Geständnis um Mitternacht von SilverMoon21 ================================================================================ Kapitel 20: Wahrheit -------------------- Stille lag auf der Wohnung und außer dem schwachen Ticken der Wohnzimmeruhr und den leisen Atemgeräuschen aus dem einzigen Schlafzimmer gab es nichts, das die nächtliche Ruhe durchbrochen hätte. Selbst die einsame Gestalt, die am Fenster des Wohnzimmers stand, stand stumm und still wie eine Puppe. Ihre Atmung war leise und flach und seit über einer halben Stunde hatte sie sich nicht bewegt. Sie stand einfach nur da, während die funkelnden Lichter der Großstadt durch das Fenster ins Innere der Wohnung fielen. Eine seltsame Ruhe hatte von JaeJoong Besitz ergriffen. Den ganzen Nachmittag und Abend hatte er rasend und getrieben von Schmerz und Eifersucht auf ChangMin gewartet. Mehrfach hatten YunHo, YooChun und JunSu versucht, den Jüngeren auf dem Mobiltelefon zu erreichen, doch ChangMin hatte es einfach ausgeschaltet. JaeJoong brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, was dies bedeutete, schließlich hatten sie über einen Anruf bei ihrem Manager erfahren, dass ChangMin das Filmstudio tatsächlich mit Koda Kumi verlassen hatte. In seinem Kopf waren verschiedenste Szenen aufgetaucht, die die beiden intim miteinander zeigten und in seiner Rastlosigkeit hätte JaeJoong gerne etwas zerschmettert. Aber alles, was an diesem Tag zu Bruch gegangen war, war sein Herz. Er war so dumm gewesen. Für eine kleine Weile hatte er wirklich geglaubt, dass sich sein Freund auch in ihn verliebt haben könnte. Der Sex, diese unglaublich intensive Zärtlichkeit zwischen ihnen, hatten ihn träumen lassen. Aber ChangMin war noch eine Jungfrau. Sein Verstand sagte ihm, dass es gut wäre, wenn ChangMin sich ausprobierte, wenn er erfuhr, ob er Frauen oder Männer mochte, oder ob er möglicherweise beidseitig interessiert war. JaeJoong selbst war in dieser Entwicklung Monate voraus. Er hatte Zeit gehabt, sich seiner Gefühle für ChangMin bewusst zu werden. Hatte das Dilemma der sexuellen Orientierung hinter sich gelassen und herausgefunden, dass alles, was ihn und ChangMin betraf, Liebe war. Diese Liebe war sein Problem. Zum ersten Mal seit langer Zeit bewegte er sich, streckte sich kaum merklich und seufzte leise auf. Doch niemand konnte es hören. JunSu, YunHo und YooChun schliefen schon seit geraumer Weile und ChangMin war noch immer fort. Er mochte nicht daran denken, was ChangMin mit Koda tat oder nicht, gleichwohl ihn noch immer einzelne Bilder seines Alptraumes in Gedanken verfolgten. Aber als er sich darüber bewusst geworden war, dass er nichts daran ändern konnte, hatte sich das brodelnde Feuer in ihm gelegt. Die Eifersucht war zu einer kleinen Flamme zusammengeschrumpft und hatte den Weg bereitet für tiefen Schmerz. Obwohl der Schmerz in ihm überwog, war keine Träne über seine Wangen geglitten. Es war, als wäre dafür keine Energie mehr vorhanden. Also wartete JaeJoong, still und stumm vor sich hin leidend, mit der quälenden Frage, wann ChangMin nach Hause kommen würde. Das Klirren eines Schlüssels, der ins Hausschloss gesteckt wurde, durchbrach die Stille. Der Schlüssel wurde gedreht und die Tür glitt auf. Leise trat ChangMin ein, schloss die Tür wieder und zog die Schuhe im Flur aus. Obwohl er sich auf Socken bewegte, waren seine Schritte, dank dem Stoff seiner Hose, für JaeJoong gut zu hören. Er lauschte den Geräuschen, als ChangMin ohne ihn zu entdecken ins Bad verschwand, nur um wenige Minuten später wieder herauszukommen und in der Küche zu verschwinden. Zum ersten Mal an diesem Tag fiel es JaeJoong schwer, seine Tränen zurückzuhalten. Ihm fiel ein Spruch ein, den ihm seine Adoptiveltern beigebracht hatten: „Ein Mann weint nur drei Mal in seinem Leben. Einmal bei der Geburt, einmal bei der Hochzeit und ein weiteres Mal, wenn seine Eltern sterben.“ Dies hier war keine dieser Begebenheiten und trotzdem zog sein Herz an ihm und wollte mit ihm leiden und weinen. Das Licht in der Küche ging mit einem neuerlichen Klicken des Lichtschalters aus. Für einen Moment glaubte JaeJoong, dass ChangMin ins Bett gehen und schlafen würde, aber dann stand er im Wohnzimmer und erschrak, weil er endlich JaeJoong im Schatten entdeckt hatte. „Scheiße!“, fluchte der Jüngere. „Du hast mich erschreckt.“ „Habe ich das?“, fragte er rhetorisch und fand die Kraft, sich umzudrehen. Er wusste, dass ChangMin sein Gesicht nicht sehen konnte, da das Licht in seinem Rücken war. Allerdings bedeutete dies, dass er im Gegenzug ChangMin sehen konnte. In den Augen des 18.-Jährigen lag Unsicherheit, sein Kehlkopf hüpfte, als würde er einen Kloß hinunterschlucken müssen und trotzdem straffte er seinen Rücken, ging durch den Raum, wo er den Teller mit seinem Mitternachtsimbiss und ein Glas Wasser abstellte. „Warum schläfst du noch nicht?“ „Weil ich auf dich gewartet habe.“ „Weshalb?“ „Weil ich mit dir reden wollte.“ „Wenn du mich wegen gestern ansprechen möchtest, vergiss es. Ich bin noch immer wütend auf dich.“ „Das glaube ich dir“, antwortete JaeJoong zerknirscht und schritt auf ChangMin zu. Dicht, vielleicht zu dicht, blieb er vor ihm stehen. Der Duft von Frauenparfüm stieg ihm in die Nase. „Du stinkst nach Parfüm.“ „Und?“, meinte ChangMin, so als wäre dies nichts Ungewöhnliches. JaeJoong beugte sich vor. ChangMin wich ein wenig zurück, doch keineswegs weit genug, denn JaeJoongs Lippen berührten rasch seine. Ehe sich der Jüngere versah, hatte JaeJoong ihn in eine feste Umarmung gezogen und küsste ihn hart und fordernd. Ebenso abrupt löste sich JaeJoong wieder. „Du schmeckst nach ihr. Habt ihr es miteinander getan?“ „Das geht dich nichts an“, sagte ChangMin kalt. Doch die Schärfe seiner Zunge wurde durch das Erröten seiner Wangen in ihrem Grad gemildert. „Hast du?“, hakte JaeJoong nach. „Lass mich“, meinte ChangMin und wollte sich an ihm vorbei zur Couch drängen. „Nein!“ JaeJoongs Hände umschlossen fest ChangMins Handgelenk. „Ich muss es wissen.“ „Warum?“ „Weil ich wissen muss, ob es zwischen uns noch etwas gibt.“ „Was soll es denn da geben?“, höhnte ChangMin. „Wir hatten zwei Mal Sex, mehr nicht. Ich bin nicht schwul!“ „Und doch bist du das letzte Mal zu mir gekommen!“ „Das war ein Fehler! Keine Ahnung, was mich da geritten hat.“ „Du wolltest es! Du wolltest mich ebenso sehr, wie ich dich.“ „Und wenn?“, fauchte ChangMin, doch seine Stimme klang brüchig. Der Griff lockerte sich und er nahm einen Sicherheitsabstand von JaeJoong ein und setzte sich auf das gegenüber liegende Sofa. Sein Gesicht war nun in den Schatten verborgen und JaeJoong konnte seine Miene nicht länger ausmachen. Eine Weile blickte er in die Dunkelheit und beide schwiegen. „Frauen sind weich“, unterbrach ChangMin sein Schweigen. JaeJoongs Herz hüpfte schmerzhaft. „Ihre Lippen sind voll und nachgiebig, wenn sie dich küssen und ihre Brüste fühlen sich gut an.“ Mit jedem Wort glaubte JaeJoong, dass ihm jemand ein Messer in den Rücken rammte. Schmerz wogte durch seinen ganzen Körper. Die Bestätigung dessen zu erhalten, was er am Meisten gefürchtet hatte, brannte wie flüssiges Gift in seinen Adern. „Dann hast du mir ihr geschlafen?“ „Nein.“ Die Antwort ließ JaeJoong stocken. „Ich habe nicht mit ihr geschlafen. Ich wollte, wirklich. Aber ich konnte nicht.“ ChangMin stand wieder auf, ging zu JaeJoong und blieb vor ihm stehen, sein Gesicht vorwurfsvoll blickend. „Jedes Mal, wenn ich sie geküsst habe, habe ich nur daran denken können, dass deine Küsse viel leidenschaftlicher waren. Als sie mich berührte, waren ihre Berührungen viel zu zart. Ich wollte deine Hände fühlen, wollte das Feuer spüren, das du in mir ausgelöst hast. Ihre Brüste waren wundervoll und schön und doch wollte ich lieber deine Muskeln unter meinen Handflächen haben. Du hast mich kaputt gemacht!“, klagte ChangMin ihn an. „Ich kann mit keiner Frau schlafen, egal wie sehr ich es wollte, weil ich sie mit dir vergleichen würde.“ „Was… soll das heißen?“ JaeJoongs Stimme stockte. Närrische Hoffnung machte sich in ihm breit. Eine Hoffnung, die sein Herz in all seinem Schmerz noch weiter öffnete, bereit, endgültig zertrümmert oder geheilt zu werden. „Ich glaube, ich liebe dich auch.“ Die Worte standen zwischen ihnen. Bedeutungsschwer und rein. Pure Erleichterung durchflutete JaeJoong und für einen Herzschlag schloss er seine Lider. Als er sie öffnete, verband sich sein Blick mit ChangMins. Die Spannung, die sie umgab, dieses Ziehen ihrer Gefühle drängte ihn näher an den Jüngeren heran, bis sich ihre Lippen zu einem weiteren Kuss trafen. Diesmal jedoch war der Kuss weniger grob, mehr leidenschaftlich. Sie küssten sich lange, tauschten ihre Gefühle, und jede Unsicherheit in JaeJoong verschwand durch das Bekenntnis ihrer Lippen. „Das hat mir gefehlt“, lächelte ChangMin, als sie sich nach langer Zeit voneinander lösten. „Du küsst einfach besser.“ „Dann ist wieder alles gut zwischen uns?“ „Ich bin immer noch wütend auf dich“, sagte ChangMin. „Auch wenn wir jetzt zusammen sind, möchte ich nicht, dass irgendwer davon erfährt. Das darf auf keinen Fall durch die Presse gehen und die anderen… Sie müssen nichts über unser Sexleben erfahren. Es reicht, wenn sie wissen, dass wir ein Paar sind.“ „Sind wir das? Ein Paar?“ „Wenn du mich noch willst?“ „Idiot“, schallt JaeJoong freudig, „natürlich will ich!“ In seinem Überschwang hob er ChangMin hoch und drehte sich einmal im Kreis mit ihm. „Lass mich runter!“, schrie er, ungeachtet der Tatsache, dass in der Wohnung schlafende Menschen waren und sie bereits gegen 3 Uhr in der Früh hatten. Wieder auf dem Fußboden angelangt, sagte er: „Du musst es mir versprechen.“ Mit feierlicher Miene sah JaeJoong ihn an. Er wusste, er würde diesen Fehler kein weiteres Mal mehr machen. „Ich verspreche dir, dass ich niemals wieder mit anderen über unser Sexleben sprechen werde und dass ich dafür sorge, dass niemand von unserer Beziehung erfährt.“ „Gut“, nickte ChangMin zufrieden. „Und jetzt?“ „Na ja, die anderen schlafen noch fest und wir sind hier alleine…“ „Vergiss es“, grummelte ChangMin. „Ich will nur noch schlafen.“ „Dann lass uns doch hier schlafen“, schlug JaeJoong vor. „Die Couch ist breit genug für uns beide.“ „Einverstanden“, lächelte ChangMin. Er konnte sich wahrlich Schlimmeres vorstellen, als in den Armen des Mannes zu schlafen, den er komischerweise liebte. Sie machten es sich gemütlich. Eng aneinander gekuschelt spürten sie die Wärme des anderen und es fühlte sich gut, wenn auch ungewohnt an. JaeJoong spielte mit ChangMins schlanken Fingern, führte sie zu seinen Lippen und küsste jeden Knöchel, was diesem die Röte in die Wangen trieb. Doch ChangMin wehrte sich nicht gegen die Liebkosung und protestierte ebenso wenig. Er wollte ebenso sehr wie JaeJoong einfach die Zweisamkeit genießen. Lange lagen sie da, bis Morpheus seine Fühler nach ihnen ausstreckte und die Müdigkeit in ihre Glieder kroch. „ChangMin?“, flüsterte JaeJoong leise. „Hm…“, die schläfrige Entgegnung. „Ich liebe dich.“ „Ich weiß“, die schlaftrunkene Antwort. „Ich liebe dich auch.“ Zufrieden fielen JaeJoong die Lider zu. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sein Geständnis doch kein so großer Fehler gewesen war. ENDE Hosted by Animexx e.V. 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