Hide from the Sun von TheLoneWolf ================================================================================ Die fünfte Nacht ---------------- Die fünfte Nacht Am nächsten Tag besuchte Mokuba seinen Bruder wie gewohnt in dessen Büro. Als er den großen Raum betrat, nachdem er vorsichtig an die massive Holztür geklopft hatte, fand er wieder dasselbe Bild vor wie am gestrigen Nachmittag. Das Zimmer war abgedunkelt, die Vorhänge zugezogen, obwohl draußen das schönste Wetter herrschte. Die einzige Lichtquelle war der Monitor von Setos Computer, der das Büro in ein unheimliches, flackerndes, bläuliches Licht tauchte. Es lief dem Jungen bei diesem Anblick kalt den Rücken hinunter. „Seto?“ fragte er in die Stille, die nur ab und zu dadurch unterbrochen wurde, dass der junge Firmenchef auf seiner Tastatur herumtippte. Da er keine Antwort erhielt, sprach Mokuba weiter: „Seto, ich muss mit dir reden! Du benimmst dich in letzter Zeit total seltsam und ich mache mir langsam echt Sorgen um dich. Du scheinst nicht mehr du selbst zu sein. Was ist los mit dir?“ Nach einer kurzen Pause antwortete der Ältere ohne dabei aufzublicken: „Ich weiß nicht, was du meinst“. „Oh doch! Das weißt du ganz genau! Wir können doch über alles reden. Du brauchst vor mir keine Geheimnisse zu haben. Ich finde es doch okay, wenn du nach der Arbeit noch irgendwo hingehst oder dich mit jemandem triffst. Aber dann sag mir doch bitte bescheid, falls es länger dauern sollte. Versteh doch, wie ich mich dabei fühle, wenn ich keine Ahnung habe, wo du bist und ob es dir gut geht. Warum verhältst du dich bloß so?“ Seto antwortete nicht. Es kam Mokuba vor, als würde ihn die schreckliche Stille, die für einen Augenblick in dem Raum herrschte, fast erdrücken. Ihm wurde bewusst, dass der 19-Jährige weiterhin schweigen würde, egal wie lange er noch auf eine Reaktion warten würde. Der schwarzhaarige Junge wandte sich zum Gehen, nachdem er noch eine kurze Weile, in der Hoffnung Seto würde sich seiner erbarmen und endlich aufblicken, gewartet hatte. Aber der Brünette konzentrierte sich weiterhin ausschließlich auf den Computermonitor. Doch als er im Türrahmen stand, drehte sich der Jüngere noch ein letztes Mal um und sagte leise: „Es tut mir leid, Seto. Ich wollte dich nicht stören. Bitte arbeite nicht wieder so viel und komm bald nach Hause“. Der schwarzhaarige Junge trat hinaus auf den Flur und ließ den Tränen, die er so lange zurückgehalten hatte, nun freien Lauf. Es schmerzte ihn sehr, wie er von seinem Bruder behandelt worden war. Erst als er sich sicher war, dass Mokuba den Raum verlassen hatte, löste er seinen Blick von den Zahlenreihen, die über den Bildschirm flimmerten. Bedächtig massierte er seine Schläfen. Er hatte nicht gewollt, dass sein kleiner Bruder sich schlecht fühlte und es brach ihm fast das Herz zu wissen, dass sein Verhalten ihm gegenüber eben alles noch verschlimmert hatte. Obwohl der Junge sich auf der anderen Seite einer massiven Tür befand, konnte der Ältere sein leises Schluchzen hören. Doch er konnte ihm nicht hinterher laufen und ihn trösten, auch wenn er das jetzt gerne getan hätte. Dafür war es nun zu spät. *********************************************************************** Als Mokuba wieder zu Hause war, musste er feststellen, dass die Situation noch schlimmer war, als er zuerst angenommen hatte. Durch einen Zufall entdeckte er Setos Frühstück im Mülleimer. Er war also daheim gewesen, aber er hatte das Essen einfach weggeworfen, das der 14-Jährige ihm am gestrigen Abend noch hingestellt hatte, bevor er zu Bett gegangen war. Zwar gehörte Seto nicht unbedingt zu den Menschen, die leidenschaftlich gern frühstückten, doch für Mokuba hätte er es sich normalerweise schon irgendwie hineingequält. Es war eine Angewohnheit von Seto, über der Arbeit das Essen und das Schlafen zu vergessen, aber das, was in den letzten Tagen geschehen war, passte nun mal so überhaupt nicht zu dem jungen Firmenchef. Selbst wenn er sich mitten in einem wichtigen Projekt befand, verhielt er sich sonst niemals so seltsam. Aber vielleicht bewertete Mokuba die ganze Angelegenheit einfach über. Darüber hatte der 14-Jährige bisher noch überhaupt nicht nachgedacht. Konnte es nicht möglich sein, dass Seto wirklich mal ein wenig Zeit für sich brauchte? Schließlich arbeitete er nur so viel, damit sie ein besseres Leben führen konnten und da war das Letzte, was er brauchte, ein kleiner Bruder, der ihm nur Vorwürfe machte, anstatt ihn zu unterstützen. Irgendwie fühlte sich der schwarzhaarige Junge bei diesem Gedanken überhaupt nicht wohl. Er hatte plötzlich gar keine Lust mehr auf sein Abendessen, indem er sowieso nur die ganze Zeit nachdenklich herumgestochert hatte. Kein Essen schmeckte wirklich gut, wenn er es ganz alleine einnehmen musste. Es war zwar nicht besonders spät, aber trotzdem beschloss Mokuba einige Stunden später ins Bett zu gehen. Er fühlte sich total niedergeschlagen und schwach. Aber er wollte nicht in seinem eigenen Zimmer schlafen…sondern in Setos. Nur dort würde er sich im Moment wohl fühlen können. Der vertraute Geruch, der an der Bettwäsche haftete, würde jetzt beruhigend auf ihn wirken. Das tat er immer, denn Mokuba liebte es, im Bett seines großen Bruders zu schlafen, wann immer dieser mal für einen längeren Zeitraum nicht da war. Er erzählte Seto zwar nie davon, aber wahrscheinlich wusste der junge Firmenchef trotzdem genau darüber bescheid. Der Brünette selbst konnte sein Zimmer zwar eigentlich nicht leiden, weil es so groß und leer war, doch Mokuba konnte sich dort erholen, denn alles dort erinnerte ihn an den Älteren. Außerdem konnte er Seto so nah sein, wenn dieser von der Arbeit kam. Dabei hoffte der schwarzhaarige Junge jedoch, dass der 19-Jährige nicht wütend auf ihn war, nachdem er ihn heute in seinem Büro gestört hatte. Aber eigentlich war ihm Seto deswegen noch nie böse gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)