Hide from the Sun von TheLoneWolf ================================================================================ Die achte Nacht --------------- Die achte Nacht Den Abend hatte Mokuba vor seinem Computer zugebracht. Wenn sein Bruder ihm nicht sagen wollte, was hier eigentlich vor sich ging, dann würde er es eben selbst herausfinden müssen. So einfach wollte sich der 14-Jährige auf keinen Fall geschlagen geben. Seto hatte in seinem Leben so viel für ihn getan. Nun war es an ihm, dem Älteren zu helfen. Denn dieser brauchte ganz eindeutig seine Unterstützung. Der 19-Jährige neigte dazu, seine Probleme immer allein lösen zu wollen. Doch Mokuba wollte der Sache trotzdem auf den Grund gehen, selbst wenn der Brünette deshalb auf ihn böse werden würde. Der Junge glaubte sich zu erinnern, Seto habe gesagt, er sei zu etwas geworden, was er nicht sein wollte, oder so ähnlich. Aber was hatte er damit nur gemeint? Mokuba versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was an seinem Bruder anders gewesen war als sonst. Er war sehr distanziert, selbst ihm gegenüber; trug oft eine Sonnenbrille, weil er unter Kopfschmerzen litt und anscheinend lichtempfindlich war; sein Körper hatte sich bei ihrer Umarmung ungewöhnlich kalt und hart angefühlt; er bewegte sich viel schnell als normalerweise und dann waren da noch diese unheimlich leuchtenden Augen! Bei seiner Suche stieß Mokuba auf einige groteske Seiten im Internet. Auf einer fand er eine Art Lexikon für Kreaturen mit übermenschlichen Fähigkeiten und unerklärliche Phänomene. Konnte er hier wirklich Antworten bekommen? Während er las, murmelte der Junge die Worte, die vor ihm auf dem Monitor erschienen, leise vor sich hin: „Vampire… Blutsaugende Untote, die beim Kontakt mit Sonnenlicht zu Staub zerfallen und lichtempfindliche, meist rot leuchtende Augen besitzen…Sind deshalb nachtaktiv. Äußere Kennzeichen sind auch blasse Haut, das Fehlen von Körpertemperatur und spitze Eckzähne. Sie bewegen sich unnatürlich schnell…Können auch oft Gedanken lesen, sich in Fledermäuse verwandeln, ihre Opfer hypnotisieren und Diener wie z.B. Ratten und Schlangen herbeirufen…Sind unfähig, fließende Gewässer zu überqueren…“ Der 14-Jährige überlegte. Hatte Seto spitze Eckzähne gehabt? Er konnte sich nicht daran erinnern. Jedoch stimmten einige der aufgelisteten Eigenschaften eindeutig mit den Symptomen seines Bruders überein. Der schwarzhaarige Junge schüttelte resignierend den Kopf. Das war doch alles Unsinn. Seto hatte ihm schließlich oft genug eingetrichtert, dass es solchen übernatürlichen Firlefanz gar nicht gab. Für alles existierte eine logische Erklärung und man durfte solchen Märchen keine Beachtung schenken, da sie Hirngespinste von Menschen mit zu viel Freizeit seien. Abgesehen davon konnte Mokuba einfach nicht glauben, dass aus dem 19-Jährigen ein Blut saugendes Monster geworden sein sollte, auch wenn manche seiner Geschäftspartner ihn wohl dafür hielten. Doch eines wurde ihm bewusst: Seto würde immer sein Bruder bleiben, egal was auch passierte und das sollte er auch wissen! Der Junge erhob sich von seinem Schreibtisch. Er hatte vor, das Haus heute noch ein Mal zu verlassen, auch wenn es bereits dunkel draußen war. Der junge Firmenchef musste erfahren, dass er ihn weiterhin unterstützen würde und wie er fühlte. Doch der 14-Jährige war sich sicher, dass sein Bruder nach den gestrigen Ereignissen nicht mehr so bald zu ihm zurückkehren würde. Wenn das so war, dann würde Mokuba eben zu ihm gehen. Aber wäre der junge Mann überhaupt bereit, ihm zuzuhören und mit ihm zu reden? Er musste es auf jeden Fall versuchen! *********************************************************************** Der 14-Jährige hatte das Wetter reichlich unterschätzt. Es war sehr kalt in dieser Nacht und er trug nur eine dünne Jacke. Doch da er nun schon mal unterwegs war, wollte er wegen so einer Kleinigkeit nicht noch einmal umkehren. Die Straßen waren dunkel und unheimlich. Keine Menschenseele war noch unterwegs. Nur Mokuba streunte umher. Er begab sich an alle Orte, die sein Bruder aufzusuchen pflegte, denn er war fest entschlossen, ihn zu finden. Deshalb unterdrückte er die Unsicherheit und ignorierte die Tatsache, dass er ganz erbärmlich fror. Die ganze Nacht streifte der Junge rastlos umher. Auf seinem Weg kam er auch zum Labor des Älteren. Dort sollte er fündig werden. Es war niemandem erlaubt, dieses Gebäude unbefugt zu betreten. Aber Mokuba hatte sich von dieser Regel noch nie zurückhalten lassen. Bereits als kleines Kind war der Schwarzhaarige immer über den Zaun geklettert, und so tat er es auch heute Nacht. Als der 14-Jährige das Labor betrat, überkam ihn ein seltsam beklemmendes Gefühl. Es war stockfinster und der Junge konnte kaum etwas erkennen, doch er vernahm aus einem der Räume Geräusche. Hier musste jemand sein! Vorsichtig begab er sich in die Richtung, aus der die Laute kamen. Er tastete sich durch die Dunkelheit auf der Suche nach einem Lichtschalter. Er wurde fündig und als sich die Umgebung erhellte, war Mokuba für einen Augenblick lang geblendet. Erst nach ein paar Sekunden konnte er alles wider deutlich sehen. Unsicher blickte er sich um. Als er jedoch für einen flüchtigen Moment zu Boden schaute, erschreckte sich der Junge plötzlich. Auf dem weißen Fliesenboden verlief eine Spur aus kleinen Blutstropfen. Was war hier nur los? War Seto vielleicht verletzt? Mokuba beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und der Spur zu folgen. Je weiter der Junge in die Richtung ging, in die die Blutstropfen führten, desto größer wurden diese. Am Ende der Spur machte er jedoch eine grausige Entdeckung, die ihm den Atem stocken ließ. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und insgeheim wünschte sich der 14-Jährige, er hätte das Licht niemals eingeschaltet. Das, was da zu seinen Füßen lag, war auf keinen Fall das, was er gesucht hatte. Es waren die sterblichen Überreste eines Hundes, die in einer Lache aus Blut lagen. Wahrscheinlich war es ein Streuner gewesen, den niemand vermissen würde. Der Körper des Tieres war zusammengekrümmt und sein Gesicht war zu einer unheimlichen Fratze verzerrt. Das arme Geschöpf musste vor seinem Tod große Qualen durchlitten haben. Wer war nur zu einer solch grausigen Tat fähig? Bittere Tränen des Mitleids liefen dem Jungen über die Wangen. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Vorsichtig hockte sich der Knabe vor den leblosen Körper der Kreatur und streichelte zögerlich einem Teil ihres Fells, der nicht blutverschmiert war, als wollte er sie damit trösten und ihre Schmerzen lindern. Doch für dieses Tier kam wohl jede Hilfe zu spät(Anmerkung: T.T). Konnte ein Mensch eine solche Tat vollbracht haben? Der Körper des Hundes war noch nicht vollkommen ausgekühlt. Das bedeutete, er konnte noch nicht lange tot sein. Jedoch war Mokuba bewusst, dass er nichts mehr für ihn tun konnte. Verzweifelt schluchzte er und vergrub sein Gesicht hinter seinen Armen, welche er um seine Beine geschlungen hatte. „Vor genau solchen Momenten wollte ich dich eigentlich bewahren. Deshalb habe ich dir gesagt, dass es besser wäre, wenn wir so wenig Kontakt wie möglich miteinander haben“, tönt hinter dem 14-Jährigen eine vertraute Stimme. Erschrocken drehte sich der Junge um. Zu seinem Entsetzen war es tatsächlich Seto, den er erblickte. An seinem Mundwinkel verlief ein dünnes Blurinnsal. „Wie konnte das nur geschehen, Seto?“ wimmerte Mokuba. „Ich habe ihn nicht so zugerichtet, falls du das denken solltest. Dieser Hund ist von einem Auto angefahren worden und ich habe lediglich sein Blut getrunken, bevor ich ihn von seinen Qualen erlöst habe“, sagte der Brünette mit ruhiger Stimme, als wäre dies nichts ungewöhnliches. Die Augen des 14-Jährigen weiteten sich vor Entsetzen. Mit zitternder Stimme fragte er unsicher: „Du hast sein Blut getrunken?! Das bedeutet…du bist wirklich ein Vampir! Es ist also wahr! Heißt das, du hast auch schon Menschenblut getrunken?“ Der Angesprochene reagierte nicht und verließ langsamen Schrittes den Raum. Sein Bruder folgte ihm in respektvollem Abstand. Einen gewissen Ausdruck des Ekels in seinem Gesicht konnte er allerdings nicht vollkommen verbergen, weil er sich unweigerlich vorstellen musste, wie der Ältere seine blutigen Mahlzeiten wohl einzunehmen pflegte. Als sie das Gebäude verlassen hatten, blieb Seto plötzlich unvermittelt stehen. Die Sonne war langsam, aber sicher im Begriff, aufzugehen! The break of dawn kills all the beauty The dead of night is drifting away Should I stay and welcome the day Or should I follow the one And hide from the sun „Ich wollte nicht, dass du es merkst. Du solltest nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Es mag vielleicht schwer zu verstehen sein, aber es ist, wie es ist. Mir selbst fiel es auch nicht leicht, es zu begreifen, doch ich musste die Realität akzeptieren“, versuchte der Ältere zu erklären. Mokuba wollte irgendetwas antworten, aber er wusste nicht, was er hätte sagen sollen. Das ausgerechnet sein Bruder über solche Dinge sprach, war verwirrend. Seto hatte nie an übernatürliche Wesen geglaubt und nun war er selbst eines. Auf das Schweigen des Jüngeren hin wischte der Brünette sich das Blut von seinem Mundwinkel und betrachtete danach seinen mit dem roten Lebenssaft verschmierten Handrücken. Dann sprach er mit ruhiger Stimme weiter: „Ich muss Blut trinken, sonnst sterbe ich über kurz oder lang. Dagegen kann ich nichts tun. Ich habe keine andere Wahl, denn wer sich ein Mal vom Licht abgewandt hat, der kann unter keinen Umständen zurückkehren und ist gezwungen, sein Dasein in ewiger Finsternis zu fristen“. The ray of light cuts like a razor The blazing fire burns in my eyes The day reveals the dreadful betrayer And his wicked mind Hide from the sun And hide from the sun Angesichts der Worte seines Bruders fühlte sich Mokuba absolut hilflos. Was konnte er jetzt noch für ihn tun? Schließlich war er kein Mensch mehr. Aber trotzdem war es immer noch Seto, der da vor ihm stand. Endlich erhob der schwarzhaarige Junge seine Stimme: „Mag ja sein, dass sich vieles verändert hat. Doch du bist immer noch mein Bruder. Wir waren ein Team und wir werden es auch für alle Zeit bleiben. Egal was auch passieren mag. Ich will kein Leben ohne dich führen müssen! Ich will mir nicht einmal vorstellen, ohne dich zu sein!“ „Mokuba! Aus mir ist ein Monster geworden! Ich kann nicht kontrollieren, was ich tue. Es macht mich schon verrückt, wenn du mir zu nahe kommst, weil ich stets nur daran denken kann, dass in deinen Adern Blut fließt. Aber ich will dich nicht als meine Beute sehen müssen! Deshalb könnte ich es mir niemals verzeihen, wenn ich dir etwas antun würde, nur um meine Gier zu befriedigen. Doch ich weiß nicht, ob es mir in deiner Gegenwart immer gelingen wird, mich zurückzuhalten. Und darum ist es besser, wenn du dich von mir fernhältst“, sagte Seto diesmal mit ernsterer Stimme. „Wie kannst du so etwas nur von mir verlangen, Bruder? Ich kann und will dich nicht meiden! Ich brauch dich doch! Du weißt, dass ich alles für dich tun würde. Wenn es mein Blut ist, was du willst, dann würde ich es dir geben. Alles. Bis zum letzten Tropfen“, schluchzte der 14-Jährige in seiner Verzweiflung und breitete leicht die Arme aus, während er die Augen schloss, als wollte er sich dem jungen Mann als Opfer darbieten. Dead promises Paintings of the world so pure Ancient prophecies Remains of the world so cruel The time has come To hide from the sun „Sag so etwas nicht!“ fauchte Seto wütend. Er wollte auf keinen Fall, dass sein kleiner Bruder durch seine Hand sterben musste und vielleicht sogar zu einem Kind der Nacht würde, wie er. So etwas Schreckliches hatte Mokuba nicht verdient. Doch die Tatsache, dass der Jüngere ihm voller Entschlossenheit in die Augen sah, hinderte ihn daran seine Gedanken weiter zu verfolgen. So hatte Seto ihn erzogen. Er brachte kein Wort mehr heraus, denn er wusste, dass er genauso wenig von seinem Bruder getrennt sein wollte, wie dieser von ihm. Doch das Risiko war einfach zu groß, um es zu ignorieren. Like a rat I run to the darkness The ray of night embraces my mind Afraid to look back in to the heartless World of dust and blood I`ll hide from the sun „Soll das bedeuten, du wirst mich wieder alleine lassen?“ fragte Mokuba unsicher. „Im Moment ist es wohl das Beste“, sagte Seto resignierend. Er hatte sein Gesicht abgewandt. Zum einen weil er nicht in die traurigen Augen seines Bruders blicken wollte, die ihn hätten umstimmen können, aber auch um sein eigenes Gesicht vor dem 14-Jährigen zu verbergen. Dieser sollte nicht bemerken, wie sehr der junge Firmenchef innerlich mit sich kämpfte. „Aber du hast versprochen, dass du immer bei mir bist, Seto!“ Die Aussage des Jüngeren riss den 19-Jährigen erneut aus seinen Gedanken. Es stimmte. Er hatte es ihm versprochen, als sie beide noch kleine Kinder gewesen waren und sie im Waisenhaus hatte leben müssen, weil sie ihre Eltern verloren hatten und es niemanden gab, der sich um sie kümmerte. Damals hatte er Mokuba geschworen, dass sie nichts auf der Welt trennen könnte und er sich immer um ihn kümmern, ihn stets beschützen würde. Aber konnte er dieses Versprechen momentan noch halten? Dead promises Paintings of the world so pure Ancient prophecies Remains of the world so cruel The time has come To hide from the sun Entschlossen fuhr Seto herum und rang sich für den 14-Jährigen ein Lächeln ab: „Ich bin auch immer bei dir, selbst dann, wenn ich nicht direkt in deiner Nähe sein kann. Glaub mir, ich werde mein Versprechen halten und dich beschützen, auch wenn ich nicht da sein kann. Du brauchst nur an mich zu denken. Es wird dir die Kraft geben, das alles zu überstehen, bis ich eine bessere Lösung gefunden habe“. Mit diesen Worten umklammerte der Ältere den Anhänger mit Mokubas Foto, der um seinen Hals hing, mit der rechten Hand. Der andere Junge verstand sofort, was er ihm damit sagen wollte und es tröstete ihn ein wenig. „Kann ich nicht vielleicht doch mit dir kommen?“ fragte Mokuba unnachgiebig. Sein Wille war noch nicht gebrochen, ein letzter Funken Hoffnung glimmte noch immer. Doch sein Bruder schüttelte nur den Kopf. Seine Entscheidung stand fest. I know me better I won`t be as bitter In my own heaven I`ll be gone forever Won`t fall back never I won`t crack ever Won`t look back never „Ich würde niemals etwas tun, was dir schaden könnte, Mokuba. Deshalb ist es besser, wenn wir einander weniger sehen. Zumindest in nächster Zeit. Aber ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, damit wir bald wieder miteinander vereint sind. Vertrau mir!“ Die Gesichtszüge des Jüngeren entspannten sich etwas. Diese Antwort schien ihn zufrieden zu stellen. Seto blickte zum Horizont und setzte seine Sonnenbrille auf, bevor er seinen Bruder in die Arme schloss. „Es tut mir leid, mein Kleiner“, sagte er mit sanfter Stimme, „Ich muss nun gehen. Die Sonne geht auf, deshalb kann ich auf keinen Fall noch länger bleiben. Außerdem solltest du auch endlich zu Bett gehen. Doch wir sehen uns so bald wie möglich wieder“. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, war der junge Firmenchef auch schon verschwunden. Zurück blieb Mokuba, der seit langer Zeit wieder ein gutes Gefühl dabei hatte, als sein Bruder sich von ihm verabschiedete, denn er wusste, dass der Ältere unter allen Umständen zu ihm zurückkehren würde. Er hatte erreicht, was er wollte und er fühlte sich sehr wohl dabei. Der Tag brach heran und der Junge wurde in sanftes, warmes Licht gehüllt. In seinem Herzen machte sich die Hoffnung breit, dass sich nun endlich wieder alles zum Guten wenden würde. 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