem rätselhaften Gebilde handelt, weil du gängige Symbole verwendest, sie aber auf ungewöhnliche Weise einsetzt. Auch der Schluss gefällt mir, denn oft genug liegt die Lösung eines Problems viel näher, als man vermutet. Dann braucht es jemanden, der nichts vom Thema versteht, um zu erkennen, wie man am besten vorgeht.
Herrlich^^
Von:  Knoblauchgurke
2009-08-07T18:21:42+00:00 07.08.2009 20:21
Deine Umsetzung dieses Satzes gefällt mir. Obwohl man die Hintergründe der Entführung nicht kennt, fesselt die Geschichte einen sofort.
Dein Entführer macht einen herrlich planlosen Eindruck. Oder zumindest hat er bei der Planung an die falschen Dinge gedacht, denn den Anzug konnte er sich ja scheinbar besorgen *lach*
Auch das Entführungsopfer ist dir gelungen. Mir stellt sich die Frage, wer von den beiden letztendlich den Ton angibt: Er oder sie? Man kann gar nicht anders, als zu versuchen, sich eine Hintergrundgeschichte auszudenken, das passiert ganz von allein.
Von: abgemeldet
2009-08-06T16:40:13+00:00 06.08.2009 18:40
Hey!

Die Geschichte ist wirklich originell und superklasse geschrieben! Auch wenns voellig verrueckt ist. Und vor allem haette ich mir bei dem Satz im Leben nicht so etwas erwartet! Aber genau deshalb ist es noch lustiger und besser! Also vollstes Lob!

mfg, einfaso
Von:  Black_Taipan
2009-08-01T20:10:30+00:00 01.08.2009 22:10
Guten Abend,

ein Lob an dich und dein Schreibtalent. Ich mag die Geschichte, weil sie überrascht, abstrus ist und irgendwie völlig verrückt. Es gibt viele kleine Andeutungen, doch man ist sich nie sicher, welche davon man nun verfolgen soll um sich über die Geschichte klar zu werden oder welche man besser ignoriert.
Man kann zwar grob zusammenfassen, dass es um eine Entführung geht, und zwar eine geplante - sonst hätte der Kerl nicht einen Anzug gekauft.
Und dass er nicht so helle ist, sonst wäre er jetzt nicht auf einen Erste-Hilfe-Kurs angewiesen...
Aber was für eine Art von Entführung? Manchmal liest es sich so, als wäre es etwas anderes als Kidnapping und dann taucht die Pistole auf.
Auf jeden Fall äusserst interessant und erfrischend zu lesen.

Liebe Grüsse
Mii
Von:  Bombadil
2009-07-22T20:49:00+00:00 22.07.2009 22:49
Hrm...

Moment, da muss ich erstmal drüber nachdenken...

Weißt du, was mir an dieser Geschichte gefällt? Man kann sie sich wirklich schön zusammenbasteln und mit den eigenen Ideen auffüllen. Ich habe einige Ideen, was dahinterstehen könnte, aber wie ich grade lese kann man es auch völlig anders sehen.

Hrm...

Was soll ich dazu schreiben? Vom stilistischen her gelungen... Schöne Beschreibungen (magst du Bäume? *lacht*)... dumdidum... blub... wär wirklich interessant zu wissen, das dir beim Schreiben durch den Kopf gegangen ist.

Meine Idee ist übrigens, dass beide ABSOLUT DURCHGEKNALLT SIND... und das Schicksal hat sie zusammen geführt. Na ja, ok. Die Entführte ist selbstverständlich etwas MEHR durchgeknallt. Und natürlich leben beide in einer Traumwelt - sollten weniger TV schauen. *nickt ernst* XD
Von:  Ekolabine
2009-07-22T18:40:27+00:00 22.07.2009 20:40
Ich check's nicht. Originell und irgendwie anders, aber ich check's nicht. Ich würde mich nicht so köstlich darüber amüsieren, wenn mich jemand anschießt... Vielleicht haben ja beide einen an der Klatsche?? Keene Ahnung... Mich würde aber brennend heiß interessieren, warum er sie entführt hat und wie alt die beiden sind^^
Von:  Ito-chan
2009-07-19T22:12:29+00:00 20.07.2009 00:12
Huhu ^^

Ja, es ist spät. Ja, eigentlich sollte ich ins Bett. Ja, ich wollte wissen, wie du alltäglich definierst xD
Tja... an dieser Stelle ein großes Lob an dich. Ich sitze hier und halte mir den Bauch vor Lachen über diesen bescheuerten Entführer! Denn... man steckt seine Waffe gründlich weg, wenn man eine Geisel hat UND man fesselt ihr BEIDE Hände.
Aber das war der Spaß an der Geschichte. Die entspannte Atmosphäre, in der sich eine Frau und ein Mann einfach so unterhalten, sich kennen lernen und... tja... im Grunde genommen haben sie Spaß miteinander, wäre da nicht die Tatsache, dass sie Entführer und Entführungsopfer sind.
Eine sehr gelungene Homage an die alltäglichen Straftaten des Lebens.
Glückwunsch, mir gefällt's ^^

Alles Liebe
Colie
Von:  Ito-chan
2009-06-21T20:57:01+00:00 21.06.2009 22:57
Huhu ^^

Also... stilistisch ist es mal wieder für meine Verhältnisse sehr gut gelungen. Du hast einige sehr schöne Aspekte rausgearbeitet, die den Leser vorerst etwas verwirren und ihn somit vor dem Rätsel stehen lassen: "Was hat das denn nun zu bedeuten?"
Das Bild, welches du für den Gegenstand der Zeit verwendest, finde ich durchaus interessant, es ist eine Kombination aus vielen Dingen, die bereits einmal dagegewesen sind, nur scheint sie mir sehr neuartig.
Isabella hat alle Sympathiepunkte recht schnell für sich gepachtet gehabt, wenngleich ich James mag, so ist Isabellas klare, einfache und naive Art, einfach zu niedlich, als das ich sie nicht zu schätzen wissen würde, wenn du verstehst.
Sie rettet das Raum-Zeit-Gefüge und macht sich Sorgen um schmutzige Finger, wirklich einmalig niedlich.
James steht dem als kompletter Gegensatz gegenüber. Er ist der überlegte, will nichts kaputt machen, grübelt und grübelt und erkennt dabei nicht einmal, wie einfach die Lösung doch ist. Was etwas absolut sarkastisch komisches hat. Er als der überlegte, der erwachsene Anwalt, muss gegen das Kind zurück stecken, wenngleich ich sagen muss, dass es doch eine sehr spaßige Idee war.
Alles in allem hat mir diese kleine "Piratengeschichte" doch sehr gut gefallen ^^

Alles Liebe
Ito
Von:  Dels
2009-02-16T15:44:51+00:00 16.02.2009 16:44
So, tsche packt ihre Meinung aus. Selber schuld.

Erstmal: Ich war wirklich überrascht, mal sowas von dir zu lesen. So ganz ohne Maschinen.. mehr noch, ohne den kleinsten Hauch an Zivilisation :P Und zudem fehlen noch die ganzen typischen Fantasyelemente.
Eine Szene also, wie sie irgendwo in der tiefsten russischen Taiga stattfinden könnte (hat Russland ne Taiga..? Du weißt, was ich meine, dude.) und das sogar noch heutzutage.
Man muss schon sehr fremddenken, um sich da reinfühlen zu können und ich konnte es leider nicht so richtig. War zwar an sich sehr flüssig zu lesen und angenehm noch dazu, aber die Thematik war mir schon fast wieder zu naturphilosophisch angehaucht. Jetzt nicht wegen der beiläufigen Metzelei (ich weiß ist ja nur Jagen um zu überleben), das war schon gut dargestellt, diese.. uhm.. Selbstverständlichkeit der Sache des Tötens an sich.
Eher, weil die Aussage des Weißen Jägers zum Thema einfaches Sterben mir garnicht gefallen hat, bzw. nicht wirklich nachvollziehbar. Zumindest nicht die Argumentation.
Hätte es ja noch verstanden, wenn er gesagt hätte, dass er dem Tier nicht die Möglichkeit nehmen wollte, sich angemessen seines Lebens zu wehren und nicht sofort mit einer Niederlage konfrontiert zu werden - aber das mi dem Instinkt und nach dem Instinkt gehen.. das klang so: "Yeah, ich find's einfach geil, ein Tier zu Tode zu quälen" o_O;
Vielleicht interpretier ich auch inne ganz falsche Richtung, aber das fand ich dann doch nicht so logisch xD Kannst mich aber gerne berichtigen.

Aber hej, für ne Assoziation ist das wirklich tolles Material, weil es mal in eine ganz andere Richtung geht, quasi die entgegengesetzte Shu-Richtung, wenn man so will xD Und vom Stil her hab ich dieses Mal auch nichts zu meckern - ist nicht so unbewusst tragisch, was ich dir öfter schon vorgeworfen habe, also yay xD
...
Kann es sein, dass du ne leichte Vorliebe für jungen Frauen hast, die etwas besonderes sind..? Das fällt mir grad irgendwie auf, kann mich aber auch täuschen. Ist für Männer jedenfalls nicht sehr bezeichnend, sich in solcherlei "Wesen" auszusuchen als Hauptbestandteile ihrer Geschichten. *piek* na? Hab ich dich? xP

Bi später und so,
tsche

Von: abgemeldet
2009-02-16T14:51:32+00:00 16.02.2009 15:51
Hallo^^

Wow, das ist doch mal eine sehr interessante Assoziation ;) Ich glaube, daran, dass "er" ein wildes Tier mit bloßen Händen erlegt, hätte ich beim besten Willen nicht gedacht bei diesem Satz.
Sehr kreative Umsetzung :D
Stilistisch haben mich am Anfang ein paar Wiederholungen marginal gestört, Schreibfehler sind mir keine aufgefallen, abgesehen von dem fehlenden Komma hier:
> Es war naheliegend[,] es so zu tun
(Obwohl - neue RS, muss da überhaupt noch eins hin? Mit jedem Tag merke ich mehr, dass ich mir langsam echt die neuen Kommaregeln mal reinziehen sollte D:)

Was mich irritiert hat, war das "weiß", aber das führe ich auf meinen europäischen Bildungsstandard zurück - "weiß", da denke ich eben immer an Europäer und bei dieser Geschichte geht es ja um sog. "Naturvölker", also gerade keine Weißen.
Die vielen offenen Fragen finde ich gut, die Andeutungen, was jetzt eigentlich los mit ihnen ist, ohne es wirklich endgültig zu klären.

Die Geschichte war wirklich sehr faszinierend, doch zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass sie mich nicht so sehr angesprochen hat wie die anderen beiden. Ich weiß auch nicht warum, ist wohl einfach nicht so mein Ding. Schade eigentlich :'(

Liebe Grüße,
schattenwolf


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