Wolfsmond von Kiwi_Kokosnuss ================================================================================ Kapitel 1: Ankunft ------------------ Kapitel 1. Ankunft Kiyo schaute auf ihre Armbanduhr und gähnte. Schon seit über vier Stunden saß sie in diesem Zug. Gelangweilt presste sie ihr verschlafenes Gesicht gegen die Fensterscheibe und starrte nach draußen, ohne irgend etwas bestimmtes anzuschauen. Das Abteil war so gut wie leer, nur drei Reihen vor ihr saß ein alter, dicker Mann, der lässig eine Zigarette rauchte und dabei die Zeitung des heutigen Tages las. Kiyo hasste den Geruch von Zigaretten. Sie ließ ihren Blick wieder vom Fenster schweifen und hustete laut, doch der Mann machte keine Anstalten sich auch nur umzudrehen. So ein mieses Arschloch, dachte sie und trippelte mit den Fingern auf der Lehne des Sitzes. „Rauchen in öffentlichen Verkehrsmitteln ist strengstens verboten!“, rief Kiyo dem Mann dem spöttisch zu, doch dieser zeigte immer noch kein Interesse. „..Und wird mit hohen Kosten bestraft!“, sagte sie nun so laut, dass die Frau im hinteren Abteil aufmerksam wurde und mit ihrem Getränkewagen hineingefahren kam. „Du kleine miese Kröte!“, knurrte der fette Mann und ballte wütend die Zeitung, während er langsam und mit hochrotem Kopf aufstand. Kiyo umklammerte ihren Koffer, den sie schon die ganze Zeit auf ihrem Schoß liegen hatte. Mit bösem Blick starrte sie den Mann genau in die Augen. Obwohl er immer noch mehr als vier Meter von ihr entfernt war, konnte er das Weiß in den Augen des Mädchens sehen. Er ging einen Schritt zurück. Diese Augen, sie machten ihm Angst. Schweiß lief ihm die Stirn herunter. Was war das für ein Mädchen? Und warum stieß sie ihn mit ihrem Anblick in den Wahnsinn? Er verspürte schreckliche Kopfschmerzen. Alles um ihn herum verschwamm, wurde zur Hölle, unerträglich. Unauffällig stand Kiyo auf und verließ das Abteil, ohne das sie die Frau mit dem Getränkewagen, die immer noch den Mann beäugte, der sich vor Schmerzen auf dem Boden krümmte, sie auch nur im geringsten bemerkte. * Es musste schon nach drei Uhr sein. Die Sonne stand hoch am Himmel und nur wenige Wolken waren zu sehen. Trotzdem war es kalt. So kalt wie auch in den Nächten zuvor. Mit schnellen Schritten lief eine in dunkle Gestalt über das nasse Gras und wirbelte das Wasser auf. Wie ein Blitz raste sie durch den Wald an der Autobahn. Ein menschliches Wesen konnte es nicht sein, denn es war nicht größer als einen Meter und hatte den Körperbau eines Hundes. Im Licht der Sonne, das durch die dichten Baumkronen schien, verwandelte sich der Schatten des Wesens in den eines Menschen. Sie verlangsamte ihren Schritt und lehnte sich an einen Baum, schwer keuchend. „Ich sollte mich nicht so oft am Tag verwandeln..“, sprach sie zu sich selber und schaute sich um. Erleichtert blickte sie über das am Boden liegende Laub. Das junge Mädchen trug einen schwarzen Baskenmütze und ein schwarzes Jackett. Sie wischte sich den Mund mit ihrem Handrücken und drückte sich vom Baum ab. Mit der anderen Hand griff sie nach ihrem Koffer und lief wieder los. Die Autobahnbrücke war schon in Sicht und das Mädchen achtete darauf, nicht von den Autofahrern gesehen zu werden. Auffliegen wäre das Schlimmste gewesen. Im Notfall hätte sie einen Plan gehabt, doch diesen einzusetzen, nur um den Koffer und ihre Identität zu schützen, wollte sie noch nie realisieren. Sie zog ihre Sonnenbrille aus der Jackentasche und beeilte sich, nicht noch später zu ihrem vereinbarten Treffpunkt zu kommen, der so wichtig war, dass sie alles hinter sich gelassen hatte. Das Mädchen lächelte, als sie endlich an der Brücke angekommen war. Erstaunt schaute sie sich um, als sie ihre Partnerin nicht entdecken konnte. „Halb vier, Kiyo...“, lachte jemand und trat hinter einer Säule der Autobahnbrücke hervor. Dieser Standort war klasse, genau die richtige Wahl. Durch die hohen Bäume, die sich am Straßenrand drängelten waren sie völlig ungestört und von der Autobahn aus konnte sie niemand sehen. Das Mädchen drehte sich um. „Tut mir Leid, es gab nen kleinen Zwischenfall im Zug und ich musste das letzte Stück bis hierhin durch den Wald laufen...“, sagte sie und legte den schweren Koffer ab. Forsch betrachtete das ältere Mädchen, dass nun einige Schritte näher an Kiyo heran kam, den Koffer. Sie zuckte leicht mit dem Mundwinkel, doch dann lachte sie. „Kiyo, hast du dich wieder verwandelt? Der Griff ist ja ganz voll gesabbert!“ Kiyo schien das ziemlich peinlich zu sein und sie trat mit dem Fuß einige Steine vor sich herum. „So war ich schneller, Well...“, verteidigte sie sich selber und schaute ihre Partnerin verlegen an. „Schon okay, das weiß ich doch!“ Well wuschelte Kiyo durch ihre kurzen dunklen Haare und bückte sich nach dem Koffer. „Ich habe schon alles organisiert... uff, ist der schwer!“, fügte sie hinzu und tat sich schwer, den Koffer hoch zuheben. * „Wenn der Vollmond nicht bald kommt, werde ich noch Wahnsinnig!“, beschwerte sich Kiyo und ließ sich auf das weiche Bett fallen. In diesem Zimmer roch es wunderbar. Sie schnüffelte an dem Geruch, der sich langsam in dem Hotelzimmer verbreitete. Well kam in den Raum und lächelte Kiyo fröhlich an. Sie hielt ihren linken Arm hinter ihrem Rücken während sie mit der anderen Hand den Schlüssel umdrehte und die Kette vorhängte. „Du hast Essen mitgebracht, dachtest du ich rieche das nicht?“, fragte Kiyo erstaunt und setzte sich aufrecht. Sie hatte schon seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen, zu nervös war sie der Übergabe wegen gewesen. Well grinste. „Ja, und kannst du auch riechen, was ich hier hinter meinem Rücken halte?“ Dieses Spiel war zu leicht für Kiyo. Sie ließ sich zurück aufs Bett fallen. „Hühnchen und Reis...“, gab sie zurück und das Grinsen auf Wells Gesicht verschwand. „Du bist gemein! Du hast Zuhause heimlich geübt, stimmt’s?“ Well wirkte leicht angekratzt. Sie setzte sich neben Kiyo aufs Bett und stellte den Teller auf den Nachttisch. Kiyo hatte recht gehabt – Hühnchen und Reis! Erfolgreich lächelnd schaute sie Well an. „Ich hab auch geübt!“ „Lass sehen!“, forderte Kiyo. Well schaute sie entsetzt an und blies ihre Wangen auf. „Tu doch nicht so, du weißt, dass ich das hier nicht machen kann!“ Sie schüttelte wieder willig den Kopf. „Schade... das hätte lustig werden können..“, stöhnte Kiyo und nahm sich eine Hühnchenkeule vom Teller. „Pfo pfast du pfeigentpflich den Pfoffer pferpfeckt?“, frage Kiyo, während sie an der Keule knabberte. Well deutete wortlos auf den Boden. Dort lag ein Teppich. Kiyo verstand, ihre Freundin hatte den Koffer wohl in einem Hohlraum unterhalb des Holzbodens versteckt und den Teppich darauf gelegt. Der Teppich würde keinem auffallen, denn vor dem Bett gegenüber lag auch so einer. * Es würde noch mindestens zwei Tage dauern, bis der Mond sein volles Bild zeigen würde und das Licht der Vollmondnacht auf die Erde fällt, spekulierte Well. Sie stand auf dem Balkon und lehnte sich gegen das Geländer, Kiyo war längst eingeschlafen. Der kalte Wind zerrte an ihren Haaren. Was würde passieren, wenn man sie doch erwischen würde und der Koffer entdeckt wird? Well schüttelte sich bei diesen gedanken und kuschelte sich stärker in die Wolldecke ein. Diese Kälte vertrug sie nicht, aber trotzdem war sie hinaus auf den Balkon gegangen, um den Mond zusehen. Kiyo hatte es gut, sie konnte essen, was sie wollte, aber bei ihr war es anders. Es gab nur eines, was sie wollte: Blut, frisches Menschenblut.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)