Assoziatives Schreiben von Technomage ================================================================================ Kapitel 7: Satz 11: anthropos ----------------------------- "Einen Namen müssen wir ihm ja wohl auch geben", sagte er im Dunkeln, während er die Hosenträger überstreifte und die mit Öl beschmierten Hände an einem alten Lappen abwischte. Kurz davor hatte er die letzten Kabel neu verdrahtet und die massive Brustplatte wieder auf den Titan legierten Torso geschraubt. Er begann die robuste Kleidung wieder anzulegen, die er ausgezogen hatte, um davon nicht eingeschränkt zu sein und war nur im Synthskin – Anzug seiner Arbeit nachgegangen. „Wenn es funktioniert“, gab die junge Frau, die hinter ihm im Schatten kniete, zu bedenken. Sie hatte während der gesamten Reparatur – oder Operation, wie es selbst lieber nannte, wenn die Maschine ein Android war – auf der Lauer gelegen und durch das Visier ihrer Flinte die Umgebung sondiert. Ihr schmutziges Haar war in unzähligen Bändern zurückgebunden und der klobige Sichtverstärker – ein Kasten aus Linsen vor ihren Augen – hielt ihr die Strähnen aus dem Gesicht. Es ließ sich nur erahnen wie die Frau unter dem Apparat aussah und Tom hatte sie schon lange genug nicht mehr gesehen, um sich nur noch vage an Kiras Gesicht zu erinnern. Flach wie ein gefallenes Blatt lag sie über den Trümmern, hinter denen sie sich verschanzt hatten und nur ihr Kopf und der Lauf des Gewehres bewegten sich gelegentlich. „Sag nicht es dazu, ich finde er sieht menschlich aus“, argwöhnte Tom und schlüpfte wieder in seine Weste hinein, die er zur besseren Bewegungsfreiheit während der Operation ausgezogen hatte. Die Schichten aus Kevlar und Keramik ließen den untrainierten Körper des Biotechnikers – Maschinendoktor, wie Kira zu sagen bevorzugte – wie üblich im ersten Moment fast zu Boden sinken. Kira drehte für einen unmerklichen Moment den Kopf, um ihn über die Schulter hinweg anzugrinsen. Die grünen Linsen leuchteten matt. „Nennen wir ihn Jack.“ „Jack?“ „Der Name meines Sohns.“ „Ah.“ Tom erschauderte, doch er musste nicht fragen, wo Kiras Sohn war oder wie es ihm ging oder was mit ihm passiert war. Jeder, der überlebt hatte, trug eine Vergangenheit aus toten Menschen mit sich herum. So wenige, wie überlebt hatte, war das unvermeidlich. Manche, die sie auf ihrer Wanderung durch das große Trümmerlabyrinth der einstigen Zivilisation trafen, gingen nur weiter, weil sie glaubten, dass irgendwo noch ein Freund oder ein Verwandter lebte. Eine Tochter vielleicht oder auch nur eine Freundin der Tochter. Andere trugen das Bewusstsein ihres Verlustes wie ein Banner vor sich her und wenn zur Rast die Feuer angefacht wurden, konnte sie gar nicht genug davon kriegen zu erzählen, wer ihre Mitmenschen gewesen waren. Tom und Kira nannten die erste Sorte „Jäger“ und die zweite „Barden“ und sahen sich selbst als keins von beidem. Manchmal redeten sie von sich selbst als „Krieger“, an einem guten Tag auch als „Ritter“, doch meistens vermieden sie es sich über sich selbst Gedanken zu machen. „Zeit aufzuwachen, Jackieboy“, kommentierte Tom, als er einen Schalter im Nacken der Maschine umlegte und die Schutzplatte darüber zuzog: ab jetzt würde nur noch „Jack“ aus eigener Entscheidung die Platte öffnen können. Oder ein guter Plasmabrenner. Oder ein ordentliche Handvoll Plastiksprengstoff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)