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Buffy: Projekt 8

Die virtuelle achte Staffel
von

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Folge 1: Brave New World - Part 1

Autor: Mel
 

Disclaimer: Die viruelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Rating: R (ab 16)
 

Author's Note: Projekt 8 sind Mel, Stefan, Cthulhu, Lion, HopelezZ, Nightfever, Steffi, Soulsister, White Magic und Yamato.
 

Brave New World - Part 1
 

***
 

Bisher bei Buffy...
 

...die Macht des Bösen, die aus Willows Körper fährt.

Spike, der ausblutet und das Siegel in der neuen SHS öffnet.

Robin Wood, der Buffy von sich, seiner Mutter und dem Ziehvater, einem Wächter erzählt.

Faith, die sich auf dem Friedhof mit Spike prügelt.

Die Explosion des Ratsgebäudes.

Giles mit den Anwärterrinnen.

Faith und Wood beim Sex. Xander und Anya beim Sex in der Küche.

Andrew bei der Ermordung von Jonathan. Willow, die Andrew fängt. Andrew, der am Ende mit Anya in der Schule kämpft.

Willow, die den Zauber durchführt, und in diesem Moment zu einer Frau mit weißen Haaren wird.

Die Armee an Übervampiren im Höllenschlund. Der Kampf im Schlund.

Spike, der sich mit der Kette opfert und verglüht.

Die Flucht im Bus und der Einsturz von Sunnydale in den Höllenschlund.

Die Gruppe am Krater. Giles, der den Höllenschlund in Cleveland erwähnt und die viele Arbeit, die vor ihnen liegt.
 

+++
 

LONDON.

Innenstadt
 

Eine große Traube Menschen ergoss sich aus dem hell erleuchteten Warner Village Cinema im Zentrum von London über die Treppe auf den kleinen Vorplatz. Lautes Stimmengewirr erfüllte sofort die Nacht und ungeachtet der späten Stunde waren die Strassen fern des Kinos noch belebt. Ungeduldiges Gehupe, Motorenlärm und eine hin und wieder abrupt betätigte Bremse drangen durch die lauten Stimmen hindurch.
 

„Oh mein Gott.. ich dachte ihr Engländer verlangt jetzt dafür Geld, dass man auf euren Strassen fahren darf?" Dawn kämpfte sich mit zwei Jugendlichen durch das Gedränge und deutete zur Strasse, auf der Schweinwerferlichter vorbei glitten. "Dafür ist aber recht viel los."
 

„Erstens gilt das nur für London und nicht für Taxifahrer und Busfahrer. Und dann gibt es noch zahlreiche Abstufungen. Frag mich was einfacheres. Ich weiß nur, dass mein Dad deswegen ziemlich sauer ist." Der große, blonde Junge steckte seine Hände in seine ausgebeulte Armeehose und sah zur Strasse. Der kleine Nasenring glitzerte kurz auf, als ihn ein Scheinwerfer erfasste.
 

„Dein Dad, Steve, regt sich doch immer über alles auf."
 

„Ach halt die Klappe, Janet," Steve gab dem etwas molligen Mädchen einen Klaps auf den Oberarm. „Okay.. und was stellen wir jetzt an?"
 

Dawn sah auf die Uhr. „Ich glaube, ich muss wohl leider nach Hause." Dawn sah nicht sehr glücklich darüber aus.
 

„Jetzt schon?" Janet sah Steve belustigt an. „Ihr Amerikaner seid wirklich streng," nörgelte Janet übertrieben mit ihrem weichen, irischen Akzent und strich sich eine rote Strähne ihres widerspenstigen, langen Haares hinter das Ohr und rieb sich ihre Sommersprossen übersäte Nase.
 

„Das hat damit nichts zu tun. Aber ich muss früh raus. Wir haben viel zu packen, wenn wir in ein paar Tagen nach Hause fliegen wollen. Und ... nebenbei erwähnt.. Giles ist Engländer." Sie grinste. Allerdings sah sie nirgends weder Giles noch Willow. Einer der beiden hatte sie abholen wollen. Selbst hier in London waren sie nicht in der Lage sie einmal nicht wie ein rohes Ei zu behandeln. Dabei war sie jetzt fast 17. Alt genug, um einiges selbst zu entscheiden. Und auf sich aufpassen konnte sie auch.
 

„Wirst du abgeholt?" Steve sah sich um.
 

„Angeblich.. aber ich sehe niemanden."
 

„Ich auch nicht."
 

„Dann lasst uns doch noch in diesen neuen, coolen Club gehen? Wie heißt er gleich... Janet?"
 

„Devils Garden."
 

„Okay," sagte Dawn gedehnt aber mit Zustimmung. Natürlich hätte sie auch ihr Handy benutzen und jemanden der beiden anrufen können. Aber so war es irgendwie... einfacher. Dann war da noch die U-Bahn.. aber vor ihr hatte sie Giles eindringlich gewarnt. „Ich kann ja von dort mal daheim anrufen und nachfragen." entschloss sie etwas unsicher.
 

„Kannst du." bekräftigte sie Steve. „'Underworld' war übrigens soooo cool." Steve bekam ein Leuchten in den Augen. „Die ganze Vampirjagd..."
 

„Und dazu gab's auch noch Werwölfe fast für umsonst."
 

„Na ich weiß nicht, diese Selene hatte doch nicht wirklich was drauf, außer gut auszusehen?" Gab Dawn zu bedenken. „Und die Vampire hat denen doch keiner für echt abgekauft. Völlig überdreht. Mit Pistolen... ha, selbst Blade hat besser gekämpft. Und auch er ist völliger Schwachsinn." Regte sich Dawn auf. Filmemacher machten es sich immer viel zu einfach.
 

Janet und Steve sahen Dawn skeptisch von der Seite her an. „Hey, dass war doch nur ein Film," beruhigte Steve. „Und er war gut."
 

Dawn spürte, dass die beiden misstrauisch wurden und rang sich ein Lächeln ab. „Ehm.. ja natürlich. Ich, ich.. steh nur auf Vampire und so. Und ehm... na ja, kenne mich etwas im Genre aus."
 

„Ach so," nickte Janet. „Mein Fall ist das weniger. Ich steh eher auf..."
 

„Schnulzen," himmelte Steve überdreht affektiert. „Das wissen wir." Janet boxte ihn in die Seite und Steve lachte. „Ist schon gut, jedem das Seine..."
 

„Oh oh.. ich glaube wir sind zu früh abgebogen," Janet blieb überrascht stehen und sah sich unsicher in der Seitenstrasse um. Es war hier dunkler als auf der Hauptstrasse und viel ruhiger. Nur vereinzelt waren Lichter hinter den Fensterscheiben zu sehen. Eine Katze schlich geduckt über die Strasse und verkroch sich unter einem parkenden Auto. Dawn glaubte, die erste Katze in der Großstadt seit ihrem Hier sein entdeckt zu haben.
 

„Scheint so. Lasst uns lieber umdrehen," Steve wandte sich als erstes herum und blieb schockiert stehen. Alarmiert von seinem plötzlichen Schweigen drehten sich Janet und Dawn langsam herum und erstarrten ebenfalls.

Eine kleine Gruppe finster dreinblickender Jugendlicher war hinter ihnen aufgetaucht. Janet drängte sich sofort schutzsuchend näher an Steve heran, dem die Angst einen Knoten im Magen formte. Dawn versuchte Ruhe zu bewahren. Auch wenn es hinter ihrer Stirn tobte, so wusste sie sehr wohl, dass Panik und Angst in einer solchen Situation keine Lösung darstellten. Sie taxierte einen nach dem anderen. In Dawns Augen wirkten die fünf zunächst wie eine kleine Straßengang, aber davon einmal abgesehen trug einer von ihnen ein schrecklich buntes Hemd aus den 80ern mit breitem Kragen. Dawn lächelte tatsächlich für eine Sekunde und zauberte einen verwirrten Ausdruck auf die Gesichter ihrer Angreifer - denn eines hatte sie im letzten Sommer von Buffy gelernt - auf alle Anzeichen zu achten, die ihr Hinweise auf längst Verstorbene gaben. Und der hier, war sicher schon über 20 Jahre nicht mehr lebendig gewesen. Seltsamerweise beruhigte sie die Tatsache, dass sie es mit Vampiren zu tun bekamen. Vielleicht aus dem einzigen Grund, weil sie nun wusste, was zu tun war.
 

Während Janet und Steve zurückwichen, blieb sie unbeirrt stehen. Zwar tobte es in ihrem Inneren, aber sie kämpfte die Angst erfolgreich nieder.
 

„Okay ihr drei. Ihr seid hier in unserem Revier. Wenn euch euer Leben lieb ist, rückt eure Knete raus und verschwindet wieder." Der Anführer trat nach vorne und blickte die drei Jugendlichen furchteinflössend an. Sein Haar war komplett abrasiert und eine wilde Tätowierung zierte das nackte Haupt.
 

„Ah... ansonsten was?" Steve schien sich auf einmal bewusst geworden zu sein, dass er als Mann unter den Damen sich so etwas wie ein Gesicht wahren musste und trat wieder neben Dawn.
 

„Haben wir genug, um euch davon zu überzeugen," plötzlich hatten die fünf Baseballschläger und Eisenketten in den Händen. Steve schluckte. Auch Dawn machte auf einmal einen Schritt nach hinten. Mit Waffengewalt hatte sie nicht wirklich gerechnet.
 

„Lasst uns von hier verschwinden." Flüsterte Janet hinter ihnen.
 

„Nicht mit eurem Geld." Der Anführer ließ den Baseballschläger gegen eine Mülltonne krachen. Janet schrie leise und erschrocken auf. Dawn sah kurz hinter sich. Die beiden waren noch viel zu nahe, um irgendetwas zu riskieren.
 

Steve fingerte an seinen Hosentaschen herum, doch Dawn legte ihm ruhig eine Hand auf den Arm. „Lass mal gut sein. Das übernehme ich. Du hast schon das Kino bezahlt." Sie lächelte ihn an und trat nach vorne.
 

„Ich schätze unser Geld ist nicht alles was ihr von uns wollt." Sie zog einen Pflock heraus und hielt ihn von Janet und Steve versteckt vor ihren Bauch. Sie hatte Mühe das Zittern ihrer Hand zu verbergen. Der Anführer zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Steve.. nimm Janet und geht schon einmal vor. Ich erledige das."
 

„Aber wir können nicht..."
 

„Geht.."
 

In diesem Moment vampirisierte die Gang und Janet stieß einen spitzen Schrei aus, während Steve schockiert zurücktaumelte. Doch es bedurfte keiner weiteren Aufforderung von Dawn.. sie rannten als wäre der Teufel leibhaftig hinter ihnen her.
 

„Okay.. jetzt haben wir also die Zeit und die Ruhe unsere Karten auf den Tisch zu legen." Sie umfasste den Pflock fest. „Nebenbei bemerkt habt ihr wahrscheinlich dafür gesorgt, dass ich nie wieder etwas von meinen neuen Freunden hören werde."
 

„Ein kleines Mädchen mit einem Pflock," höhnte der Anführer. „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass eine Jägerin in unsere Stadt gezogen ist."
 

„Ich bin auch keine Jägerin," gestand Dawn mutig ein. „Aber die kleine Schwester von einer Jägerin." Während sich die fünf darüber noch erstaunt und verwundert ansahen, sprang Dawn nach vorne, trat dem Anführer mit einem hoch gesetzten Kick gegen die Brust, drehte sich zur Seite, nutzte dabei den Schwung ihres eigenen Körpers aus, um mit voller Wucht, einem zweiten Vampir die Nase einzuschlagen. Sie landete sicher und erwartete, innerlich unruhig und doch ein wenig in Sorge über den Ausgang des Kampfes, den heranstürmenden dritten Vampir, der den Mut fand sie anzugreifen. Er schwang seinen Baseballschläger nach ihr, doch Dawn wich elegant zur Seite aus, nutzte diesmal den Schwung des Gegners, um ihn mit einem kaum anstrengenden Schups gegen das Schulterblatt zum Taumeln zu bringen. Sie sprang sofort nach und kickte dem unsicher stehenden Vampir das Bein unter dem Körper weg.
 

Als er zu Boden ging, war sie bereits hinter ihm und jagte dem Monster ihren Pflock durch den Rücken in das tote Herz. Er starrte einen Moment ins Leere, begriff langsam was mit ihm geschehen war und während er noch nach hinten zu greifen versuchte, um den Pflock zu packen, zerfiel er zu Staub. Dawn jubelte innerlich über den Sieg auf. Allerdings wirbelte sie sofort herum. Noch hatte sie vier Angreifer vor sich. Und sie war zwar durch den kleinen Sieg gerade eben ein wenig beflügelt, aber sie wusste auch, dass vier Vampire gegen sie alleine vier zu viel waren. Sie hatte nur dafür gesorgt, dass ihre Freunde sicher aus dieser Situation entkamen. Sie selbst steckte nun bis über beide Ohren im Schlamassel.
 

Der Anführer ließ seine Eisenkette über seinen Kopf schwingen und schlug damit nach Dawn, die gerade noch so nach hinten springen konnte, nur um überrascht festzustellen, dass einer der Gangmitglieder die Ablenkung genutzt hatte, um hinter ihr aufzutauchen. Er packte sie fest um die Oberarme und knurrte: „Ich hab die Süße."

Dawn war durch diese Aktion aus ihrem Konzept gebracht und sie beantwortete sehr zum Gefallen der Vampire ihre auswegslose Situation mit einem überraschten Aufschrei. Dann versuchte sie sich darauf zu konzentrieren, was sie sich im letzten halben Jahr während dem Training der ganzen Jägerinnen in der Ausbildung von Buffy, Faith und den anderen abgeschaut hatte. Sie holte Luft...
 

„Aber nicht lange," sagte sie gefestigt und bestimmt, auch wenn der leicht panische Blick in ihren Augen blieb. Sie musste einfach ein wenig besser aufpassen. Sie sollte sich nicht überschätzen. Dawn bäumte sich in seinem Griff auf, zog ihre Beine hoch und winkelte sie an ihrem Körper an, um sie wie ein Geschoss auf einen der heraneilenden Vampire ins Gesicht zu rammen, der Gott sei Dank dadurch zurückfiel. Vom Schwung und dem Gegendruck musste sie der Vampir frei lassen und Dawn ließ sich auf die Knie fallen, duckte sich sofort, um einem heranrauschenden Baseballschläger auszuweichen, kickte dem dazugehörigen Vampir gegen das Knie und brachte ihn wimmernd zu Boden. Dawn jagte ihn von unten den Pflock in die Brust. Staub rieselte auf sie nieder. Erleichtert seufzte sie auf.
 

„So.. wer hat also noch nicht genug?" Keuchte sie nach der Anstrengung und schwankte ein wenig, als sie wieder aufstand. Sie hatte sich eindeutig verausgabt.
 

Im Hintergrund waren Scheinwerfer zu sehen und das Geräusch eines Motors kam näher. Doch im Kampfrausch bemerkten es weder Dawn noch die übrigen drei Vampire. Sie stürzten sich auf einmal gleichzeitig auf Dawn und änderten dadurch ihre Taktik. Offensichtlich hatten sie Dawn als ernstzunehmenden Gegner akzeptiert.
 

Sie stemmte ihre Füße fest gegen den Boden, verlagerte ihr Gleichgewicht auf das Zentrum ihres Körpers und erwartete den Aufprall. Zeit um Angst zu empfinden blieb ihr nicht - eine Sekunde später fühlte Dawn nämlich schon den Asphalt unter ihrem Rücken und wurde vom Gewicht der Untoten fast erdrückt.
 

„Ich bin als erstes dran," gab der Anführer zu bedenken und riss die beiden von Dawn weg. Dawn begann in blinder Wut und Panik um sich zuschlagen. Hätte sie nur auf Giles oder Willow gewartet. Oder einfach ihr dämliches Handy benutzt. Sie wollte nicht sterben, nur weil sie geglaubt hatte, genug gelernt zu haben, um es selbst einzusetzen. Doch der Widerstand kam zu spät - sie befand sich im Würgegriff des Anführers. „Du bist verdammt mutig, Kleines. Wie ist dein Name?"
 

„Geht -- dich -- nichts -- an," keuchte Dawn und musste erstaunt mit ansehen, wie nach einem leisen Surren in der Luft der Vampir über ihr zu Staub zerfiel. Die Panik wich ein wenig dem Gefühl der Überraschung. Sie hustete, als sie Asche einatmete und wurde von einer starken Hand in die Höhe gezogen. Ein Bolzen fiel mit einem leisen „Plop" von ihr zu Boden.
 

„Giles?" Sie sah fassungslos von Giles zu Willow, die beide mit Armbrüsten bewaffnet in der Seitenstrasse standen und gerade nachluden. Dawns Gesicht verriet Unsicherheit, aber auch Erleichterung. Aber auch das Gefühl der Panik stellte sich sofort wieder ein. Jetzt galt es nämlich den Vorwürfen entgegen zu treten.
 

„Der eine ist uns entwischt," informierte Willow, ehe Giles etwas sagen konnte und schulterte lässig ihre Armbrust.
 

„Was hast du dir nur dabei gedacht?" Murmelte Giles, während er sich nach seinem Armbrustbolzen bückte und ihn einsteckte.
 

„Ich hatte keine andere Wahl. Sie haben Janet, Steve und mich überrascht..."
 

„Ich meinte eher damit, wieso du nicht vor dem Kino gewartet hast? Wir sind nur ein paar Minuten später gekommen als ausgemacht." Giles sah Dawn fest, aber ausdruckslos an. „London hat zwar keinen Höllenschlund, aber ungefährlich ist es hier auch nicht gerade."
 

„Oh.. ja.. eh...", Dawn machte ein betretenes Gesicht.
 

„Lassen Sie es gut sein Giles. Ist ja nichts passiert," lenkte Willow ruhig ein und erntete dafür einen kurzen, vielsagenden Blick von Giles, der wortlos voran zurück zum Auto ging.
 

„Er kann einem aber auch jeden Spaß vermiesen," knurrte Dawn während sie ihm mit Willow folgte. Auch wenn sie wusste, dass er mehr als recht hatte.
 

„Hey.. bring ein wenig Verständnis auf. Den Rat neu aufzubauen ist nicht gerade ein Urlaubstrip nach Hawaii. Und nebenbei.. er hat Buffy versprochen auf dich aufzupassen."
 

„Sie streiten wohl noch immer?"
 

„Die Wächter? Und wie. Aber zum größten Teil ist es zum einschlafen. Bürokratie."
 

Dawn seufzte. „Ich wünschte Buffy käme endlich zurück...
 

+++
 

China, Xian, Tempelanlage

Der Tempel lag ruhig inmitten eines großen Bergsees da und ließ sein Gemäuer von den Sonnenstrahlen aufwärmen. Kein Lüftchen brachte die Wasseroberfläche in Unruhe oder ließ die Bäume in Bewegung erzittern, die sich spärlich um das Hauptgebäude schmiegten. Der schmale Zugang, eine Steinbrücke, wirkte ein wenig baufällig und wenig vertrauenserweckend. Auf der sandigen und steinigen Straßenpiste schien schon lange niemand gefahren zu sein und über dem weit hinausragenden Steinplateau lag die unbarmherzige Mittagsonne.
 

Eine Hand ragte plötzlich über dem Steinplateau auf, gefolgt von einem blonden Haarschopf, der zum Pferdeschwanz gebunden war. Kurz darauf schob sich ein vor Anstrengung rotes Gesicht über den Rand - keuchend und ächzend zog sich Buffy vollends in die Höhe und rollte sich über die Schulter Richtung festen Boden ab. Ihren schweren Rucksack zog sie dabei mit sich und ließ ihn achtlos fallen.

Für einen Moment blieb sie mit geschlossenen Augen in der schwülen Luft auf dem Rücken liegen und beruhigte ihre Atmung. Buffy lauschte in sich hinein, hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, glaubte jeden Muskel einzeln zu fühlen und das Ziehen und Brennen an ihren Händen wollte gar nicht mehr aufhören.

Als die Jägerin die Augen wieder öffnete, strahlte ihr die drückende Mittagshitze unbarmherzig ins Gesicht und sie blinzelte. Noch immer etwas außer Atem stand sie auf, klopfte sich Erde, Dreck und Staub aus der oliv farbigen Hose, öffnete ihre Windjacke und zog sie sich aus. Die kaum eintretende Abkühlung tat ungemein gut und Buffy konnte sich endlich auf ihre Umgebung konzentrieren. Ihr Blick wanderte über die Außenanlage des Klosters und blieb fasziniert, aber auch schockiert an der Bushaltestelle vor der Steinbrücke hängen.
 

„Es gab eine Busverbindung?" Sie kramte in ihrem Rucksack und zog ein Wörterbuch hervor. Aufgeregt blätterte Buffy darin herum. „HA... das hat man davon, wenn man vorzeitig vom College abgeht...", die blonde , junge Frau schüttelte den Kopf über sich. „Da hätte ich mir den dreistündigen Aufstieg ersparen können, wenn ich diese dämlichen Schriftzeichen auseinander halten könnte. Willow wo bist du, wenn ich mal deinen klugen Kopf brauche? Na wenigstens hat es mich fit gehalten." Sie ging mit dem Buch in der Hand auf das Kloster zu und warf es mit einem kurzen, hilflosen Blick in den Mülleimer an der Bushaltestelle.
 

Über die Brücke schritt Buffy schließlich durch das Tor und betrat die Innenanlage des Klosters. Es war an sich eine kleinere Anlage als die großen Prachttempel in den Städten, aber deswegen nicht minder beeindruckend. Eine unglaubliche, beruhigende Stille umgab sie. Und der einmalige Ausblick auf die ganze Pracht des Klosters entschädigte sie für das anstrengende Missverständnis.
 

„Wow...", ehrfurchtsvoll ging Buffy die wenigen Stufen nach unten, die sie in einen quadratischen, kleinen Hof führte. Von allen Seiten führten Treppen in einen anderen Bereich des Klosters. In der Mitte stand ein Baum und eine spärliche Gartenanlage zeugte davon, dass hier hin und wieder noch jemand vorbei kam, der sich um das alte Kloster kümmerte. Buffy wandte sich der Treppe zu, die sie zum Hauptgebäude führte. Ihr Blick streifte die Ornamente, die Drachenköpfe und Abbildungen von Menschen sowie die goldverzierten Säulen. Reliefe schmückten die Wand um den Eingang zum Tempelinneren und Buffy zückte eine Kamera. „Eins für Xander," sie drehte sich zum Eingang. „Eines für Andrew...", sie machte noch ein paar weitere Aufnahmen, ehe sie mit gebührenden Respekt den Tempel betrat. Hinter ihr war in der Ferne der Lärm eines herannahenden Dieselfahrzeuges zu hören. Doch von Buffys Position aus war der Reisebus nicht zu sehen, der über die Steinpiste herangerumpelt kam.
 

Das Innere war fast noch ein wenig beeindruckender als die Außenanlage und Buffy blieb am Eingang stehen, um die Pracht zu erfassen. Sie hatte mit etwas schlichterem gerechnet, wurde aber von den vielen Statuen geblendet, die alle aus Gold zu bestehen schienen. Die Säulen waren auch im Inneren rot und mit ausgiebigen Ornamenten geschmückt. Ein orientalischer Duft hing in der Luft und Buffy brauchte einen Moment um ihn einzuordnen. Dann erkannte sie darin den Duft von Willows Räucherstäbchen, die sie manchmal benutzte, wenn sie gezaubert hatte.
 

Als sie vor der gigantischen, goldenen Buddha-Figur stand, hörte sie von draußen Stimmen, die sich ihr näherten. Keine Sekunde später hörte Buffy die ersten Schritte über den Boden eilen und Stimmengewirr, das sich ohne Sinn für die Ruhe des Klosters darüber unterhielt, ob dieser Tempel überhaupt bedeutend war, wo man am Abend essen gehen könnte, ob jemand vielleicht sogar einen McDonalds gesehen hätte - Buffy seufzte und zog sich etwas zurück. Mit einem Ohr jedoch lauschte sie dem Reiseführerleiter, der seine Gruppe zusammenrief und mit der Führung begann. Es war ein gutaussehender, sportlicher Typ und Buffy ertappte sich dabei, wie sie ihm auf einmal mehr Interesse zollte, als dem Tempelinneren.
 

„ ... und hier sehen sie den Grund für die Errichtung dieses Tempels. Die früheren Dorfbewohner am Fuße des Berges hatten vor über mehr als tausend Jahren Angst vor einem Dämon. Sie befürchteten, wenn sie ihn nicht besänftigen würden, würde er ihre Ernte verderben, das Trinkwasser versiegen lassen und Unwetter über sie bringen. Zu der damaligen Zeit waren solche abergläubische Visionen nichts ungewöhnliches. Ein paar schlaue Mönche errichteten diesen Tempel und die Dorfbewohner brachten Opfer da. Meist Nahrung, manch reicher Bauer brachte sogar ein ganzes Schlachttier her. Natürlich labten sich die Mönche daran und schoben es dem Dämon zu. Tragischerweise wurde das Dorf dann doch von einer Unwetterwelle, einer wahren Sintflut heimgesucht. Sie trieben in ihrer Wut die Mönche aus ihrem Land davon. Aber niemand wagte sich, den Tempel niederzureißen. Der Dämon schien noch immer in ihren Köpfen zu sein..."
 

Als die Gruppe weiter ging, verließ Buffy ihren Lauschposten, um sich die Statue selbst anzusehen. Sie hatte lächeln müssen, als der Mann das Wort „Aberglaube" in den Mund genommen hatte und als er einen Dämon erwähnte, war ihr ein wenig kühl geworden - wenn er gewusst hätte, wie viele Schattenwesen tatsächlich real waren...
 

Sie seufzte, als sie die Statue erreichte und sie näher betrachtete. Etwas an ihr ließ Buffy mit Gewissheit annehmen, dass der Dämon tatsächlich existiert hatte. Vielleicht hauste er noch immer in diesen Gemäuern? Sie sah sich vorsichtig um. Die Reisegruppe verschwand gerade in einem Nebenraum, aber sie hatte nicht das Gefühl von einer bösen Existenz beobachtet zu werden oder mit ihr alleine im Raum zu sein. Sie schüttelte über sich den Kopf. Sie war hier, um endlich einmal auszuspannen und was tat sie? Vermutete wir früher hinter jeder Ecke das Böse.
 

Trotzdem konnte sich Buffy nicht von der Statue losreißen. Vorsichtig tastete sie einem Impuls folgend über die Statue. Fast ein wenig verspielt, fast nostalgisch. Die wirre Fratze des Mannes erinnerte sie stark an die chinesischen Masken, die sie in Hongkong auf dem Markt gesehen hatte. Schon dort hatte sie sie als furchteinflössend empfunden. Der Dämon selbst saß auf einem gewaltigen Schlachtross und über seinem Haupt schwang er ein breites Schwert. Buffy fiel ein Zeichen auf, das auf der Stirn des Dämons etwas hervorgehoben dargestellt war. Sie tippte es leicht an, als würde sie sich überlegen, was es bedeutete und würde die Antwort durch eine Berührung bekommen. Mit einer kleinen Verzögerung war auf einmal ein leises „Klick" zu hören. Eine Sekunde später öffnete sich hinter der Statue die Wand...
 

„Ups... also.. eh.. das .. wollte ich nicht... war ich das jetzt," stammelte Buffy für den Fall, dass die Reisegruppe etwas mitbekommen haben sollte. Aber da niemand herbeigeeilt kam, niemand der sie zurecht wies, niemand der sie davon abhielt, durch die geöffnete Türe zu gehen, zuckte sie mit den Schultern, als würde ihr so etwas täglich passieren. „Ich kann nicht einmal vernünftig Urlaub machen." Seufzte Buffy und schritt durch die Türe. Vor ihr lag eine Treppe, die nach unten führte. Öllampen hingen an der Wand und erhellten den Gang. „Offensichtlich lebt hier noch etwas," flüsterte sie und bedauerte ohne ihre Waffen auf diesen Trip gegangen zu sein. Langsam folgte sie der Treppe nach unten.
 

Ein paar Schritte später hörte sie hinter sich die Türe wieder zufallen. Unsicher blieb sie stehen, entschied sich dann doch für den mutigen Weitermarsch nach unten. Es blieb weiterhin still um sie und ihre anfängliche Neugier wich dem Gefühl von Gefahr und riet ihr aufzupassen.
 

Als sie die letzte Stufe erreicht hatte, lag vor ihr ein mittelgroßer Raum. Auch er wurde von Öllampen erhellt. An den Wänden befanden sich Bilder, recht abstrakt und direkt auf den grauen Stein gemalt. In der Mitte des Raumes entdeckten Buffys Augen ein kreisrundes Mosaik. Mehr gab es in dem Raum nicht zu sehen. Außer drei offenen Türen, die von dem Raum wegführten.
 

Vorsichtig näherte sich Buffy dem Mosaik und versuchte in dem Muster etwas zu erkennen.
 

Hinter ihr huschte ein dunkler Schatten vorbei.
 

Buffy wirbelte herum, doch sie entdeckte nichts. Sie runzelte die Stirn, aber da alles ruhig blieb, wandte sie sich wieder dem Mosaik zu. Mit viel Fantasie erkannte sie darin verschlungene Körper von Pferden, Schwerter, die hervorragten und vier Gestalten, die mit einander zu kämpfen schienen. Buffy verließ den Platz und begab sich zu einem der Gemälde an den Wänden. Doch die Darstellung war mehr als abstrakt und Buffy konnte nicht wirklich etwas darin erkennen. Unter jedem Bild schien eine Erklärung zu stehen - alles in chinesischen Schriftzeichen und Buffy versuchte nicht einmal zu erraten, was es bedeuten konnte.
 

Von irgendwoher erklang ein entferntes Scheppern. Diesmal fuhr Buffy eine Spur schneller herum. Wieder sah sie nichts.
 

Unentschlossen stand sie da uns starrte zu den Türen. Sollte sie weiter nachsehen gehen, was dieses Geheimnis zu bedeuten hatte? Oder lieber wieder zurück zur Treppe gehen und versuchen aus dem Geheimgang zu entkommen? Sie machte ein zwei Schritte auf die Türe zu ihrer rechten Seite zu und spürte erneut einen Windhauch hinter sich. Sie wirbelte herum. Wieder nichts.
 

„Okay.. hören wir auf mit diesem Versteckspiel. Ich habe nicht wirklich Lust darauf bis 100 zu zählen, um euch dann zu suchen." Sie war dabei in die Mitte, auf das Mosaik, getreten. Sie musste nicht lange warten - in jeder der drei Türen erschien eine schwarz vermummte Gestalt. Buffy zog wenig überrascht eine Augenbraue in die Höhe. „Ich schätze.. die Ninja-Turtles scheiden aus?"
 

Als wären ihre Worte genug Anlass gewesen, stürzten sich die drei ohne ein Wort zu sagen auf Buffy. Sie hatte damit gerechnet, trat etwas zurück um Distanz zu schaffen, ließ ihren Oberkörper nach links fallen, um dem Wurfstern des rechten Angreifers auszuweichen, boxte dem mittleren dabei ihre Faust hart in den Magen und rollte sich unter dem Samurai-Schwert des dritten aus der Reichweiter ihrer Angreifer.
 

„Ich möchte mal wissen, wieso es euch nie einzeln geben kann," sie blockte dabei mit dem rechten Unterarm eine Faustkombination ab, trat seitlich Schwung holend nach dem Samurai-Schwert und wurde von einem Wurfstern an der Schulter gestreift. „Au... das hat weh getan!" Sie starrte auf die Schulter. Der Träger ihres Tops klappte in diesem Augenblick lose und traurig nach unten und Buffys Blick wurde nun wirklich wütend. „Hey.. weißt du was das Teil gekostet hat?"
 

Offensichtlich hatten die drei nicht mit jemanden gerechnet, der ihren Angriff abwehrte und dabei noch so viele Worte von sich gab, denn sie sammelten sich in der Mitte des Raumes, statt erneut anzugreifen. Sie sahen sich untereinander an und Buffy verdrehte die Augen.
 

„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit... könnten wir das gefälligst schnell erledigen?"
 

Die drei sprangen mit einem lauten „Kia" auf sie zu und versuchten sie einzukreisen. Buffy verfolgte sie mit den Augen und bewegte sich langsam mit ihnen mit. Das sie nicht zu unterschätzen waren, hatte ihr der Treffer mit dem Wurfstern gezeigt, aber sicher waren sie nichts im Vergleich zu ihren letzten Kämpfen in Sunnydale.
 

Der Ninja mit dem Schwert wagte den ersten Ausfallschritt auf sie zu. Buffy musste zur Seite schwingen, um nicht getroffen zu werfen. Der Kämpfer wurde durch seinen eigenen Schwung und dem Stich ins Leere nach vorne gerissen. Buffy nutzte den Moment aus und trat ihm heftig gegen das Handgelenk. Mit einem lauten, wütenden Schrei musste er das Schwert fallen lassen und fühlte dabei Buffys Fuß im Rücken. Der Tritt schleuderte ihn gegen die Wand. Er fiel mit dem Gesicht gegen eine Öllampe, die durch die Wucht aus der Verankerung gerissen wurde und scheppernd zu Boden fiel. Der Ninja selbst glitt an der Mauer nach unten und blieb regungslos liegen, während sich Buffy schnell nach dem Schwert bückte.
 

Keine Sekunde zu spät, wie sie feststellen musste, als sie sich wieder aufrichtete - Wurfsterne näherten sich ihrem Kopf. Mit der Klinge konnte sie geschickt die schnell hintereinander auf sie abgeworfenen Wurfsterne abwehren. Dankbar dachte sie an Giles Wurfmesserübungen, die sie nie ganz ernst genommen hatte. Aber wie sie sich gerade selbst davon überzeugen konnte... irgendwann konnte man alles gebrauchen.
 

Dem Angreifer schienen schließlich die Waffen auszugehen, denn er sprang auf einmal auf sie zu und versuchte sie mit einem im Flug vorgestreckten Bein am Kopf zu treffen. Buffy wirbelte zur Seite und ließ ihn ins Leere springen. Der übrig gebliebene Ninja gab ihr keine Zeit zum Verschnaufen, sondern versuchte ihr das Schwert aus der Hand zu entwenden. Buffy hatte alle Mühe ihn sich vom Leib zu halten, während hinter ihr der zu Boden gegangene Ninja wieder auf die Beine kam. Buffy gelang es durch die Deckung ihres Gegners zu brechen und schlug ihm den Griff des Schwertes auf die vermummte Nase. Ein Knirschen und ein dumpfer Schrei ließen einen Bruch erahnen. Buffys Gesicht verzog sich zu einer triumphierenden Miene, hielt sich aber nicht lange damit auf, sich davon selbst zu überzeugen, sondern warf das Schwert zur Seite, packte den Ninja an den Schultern und riss ihn mit sich. Sie benutzte ihn als lebende Waffe, gegen den heraneilenden Ninja, der erneut zu Boden ging, als er gegen den Mitstreiter prallte. Buffy ließ ihre „Beute" los, die daraufhin in einem der abgehenden Gänge landete. Im selben Augenblick fühlte sie sich von hinten an den Schultern gepackt. Anscheinend war der Aufprall nicht stark genug gewesen. Buffy versuchte sich um ihre Achse zu drehen, um damit den Griff zu sprengen, was ihr auch gelang. Der Angreifer fiel zurück. Buffy spannte ihre Muskeln, ließ ihren Arm mit offener Hand nach vorne schnellen und traf den Ninja so mit der gespannten Fläche der unteren offenen Hand. Genau auf den Solarplexus. Noch während er nach Luft schnappte, ging er zu Boden.
 

Buffy atmete kurz durch und fuhr herum. Sie hatte zwei ausgeschaltet und der dritte tauchte gerade wieder aus dem Gang auf, in dem sie ihn hineinkatapultiert hatte. Er sah entschlossen aus... Er griff erneut wortlos an und Buffy wich nach hinten aus, während sie beide Hände voll damit zu tun hatte, die wütenden, aggressiven Beintechniken abzuwehren. Etwas außer Atem stieß sie gegen die Mauer. Sie wagte kurz nach rechts und links zu blicken und sah die Türen. Sie sprang zur Seite. Der letzte Fußtritt ihres Angreifers krachte gegen die Seinmauer. Stein bröckelte ab. Buffy fühlte hinter sich wieder genug Raum, um den Kampf zu ihren Gunsten zu bestimmen. Dem Gang selbst zollte sie keine Aufmerksamkeit.
 

Der Ninja tauchte in der Öffnung auf und sie blickten sich einen Moment stumm an. Buffy spannte erneut ihre Muskeln und erwartete den Angriff, doch er blieb zu ihrer Überraschung aus. Der Ninja nickte ihr auf einmal zu und verschwand.
 

„Hey.. warte.. wir waren noch nicht fertig," sie eilte zum Durchgang, aber er war verschwunden. Allerdings hatte er seine bewusstlosen Kameraden zurück gelassen. „Was war das jetzt?" Erschöpft und verwirrt blickte Buffy durch den Raum und ließ ihren Blick über die reglosen Körper ihrer Ninja-Gegner schweifen.
 

„Nie hat man seine verdammte Ruhe vor euch," seufzte sie und jegliche Lust auf weitere Expeditionen war verflogen. Sie drehte einen der Körper auf den Rücken und zog ihm die Maske vom Kopf. Wären nicht seltsame grüne und lila farbige Tätowierungen an den Schläfen gewesen und eine leicht verformte Nase mit kiemenähnlichem Aufsatz auf dem Nasenrücken, hätte Buffy den fast gelbhäutigen Mann mit den schmalen Augen für einen Asiaten gehalten.
 

„Dämonische Ninjas...hey da lag ich mit Michelangelo, Donatello und Raphael gar nicht so falsch... und wo habt ihr Leonardo gelassen?" Sie grinste. „Wobei... wenn nicht einmal mehr die hiesigen Dämonen wissen, dass Ninjas eigentlich nach Japan gehören, woher sollen das dann die Filmmacher wissen..."
 

„Was suchen Sie hier unten?" Die Stimme drang plötzlich schneidend und kalt zu ihr von der Treppe herunter. Sie wich schnell von dem Körper zu ihren Füssen zurück und stellte sich vor ihn, um ihn zu verbergen. Sie lächelte, als sie auf die Treppe zukam und den Reiseführer erkannte.
 

„Oh Gott sei Dank. Ich habe mich hier unten schon eines grausamen Todes sterben sehen. Und ich sollte mich in Zukunft selbst daran erinnern meine Finger von Statuen zu lassen. Haben Sie gewusst, wie statistisch hoch die Chancen stehen durch so etwas einen Mechanismus zu einem Geheimgang auszulösen? Nein? Eins zu eintausend." Dabei war Buffy bei dem Mann an der Treppe angelangt, packte ihn überschwänglich am Arm und zog ihn nach oben mit sich, ehe er sich genauer umsehen konnte. „Gut, dass Sie mich gefunden haben," versicherte Buffy erneut, als sie durch den offenen Geheimgang traten und die neugierigen Augen der Reisegruppe sich auf sie richteten. Sie blickte verlegen, fast schüchtern alle an und wunderte sich im Stillen darüber, wie der Reiseleiter den Mechanismus und sie gefunden hatte. Aber Zeit zu fragen blieb ihr nicht, denn eine Glocke läutete melodisch hoch durch den ganzen Raum.
 

„Die Gebetsstunde. Das Kloster schließt in ein paar Minuten," erklärte der Reiseleiter und die Gruppe bewegte sich geschlossen ohne Fragen zum Ausgang.
 

„Ich dachte das Kloster steht leer?" Buffy trottete noch etwas vom Kampf ermüdet hinterher und war jedoch ganz interessiert. Was den Reiseleiter offensichtlich etwas nervte, so ungehalten und kurz angebunden, wie er ihr antwortete.
 

„Einige Gläubige kommen noch immer her."
 

„Aber... und dieser Gang?"
 

"Das geheime Versteck der Gründer dieses Klosters. Dort unten haben sie ihr freizügiges und zügelloses Leben geführt."
 

„Oh..", Buffy klang enttäuscht. Sie hatte eine mystische, unheimliche Geschichte erwartet. Aber diese Variante war so gewöhnlich. Sie erklärte nicht die Ninjas oder die angezündeten Öllampen. Buffy fiel ein wenig nach hinten und sah über die Schulter zum Hauptgebäude. Auf einmal hatte es für Buffy jeden idyllischen Reiz, jede Friedfertigkeit verloren. Also auch hier gab es die Dunkelheit mit seinen Schattenwesen, gegen die sie seit sieben, fast acht Jahren, angekämpft hatte. Einen weiteren Gedanken verschwendete sie aber nicht mehr darüber. Angreifer, Kämpfer, Monster.. waren so alltäglich für Buffy geworden, dass der Zwischenfall sie nicht weiter besorgte.
 

„Sie sind verletzt," lenkte sie schließlich auch der Reiseleiter ab.
 

„Oh, das ist nichts schlimmes. Ich bin von der Treppe abgerutscht," log sie mit einem breiten Lächeln und fiel ein paar Schritte zurück, während sie über die Stufen nach unten in den Hof ging. Die Reisegruppe strömte bereits durch das Tor wieder zur Brücke. Der Reiseleiter zollte ihr bereits auch keine Aufmerksamkeit mehr und sie hatte Zeit sich ihre Wunde selbst näher zu betrachten. Sie war nicht tief und hatte längst zu bluten aufgehört. Das zerstörte Top ärgerte sie mehr. Um die Wunde zu verbergen zog sie sich ihre Windjacke wieder über. Kurz dachte Buffy dabei darüber nach, den Reiseleiter um eine Mitfahrgelegenheit zu bitten, als sich ein panischer Blick auf ihr Gesicht schlich.
 

„Oh Gott... das hätte ich jetzt fast vergessen," sie kramte in ihrem Rucksack herum bis sie fand was sie suchte - ihr Handy. Die Tasten spielten eine leise piepsige Melodie, während sie wählte. Buffy ging der Gruppe weiter hinterher, während sie auf das Freizeichen wartete.
 

+++
 

Cleveland. Eine dunkle Wohnung...

Der Fernseher lief laut, als Kennedy die Türe vorsichtig zur dunklen Wohnung öffnete. Kein Wunder, hatte man ihr Klopfen nicht gehört. Das flackernde Licht des Fernsehers hüllte den schmalen Vorplatz in ein unheimliches Licht und Kennedy ging vorsichtig, auf alles mögliche vorbereitet weiter. Schließlich war sie eine Jägerin und meistens war einer der Jungs laut zu hören, ob es dabei um Diskussionen über Robins Funktion bei Batman ging oder welcher Superheld der bessere war. Völlige Stille gab es nie. Kennedy erreichte den Durchgang zum Wohnzimmer und hörte erleichtert Andrews und Xanders Stimmen. Allerdings sah sie die beiden nicht. Nicht auf dem alten Sofa vor dem Fernseher, noch in einem der alten Sessel. Sie blieb stehen, um die Lage zu sondieren.
 

„Okay, gib schon her." Andrew klang angespannt.
 

„Ich kann das auch ohne deine Hilfe überziehen. Wenn ich dir dabei zusehe, tut mir das ja schon fast selber weh," nörgelte Xander.
 

„Machs doch besser."
 

„Ich kann es besser!"
 

„Beweis es mir."
 

„Gib das Ding schon wieder her... okay vorsichtig aus der Verpackung nehmen, damit es nicht beschädigt wird... ah ist das steif."
 

„Siehst du...", triumphierte Andrews Stimme.
 

Kennedy ging mit gerunzelter Stirn weiter in den Raum hinein. Auf dem Fernseher flimmerte eine Wiederholung der Batman Cartoons.
 

„Warte doch.. ich hab's ja gleich... so... jetzt kannst du es reinstecken. Mach schon... ich kann es kaum noch erwarten. Sei nicht so zimperlich, Andrew."
 

Kennedy ließ mit einem entsetzen Gesichtsausdruck den Lichtschalter nach oben springen und erhellte das Zimmer. Von den beiden sah sie aber noch immer keine Spur, außer drei große Packungen Cornflakes, die auf dem Couchtisch standen. Eine schien leer zu sein, während in den anderen noch vollen Kartons herumgewühlt worden war - jedenfalls zeugten davon die verstreuten Cornflakes auf dem Tisch.

Fast zeitgleich mit ihrem Blick zur Couch sprangen Andrew und Xander vom Boden hinter dem Sofa auf, eine Decke rutschte von ihnen ab und sie starrten Kennedy erschrocken an. Xander mit seinem gesunden unverdeckten Auge und Andrew mit seiner leicht wirren, verwuschelten Frisur, sahen aus wie zwei ertappte Schuljungs. Irgendwie waren sie ja doch süß, dachte Kennedy und schüttelte dann den Kopf.
 

„Ich will es gar nicht wissen," wehrte sie einen Erklärungsversuch ab.
 

Xander hielt mit einem verlegenen Lächeln einen grünen Plastikrumpf eines Dinosauriers in die Höhe und Andrew den langen Schweif, den die beiden wohl versucht hatten anzubringen.
 

„Kinder," verdrehte Kennedy die Augen, wirkte aber ein wenig erleichtert über die doch so simple Auflösung dessen, was sie gehört hatte. „Manchmal denke ich, dir ist die Narkose bei der Augenoperation zu Kopf gestiegen." Sie ließ sich in einen der Sessel fallen. „Wieso trägst du noch immer die Augenklappe?"
 

„Na ja .. du solltest mal sehen, wie das die Frauen anzieht. Jede will wissen, was passiert ist und will die Krankenschwester spielen," grinste Xander und legte den Rumpf ab. „Aber ich werde wohl bevor Giles und die anderen eintrudeln mich davon trennen. Das Glasauge wurde lang genug in Dunkelheit gehüllt."
 

Das Telefon läutete auf einmal. Die drei sahen sich abwechselnd an. Das Läuten schrillte weiter und übertönte kaum den Fernseher Andrew und Xander stürzten sich zeitgleich auf den Apparat neben der Eingangstüre zu.
 

„Ich bin dran."
 

„Nein ich bin dran."
 

„Der letzte Anruf war aber für dich, der zählt nicht."
 

„Wieso? Giles hat auch mit dir geredet."
 

„Er hat gesagt 'Andrew verschwinde aus der Leitung und gib mir Xander.' Das zählt nicht."
 

„Jawohl zählt das. Harris?"
 

Kennedy seufzte. Offensichtlich hatte Xander gewonnen, denn Andrew kam mit einem enttäuschten, fast weinerlichen Blick im Gesicht zurück und warf sich auf das Sofa.
 

„Immer gewinnt er," er gab dem Couchtisch einen leichten Tritt und beförderte damit eine der Packungen zu Boden. Gott sei Dank war sie leer gewesen.
 

+++
 

China

„Xander? Ich bin's Buffy. Ich versteh dich schlecht. Liegt wohl an der Höhe hier." Sie hatte den Bus erreicht. „Wie geht's so? Was machen die anderen?"
 

Cleveland

„Hey Buffy... was für eine Überraschung. Alles in Ordnung soweit. Giles, Willow und Dawn kommen in den nächsten Tagen zurück. Kennedy und ich machen Fortschritte beim Training. Also das heißt, ich fliege nicht mehr so oft gegen die Wand oder geh zu Boden. Und Andrew.. na ja... du kennst ja Andrew " Er warf einen grinsenden Blick zurück ins Wohnzimmer. „Wir streiten noch immer über den Putzplan und auch das Einkaufen klappt noch nicht so recht, aber es war die einzigste, finanziell schlauste Idee, die er hatte. Was macht dein Selbstfindungstrip?"
 

China

„Du sollst das nicht so nennen, Xander. Ich ruh mich nur etwas aus und gönne mir Urlaub. Weil du Andrew gerade erwähnst... richte ihm doch bitte aus, dass einem hier keine roten, gelben und blauen Ninjas überfallen. Und ein sexy Dudikoff kommt einem auch nicht zur Hilfe, wenn man ihn bräuchte. Habt ihr was von Faith gehört?"
 

Cleveland

„Eh Faith... ja... sie hat sich mal vor ein paar Wochen gemeldet. Scheint viel Spaß zu haben mit den anderen Mädels."
 

China

„Schön. Dann sehen wir uns wohl in ein paar Wochen wieder. Australien wartet noch auf mich. Ich muss mich unbedingt davon überzeugen gehen, ob die Schnabeltiere wirklich so hässlich sind, wie behauptet wird." Buffy suchte nach dem Reiseleiter. „Richte Grüße an alle aus." Sie schaltete aus und entdeckte den Mann im Bus, wie er gerade durchzählte. Sie stieg ein. „Uhm.. Entschuldigung.. könnten Sie mich vielleicht mitnehmen..."
 

+++
 

Cleveland

„Alles klar Buff," doch da hatte Buffy schon aufgelegt und Xander ließ den Hörer auf die Gabel fallen. Er kehrte zu den beiden ins Wohnzimmer zurück. „Das war Buffy. Ihr geht's gut. Schöne Grüße an alle und keine American Ninjas," er sah zu Andrew, während Kennedy die Stirn runzelte. Andrew sah enttäuscht aus, stand dann aber auf und verschwand in der Küche. Er kam sofort wieder zurück mit einer neuen Packung Cornflakes.
 

„Das ist unsere letzte.. wollen wir nach dem nächsten Teil suchen?"
 

Xander sah Kennedy entschuldigend an. „Aber dann ist Schluss für heute."
 

„Männer.. ewige Kinder. Ich dachte wir könnten zu dritt auf Streife gehen? Wäre sicher aufregend."
 

Andrew schien auf einmal in eine Notlage geraten zu sein. Er wechselte die Packung nervös von einer Hand in die andere und sah unentschlossen zwischen Xander und Kennedy hin und her. „Ihr meint... ich darf mit?"
 

„Sie, nicht wir," verbesserte Xander Andrew. „Ich halte das für keine gute Idee."
 

„Aber wir sollen die Stellung halten, bis Giles wieder kommt und alleine schaffe ich die Stadt nicht. Das weißt du."
 

„Ich weiß," Xander sah ebenfalls unentschlossen aus.
 

„Klasse," freute sich Andrew bereits, warf die Packung achtlos auf den Tisch. „Welche Waffe darf ich haben?"
 

Xander holte tief Luft. „Also gut, also gut... gehen wir eben..."
 

+++
 

Louisianna. Farmerland...
 

Das Farmhaus lag ruhig und einsam inmitten großer Maisfelder da. Die letzten Sonnenstrahlen warfen lange Schatten voraus und tauchten den Sandweg vor dem Haus in rot-goldenes Licht. Drückende, schwüle Hitze lag in der Luft und Mücken surrten in der Luft, kündigten das nahe gelegene Delta des Mississippis an.
 

Plötzlich wurde die Eingangstüre von innen aus den Angeln gerissen. Eine männliche Gestalt flog über die Veranda ins Freie. Sie krachte auf den Boden und rollte sich ungeschickt ab. Kaum trafen die letzten Sonnenstrahlen auf den Mann begannen seine Kleider zu rauchen. Während er panisch mit den Händen versuchte die Stellen zu löschen, fing sein ganzer Körper Feuer und er verbrannte mit einem lang gezogenen Schmerzehnsschrei zu einem Haufen Asche.
 

In die offene Tür war eine Gestalt getreten - durchtrainiert, schlank, dunkles, langes Haar, auffällig eng sitzende Lederhosen ganz in schwarz, ein schwarzes Top dazu und über ihren rechten Arm floss Blut. Ihr Gesicht wirkte schmutzig und müde. Aber auch der undeutbare Ausdruck aus Zufriedenheit und Entschlossenheit lag in ihrem Blick.
 

„Hey Faith.. wir könnten hier drinnen deine Hilfe gebrauchen." Durchbrach eine männliche Stimme die wieder eingekehrte Ruhe vor dem Haus.
 

Die junge Frau drehte sich auf den Absätzen herum und ging in das Haus zurück. „Komme schon Woody."
 

Kampflärm ertönte, während sich Faith durch den dunklen Flur zu Robin Wood, Ronah und Vi durchkämpfte, die am anderen Ende des Hauses alle Hände voll damit zu tun hatten, sich das Nest der Vampire, das sie ausgehoben hatten, vom Hals zu schaffen.
 

Es war verdammt stickig im Haus, die Fenster waren mit Brettern vernagelt und der Gestank nach Tod war fast unerträglich, doch Faith ignorierte das alles mit ihrer fast schon nervtötenden Ruhe. Für sie zählte im Moment nur die Jagd. Und die war im vollen Gange.
 

Sie rannte über den Flur, stürzte durch die Türe und wurde von einem Vampir empfangen, der in diesem Moment vom oberen Stockwerk durch die morschen Dielen krachte und sich auf Faith warf. Faith wurde zu Boden gerissen und spürte die kühlen, spitzen Zähne des Vampirs, die er versuchte ihr in den Hals zu schlagen. Sie hatte Mühe sich von seiner Last zu befreien und ruderte für einen Augenblick mit ihren Händen hilflos über den staubigen Boden, bis es ihr gelang, ihre Hüfte zu drehen und mit dem überraschenden Schwung, den Vampir von sich abzuwerfen. Sie rollte sich zur Seite, griff dabei wieder nach ihrem Pflock, den sie verloren hatte und sprang auf die Beine. Sie nahm gerade noch aus den Augenwinkeln wahr, wie Vi eine Vampir-Frau mit der Axt köpfte, Ronah sich mit einem Vampir prügelte und Robin zu Boden taumelte, weil er einer Faust zu spät ausgewichen war.
 

„Shit..," sie trat dem Vampir in den Bauch und schaffte sich so wieder Platz, sprang an Robins Seite und riss den Vampir von ihm. Während sie ihm auf die Beine half, reichte sie ihm ihren Pflock. „Pass besser auf."
 

„Ich werde mein bestes versuchen," meinte Robin grimmig aber mit einem Anflug von Sarkasmus, während Faith ihm einen kurzen, amüsierten Blick zu warf, der aber ungewohnt weicher wurde, als Robin kurz zu ihr sah. Faith wurde aber gleich darauf wieder von ihrem Angreifer abgelenkt, der sich auf sie stürzte. Ohne Waffe begnügte sich Faith mit einem Faustkampf, den sie wie meist mit viel Energie, Wut und Entschlossenheit etwas in die Länge zog und selbst dabei kräftig einsteckte. Doch als würde sie die Schläge kaum spüren, sie nur noch mehr als Anfeuerung sehen, drosch sie den Vampir unbeirrt durch das Zimmer, bis er mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Faith nutzte den Moment aus und trat den Vampir mit einem hohen, seitlichen Kick gegen den Hals. Sie glaubte unter ihrem Stiefel seinen Adamsapfel brechen zu fühlen. Sie hielt ihn so kurz an die Wand genagelt fest, ehe sie das Bein zurückzog und er zu Boden glitt. Doch es verschaffte ihr nur ein paar wenige Verschnaufsekunden, bis der Vampir den Schmerz abgeschüttelt hatte und wieder auf den Beinen war. Entschlossen griff er erneut an.
 

Neben ihr war Vi Ronah zur Hilfe geeilt und löste ihren Ringkampf mit ihrer Axt auf. Robin war inzwischen seinen Vampir ebenfalls los geworden - mit einer galanten Wurftechnik über die Schulter und einem nachgesetzten Schlag mit dem Pflock. Sie sahen zu Faith, die wütend vor sprang und den übrig gebliebenen Vampir mit den Fäusten bearbeitete.
 

„Das sie immer so ne Show draus machen muss," nörgelte Vi.
 

„Ich find's cool. Gib mal her," sie entriss Vi die Axt. „Faith? Fang."
 

„Du findest alles cool, was Faith macht," fügte Vi beleidigt hinzu.
 

Faith hatte kurz zur Seite geblickt, die Axt auf sich zukommen gesehen und sie mit Leichtigkeit aufgefangen. Sie holte Schwung und der Vampir war ein Kopf kleiner. Noch während der Kopf von seinen Schultern fiel, brach sein restlicher Körper in sich zusammen und regnete als Staub zu Boden.
 

„Fast alles. Bill Cosby hier würde ich nicht mal in meinen Träumen küssen," kommentierte Ronah und entlockte Robin einen bissigen Blick.
 

„Das würde ich dir auch nicht raten," grinste Faith und gesellte sich zu den drei. „Das ist mein Kerl."
 

Robin lächelte und sah dann durch den Raum. „So.. das wär's für heute, oder glaubt jemand, es gibt hier so etwas wie einen Meister, einen Obervampir?"
 

Alle drei Jägerinnen grinsten. „Nee, so was gibt es nur in schlechten Filmen. Aber wisst ihr was.. ich habe einen Mordshunger." Faith gab Ronah die Axt zurück, die sie an Vi weiterreichte. Faith lehnte sich müde an Robin. Eine Schwäche, die sie zeigte, aber zu der sie in letzter Zeit stand. Sie war es müde in der kleinen, langsam zur Familie gewordenen Gruppe die Starke und Coole zu spielen.
 

„Ich könnte eine halbe Kuh verdrücken," stimmte Ronah zu.
 

„Mir würde ein Salat reichen," meinte Vi spitz.
 

„Die Kalorien verbrennst du doch wieder spätestens in der nächsten Nacht," lachte Faith. „Ich nehme das vordere Teil der Kuh," scherzte sie mit Ronah weiter und sie verließen das alte Farmhaus, als die Sonne gerade völlig unterging und den Himmel noch einmal mit kräftigen rot, gelb, lila Schattierungen färbte. Robin legte einen Arm um Faiths Schulter, als sie gemeinsam zu dem Schulbus schlenderten, der jedes Mal mit seinen großen, schwarzen Buchstaben, die schmerzhafte Erinnerung an einen der härtesten Kämpfe weckte: Sunnydale Highschool.
 

Sie hatten ihn gemeinsam umgebaut, die Fenster bis auf die Frontscheibe und die vorderste Reihe schwarz getönt und im Inneren hatten sie alle unnötigen Sitzreihen ausgebaut, um sich eine kleine Küche einzurichten, abgetrennte Schlafstätten und eine gemütliche Sitzecke.
 

Faith hielt Robin zurück und ließ Ronah und Vi den Vortritt, die im Bus verschwanden.
 

„Weißt du auf was ich ganz besondern Hunger habe?" Sie lächelte ihn anzüglich an. Robin hatte Mühe dem Blick stand zu halten, grinste jedoch breit über beide Ohren.
 

„Du meinst.. wir sollten die Mädchen in der nächsten Stadt ins Kino schicken?"
 

„Und wie wäre es wenn wir ins Kino gingen, einen schlechten Film aussuchen und uns in die hinterste Reihe verziehen?" Sie klang provozierend, so viel versprechend und ihr Blick ließ Robin ein wenig innerlich wimmern. Erst recht, als sie nahe an ihn herantrat und ihre Hand verdächtig weit nach unten wanderte.
 

„Gott.. Faith..."
 

„Das war nur ein Scherz." Sie lachte und erlöste Robin von der Vorstellung, dass Faith ihn tatsächlich dazu bringen konnte. Sein Lächeln war ein wenig gequälter, als er ihr in den Bus folgte.
 

„Irgendwann bereue ich es noch, dass ich dir versprochen habe, dich zu überraschen."
 

„Das glaubst du nicht ernsthaft," sie stieg in den Bus. „Hey Leute... wer von euch beiden hat Lust auf Kino?"
 

„Oh nicht schon wieder," hörte Robin die beiden protestieren. „Immer dasselbe nach einem Kampf." Stöhnten sie weiter. Robin lächelte in sich hinein, stieg ebenfalls hinzu und nahm hinter dem Lenkrad platz.
 

„Ich habe gehört New Orleans hat ein paar schöne Plätze, wo ihr euch amüsieren könntet."
 

Ronah und Vi tauschten ergebene Blicke aus, während der Bus auf die Strasse hinaus rollte.
 

+++
 

Cleveland, Erie Cemetery.

„Und wieder einmal müssen die Helden einer unfassbaren Gefahr ins Gesicht lachen..." Andrew eilte Kennedy hinterher, ließ sein Schwert über den Rasen schleifen und versuchte zumindest mit Xander Schritt zu halten, der mit einem Schwert bewaffnet den Friedhof mit seinem gesunden Auge absuchte. „Werden sie es auch diesmal schaffen? Werden sie das Abenteuer überleben und..."
 

„Okay," Kennedy blieb ruckartig stehen und Xander lief direkt in sie hinein.
 

„Aua..."
 

„Entschuldige," sagte Kennedy etwas zerstreut, während sie sich genervt zu Andrew herumdrehte. „Das reicht mir jetzt. Entweder du hältst jetzt einmal die Klappe oder ich bring dich eigenhändig um."
 

„Ich versuche doch nur die Situation ein wenig aufzulockern," Andrew klang weinerlich, enttäuscht.
 

„Welche Situation, Herrgott noch mal?" Kennedy sah sich auf dem recht friedlichen Friedhof um.
 

Andrew zog eine Grimasse und hatte Mühe sein Gesicht unter Kontrolle zu halten. „Dann eben nicht."
 

„Jetzt werde doch nicht gleich schnippisch," Kennedy verdrehte die Augen. „Ich hab keine Ahnung, wie du es mit dem in einer Wohnung aushältst."
 

Andrews Augen wanderten hoffnungsvoll zu Xander, der es jedoch vorzog diplomatisch das Thema zu wechseln. „Eh.. ja also... was ist jetzt mit der Gruft?"
 

Andrew und Kennedy wechselten einen letzten, vielsagenden Blick, ehe Kennedy sich auf Xanders Frage konzentrierte.
 

„Der Plan ist geändert worden. Ich habe gehört, dass es in letzter Zeit ein paar ungeklärte Mordfälle hier in der Nähe gab."
 

„Mordfälle?"
 

„Nun, ja... kein gewaltsames Eindringen, keine Diebstähle, kein Motiv... die Opfer waren zum Teil ehemalige Häftlinge, geschiedene Männer oder Frauen... manche Opfer fallen jedoch aus dem Profil heraus. Aber wie es mir scheint, hatten sie alle keine sauberen Westen. Falls man das als Profil der Opfer betrachten kann. Sie wurden alle erwürgt...", erklärte Kennedy Xander und nahm wieder den Weg auf.
 

„Oh coooool. Ein Fall für Sam Waters und ihr Spezialteam..."
 

„Ich bring ihn um," Kennedy machte einen Schritt auf Andrew zu, der mit einem Quicker nach hinten sprang und Xander dazu veranlasste schnell einzugreifen. Er schob sich zwischen die beiden Streithähne.
 

„Okay... Auszeit für Itchy", er sah zu Kennedy. „Und für Scratchy", er sah zu Andrew. „Ich würde nämlich gern mehr über diese Morde erfahren okay? Kennedy... konzentriere dich. Ich brauche keine amoklaufende Jägerin."
 

Kennedy funkelte Andrew noch ein letztes Mal an und versuchte sich zu beruhigen. „Die Opfer waren alle blutleer. Das hat mich stutzig gemacht."
 

„Ich liebe es, wenn er den Wächter spielt," murmelte Andrew, zog aber sofort den Kopf ein, als Kennedy ihn warnend ansah.
 

„Und woher weißt du das alles?"
 

„Ich habe meine Informanten, Xander. Schon vergessen?"
 

„Oh... die Schiffsbar am Hafen - sei bloß vorsichtig. Zu viel Mos Eisley Flair."
 

„Wieso denn?" Sie zuckte die Schultern und wirkte unbekümmert. „So weit ich weiß, habt ihr in Sunnydale doch auch diese Bar gehabt.. jedenfalls hat mir Willow davon erzählt."
 

"Ja, Willy's.. aber das war... was anderes."
 

„Ach ja?" Kennedy hob eine Augenbraue. „Etwas anderes weil es dabei um Buffys Informanten ging? Weil Buffy so erfahren ist und immer gut auf sich aufpasst? Vergiss nicht, dass ich hier am Höllenschlund Nummer zwei Buffy vertrete, weil Giles der Ansicht war, dass ich dafür am besten geeignet wäre. Ich habe den Posten vielleicht nicht unbedingt „legal" erhalten und ich besitze mehr oder weniger geborgte Kräfte, Buffys Kräfte, aber ich bin eine Jägerin. Wie sie. Auch wenn mir für immer das Privileg genommen sein wird, zu erfahren, wie es ist, etwas besonders zu sein, etwas einmaliges. Also erzähl du mir nicht, irgendetwas wäre vorher anders gewesen."
 

„Okay," gab Xander nach. Er hatte in letzter Zeit gespürt, dass Kennedy offensichtlich befürchtete ständig mit Buffy verglichen zu werden, dass es aber so schnell aus ihr herausbrach überraschte ihn wiederum. Zudem hatte Xander wenig Lust zu streiten. Kennedy verstummte und ihre Lippen verengten sich frustriert. Aber sie behielt ihre Worte für sich. Sie wusste, dass für Xander, Willow und Giles Buffy etwas besonderes blieb. Letztendlich war sie das wohl auch.. Kennedy nahm sich vor, allen zu beweisen, dass sie es würdig war, eine Jägerin auf geborgte Kräfte zu sein, dass sie genauso lange überleben konnte wie Buffy.
 

Sie gingen schweigend weiter. Selbst Andrew schaffte es in Anbetracht der etwas angespannten Lage still zu sein.
 

Kennedy führte sie über den Friedhof zu einem kleinen Seitenausgang.
 

„So, da wären wir!"
 

„Wie... ich dachte...".
 

„Oh das war nur eine Abkürzung," grinste Kennedy mit dem Blick zurück auf den Friedhof. „Ich habe einen Tipp bekommen." Sie ging weiter, ungeachtet ob die Jungs ihr folgen würden. „Ein Vampirnest. In einem abbruchreifen Haus. Angeblich Ausländer. Die Vampire. Jedenfalls meinte mein Informant sie wären nicht von hier und für diese Überfälle verantwortlich."
 

Andrew und Xander sahen sich mit zuckenden Schultern an und folgten der Jägerin ergeben durch die ruhige Wohnstrasse, die nach netten, intakten Familien aussah, mit all den Kombis vor den Häusern, den bepflanzten Blumenkübeln vor der Haustüre, den gepflegten Rasen im Vorgarten und dem Spielzeug in der Hofeinfahrt.
 

„Seid ihr soweit?" Kennedy blieb plötzlich vor einem Haus stehen, das zwischen all den schönen, gepflegten Häusern heruntergekommen hervorstach. Zugenagelte Fensterscheiben im ersten Stock. Im zweiten waren die Fensterscheiben eingeworfen, Graffiti zierte die alte Hausfront und der Rasen war zu einer Unkraut überwucherten Wiese geworden.
 

Xander hob sein Schwert und nickte. Andrew schwieg noch beleidigt von der vorherigen Attacke, aber griff fest um sein Schwert und nickte ebenfalls. Kennedy ging die Treppe nach oben, trat die Türe ein, die laut polternd aus der Angel gerissen wurde und im Inneren mit einem ebenso lauten Knall auf den Boden fiel.
 

Xander schüttelte verzweifelt und fast resigniert den Kopf. „Sie wird noch eine Menge lernen müssen... Beten wir, dass niemand zuhause ist."
 

+++
 

New Orleans

Der gelbe Schulbus stand in einer ruhigen, einsamen Ecke des großen Campingplatzes und wären seitlich von ihm nicht ein paar gelb gestreifte Klappstühle aufgestellt worden, hätte man nicht darauf kommen können, dass ihn jemand bewohnte. Auch der noch leicht rauchende Grill, ließ tatsächlich auf die Camper schließen.
 

Durch den Eingang Richtung Stadt schlenderten Vi und Ronah und alberten gelassen herum.
 

Im Inneren zog Faith die Zudecke weiter hinauf und kuschelte sich an Robins Brust.
 

„Ich schätze uns bleiben jetzt ein paar Stunden," grinste Robin und legte einen Arm behutsam um Faith.
 

„Mhm," schnurrte Faith genüsslich und schloss die Augen. „Auch wenn das die Stimmung gleich ein wenig zerstören könnte... hast du von Giles etwas gehört? Wegen deiner Berufung?"
 

Robin schüttelte den Kopf. „Nein. Er wollte sich wieder melden, sobald er offiziell den Rat als neu gegründet bezeichnen kann. Ich schätze das wird eine Weile dauern, so wie ich die Wächter kenne. Und dann muss er die neuen Mitglieder erst einmal davon überzeugen, dass ein daher gelaufener Amerikaner, der Sohn einer Jägerin, aufgezogen von einem Wächter, anrecht auf einen Posten als Wächter hat. Wenn er nicht vorher schon verzweifelt ist, gibt ihm das sicher den Rest." Robin lachte amüsiert. Er hatte allerdings nicht im geringsten Zweifel an Giles Überzeugungskraft. Aber Traditionen konnte man nur schwer ablegen.
 

„Bloß nicht, wir brauchen ihn noch," grinste Faith und machte ein Gesicht, als würde sie vor ihren eigenen Worten angst bekommen. „Hab ich das gerade gesagt?"
 

„Ja und stell dir erst einmal vor, wie sie reagieren werden, wenn er ihnen erklären muss, dass dieser dahergelaufene Kerl auch noch mit einer als Mörderin gesuchten Jägerin durch das Land tingelt, um Vampire zu töten."
 

Faith Schmunzeln wurde zu einem unterdrückten Kichern. Doch ihr Gesicht blieb ernst. „Würdest du mir einen Gefallen tun? Erwähne das nicht wieder und fang endlich an mich zu überraschen." Faith rollte sich auf den Rücken. Sie wollte nicht daran erinnert werden, dass sie noch immer auf der Flucht war. Vielleicht würde man sie als vermisst oder tot halten, wenn man sah, was mit Sunnydale geschehen war.. vielleicht auch nicht. Sie hatte nie versucht es herauszufinden. Möglicherweise, wenn sie je nach Cleveland kamen, könnte sie Willow bitten, für sie in den Polizeiakten zu recherchieren.
 

Robins Lächeln veränderte sich zu einem provokanten Grinsen und er rutschte auf ihre Seite, beugte sich über sie und presste seine Lippen wild und hart auf ihre. Keuchend trennten sie sich wieder voneinander und Robin rutschte tiefer unter die Decke...
 

+++
 

Cleveland. Altes Haus...

„Scheint verlassen zu sein," flüsterte Kennedy den beiden Jungs hinter ihr zu und ging vorsichtig über den knarrenden Holzdielenboden weiter. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf dem Boden niedergelegt und auch wenn sie sich noch so sehr anstrengten... Fußspuren waren keine zu sehen, außer den eigenen.
 

„Bist du dir sicher, dass dein Informant nicht gelogen hat?"
 

„Ganz sicher, Xander." Kennedy stieß eine halb geschlossene Türe mit der Schuhspitze auf. Vor ihnen lag ein dunkler Raum, aus dem ein leicht verwester Geruch zu ihnen herausdrang. Mutig gingen sie mit gerümpfter Nase weiter.
 

„Mein Gott, das stinkt schlimmer als Andrews Socken."
 

„Ach und was ist mit deinen verschwitzen Baustellenklamotten?"
 

„Die sind noch gar nichts gegen deinen ständigen Pizzageruch, der in deiner Pizza Hut Uniform steckt..."
 

„Leute? Ihr beginnt euch langsam wie ein altes Ehepaar aufzuführen. Vampire? Konzentration?" Kennedy deutete ungeduldig auf die offene Türe.
 

Xander und Andrew funkelten sich böse an, aber schwiegen, während sie der Jägerin in den Raum folgten.
 

„Das hält ja kein Mensch aus," stöhnte Xander und hielt sich den Ärmel vor die Nase.
 

„Puh...," Andrew zog ein Taschentuch hervor, auf dem, nach dem er es aufgeschüttelte hatte, Spiderman zum Vorschein kam und hielt es sich an die Nase.
 

Kennedys Gesicht war ebenfalls angewidert verzogen, aber sie wahrte Haltung. „Gut.. ich würde sagen wir haben eindeutig etwas Totes gefunden... nur was...," sie ging weiter und stolperte über etwas weiches. „Ich schätze ich habe es gefunden," ihr Blick wanderte nach unten und starrte auf die menschlichen Überreste einer Frau, an deren Hals mehrere Bisswunden aufklafften. „Und ich schätze wir sind auch auf das Hauptquartier gestoßen."
 

„Scheinen ausgeflogen zu sein." Xander umrundete den Raum und stieß dabei nur auf verlassene, zerwühlte Schlafstätten.
 

„Dann müssen wir morgen früher hierher kommen. Bei Tageslicht." Bestimmte Kennedy.
 

„Och menno... ich muss morgen arbeiten," jammerte Andrew, der sich um seinen Spaß betrogen fühlte.
 

„Na um so besser," feindete ihn Kennedy an, während sie bereits wieder das Haus verließen.
 

+++
 

Cleveland. Gleiche Zeit. Irgendwo in einem Haus...

Er hatte noch ein wenig fern gesehen, in einem Sportmagazin geblättert und das letzte Dosenbier aus dem Kühlschrank genommen. Das leise Schluchzen und Wimmern von oben überhörte er routiniert. Wie so vieles andere auch - die umgeworfene Stehlampe hinter ihm, das zerschmetterte Bild ihrer Hochzeit oder die vielen Bücher aus dem Regal, die durch ihren Sturz in das Regal auf den Boden geregnet waren.
 

Er war jetzt alleine hier unten und hatte endlich seine Ruhe. Mehr zählte nicht.
 

Das plötzliche Klopfen an seiner Türe weckte seinen Unmut. Doch es war da gewesen. Hart, laut und fordernd. Nichts, dass man einfach überhören konnte oder gar ignorieren. Ein zweites Klopfen blieb aus und seine Neugier trieb ihn mit seiner verknitterten Boxershorts und dem fleckigen Unterhemd aus dem Sessel zur Türe. Wütend riss er sie auf.
 

„Was zur Hölle ist los?" Er starrte den dunkelhaarigen Mann auf seiner Türschwelle an. Er hatte etwas Südländisches, auch wenn er im schwachen Verandalicht recht blass wirkte. Er trug einen langen, schwarzen Mantel und auf seiner Stirn eine in sich verschlungene Tätowierung. Der Mann schien gerade vorgehabt zu haben, noch einmal zu klopfen, denn er senkte gerade seinen Arm.
 

„Die Sünder werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen," sagte der Mann mit einem starken, griechischen Akzent.
 

„Meine Güte.. müsst ihr Wahnsinnigen sogar zu dieser Stunde eure Worte an den Mann bringen?" Er wollte die Türe schließen, erstarrte jedoch in der Bewegung, als das Gesicht des Mannes sich auf einmal zu verändern begann und ein paar Sekunden später nichts mehr menschliches an sich hatte.. mit den Wülsten auf der Stirn und über den Augen, der etwas geschrumpften Nase, den gelben Augen und weit hervorstehenden, spitzen Eckzähnen.
 

„Oh mein...", während „Gott" unterging, versuchte er die Türe zu zuschlagen. Aber sie wurde ihm aus der Hand gerissen, als der große, dunkelhaarige Vampir sie ihm entgegendrückte und obwohl keine Einladung ausgesprochen wurde in sein Haus eindrang. Dem Mann blieb nicht einmal mehr die Zeit laut um Hilfe zu schreien - ehe er sich herumdrehen konnte, hatte ihn der Vampir am Hals gepackt, in die Höhe gehoben und ihn gegen die Wand geworfen. Ein langer Riss zog sich an der Stelle durch die Tapete und der Hausbesitzer rutschte auf den Boden, wo er leicht benommen liegen blieb und stöhnte. „Und manche Sünder sehen ihre Schuld nicht einmal im Anblick ihres Todes," murmelte der Vampir, während er sich über den Mann beugte, seine Hände um seinen Hals legte und zudrückte. Seinem Opfer blieb nur der schwache Versuch den Schraubstock um seinen Hals mit den eigenen Händen zu brechen, doch war der Widerstand völlig zwecklos. Der Todeskampf dauerte nicht lange und der Vampir ließ von ihm ab. Der unheimliche Fremde trat vor de Türe und winkte einem Auto zu, dass vor dem Haus stand. Vier weitere Gestalten stiegen aus und kamen auf das Haus zugeeilt. Er gab ihnen den Weg nach drinnen frei und während er ihnen beim „Essen" zusah, lächelte er und murmelte:
 

„Meine Söhne, trinkt von den Sündern, auf das die Welt eine bessere wird." Und mit diesen Worten, tauchte er seinen Finger in das Blut des Mannes und schrieb über seinen Kopf das Wort „Sünder."
 

+++
 

England. Notting Hill.

Neues Ratsgebäude.
 

Dawn drückte die schwere, Eichentüre auf und schob sich vorsichtig in das Innere. Sie war hier noch nie gewesen, seit Giles und Willow die Arbeit am Aufbau des neuen Rates aufgenommen hatten. Sie befürchtete fast, entweder rausgeworfen zu werden oder sich zu verirren. Auch wenn ihr Willow am Telefon versichert hatte, dass das Gebäude nicht so riesig wäre und es eine nette Dame am Empfang gab, die einem gerne weiterhalf und wusste, dass sie vorbei kam.
 

Dawn befand sich zu ihrer Erleichterung in einem großen Flur wieder, von dem eine große, schwere Treppe nach oben in den nächsten Stock führte. Es roch nach frischem Bohnerwachs und eine große Tafel neben dem Eingang hing verwaist an der Wand. Sicher würde dort eines Tages jede Abteilung mit Stockwerk ausgewiesen werden. Sobald sich die Wächter einig waren, dachte Dawn grimmig und dachte mit einem leisen Seufzer an einen schlecht gelaunten Giles, der viel zu wenig Schlaf in den letzten Tagen abbekommen hatte.
 

Sie nahm die Treppe nach oben und gelangte in einen weiten, einladenden Raum im ersten Stockwerk, mit hoher Decke, schweren Teppichen, die den Holzboden schützten und einem runden Mahagoni-Tisch, hinter dem eine streng wirkende Frau saß und eifrig an etwas tippte. Eine Flügeltüre dem Tisch gegenüber schien in die weiteren Reiche des Rates zu führen.
 

Die Frau sah kurz auf, als Dawn unschlüssig stehen blieb und ihren Blick durch den Raum schweifen ließ.
 

„Möchten Sie zu mir?"
 

Dawn sah zur Frau zurück, versuchte einen entschlossenen Gesichtsausdruck zustande zubringen und nickte, während sie auf den Tisch zukam. „Ja.. nein.. eh.. ich möchte zu Willow.. zu Miss Rosenberg?"
 

„Oh, Dawn, richtig," die Frau rückte ihr Brillenmodel „50er Jahre" zurecht und lächelte. Dawn nickte erleichtert.
 

„Einen Moment, ja?" Sie stand auf, glättete ihren grauen Rock, zupfte das passende, graue Jäckchen in Form und schritt zur Flügeltüre, um dahinter zu verschwinden. Dawn nahm so lange auf einen der vielen Wartestühle unter einem gewaltigen Ölgemälde platz und wirkte gelangweilt. Innerlich war sie nervös. Sie wollte mit Willow alleine sprechen. Wegen der Nacht nach dem Kino. Besser gesagt wegen dem Kampf. Sie wollte Giles nicht dabei haben, aber da Willow in letzter Zeit fast genauso viel Zeit hier verbrachte wie er, hatte sie keine andere Wahl, als das Risiko einzugehen, dass er sie hier sah und wissen wollte, was Dawn hier zu suchen hätte. Sie hatte dafür einen Plan B, aber seit der Standpauke auf der Fahrt nach hause, verspürte sie wenig Lust, ihn anzulügen.
 

„Hey Dawnie," Willow kam aus der Türe und eilte auf sie zu.
 

„Hi Willow... hast du jetzt Zeit?"
 

„Eigentlich wenig, aber wenn es so dringend ist?" Willow machte eine einladende Handbewegung zur Flügeltüre und Dawn stand auf.
 

„Ja ist es. Aber.. nein auch wieder nicht, wir können darüber auch später reden..."
 

„Nein. Nein ist schon in Ordnung. Die können sich ruhig auch ohne mich weiter die Köpfe einschlagen," Willow war Dawns enttäuschter Tonfall nicht entgangen und führte sie durch die Türe auf einen Flur. Vor einer geschlossenen Türe blieb sie stehen, öffnete sie und stieß sie weit auf. „Hier haben wir Ruhe."
 

Dawn war ihr gefolgt und hatte sich neugierig umgesehen. Es gab nicht viel zu sehen. Die meisten Türen waren geschlossen, an den Wänden hingen keine Bilder, die Stelltischchen waren alle leer und Kartons stapelten sich. Alles schien im Aufbruch zu sein. Laute Stimmen drangen etwas gedämpft zu ihnen auf den Flur und Dawn hob wissend ihre Augenbrauen, als sie in das gewiesene Zimmer eintrat. Hohe Flügelfenster verliehen dem Büro einen freundlichen hellen Anblick. Aber auch hier standen Kartons herum. Zum Teil geöffnet und zum Teil auch deren Inhalte in Regale, Schränke und auf dem Schreibtisch verteilt.
 

„Also, was ist los?" Willow schloss die Türe. „Ist es wegen unserer Abreise? Willst du noch hier bleiben oder vermisst du Buffy...?"
 

„Nein. Nein im Gegenteil. Ich freue mich darauf Xander und Andrew wiederzusehen. Und Buffy kommt ja auch bald nach. Es ist.. wegen neulich... wegen diesem Kampf." Sie setzte sich auf einen freien Stuhl.
 

„Ach Dawnie, nimm dir doch nicht so zu Herzen, was Giles dir alles über Verantwortung vorgepredigt hat. Das ist nun mal Giles. Was glaubst du wie oft er dieselben Reden Buffy oder uns früher in deinem Alter gehalten hat? Und es ist ja nicht so, dass er lange sauer auf dich war. Er ist nur ein wenig überfordert mit allem hier." Willow seufzte. „Aber ein wenig muss ich ihm einräumen, dass er recht hatte. Du bist in einem Alter, um einschätzen zu können, wann eine Bedrohung zu einer Gefahr wird..."
 

„Es geht nicht darum. Zudem ist er selbst schuld. Den Rat wieder aufzubauen, war seine Schnapsidee." Sie klang ein wenig verärgert. Als sie weitersprach, geschah es sehr zögernd und als müsste sie sich erst noch entscheiden, die Worte auch wirklich laut auszusprechen. „Es ist mehr.. nun... ich... etwas war in der Nacht anders."
 

Willow sah Dawn lange an. Ihre Blicke hielten sich für einen Augenblick gefangen, ehe Dawn begriff.
 

„Du hast es gewusst?"
 

„Nein... nur geahnt. Kein normales Mädchen würde einfach so den Kampf mit fünf Vampiren aufnehmen. Und vergiss nicht... ich kann euch alle fühlen."
 

„Wieso hast du mit mir nicht darüber gesprochen?" Dawn klang anklagend.
 

„Ich war mir einfach nicht sicher. Nicht bei dir. Ich dachte eine Zeitlang, es käme wegen deiner Energie. Deiner Schlüsselenergie. So zu sagen störende Frequenzen," lächelte Willow unsicher. Doch Dawns Gesicht blieb ernst.
 

„Du hättest es mir sagen müssen."
 

„Hätte es denn etwas geändert?"
 

„Wahrscheinlich nicht," Dawn sah auf ihre Füße. Beide schwiegen und Dawn versuchte die Information zu verdauen.
 

„Hör zu, Dawnie... ich wollte mir erst ganz sicher sein. Und in dieser Nacht, als wir dich kämpfen sahen und alle Hände voll damit zu tun hatten dir zu helfen, da spürte ich es ganz deutlich. Es war.. wie bei den anderen, als wir gegen die Macht des Bösen kämpften. Ich wollte es nicht wahrhaben. Und ehrlich gesagt, habe ich es auch nicht verstanden. Also wieso ich dich erst jetzt fühlen konnte und in den Monaten davor nicht. Aber jetzt bin ich mir sicher."
 

Dawn schluckte hart und nickte. Sie wirkte so zerbrechlich und doch entschlossen, als sie wieder zu Willow aufsah. „Tust du mir einen Gefallen? Behältst du das vorerst für dich? Ich möchte nicht, dass die anderen dadurch beginnen mich anders zu sehen. Die Veränderungen in den letzten Monaten waren zu viel für mich. Ehrlich gesagt habe ich nicht schon wieder Lust darauf, etwas an dem momentanen Zustand zu ändern."
 

„Du wirst es aber nicht auf die Dauer vor den anderen verbergen können. In dieser Nacht war Giles wohl zu aufgebracht um ernsthaft darüber nach zu denken, sonst wäre ihm etwas aufgefallen und..."
 

„Ich weiß, Willow. Aber bitte... nur für eine Weile, bis ich selbst damit klar komme?"
 

„Okay," Willow nickte, als die Türe plötzlich aufging und die Dame vom Empfang ihren grauen Kopf hereinsteckte.
 

„Ach da steckt ihr. Miss Rosenberg? Mister Giles sucht Sie dringend. Und er betonte das Wort dringend, als würde es um sein Leben gehen?"
 

„Ich komme," seufzte Willow. „Wir sehen uns heute Abend?"
 

Dawn sagte nichts, als Willow den Raum verließ und als sie selbst aufbrach rutschte ihr ein gefrustetes „wer's glaubt" heraus.
 

+++
 

Cairnes. International Airport.

Buffy verließ den kleinen Flughafen und wurde von einer tropischen, schwülen Luft empfangen, die ihr für einen Moment die Luft raubte. Es war eine Wohltat nach dem lauten, hektischen Flughafen in Hongkong hier zu landen, wo die Gemütlichkeit schon im Flieger begonnen hatte. Buffy orientierte sich kurz an dem ruhigen Treiben und entschied sich für den Bus.
 

„Wenigstens, sprechen die hier meine Sprache," brummte sie über sich selbst amüsiert und stieg in den Bus, der laut Aufschrift eine Touristenrundfahrt anbot. Der junge Reiseführer sah von seinem Panel auf und lächelte. Als er seine Sonnenbrille abnahm, stockte Buffy der Atem.
 

„Sie... ich kenne Sie," stammelte Buffy, als sie den gut aussehenden Mann aus dem Tempel vor einigen Tagen vor sich sitzen sah. „Was wird hier gespielt?"
 

„Ich weiß nicht von was Sie reden. Aber wenn Sie an unserer Busfahrt teilnehmen möchten, kostet das fünf Dollar."
 

„Sie waren doch in diesem Tempel.. in China. Xian. Sie wissen schon... Geheimgang, korrupte Mönche..."
 

Der Mann sah sie an, als wäre sie nicht ganz bei Sinnen, lächelte aber weiterhin freundlich. „Fünf Dollar oder machen Sie bitte für die nächsten Platz."
 

Buffy kramte ihren Geldbeutel hervor, drückte dem Mann das Geld in die Hand und setzte sich in eine der hinteren Reihen. Sie wäre verrückt gewesen, jetzt auszusteigen. Dem musste auf den Grund gegangen werden.
 

+++
 

Cleveland. Hafen.
 

Der alte Fischkutter lag fest vertaut am Hafen fast ein wenig fehl am Platz zwischen großen, modernen Yachten, Segelbooten und zwei gewaltigen Luxusdampfern.

Ein alter Holzsteg führte vom Dock an Deck und ein großes, altes Steuerrad zierte am vorderen Ende des Stegs einen klapprigen, offenen Durchgang zum Boot. Das mit bunten Lichtern gezierte Schild verkündete „Zum lustigen Piraten".
 

An Deck standen wenige Stühle und Tische als wären sie noch nie benutzt worden. Lichter waren unter Deck das einzige Zeichen dafür, dass an Bord Betrieb herrschte. Ein Tourist, der sich hierher verirrte, was selten genug geschah, konnte den „lustigen Piraten" leicht für einen romantischen Fleck halten, auf dem man gute, deftige Seemannskost bekam.
 

Eine Gestalt zog seine Jacke enger um sich und eilte über den Bootssteg an Deck, sah sich vorsichtig nach allen Seiten um und schlüpfte durch die Türe ins Innere des Führerhäuschens. Die Bodenklappe enthüllte eine Leiter nach unten, sowie den Lärm vieler, rauer Stimmen, die nach oben dröhnten. Die Gestalt kletterte die Leiter nach unten und vergaß dabei nicht, die Luke wieder zu schließen.
 

Rauch vernebelte die Luft im Bootsrumpf, Stühle und Tische drängten sich eng aneinander und obwohl früher Nachmittag war, herrschte reges Treiben. Das Licht der Bar enthüllte das Gesicht des Neuankömmlings - Weatherby, einstiges Ratsmitglied, Sonderbeauftragter für knifflige Fälle, schmutzige Fälle... ausgerechnet er musste sich friedfertig in die Höhle des Löwen wagen. Mit jedem langsamen, widerstrebenden Schritt nach vorne sah Weatherby einen Dämon nach dem anderen an den Tischen sitzen - trinkend, lachend, sich amüsierend - wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er das Boot samt Inhalt in die Luft gejagt. Aber die Zeiten hatten sich gewaltig geändert. Traditionen spielten eine untergeordnete Rolle, alte Ziele waren vergessen und Werte und Moral wurden nicht mehr groß geschrieben.

Seiner Meinung nach hatte es schon damals angefangen, als man sich nach seinem verpatzten Einsatz in L.A. nicht mehr selbst um die Jägerin Faith gekümmert hatte, sondern es der Polizei überließ.
 

Er fand den Tisch mit der Person, die er treffen sollte. Ein T'alun-Dämon. Sie waren so etwas wie die CIA unter den Dämonen. Perfekte Agenten und Spitzel. Gutes Gehör, gutes Gedächtnis, loyal soweit man bei Dämonen davon reden konnte und waren zudem immer bestens über alles informiert.
 

Der Dämon sah auf und erkannte den Menschen. Er schob die Fotografie von Weatherby in seine Jackentasche zurück. Er winkte den Mensch auf den freien Stuhl.
 

„Weatherby?"
 

Weatherby nickte und nahm Platz.
 

„T'embak?"
 

Nach der kurzen, herzlosen Kontaktaufnahme schob der T'alun Weatherby ein kleines Paket zu und erhielt im Tausch dafür einen Umschlag. Gefüllt mit Barem, wie vereinbart. Der Dämon zählte die Scheine, während Weatherby das Päckchen aus dem braunen Packpapier wickelte. Ein kleines Lederbüchchen kam zum Vorschein.
 

„Sie finden darin alles was Sie über diese Vampire wissen wollten. Und auch über den „Purificatio-Talisman"
 

Weatherby steckte das Buch ungesehen in seine Jackentasche und sah dem Dämon in sein grün, graues Gesicht mit den hässlichen Wülsten seitlich an seinen Augen, die sich bis runter zu seinen Mundwinkeln zogen.
 

„Was macht ein Mann wie Sie eigentlich hier," fragte der T'alun auf einmal mit einem Anflug von Misstrauen.
 

„Ich verstehe nicht ganz..."
 

„Sie haben sich als Wächter ausgegeben und jeder hier weiß inzwischen, was letztes Jahr drüben passiert ist. Viele dürften nicht überlebt haben."
 

Weatherby zog anerkennend eine Augenbraue in die Höhe. Der Dämon verstand sein Handwerk. Eine kleine Unterhaltung hier und da und schon hatte er neue Informationen gesammelt.
 

„Wir Überlebende halten trotzdem zusammen, um weiter gegen Kreaturen wie euch zu kämpfen," antwortete Weatherby verächtlich und verschwieg die Tatsache einer Neugründung des Rates.
 

Der Dämon hatte für ihn nur ein kleines Lächeln übrig. „So verachtenswert können wir gar nicht sein, wenn ihr Kämpfer für das Gute ständig hierher kommt," er sah zur Leiter und verfolgte mit seinen Augen die dunkelhaarige Jägerin mit einem ihrer Freunde, die gerade herunter gekommen zu sein schienen. Weatherby drehte sich herum und erstarrte. Er hatte neben seinen vielen Aufträgen auch begonnen, die hiesige Jägerin ein wenig zu observieren. Er blickte zurück zu dem Dämon. „Und uns um Hilfe anbettelt. So wie Ihr Auftragsgeber."
 

Kennedy und Xander schritten an Weatherbys Tisch vorbei ohne den beiden Männern Beachtung zu schenken.
 

„Ich fühle mich nicht sonderlich wohl hier unten," Xander sah sich besorgt um, als sie an die Theke gingen.
 

„Hätte ich lieber Andrew mitnehmen sollen?" Kennedy klopfte auf die Theke, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu lenken, der am anderen Ende stand und Gläser polierte. Er sah gelangweilt zu ihnen herüber.
 

„Er muss doch arbeiten."
 

„Heute Morgen hat er seine Schicht tauschen können, um beim Einsatz dabei zu sein. Wäre sicher noch einmal gegangen," grinste Kennedy. „Was eigentlich so blöde gar nicht war. Diese Vampire waren stark gewesen und leicht in der Überzahl. Aber jetzt sind sie ja Geschichte."
 

„Nicht ganz Kleines."
 

Xander fuhr herum und befand sich einer massiven Brust gegenüber, die, als er nach oben blickte, einem bärtigen Dämon gehörte, dessen geschwungenen Eckzähne, die über die Lippen wuchsen, Xander an die Keiler eines Wildschweins erinnerten. Die glatte Nase, die tiefliegenden, roten Augen weckten nicht unbedingt Vertrauen in Xander.
 

„Hey Mo. Dich suchen wir."
 

„Gefunden, Kenny."
 

„Kenny?"
 

„Lange Geschichte Xander."
 

„Ihr habt das Nest also gefunden und ausgeräuchert?"
 

„Ja, aber uns fehlen ein paar Informationen und Zusammenhänge."
 

„Vor allem wenn Mister Hundertprozentig am Wochenende zurückkehrt und wissen möchte, was das für Vampire waren," gab Xander zu bedenken.
 

„Dein Wächter?" Mo sah Xander aufmerksam an.
 

„Xander? Gott bewahre. Nein. Ein Freund."
 

„Nicht er.. dieser Mister Hundertprozentig," grinste Mo.
 

„Ach so, Giles.. ja," nickte Kennedy.
 

„Dann sagt ihm, dass ihr ein Problem habt. Diese Vampire sind nicht von hier und sie haben ein Ziel. Sie töten nicht nur, weil sie Hunger haben. Es geht ihnen um eine höhere Sache. Sie haben einen Meister mitgebracht. Angeblich geht alles von ihm aus. Wie bei ner Sekte. Wenn du ihn tötest, Kenny, seid ihr die Invasion los."
 

„Invasion?" Xander war sich nicht sicher, ob ihm dieses Wort gefiel.
 

„Er kann innerhalb weniger Minuten zehn Frischlinge erschaffen. Wenn du das auf die Stunde hochrechnest... eine Menge Vampire. Das kommt einer Invasion sehr nahe. Er alleine soll für die Erschaffung zuständig sein. Findet ihn und vorbei ist es."
 

„Und wo finden wir ihn," Kennedy hatte mit Erfolg beim Barkeeper ihre Bestellung aufgegeben und erhielt in diesem Moment zwei Bierflaschen. Xander lehnte dankend ab. Kennedy zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck und reichte dann Mo die andere Flasche, der nicht nein sagte.
 

„Tut mir leid. Darüber weiß ich nichts. Er soll nicht oder nie bei seinen Erschaffungen schlafen. Und gestern gab es ja offensichtlich neue Opfer..."
 

„Haben wir gehört. Weißt du, was es mit diesen Botschaften auf sich hat, die sie hinterlassen?"
 

„Erinnere mich nicht daran. Ich versuche krampfhaft das Bild in dem Haus zu verdrängen. Und ich hab's dabei nicht mal in 3D sehen können," Xander tippte an seine Augenklappe, die er doch noch immer trug. Innerlich schüttelte es ihn in Erinnerung an den Tatort. Sie hatten am Morgen das leerstehende Haus erledigt - einfach die Bretter von den Fenstern gerissen und das Sonnenlicht einen Teil ihrer Arbeit machen lassen. Die Vampire, die nicht verbrannt waren, hatten sie anschließend mit ihren Äxten erledigt. Danach war Andrew zur Arbeit gefahren und sie hatten eigentlich nach Hause gewollt. Auf dem Weg dorthin waren sie direkt auf den Tatort gestoßen. Kennedy war es gelungen geschickt die wichtigsten Informationen zu bekommen. Mehr wussten sie aber auch nicht.
 

Mo zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass sie eine sogenannte höhere Sache verfolgen. Nicht mehr."
 

Kennedy trank das Bier aus, stellte die leere Flasche auf der Bar ab und verzog den Mund.
 

„Nun gut...dann wissen wir ja jetzt wenigstens nach wem wir suchen müssen. Danke Mo."
 

„Oh wartet.. eines wäre da noch...sie suchen hier irgendetwas. Ein Artefakt."
 

„Ein Artefakt?" Kennedy sah Xander erwartungsvoll an. Xander zuckte mit den Schultern. War es das nicht meistens, um was es den Bösen ging?
 

„Mehr weiß ich darüber nicht," Mo leerte seine Flasche ebenfalls.
 

„Besser als nichts. Danke nochmals." Mo nickte und verzog sich wieder in den hinteren Teil der Bar.
 

„Wir haben nicht viel," entmutigte sie Xander und deutete zur Leiter.
 

„Besser als nichts," wiederholte Kennedy ihre Worte und ging mit Xander am Tisch von Weatherby vorbei und beide verließen sie die Bar.
 

„Sehen Sie.. auch die Jägerin ist bereit auf neutralem Boden zu verhandeln." Der T'alun lehnte sich zurück und enthüllte einen blau schimmernden Hals. Weatherby starrte ihn voller Hass an.
 

„Ich bin nur hier, weil man es mir aufgetragen hat."
 

„Sicher..."
 

„Es spielt keine Rolle. Irgendwann geht der Laden hier hops," Weatherby stand auf. „Muss ich sonst noch etwas wissen?"
 

„Nein. Außer - suchen sie den Meister der Vampire und sie finden den Talisman."
 

Weatherby nickte kurz angebunden und ging.
 

+++
 

England. Notting Hill.

Neues Ratsgebäude.
 

Der Raum war in Bewegung - es war laut und stickig. Stimmen schwirrten umher und manch einer der Wächter sprang auch schon einmal in Erregung vom Stuhl auf.

Willow war so nahe daran den einen oder anderen Zauber anzuwenden, um entweder die Streithähne zum Schweigen zu bringen oder wenigstens die Luft auszutauschen.. aber Giles hätte sicher etwas dagegen gehabt.

Willow schloss die Türe hinter sich und obwohl sie noch in Gedanken bei Dawn war, wanderte ihr Blick über die Köpfe der zehn Frauen und fünfzehn Männer am langen Tisch bis sie Giles müdes Gesicht entdeckte. Als einziger nahm er von ihr Notiz und blickte zu ihr. Er winkte sie zu sich.
 

„Wir sind zu wenige. Einfach zu wenige," jammerte ein junger Mann im dunkelblauen Anzug und einer quietschgelben Krawatte. Er schenkte Willow einen kurzen, kritischen Blick, als sie an den Stühlen vorbei auf Giles zu ging.
 

„Bradshaw hat recht. Und dazu ist unsere Ausrüstung sehr dürftig." Gab ein älterer Mann mit grauen Schläfen zu bedenken. „Die gesamte Bibliothek, die Waffen- und Artekfaktsammlungen, unsere Datenbänke und Archive..."
 

„Die Datenbänke wurden gesichert, Lenhardt," warf Giles so erschöpft ein, wie er aussah. „Der Server stand Gott sei Dank nicht in der Zentrale."
 

„Aber das ist zu wenig...," versuchte es Lenhardt weiter.
 

„Wir schaffen es nie," mischte sich eine der Damen ein.
 

„Was gibt es Giles?" Willow war an seinen Platz herangetreten und ignorierte die Stimmen.
 

„Ich brauche eine Pause und ich würde dir auch gerne jemanden vorstellen." Giles rieb sich mit einer Hand über die Stirn, während er sich mit der anderen die Brille absetzte. Er rieb sie mit Zeigefinger und Daumen die Augen und massierte sich kurz den Nasenrücken. Müde Augen blickten ihr entgegen, als Giles die Brille wieder aufsetzte. „Wir drehen uns hier im Kreis... langsam aber sicher bin ich mir nicht mehr so sicher darüber, ob wir in den nächsten Tagen wirklich alle zurückfliegen sollten."
 

„Xander vertritt Sie in Cleveland sicher gerne noch ein paar Tage mehr," Willow grinste. „So viel Verantwortung hatte er schon lange nicht mehr, seit seine Stelle in Sunnydale wegen Abbruchaufträgen gestrichen wurde."
 

Giles brachte ein kleines, müdes Lächeln zustande. „Er hat wenigstens in Cleveland eine ähnlich gute Position gefunden. Das ist der Vorteil, für ein bekanntes, nationales Unternehmen zu arbeiten." Giles war wirklich froh, dass Xander so ohne Probleme in seinen alten Job zurückgefunden hatte. Das bedeutete eine Sorge weniger. „Und noch haben wir ein paar Tage und auch wenn wir uns noch immer über grundlegende Dinge streiten, so gab es immerhin ein paar sinnvolle Beschlüsse. Ich sollte einfach versuchen das Positive zu sehen," er lehnte sich im Stuhl zurück und straffte seine Schultern, um die Verspannungen los zu werden.
 

Willow nickte. „Und wen wollen Sie mir vorstellen?"
 

„Oh, eine alte Freundin. Sie telefoniert gerade," er sah auf die Uhr. „Sie wollte in ein paar Minuten wieder hier sein."
 

„Das bringt doch alles nichts," der junge Mann namens Bradshaw war plötzlich vom Stuhl aufgesprungen und blickte wütend in die Runde. Giles sah Willow entschuldigend an und stand ebenfalls auf. So viel zu seiner Pause.
 

„Was bringt nichts? Das wir uns hier über Kleinigkeiten streiten? Richtig. Uhm w-wir sind uns doch alle einig, dass wir mit der neuen Situation irgendwie umgehen müssen. Wenn wir hier darüber streiten, woher das Geld kommt, nachdem der größte Teil der einflussreichen Wächter bei der Explosion ums Leben kam, wie wir unsere Bibliothek wieder aufbauen, unser Informationsnetz.. uhm...dann sind wir den Jägerinnen keine große Hilfe. Sie sind da draußen alleine auf sich gestellt. Wissen nicht mit ihrer Kraft umzugehen oder mit den plötzlichen Angriffen von einem Vampir oder Dämon. Wie viele sind seit dem Opfer ihrer Angreifer geworden? Fünf, zehn oder sind es inzwischen zwanzig?" Giles Hand machte dabei eine runde Bewegung hinter sich, wo eine große Tafel stand, an die eine Weltlandkarte geheftet hing. Kleine, rote Fähnchen kennzeichneten die Jägerinnen, sofern sie von ihnen erfahren hatten. Schwarze Fähnchen kennzeichneten Verluste und grüne wiederum die Handvoll Wächter, die sie bereits auf die viel zu vielen freien Stellen gesetzt hatten. „Unsere Aufgabe ist es in das ganze Chaos Ordnung zu bringen."
 

„Ganz richtig. Aber wie ich Rupert kenne, hat er Ihnen allen bis jetzt vorenthalten, dass die Versicherung eine gewaltige Summe auf das Konto des Rates überwiesen hat - für die Verluste, die wir erlitten haben." Die Türe war aufgegangen, ohne dass es jemand bemerkt hatte und eine große, schlanke Frau, mittleren Alters war in den Raum getreten. Willow beobachtete wie Giles Gesicht trotz Erschöpfung ein ungewohntes Lächeln zustande brachte. Es wirkte so echt, so warm und auch amüsiert. Sie wusste nicht, wann sie ihn das letzte Mal so gesehen hatte.
 

Die anderen hatten ihre Köpfe gedreht, Bradshaw hatte wieder Platz genommen und es war sehr still im Raum geworden.
 

„Ich dachte mir, ich hebe mir die einzige positive Nachricht für den Zeitpunkt auf, an dem die ersten verzweifelt aus dem Fenster springen." Giles verließ seinen Standplatz am Tisch und eilte auf die dunkelhaarige Frau zu. „Schön das du es endlich geschafft hast." Er führt sie zu seinem Platz, an dessen Seite noch ein Stuhl frei war und bot ihn ihr an.
 

„Danke," sie setzte sich und warf Willow ein freundliches Lächeln zu. „Aber ich denke wir halten uns nicht mit langen Höfflichkeitsfloskeln auf und kommen gleich zum Punkt?"
 

„Uhm, ja sicher." Giles spielte nervös an seiner Brille herum und blickt in die endlich... endlich ruhige Menge am Tisch. „Die meisten kennen Miss Usher nicht persönlich, aber wir wissen alle, dass sie aus einem alten Wächtergeschlecht kommt. Leider ist ihr Vater bei der Explosion ums Leben gekommen." Giles machte eine kurze, taktvolle Pause und über das Gesicht der Wächterin huschte ein Schatten. Sie senkte ihren Blick und Giles fuhr berührt fort. „Doch sie ist bereit für unsere Sache in seine Fußstapfen zu treten und mir dabei zu helfen, nun uhm... Ordnung zu schaffen."
 

Willow zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Giles suchte Hilfe von außerhalb? Nein halt.. außerhalb war es ja nicht unbedingt... konnte sie es fremde Hilfe nennen? Hatte sie nicht immer geglaubt, er würde das alles alleine angehen ? Niemanden dabei haben wollen, der ihm auf die Finger sah und versuchen würde den Rat wieder zurück zu den alten Traditionen zu führen? Durfte sie schon so vorschnell urteilen, bevor sie mehr von dieser Usher wusste?
 

„Ordnung ist das richtige Wort," übernahm Usher an dieser Stelle das Wort und Giles ließ sich mit einem dankbaren Seufzer auf seinen Stuhl sinken. „Die Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben. Gut und Böse hält sich gewissermaßen in einem leichten Gleichgewicht, aber wir Wächter sind dafür zu wenige. Wir müssen neue rekrutieren, Wächteranwärter, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, so sehr das einigen vielleicht wiederstrebt," baute sie Einwände vor. „Mister Giles hat mit seiner Idee und seiner Vorarbeit ein kleines Wunder geschaffen. Die Zweigstellen arbeiten bereits auf Hochtouren. Auch wenn im Moment auf einen Wächter zwanzig Jägerinnen kommen, sollte sein Werk nicht nur weil die von ihm gewählten Führungspositionen sich nicht mutig an neuen Entscheidungen versuchen möchten, zerstört werden."
 

Giles fühlte sich von ihren Worten geschmeichelt. Ein wenig waren sie auch wie Balsam. Nach all der Kritik und Streiterei eine kleine Wohltat.
 

Usher sah inzwischen die Wächter einen nach dem anderen an und zwang sie zu einen verneinenden Kopfschütteln.
 

Willow war beeindruckt. Offensichtlich hatte Giles mit seinen Bedenken recht gehabt, nämlich das viele erst auf die Worte eines Wächters hören würden, der einst Einfluss gehabt hatte, der es gewohnt war an Führungspositionen zu stehen. Giles brachte nur die Erfahrung von der Front mit, konnte einige Wächter in seiner Familie nachweisen, aber trotzdem galt er unter den meisten älteren noch immer als freidenkend. Wenn Willow es höflich ausdrücken wollte. Dieser Lenhardt aus Deutschland zum Beispiel hatte seit seiner Ankunft im neuen Rat nichts unversucht gelassen, um Giles das Wasser abzugraben. Diese Usher schien zu wissen, wie sie die Streithähne nehmen musste. Vielleicht lag es auch an ihrem recht beeindruckenden Auftreten. Sie bewegte sich selbst im Sitzen mit den spärlichen Gesten elegant und anmutig, ihr schlanker Körper wirkte durchtrainiert, die gebräunte Haut hatte genau den Teint des Vornehmen und ihr Blick mit den großen, braunen Augen spiegelte eine gesunde Mischung aus Sanftheit und Entschlossenheit wieder. Und ihr Blick war zudem ausgesprochen hell und wach. Wenn sie sprach hatte sie trotz dem vornehmen Britisch ein angenehmes Timbre, aber ließ im Hintergrund den gewohnten arroganten Tonfall nicht vermissen. Willow seufzte, als sie begann das lange Haar zu bewundern. Sie wollte gar nicht wissen, welche Wirkung Usher auf manchen der Herren hier im Raum hatte, wenn sie schon beeindruckt war.
 

„Na wunderbar... dann sind wir uns doch sehr schnell einig geworden und können Mister Giles weiter reden lassen?"
 

Die Runde nickte. Usher sah Giles mit einem breiten Lächeln an und er nickte ihr dankend zu, ehe er seine Papiere wieder ordnete und das Wort ergriff.
 

„Wir sind für heute auch fast schon am Ende," stellte er seinen Kollegen in Aussicht. „Jetzt da Sie wissen, dass wir gut bei Kasse sind, um uns Bücher, Waffen und ein neues Archiv zu leisten, könnten wir zu der von mir angesprochenen Abstimmung kommen? Robin Wood ..."
 

„Wood?" Usher sah zu Giles. „Doch nicht etwa der Sohn von Nikki Wood?"
 

Giles nickte geistesabwesend und bemerkte nicht das leichte Zögern in Ushers Stimme.
 

„Welche Abstimmung?"
 

„Ob wir ihn für drei Jägerinnen in Amerika zum Wächter machen. Er ist bereits mit ihnen seit drei Monaten unterwegs. Und er bringt alle Erfahrungen mit sich, die er in einer solchen Situation braucht. Er wurde von Nikkis Wächter..."
 

„Ich kenne die Geschichte," fiel Usher Giles ins Wort. „Aber das ist nicht dein Ernst?"
 

„Natürlich," gab Giles etwas gekränkt zurück. „Wir brauchen jeden Mann und jede Frau..."
 

„Wood wurde nicht in einer Wächterfamilie geboren. Er hat keine Referenzen."
 

„Ich sagte doch.. wir brauchen jeden, der nur in Frage käme. Und Wood bringt alles mit. Spielt Herkunft eine solch große Rolle?"
 

Der Rest im Raum verfolgte schweigend das kleine Wortduell. Manch einer von ihnen sogar mit einem schadenfrohen Lächeln auf den Lippen.
 

Giles und Usher sahen sich einen langen Moment in die Augen, als würden sie den Kampf stumm mit einem einzigen Blick ausfechten, ehe Usher theatralisch seufzte und mit den Schultern zuckte. „Du hast ja recht. Und nein natürlich nicht." Sie wog ihre nächste Antwort ab, als würde davon die Abstimmung abhängen. „Gut... lassen wir seine Herkunft einmal außen vor und betrachten nur seine Fähigkeiten. Stimmen wir darüber ab?"
 

Zustimmendes Gemurmel und Giles ließ einen leisen, kaum hörbaren Seufzer über seine Lippen kommen.
 

+++
 

Cleveland

City
 

Weatherby stand mit dem Rücken zur Strasse in der offenen Telefonzelle. Während er der Stimme am anderen Ende lauschte, machte er sich mit der freien Hand einige Notizen in ein kleines Adressbüchchen. Der Kugelschreiber wanderte plötzlich in seine Innentasche, er klappte das Buch zu und seine Schultern strafften sich.

Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sich Weatherby, dass er noch immer alleine war und das Gespräch von niemanden mitgehört wurde.
 

Er nickte. „Ist gut. Ich habe verstanden. Der Talisman hat höchste Priorität. Soll ich die Jägerin... okay... ja ich verstehe... Sie hören wieder von mir. Bye." Er legte auf, lauschte dem Durchfallen der Münzen und verließ die Telefonzelle. Er steckte sein Adressbuch zu dem Kugelschreiber in die Innentasche und hob seinen Blick. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein gigantisches Hochhaus. Es wirkte selbst bei Tageslicht noch beeindruckend mit seinen fünf aufgeteilten Rippen, völlig verglasten Frontseiten und dem gläsernen Treppenhaus.
 

Weatherby lächelte. „Nun dann wollen wir mal...", noch hatte er Zeit. Noch war die Sonne nicht untergegangen. Er überquerte die Strasse und schlenderte auf das Gebäude zu.
 

+++
 

England. Notting Hill.

Neues Ratsgebäude.
 

„Lily Usher? Willow Rosenberg," Giles stand zwischen den beiden Frauen und machte sie miteinander bekannt. Die beiden reichten sie die Hände, während hinter ihnen sich der Sitzungssaal zu leeren begann.
 

„Ich bin sehr erfreut Sie endlich zu treffen. Rupert hat mir eine Menge von Ihnen erzählt, Miss Rosenberg."
 

„Willow reicht," lächelte die Hexe. „Das andere klingt so ungemein erwachsen." So Giles hatte von ihr erzählt? Wann? Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass Giles Zeit für Treffen mit alten Freunden gehabt hätte. Und was hatte er über sie erzählt? Nur Gutes oder schloss es auch die Ereignisse nach Taras Tod ein. Sie sah unsicher zu Giles, der lächelte.
 

„Keine Angst, Willow. Ich habe Lily nur das Beste von dir erzählt. Allerdings mit ein paar Einschränkungen. Braucht jetzt jemand auch einen Drink?" Die beiden Frauen lehnten ab und Giles ging zu einem Schränkchen neben der Tafel mit der Jägerinnen-Übersicht. „So langsam machen mich unsere Kollegen fertig," Giles öffnete das Schränkchen und entnahm ihm ein Glas und eine Flasche Scotch.
 

„Noch immer dieselbe Marke," schmunzelte Lily.
 

Giles lächelte und nickte, während er sich das Glas zwei Fingerbreit füllte.
 

Willow kam sich ein wenig außen vor. Offensichtlich bezog sich das „alte Freundin" wirklich nicht nur auf „flüchtig" oder „von früher". „Einschränkungen," murmelte sie fragend. Was für Einschränkungen?
 

Lily Usher sah zurück zu Willow. „Machen Sie sich keine Sorgen. Rupert hat mir zwar von den Vorfällen vor zwei Jahren berichtet, aber ich gehöre zu niemanden, der vorschnell urteilt oder verurteilt. Jetzt, mit Ihrer neuen Gabe, sind sie zu einem wichtigen Teil des Rates geworden. Da sollte die Vergangenheit keine Rolle spielen. Das weiß niemand besser als Rupert und ich."
 

Willow zog überrascht die Augenbrauen hoch. Was meinte sie damit? Leider folgte keine nähere Erklärung der Worte, weil sich Giles mit einem Räuspern einmischte und weitere, interessante Einzelheiten unterband.
 

„In der Tat ist Willow für den Rat mehr geworden, als nur ein wichtiger Teil. Wenn ich es richtig verstanden habe, IST Willow der Rat. Oder jedenfalls ein Teil davon, was ihn ausmacht, was ihn die vielen Jahre über hat funktionieren lassen und was ihn am Leben erhielt." Giles trank einen Schluck. „Es ist überaus bedauerlich, dass Buffy nicht mehr Zeit gehabt hatte mit der Hüterin zu sprechen. Wir wissen darüber absolut nichts."
 

Auf Lilys Gesicht schlich sich ein feines Lächeln. „Wer sagt das?"
 

„Die zerstörte Bibliothek, die vielen eingeweihten aber toten Wächter?" Gab Giles zu bedenken, ohne den veränderten Gesichtsausdruck als das zu deuten, was er war.

Lily lachte. „Ja sicher. Aber denkst du nicht, dass einige der Wächter bei sich zu Hause Aufzeichnungen aufbewahrten, Kopien oder Abschriften alter Legenden? Der Entstehungsgeschichte des Rates?"
 

Hoffnung machte sich in Giles Blick breit, als er von seinem Glas aufsah. „Du meinst dein Vater..."
 

„Genau, das. Aber," gab sie gleich zu bedenken. „Er hat seine Kopie an einem sicheren Ort verwahrt. Alles was ich weiß und besitze ist ein Schlüssel zu einem Schließfach und das sich das Schließfach, so merkwürdig wie es ist, in Amerika befindet."
 

Die Hoffnung war so schnell erloschen, wie sie aufgeflammt war und Giles leerte sein Glas auf einmal. „Das bedeutet wohl eine lange Suche oder wir akzeptieren das Wenige, das wir über die Hüterinnen wissen."
 

„Das meine künftige Aufgabe der Schutz der Jägerinnen ist und ich dabei den Wächtern auf die Finger sehen darf?" Grinste Willow Giles an und erntete einen erschöpften aber doch belustigenden Blick. Er nickte mit einem Schmunzeln. „Ich kann es kaum erwarten."
 

„Wer weiß bereits davon?" Lily trat an die Tafel und besah sich mit einem Stirnrunzeln die roten Fähnchen. Es waren so viele...
 

„Von Willow? Außer uns noch niemand," gab Giles zu. „Ich wollte niemanden damit überrumpeln und so lange wir keine Fakten über die Hüterinnen haben, würde mir sowieso keiner Glauben schenken."
 

„Seit wann gehört Rupert Giles zu den Schwarzsehern?"
 

„Sie hätten ihn mal in Sunnydale erleben sollen," scherzte Willow.
 

„Ich für meinen Teil kenne nur den selbstsicheren, kritischen Rupert, der für seine Ansichten eintritt. Aufgeben ist keine Stärke von dir."
 

„Trotzdem.. du hast heute gesehen wie sich alle anschreien, wie sie sich streiten und wie gut ich sie im Griff habe." Sein Lächeln war wehmütig.
 

„Du machst das ganz fantastisch. Und niemand sonst hatte den Mut dazu von vorne anzufangen. Vergiss das nicht. Wir brauchen den Rat. Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen."
 

Willows Meinung über die Wächterin wurde zusehenst besser. Ihre Worte schienen genau das zu sein, was Giles die letzten Tage über gebraucht hatte. Er wirkte zwar noch immer müde und erschöpft, aber auch etwas entspannter. Ihre Neugier auf die gemeinsame Vergangenheit der beiden wurde größer. Aber natürlich behielt sie Fragen deswegen bei sich.
 

„Ich mache euch beiden einen Vorschlag - ihr fliegt wie geplant nach Amerika und kümmert euch dort um unsere wohl größte Filiale während ich hier versuche die Stellung zu halten? Sobald alles geregelt ist, komme ich nach und versuche dir in den Staaten unter die Arme zu greifen? Nebenbei können wir das Schließfach irgendwie suchen. Ohne mich kommt ihr an den Inhalt nicht ran."
 

Giles dachte über den Vorschlag nach. Die Zahl der verstreuten Wächter in den Staaten war im Verhältnis zu Europa um einiges größer. Auch die dortigen Jägerinnen unterlagen nur knapp der Zahl in Asien. Hilfe war immer willkommen. Und es war ja nicht so, dass er mit Lily darüber nicht schon öfters diskutiert hatte. Davon wusste Willow zwar nichts und sie würde über seine Entscheidung erstaunt sein, aber Zeit für Erklärungen hatte er noch immer.

„Einverstanden," Giles stellte das geleerte Glas ab und ignorierte Willows fragenden Blick.
 

„Wer hat Lust auf ein verspätetes Frühstück?" Lily war bereits an der Türe.
 

„Sie ist nett," flüsterte Willow Giles zu und nickte Lily mit einem Lächeln zu.
 

„Und sehr kompetent," räumte Giles mit seiner gewohnten schlichen Art ein und ließ Willow den Vortritt, als sie Lily folgten.
 

+++
 

Cleveland

Xanders und Andrews Wohnung.
 

„Wieso darf ich nicht mit?" Andrew stellte die Tüte auf den Couchtisch ab und sah Xander fast flehend an, während sein Ton sich aufs Betteln verlagerte. „Ich könnte euch helfen?" Dabei zupfte er nervös am Saum seines roten Hemdes.
 

Xander sah in die Tüte. „Ich hoffe meine hat wieder eine extra Portion Käse?" Er sah kurz zu Andrew hinüber, der in seiner roten Pizzauniform wie ein Tomate aussah. Xander grinste und rief einen fragenden Ausdruck auf Andrews Gesicht.
 

„Ja ja, sicher," sagte Andrew leicht gereizt. „Also was ist jetzt?"
 

„Was ist jetzt was?" Xander holte die Pappschachtel heraus und öffnete sie.
 

„Wegen nachher..."
 

„Ach so - nein."
 

„Nein!" Andrews Stimme überschlug sich ein wenig und Xander befürchtete einen von Andrews leicht hysterischen Anfällen, an die er sich in den letzten Monaten gewöhnt hatte. „Habe ich heute Morgen nicht bewiesen, dass ich kämpfen kann?"
 

"Du hast geholfen ja, und dann einem Vampir ein Bein gestellt und dich über seinen Fall zu Boden so gefreut, dass du mit dem Kopf gegen einen Balken gerannt bis und für fünf Minuten im Reich der Träume warst. So etwas können wir uns heute Nacht nicht leisten. Zudem riechst du nach Olivenöl, Salami und Fett."
 

Andrew machte ein beleidigtes Gesicht und warf sich auf das Sofa, das quietschend protestierte. „Als würde das eine Rolle spielen."
 

„Eine große. Willst du das man uns schon auf zig Metern am Geruch erkennt?"
 

„Ich dusche..."
 

„Dafür haben wir keine Zeit." Xander biss herzhaft in ein Stück Pizza.
 

„Aber fürs Essen."
 

„Ich muss mich stärken."
 

„Du benimmst dich doch nur so, weil du denkst, weil du den besseren Job hast als ich, und das meiste bezahlst, kannst du mich herumkommandieren."
 

„Das ist nicht wahr."
 

„Ach nein?"
 

„Nein."
 

„Doch. Du klingst wie... wie... wie... so gönnerhaft wie Batman zu Robin."
 

„Lass Batman aus dem Spiel." Xander schob die Pizza zusammengerollt in den Mund.
 

„Gott Jungs, ihr hört euch wirklich wie ein lang verheiratetes Paar an."
 

Die beiden fuhren zu Kennedy herum, die unbemerkt hereingekommen war.
 

„Herrje... kannst du dir das Anschleichen abgewöhnen?" Xander griff sich grinsend ans Herz. „Mir reicht ein Ersatzkörperteil. Noch einen Herzschrittmacher überlebe ich nicht."
 

„Aber ist doch wahr," nörgelte Andrew weiter, ohne auf Kennedy einzugehen. „Ich muss öfters als du den Müll rausbringen. Du spülst nie ab und aufräumen soll ich auch noch übernehmen."
 

„Was du offensichtlich nicht so genau nimmst," Kennedy ließ ihren Blick durch den Saustall schweifen.. leere Pizzaschachteln, Colabecher diverser Fast Foodketten, alte, gelesene Zeitschriften, ein großer, unordentlicher Haufen Comics, Wäschestücke, von denen sie gar nicht wissen wollte, wie langes sie schon in der Ecke lagen und benutztes Geschirr.
 

„Und denk bitte an die Kinder, Schatz," grinste Xander und deutete zu Andrews Sammlung an Star Wars Figuren. „Sie sollen den Streit nicht schon wieder mitbekommen."
 

„Sehr witzig." Andrew zog einen Schmollmund. „Dann bleibe ich eben hier. Dann rufe ich für euch keinen Dämon herbei, der die Spur der Vampire aufnehmen könnte."
 

Xander und Kennedy sahen sich an. „Du kannst was?" Fragten sie gleichzeitig. Andrews Lippen verzogen sich zu einem kleinen, siegesreichen Lächeln.
 


 

+++
 

Interstate, Mississippi
 

Sie waren wieder auf Achse. Auf einer kurvenreichen, asphaltierten Interstate Richtung Ostküste. Langweilige Wälder zogen an ihnen vorbei, unterbrochen von grünem Weideland. Kühe und vereinzelte Pick-Ups waren ihre einzigen Begleiter.

Robin saß aufrecht am Steuer. Unermüdlich wie in den ganzen letzten Wochen - nein Monaten - zuvor. Faith saß schräg hinter ihm in der ersten Sitzreihe und hatte mit der Müdigkeit zu kämpfen, die von den vielen kurzen Nächten und dem monotonem Hämmern des Motors herrührte. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, woher Robin die Kraft nahm munter zu bleiben. Und so optimistisch.
 

Hinter ihnen stritten Ronah und Vi über den letzten Schluck Orangensaft. Es wurde Zeit, dass sie ihre Vorräte auffüllten. Doch das Geld wurde langsam knapp. Der letzte Scheck von Giles - oder besser gesagt vom Rat, lag schon einige Wochen zurück. Faith seufzte. Das Leben auf der Strasse war nichts neues für sie, doch hier in dem engen Bus, zu viert - war mehr als sie eigentlich vertrug. Und das sie anfing von den Schecks abhängig zu werden, missfiel ihr ganz schwer. Sie würde später Robin bitten in England anzurufen und Druck zu machen. Wenn sie hier verhungerten, war das sicher nicht ihrem Kampf gegen das Böse sehr dienlich.
 

Ronah schien gewonnen zu haben, wenn Faith den Aufschrei richtig deutete und grinste. Sie stand auf.
 

„Willst du auch was zu trinken?"
 

„Ein Wasser wäre nett," sagte Robin ohne den Blick von der Strasse zu nehmen.
 

„Okay...," Faith Ton schien auszudrücken, wie langweilig sie seinen Wunsch fand aber sie verzog sich schnell in den hinteren Teil des Busses, in dem ihre provisorische Küche untergebracht war, bevor Robin sich mit fragendem Blick zu ihr umdrehen konnte.

Sie näherte sich dem alten Kühlschrank, von einem Schrotthändler in einem Kaff namens Walnut Grove in Kalifornien, der sie alle bisher noch nicht in Stich gelassen hatte. Auch wenn Vi noch heute Misstrauen gegenüber seiner Funktionalität äußerte. Er brummte vielleicht ein wenig zu laut und die dreckigen Flecken waren trotz mehrmaligen scheuern nicht weg zu bekommen. Aber Faith war ihm jedes Mal sehr dankbar, wenn sie wie jetzt eine eiskalte Dose Coors herausnahm und für Robin die Wasserflasche. Das Innere prangte ihr bis auf ein Stück Käse, einigen Dosen Bier und Wasser leer entgegen.
 

Sie warf die Türe zu und schwankte bei dem Versuch das Gleichgewicht zu halten nach vorne, vorbei an der Sitzgruppe, auf der Ronah und Vi lümmelten und an den Schlafkojen der beiden, bis sie ihre Sitzreihe wieder erreicht hatte.
 

„Wir müssen einkaufen," sagte sie bei Robin angekommen und setzte sich wieder.
 

„Faith, die furchtlose Jägerin, macht sich über solche banalen Dinge Sorgen?" Robins ironische Worte wurden von einem liebenswürdigen Lächeln gemildert. Faith reichte ihm die Flasche und verzog das Gesicht.
 

„Du kennst meinen Heißhunger nach der Jagd." Mit einem lauten „Knack" und „Zisch" ließ Faith ihre Bierdose sich öffnen.
 

„Allerdings," Robin hatte ein breites Grinsen im Gesicht stehen. „Ich rufe Giles später an und werde wegen dem Scheck nachfragen. Die zuständigen Stellen wussten vorgestern von nichts. Ist sicher nur ein Fehler gewesen." Er warf kurz einen strengen Blick auf die Dose. „Soll das zur Gewohnheit werden?"
 

„Willst du mich erziehen?"
 

„Nein."
 

„Dann lass es."
 

Das Schweigen zwischen ihnen, das sich ausbreitete wurde unangenehm, aber keiner der beiden wollte etwas dagegen unternehmen, während im Hintergrund bereits eine neue Schlacht ausgebrochen war.. um das letzte Stück Käse.
 

+++
 

Cleveland.

Alte Lagerhalle.
 

„Jetzt bin ich auf einmal wieder gut genug," murmelte Andrew und kniete dabei in einem Kreis aus Tierknochen. Ein äußerer Ring bestand aus Kerzen, die brannten und die Umgebung ein wenig erhellten.
 

„Hör auf zu jammern und sei froh, dabei zu sein," Xander gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und verließ den Kreis, in den er mit Tierblut ein merkwürdiges Zeichen gemalt hatte. Ganz nach Andrews Anweisungen.
 

Xander und Kennedy standen dicht zusammen, als Andrew die Augen schloss, die Hände nach oben drehte und einen konzentrierten Ausdruck annahm.
 

Gespannt warteten sie auf mystische, unheimliche Worte, ein gemurmeltes Ritual... doch statt dessen öffnete Andrew wieder die Augen, stand auf und verließ den Kreis.
 

„Was machst du da?"
 

„Den Dämon herbeirufen."
 

„Wie..."
 

Andrew griff in seine Hosentasche und zog seine Panflöte hervor.
 

„Was sollte dann der ganze Unfug hier?"
 

„Ich fand das sooooo cool," schwärmte Andrew. „Und ich wollte schon immer einmal ausprobieren wie das ist, in einem magischen Kreis..."
 

„Ich bringe ihn um..."
 

Xander hielt Kennedy am Arm zurück.
 

Andrew wich automatisch nach hinten aus und sah misstrauisch zu Kennedy, die von Xander nur mit Mühe zurück gehalten wurde. Er schluckte hart und versuchte sich wieder auf das Herbeirufen des Dämons zu konzentrieren. Er setzte die Flöte an seinen Lippen an und ließ zwei Töne erklingen, die leise und nicht sehr melodisch waren. Er wiederholte die beiden Töne und setzte dann die Flöte wieder ab. Es folgte unverzüglich ein lauter Knall und eine gewaltige Staubwolke stieg auf. Als sich der Rauch verzog und der Staub legte, stand ein Dämon vor ihnen und blinzelte verwirrt.
 

„Seht ihr.. ich hab doch gesagt, ich kann so was." Andrew suchte nach Beifall, aber keiner der beiden nahm Notiz von ihm, sondern bestaunte den kleinen Dämon, der ihnen bis zur Hüfte ging, völlig orange im Kerzenlicht glänzte und einen langen, breiten Schwanz hatte, der hinter ihm nervös zuckte.
 

Andrew zuckte niedergeschlagen mit den Schultern und ging zu den anderen. „Gut.. also.. uhm.. such!"
 

„Such?" Xander runzelte die Stirn.
 

„Oder wisst ihr vielleicht etwas besseres?"
 

„Ich dacht du weißt was du tust?" Kennedy trat näher an den Dämon heran, der nach hinten auswich.
 

„Eh.. ich kann Dämonen herbeirufen und meist auch mit ihnen sprechen... aber alle Sprachen kann ich nicht. Wäre Jonathan jetzt hier.. er hätte einen Zauber gewusst, um sich mit dem Kleinen da zu unterhalten." Erklärte Andrew mit wehmütigem Gesichtsausdruck, als er Jonathan erwähnte und dabei an eine Zeit zurück denken musste, als die Welt für ihn noch in Ordnung zu sein schien.. als er sich noch keine Gedanken über Recht und Unrecht machen musste, oder einfach darüber wer am nächsten Tag die Brötchen bezahlte.
 

Xander seufzte. „Vielleicht versteht er ja unsere Sprache?" Xander kramte aus einer Tasche zu ihren Füssen ein dreckiges Stück Stoff hervor, dass sie aus dem Haus der Vampire mit genommen hatten.. für den Fall, dass sie es irgendwie noch gebrauchen konnten.
 

„Kannst - du - uns - zu - denen - führen?" sprach er eher betont weiter. Der Dämon wendete seinen Kopf, sah Xander aufmerksam an und begann an dem Stofffetzen zu schnüffeln, als hätte er tatsächlich verstanden. Er drehte sich plötzlich herum und lief dann einfach los. „Hinterher?" Die drei sahen sich an und rannten mit ihren Waffen los.
 


 

+++
 

Australien

Atherton Tablelands
 

Buffy stand in der Höhle, von der ihr Reiseleiter erzählt hatte, das sie eine Bedeutung in der Traumwelt der Aborigines spielte. Buffy wanderte herum und betrachtete sich die Zeichnungen an den Wänden.. rotbraune Hände, die in einem scheinbar wilden Durcheinander über einen Teil der Wand verstreut waren, etwas das nach einem Känguru aussah, Fische in allen Größen, in rot und gelben Erdtönen mit detailliertem Grätenaufbau... Sie war seit sie hier hereingekommen waren so fasziniert gewesen, dass ihr die Sache mit der Ähnlichkeit des Reiseleiters kurz aus dem Gedächtnis gekommen war. Um so mehr zuckte sie erschrocken zusammen, als er hinter ihr plötzlich das Wort ergriff.
 

„Was macht ihre Wunde?"
 

„Wie?" Buffy fuhr herum und langte sich instinktiv an die Stelle, an der sie der Wurfstern vor ein paar Tagen im Kloster erwischt hatte und jetzt von einem lavendelfarbenen T-Shirt verdeckt wurde.
 

„Ihre Wunde... neulich."
 

„Ha.. ich wusste es doch," sie sah ihn mit verengten Augen an. „Was machen Sie hier? Verfolgen Sie mich?"
 

Der Mann lachte. „So einfach ist das nicht. Kommen Sie.. ich zeige ihnen etwas."
 

Buffy blieb wo sie war und sah dem Mann hinterher, der kurz darauf bemerkte, dass ihm die junge Frau nicht folgte, stehen blieb und sich herumdrehte. „Kommen Sie schon.. ich beiße nicht."
 

„Oh das glaube ich Ihnen gerne.. zu viel Sonnenlicht."
 

„Wie?" Er sah sie irritiert an.
 

„Insiderwitz," Buffy ging ihm schließlich nach. „Und was wollen Sie mir zeigen?"
 

„Etwas, das Ihnen hilft zu verstehen."
 

„Und wieso ausgerechnet mir?" Buffy war sich mehr als bewusst, dass hier etwas vor sich ging, dass eine Jägerinnenangelegenheit war. Aber es gab jetzt doch so viele.. wieso konnte man sie nicht einmal in Ruhe lassen!
 

„Weil Sie die einzige sind, die genug Erfahrung hat." Er führte sie weg von der Gruppe in einen hinteren Teil der Höhle. „Sehen Sie die Zeichnungen?" Er deutete an die Wand und hoch zur Decke.
 

Buffy entdeckte die üblichen Zeichnungen, Hände, Fische, Jagdzeichnungen.
 

„Ja und..."
 

„Sehen sie dort...," er zeigte auf eine Stelle. Buffy strengte sich an. Die Zeichnung war verschwommen. Aber sie glaubte eine Gruppe Reiter zu erkennen. „Die Jagdzeichnung?"
 

„Das ist mehr als eine Jagd.. berühren Sie die Zeichnung und schließen Sie Ihre Augen..."
 

Buffy runzelte die Stirn und fragte sich, ob sie das Richtige tat. Trotz anfänglichem Zögern kam sie schließlich der Aufforderung nach. Als ihre Hand den Fels berührte, stellte sie überrascht fest, das er kühl und glatt war. Nicht wie erwartet rau oder von der Hitze draußen mit Wärme aufgeladen.
 

Eine Antwort wurde ihr von einem Ruck, der durch ihren Körper ging, gegeben. Vor ihren Augen gleißte helles, grelles Licht auf. Die Menschen um sie herum gerieten in Vergessenheit und auch wenn Buffy wusste, dass hier Dinge geschahen, die nicht normal waren, musste sie es zulassen. Es geschah ohne Zwang und doch konnte Buffy sich nicht dagegen erwehren. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich ihre Faszination und ihr Unglaube wieder.

Auf einmal erfüllte sie das Licht, als würde sie von innen heraus strahlen und Wärme machte sich in ihr breit. Dann war es vorbei und Buffy öffnete vorsichtig die Augen. Sie stand auf einer Wiese. Nein.. Prärie verbesserte sie sich in Gedanken. So weit ihr Auge reichte, unterbrach kein Baum, kein Gebüsch oder ein Zeichen von Zivilisation die Weite. Eine sanfte Brise spielte mit ihrem langen Haar.
 

Noch einmal wurde Buffy von dem Licht geblendet und als sie wieder sehen konnte, stand sie noch immer auf der weiten Prärie, nur lag vor ihr jetzt ein Dorf. Es hatte etwas friedvolles an sich, mit den feinen, dünnen Rauchsäulen, die aus Öffnungen der Strohdächer abzogen, den spielenden Kindern vor dem wackligen Tor, die Schweine, die sich drum herum suhlten... Licht blendete Buffy und sie blinzelte. Das Dorf lag noch immer vor ihr, es war Nacht und die sanfte Brise war zu einem lauten, fauchenden Wind geworden. Regen peitschte auf die Dächer der Häuser nieder. Große, schwere Regentropfen benässten Buffys Gesicht. Sie sah binnen weniger Minuten nur noch schemenhaft das Dorf, das hinter einem dichten, feuchten Vorhang verschwand. Das Wasser bildete zu Buffys Füssen tiefe Pfützen. Einen solch starken Regen hatte Buffy noch nie erlebt.

Aus der Ferne hörte sie ein tiefes Tosen und als sie ihren Blick in die Richtung des Geräusches wandte, sah sie eine gewaltige Flut auf das Dorf zurasen. Wie eine Sturmwelle begrub sie das Dorf unter sich. Buffy hatte dem Impuls den Dorfbewohnern zur Hilfe zu eilen, gerne nachgegeben, doch etwas hielt sie eisern davon ab. Sie konnte sich nicht bewegen. Erst da wurde es Buffy bewusst, dass sie nur stummer Beobachter eines längst vergessenen Ereignisses war.
 

Vom Dorf bewegte sich ein dunkler Punkt auf sie zu und um so näher er kam, desto breiter wurde er. Ein anderes Geräusch mischte sich dabei in die Schreie - Hufe, das Schnauben von Pferden, die aus geblähten Nüstern ihren Unmut über grobe Behandlung kund taten. Mit diesen Geräuschen vereint, formten sich aus der schwarzen, sich bewegenden Masse vier Reiter, die auf gewaltigen Streitrossen saßen und Unheil verkündend mit ihren Pferden über die Prärie auf Buffy zu jagten. Die Details nahm Buffy kaum wahr. Die Reiter, bis auf einen, waren für sie eine verschwommene Masse auf unterschiedlichen Pferden - ein Falbe, ein Schimmel und ein großer Schwarzer! Das vierte Pferd entzog sich ihrer Sicht. Der Reiter auf den sie sich konzentrierte, ritt an der Spitze und er kam ihr so bekannt vor... wie er mit seiner chinesischen Dämonenmaske ein Samurai-Schwert über seinen Kopf schwenkte und seinen Schimmel mit den Fersen antrieb.

Buffy erkannte, dass sie nicht ausweichen konnte... starrte fassungslos die auf sie zugaloppierenden Pferde an und wartete auf den unsausweichlichen Zusammenstoß. Doch das gleißende, weiße Licht, rettete sie vor diesem Schicksal.
 

Sie befand sich wieder in diesem kleinen Tempel am Bergsee in Xian Doch etwas war anders.. es war dunkler als bei ihrem letzten Besuch. Der Tempelraum wurde nur spärlich mit Öllampen erhellt. Sie war alleine und nur der offene Geheimgang zeugte davon, dass sie hier schon einmal gewesen war. Buffy wollte einen Schritt auf den Geheimgang zumachen und rechnete damit, sich wie zuvor bei dem brennenden Dorf nicht bewegen zu können. Doch hier war es anders - der erste Schritt löste eine wilde Bilderfolge vor ihren Augen aus, als säße sie in einer Achterbahn, oder würde mit ihren Augen einer wilde Kamerafahrt verfolgen müssen - so wurde sie die Treppen nach unten gerissen, sah ihren Kampf mit den Ninjas noch einmal, unterbrochen von kurzen Bildern, die ihr das Mosaik auf dem Boden zeigte und die Bilder an den Wänden. Auf einmal wurde sie nach hinten gerissen und sie befand sich wieder vor der kleinen Statue des Dämons. Des Reiters, den sie erkannt hatte.

Der Geheimgang war wieder geschlossen. Bevor Buffy weiter darüber nachdenken konnte, hielt sie erneut gleißendes Licht vor näheren Gedanken ab. Als sie die Augen wieder öffnete, schwebte das Gesicht des Reiseleiters direkt vor ihr. Seine forschenden Augen schienen bis auf ihre Seele hinab blicken zu können.
 

„Einer kam über sie, und alles was nach der Sintflut zurück blieb war reine Erde."
 

... und dann befand sie sich wieder in der Höhle. Alleine. Sie lag auf dem Boden, ihr Rucksack nur wenige Meter neben ihr. Mühsam kam sie auf die Beine. Was war passiert? Wo waren die anderen? Sie blickte um sich, aber die Reisegruppe war nicht mehr da und ihr Führer auch nicht.
 

War sie hier eingeschlafen? Hatte sie das Ganze eben nur geträumt?
 

Sie rieb sich über die Augen, die schmerzten, bückte sich nach ihrem Rucksack und ging zum Höhlenausgang. Während sie den Rucksack aufsetzte schüttelte sie über sich selbst den Kopf. „Na toll... Andrew hat mich ja gleich vor den giftigen Gasen in diesen Höhlen gewarnt." Sie sah etwas weiter vor sich, die kleine Gruppe Touristen zum Bus laufen. Also waren sie Gott sei Dank doch nicht ohne sie abgefahren. Die tropische Schwüle des Regenwaldes schlug ihr entgegen, als sie die Höhle ganz verließ. Kein Wunder, war sie erschöpft. Dieses Klima konnte kein normaler Mensch vertragen. „Wobei ich mir jetzt ernsthafte Gedanken darüber mache, woher Andrew das weiß...", sie schlitterte den Hang hinunter und holte auf. Sie verzog ein wenig das Gesicht. „Und diesen Gedanken streiche ich jetzt wieder ganz schnell. Ich bin im Urlaub. Keine Gedanken über Andrew. Keine über Ninjas, golden Statuen oder wirre Träume."
 

+++
 

Cleveland.

City.
 

„Wow!" Xander hob seinen Blick nach oben und bestaunte das hell erleuchtete Hochhaus.

Andrew und Kennedy an seiner Seite waren ebenso sprachlos und ließen ihre Augen nach oben wandern.
 

„Wo ist eigentlich der Dämon hin?" Xander riss sich zusammen und blickt um sich.
 

„Ich glaube er ist in dem Gebäude verschwunden.. „
 

„Nein in die Kanalisation," berichtigte Kennedy Andrew.
 

„Und das bedeutete jetzt? Der Vampirmeister ist in der Kanalisation oder hier," Xander deutete zu dem Hochhaus.
 

„Eine gute Frage. Folgen wir erst einmal dem Dämon," Kennedy ging voraus, überquerte mit ihnen die Strasse und erreichten den geöffneten Abstieg. Eine Wolke üblen Gestanks schlug ihnen entgegen.
 

„Ich gehe da nicht runter." Andrew verzog das Gesicht.
 

„Dich dürfte es doch gar nicht stören.. dein Pizzageruch überlagert alles."
 

Andrew warf Xander einen Blick mit verengten Augen zu und biss sich auf die Zunge.
 

„Jungs... Konzentration," Kennedy tastete mit ihrem Fuß nach der Leiter und begann in die Tiefe zu klettern. Xander und Andrew folgten ergeben.
 

Es war dunkel und feucht. Der Gestank nahm zu und als sie alle drei festen Boden wieder unter den Füssen hatten, waren sie mehr als dankbar für die leichte Beleuchtung hier unten. Die Stadt tat das sicher für ihre Kanalreiniger.
 

Sie hörten ein Geräusch und blickten in die Richtung, nur um ihren Dämon noch von hinten zu sehen, der in einen Tunnel abbog.
 

Die Gruppe setzte sich in Bewegung und folgten ihm mit Abstand. Falls er sie wirklich zu dem Meister führte, wollten sie den Moment der Überraschung ausnutzen.
 

Sie schritten durch knöcheltiefes, dunkles Wasser und wollten gar nicht wissen, was alles in der Brühe mitschwamm. Ratten quiekten in ihrer Nähe und Andrew sprang erschrocken zur Seite.
 

„Angsthase," flüsterte Xander und fuhr selbst zusammen, als eine Ratte direkt vor ihm durch das Wasser schwamm.
 

„Ha," machte Andrew nur schadenfreudig und folgte mit erhobenem Haupt Kennedy, die sie einfach ignorierte. Der Dämon vor ihnen kletterte eine Leiter nach oben und sie hörten über sich, wie ein Gullydeckel zur Seite geschoben wurde.
 

Kennedy, Andrew und Xander kletterten die Leiter nach oben und befanden sich in einem kleinen Park, der im Innenbereich des Hochhauses, das sie eben noch bewundert hatten, angelegt worden war, um Mitarbeitern ein wenig Erholung zu gönnen.
 

„Hier würde ich auch gerne arbeiten," verkündete Andrew und inspizierte einen Wasserspender neben einer Bank.
 

„Ja, nicht schlecht der Schuppen," Kennedy umgriff ihre Axt fester. „Der Dämon ist verschwunden. Ich schätze...", sie verstummte, als es um sie herum raschelte, ein Ast unter einem Schritt knickte und in der Parkbeleuchtung ein Kreis Vampire sichtbar wurde, der sich um die drei geschlossen hatte und langsam enger zog.
 

„Oh Gott, oh Gott," Andrew drängte sich an Kennedy und Xander, hob sein Schwert vor das Gesicht und wappnete sich innerlich auf den Ansturm.
 

„Sind ein paar zuviel," stellte Xander fest und hob ebenfalls seine Axt. „Dann wollen wir mal?"
 

Kennedy nickte entschlossen, ließ ihre Axt in der Hand einen Kreis schwingen und trat einen Schritt vor. „Okay... wer ist der Erste?"
 

Für einen Moment passierte nichts. Doch dann stürmten alle Vampire mit einem lauten Aufschrei auf die drei zu.
 

To be continued...

Folge 2: Brave New World - Part 2

Autor: Mel
 

Grafische Gestaltung: chris, Nikka (buffy-online.com), Stefan und Mel (Projekt 8)

Länge: ca. 45 Seiten

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

++++
 

Was bisher geschah....

Buffy kämpft im Kloster gegen die drei Ninjas

Dawn kämpft gegen die Vampire in London

Kennedy, Xander und Andrew im Vampirnest

Willow und Dawn unterhalten sich über Dawn und ihre entdeckten Jägerinnenkräfte

Xander und Kennedy in der Dämonenbar

Weatherby in der Dämonenbar

Giles und Willow im neuen Ratsgebäude bei der Konferenz

Wood und Faith im Gespräch darüber, dass er noch nichts gehört hat, was seine Ernennung zu einem Wächter betrifft

Kennedy, Andrew und Xander folgen dem Dämon zum Hochhaus

Kennedy, Andrew und Xander umzingelt von Vampiren
 

++++
 

„Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott,“ Andrew drängte sich weiter dicht an Xander und Kennedy heran, während die Horde Vampire unbeirrt auf sie zustürzte.

„’Ne neue Schallplatte, Andrew,“ stöhnte Kennedy und köpfte dabei den ersten Vampir, der bei ihrer Dreiergruppe ankam und zu Staub wurde, ehe sein Kopf auf den Boden aufprallte.
 

Xander stieß mit seiner Axt einen weiteren Vampir von sich und schaffte so ein wenig Platz für Kennedy, die mit ihrer Axt ausholte und auch diesen Angreifer einen Kopf kleiner machte. Andrew sah sich inzwischen mehreren Vampiren gegenüber und das Schwert in seiner Hand zitterte leicht.
 

'Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen’ versuchte er sich zu ermahnen und rief sich ins Gedächtnis, dass er zu der Gang gehören wollte. Nur weil er Dämonen beschwören konnte, garantierte ihm das noch keinen sicheren Platz. Das konnten sicher Willow oder Giles mit dem richtigen Zauber ebenso gut. Also musste er wohl beweisen, dass er kämpfen konnte. Sein letzter wirklicher Einsatz vor fast über drei Monaten hatte mit dem tragischen Tod von Anya enden müssen. Er konnte nicht mit Stolz von sich behaupten, wirklich hilfreich in dieser Situation gewesen zu sein. Xander sprach zwar nie darüber, aber Andrew hatte trotzdem das Gefühl etwas tun zu müssen, um zu zeigen, dass er daran nicht Schuld trug.
 

Mit einem lauten Schrei, den er sich aus diversen drittklassigen Karate-Filmen abgeschaut hatte und der nichts mit einem echten „kia“ gemein hatte, stürzte er zwei Schritte nach vorne und schaffte es sogar, dass die Vampire verdutzt zurückwichen. Den Vorteil nutzte Andrew sofort aus und schlug einem der Monster den Kopf von den Schultern. Leider hielt die Verwunderung der Vampire nur sehr kurz an. Sie schlugen um so stärker zurück. Er hatte auf einmal alle Hände voll zu tun, genau wie seine beiden Mitstreiter. Im Kampfgetümmel versuchte Kennedy einen Ort zu erspähen, zu dem sie fliehen konnten und Schutz fanden. Xander schien ebenfalls auf denselben Gedanken gekommen zu sein, denn er tippte sie an und deutete zur einer blauen Stahltüre, die ihnen direkt gegenüber in einen kleinen, niedrigen Vorbau führte. Sie nickte und stieß Andrew an, der sich zu ihnen herumdrehte und ebenfalls die Türe gezeigt bekam.
 

Kennedy zählte mit ihren Fingern auf drei und machte klar, dass sie gleich langsamer zählen würde und alle auf drei gemeinsam vorpreschen mussten. Die beiden Jungs nickten, droschen weiter auf die Vampire ein, steckten Kratzer und tiefere Wunden durch Waffen ein, während Kennedy beim Wüten unter den Monstern laut „Eins – Zwei – Drei,“ brüllte, und losstürmte. Durch ihre Kraft und ihre Entschlossenheit brach sie tatsächlich durch den Ring Vampire, der empfindlich reduziert worden war. Andrew folgte und Xander schloss auf, während er unter den mutigen Verfolgern ein wenig aufräumte.
 

Kennedy ließ sich gegen die blaue Türe fallen, die zu ihrer großen Erleichterung offen war. Sie stürzten hinein und suchten panisch und hektisch nach etwas, mit der sie die Türe versperren konnten. Kennedy schlug dabei das Fenster ein, hinter dem sich die Feueraxt befand und warf sie Xander zu, der die Axt so anbrachte, dass von außen so schnell niemand hereinkam. Und keine Sekunde zu spät... die Vampire hatten die Türe ereicht und schlugen wütend gegen das Metall.
 

Erst jetzt nahmen sie sich einen Moment Zeit, um sich umzuschauen. Sie waren in einem Treppenhaus gelandet.
 

„Verdammt.. was für eine Übermacht,“ seufzte Kennedy.
 

„Ich schätze wir sollten nach Hause gehen und weiter recherchieren,“ klagte Andrew.
 

„Und was soll das bringen?“
 

„Na ja, wir wüssten zumindest wo ihre Schwachstellen wären, wie wir sie angreifen könnten,“ zählte Andrew auf.
 

„Er hat recht,“ räumte Xander ein und lächelte unsicher.
 

„Das ist nicht unsere Sache...“
 

„Aber Giles ist noch nicht hier und solange vertreten wir ihn, Willow und... vielleicht eh... Buffy. Und wenn nun einmal Recherchearbeit dazuzählt... schau uns doch an,“ Xander deutete auf Andrew, dessen Wange von einem blutigen Kratzer geziert wurde, ein empfindlich dunkler Fleck breitete sich bereits unter dem rechten Auge aus, seine Kleidung war zerrissen und wenn Xander an sich herunterblickte, bot er keinen besseren Anblick. Außer Kennedy trugen sie deutliche Spuren des Kampfes.
 

„Also gut,“ seufzte Kennedy. „Giles kommt ja bald.“ Sie deutete zur Treppe nach oben.
 

++++
 

Hoch oben auf dem Dach des Hochhauses stand eine einsame Gestalt. Das dunkle Haar wurde im Wind zerzaust, die Tätowierung auf der Stirn blitzte im Licht auf dem Dach auf und sein dunkler Mantel wehte um seinen Körper. Der Blick war starr nach unten gerichtet und beobachtete den Kampf. Die geschärften Augen eines Vampirs machten es ihm möglich Einzelheiten zu erkennen, sich einzuprägen, wer da unten seine Kinder dezimierte und am Ende sogar entkam.
 

++++
 

England. London/ Notting Hill.

Ratsgebäude.

„Ja. Ja ich verstehe Sie, Robin,“ Giles fuhr sich durch das Haar und umgriff den Hörer etwas fester. Er saß in einem kleinen Büro, das wenig Persönliches von ihm selbst beinhaltete oder gar zum Ausdruck brachte. Bis auf den wuchtigen Schreibtisch, dem hohen braunen Lederstuhl, zwei alten Stichen an den Wänden und einem schmalen Bücherregal, befanden sich ein Besucherstuhl vor dem Schreibtisch, Papierkorb, Kleiderständer und ein Computer im Raum. Willow hatte ihn versucht davon zu überzeugen, ein paar Blumen aufzustellen oder wenigstens ein Bild von ihnen allen, aber er hatte nur auf die übliche Distanziertheit – zwar nett, aber doch bestimmt – abgelehnt.
 

Giles starrte auf den toten Monitor und ließ seinen Blick zum Netzkabel schweifen, das nutzlos und schlaff über dem Monitor hing. Er hatte sich vor einem Monat Willow gegenüber verweigert Zeit damit zu verschwenden sich in die Datenbank einzuarbeiten. Mit so etwas konnten sich die Spezialisten beschäftigen oder jemand der mehr Zeit als er hatte.
 

Das Büro war so klein und unpersönlich gehalten, weil Giles nicht vorhatte ewig hier zu bleiben und eigentlich war für Lily Usher ein größeres, helleres Büro vorgesehen gewesen. Wenn sie jetzt mit nach Amerika kam, würde man wieder jemanden suchen müssen, der in London die Stellvertretung übernahm. So viel Reserveleute wie früher hatten sie leider nicht mehr.
 

Giles blätterte in einer Akte vor sich auf dem Schreibtisch. „So weit ich aus den Unterlagen herauslesen kann, gab es da wohl ein kleines Missverständnis.“
 

Mississippi. Schulbus

„Missverständnis,“ fuhr Robin auf und zog die Stirn kraus. „Missverständnis?“ Wiederholte er noch einmal ruhiger, aber dafür verzweifelt. „Ohne das Geld aus London können wir die Arbeit hier so gut wie vergessen. Das wissen Sie doch? Es ist jetzt das dritte Mal, besser gesagt die dritte Woche in Folge, dass die Zahlungen ausbleiben. Die Mädchen prügeln sich bereits um das letzte, das der Kühlschrank hergibt.“
 

Faith kam in den Wagen. Robin sah auf. Ihr Haar klebte ihr verschwitzt an der Stirn und ihre sportliche Kleidung wies Schweißstellen auf. Sie griff nach einem grauen Handtuch, dass über den Fahrersitz hing und wischte sich die Stirn ab. Als sie vom Eingang wegtrat, sah Robin im Freien Ronah und Vi am Fluss ein paar Tai Chi Übungen absolvieren. Er lächelte. Kein Wunder kam Faith zu ihm. Langsame geduldige Übungen waren nicht ihr „Ding“. Wie sie ihm gleich in der ersten Trainingsstunde in Tai Chi erklärt hatte. Sie würde sich nicht wie eine Schnecke in Zeitlupentempo zu Figuren wie „Der Schwan“ verbiegen.
 

Sie formte mit ihren Lippen die stumme Frage „Giles“ und er nickte.

„Gib her,“ sie riss Robin das Handy aus der Hand. „Giles? Faith hier... bringen Sie Ihren Hintern in die Gänge oder wir verhungern hier am langen Arm.“
 

England.

London/ Notting Hill.

„Uhm.. Faith.. uh, ja ich freu mich auch wieder von dir zuhören,“ er verdrehte die Augen und sank auf den Stuhl. „Ich habe gerade Robin erklärt, dass es ein Missverständnis gegeben hat. Offensichtlich wurden die Schecks an ein falsches, besser gesagt, nicht vorhandenes Konto überwiesen. Man hatte zwei Zahlen verdreht. Daher gingen die Schecks immer wieder zurück. Irgendwie hat man versäumt mir Bescheid zu geben.“ Es war Giles außerordentlich unangenehm Faith davon berichten zu müssen. Er war es gewesen, der immer von Ordnung und Kontrolle gesprochen hatte und dann gelang es ihm nicht einmal seinem wertvollsten Team Essen, Benzin, Kleidung und Übernachtungen zu bezahlen. „Ich regle das sofort selbst und ihr bekommt natürlich alles nachbezahlt.“
 

Mississippi

„Will ich auch hoffen. Ich kann nämlich bald Toastbrot und Wasser nicht mehr sehen. Da war’s im Gefängnis irgendwie luxuriöser,“ Robin nahm Faith den Hörer wieder aus der Hand und gab ihr mit einem Blick zu verstehen, dass er von ihrer Art ein Telefonat zu führen nicht viel hielt. Sie zuckte unbekümmert mit den Schultern und suchte im hinteren Teil des Busses unter einer als Sitzsofa verwendeten Truhe nach Waffen für das Training.
 

„Tut mir leid, Giles,“ entschuldigte sich Robin für Faith und rieb sich den Bart. Vielleicht würde er ihn sich in den nächsten Tagen abrasieren. Die Pflege nahm einfach zu viel Zeit in Anspruch. Die Tage, wo er Zeit hatte und gemütlich dabei einen Kaffee im Badezimmer hatte trinken können, waren leider vorbei. Er musste sich der neuen Situation anpassen. „Sie kümmern sich darum?“
 

England. London/ Notting Hill.

„Natürlich. Sofort und uhm.. Robin....ich darf Ihnen gratulieren,“ um Giles Lippen spielte ein kleines Lächeln. „Wir.. Sie.. haben die Wahl gewonnen.“ Giles verschwieg die Details. Die Wahl war mit Stimmengleichheit ausgefallen und nur auf Grund einer weiteren, mahnenden Rede von ihm und Lily konnte Robin mit einer Stimme mehr die Wahl für sich entscheiden. Anschließende Diskussionen, böse Worte und auch diskriminierende Worte behielt er für sich. Das ein Teil gegen den nicht offiziell ausgebildeten Mann war, hätte er noch verstehen können, wenn es sich dabei nur um seine Qualifikation gedreht hätte.
 

Aber die Vorurteile, die die meisten Wächter mit Robin verbanden, wollten ihm nicht einleuchten. Sie kannten ihn nicht einmal, hatten nur von ihm gehört und trotzdem glaubten sie, er als Sohn einer Jägerin, ein untrainierter Mann, der nicht einmal eine Wächterschule von außen gesehen hatte, wäre weniger als sie, die Bürohelden, für den Job geeignet. Erneut war er Lily dankbar, dass sie ihn bei der Wahl unterstützt hatte.
 

Mississippi

Robin schwieg einen Moment überrascht. Er hatte tief in sich doch den einen oder anderen Zweifel gehabt. Schließlich hatte er eine Wächterschule noch nicht einmal von außen gesehen. Dann verzog sich sein Mund zu einem breiten, zufriedenen Lächeln. „Fantastisch. Ich darf jetzt offiziell meinen Jägerinnen die Hölle heiß machen?“ Er sah zu Faith, die mit drei Schwertern unter ihrem Arm wieder vorne auftauchte und ihn fragend anschaute. Er hielt eine Hand über die Muschel. „Ich bin offizieller Wächter.“
 

„Oh,“ sie beugte sich zu ihm herunter, gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Gratuliere. Bin wieder bei den Mädchen.“ Mit gemischten Gefühlen und einem schwer deutbaren Gesichtsausdruck verließ Faith den Bus. Sie war sich nicht so sicher, ob sie jetzt, wo er offiziell „bestimmen“ durfte, von ihm so einfach Befehle annehmen konnte.
 

„Ich hab’s gerade Faith gesagt,“ entschuldigte er sich für die Unterbrechung. „Ich schätze eine Gehaltserhöhung ist dafür aber nicht drin,“ er lachte, als er Giles Antwort darauf hörte und verabschiedete sich schließlich.
 

++++
 

Australien.

Sidney.

Airport

Buffy stand vor einer großen Anzeigetafel und versuchte ihren Flug nach Los Angeles ausfindig zu machen. Als sie Gate und Abflugzeit gelesen hatte, ging sie zu ihrem Schalter. Besser gesagt versuchte sie es. Auch hier fiel ihr die Orientierung nicht leicht. „Verdammt... ich konnte mir von zwölf Friedhöfen die Lagepläne merken, aber hab es immer noch nicht raus, wie ein Flughafen funktioniert.“ Sie schleppte ihren Rucksack und den Koffer weiter und ließ sich erschöpft auf eine Bank sinken.
 

„Viel Gepäck, was?“
 

Buffy sah leicht genervt zur Seite und lächelte höflich das Mädchen neben ihr an. Amerikanerin, selbst mit ähnlichen Gepäckstücken unterwegs, gebräunt und im Besitz eines der Outback-Hüte, von denen sich Buffy ferngehalten hatte. Sie standen ihr nicht besonders gut. Allerdings hatte sie ein paar nette Mitbringsel für alle zu Hause. Zuhause... sie ließ sich die Bedeutung dieses Wortes durch den Kopf gehen.. sie war nun fast 23.. aber ein Zuhause hatte sie nicht mehr. Natürlich waren da ihre Freunde... und Giles, dem sie die Reise überaupt erst zu verdanken hatte, aber das Wort Zuhause verband sie nicht wirklich damit. Geborgenheit vielleicht. Fast hätte sie laut geseufzt.
 

Sie riss sich zusammen und beschränkte sich auf ein Nicken.
 

„Geht’s zurück oder in den Urlaub.“
 

„Zurück.“
 

Das Mädchen ließ sich von Buffys Wortkargheit nicht abschrecken und plapperte weiter darauf los. “Und wohin?“
 

„Los Angeles.“
 

„Oh Amerikanerin, wie ich. Wo genau hast du dich in Australien herumgetrieben?“

„Cairnes und dann runter die Ostküste nach Sydney.“
 

„Ah ja, die typische Touristentour,“ sie lächelte mit breit verzogenen Lippen und strahlend weißen Zähnen. 'Zu weiß,’ urteilte Buffy und zog ihre Stirn kraus. Gleichzeitig stellte sie sich dabei vor, wie sich das nervende Mädchen in einen Dämon verwandelte, dem sie den Kopf abschlagen konnte. „Eh.. ist was.. du schaust so komisch?“
 

„Oh nichts,“ riss sich Buffy zusammen. „Du weißt nicht zufällig wo der Schalter von Air New Zealand ist?“
 

„Oh natürlich doch. Da muss ich auch hin, warte ich zeig’s dir,“ sie schnellte hoch, packte ihr Gepäck und zeigte nach vorne. „Da lang.“

„Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt,“ stöhnte Buffy und folgte der anderen. „Tausende von Reisenden und ich bekomme die redselige ab.“
 

++++
 

Bath

Wohnung von Giles

„Ich freu mich so Xander wieder zu sehen,“ seufzte Dawn und ließ sich auf das Gästebett fallen, das für drei Monate ihr Zuhause gewesen war. Willow stand neben ihr am Bett und lud einen Berg Wäsche nach dem anderen auf die Matratze.

„Wenn du nicht bald anfängst zu packen, wird das nie geschehen.“

„Ach wir packen doch schon seit Tagen. Ständig stehen wir extra früh auf, um schwere Kisten zu beladen, Giles und dich rechtzeitig loszuschicken, damit ihr euren Ratskrempel packt und abends geht’s weiter. Das ist soo langweilig.“
 

„Und so notwendig, wenn du in Cleveland nicht in Lumpen oder nackt herumlaufen willst.“
 

Dawn verzog bei der Vorstellung das Gesicht, sprang wieder auf und zog ihren Koffer unter dem Bett hervor. „Überredet.“
 

Sie packten eine Weile schweigend, ehe Willow ihr geschäftiges Treiben unterbrach.
 

„Uhm.. Dawnie...“, Willow stellte den leeren Korb vor die Türe und lehnte sich an den Rahmen. Dawn sah auf.
 

„Hast du in den letzten Tagen noch einmal eine.. nun hast du noch einmal kämpfen müssen?“
 

Dawn schüttelte den Kopf. Im ersten Moment hatte sie befürchtet Willow hätte den leichten Nikotingeruch an ihren Kleidern festgestellt. Dabei war es keine große Sache gewesen. Nur ein kleiner Versuch. Sie hatte so husten müssen, dass sie Steve ausgelacht hatte. Jedenfalls würde sie die Finger weiterhin davon lassen. Aber für eine Strafpredigt hätte es sicher gereicht.
 

„Und du hast immer noch nicht mit Giles geredet?“
 

„Nein,“ wich Dawn aus.
 

„Du solltest aber.“
 

„Ich weiß, Will. Aber schau,“ sie warf ein paar Bücher in einen Karton. „Sobald er davon weiß, wird er wollen, dass es Buffy erfährt. Und dann? Ich habe in den letzten Monaten begriffen, dass für Buffy die Jägerinnen wichtig waren, dass sie ihren Respekt hatten, ihre Anerkennung. Ich war nur die kleine Schwester, die im Weg herumstand, die man vor dem Kampf lieber mit Xander aus der Stadt geschickt hatte. Ich möchte jetzt nicht ihre Anerkennung dadurch bekommen, dass ich wie sie bin. Oder, oder was ist, wenn gerade diese Tatsache dazu führt, dass sie mich nicht mehr als ihre Schwester sieht?“
 

„Das wird nie passieren Dawn,“ Willow stieß sich vom Rahmen ab und ging zu Dawn, die sich auf das Bett sinken ließ. „Buffy liebt dich über alles. Dass sie dich und Xander damals wegschickte, passierte doch nur, weil sie nicht wollte, dass euch beiden etwas passiert. Und ich glaube nicht, dass ihr eine Amanda oder eine Molly je wichtiger waren als du.“
 

„Ach ja?“ Dawn schien anderer Ansicht zu sein.

„Oh ja. Und dich irgendwie anders zu sehen... nein. Aber vielleicht könntet ihr endlich mehr Zeit miteinander verbringen? Buffy kann dir viel zeigen. Viel beibringen. Jetzt wo sie nicht mehr alleine für die Rettung der Welt sorgen muss, hat sie sicher auch mehr Zeit für dich und andere Dinge.“
 

„Buffy? Glaubst du wirklich sie kann damit leben, dass sie einen neuen Sinn in ihrem Leben suchen muss? Und zudem.. sie würde mich nur herumkommandieren und Giles bestimmt auch. Nein...ich habe gesehen, was aus Buffy wurde. Mit den Jahren der Last und Verantwortung. Ich möchte so nicht werden. Will.. ich möchte einfach nur auf die Highschool gehen, Spaß haben, einen normalen Freund bekommen...“
 

Willow nickte. Sie verstand sehr wohl was Dawn meinte. Und was stand ihrer Bitte schon im Weg? Die Welt war voll von Jägerinnen, da kam es auf eine mehr nicht wirklich an.
 

„Okay.. ich überlasse es dir, wann du es den anderen sagen willst.“ Willow seufzte. „Ich hoffe nur, du bist dir der Gefahr bewusst, in die du dich dadurch begibst. Manche Wesen können sehen oder riechen, was du bist und greifen dich nur deswegen an. Ohne Ausbildung, ohne Training bist du ihnen ziemlich ausgeliefert.“
 

„Ich weiß das, Willow. Gib mir einfach nur etwas Zeit. Ich werde schon mit ihnen reden.“
 

„Fein.. außer natürlich... ich verplappere mich...“
 

„Oh Willow...“
 

„Das war doch nur ein Scherz.“
 

Ein Kissen traf Willow von der Seite und die beiden kicherten, ehe eine wilde Kissenschlacht ausbrach.
 

++++
 

Cleveland.

Neue Zentrale vom Rat

Der große Versammlungsraum lag im frühen Tageslicht etwas düsterer da, als er tatsächlich war. Noch waren die Vorhänge zugezogen und alles was Licht spendete war die Stehlampe an dem kleinen Tisch an der Wand an dem Kennedy, Xander und Andrew saßen. Ihre Köpfe hingen über Büchern und der kleine Tisch war bedeckt mit weiterer Literatur. Ein Teller voller Donuts und dampfende Pappbecher mit Kaffee stellten ihr Frühstück dar. Im kleinen Lichtkegel waren die fast leeren Bücherregale an den Wänden nur schemenhaft wahrnehmbar und der große Konferenztisch thronte als eine dunkle Masse in der Mitte.
 

Andrews blau geschwollenes Auge konnte sich nur schwer auf den Text konzentrieren. Er fragte sich, wie Xander das mit halber Sehkraft so leicht wegstecken konnte und versuchte sich vorzustellen, er hätte dank der Verletzung einen Röntgenblick bekommen, aber das half ihm wenig über seine Schmerzen hinwegzukommen. Die ärgsten Kratzer trugen Heftpflaster.
 

Xander sah hingegen ein wenig erholter aus und Kennedy schien so fit und frisch wie immer.
 

„Okay.. wir kommen nicht weiter,“ seufzte sie. „Wenn Giles und Willow wieder hier sind, sollen sie das für uns übernehmen.“
 

„Aber wir haben vielleicht keine Zeit mehr,“ gab Xander zu bedenken und sah zur Uhr. „Apropos Zeit... ich sollte los.“
 

„Wieder eine Personalkonferenz?“ Andrew reckte sich.
 

„Nein, heute geht’s ums Budget,“ Xander klappte seine Bücher zu. „Hier steht nichts drin. Sucht weiter. Benutzt die Webadressen, die uns Willow da gelassen hat. Findet irgendetwas.“
 

„Oh ja, Herr Wächter,“ scherzte Kennedy, griff nach einem Donut und biss herzhaft hinein. Mit vollen Mund sprach sie weiter. „Wif schind alle von geschtern müde und...“
 

„Und ich auch und gehe trotzdem arbeiten,“ Xander zog sich das Jackett über, das über seinem Stuhl gehangen hatte und griff nach seiner Aktentasche.

„Das tun wir doch alle,“ sagte Kennedy nebenbei und blätterte eine Seite weiter.

„Oh natürlich. War Daddys Scheck diese Woche wieder pünktlich da?“ Xander grinste, aber die Worte klangen fast ein wenig boshaft. Kennedy sah entsprechend getroffen hoch.
 

„Ich bin ne Jägerin, Xander. Wach auf. Welchen Beruf könnte ich schon ausüben, der mir nachts nicht beim Aufräumen unter den Untoten im Weg stehen würde?“ Xander blieb ihr eine Antwort schuldig. „Siehst du… also seid froh, dass mein Dad mir aus England pünktlich Schecks schickt und meine Laune damit sich bedeutend verbessert. Von etwas muss ich ja leben.“
 

Xander schwieg weiter und war in Gedanken bei Buffy. Was würde sie tun, wenn sie wieder hier war? Von was wollte sie ihr neues Leben mit Dawn finanzieren? Oder hatte sie endlich wie versprochen ihren verschollenen Vater angerufen oder aufgesucht, um ein paar Dinge zu klären? In Gedanken sah er zu Andrew, der gerade im Begriff war seinen Mund zu öffnen. Eigentlich war Andrew am ärmsten dran. Buffy hatte ihre Schwester und Giles, der sicher gerne aushalf. Er und Willow hatten sich und ihre Erinnerungen an die Kindheit in Sunnydale. Andrews Freunde waren tot. Von einer Familie wusste Xander nichts. Vielleicht sollten sie sich an einem Abend mal nicht über Comics und Filme unterhalten..
 

„Schon gut, schon gut.. ich hab euren Standpunkt kapiert. Wie sehe ich aus?“
 

„Gut,“ bestätigte Andrew mit voller Überzeugung und einem nachgesetzten Nicken. Auch wenn er es bedauerte nicht seinen Kommentar zum Geldverdienen los geworden zu sein. „So unauffällig wie Clark.“
 

Xander verzog das Gesicht. „Ich würde gerne den Kommentar einer Frau bevorzugen.“
 

„Gut,“ lachte Kennedy bestätigend und zog sich ein weiteres Buch heran. Sie schlug es auf, während Andrew schmollte und Xander zum Ausgang eilte. „Oh hey.. das ist einer von denen,“ Kennedy tippte wild auf die Seite. Andrew rückte mit dem Stuhl um die Ecke und sah in das Buch, während Xander zurückkam.
 

„Oh ja.. was steht drunter?“ Xander beugte sich über Kennedys Schulter.
 

„Uhm… tja… das scheint Griechisch zu sein. Altgriechisch? Wobei mir dieser Schnörkel etwas Zweifelhaftes hat,“ Kennedy tippte auf den Buchstaben und blickte fragend in die Runde. Xander zuckte mit den Schultern und Andrew schwieg. „Na prima… jetzt haben wir das richtige Buch, aber keiner kann es lesen.“
 

„Das behauptest du,“ murmelte Andrew leise, sagte aber nichts mehr weiter.

Kennedy sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Und das bedeutet, kryptischer Junge?“
 

„Nun dass es nicht altgriechisch ist, sondern eine alte Dämonensprache. Zweifelhafter Herkunft. Manche Buchstaben weisen starke Ähnlichkeiten mit Klingonisch auf...“
 

„Kannst du es übersetzen,“ unterbrach Xander Andrews Geschwätzigkeit. Er nickte.
 

„Also...es scheint sich um sogenannte Wrukolas zu handeln. Vampire von der ägäischen Insel. Und.. und dass sie ihre Opfer erwürgen,“ fügte Andrew hastig hinzu. Er sah mit einem breiten, zufriedenen Grinsen auf.
 

„Wow,“ sagte Xander nach einer gebührenden Schweigesekunde. „Du kannst uns tatsächlich immer wieder aufs Neue erstaunen.“
 

Andrews zufriedenes Gesicht nahm einen stolzen Ausdruck an. „Da steht aber noch mehr.“
 

„Dann übersetze es endlich,“ Kennedy schob ihm ungeduldig das Buch zu.
 

„Also... ein Wrukola sucht sich unter den Sündern seine Opfer. Er klopft an die Türe. Wer beim ersten Klopfen öffnet, ist verloren. Sie erwürgen das Opfer und ernähren sich dann davon. Sie können Vampire auf die herkömmliche Weise erzeugen.“ Fasste Andrew stockend das zusammen, was er las und übersetzte. „Cool.“
 

„Somit wären die Botschaften an den Hauswänden und Türen erklärt,“ sinnierte Kennedy.
 

„Und die Art der Ermordung. Und wieso sie keine Einladung ins Haus nötig haben. Aber es gibt uns keine Antworten darauf, was sie hier wollen und wieso sie einen Meister haben,“ Xander schüttelte betrübt den Kopf.
 

„Spielt das eine Rolle,“ Kennedys Ton verriet ihre gewohnte Ungeduld.
 

„Na ja, wenn wir herausfinden wollen, wie wir sie vertreiben oder auslöschen können schon,“ lenkte Xander ein.
 

„Was bin ich froh, wenn Giles endlich hier ist und wieder seinen Job erledigt.“ Kennedy zog ein langes Gesicht.
 

„Recherchiert einfach weiter,“ Xander tätschelte ihre Schulter, grinste und verschwand aus dem Gebäude.
 

++++
 

England.

London/ Notting Hill.

Die Türe zu dem großen, geräumigen Büro ging ohne Klopfen auf und Lily Usher sah mit einem missbilligenden Stirnrunzeln auf. Als sie jedoch Giles entdeckte, der selbst ganz in Gedanken versunken an ihren Schreibtisch heran trat, wich der strenge Gesichtsausdruck einem Lächeln. Er stand offensichtlich seit Tagen neben sich. Und so kurz vor seiner Abreise hatte seine Zerstreutheit zugenommen. Da konnte sie kleine Unhöflichkeiten schon einmal großzügig übersehen.
 

„Uhm.. eh.. Lily,“ er blätterte in einer Akte herum und sie sah fragend hoch. „Hier gab es offensichtlich ein paar Fehler. Robin Wood wurden seit drei Wochen keine Schecks mehr zugeteilt.“
 

„Oh? Wirklich?“ Sie klang betroffen und stand auf, um Giles die Akte abzunehmen. „Und da beschwert er sich erst jetzt?“
 

„Nun, wahrscheinlich wollte er keinem von uns noch mehr Arbeit machen.

Allerdings wird das Geld jetzt knapp. Nein. Es ist knapp.“
 

„Ich weiß gar nicht wie das passieren konnte. Ich kümmere mich sofort darum...“
 

„Sei mir nicht böse, aber ich würde mich darum sehr gerne persönlich kümmern. Ich habe es Robin versprochen. Ich wollte nur, dass du bescheid weißt.“

Lily strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Natürlich. Wenn es dir nicht zu viel wird?“
 

„Ich mache das gerne.“
 

„Und woran lag es?“
 

„Einer deiner Mitarbeiter hat kontinuierlich eine Zahl vertauscht.“
 

Lily warf einen Blick auf die Unterlagen. „Oh ja, Warden. Er ist neu. War im ersten Jahr der Ausbildung, als wir ihn hierher holten.“
 

„Aber der beste seines Jahrganges.“ Verteidigte Giles sofort seinen Entschluss von vor ein paar Wochen.
 

„Ich weiß. Und wir brauchen auch jeden. Ich werde ihn ermahnen. Kommt sicher nicht noch einmal vor.“
 

„Danke. Ich werde das jetzt noch erledigen und mich dann endlich von hier losreißen. Du kommst soweit klar,“ Giles nahm ihr die Akte wieder ab und schlug sie zu.
 

„Sicher. Hättest du mich sonst auf den Posten gesetzt?“
 

„Es hat mich auch einiges gekostet.“
 

Lily lachte. „Oh je, ich hätte also doch nicht den teueren Hummer wählen sollen?“

Giles schmunzelte. „Du weißt was ich meine.“
 

„War es so schlimm mich nach so vielen Jahren wieder einmal anzurufen?“
 

„Es weckte Erinnerungen,“ Giles klemmte sich die Akte unter den Arm, und ging zur Türe. „Gute, als auch schlechte.“
 

Lily schwieg und lächelte schwach bei seinen Worten. Oh ja, er hatte damit vollkommen recht. Wenn sie näher darüber nachdachte, war es Giles wirklich teuer zu stehen gekommen, sie anzurufen. Seine Erinnerungen an die Zeit damals mit ihr, gehörten zu den schwersten seines Lebens. Er hatte sie verdrängt und mit ihr wieder ausgegraben.
 

„Wir sehen uns in ein paar Wochen in Cleveland.“ Damit war er aus dem Büro verschwunden. Lily konnte nur noch der geschlossenen Türe zunicken und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken.
 

++++
 

Cleveland

Hopkins International Airport

„Das nächste mal sitze ICH in einer anderen Reihe,“ meckerte Dawn und schnappte sich ihren Koffer vom Laufband. Sie wirkte müde und abgespannt.
 

Willow grinste und hievte ihren Koffer zu Giles Lederkoffer auf den Gepäckwagen und nahm Dawn die Tasche ab. „So schlimm war sein Schnarchen auch wieder nicht.“ Sie warf ein schiefes Lächeln dem Briten zu und Giles verdrehte die Augen. Unbeirrt schob er den Gepäckwagen Richtung Ausgang.
 

„Du hast es jetzt drei Monate mit ihm in einer Wohnung ausgehalten, da hätte dir ein Flug nichts ausmachen sollen.“ Willow folgte Giles und musste erstaunt feststellen wie nahe sie sich in der letzten Zeit gekommen waren. Sie kannten nun alle ein paar Angewohnheiten und Macken des anderen – das man zum Beispiel eine lange Diskussion vom Zaun brechen konnte, wenn man die Zahnpastatube nicht von hinten her aufrollt, dass morgendliche Musik einem morgenmuffligen Briten den letzten Nerv rauben konnte und Dawn stundenlang im Bad stand, um sich einfach nur für einen Einkaufsbummel fertig zu machen. Aber wer weiß, mit welchen Macken sie den beiden auf den Wecker gegangen war.
 

„Sein Schnarchen war da ja auch nicht zu hören,“ beklagte sich Dawn weiter und schaute aus müden Augen gespannt auf die Schiebetüre, die aufglitt und eine wahre Menschentraube freilegte, die auf Angehörige wartete. „Und das allerschlimmste - ich muss noch ne Weile bei ihm wohnen, bis Buffy endlich kommt,“ murmelte Dawn und bekam von Willow einen mahnenden Klaps. Giles hatte nichts davon mitbekommen – er war inzwischen durch die Türe getreten und fand sich von starken Armen umarmt.
 

„Hi.. Giles,“ grinste Xander verlegen und löste sich von der alles anderen nur nicht männlichen Umarmung. Giles Lächeln war zwar warm, aber trotzdem verlegen und er sah mit einem „Hallo Xander,“ kurz zu Andrew, der unsicher etwas abseits stand und das Willkommensschild mit „Welcome Home, Brits,“ in die Höhe hielt. Giles Lächeln wurde zu einem gequälten Grinsen.
 

„Hallo Andrew.“
 

Andrew nickte. Offensichtlich fühlte er sich mit dem Schild nicht sonderlich wohl.
 

„Xander!“ rief Dawn aufgeregt und drängelte sich an Willow vorbei, um Xander um den Hals zu fallen.
 

„Hi Dawnie. Das wurde aber langsam Zeit.“ Er klopfte ihr liebevoll auf den Rücken und löste sich. „Ich hätte es keinen Tag länger mehr ohne meinen Lieblings-Teenager ausgehalten.“
 

„Ich hab dich auch vermisst.“
 

„Warte nur ab, bis sie dich mit lauter Musik voll dröhnt oder ihre Plakate mit austauschbaren Schönlingen hervorholt.“ warnte Willow.
 

„Ach sei still Willow,“ Dawn machte Willow platz, die für einen Moment zögerte, doch dann eben so freudig Xander in die Arme nahm.
 

Dawn entdeckte Andrew mit dem Schild und musste lachen. „Jede Wette, dass das Xanders Idee war?“
 

Andrew nickte und fühlte sich doch ein wenig.. nicht dazugehörig, als ihn auf einmal die Arme von Dawn umschlangen. „Du wirst es mir nicht glauben, aber dich habe ich auch ganz furchtbar vermisst und deine Klappe.“ Andrew lächelte breit. Es tat so gut... und er würde sich jetzt ganz sicher nicht bewegen, sondern es genießen.
 

„Steht dir gut,“ Willow deutete zu Xanders künstlichem Auge. Er hatte kurz vor dem Flughafen die Augenklappe endlich abgenommen.
 

„Ich hätte es in jeder Farbe haben können. Aber ich dachte, ich nehme es passend zum anderen,“ scherzte Xander mit gut versteckter Traurigkeit in seinem Blick.

„Passt,“ grinste Willow und zeigte auf Giles. „Will mal einer der Männer unserem Wächter helfen?“
 

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Tennessee

Great Smoky Mountains Nationalpark

Der Morgennebel, der dem Park seinen Namen gegeben hatte, zog über die Weite der Bergketten hinweg, durchwob mit seiner Feuchtigkeit jedes Tal und jeden Berghang, als würde etwas brennen und fürchterlich rauchen. Die schon leicht verfärbten Laubwälder leuchteten im ersten Sonnenlicht des Morgens und reckten tapfer ihre Wipfel aus dem Nebel gegen den klaren Himmel.
 

Auf dem Smokemont Campground stand ein einzelner Schulbus inmitten des Waldes. Stühle und ein Tisch waren großzügig neben ein verkohltes Lagerfeuer im abgefallenen Laub gruppiert. Leere Flaschen und Pappbecher standen herum und in der Ferne hörte man mehrere Stimmen.
 

Umso weiter man sich vom Bus entfernte und durch den lichten Wald auf den kleinen Fluss zumarschierte, um so deutlicher war zu vernehmen, was die Stimmen zu sagen hatten.
 

„Du musst das Schwert höher halten.“
 

„Muss ich nicht. Wenn der Gegner stolpert, wäre er jetzt aufgespießt!“
 

„Und wenn er nicht stolpert?“
 

„Eben. Vi hat recht. So, höher.. und jetzt den Kopf abschlagen.“
 

Ronah verdrehte die Augen und kam Faiths Aufforderung nach, während Vi zufrieden nickte. Sie testete die neue Haltung, machte einen Ausfallschritt nach vorne und täuschte den Schlag an.
 

„Siehst du? Besser,“ Faith grinste.
 

„Aber Ronahs erste Variante war auch völlig in Ordnung,“ Robin tauchte vom Flussbett auf und trocknete sich mit einem Handtuch das Gesicht ab. „Sie hätte genauso gepunktet.“ Er warf das Handtuch auf einen Berg von Handtüchern, Kulturbeutel und Waffen. „Wie wäre es jetzt mit ein wenig Aufwärmtraining?“

„Bitte,“ meinte Faith ein wenig eingeschnappt. Kritik war etwas, das sie nur sehr schwer akzeptieren konnte und noch schwerer annahm. Nur weil es Robin war, hielt sie ihre Klappe und schluckte die Bemerkung hinunter.
 

Die drei Jägerinnen nahmen in einem Dreieck Stellung ein, während Robin sich mit dem Gesicht zu ihnen stellte. „Gut, dann machen wir da weiter, wo wir gestern aufgehört haben.“
 

„Mach zu, hier ist es verdammt kalt,“ beschwerte sich Faith.
 

„Dafür ist es einsam,“ grinste Wood unzugänglich für Faith Stimmungsschwankung. „Okay... Grundstellung.“
 

Die Jägerinnen nahmen im Musubi-dachi Stellung und verbeugten sich vor Wood als er mit „Re“ den Angruß als erster machte.
 

„Position in Zenkutsu-dachi wechseln.“
 

Zu einer Einheit in den letzten Monaten verschmolzen, verfielen die drei gleichzeitig in den Ausfallschritt, achteten auf gebeugtes Knie, Spannung im Körper und einer sauberen Stellung.
 

„Kihon-Ippon-Kumite.“ Befahl Robin und sah Faiths Gesicht, das sich verzog, während sich Ronah und Vi bei dem Befehl sofort zuwandten und Kampfstellung einnahmen. „Etwas dagegen Faith?“
 

„Nun.. dein Karate beginnt langsam langweilig zu werden. Was ist mit Aikido? Kendo? Judo? Etwas mit mehr Action.“
 

Ronah und Vi nahmen wieder eine bequemere Haltung ein. Wenn das gleich wieder zu einer Grundsatzdiskussion wurde, würde es wohl länger dauern.
 

„Ich wüsste nicht, was so verkehrt an Karate sein sollte. Es ist ein Kampfsport wie jeder andere auch und verdammt effektiv. Du bekommst auch mich als Gegner.“ Lächelte Wood. „Falls du dich traust.“
 

„Ein Griff und du liegst am Boden. Und zwar mit Judo. So viel zu Karate,“ maulte Faith weiter und schien nicht bereit zu sein, dem Kumite-Befehl nachzukommen.

„Faith bitte.. wir wollen trainieren. Wir brauchen das Training für Vi und Ronah...“
 

„Eben. Sie müssen auf der Strasse überleben. Wie ich. Denkst du mir hat mein aus dem Lehrbuch beigebrachter Kampfsport viel genutzt? Ich musste zusehen, wie ich mit den ganzen Vampiren, die als Streetfighter unterwegs waren, zurecht kam. Also lass mich wenigstens die eine oder andere Trainingsstunde auf meine Art gestalten und...“
 

„Wir gehen mal zurück zum Bus.“ Mischte sich Vi ein.
 

„Was frühstücken,“ räumte Ronah ein und als weder Faith noch Robin etwas dazu zu sagen hatten, schnappten sie ihre Utensilien und verschwanden.
 

„Du vergisst, wer seit ein paar Tagen Wächter ist. Offiziell.“
 

„Und du vergisst, wer von uns die größere Erfahrung hat.“
 

„Ich war vier, als mich der Wächter meiner Mutter begann auszubilden. Ich habe zwar nicht deine Kraft, aber mehr Jahre des Kampfes hinter mir als du.“

„Oh... wird das jetzt ein 'wer ist stärker’-Spiel? Sollen wir Fingerhaken machen oder Armdrücken?“
 

„Hör auf sarkastisch zu werden...“
 

„Ach.. bei Giles hat dir diese Art von Humor gefallen.“
 

„Das war etwas anderes.“
 

„Verstehe.“
 

Sie starrten sich einen Moment lang an, ehe Wood sich herumdrehte.
 

„Wo willst du hin?“
 

„Zurück zum Bus und frühstücken.“
 

„Na prima.. wir haben den ersten Streit und du lässt mich einfach stehen.“
 

„Du kannst ja inzwischen ein wenig .. aufräumen.“ Er deutete zu dem Waffenberg. „Es war ja nicht unsere Idee, das Training ausdiskutieren zu müssen.“
 

Faith starrte Robin wütend hinterher, ehe sie dem Waffenberg einen Tritt verpasste und sich dann murrend nach den Waffen bückte.
 

++++
 

Cleveland

Ratsgebäude

„Und ihr seid wann genau auf diese uhm.. Wrukolas gestoßen?“ Giles rückte seine Brille zurecht und hielt seinen Blick auf das Buch in seinen Händen gerichtet.

„Vor einigen Tagen,“ klärte Xander ihn auf. „Kennedy hatte von einem Informanten einen Tipp bekommen und schon steckten wir in allen möglichen Schwierigkeiten.“

Kennedy warf Xander einen verbitterten Blick zu. Die Spitze war ihr nicht entgangen. Und schließlich war es Andrews Dämon gewesen, der sie in die Mitte der Feinde geführt hatte.
 

„Mhm,“ Giles blieb weiter gedanklich abwesend. Kennedy, Xander und Willow starrten ihn erwartungsvoll an, während Andrew am Tisch saß und vor seinen Augen einen kleinen Star Destroyer aus Metall zwischen Daumen und Zeigefinger pendeln ließ. Er machte dazu leise Laserfeuer-Geräusche und schien gelangweilt.
 

Dawn stürmte über die Hintertreppe von Giles Wohnung in den Versammlungsraum.

„Oh Mann, kaum drei Stunden hier und schon ist alles wieder wie gewohnt?“ Sie blickte zu Giles und den anderen drei. „Ich hätte doch mit Willow wetten sollen. Das hätte mein Taschengeld aufgebessert,“ sie verdrehte die Augen und wandte sich zu Andrew, während sie von Giles leicht gereiztem Blick verfolgt wurde.

„Was hast du da?“ Sie ließ sich an den Tisch nieder.
 

„Ein Schlüsselanhänger.“ Andrew hielt ihn Dawn entgegen, damit sie das kleine Star Wars Produkt besser sehen konnte.
 

„Ohne Schlüssel?“
 

„Da kommt ihm nur sein Autoschlüssel dran.“ Merkte Kennedy spöttisch an.
 

„Du hast ein Auto?“ Hoffnung keimte in Dawn auf.
 

„Noch nicht. Im Pizza Hut ist der Stundenlohn recht niedrig,“ warf Xander ein. „Ein Hungerlohn. Eine Ausbeutung...“, ahmte Xander kurz Andrews tägliches Gejammer nach.
 

„Macht euch nur lustig darüber. Ihr werdet schon noch sehen, dass ich mir den Wagen leisten kann...“
 

„In hundert Jahren vielleicht,“ stichelte Kennedy weiter.
 

„Und wann zahlst du wieder Miete?“
 

Andrew schnitt Xander eine Fratze und ließ den Schlüsselanhänger in seiner Hosentasche verschwinden. Es war ja nicht seine Schuld, dass Xander so schnell wieder einen Job gefunden hatte, der gut bezahlt wurde.
 

„Du wirst das Ding sicher noch Monate lang immer wieder hervorholen und anstarren. Jede Wette,“ feixte Xander weiter. „Und das, wo du ihn doch so heldenhaft aus Sunnydale gerettet hast.“
 

„Ich finde das eine coole Idee,“ sagte Dawn schließlich, um die Sticheleien zu beenden. „Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich mir nicht neben der Schule ein paar Dollars dazu verdienen sollte.“ Dann würde sie Buffy entlasten, dachte sie weiter und ihr nicht zu sehr alles alleine aufbürden. Doch als Giles sich ungehalten räusperte, wurde ihr bewusst, dass das im Augenblick niemand zu interessieren schien.
 

„Zurück zum Thema... wer hat den Text übersetzt?“
 

Eineinhalb Augenpaare richteten sich auf Andrew, der verlegen auf dem Stuhl hin und her rutschte.
 

„Erstaunlich,“ meinte Giles, als er den Blicken von Kennedy und Xander gefolgt war.
 

Andrew zuckte verlegen mit den Schultern. Dass er für etwas gut gewesen sein soltel, drang nur langsam zu ihm durch. Er kam sich jedoch sehr schnell wie jene Helden vor, die sich von einem unscheinbaren Schwächling zum Retter der Welt aufschwangen.
 

„Und was für ein Informant war das?“ Er sah weiter zu Kennedy.
 

„Es gibt hier ne kleine Dämonenbar am Hafen.“ Mehr brauchte Giles nicht zu wissen, fand Kennedy und war erleichtert, als der Wächter nur nickte und das Buch zuklappte. Offensichtlich schien er ihrer Urteilskraft zu vertrauen. Im Gegensatz zu Xander. „Gut, dann werde ich mich an das Sammeln von Informationen machen. Willow?“
 

„Oh sicher, ich bin dabei.“ Willow griff nach ihrem Laptop.
 

„Willst du nicht erst einmal in Ruhe auspacken?“ Kennedy hatte Willow eine Hand auf den Unterarm gelegt und drückte sachte aber bestimmt den Laptop zu Boden. „Oder dich auf dem Campus umschauen?“
 

Willow warf Giles einen unsicheren Blick zu. „Also ich weiß nicht, ob das jetzt...“
 

„Geh ruhig, Willow,“ Giles nickte ihr zu. „Dawn kann mir helfen. Du brauchst auch einmal ein paar Minuten für dich nach den letzten Wochen.“
 

„Ach und Dawn nicht?“ Warf Dawn schnippisch ein.
 

„Dawn,“ sagte Giles betont langsam. „Hatte drei Monate Urlaub genossen.“
 

„Drei verregnete Monate,“ fügte sie erklärend hinzu und zog eine Schnute. Prima. Also würde sie ihren ersten Tag in einer neuen Stadt damit verbringen, Giles beim Recherchieren zu helfen.
 

„Du vergißt die schönen Tage, die du mit Buffy durch Europa gereist bist." Lächelt Willow und gab sich dann einen Ruck. "Na gut. Ich bin überredet. Hilfst du mir mit meinen Sachen?“ Willow stand auf.
 

“Klar. Schlüssel, Giles?” Kennedy ließ sich von Giles den Wagenschlüssel geben und verschwand bei Willow untergehakt aus dem Versammlungsraum. Xander sah ihr nachdenklich hinterher.
 

„Sie wird noch viel lernen müssen, wenn sie überleben will, Giles.“
 

Giles sah Xander fragend an. „Kennedy?“
 

Xander nickte. „Sicher. Ich denke Willow kann auf sich selbst aufpassen. Magical Woman.“ Xander erntete von Giles ein amüsiertes Lächeln. “Kennedy. Sie ist so ungeduldig. Sie ist gut, aber zu stürmisch.“
 

„Ich schätze, wenn Buffy wieder hier ist, wird sich das ein wenig legen,“ meinte Giles abwesend und zog aus einer Kiste, die ein paar Tage zuvor aus London eingetroffen war, einen Stapel Bücher heraus.
 

„Sie denken Buffy wird wieder aktiv?“ Xander half Giles beim Ausräumen, während Dawn nach Willows Laptop griff, den sie da gelassen hatte und Andrew unschlüssig sitzen blieb. Seine nächste Schicht war am Abend. Er hatte genug Zeit mit den anderen herumzuhängen.
 

Giles blieb einen Moment stehen, zuckte mit den Schultern und drehte sich zu Xander herum. Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. „Ich würde ihre Entscheidung nie in Frage stellen. Egal welche sie getroffen hat, während sie auf ihrer Reise war.“
 

„Aber welche Entscheidung wäre Ihnen lieber?“
 

Giles stöhnte. Xander konnte nicht locker lassen. „Was würdest du denn gerne von mir hören?“
 

Xander schwieg.
 

„Es wäre egoistisch zu sagen, ich würde sie gerne wieder an unserer Seite im Kampf gegen das Böse sehen, nachdem sie dafür gesorgt hat, dass die Regeln sich geändert haben. Wir haben genug Jägerinnen, um auf der ganzen Welt mit dem Bösen aufzuräumen. Aber.. Buffy ist eben Buffy.“ Damit wandte er sich von Xander ab und ließ ihn stehen, ehe er mit seinen Fragen weiterbohren konnte.
 

++++
 

Cleveland. University.

„Wow.... tolles Zimmer,“ Kennedy drehte sich um ihre Achse und bewunderte Willows Einzelzimmer mit eigenem, kleinen Balkon, eigenem Bad und der hellen, freundlichen Einrichtung. „Alles da, was du brauchst?“
 

„Sieht so aus,“ lächelte Willow zufrieden. Es war ein komisches Gefühl nach der langen Pause wieder dem geregelten Leben einer Studentin nach zu gehen. Aber der Kampf gegen die Macht des Bösen war wichtiger gewesen, als gute Klausuren und Scheine, Zensuren, Kurse... und es war ja nicht so, dass sie bei Null anfangen musste. Als sie sich vor ihrer Abreise nach England hier einschrieb und sie den zerstörten Heimatort erwähnte, hatte die Unileitung tatsächlich das Unmögliche möglich gemacht – ein Teil ihrer Scheine, Noten und abgelegten Prüfungen waren in einer Datenbank aufgetaucht. Sie musste jetzt nur noch einen sehr kleinen Teil erneut machen und wenn alles gut lief, stand ihr nächstes Jahr der Abschluss bevor.
 

„Wie lief’s eigentlich mit den ganzen Wächtern in England?“ Kennedy stellte einen der Koffer im Raum ab.
 

„Es war überraschend anstrengend. Ich hatte sie mir nicht soooo kompliziert vorgestellt. Ich meine Giles war schon anstrengend. Die ersten Jahre, die er hier in Amerika lebte. Bevor Buffy ihn völlig umerzogen hatte,“ grinste Willow. „Oder wir. Aber so viele auf einem Haufen...,“ sie musste unwillkürlich an die Erfahrung mit einer Handvoll Wächter zurück denken, mit denen sie vor drei Jahren das Vergnügen hatte. Aber die waren Waisenkinder gegen ihre neuesten Eindrücke gewesen.
 

Kennedy lachte amüsiert auf. „Ja, die sind ganz schön nervig. Der größte Teil jedenfalls. Keine Ahnung ob das ein ungeschriebenes Gesetz ist. Wie sind sie mit dir umgegangen?“
 

Willow zuckte mit den Schultern. "Giles hat ihnen nichts von mir als Hüterin erzählt. Erst kurz vor unserer Abreise. Sie waren ein wenig skeptisch. Misstrauisch. Na ja, ist ja auch kein Wunder, wenn zig Jahre zuvor keiner je von Hüterinnen gehört hat und auf einmal stehe ich da. Wobei ich ja nicht einmal selbst davon überzeugt bin. Aber Giles und seine Recherchen lassen keine anderen Erklärungen zu. Wobei Recherche übertrieben ist. Wir haben nicht mehr viel in London retten können. Aus den Trümmern war so gut wie nichts mehr zu bergen gewesen, das sich lohnte.“
 

„Sie werden sich schon daran gewöhnen, dass es nun jemanden gibt, der ihnen übergestellt ist.“
 

„Ich hoffe es. Wollen wir auspacken?“ Willow öffnete den Einbauschrank und wollte das Thema wechseln. Es war merkwürdig gewesen, wie die anderen auf sie als Hüterin reagiert hatten. Selbst Giles´ Verhalten hatte sich etwas verändert. Sie konnte nicht sagen inwiefern, aber es war spürbar.
 

„Ach weißt du,... eigentlich gibt es einen weiteren Grund, wieso ich dich von den anderen weggelockt habe“, lächelte Kennedy verlockend, und trat hinter Willow, um ihre Arme um ihre Hüften zu schlingen.
 

„So, und welcher wäre das?“, Willow zog belustigt eine Augenbraue hoch, und schmiegte sich enger an ihre Freundin.
 

„Nun,... wie wäre es, wenn wir dein Bett einweihen würden?“, entgegnete Kennedy mit unschuldiger Miene, und küsste nun sanft Willows Nacken.
 

„Mhhm, dass ist eine schwerwiegende Entscheidung,...“, hauchte Willow, die unter den Berührungen von Kennedys Lippen schwach wurde, und sich heimlich nach mehr sehnte.
 

„Tu mir einen Gefallen Will’,... wir haben uns fast drei Monate nicht gesehen... quäl’ mich nicht...“
 

Willow musste grinsen. „Das wollen wir doch auf keinen Fall. Mal sehen, was ich da für Rettungsmaßnahmen für dich habe?“ Sie befreite sich aus der Umarmung, und stand nun Kennedy gegenüber. Willows Arme legten sich nun auf Kennedys Hüften, und beide verschmolzen zu ihrem ersten Kuss, nachdem Willow mit den anderen vom Flughafen zurückgekehrt war, leidenschaftlich. Automatisch zog Kennedy Willow mit sich, und während ihre Hände begannen frech auf Wanderschaft zu gehen, sanken sie auf das Bett nieder.
 

++++
 

Cleveland.

Innenstadt

Die Lichter der Stadt ließen die Nacht nicht mehr ganz so bedrohlich wirken und trotzdem fühlte sich Weatherby unsicher. Er war alleine unterwegs und wusste leider nur zu gut, was alles in Cleveland lauerte.
 

Er selbst bewegte sich auch noch auf gefährlichem Boden... das Hochhaus ragte vor ihm auf und er beobachtete es aus seinem Versteck heraus seit Stunden. Seit die Sonne untergegangen war. Als die dunkle Gestalt im Mantel mit seinem Gefolge aus einem Seitenausgang trat und durch die Innenstadt marschierte, als wären sie keine Untoten, verließ Weatherby den Beobachtungsplatz und betrat das Gebäude durch den Ausgang, den die Vampire eben erst benutzt hatten. Er musste sich davon überzeugen, dass der gesuchte Talisman tatsächlich hier war und wo er vor allem versteckt wurde.
 

++++
 

Eine Faust hämmerte gegen die dunkelblau lackierte Türe in einer Seitenstrasse. Ein Sehschlitz wurde geöffnet und zwei Augenpaare blinzelten in die Nacht hinaus. Offensichtlich wurde der Kunde vor der Türe als gut befunden, denn ein Schloss wurde entriegelt und die Türe schwang auf. Ein in rot getauchter Flur wurde sichtbar. Ein muskelbepackter Mann stand an der Türe und winkte überrascht die große Gruppe herein. Er hatte nur den Herrn im dunklen Mantel mit der merkwürdigen Tätowierung gesehen und nicht mit so viel Kundschaft für seine Mädchen gerechnet. Er hörte förmlich die Dollars in seiner Kasse klingeln.

Als der letzte Mann eingetreten war, hörte er ein seltsames Schnalzen von vorne. Im selben Augenblick schlossen sich die Hände des letzten Kunden um seinen Hals und drückten ihn gegen die Wand. Während er spürte, wie ihm die Luft abgedrückt wurde, sah er entsetzt das verwandelte Gesicht des Mannes. Ein gurgelnder Laut entrang sich seiner Kehle, als er zu schreien versuchte.
 

Die Türe fiel in dem Moment ins Schloss, als der Besitzer des „Red Rains“ tot und schlaff zu Boden sackte und sich sein vampirischer Mörder hungrig über ihn her machte.
 

Die Gruppe war inzwischen durch den roten Flur in den großen Barraum getreten. Die Kundschaft war spärlich und eine Handvoll Männer hingen über ihren Gläsern und begafften die halbnackte Tänzerin auf der Laufbühne, die sich gerade ihres mit silbernen Pailletten besetzten Bikini-Oberteils entledigte. Zwei weitere Tänzerinnen bewegten sich im Takt der Musik im Hintergrund, bereits enthüllt und die Bardamen versuchten mit ihren fast hüllenlosen Körpern die Zuschauer zu mehr zu animieren. Von einer Flasche Bier wurde der Boss nicht reich. Es musste schon der eine oder andere Gast ein wenig Lust auf eines der hinteren Zimmern verspüren.
 

Die neue Kundschaft schien angewidert und die Stimmung schlug fast automatisch mit ihrem Eintreten um. Der Mann an der Spitze, mit langem Mantel und einer Tätowierung auf der Stirn, hob die Hand und hinter ihm strömten seine Männer aus. Zwei blieben am Eingang stehen. Zwei weitere bezogen zum Durchgang in die Hinterzimmer Stellung und der Rest durfte sich bedienen.
 

Die laute Musik wurde von den entsetzten Schreien der Gäste und Bediensteten überdröhnt, als man sie packte, ihnen der Luft beraubte und sich dann satt trank.

Ihr Meister stand dabei, lächelte und genoss das Schauspiel vor seinen Augen. Das Lächeln wurde breiter, als zwei Vampire die Tänzerin schreiend und sich heftig wehrend zu ihm schleiften. Sie hatte keine Chance und doch versuchte sie alles Mögliche. Er packte sie mit einer Hand, die hervorschnellte und mit ihrer Kraft binnen wenigen Sekunden die Frau zum Schweigen brachte. Bevor er zubiss, verwandelte sich sein Gesicht, die Stirn wurde wulstig, die Nase kürzer, die Augen enger und tiefliegender, die Zähne traten weiter hervor.
 

Jemand schien den DJ gefunden zu haben, denn die Musik verstummte und nur noch das gierige Schlürfen der Vampire war zu hören.
 

Als getan war, was getan werden musste, tauchte der Meister seinen Finger in das Blut seines Opfers und begann in aller Gemütsruhe an die Wände „Sünder“ und „Sünder werden büßen müssen“ zu schreiben.
 

++++
 

Cleveland

Hopkins International Airport

„Buffy!“ Dawn hopste aufgeregt auf und ab, als sie ihre Schwester schwer bepackt durch die Schiebetüre treten sah.
 

„Ich schätze sie hat uns gesehen. Und tausend andere auch,“ grinste Xander und eilte Buffy entgegen, um ihr Gepäck abzunehmen.
 

„Hi Xander.“ Sie umarmte ihren Freund erleichtert, freudig und einfach glücklich. „Was bin ich froh euch endlich zu sehen,“ sie schloss Dawn in die Arme, als ihr Xander alles abgenommen und auf einen Gepäckwagen gestapelt hatte. „Ich wusste gar nicht, dass ich euch alle SO vermissen würde.“
 

„Und ich erst. Das nächste Mal nimmst du mich mit. Du hast KEINE Ahnung wie anstrengend Willow und Giles sein können.“
 

Buffy lachte. „Oh doch... Wo sind die anderen?“ Ein wenig enttäuscht blickte sie sich suchend um.
 

„Schwer beschäftigt,“ Xander dirigierte die beiden Summers zum Ausgang. „Wir haben die erste richtig ernsthafte Bedrohung in Cleveland aufgespürt und gestern Nacht haben diese Mistkerle ein ganzes Edelbordell auseinandergenommen.“
 

„Mistkerle?“
 

„Vampire,“ sagte Dawn. „Aber ich glaube nicht das du davon hören willst. Oder doch?“ Fügte sie ängstlich hinzu. Keiner von ihnen wusste so recht, was Buffy seit der Zerstörung von Sunnydale für sich und ihr weiteres Leben geplant hatte. Die Tage nach dem Sieg hatten sie alle in Euphorie gelebt, froh überlebt zu haben, froh entkommen zu sein. Dann waren die Depressionen gefolgt... kein Zuhause mehr zu haben, nur noch Erinnerungen daran, wobei für einen kleinen Teil von ihnen wie für Willow und Giles auch ein Teil der Erinnerung ein zweites Mal begraben wurde und Xander für Anya nicht einmal ein Begräbnis abhalten konnte. Es hatte gedauert, bis sie alle wussten, was sie tun wollten und Pläne schmieden konnten. Aber Buffy hatte es trotz allem geschafft, sie alle darüber etwas im Unklaren zu lassen. Ihre Reise war für Dawn wie eine Flucht vor einer Entscheidung vorgekommen. Auch wenn Xander sie hin und wieder scherzhaft den Selbstfindungstrip nannte.
 

Selbst Giles gegenüber hatte Buffy nichts darüber fallen gelassen, ob sie weiter als Jägerin tätig sein würde oder eben nicht. Jetzt wo sie hatte, was sie immer wollte – Freiheit.
 

„Oh ich denke, wenn ich hier mit euch in dieser Stadt leben möchte, sollte ich wissen, was mir nachts so alles über den Weg läuft.“

Xander lächelte erleichtert auf. „Dann weih mal unsere Jägerin ein... und wieso starrst du mich die ganze Zeit so an?“

„Oh tu ich das?“ Buffy verzog dabei fast unbemerkt das Gesicht. War sie jetzt nur noch eine von vielen - eben „unsere Jägerin“ statt „die“ Jägerin? Hatte sie jetzt nicht Zeit genug gehabt, darüber nachzudenken, wie es weiter gehen sollte? Ja hatte sie. Aber genutzt hatte sie sie eben nicht. Und wieso störte sie überhaupt dieser Ausdruck?
 

„Ja, tust du.“
 

„Dein Auge.. es sieht so echt aus,“ Buffy deutete auf das Auge, dass nicht mehr existierte und nun von einem Glasauge ersetzt wurde.
 

„Das hat Willow bei ihrer Ankunft auch gesagt,“ lachte Xander und bemerkte Dawns Enttäuschung. „Aber jetzt hör einfach mal deiner Schwester zu.“

Während Xander Giles dunkelgrünen Crysler Voyager belud, den Buffy kurz aber amüsiert mit einem Blick zur Kenntnis nahm, erzählte Dawn was sie bereits wussten.
 

„Also...,“ holte die kleine Summers aus und war Xander so dankbar, dass er verstanden hatte, was kurz in ihr vor sich ging, als Buffy mit Xander sprach, als wäre sie Luft. „Wir haben es mit Vampiren der ägäischen Inseln zu tun. Sie erwürgen ihre Opfer und saugen sie danach aus. Diese Vampire scheinen nachts an die Türen von Menschen zu klopfen und wer beim ersten Klopfen öffnet, fällt ihnen in die Hände. Giles hat darüber hinaus noch herausgefunden, dass je älter sie werden, desto mehr nehmen ihre Kräfte zu und sie erlangen die Macht, von ihnen getötete auch in Wrukolas zu verwandeln. Diese hier in der Stadt haben einen Meister mitgebracht. Und laut einem dämonischen Informant bewachen sie einen Talisman, der der Schlüssel zu einem Ritual darstellt. Sie wollen die Welt von allen Sündern befreien.“
 

„Na klasse und da fangen sie ausgerechnet in Cleveland an?“ Buffy schnallte sich an, während Xander losfuhr.
 

„Hey.. hier ist der Höllenschlund Nummer 2,“ erinnerte sie Xander grinsend.
 

„Ich wusste doch, dass das Ganze einen Haken hat.“ Buffy lächelte, aber ihre Augen blieben ausdruckslos.
 

++++
 

Tennessee.

Highway

“Wie hast du geschlafen?“ Fragte Robin am Steuer, als er hinter sich Faith hörte, ohne über die Schulter zu schauen.
 

„Interessiert dich das wirklich?“ Faith warf sich hinter Robin in die Sitzreihe und ließ ihren müden Blick durch die Windschutzscheibe fallen. Selten fuhren sie die Nacht durch. Aber nach gestern Morgen hatte niemand von ihnen mehr große Lust verspürt länger im Nationalpark zu bleiben. Training war ausgefallen. Kein Grund länger zu verweilen. Jetzt dämmerte es bereits wieder und die Strasse unter ihnen war feucht wegen eines nächtlichen Schauers.

Robin sah nun doch über die Schulter und lächelte Faith an. „Ich wusste nicht, dass du so nachtragend sein kannst.“
 

„Hin und wieder bin ich gut für ne Überraschung. Frag B.“ Sie musste unwillkürlich grinsen. „Nein frag sie lieber nicht. Dir würde nicht gefallen, was sie zu erzählen hätte.“ Sie rieb sich den Nacken.

„Wie du wünschst.“ Robin sah wieder nach vorne. „Und?“
 

„Und was?“
 

„Zu welcher Erkenntnis bist du gekommen. Wegen gestern Morgen?“
 

„Das ich noch immer im Recht bin.“
 

Robin seufzte. „Ich schätze, so kommen wir aber nicht weiter.“
 

„Ich weiß nicht, was so schlimm daran sein sollte, dass ich mich mit meiner Erfahrung einbringen möchte.“
 

„Nichts,“ gab Robin erstaunlich ruhig zu. „Aber es gibt Situationen, in denen ich als Wächter Entscheidungen treffen muss und ich möchte nur sicher gehen, dass du mir dann nicht in den Rücken fällst. Sondern mich stärkst.“
 

„Wenn das deine ganzen Bedingungen sind...,“ Faith senkte ihren Blick und ließ ihre Hand über die Rückenlehne wandern, bis sie Robins Schulter erreichte und langsam weiter nach oben glitt, um seinen Nacken zu massieren. „Dann kann ich es mal damit versuchen.“
 

Robin wandte seinen Kopf unter ihrer Berührung. „Dann auf gute Zusammenarbeit.“
 

++++
 

Cleveland.

Giles Wohnung

„Da drinnen soll ICH schlafen?“ Buffys Stimme überschlug sich vor Entrüstung, als sie hinter Dawn in das kleine Arbeitszimmer von Giles eintrat, das ihr Dawn als ihr neues Zuhause präsentierte.
 

„Da drinnen kann Giles sogar arbeiten,“ behauptete Dawn überzeugt und ließ sich auf das kleine Sofa fallen. „Dann kannst du auch hier schlafen. Und das praktische daran.. tagsüber bist du ihm nicht im Weg, weil dieses tolle Sofa ausklappbar ist.“
 

„Ich glaube wir brauchen eine eigene Wohnung.“ Buffy hievte ihren Koffer auf den fast leeren Schreibtisch. „Da waren ja manche Hotels bequemer und die verdienten nicht mal den Namen Hotel.“
 

Dawn grinste kurz. „Und ich glaube, wir brauchen dafür erst einmal ein geregeltes Einkommen.“ Dawn stand auf. „Ich hol dir mal die Bettwäsche aus meinen Zimmer.“
 

„Deinem Zimmer?“ Buffy folgte Dawn über den Flur. Dawns Einwand war berechtigt... sie brauchte einen Job. Einen, der etwas Spaß machte und ihnen die Miete zahlte. Sie konnten nicht ewig hier bleiben und Giles auf der Tasche liegen. Sie wusste ja nicht einmal von woher Giles nun seine Gelder bezog.

Es gab natürlich noch immer die Möglichkeit ihren Vater anzurufen, aber wie sollte sie ihm alles erklären? Nach dem sie so lange nichts mehr miteinander zu tun gehabt hatten?
 

Sie seufzte in Gedanken. Alles Entscheidungen, vor denen sie fast drei Monate lang davon gelaufen war.
 

„Wieso bekommst du das Gästezimmer?“
 

„Weil ich erster hier war?“ Gab Dawn schnippisch zurück und holte aus dem Schrank für Buffy Kissen, Decke und Bettwäsche. Sie drückte ihrer Schwester alles in die Arme.
 

„Welche Logik... Also noch mal.. wir brauchen eine eigene Wohnung.“
 

„Kaum hier, schon wieder auf der Flucht vor mir?“
 

Buffy drehte sich zu Giles herum, der hinter ihr lautlos in den Flur getreten war. Sie lächelte sanft und erfreut darüber, ihn zu sehen, ehe ihre Lippen sich zu einem gewohnten amüsierten Grinsen verwandelte. „Nein, aber wissen Sie was... hin und wieder lege ich Wert auf ein eigenes Bad und vor allem auf ein eigenes Bett.“ Sie dachte mit einem Grausen an das Klappsofa. „Nebenbei habe ich nichts dagegen Morgens so lange nackt durch die Wohnung laufen zu dürfen, wie ich Lust dazu habe! Aber ich schätze, diesen Teil wollen Sie gar nicht so genau wissen", fügte Buffy hinzu, um ihre Worte etwas abzumildern, während Giles versuchte, sich nicht seine Verlegenheit anmerken zu lassen, was offensichtlich fehl schlug, wie Buffy, amüsiert über seine krampfhafte Wahrung der Haltung, feststellte. Sie unterdrückte ein Lachen und mit todernster Miene fragte sie: „Oder können Sie mir das doch bieten?“
 

"Uhm...". Giles versuchte nicht zu erröten, was schief ging, wie er verlegen bemerken musste. Er schluckte und Buffy begann wieder zu grinsen. Es funktionierte über all die Jahre hinweg noch immer.. sie konnte ihn aus der Fassung bringen.
 

Dawn lachte, während sie mit verdrehten Augen an Buffy vorbeiging und ihr wieder das Bettzeug aus den Händen nahm, um es selbst in das Arbeitszimmer zu bringen. Damit gab sie Buffy und Giles die Zeit sich zu begrüßen, die sie brauchten.

„Tja, da bin ich wieder,“ sagte Buffy schließlich in die Stille hinein, als sie alleine auf dem Flur standen und offensichtlich nicht wussten, wie sie „Hallo“ sagen sollten.
 

Giles nickte ihr kurz zu. „Tut mir leid, wegen des Zimmers.. Dawn wollte...“

„Ist schon okay. Ich kann damit leben. Ist auch nicht besser, als das Sofa, auf dem ich Sie damals in rosa Bettwäsche hab schlafen lassen. Und es ist ja nicht für immer.“
 

Giles schmunzelte und schien erleichtert. Trotzdem standen sie sich unschlüssig gegenüber, mit der schier unüberwindbaren Distanz von ein paar Schritten zwischen ihnen. Ihre Blicke trafen sich kurz und beide erkannten, dass die letzten Monate und Geschehnisse eine unsichtbare Mauer aufgebaut hatten. Aber Mauern konnte man einreißen. Für den Moment jedenfalls, beschloss Buffy und machte zögernd den ersten Schritt. Giles schien auf diese Reaktion gewartet zu haben und plötzlich umarmten sie sich, ohne zu wissen, wer genau damit angefangen hatte. Buffy spürte, dass es gut tat. Das es doch wie ein „nach Hause kommen“ war.
 

„Es ist gut, dich hier zu haben,“ räusperte sich Giles schließlich und löste die Umarmung. Gott sei Dank hatte sich Buffy diesmal ihrer Kräfte erinnert und ihm nicht die Rippen gequetscht.
 

Buffy wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Ja, sie war froh wieder inmitten all ihrer Freunde zu sein. Froh darüber ihre Heimat nach drei Monaten unter ihren Füssen zu spüren und doch hatte sie Zweifel daran, ob sie das Richtige tat. Was sollte sie hier? Kennedy war ebenso Jägerin wie sie. Mit weniger Erfahrung, aber mit Talent. Giles und Willow hatten eine Aufgabe gefunden, einen Sinn für ihr Leben – den Rat aufzubauen. Xander schien als treuer Freund dem Ruf nach Cleveland gefolgt zu sein. Was genau Andrew hier wollte, war ihr schleierhaft. Noch weniger wusste sie, was sie hier wollte.
 

Als Giles spürte, dass Buffy die Richtung des Gesprächs als unangenehm zu empfinden schien, versuchte er das Thema zu wechseln, auch wenn es ihm ein starkes Bedürfnis war, mit ihr über alles zu reden. Er wusste, dass Buffy noch mehr Zeit brauchte, als sie sich genommen hatte. Er würde sie nicht drängen. „Nun.. wie war es auf deiner Reise?“
 

„Lustig, anstrengend, frustrierend, interessant, abenteuerlich, verrückt...“, zählte Buffy lachend auf, froh, dass Giles Feingespür auf sie angewendet noch immer zu funktionieren schien. Kurz dachte sie darüber nach, ihm von ihrem merkwürdigen Erlebnis in China und Australien zu erzählen, aber da sie es als kleine Episode abtat, hielt sie es für nicht so wichtig. Irgendwann, bei Gelegenheit, würde sie davon erzählen. „Und wie läuft es hier so?“
 

„Oh, Willow versucht sich an den Campus zu gewöhnen, Xander hat einen gut bezahlten Job bei seiner alten Firma gefunden, Kennedy...“
 

„Ich meinte Ihre Arbeitsbeschaffungsmaßnahme,“ unterbrach sie ihn grinsend, wobei der Ausdruck ihrer Augen ernst blieb. Giles entging das keineswegs, aber mit einem Räuspern und abgewandten Blick ignorierte er es gekonnt.
 

„Nun ja, es nimmt langsam Form an.“ Giles ging in das großräumige Wohnzimmer. „Willow ist mir in den letzten Wochen eine große Hilfe gewesen und in ein, zwei Wochen bekomme ich Unterstützung aus England.“
 

„Aha,“ Buffy war ihm mit fragendem Blick gefolgt. Willow war also eine große Hilfe? Sicher, natürlich.. jetzt wo Giles und Willow davon ausgingen, dass sie eine jener Hüterinnen war, deren angeblich letztem Mitglied sie selbst begegnete, bevor Caleb sie tötete, war das alles ein wenig anders. Erneut fühlte sich Buffy verunsichert, fast nutzlos. „Und wer?“
 

„Eine alte Freundin. Lily Usher. Sehr begabt,“ weihte sie Giles ein und sah zur Uhr. „Uhm.. ich müsste...“
 

„Schon gut,“ winkte Buffy ab und Giles war dabei bereits am Treppenabgang.
 

Sie sah ihm hinterher. Mit gemischten Gefühlen. Sie hatte gedacht, die Spielregeln geändert zu haben. Giles hatte ihren Plan damals brillant gefunden. Wieso wollte er jetzt den Rat wieder aufbauen? Alte Strukturen erschaffen, die Regeln wieder ändern? Das brachte doch nichts. Sicher.. er würde damit den vielen Jägerinnen auf der Welt eine bessere Überlebenschance einräumen und dabei neue Strukturen einführen, reformieren. Aber sicher scheiterte er daran, dass die Bürokratie ihm im Weg stand und vor allem die älteren Wächter. Es würde so kommen, wie sie befürchtete.. von wegen Reformation.
 

Giles hatte das Ende der Treppe erreicht und blieb einen Augenblick stehen, sah zurück und seufzte schwer. Es hätte so vieles gegeben, das er ihr noch gerne gesagt, was er gerne gewusst hätte.. wie es Buffy ging, wie sie mit Spikes Tod zurecht kam, mit der veränderten Situation.. aber wie so oft hatte er den richtigen Augenblick verpasst, um zu fragen. Er wusste, dass jetzt, wo ihr die schwere Last von den Schultern genommen war, nicht alles einfach so normal weiter gehen konnte, wie sie es sich vielleicht erträumt hatte. Und er war sich ganz sicher, dass sie das auch selbst wusste.
 

Aber nur wenn sie darüber reden würde, konnte er ihr vielleicht bei ihren Entscheidungen helfen oder zur Seite stehen. Da sie ihn nicht zurückhielt, sah Giles ein, dass Buffy im Moment nicht reden würde und ging weiter nach unten.
 

++++
 

Ratsgebäude.

Am Abend.

Xander, Dawn und Andrew saßen am großen Konferenztisch und warteten auf den Rest der Gruppe. Sie wollten die gesammelten Informationen zusammenfassen und Buffy einweihen.
 

„So lange der Rest auf sich warten lässt,“ Xander stand auf, um aus dem Hinterzimmer etwas zu trinken zu holen, „können wir uns auch selbst verköstigen.“

„Das dauert noch ne Weile,“ seufzte Dawn. „Buffy stand unter der Dusche, als Giles gerade beschlossen hatte, sich zu rasieren,“ Dawn grinste breit und gehässig. „Wenn das schon am ersten Abend so lustig zugeht, will ich doch keine eigene Wohnung mit Buffy alleine haben.“
 

Andrew schaukelte auf seinem Stuhl vor und zurück. Eigentlich müsste er bald los. Wenn er noch einmal zu spät kam, konnte er sich sicher einen neuen Job suchen. Auch wenn er die Uniform hasste und Xander ihn hin und wieder als „Tomate“ bezeichnete, so füllte er damit langsam sein Konto. Außerdem würde er erneute Sticheleien von Xander nicht ertragen, wenn er schon wieder ohne Job dastand. Schließlich hatte er schon seit Wochen keine Miete mehr bezahlt.

„Und wie war London? Hast du viele Vampire gekillt?“ Grinste Xander als er mit drei Dosen Coke zurückkam und Dawn etwas aufzog.
 

Im ersten Moment zuckte Dawn kaum merkbar zusammen. Ihr Herz klopfte heftig gegen die Brust. Hatte Willow sich bereits verplappert? Halt nein... Xander machte nur einen seiner üblichen Späße. Sie lächelte gezwungen und hoffte, dass niemand ihr Unwohlsein bemerkt hatte. „Ach was... in London gibt es doch viel Schlimmeres als Vampire!“
 

“Linksverkehr!” Warf Andrew ein.
 

“Fish and Chips!” Stöhnte Xander.
 

”Teletubbies!“ Triumphierte Andrew.
 

“Ja, das sind blutrünstige Monster! Und einer von ihnen hat eine lila Handtasche, und ist schwul!“ Nickte Dawn zustimmend.
 

“Ich dachte, das wär´ ein Mädchen!“ Entrüstete sich Xander und setzte sich wieder an den Tisch.
 

“Da gibt es Mädchen?“ Andrew griff nach einer Dose.
 

“Ich dachte, das erkennt man an den komischen Dingern, die sie auf dem Kopf tragen. Die Jungen haben die langen spitzen, und die Mädchen haben die mit dem Loch in der Mitte!“
 

“Xander!!!“ Dawn klang entrüstet, aber auch etwas verlegen.
 

„Ja was denn?“ Tat er unschuldig, war aber doch erleichtert, als Kennedy in der Türe erschien und die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Hinter ihr tauchte Willow auf und die beiden setzten sich mit einem „Hi“ in die Runde.

„Wo steckt der Rest,“ fragte Willow ungeduldig. Sie wollte endlich Buffy begrüßen.
 

„Der Rest,“ ertönte Buffys Stimme aus dem hinteren Durchgang. „Musste sich erst davon erholen, dass Giles ohne Klopfen ins Badezimmer platzte.“ Sie warf einen anklagenden Blick über die Schulter, während sie in den Raum, gefolgt von Giles eintrat. Der Wächter wirkte mehr als verlegen und spielte nervös an seiner Brille.
 

„I-ich....“
 

„... such mir bald eine eigene Wohnung.“ Sagte Buffy versöhnlich, aber bestimmt. „Sie wollen sicher Ihre Ruhe haben.“
 

Giles lächelte gezwungen und dachte an die Unordnung im Badezimmer, nachdem Buffy gerade mal ein paar Stunden eingezogen war. Abgesehen von Dawns Unart überall etwas stehen und fallen zu lassen, wenn sie es nicht mehr brauchte.

„Hey.. Will,“ Buffy hatte Willow entdeckt und eilte zu ihrer Freundin, die aufstand und sie innig in die Arme schloss.
 

„Ich könnte fast eifersüchtig werden,“ murmelte Kennedy lachend und bekam von Buffy zur Begrüßung ein freundliches Zunicken geschenkt.

„Du bist braun geworden.“ Stellte Willow fest. „Und siehst richtig gut erholt aus.“
 

„Das bin ich auch. Aber ich hab schon ein schlechtes Gewissen, wenn Dawn nur ansatzweise erzählt, was ihr hier und in London inzwischen auf die Beine gestellt habt.“ Sie löste sich aus Willows Armen und setzte sich zu den anderen. Es hatte etwas tröstliches, gewohntes an sich, so wie sie in dieser Runde saßen, wenn auch Kennedy und Andrew neu waren und Buffy sich eingestand Anya etwas zu vermissen. An Spike wollte sie für den Moment nicht denken müssen. Nicht weil es schmerzlich war, sondern weil es sie nur wieder an die letzten Augenblicke in einer Stadt erinnerte, die nach sieben Jahren zu einem Zuhause mit Erinnerungen geworden war. Und diese lagen nun in einem Krater unter Schutt und Asche begraben.
 

„Halb so wild,“ winkte Willow ab.
 

Ein Räuspern von Giles lenkte ihre Aufmerksamkeit zu dem Briten, der sich die Brille gerade wieder auf die Nase setzte und sich über einem Berg Bücher auf dem Tisch abstützte. „Wenn ich trotz der ganzen Wiedersehensfreude eure ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen könnte?“ Er sah abwartend in die Runde. „Danke. Also zu unserem Problem.“ Er griff nach seinen Notizen. „Wenn ich das alles richtig zusammengefasst habe, sucht eine Gruppe Vampire, die Wrukolas genannt werden und von den ägäischen Inseln stammten, Cleveland heim. Offensichtlich hat sich diese Gruppe unter einem Anführer versammelt, um die Welt von menschlichen Sündern zu befreien. Ich habe herausgefunden, dass ein Wrukola nur aus einem Mensch, der ein frevelhaftes Leben geführt hat, einen neuen Vampir erschaffen kann. Was uns zu der Vermutung bringt, dass dies der einzige Grund für das geschlossene Vorgehen der Vampire ist.
 

Wobei,“ er kratzte sich an der Schläfe. „Ich nicht ausschließe, dass unsere Vampire hier ein wenig aggressiv vorgehen und ihr Handeln einer höheren Sache dient. Zudem suchen sie wohl nach einem Artefakt.“
 

Giles machte eine Pause, damit die Informationen zu allen durchdrangen. Er blätterte geschäftig in seinen Notizen, bis er fand, was er suchte. „Unsere Quellen sind stark eingeschränkt. Aber Wrukolas sind gängige Vampire und über die meisten Splittergruppen gibt es Aufzeichnungen. Dawn hat im Netz herausgefunden, dass ein Talisman, Purificatio-Talisman, der Gruppe helfen soll, ihr Ziel zu erreichen. Purificatio heißt Reinigung. Und Dawns Quelle beschrieb den Talisman als eine kleine, silberne Scheibe. Auf dieser Scheibe soll ein Tor dargestellt sein, umgeben von stilisierten Kristallen. Nun... ich kann mir nicht so ganz genau vorstellen, für was er benutzt wird, da zum Beispiel ein Tor in diesem Zusammenhang meist den Übergang zwischen Welten darstellen soll. Wohingegen die Kristalle möglicherweise für Salz stehen. Und Salz dient oft zur spirituellen Reinigung, als auch zum Ziehen von Bannkreisen...“. Giles legte sein Notizbuch ab und setzte sich. „Daher denke ich wäre es für meine Studien sehr dienlich, wenn wir den Talisman finden und ihr ihn herbringen könntet.“
 

„Wow.. Sie haben es noch immer drauf,“ grinste Xander und versuchte Ordnung in das zu bekommen, was er gehört hatte.
 

„Und was genau sollen wir jetzt tun,“ fragte Kennedy, während Giles einen leicht irritierten Blick zu Xander schickte.
 

„Uhm eh... da wir wissen wo sich die Vampire hauptsächlich aufhalten -in diesem Hochhaus, uhm.. schlage ich vor wir marschieren hinein und suchen den Meister samt Talisman,“ Giles rieb bereits wieder die Gläser seine Brille.

„Also ich muss zur Arbeit,“ stellte Andrew bedauernd fest und stand auf. Niemand schenkte ihm richtige Aufmerksamkeit außer Dawn, die kurz winkend aufsah und Xander, der nur kurz nickte. Ein wenig geknickt wollte Andrew gehen, doch Giles hielt ihn zurück.
 

„Andrew warte.. falls wir etwas finden, das in dieser Sprache ist.. brauchen wird dich als Übersetzer.“
 

„Wirklich?“ Andrew kam zurück. Vergessen waren seine Sorgen um den Billiglohn. Er war auf einmal wichtig... für die Gang.. das war.. cool.
 

Buffy kam sich im Moment fast genauso nutzlos vor wie Andrew noch vor einer Sekunde. Kennedy stellte ihre Fragen, Giles schmiedete ihre Pläne, selbst Andrew war für etwas gut... fast hätte sie geseufzt. Statt dessen ließ sie ihren Blick gelangweilt durch den Raum wandern. Hier gehörten eindeutig ein paar Bilder an die Wand und Pflanzen an die Fenster...
 

„Kennedy, Buffy.. ihr geht auf jeden Fall gemeinsam in das Hochhaus. Xander und Andrew kommen als Rückendeckung mit. Und wir drei halten hier die Stellung.“
 

Buffy sah erstaunt zu Giles. So schnell war sie wieder im Dienst. Und keiner hatte gefragt... sie hasste sich langsam für die zwiespältigen Gedanken. Unangenehm stieß ihr auch Giles Wortwahl auf... Kennedy an erster Stelle zu nennen. Schon alleine deswegen konnte sie nicht nein sagen.
 

„Uhm.. ich denke Dawn könnte ein Ausflug nicht schaden?“ Schlug Willow überraschend für alle vor, wobei sie jedoch unbemerkt Dawn zuzwinkerte. Sie wusste schließlich etwas, das der Rest nicht wusste.

„Dawn bleibt hier. Das ist viel zu gefährlich,“ ordnete Buffy an und sprang selbst aus dem Stuhl.
 

„Hey.. ich hab Erfahrung genug gesammelt. Und was soll ich hier rumsitzen? Wir haben doch das meiste recherchiert? Und für die Spezialfragen sind Giles und Willow zuständig. Komm schon Buffy,“ verlagerte sich Dawn aufs Betteln. Wir haben uns sooo lange nicht gesehen und ich soll gleich den ersten Abend alleine...“
 

„Also gut, also gut. Aber halt dich im Hintergrund.“ Buffy war nicht überzeugt, aber bevor Dawn zu nerven begann, gab sie lieber nach. Sie wandte sich zu Kennedy herum, doch die Jägerin war bereits an den Waffenschrank getreten, den Xander mit Andrew eingeräumt hatte. Lange Zeit bevor sie wussten, was alles mit dem Rat und ihnen passieren würde.
 

„Gut.. Waffen,“ murmelte Buffy und griff nach einer Armbrust. Als sie sah, dass Kennedy dieselbe Wahl getroffen hatte, tauschte sie sie schnell gegen ein Schwert ein.
 

Xander, Andrew und Dawn rüsteten sich ebenfalls und die Gruppe verließ das Gebäude.
 

Dawn war Willow dankbar. Ihr wäre hier drinnen die Decke auf den Kopf gefallen und an der Seite von Buffy war sie besser aufgehoben. Sie musste ja nicht alles geben – Verdacht wollte sie auf keinen Fall erregen. Sie würde im Hintergrund bleiben und allen den Rücken freihalten.
 

++++
 

City.

Hochhaus.

Die Nacht legte laut und geschäftig ihren dunklen Mantel um die Scooby Gang, als sie aus dem Crysler ausstiegen. Der Parkplatz des gewaltigen Bürogebäudes lag friedlich inmitten eines stark frequentierten, lauten Straßenzugs. Eine Grille zirpte einsam in ihrer Nähe gegen den Straßenlärm an und eine Hupe heulte in der Ferne auf.
 

Buffy blickte an der hell erleuchteten Fassade des Hochhauses hinauf, bis sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um das Ende zu sehen. Sie war von der Größe regelrecht erschlagen. „Wow. Ganz da oben wollte ich nicht sitzen. Jedes Mal, wenn ich Lust auf nen Donut bekäme, müsste ich eine halbe Tagesreise durch Flure, Fahrstühle und Treppen machen.“
 

„Ist halb so schlimm,“ Kennedy schlug ihre Autotüre zu. Die Grille verstummte sofort. „Alles gut ausgeschildert, Botenjungs und ne eigene Ladenzeile im unteren Bereich.“
 

Ja wusste sie denn auf alles eine Antwort? Buffy kniff ihre Augen zusammen und taxierte Kennedy kurz. Dann riss sie sich zusammen, rief sich ins Gedächtnis, dass Kennedy nun eine Jägerin und seit drei Monate im Geschäft war. Natürlich wusste sie.. nein sie musste sogar auf alles ein Antwort wissen, wenn die Moral der Truppe nicht sinken sollte.
 

„Ihr ward drinnen?“ Dawn zog ihre Waffe aus dem Kofferraum.
 

„Kurz,“ nickte Xander. „Wir wollten uns nur einmal umsehen.“
 

Das war natürlich auch eine Erklärung für Kennedys Wissen, musst Buffy beschämt zugeben.
 

„Und?“
 

„Na ja, die oberste Etage steht zur Zeit leer, weil sie renoviert wird. Also, Buffy.. doch ne kleine Tagesreise nach ganz oben.“ Feixte Xander Richtung Buffy.

„Nee lass mal, hab gerade ne Weltreise hinter mir, die reicht,“ grinste Buffy und folgte Kennedy, die bereits los marschiert war.
 

„Was ist jetzt eigentlich mit deinem Job, wenn du heute nicht hingehst?“ Fragte Dawn interessiert Andrew.
 

Er zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich bin ich ihn los. Ich werde mir was Neues suchen müssen.“
 

„Das wäre dann Job, der wievielte?“ Merkte Xander an.
 

Andrew verzog das Gesicht. „Im Dienst gegen das Böse muss man Opfer bringen.“
 

„Genau.“ pflichtete ihm Dawn bei und überlegte zeitgleich wie ihr Opfer aussehen würde, wenn sie den anderen von sich und ihren neuen Kräften erzählen würde.

„Aha...,“ Xander versteckte sein Schwert unter der Jacke so gut es ging, als Buffy und Kennedy vor ihm durch die Drehtüre schritten.
 

„Eben. Wir haben keine Superkräfte und müssen auch noch Opfer bringen,“ jammerte Andrew.
 

Xander sah die beiden entrüstet an. „Superkräfte! Wer braucht schon Superkräfte?“
 

“Auch wieder wahr,“ gab Andrew noch immer etwas deprimiert zu. „Die Leute, die ohne Superkräfte das Böse bekämpfen sind sowieso viel cooler.“ Er klang schon wieder optimistischer.
 

“Batman ist auch cooler als Superman!“
 

Andrew musste Xander sofort widersprechen: „Eigentlich ist Superman cooler als Batman, aber...“
 

“Hey! Ich dachte wir sind hier die Coolen und metzeln ein paar Vampire ab!“
 

Versuchte Dawn die beiden zu unterbrechen. Auch wenn ihr das Gespräch nicht mehr so sehr behagte. Sie war seit der Nacht in London mit ihren englischen Freunden nicht mehr „normal“....
 

“Natürlich, wir sind supercool! Wir sind die Fantastischen Vier, ich mein natürlich...die mächtigen Drei!“ Versuchte Andrew das Gespräch zurück zu lenken.
 

Dawn kicherte. „Ich bin Piper! Ich wollte schon immer Leute in die Luft sprengen!“
 

“Nun, da ich der Erwachsene hier bin, und auf euch aufpasse, muss ich wohl oder übel Prue sein.“ Wählte Xander etwas angeberisch seinen Charakter aus.
 

“Ich bin nicht Phoebe! Ich verknalle mich nicht in Dämonen! Das ist Xander's Job!“ Entrüstete sich Andrew.
 

“Aber du bist blond, das reicht schon!“ Merkte Dawn schadenfroh an.
 

“Ach menno!“ Schmollte Andrew und trat hinter Buffy durch die Drehtüre. Sie schlossen zu den beiden Jägerinnen auf, die zielgerade auf die Fahrstühle zusteuerten, überwacht von den strengen Blicken der Sicherheitsleute. „Und zudem hab ich eine Kollegin angerufen, die ist für mich eingesprungen,“ löste er die Frage verspätet und unspektakulär auf.
 

++++
 

Weatherby trat hinter der Telefonzelle hervor. Seit er herausgefunden hatte, wo sich die Vampire versteckten und ihren Talisman, hatte er den Befehlen seines Auftraggebers gehorcht – die Jägerinnen zu überwachen und falls nötig ihnen den richtigen Tipp zukommen zu lassen. Aber offensichtlich war das nicht nötig. Sie hatten dieselbe Fährte aufgenommen, wie er vor Tagen. Wenn er Glück hatte, gehörte ihm noch heute Nacht der Talisman und er konnte endlich in die Heimat zurückfliegen. Er folgte mit Abstand in das Gebäude.
 

++++
 

„Also... wo fangen wir an?“ Buffy stand mit der Gruppe im dunklen Flur, in dem Leitern, Werkzeugkästen, Farbeimer und Abdeckplanen auf die bevorstehende Renovierung hindeuteten.
 

„Großbüro?“ Schlug Kennedy vor und ging auf eine große Flügeltüre am Ende des Flures zu.
 

Die anderen folgten in stummer Zustimmung. Nur Buffy zögerte einen Moment. Es konnte ja auch eine Konferenzzimmer sein.. eine Falle.. aber da hatte Kennedy bereits die Flügeltüre aufgestoßen. Buffy schüttelte den Kopf. So konnte sie nicht arbeiten...
 

Vor ihnen lag ein dunkler Raum, durch dessen verglaste Front das schwache Licht von außen eindrang und nur Umrisse enthüllte.
 

Kennedy wartete auf Buffy und gemeinsam traten sie ein. Mit einem raschen Blick durch den Raum schien so weit alles in Ordnung zu sein. Sie winkten den dreien zu und gingen weiter. Vorsichtig, jedes Geräusch vermeidend. Buffy gab mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie ausschwärmen sollten, um den Raum schneller überprüfen zu können. Buffy ging alleine weiter, während Kennedy sich nach links und Xander nach rechts wandten. Kennedy stieß an der Wand hinter einer Reihe Tische auf zerwühlte Schlafstätten und Xander trat in einen kleinen Müllberg. Definitiv waren sie auf das Nest gestoßen.
 

Als Buffy den letzten Schreibtisch erreicht hatte, fiel ihr Blick zum Fenster. Dort schien etwas auf einem kleinen Podest zu liegen. „Hey Leute.. schaut mal,“ flüsterte sie über ihre Schulter laut genug, dass sie von den anderen gehört wurde. Sie kamen näher und gemeinsam besahen sie sich den flachen, runden Gegenstand. Buffy beugte sich etwas nach vorne und entdeckte den von Giles beschriebenen Torbogen. Um ganz sicher zu gehen, wollte sie nach dem Talisman greifen. Im selben Augenblick raschelte es über ihnen. Alarmiert sahen alle nach oben. Doch ihre Reaktion kam zu spät. Schemenhafte Gestalten stürzten sich im freien Fall von der Decke auf sie nieder.
 

Kennedy riss ihre Armbrust in die Höhe, doch der Schuss ging ins Leere, während Buffy unter einem Vampir begraben wurde. Dem Rest erging es nicht viel besser.

Das Chaos brach aus, als jeder damit beschäftigt war, zu überleben. Vampire wie auch die fünf Menschen im Raum.
 

++++
 

Weatherby hatte den oberen Stock erreicht und hörte schon vom anderen Ende des Flures das laute Kampfgetümmel. Mit ein wenig Glück würde es nicht lange dauern. Er zweifelte nicht eine Sekunde lang daran, dass es die Jägerinnen nicht schaffen würden.
 

„Dawn.. halt dich im Hintergrund,“ rief Buffy ohne zu wissen, wo ihre Schwester steckte. Dawn hatte den Ruf vernommen und war ihm gar nicht so böse. Sie hatte bereits einen Vampir in die ewigen Jagdgründe geschickt, aber wenn sie noch länger an der Front kämpfte, würde irgendjemand ihren neuen Kampfstil bemerken und hinterher Fragen stellen. Also hielt sie sich sehr zurück und überließ den anderen den Kampf. Sie würde dafür sorgen, dass kein Monster von hinten den Freunden in den Rücken fallen konnte. Falls es eine Nachhut gab.
 

Buffy und Kennedy standen Rücken an Rücken und kämpften verbissen gegen die Übermacht, während Andrew und Xander versuchten ihre Haut zu retten. Diese Vampire waren stark und vor Tagen waren sie schon einmal in diesen Genuss gekommen. Andrew kam ins Stolpern und wurde unter den Körpern von zwei Vampiren begraben. Er brachte ein ersticktes Geräusch zustande, das Xanders Aufmerksamkeit erregte.
 

„Buffy.. Andrew!“
 

Buffy blickte schnell in die gewiesene Richtung und erkannte das Problem. Sie verließ Kennedy, kämpfte sich durch bis sie Andrew erreicht hatte und zog die beiden Vampire von ihm. Sie half Andrew schnell hoch und war sofort wieder mit Vampiren beschäftigt.
 

Sie bemerkte zu spät, dass sie von einer kleinen Gruppe nach hinten gedrängt wurde, weg von ihren Freunden. Sie behielt die Ruhe, wie sie es von Anbeginn an gelernt hatte und schaffte es einen kleinen Teil der Gruppe zu töten. Dadurch hatte sie sich zurück in Richtung Freunde vorgearbeitet und atmete erleichtert auf. Doch der Platz der toten Vampire wurde sofort von neuen eingenommen und Buffy endete mit dem Rücken an der Wand. Sie sah kurz zur Seite und entdeckte ein Türe. Ihre freie Hand griff nach dem Türknauf, während sie mit der anderen ihr Schwert schwang und die Vampire zurückhielt. Die Türe war offen und sie seufzte erleichtert. Schnell schlüpfte sie hindurch und befand sich in einem kleinen Raum mit einer Treppe nach oben. Sicher der Zugang zum Dach. Erst jetzt bemerkte sie überrascht, dass ihr die Vampire nicht folgten.
 

„Oh...,“ überrascht blieb sie auf der ersten Treppenstufe stehen, wandte sich herum und ging zurück. Man wollte sie offensichtlich hier haben, aber sie konnte ihre Freunde doch nicht alleine lassen?
 

Als sie die Türe zurück zum Büro öffnete, sah sie in die knurrenden Gesichter der Meute, die sie bis hier her abgedrängt hatte. „Na prima... was auch immer ihr von mir wollt.. ich leg mich nicht mehr mit euch an.. daher.. tschüss,“ sie schlug ihnen eilig die Türe wieder vor der Nase zu. Kennedy war schließlich noch bei den anderen und eine Jägerin sollte für den Moment reichen. Langsam ging sie die Treppe nach oben. Sie schien keine andere Wahl zu haben. Aber ungefährlich würde es sicher nicht werden.
 

Die Stufen endeten an einer Türe, die unverschlossen war. Vorsichtig stieß Buffy sie auf und befand sich tatsächlich auf dem Flachdach des Hochhauses. Viel Platz bot es für die Größe des Hauses nicht, denn die eine Hälfte wurde von einem Aufsatz eingenommen, hinter dessen Glasfenstern die Lichter hell und grell den vorderen Bereich erleuchteten. Buffy überlegte gerade, ob es sich dabei womöglich um ein Lokal, weitere Büros oder sogar Wohnungen handelte, als sie eine Bewegung wahr nahm. Von oben, dem schmalen Dach des Aufsatzes.
 

Die Jägerin blickte sich hastig um. Aber sie sah keinen Zugang und ob die Bewegung nicht nur in ihrer Einbildung existierte, wusste sie auch nicht zu sagen. Sie ging von der Türe weg, ein paar Schritte näher an den Rand und wagte einen Blick darüber hinweg. Die Hochhäuser um sie herum waren gegen das hier klein, und überall brannte die Beleuchtung. Die Stadt wirkte dadurch selbst zu dieser Zeit noch lebendig, auch wenn der Großteil der Büros nicht mehr besetzt war. Unter ihr sah Buffy die Strasse als breiten, grauen Streifen und die Autos als kleine, sich bewegende Flecken.
 

Ein Windstoß, ein Rascheln... Buffy fuhr herum.. ihre Augen huschten unruhig von links nach rechts, hoch zu dem zweiten Dach... irgendwer war hier. Jemand, der sie alleine haben wollte. Und er schien eine Etage höher zu sein, wenn sie sich den dunklen Stofffetzen eben, der über den Rand geweht hatte, sich nicht nur eingebildet hatte. Sie rannte zum Aufsatz hinüber, nahm sich nicht erst die Zeit in das Innere zu blicken – obwohl sie zuvor noch sehr neugierig auf seine Funktion gewesen war - sondern suchte nur nach einer Treppe.
 

Es gab eine Feuerleiter nach oben. Sie griff danach und eilte hinauf. Ihre Schritte hallten auf dem Eisen und eine unentdeckte Annäherung konnte sie somit gleich streichen.
 

Kurz vor dem Ziel hielt sie inne, holte tief Luft, um sich innerlich auf alles einzustellen und streckte vorsichtig den Kopf über den Rand. Ehe sie genau sagen konnte, was passierte, wurde sie an ihrem Haarschopf gepackt und von der Leiter gepflückt. Der Schmerz kam überraschend heftig, so dass Buffy zu langsam reagierte, um sich zu befreien. Der Angreifer riss sie mit Leichtigkeit in die Höhe und warf sie von sich auf den Boden des Daches.
 

Buffy kam ungeschickt auf und versuchte sich noch über die Schulter abzurollen, um das Schlimmste zu vermeiden, trotzdem prellte sie sich die Hüfte auf dem Teerboden. Stöhnend kam sie auf die Beine, bevor der Vampir sie erreicht hatte. „Verdammt.. wieso glaubt ihr ständig mich als Punchingball benutzen zu dürfen?“
 

Erst jetzt sah sie ihren Gegner aus der Nähe. Ein groß gewachsener, dunkelhäutiger Mann, mit kurzem, dunklem Haar und einer Tätowierung auf der Stirn. Gekleidet war er in schwarz und trug über Pullover und Hose einen langen, schwarzen Wollmantel. “Also echt... ich verstehe nicht, was ihr Vampire an diesen Mänteln findet,“ stöhnte Buffy, als würde ihr das wirklich Schmerzen bereiten. Sie erblickte ihr Schwert, das ihr bei der rüden Behandlung aus den Händen gefallen war. Es lag nur ein paar Schritte von der Jägerin entfernt, doch der Blick des Vampirs war ihrem gefolgt und er erahnte ihr Vorhaben.
 

Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen, ihre Blicke trafen sich.. dann stürzten sie sich beide auf das Schwert. Obwohl sie beide die Waffe gleichzeitig erreichten, hatte der Vampir den schnelleren Reflex und brachte das Schwert ins Rutschen. Es fiel über den Rand und traf mit einem Klirren ein paar Sekunden später auf das darunter liegende Dach auf. Als Buffy wütend und frustriert in das Gesicht des Vampirs blickte, verzogen sich seine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.
 

„Prima.. kommst dir jetzt wahrscheinlich super schlau vor,“ sie sprang auf die Füße und ehe der Vampir nacheilen konnte, hatte sie mit dem Fuß ausgeholt und ihm in die Seite gekickt. Er wurde herumgeschleudert und kam auf dem Rücken zu liegen.
 

„Okay.. was willst du eigentlich von mir? Ich hab mit der Sache an sich nichts zu tun. Ich bin hier erst seit ein paar Stunden und ...,“ und was? ... wollte nie wieder einen von euch sehen? Und wollte erst noch ein paar Tage ausspannen bevor ich wieder auf die Jagd gehe? Wenn überhaupt?
 

„Du bist nicht die Jägerin,“ fragte der Vampir irritiert aber mit Akzent.

„Nun.. es ist eher so.. ich war DIE Jägerin. Jetzt ist es mehr ein, nun... 'ich bin eine von vielen Jägerinnen’.“ Der Vampir sah sie völlig verdutzt an. „Ach nicht so wichtig.. wenn du eine Jägerin wolltest.. hier ist eine.. komm schon. Lass es uns beenden.“
 

Doch der Angriff blieb aus. „Du bist die Falsche.“
 

„Ach... diese Leier.. wie viele Männer haben mir das schon ins Gesicht gesagt.. oh warte.. nein noch keiner... sie sind alle vorher davon gelaufen. Also tu dir keinen Zwang an.. such dir ne andere Jägerin.“
 

„Ich wollte dieses dunkelhaarige Mädchen, das mir meine Brut zerstörte. Alles muss man alleine machen,“ fügte er leise, eher weniger unheilverkündend, hinzu.

„Oh Kennedy.. tut mir leid. Sie ist anderweitig beschäftigt.. aber wenn ich dir helfen kann...“
 

„Nicht nötig,“ und damit schlug er unerwartet schnell und fest zu. Buffy taumelte und kam dem Rand gefährlich nahe. Während sie noch mit dem Gleichgewicht kämpfte, sprang der Vampir an ihr vorbei in die Tiefe. Offensichtlich wollte er sich wirklich nicht mit ihr abgeben. Buffy fing sich und sah hastig nach unten. Der Vampir eilte auf die Türe zu, durch die sie gekommen war. Er wollte Kennedy, aber er durfte sie nicht bekommen.

Buffy bezweifelte, dass das Training mit Xander Kennedy schon so weit vorbereitet hatte, dass sie gegen einen mächtigen Vampir kämpfen konnte. Zwar war ihr durchaus bewusst, dass Kennedy vor wenigen Monaten gegen die Übervampire gekämpfte hatte, aber es war etwas ganz anderes gegen ein manipulierendes, intelligentes Wesen wie einen Meister zu kämpfen. Die Übervampire waren von Instinkten geleitet und dumm gewesen. Zudem war das Gefühl in der Gruppe stark und unbesiegbar zu sein etwas anderes, als alleine Mann gegen Mann zu stehen.

Sie selbst hatte schließlich damals den Meister auch nicht im ersten Anlauf besiegen können und dabei hatte sie etwas mehr Training durchlaufen.
 

Sie ließ sich an der Feuerleiter hinunterrutschen, wedelte beim Rennen über das Dach mit den verbrannten Handflächen und pustete dagegen. „Im Fernsehen sieht das immer so einfach aus.... ich verlange bei Gelegenheit Schmerzensgeld oder das sie vor Nachahmung warnen.“ Buffy legte einen Spurt hin und konnte sich gerade noch gegen den Vampir werfen, eher er die Türe öffnete. Er fiel samt Buffy hart dagegen. Ein dröhnender Schlag hallte über die Dächer der Hochhäuser und Buffy klammerte sich verbissen an dem Vampir fest, um ja nicht die Führung über den Kampf zu verlieren.
 

Der Vampir stand auf, mit Buffy im Huckepack und versuchte sie mit heftigen Stößen gegen die Türe und die Mauer des Türaufsatzes abzuwerfen. Doch Buffy war Schlimmeres und Härteres gewöhnt. Natürlich tat es ihr weh und sie verzog bei jedem neuen Aufprall das Gesicht. Aber wacker hielt sie ihre Position. Der letzte Stoß war jedoch zu heftig und Buffys Hände rutschten von seinen Schultern ab. Er schaffte es sie über seine Schulter abzuwerfen und Buffy flog mit einem halben Salto über ihn hinweg auf den harten Untergrund. Doch davon ließ sie sich nicht aufhalten. Buffy sprang aus der Rückenlage in die Höhe, erblickte ihr Schwert und rannte darauf zu. Sie erreichte es in dem Moment, in dem der Vampir die Türe erneut aufriss.
 

„Hey Freundchen.. davonlaufen ist nicht angesagt. Das ist mega out..,“ sie rannte ihm hinterher und wurde auf der Treppe mit einem Kick zurück auf das Dach empfangen.
 

Der Vampir sprang wütend und knurrend hinterher. Offensichtlich hatte sie endlich seine Aufmerksamkeit erlangt. „Wenn du es so haben möchtest.. auch du bist eine Sünderin und die Welt wird froh sein, von deinen Lastern befreit zu werden.“
 

„Greif einfach an,“ gelangweilt hob Buffy das Schwert.
 

Der Meister zog unter seinem langen Mantel langsam, fast anmutig ein breites, schottisches Schwert hervor. Er senkte das Blatt mit der Spitze nach vorne auf den Boden und hob es dann kurz an die Stirn. Buffy stand einfach nur da, spannte ihre Muskeln, konzentrierte sich auf den Kampf und wunderte sich über das Verhalten des Vampirs. Doch eine freche Frage, die ihr auf der Zunge brannte, konnte sie nicht mehr stellen, denn der Vampir holte aus und griff überfallartig an. Buffy wusste gar nicht wie ihr geschah. Sie strauchelte beim Zurückweichen mehrmals, ehe sie endlich ihr Schwert nach oben brachte, um zu parieren. Zwar konnte sie sich jetzt verteidigen, aber Raum für einen Gegenangriff blieb ihr nicht. Im Gegenteil.. sie wurde mit einfallsreichen Attacken einmal um das Dach getrieben.
 

„Scheint so, als hättest du jeden Morgen brav deine Kellog´s aufgegessen...“, war alles, was sie ihm entgegensetzen konnte. Doch dann sah sie endlich eine Lücke in seiner Verteidigung. Geduld war doch eine gute Sache. Buffy ließ ihren Arm nach vorne schnellen und traf durch die Deckung hindurch den Vampir an der Seite, schlitzte ihm das Hemd auf und die Haut darunter. „Treffer.“
 

Die Freude hielt nur kurz an, als der Vampir auch schon wieder zuschlug und Buffy sich unter dessen Schwert hinweg ducken musste. Sie kam in die Höhe, nur um sofort noch weiter in die Höhe zu springen, weil der nächste Schlag auf ihre Beine gezielt war. In der Luft wagte sie eine Rolle nach rechts, kam auf den Beinen auf und konnte die geschaffene Distanz für einen Kick gegen den Kopf des Vampirs ausnutzen. Er kam ins Taumeln und Buffy setzte nach. Ihr Schwert bohrte sich in seinen Bauch. Hastig zog die Jägerin es wieder heraus. Er schrie auf, riss wütend die Augen auf und drosch aufeinmal blind auf sie ein. „So viel zu meiner Technik,“ brummte Buffy, froh überhaupt einen Treffer angebracht zu haben. Aber schnell begriff sie, dass sie den Vampir doch mehr zugesetzt hatte, als im ersten Moment angenommen. Er trieb sie zwar weiter über das Dach, aber die Angriffe kamen unkontrollierter. Die Funken flogen, als sich ihre Schwerter kreuzten, mehr als einmal verharkten sie sich ineinander und standen sich Gesicht zu Gesicht gegenüber, bis einer von ihnen schnell genug reagierte, um dem andern die Stirn ins Gesicht, gegen die Nase, zu schlagen.
 

Buffy steckte zwei Kopfstöße ein, ehe sie selbst einen Schlag anbrachte. Als das Schwert ihres Kampfpartners sie empfindlich am Oberarm streifte und Blut hervorquoll, wurde sie wütend. „Jetzt reicht’s mir aber... lassen wir das kräftezehrende Vorspiel...kommen wir zum Höhepunkt,“ sie trieb sich selbst an, schlug heftiger zu und versuchte, ihm dadurch die Möglichkeit zu nehmen, selbst anzugreifen. Wieder einmal standen sie sich gegenüber und versuchten ihren Vorteil zu ergattern. Diesmal war Buffy etwas schneller und konnte ihr Schwert hochreißen, um dem Vampir mit dem Griff ins Gesicht zuschlagen. Sie hörte seine Nase brechen und Blut schoss hervor. Mit einem Kick gegen die Brust brachte sie ihn dazu in den Knien einzubrechen.
 

Das Schwert war ihm vor Schmerz aus der Hand geflogen und er hielt sich wimmernd das Gesicht.
 

„Das war’s wohl.. Möchtegern-Kurgan ..“, der Vampir sah irritiert hoch. Seine Augen weiteten sich und er versuchte schnell seine Hände von der Nase an das Schwert zu bekommen, doch er war zu langsam... Buffy schlug ihm den Kopf mit einer halben Drehung von den Schultern. Sein Kopf flog davon und krachte mitten in einen Lichtgenerator. Lichtfunken spritzten auf, Drähte schmorten durch und die ganze Beleuchtung auf dem Dach explodierte auf einmal. Buffy stand inmitten eines Funkenregens, während der Rumpf des Vampirs zu einem Häufchen Asche zerfiel.
 

Erleichtert und zufrieden stand sie da, atmete für einen Moment unregelmäßig ein und aus und versuchte dann ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie fühlte sich... wie schon seit langem nicht mehr.. einfach gut. Der Kampf hatte ihr gut getan, er hatte ihr gezeigt, dass sie es noch immer drauf hatte, dass sie es gegen die bösesten Bösen auf der Welt aufnehmen konnte....

„BUFFY?“ Die besorgte Stimme von Dawn riss sie aus ihren Gedanken. Dawn tauchte im Türrahmen auf. „Alles in Ordnung? Du warst plötzlich verschwunden. Oh und du blutest!“ Dawn eilte auf ihre Schwester zu.
 

„Ja alles bestens.. es war nur... der Meister,“ sie zeigte auf das Häufchen Asche zu ihren Füßen, als der Rest der Gruppe auf dem Dach erschien. „Ein harter Kampf. Aber ich hab ihn erledigt. Das zählt wohl alleine.. Und wie sieht es unten aus.“
 

„Alle begraben,“ Kennedy hängte sich die Armbrust um. „Und das war es gewesen?“ Sie bohrte ihre Schuhspitze in das Häufchen Asche. Buffy nickte.

„Wo ist eigentlich der Talisman?“
 

“Noch unten,“ erklärte Xander Buffy. „Oh.. besser ist es wohl, wenn wir ihn schnell holen.“
 

++++
 

Weatherby jubelte innerlich, als er seine Hände nach dem Talisman ausstreckte und er ihn berührte. Die Vampire waren alle tot, die jungen Leute auf der Suche nach einer der Jägerinnen und er hatte Zugriff auf den einzigen Grund, wieso er hier war. Er steckte sich den Talisman unter die Jacke und rannte aus dem Zimmer, weiter zum Fahrstuhl und hoffte auf ein Entkommen.

++++

„Er kann nicht weg sein.“ Buffy starrte ungläubig auf das Podest.
 

„Er lag aber hier...,“ Xander sah nicht weniger panisch um sich.
 

„Giles wollte ihn ausdrücklich haben.. zur Archivierung.“
 

„Danke Dawn, das du mich daran erinnerst, dass wir Giles in wenigen Minuten enttäuschen.“ Buffy stieß das Podest mit dem Fuß um. „Suchen wir draußen.“

Sie verließen das Büro und hörten in diesem Moment das „Ping“ vom Fahrstuhl.
 

„Verdammt. Er ist noch hier.“ Buffy und Kennedy rannten los. Als Buffy nah genug war, um etwas zu erkennen, glitt der letzte Spalt in der Türe zu und sie erhaschte nur noch einen kurzen Blick auf einen Mann. Vielleicht war’s aber auch eine Frau.. dachte Buffy unsicher. „Entkommen,“ quittierte sie ihre Niederlage enttäuscht.
 

++++
 

Ratsgebäude

Cleveland

„Ich bin froh, dass der Talisman doch nicht so wichtig für Giles war,“ sagte Kennedy gerade erleichtert, während sie mit Buffy über einer Karte gebeugt saß. Rote Sonnenstrahlen der Abenddämmerung drangen durch die Fenster und tauchten den Konferenzraum in ein unwirkliches Licht.
 

„Na ja... er hat zwar gesagt, es wäre nicht so wichtig, aber glaub mir.. er hat was ganz anderes gedacht.“ Und davon war Buffy felsenfest überzeugt. Sie hatte es ganz deutlich in seinen Augen gesehen – die Enttäuschung, als sie ihm gestern die einzige Niederlage mitteilten. Aber sie konnten ja nichts dafür, dass er nun doch kein neues Artefakt für die neue Ratsbibliothek bekam. Schließlich war es vornehmlich nur um die Vernichtung der Vampirsekte gegangen oder was auch immer sie dargestellt hatten. Damit hatten sie immerhin alle Hände voll zu tun gehabt. Wenigstens bestätigten das ihre Zweifel an seiner Arbeit.
 

Er stand im Gewissenskonflikt. Einerseits war er sicher froh gewesen, dass ihnen allen nichts passiert war und die Bedrohung nicht mehr existierte, andererseits war er als neuer Ratsgründer an jeder Information, an jedem Artefakt und altem Buch interessiert. Doch beides konnte unmöglich immer unter einen Hut gebracht werden. Entweder würde der Bösewicht entkommen oder aber der begehrte Gegenstand. Konnten sie ihn überhaupt noch zufrieden stellen? Und durfte sie als Jägerin seiner Urteilskraft noch vertrauen?
 

„Was du nicht sagst,“ Kennedy zog einen Stift hervor und war sich wohl nicht bewusst, wie provozierend sie klang, denn sie sah dabei nicht einmal in Buffys Richtung.
 

„Hey.. ich kenne ihn schon sieben Jahre.. und...,“ wollte sie jetzt tatsächlich mit Kennedy darüber streiten, wer ihren Wächter besser kannte? War er überhaupt noch in diesem Sinn 'ihr’ Wächter? Jetzt wo er Ratsgründer war und zwei Jägerinnen für eine Stadt betreute? Als Kennedy fragend hochblickte, lächelte Buffy verlegen. „Zieh einfach die Grenze.“ Sie tippte auf die Karte.
 

Kennedy grinste. „Sicher.“ Sie setzte den Stift an und dachte kurz nach. „Ich hoffe das geht so weit klar für dich?“
 

Buffy sah sie nachdenklich an. „Ich denke schon. Es ist die beste Lösung, wenn wir uns nicht in die Quere kommen wollen. Also nicht negativ gemeint.. nur... es wäre schrecklich uneffektiv, wenn wir denselben Friedhof durchforsten, obwohl es andere Stellen gibt, die es nötig haben. Allerdings.... ach nichts.“ Buffy hatte für eine Sekunde daran gedacht, Kennedy über ihre vielen Zweifel etwas zu erzählen. Aber dafür kannte sie Kennedy noch immer nicht gut genug. Und Kennedy war neu im Geschäft. Sie würde nicht verstehen, wenn Buffy davon sprach, dass die ersehnte Freiheit nicht so toll war wie sie geglaubt hatte oder dass der Kampf auf dem Hochhaus erneut etwas in ihr ausgelöst hatte, dass sie zum Weitermachen antrieb, obwohl sie das doch gar nicht wollte. Vielleicht würde sie mit Willow einmal darüber reden.
 

Kennedy störte sich nicht an dem Zögern der anderen Jägerin und nickte. „Gut, dann bin ich beruhigt.“ Sie klang ehrlich erleichtert. „So.. fertig. Das hier ist also deine Stadtseite und das meine.“ Kennedy schob Buffy die Karte zu.

„Hey.. ich dachte die Bar wäre freie Zone? Jetzt ist sie auf deiner Seite.“

„Ich hab sie auch entdeckt.“
 

„Na prima.. das heißt ich muss mir meine eigenen Informanten suchen?“ Buffy hatte Mühe nur gespielt entrüstet zu klingen, denn tief in ihr entstand so etwas wie richtige Gereiztheit.
 

„Quatsch,“ winkte Kennedy ab. „Du darfst gerne auf meine zurückgreifen.“

„Wie großzügig“. Buffy war beruhigt. Sie wollte nicht anfangen auf Kennedy eifersüchtig zu werden, nur weil sie sich auf einmal ihre Freunde, ihren Wächter und ein Revier erneut teilen musste. Das letzte Mal lag so lange zurück und endete so unglücklich. Ihre Gedanken drifteten kurz zu Faith und sie fragte sich was die andere Jägerin gerade erlebte.. vielleicht hatte Faith die bessere Wahl getroffen, als sie selbst, die sie sich erneut in die Abhängigkeit begab und dafür sorgen wollte, dass eine große Stadt nachts wieder etwas ruhiger schlafen konnte.
 

„Nun.. dann auf gute Zusammenarbeit?“
 

„Versuchen wir es mal. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mir eine Stadt mit einer Jägerin teile.“ Sie nickte Kennedy zu. Es würde schon klappen. „Ach verdammt.. Giles wollte vor zehn Minuten mit Dawn und mir ein paar Dinge vor seiner Abreise nach Indianapolis klären. Aber nichts neues,“ lachte sie nervös.
 

„Zu spät kommen ist er ja von mir gewöhnt.“
 

„Indianapolis?“
 

„Frag mich nicht. Er muss da ein paar Dinge vor Ort mit einer Jägerin klären und will vor der Abreise noch einiges mit uns regeln. Ich schätze einen Arbeitsplan oder so etwas.“ Sie verdrehte genervt die Augen. Giles konnte ein richtig anstrengender Mensch sein, wenn man ihn fast 24 Stunden um sich hatte. Zu penibel, zu ordentlich...
 

„Ich dachte das Zusammenleben würde funktionieren?“ Kennedy packte ihre Sachen zusammen. Sie wollte Willow von der Uni abholen.
 

„Na ja....,“ Buffy zog ihre Stirn kraus. „Es ist nicht so, dass es völlig unmöglich ist, aber wir müssen uns unbedingt eine eigene Wohnung suchen. Er sortiert den Kühlschrank! Wehe die Milch steht nicht rechts neben dem Orangensaft. Er steht auf Saft mir Fruchtstückchen, wenn ich gerade Orangensaft erwähne. Und seine Socken liegen farbig in den Schubladen! Ich dachte immer er wäre lockerer geworden.“
 

„Klingt nach meinem Dad,“ lächelte Kennedy mitfühlend.

„Ja, nur du wohnst meilenweit von ihm entfernt und ich hab das Vergnügen mit Giles.“ Ihr Lächeln war jedoch amüsiert, als sie aufstand, um nach oben zu gehen. „Dann wag ich mich in die Höhle des Löwen,“ sie deutete nach oben. „Das unser Zuhause ist.“
 

++++
 

Dawn lag auf ihrem Bett und starrte die Decke an. Es gab so vieles, das sie überdenken musste. So vieles, das sich in den letzten Monaten verändert hatte.. so vieles, das sie so gar nicht gewollt hatte.
 

Aber man hatte ihr nie eine Wahl gelassen. Weder als ihre Mutter starb, noch als man Buffy zurückholte oder wie jetzt hier zu wohnen. Sie hatte sich in den Monaten nach der Beerdigung in Sunnydale an Selbständigkeit gewöhnt. Erst recht, als Buffy in den wenigen Monaten zuvor nur noch Zeit für die Anwärterinnen hatte. Auch wenn sie schon in London in den Genuss von Giles´ Eigenarten gekommen war, so mochte sie es nicht, dass nun er und Buffy an ihr herumerzogen. Sie war alt genug und brauchte keine Erziehung mehr.
 

Allerdings war es aber auch wiederum nicht so, dass Dawn ihnen nicht dankbar gewesen wäre. Sie brauchte sich seit langem keine Sorgen mehr darüber zu machen, ob jemand zu Hause war, wenn sie von einer Freundin zurückkehrte, dass der Kühlschrank leer war und der Herd kalt blieb oder ob Buffy das Geld für die laufenden Rechnungen zusammen bekam.
 

England hatte ihr schließlich gefallen und hier würde sich auch nichts daran ändern, dass sie eigentlich gut miteinander auskamen, bis auf die Tatsache, dass sie bald auf eine neue Highschool gehen würde und man sie sicher mit der Frage nach Hausaufgaben zu Tode nerven würde.
 

Neben all diesen Dingen stand ihre Entdeckung vor Wochen drohend über allem und trieb sie noch in den Wahnsinn. Sie wusste einfach nicht, wann sie es den anderen sagen würde. Sie wusste nur eines.. es würde sich alles verändern. Im Moment gefiel ihr das Meiste, so wie es war, trotz den kleinen Einbußen. Aber lange konnte sie es nicht mehr vor sich herschieben, nur weil sie Angst davor hatte, dass ihre Freunde sie mit anderen Augen sahen. Sie erinnerte sich jedoch nur zu gut daran, wie verändert ihre Freunde ihr gegenüber waren, als sie erfuhren, dass sie nicht real war. Oder zumindest nicht hätte real sein dürfen, weil sie Energie war. Ein Schlüssel. Sie hatte einfach erneut Angst vor ähnlichen Reaktionen.
 

Mit einem schweren Seufzen drehte sich Dawn zur Seite und drehte ihre kleine Anlage auf dem Nachttisch auf. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Eigentlich hätte sie jetzt ins Wohnzimmer gehen müssen.. Giles wollte etwas besprechen, aber so lange er sie nicht vermisste und nach ihr rief, hatte sie es auch nicht eilig.
 

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Der großzügige Wohnbereich schien im Chaos zu versinken. Leere Chipstüten auf dem Sofa, eine alte Pizzaschachtel halb unter dem Sessel, Geschirr, das sich in der Spüle stapelte, ein paar Wäschestücke, die Giles eigentlich nicht in die Hände nehmen wollte. Jedoch überwand er sich dazu das Top und die Socken aufzuheben, um sie in einen bereitstehenden Wäschekorb zu werfen. Den Korb ließ er auf der Theke zwischen Küche und Wohnzimmer stehen, um sich dem Chaos in der Küche zuzuwenden. Mit einem Blick unter die Spüle stellte er fest, dass der Mülleimer überfüllt war. Gereizt murmelte er ein „Dawn“ und „Ein Arbeitsplan muss her.“
 

Das Zusammenleben gestaltete sich Tag für Tag schwieriger. Sie waren drei Menschen, die ihren eigenen Rhythmus gewöhnt waren. Er vor allem hatte die Jahre über viel zu lange alleine gelebt, um sich auf einmal eine Wohnung zu teilen. Schon gar nicht mit zwei jungen Frauen, wobei die eine davon noch immer ein Teenager war.
 

Buffy und Dawn hatten viel zu lange ohne einen Mann – ihrem Vater – gelebt, um ihn und seine Belange wirklich ernst zu nehmen. Doch das musste sich ändern, wenn es weiterhin friedlich zugehen sollte. Er bezweifelte, dass Buffy im Moment in der Lage war, ihr Leben einigermaßen wieder neu zu ordnen. Das sah er schon daran, dass sie sich viel zu viel Zeit gelassen hatte, um sich für einen aktiven Einsatz zu entscheiden. Oder dagegen. Er glaubte, dass Buffy es jetzt, wo sie sich entschieden hatte, es immer noch nicht mit absoluter Sicherheit wusste. Wie sollte sie sich da einen Job suchen, eine Wohnung... Also würde der Zustand noch eine Weile andauern. Das ganze Chaos um ihn war nur in einer Nacht ausgebrochen. Sehr deutlich konnte er sich noch erinnern, wie er die beiden am Morgen darum gebeten hatte aufzuräumen und sauberzumachen.
 

Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass sowohl Dawn als auch Buffy zu spät kamen. In diesem Moment ertönte aus Dawns Zimmer laute, scheppernde Musik, die seine Ohren straften. Genervt gab er auf und steuerte das Gästezimmer an, um dem Lärm ein Ende zu setzen.
 

++++
 

Xander stand in der gemeinsamen Küche von Andrew und ihm, hielt zwischen seinen Lippen die Kappe des Stiftes fest und trug auf der Tafel für die Arbeitsverteilung Andrews Name für „Müll rausbringen“ ein. Der kleine R2D2 auf dem anderen Ende des Stiftes drehte sich bei jeder Bewegung.
 

Zufrieden betrachtete er die Liste, in der mehr als sein eigener Name „Andrew“ auftauchte. Doch das hielt Xander für mehr als nur fair. Er hatte sich Andrews angenommen, aber das hieß nicht, dass er außer Geld verdienen auch noch die ganze Hausarbeit erledigte.
 

Xander öffnete den Kühlschrank an dem mit allen möglichen Comic-Helden als Magnete Nachrichten, Bilder, Notizen hingen. Er holte sich eine Coke heraus, ließ den Verschluss aufschnappen, griff nach der Tüte Chips auf der Anrichte und ging in das kleine Wohnzimmer. Er macht es sich auf dem Sofa gemütlich und schaltete den Fernseher ein. Allerdings musste er dazu erst einen Stapel Comics vom Sofa befördern, ein Shirt vom Gerät abhängen und etwas von den Flaschen auf dem Couchtisch zur Seite schieben.
 

++++
 

Im Pizza Hut war die Hölle los und Andrew hatte alle Hände voll zu tun. Trotzdem lag auf seinem Gesicht ein leicht gelangweilter Ausdruck, während er Pizzen in Pappschachteln packte. Der Job war nicht unbedingt befriedigend, aber was blieb ihm schon anderes übrig? Niemand hatte für jemanden einen Job, dessen Erfahrung in Dämonenbeschwören und Freunde töten bestand.
 

Andrew wühlte in seiner rechten Hosentasche herum, bis er fand, was er suchte. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem kleinen, aber feinen Lächeln, als er sein Taschentuch mit aufgesticktem Superman-Motiv hervorzog und dazwischen eine recht verknitterte Fotografie eines Wagens hervorholte. Es war ein schwarzer Trans Am abgebildet, den Andrew verträumt anstarrte. Alleine der Gedanke an das eigene Auto ließ ihn schließlich wieder weiterarbeiten. Nun gut.. vielleicht auch ein wenig der Gedanke an den späten Feierabend mit Xander. Vielleicht war Xander noch wach wenn er kam und ein Film würde laufen, den sie beide mitsprechen konnten.. oder zumindest so gut waren, um die nächste Szene vorherzusagen. Er lächelte kurz, ehe er sich die Bestellung 189 ansah und die passenden Pizzen heraussuchte.
 

++++
 

Willow saß in der späten Vorlesung und blickte verträumt ins Leere. Um sie herum raschelte es, wurde gehustet, Stifte kratzten über das Papier und die Stimme des Dozenten lullte die meisten Studenten fast in einen seligen Schlaf ein.

Willow hatte die Außenwelt ausgeschlossen. Ihre Gedanken weilten bei den ersten recht anstrengenden Tagen in Cleveland. Trotz der Arbeit war sie froh und glücklich darüber wieder mit ihren Freunden zusammen zu sein. Mit den vertrauten und den neuen. Auch wenn ihr Andrews Platz in der Gang ein wenig suspekt blieb, Anya in ihrer Mitte doch mehr fehlte, als sie immer zu glauben schien und sie sich tatsächlich ein oder zweimal dabei erwischte, wie sie um Taras Grab trauerte, so wollte sie doch nicht vorschnell über Andrew urteilen und zu sehr alten Erinnerungen nachhängen. Sicher beruhte das Misstrauen auf beiden Seiten und ihre Freunde hatten mit eigenen Erinnerungen zu kämpfen. Sie hatten alle etwas gemeinsam.
 

Sie war auch sehr erleichtert gewesen, dass Kennedy Buffys Entschluss, doch aktiv zu bleiben akzeptiert und den brillanten Vorschlag mit einer Revieraufteilung gemacht hatte.
 

Ein wenig gemischte Gefühle hatte sie noch immer wegen Dawn. Aber sie wollte sie nicht zu sehr drängen. Irgendwann würde sie die anderen in ihr Geheimnis von selbst einweihen. Schließlich hatte Willow selbst genug mit sich zu tun. Sie wusste noch immer nicht, was eine Hüterin ausmachte, wie sie sich definierte und worin ihre Aufgabe bestand. War sie wirklich nur stumme Beobachterin oder hatte sie das Recht einzugreifen, wenn etwas nicht richtig war? Was das anging, würde sie sich wohl auf Giles und seine Recherchen verlassen müssen.
 

Schließlich gab sich Willow einen Ruck und konzentrierte sich auf die Vorlesung.
 

++++
 

Dunkler Raum

Der Raum war in Dunkelheit gehüllt. Von jener fast samtartigen Finsternis, die überall vorzudringen wagte und jede Ritze ausfüllte.
 

Das jemand sich im Raum befand, war nur durch das sanfte Rascheln von Stoff, dem leisen Räuspern und einem unterdrückten Husten zu bemerken.
 

Auf einmal erfüllte das recht einfache Geräusch eines Schwefelkopfes gegen eine Streichholzschachtel die Stille. Ein Flämmchen blitzte auf und erhellte einen kleinen Umkreis. Dunkler Stoff bewegte sich hinter dem schwachen Licht, als das Flämmchen fortgetragen wurde. Eine Kerze wurde entzündet. Ihr folgten weitere, bis ein Kreis brannte. In seiner Mitte wurden fremdartige Schriftzeichen in roter und weißer Farbe sichtbar, die ein scheinbar wirres Muster bildeten.

Die Gestalt außerhalb des Kreises griff nach einem Gefäß und schüttete daraus etwas weiß Glitzerndes um die Kerzen herum. Salz, wie im Licht langsam sichtbar wurde. Danach stieg die Person in die Mitte des Kreises. Der dunkle Stoff wurde als schwarzer Umhang enthüllt und eine Kapuze über dem Kopf verhüllte das Haar. Eine hölzerne Maske, eine geschnitzte Fratze, verbarg das Gesicht.
 

Die Gestalt hob die Hände, mit den Handflächen nach oben und drehte ihren Kopf nach links. Etwas, jemand, trat aus der Dunkelheit dahinter hervor und kam an den Kreis getreten. Das flackernde Licht der Kerzen enthüllte Weatherby, der etwas in ein Tuch eingeschlagenes in seinen Händen hielt. Er schlug den Stoff zurück und enthüllte den Purificatio-Talisman. Er nahm ihn vorsichtig in seine Hand und legte sie der Gestalt in die rechte Handfläche. Ein Nicken deutete ihm ein Danke an und er zog sich zurück.
 

Die Hand des Maskenträgers schloss sich um den Talisman und er trug ihn an eine bestimmte Stelle des Kreises, legte ihn ab und richtete sich wieder auf. Die Gestalt hob erneut die Hände zur Decke, ging in die Knie, weiter in den Schneidersitz hinunter und begann vor und zurück zu wippen. Eine durch das Holz vor dem Gesicht leicht verzerrte, hohl klingende Stimme begann den Ritualspruch auf deutsch mit englischem Akzent aufzusagen:
 

„Schützin, die im Dunkeln wacht,

Samielle, Samielle, hab acht!

Steh mir bei in dieser Nacht,

Bis der Zauber ist vollbracht!

Salbe mir so Kraut als Blei,

Segn'es sieben, neun und drei,

Daß die Kugel tüchtig sei!

Samielle, Samielle, herbei!“
 

Zu dem monotonen Singsang gesellte sich ein leises Raunen, das von überall herzukommen schien. Die Kerzen flackerten aufgebracht. Schatten an den Wänden tanzten durcheinander und formten beängstigende Figuren. Dunkelheit kehrte zurück, als die Kerzen auf einmal erloschen und das Raunen und Wispern verstummte. Ein, zwei Sekunden herrschte Totenstille und nichts schien zu geschehen. Doch dann sprang inmitten der Dunkelheit ein kleiner, heller Punkt auf, der sich rasch zu einem kreisrunden, blau schimmernden Lichtchen entwickelte. Ein Wirbel entstand darin und das Licht wuchs zu einem ovalen Portal weiter. Etwas schien sich in der Mitte zu bewegen, ein Schatten, nicht mehr. Der Schatten schien zu flattern, vor und zurück, ehe er mit einem „Plop“ herausschoss. Das Portal schloss sich sofort wieder.
 

Weatherby sorgte eilig für Licht, in dem er den Lichtschalter in der alten Halle betätigte und dem Raum die gesamte mystische Atmosphäre raubte. Eine Krähe flatterte ohne Orientierung in der Halle umher. Fast enttäuscht blickte Weatherby zu der verhüllten Person, die jedoch schwieg und sich nicht regte. Offensichtlich galt es, Geduld zu beweisen. Und in diesem Moment flatterte die Krähe zu Boden und verwandelte sich in die Gestalt einer jungen Frau, die sich langsam aufrichtete. Die zurückgebliebenen Krähenflügel waren in ihrer menschlichen Gestalt gewachsen und legten sich wie ein Umhang um ihren Körper. Ihre wachen, dunklen Augen sahen Weatherby und die verhüllte Gestalt an, als könnte sie auf den Grund ihrer Seelen blicken. Dann lächelte sie auf einmal, als sie erkannte, wer ihr Auftraggeber von den beiden war.
 

Der Maskenträger bückte sich nach dem Talisman und reichte ihn der zierlich wirkenden, asiatisch aussehenden Frau. Unter ihrem Gewand beförderte die Gestalt einen Umschlag hervor. Auch ihn gab sie der Dämonin.
 

Die Frau steckte den Talisman mit einem Nicken ein und griff zögernd nach dem Umschlag. Sie wusste, was von ihr verlangt wurde. Sie kannte das Ritual. Es lag noch nicht sehr lange zurück, dass es schon einmal angewandt worden war. Doch diesmal fühlte sie die Macht, die Willensstärke und Größe des Ziels. Ihr Auftrag schien sehr wichtig zu sein, wenn man sogar den Purificatio für sie bereithielt – ein Talisman, der sie in dieser Welt festhielt – weit über ihren Auftrag hinaus.
 

„Uhm.. ihr Auftrag ist in diesem Umschlag und wenn sie mir kurz folgen würden,“ erklärte Weatherby und führte die Frau zu einem kleinen Tischchen, auf dem sieben Pfeile lagen. „Sie... wissen bescheid.“ Damit zog er sich etwas zurück.

Die junge Frau legte den Umschlag zur Seite, hob ihre Hände über die Pfeile und schloss ihre Augen, um sich zu konzentrieren. Ihr Auftraggeber wollte sieben geweihte Pfeile. Also sollte er sie bekommen.
 

Mit geschlossenen Augen tippte sie den ersten Pfeil an und sagte die Zahl:
 

„Eins.“ Kurz darauf donnerte es über ihnen.
 

„Zwei.“ Ein Windstoss wehte die Türe der Halle auf und der Wind fuhr durch sie hindurch. Weatherby zuckte zusammen.
 

„Drei.“ Die Lichter der umliegenden Gebäude samt Straßenlaternen erloschen.
 

„Vier.“ Die Glasscheiben der Halle zerbarsten nach außen.
 

„Fünf“ Ein gewaltiger Blitz schlug in die Halle neben ihnen ein.
 

„Sechs.“ Ein toter Vogel fiel aus dem Nichts herunter und landete vor Weatherbys Füssen. Der Mann, der sonst vor nichts Angst hatte, machte einen Sprung nach hinten.
 

Der siebte Pfeil verlangte mehr, als eine Berührung von ihr. Sie brauchte das Blut ihres Auftraggebers. Sie wandte sich herum und blickte kurz zu Weatherby, ehe sie an ihm vorbei ging und die verhüllte Gestallt fixierte. „Ihr wollt sieben geweihte Pfeile. Ihr wisst, dass ich Euer Blut brauche. Für den letzten aller?“
 

Der Maskenträger nickte und die Dämonin zeigte auf den Oberarm der Gestalt. Im selben Moment verwandelte sich die Dämonin von ihrem menschlichen Aussehen in ihre dämonische Gestalt.. ihr wuchs ein Krähenschnabel und sie begleitete ihre Verwandlung mit einem tiefen Krähenlaut, während sie ihre Flügel kurz entfaltete und schüttelte. Ihr Auftraggeber schob ihren Ärmel nach oben und hielt ihn der Dämonin entgegen. Sie hackte in das menschliche Fleisch und hinterließ einen halbrunden Kreis, aus dem Blut sickerte.
 

Die Dämonin ging zurück zu den Pfeilen, ließ von ihrem Schnabel das Blut auf den siebten tropfen, berührte ihn und flüsterte die Zahl „sieben.“

Die Glühbirnen explodierten in der Halle und tauchte sie erneut in völlige Dunkelheit.
 

GrrrrArrrgh

Folge 3: Welcome to Silent Hill

Autor: Stefan

Co-Autoren: Yamato, Mel

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Bisher bei Buffy….
 

.... Willow, die zur Hüterin wird.

Robin Wood, der Buffy von sich, seiner Mutter und dem Ziehvater, einem Wächter erzählt.

Die Wiedervereinigung der Scooby-Gang in Cleveland

Robin spricht mit Giles am Telefon über die Finanzen.

Buffy, die mit einem Vampirmeister auf einem Hochhausdach kämpft.

Buffy und Kennedy, die sich Clevland aufteilen...
 

++++
 

Ort - Unbekannt

Willow spürte eisige Kälte. Stein. Was war plötzlich los? Wieso war es auf einmal so kalt? So eisig kalt? Dunkelheit. Langsam öffnete sie die Augen, doch ihre Umgebung erhellte sich dadurch nur leicht. Sie nahm die groben Umrisse einer Hauswand und eines Mülleimers wahr, welche ihr gegenüber lagen. Ein weiterer Kälteschub schoss durch sie hindurch. Was war hier eigentlich los?

Willow hob die Hände und strich sich die feuchten Haare aus dem Gesicht. Blut. An ihrer Hand roch sie Blut. Sie sah zu Boden und merkte, dass sie sich definitiv nicht mehr in Giles’ Zimmer befand, wo sie sich kurz niedergelegt hatte, weil sie müde war. Sie lag auf dem harten, kalten Steinboden einer Seitengasse. Angst überkam sie. Wie war sie bloß hierher gekommen? Sie hob ihren Kopf und atmete langsam aus. Es war so kalt, dass sie eine Dunstwolke sah, die sich von ihrem Gesicht wegbewegte und sich schließlich auflöste. Endlich hatte sie genug Mut gesammelt, um langsam, unter Schmerzen, aufzustehen..
 

Ihre Knie waren aufgeschürft und ihre Hand aufgeschlitzt.
 

“Ha.. hallo?!” kam es aus ihrem Mund, doch Willow schien es, als würde die Nacht ihre Stimme genau so schnell verschlingen, wie den Lichtschein, nach dem sie vergeblich suchte. Außer dem Pfeifen des Windes war kein Geräusch zu hören, als sie begann, mit langsamen, unsicheren Schritten, die ihre Angst und Unsicherheit mehr als verdeutlichten, die Gasse entlang zu gehen. Ihr Schritte hallten laut von den, in der Dunkelheit noch schmutziger wirkenden Wänden, wider.
 

Müll. Willow ließ ihre Augen, die sich nun mehr an die Finsternis gewöhnt hatten, über die Wände gleiten. Tod. Hier schien kein Funken von Leben in den Häusern zu stecken. Der Verputz bröckelte ab und nicht einmal Schimmel wagte sich an diesen dunklen, toten Ort. Wie war sie bloß hierher gekommen? Wo waren die anderen? Kennedy? Xander? Und der Rest? Lagen sie auch alle halbtot in irgendwelchen Seitengassen herum? In ihr erwachte die Sorge um ihre Freunde. Was, wenn sie von jemandem gebraucht wurde? Sie beschleunigte ihre Schritte und trat plötzlich in eine Pfütze. Wegen des lauten Geräusches blieb ihr vor Schreck fast das Herz stehen.
 

“Beruhig dich!” sagte sie leise zu sich selbst und beschleunigte ihre Schritte wieder. Wann war diese Seitengasse eigentlich zu Ende?
 

Auf einmal war sie von einem penetranten Geräusch umgeben. Tropfen. Sie hörte, wie etwas in Wasser tropfte. Der regelmäßige Takt des Tropf..Tropf.. Tropf machte Willow noch nervöser. Je weiter sie ging, desto lauter wurde das Geräusch. Sie hatte eine Gänsehaut. Was war hier bloß los? Wieso fühlte sie sich so alleine? Wieso spürte sie nichts außer Angst und Verzweiflung? Wieso in Gottes Namen war sie ganz alleine?
 

Das Tropfgeräusch wurde immer lauter, und als Willow zufällig ihren Blick über den dreckigen Betonboden schweifen ließ, war plötzlich ein kleines Rinnsaal unter ihr. Es stank hier penetrant nach Tod und in diesem Moment spürte sie, wie sich ihr der Magen umdrehte. Sie glaubte, die Magensäure zu spüren, die sich ihren Weg durch die Speiseröhre bahnte und nur mit größter Mühe konnte sie den Brechreiz unterdrücken. Und ihr war noch immer eiskalt. Als sie um die nächste Ecke bog, lief sie nach drei kurzen Schritten gegen eine Wand, die wie aus dem Nichts auf einmal in der Dunkelheit vor ihr aufgetaucht war.
 

“Was zum ..”, doch Willow wurde von einer Flüssigkeit unterbrochen, die auf ihren Kopf tropfte.
 

Von Ekel erfüllt, tastete sie mit ihrer rechten Hand zögernd auf ihrem Kopf herum, und fühlte nach der feuchten Stelle, während sie langsam einen Schritt zurück trat. Als sie die Stelle auf ihrem Kopf berührte, merkte sie, dass die Flüssigkeit leicht dickflüssig und warm war. Willow hob langsam ihren Kopf.. und ihr stockte der Atem. Über ihr hing ein Mann. Kopfüber. Das Gesicht war schmerzverzerrt und er starrte ihr genau in die Augen. Plötzlich hörte sie einen gellenden Schrei, der die Nacht durchschnitt, beruhigte sich aber wieder, als sie merkte, dass der Schrei aus ihrem eigenen Mund kam.
 

“Lauf! Los, LAUF!” hörte Willow ihre eigene Stimme laut zu sich selbst sagen, doch sie konnte sich nicht bewegen. Die Flüssigkeit, von der sie die ganze Zeit gedacht hatte, das es Wasser wäre, lief aus dem großen Riss an der Kehle des jungen Mannes. Sie konnte ihren Blick nicht von der furchtbaren Wunde wenden, die höchstwahrscheinlich von einem Wesen mit ungeheurer Kraft hinterlassen worden war.
 

“Wer macht denn so ..” ging es Willow durch den Kopf, als sie plötzlich ein Schnaufen hinter sich hörte. Angst. Das letzte Mal, als sie so etwas erlebt hatte, war Adam hinter ihnen her gewesen. Willow begann zu zittern. Was war heute eigentlich mit ihr los? Wieso hatte sie nicht die volle Kontrolle über ihren Körper? Langsam drehte sie sich um. Das Schnaufen war verschwunden. Willow fiel ein Stein vom Herzen und sie begann schon, sich einzureden, dass sie sich alles nur eingebildet hatte, und sich selbst nicht verrückt machen sollte, als sie just in dem Moment von einem schwarzen Wesen mit roten Augen angesprungen wurde.
 

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Cleveland

Giles‘ Wohnung

Kennedy fuhr mit der Hand zum Mund, und unterdrückte einen Schrei, doch das gellende Piepen war nichts weiter, als die Alarmanlage eines Autos. Sie blickte sich hastig um, und sah, dass Buffy, die neben ihr auf der Couch saß, ebenfalls erschrocken zusammengezuckt war. Xander allerdings grinste sie hämisch an, während Andrew und Dawn in schadenfrohes Kichern ausbrachen. “Reingefallen!“

“Wie originell ihr doch seid!” Entnervt stieß sie die Luft aus, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu, wo der Filmheld inzwischen das Auto zurückgelassen hatte, und weiter durch die menschenleeren Straßen wanderte. “Beinahe ebenso originell wie dieser Film!”
 

“Du weißt doch noch gar nicht, worum es geht!” schmollte Andrew vom Boden aus. Da er auf Giles‘ beiger Couch keinen Platz mehr gefunden hatte, hockte er im Schneidersitz auf dem Teppich. Gebannt verfolgten seine Augen den Bildschirm, obwohl er den Film bereits kannte, und somit genau wusste, was als Nächstes passieren würde.
 

“Es dauert noch, aber irgendwann später wird’s noch ganz interessant,” versicherte Dawn. Sie hatte den Film mit Janet und Steve in England gesehen und wollte ihn ihren Freunden nicht vorenthalten. Nur gut, dass Giles nicht zu Hause war, so konnte er sich wenigstens nicht über die Videoparty in seinem Wohnzimmer beschweren.
 

“Ich bitte dich, Dawnster, es ist doch großartig! Allein die Poesie dieser Müllberge!” philosophierte Xander aus seinem Sessel heraus, und Buffy fügte betont ernst hinzu: “Oh ja, das ist alles sehr billig..., äh ich meine natürlich...symbolisch!”
 

“Es ist stinklangweilig!” Wie immer nahm Kennedy kein Blatt vor den Mund. “Sollte da nicht langsam mal irgend ein Viech auftauchen?”
 

Dawn gähnte, und glitt von der Couch, um sich bäuchlings auf dem Teppich auszustrecken. “Nein. Erst muss der Typ noch an hunderttausend leeren Pepsi Dosen vorbeirennen!”
 

“Es ist eben ein Pepsi Film!”, erklärte Andrew wichtigtuerisch. “Genau wie X-Men, oder Zurück in die Zukunft!”
 

“....und dann kommen die Pepsi Becher, und die Pepsi Plakate an den Wolkenkratzern...” Dawn ließ sich in ihrem Monolog nicht unterbrechen.
 

“Im Gegensatz zu Pulp Fiction,” gab Xander zur Antwort, “das war nämlich ein Coke Film!” Er wusste offensichtlich genau, wovon Andrew sprach.
 

Dawn baumelte mit den Beinen in der Luft, und plapperte munter weiter “...und im Krankenhaus hat er sich eine Pepsi aus dem Automaten geklaut..”
 

“Lass mich raten,” mischte sich Buffy ein. ”Independence Day war auch ein Pepsi Film!”
 

“Du bist so klug, Jägerin!” Andrew drehte den Kopf, um Buffy einen Schmachtblick zuzuwerfen, erntete allerdings nur ein genervtes Augenrollen. Ein weiteres Augenrollen galt der kleinen Schwester, welche immer noch eifrig dabei war, den Film weiterzuerzählen: “Und dann rennt er irgendwann in die Kirche rein, und trifft...”
 

“Hör auf zu spoilern, Dawn!” schnitt Buffy sie ab, “wir sind durchaus in der Lage, uns den Film selbst anzusehen!”
 

Dawn schien Buffy’s Ausbruch jedoch nicht im mindesten zu interessieren. ”Er rennt in die Kirche rein und trifft endlich seinen ersten Zombie. Einen Pfarrerzombie!”
 

“Dawn!” schimpfte Buffy entrüstet. “Nicht jeder von uns war in England und hat den Film schon gesehen!”
 

“Zombie?” schimpften Xander und Andrew noch eine Spur entrüsteter. “Das sind keine Zombies!”
 

“Wieso geht er überhaupt in die dunkle Kirche rein?” wollte Kennedy wissen. “Ist doch klar, dass da drin Zombies lauern?”
 

Xander stieß hörbar die Luft aus, und schüttelte dabei fassungslos den Kopf: “Das. Sind. Keine. Zombies!”
 

Dawn grinste Kennedy an. “Weil an der Kirchentür ein Schild hängt, mit der Aufschrift ‘Certain Death‘! Nein, weil er blöd ist, natürlich!”
 

Andrew schickte einen weiteren Schmachtblick los, diesmal Richtung Xander, und ergriff schließlich dessen Partei: “Er hat vollkommen recht! Zombies müssen erst mal tot sein und dann das Virus kriegen. Und die haben zwar den Virus, sind aber nicht tot , also sind sie auch keine Zombies. Quod erat demodingsbums..”
 

Dawn achtete weder auf Andrew’s Einwurf, noch darauf, dass Buffy sich demonstrativ die Ohren zuhielt, sie war viel zu beschäftigt damit, Kennedy den Film zu erzählen: “Später sind sie noch viel blöder! Sie können sich aussuchen, ob sie die Straße nehmen, oder die Abkürzung durch den Tunnel! Dreimal darfst du raten, was diese Idioten machen...”
 

“Danke für die Unterstützung, Bro!” wandte sich jetzt Xander an Andrew. “Aber da fällt mir ein, in der Romero Trilogie gab’s auch Leute, die ‘nur‘ von den Zombies gebissen wurden, und sich verwandelt haben, ohne zu sterben....

“Dawn!” Buffy platzte endgültig der Kragen. “Wir wollen NICHT wissen, was die Idioten machen!”
 

“Zum Beispiel dieser Typ” überlegte Xander, “den sie bei Dawn of the Dead – hat nix mit dir zu tun, Dawnie - im Fahrstuhl erwischt haben. Der hat noch gelebt, als die Fahrstuhltür zuging, und als sie wieder aufging, war er ein Zombie...”

“Sie fahren durch den Tunnel, richtig?” Kennedy sah Dawn fragend an. “Und werden dort angegriffen!”
 

“Die amerikanischen Zombies sind sowieso langweilig!” Andrew lehnte sich nach vorne, er war jetzt voll im Diskussionsmodus. “Sie tapsen nur rum, und fressen, und gröhlen! Warren hat immer gesagt, die italienischen Zombies...”

“Die Fulci von Romero geklaut hat...” fügte Xander hinzu, auch er war jetzt begierig darauf, mit seinem Hintergrundwissen zu glänzen.
 

Kennedy sah äußerst verwirrt von einem Filmfreak zum anderen. “Ich dachte, das wären britische Zombies! Weil es ein britischer Film ist, mein ich!”

“Sie sind überhaupt nicht geklaut!” schimpfte Andrew trotzig. Wie immer bei solchen Debatten steigerte er sich hoffnungslos rein. “Sie sind nur weiterentwickelt! Sie sind mystisch und können Magie anweden und sind überhaupt viel cooler! Außerdem...”
 

“Ken, wie oft denn noch?” seufzte Xander geradezu verzweifelt. “Das hier sind keine Zombies, es sind Infizierte!”
 

“Ken!” erklärte Dawn mit einem Blick auf das verwirrte Gesicht der jungen Jägerin, “die Jungs reden über einen völlig anderen Film!”
 

“Außerdem hat Warren immer gesagt, die italienischen Zombies haben...”, Andrew’s Stimme überschlug sich, und klang jetzt gefährlich nach Schluchzen.
 

“Ich hab vielleicht noch was anderes im Kopf außer diesen dämlichen Horrorfilmen!”, schimpfte Kennedy wütend. “Es ist sowieso klar, wer überlebt! Der Held, die Freundin vom Held, und das kleine Mädchen!”
 

Ohne jedes weitere Wort sprang Andrew auf, und stürmte aus dem Zimmer. Buffy und Kennedy blickten sich verwirrt an, wie konnte sich jemand in eine Diskussion über Filme dermaßen hineinsteigern? Das war doch echt nicht mehr normal!

Xander blickte Andrew nachdenklich hinterher, sagte aber nichts.
 

“Na toll!” Dawn stemmte sich vom Teppich hoch. “Ausgerechnet jetzt, wo endlich mal Zombies auftauchen, muss er seinen monatlichen Heulkrampf kriegen. Hätte er nicht wenigstens warten können, bis der Film wieder langweilig wird?”
 

Sie stand auf, duckte sich mit atemberaubenden Reflex unter dem Sofakissen hindurch, das Xander bei dem Wort ‘Zombies‘ nach ihr geworfen hatte, und schlug die Wohnzimmertür hinter sich zu, um sie nur einen Moment später wieder zu öffnen. “Oh, und Ken, du hast natürlich recht, was die Überlebenden angeht.”

Buffy warf ein weiteres Kissen nach Dawn, traf aber nur die wieder geschlossene Tür. “Dieses Mädchen treibt mich zum Wahnsinn!”
 

Kennedy grinste. “Ach was, das war doch klar. Wer hätte sonst überleben sollen?”

“Hey schaut, da ist der Pfarrer!” Xander deutete auf den Bildschirm.

“Na, lauf doch endlich!" Kennedy griff in die Popcornschüssel. "Oder willst du, dass er dich kriegt?"
 

++++
 

Willow

Während die zwei roten Augen immer näher auf Willow zurasten, löste sich endlich ihre Verkrampfung, sie duckte sich unter dem Wesen weg und machte eine Rolle vorwärts. Als das Wesen über sie hinwegflog, hörte sie ein Hecheln, und spürte die Körperwärme des Monsters. Sie sprang auf und drehte sich zu dem Wesen um, welches mit einem dumpfen Aufprall gegen die Wand prallte, die sich hinter ihr befand. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Benommen sank das schwarze Etwas zu Boden. Willow drehte sich wieder um und erkannte eine Tür, an der sie vorhin anscheinend vorbeigelaufen war. Sie drehte ihren Kopf noch einmal in die Richtung des Tieres, vergewisserte sich, dass es sich wirklich nicht bewegte und kehrte ihm dann den Rücken zu. Trotz der Wunden auf ihren Knien, lief sie nun mit einer ungewohnten Geschwindigkeit auf die Tür zu. Adrenalin strömte durch ihren Körper, als sie davor stehen blieb, und sich die nassen Haare wieder aus dem Gesicht strich.
 

Die Wunde an ihrer Hand hatte noch leicht geblutet, als sie vor einiger Zeit an diesem unbekannten Ort aufgewacht war, doch jetzt hatte sie aufgehört, und es bildete sich schon langsam eine Kruste. Was war hier eigentlich los? Nicht nur, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie sich befand, oder warum sie hier war, jetzt verhielt sich auch noch ihr Körper ungewohnt. Und wieso konnte sie keine Jägerinnen spüren? Ab und zu hatte sie sich ja nach dieser Ruhe gesehnt, aber das war eindeutig zu viel.
 

Langsam legte sie die verwundete Hand auf den Türgriff. Das Metall war kalt, aber die Kälte war auf der Wunde nicht einmal so unangenehm. Vorsichtig drückte sie die Türklinke nach unten und stemmte sich gegen die Tür. Nichts. Die Tür bewegte sich keinen Millimeter.
 

“Oh nein!” flüsterte Willow. Sie drehte ihren Kopf wieder zu dem Monster, das sie vorhin angefallen hatte.
 

Die roten Augen starrten sie direkt an. Es war wieder wach. Die Augen leuchteten. Es knurrte. Und es lief genau auf sie zu.
 

“Oh Gott!” schrie Willow und Panik brach in ihr aus.
 

Was war das bloß für ein Ding? Vorher hatte es sich auf allen Vieren bewegt und sie dachte, es wäre eine Art Höllenhund gewesen. Aber jetzt lief es zweibeinig auf sie zu und es sah nicht so aus, als hätte das Ding nur irgendwo einen Hauch von Fell. Voller Angst drehte sie sich wieder zur Tür und rüttelte panisch an der Klinke. Das Monster hinter ihr knurrte noch einmal auf und sie setzte ihren ganzen Körper ein, um gegen die Tür zu drücken. Sie gab nach. Willow stolperte durch den Türstock. Sie drehte sich um und konnte noch einen letzten Blick auf das Monster erhaschen, bevor sie die Tür mit einem kräftigen Schlag ins Schloss warf. Sofort stemmte sie sich mit dem ganzen Körper gegen das Holz.
 

Irgendwas hatte sich verändert. Willow spürte keine Müdigkeit mehr, sie war mehr als fit. Aber warum? Mit einem lauten Krachen schlug das Wesen auf der anderen Seite der Tür gegen das alte Holz. Sie hoffte inständig, dass die brüchige Tür das aushalten würde. Sie konnte hören, wie ein Teil des Holzes splitterte und plötzlich.. war es zu Ende. Das Krachen hatte aufgehört und der Druck von der anderen Seite der Tür war vollkommen verschwunden. Willow atmete leise aus und drehte sich von der Tür weg. Sie befand sich anscheinend auf der Hauptstraße des Ortes, denn hier reihte sich ein Geschäft an das nächste. Natürlich gab es auch hier keine grellen, in allen Farben leuchtenden Neonwerbungen, die der Straße etwas Leben verliehen hätten, im Gegenteil, die Innenräume der Geschäftsräume sahen leer und verlassen aus. Doch Willows Aufmerksamkeit wurde auf etwas ganz anderes gelenkt. Exakt eine der vielen Straßenlaternen, welche die Straße säumten, durchschnitt die Dunkelheit der Nacht mit einem der grellen Lichter, die sie aus Cleveland gewohnt war.
 

“Was ist hier eigentlich los? HÖRT MICH JEMAND?!” schrie sie los, doch wieder wurden ihre Schreie von der Dunkelheit verschlungen.
 

Wie magisch fühlte sich Willow zu dem beleuchteten Platz unter der Laterne hingezogen. Doch war es dort sicher? Sie würde für die Monster, falls es mehr gab, als dieses Ding, das ihr in der Seitengasse begegnet war, wie auf einem Präsentierteller wirken. Trotzdem begann sie, sich langsam auf die erhellte Straßenbeleuchtung zu zu bewegen. Schatten. Sie glaubte, etwas gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher.
 

“Kennedy?” schrie sie laut. “Xander? Buffy? Dawn? Hört ihr mich?”
 

Obwohl sie natürlich einerseits nicht hoffte, dass ihre Freunde auch hier an diesem schrecklichen Ort waren, wünschte sie sich trotzdem, nicht alleine zu sein. Sie betrat den Lichtschein und erst jetzt fiel ihr der Zeitungsständer auf, der sich genau unter der Lampe befand. Sie griff danach und nahm das oberste Exemplar heraus.
 

« Good Morning Silent Hill » prangte groß auf der Titelseite. Willow ließ ihren Blick über die Seite schweifen. “Gestern um 12:45 bargen die örtlichen Behörden einen Personenwagen aus dem See. Bei der Aktion entdeckte man im Fahrzeug zwei Leichen, bei denen es sich vermutlich um den Fahrzeuginhaber James Sutherland und dessen Frau handelt” Willow las den Leitartikel nicht weiter. Zur Zeit war es ihr eigentlich egal, ob ein gewisser James Sutherland in den See gefahren war oder nicht. Viel mehr blieb ihre Aufmerksamkeit an dem Datum hängen. Es war das des gestrigen Tages. Wie konnte das alles nur in einer Nacht passiert sein? Sie drehte sich um und legte dabei die Zeitung in den Ständer zurück. Jetzt unter dem Licht, sah die Wunde auf ihrer rechten Hand viel schlimmer aus, als sie gedacht hatte. Doch.. was war mit ihren Händen passiert? Das waren nicht ihre Hände. Und das Haar, das ihr schon wieder im Blickfeld hing.. das war blond.

“Was zum..”, sagte Willow und drehte sich in Richtung der Schaufenster.
 

Sie machte einen Schritt darauf zu und starrte sich die Reflexion in dem Glas ungläubig an. DAS war definitiv nicht ihr Körper. Sie sah ein 15, vielleicht auch 16-jähriges Mädchen mit hellblonden Haaren. Ungläubig streckte sie ihre Finger aus und berührte das Glas an der Stelle, an der ihr Gesicht reflektiert wurde. Sie hatte dunkelblaue Augen und trug ein hellblaues Top, welches über dem Bauch aufgeschlitzt war. Ihre Hose war dunkelbraun, es hätte aber auch eine andere Farbe sein können, denn sie war voller Schmutz. “Mein Gott” flüsterte Willow noch immer ungläubig und starrte, wie gebannt, auf die Reflexion.

In diesem Moment schoss eine Hand durch das Schaufenster und packte sie an der Kehle. Willow schrie..
 

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Cleveland

.. und riss die Augen auf. Der Raum war von einem angsterfüllten, gellenden Schrei erfüllt. In ihren Augen spiegelte sich Angst und Panik, genau wie in ihrem Schrei. In dem Zimmer brannte kein Licht und wenn das Mondlicht nicht durch das geöffnete Fenster fallen würde, wäre es stockdunkel gewesen. Willow schrie noch immer. Das Wetter war in Cleveland nicht gerade das Beste und man hörte, wie der Wind mit den Blättern der Bäume seine eigene, seltsame Melodie spielte. Der weiße Vorhang wurde geschmeidig von dem leichten Durchzug getragen, welcher im Raum herrschte. Unter dem Türschlitz fiel ein kurzer Lichtstreifen auf den Boden des Zimmers, welches mit einem angenehmen Teppich belegt war, dessen Farbe dem Raum eine wärmende Stimmung gab. Plötzlich unterbrachen zwei Schatten den Lichtstreifen, und kurz darauf wurde die Tür aufgerissen.
 

“Willow?!” schrie Kennedy.
 

In ihrer Stimme lag Angst, Verzweiflung und Sorge. Kennedy tastete die dunkle Wand hektisch nach dem Lichtschalter ab. Als sie diesen endlich gefunden hatte, schlug sie so fest darauf, dass er in kleinen Plastikstücken von der Wand fiel. Doch was zählte das jetzt schon? Wie wichtig war schon ein Lichtschalter wenn die Liebe deines Lebens schrie, als stünde sie im Angesicht des Todes

Nur einen Sekundenbruchteil, nachdem Kennedy den Lichtschalter gedrückt hatte, gingen eine Lampe an der Decke und zwei an den Wänden an. Warmes Licht erfüllte nun den Raum. Kennedy eilte zu Willow und setzte sich neben diese auf das weiche Bett. Willow, die jetzt zwar nicht mehr geschrien, aber immer noch auf die Zimmerdecke gestarrt hatte, löste den starren Blick und richtete ihre angsterfüllten Augen auf Kennedy. Schweißtropfen standen auf Willows Stirn, als Kennedy ihre Hand hob und ihrer Freundin die rote Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
 

“Hey....” Kennedy lächelte Willow mit einem liebevollen, beruhigenden Blick an. Mit einer Hand strich sie ihr sanft über die Wange. “Willst du mir erzählen, was passiert ist?” flüsterte sie leise.
 

“Hi.. Hilfe!” japste Willow, die von ihrem Schrei noch immer außer Atem war.
 

“Willow, du bist hier in Sicherheit.”
 

“Nein.. du verstehst nicht!”
 

Willow quälte sich ein liebevolles Lächeln als Dank für Kennedy aufs Gesicht und setzte sich dann auf. Der Wind wehte noch immer in das Zimmer und der weiße Vorhang vollführte noch immer seinen eleganten Tanz. Willow hob ihre Hand und vergewisserte sich, dass sie keine Wunden hatte. Nichts. Ihre Hand war in Ordnung. Alles war in Ordnung. Sie lag in einem bequemen Bett in einem ordentlichen Zimmer. Und das Wichtigste, sie war nicht alleine. Kennedy war an ihrer Seite. Es trat jemand durch die offene Tür und Willow wandte geschockt ihren Blick von Kennedy zur Tür, bereit jeden Eindringling mit einem Bann zu belegen, jedes Monster in Feuer aufgehen zu lassen, oder rund um Kennedy und sich ein Schutzfeld zu legen.
 

“Na, was war los?” Buffy stand in der Tür und sah Willow besorgt an. Auch Xander tauchte an Buffys Seite auf.
 

“Was meintest du vorhin? Was habe ich nicht verstanden?” fragte Kennedy nun nach. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich noch immer ungewisse Sorge wieder.

“Nicht ich brauche Hilfe!” sagte Willow und ließ ihren Blick von Kennedy über Xander zu Buffy schweifen. Diese reagierten nur mit unwissenden, fragenden Gesichtsausdrücken.
 

Opening Credits
 

Straße - Bus

“Jetzt gib doch mal die Karte her” schrie Vi, lehnte sich über Ronah hinweg, und erfasste mit ihrer rechten Hand die Straßenkarte, die Ronah fest in den Händen hielt.
 

“Nichts da, Kleine!” gab Ronah zurück und riss Vi das kleine Stück wieder aus der Hand.
 

Die Karte war mit roten Strichen durchzogen, und einigen blauen Punkte, neben denen sich meist handgeschriebene Kommentare befanden. “Vampirnest in alter, vergammelter Hütte ausgehoben. Hab Robin den Spitznamen Bill Cosby verpasst”, oder “Geburtsort einer neuen, wohlgemerkt schwarzen Jägerin. Wir konnten unsere Schwester rechtzeitig retten und an einem sicheren Platz unterbringen”, zierten die eintönigen Straßendarstellungen.
 

“Jetzt gib schon her, ich möchte sehen in welche Gegend Robin uns heute hingebracht hat!” schrie Vi wieder und machte den nächsten Angriffsversuch. Ronah wehrte diesen aber gekonnt ab, indem sie die Karte in Windeseile zusammenfaltete, diese dann neben sich legte und sich genervt zu Vi umdrehte.

“Was? Wir können doch raten wie das nächste Kaff heißt, an dem wir dieses Mal stehen bleiben. Ich fang an: Orange County? Ne. Wie wärs mit Twin Peaks? Oder F***in' Nottin' Hill? Ach ne, ist ja in England. Bill Cosby, wo sind wir heute?” Ronah verdrehte die Augen. Sie neckte Robin gerne. Sie wusste, wie Vi über Robin dachte und dadurch machte es ihr noch mehr Spaß.
 

“Bill.. wo sind ..”, doch Ronah wurde von einem leichten Klaps auf den Hinterkopf unterbrochen.
 

“Aua!” schrie nun Ronah und drehte sich verwundert wieder um.

“Ha ha. Hörst du uns alle lachen, Ronah? Jetzt hör auf mit dem Scheiß und such uns den nächsten Parkplatz auf der Karte!” sagte Faith genervt. In ihrem Gesicht spiegelte sich Müdigkeit. Wann hatte sie das letzte Mal so viel Zeit mit den gleichen Leuten verbracht? Das war schon lange her. Wann hatte sie sich das letzte Mal um so viele Leute gesorgt? Das war noch länger her. Wann hatte sie sich das letzte Mal wie in einer Familie gefühlt? Noch nie. Faith deutete mit ihrer Hand noch mal auf den Straßenplan, nickte kurz und überließ die zwei Streithähne mit einem leichten Lächeln sich selbst. Es mochte die anstrengendste Zeit ihres Lebens gewesen sein, seit sie von Wesley aus dem Gefängnis geholt wurde, mit Willow nach Sunnydale gekommen war, und dem ersten Bösen einen Denkzettel verpasst hatte. Und doch war es auch eine ihrer schönsten gewesen. Schlussendlich war sie mit Robin und den Mädels aufgebrochen, um die Staaten um einige Dämonen zu erleichtern und einigen der neuen Jägerinnen Starthilfe zu geben, bis der neueröffnete Rat Wächter für diese gefunden hatte.
 

“Hey, Robin!” Faith schlug Robin ihre Hände von hinten um den Hals und drückte ihm einen langen Kuss auf die Glatze. Hatte sie das je geglaubt? Sie und eine feste Beziehung? Sie hatte sich schon ‘Sie und überhaupt eine Beziehung‘ nicht vorstellen können. Sie musste unbedingt mal bei Angel anrufen und fragen, wie es ihm so ging. Na ja.. um wieder zu Robin zurück zu kommen. Faith musste leicht schmunzeln.
 

“Um mal Ronahs Frage etwas .. ähm.. liebevoller zu stellen” Faith musste über ihren eigenen Satz kurz schmunzeln, löste sich dann aber von Robin und stellte sich aufrecht neben ihn hin, bevor sie fortfuhr. “Wo zur Hölle sind wir?”

Wood wandte für eine Sekunde den Blick von der geraden Straße ab, und sah Faith erschöpft an.
 

“Um ehrlich zu sein, so ganz genau weiß ich das ohne Karte auch nicht.” Er versuchte ein müdes Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, versagte dabei aber kläglich. In diesem Moment läutete Robins Handy.
 

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Cleveland.

Dawns Zimmer.

“Ich weiß, dass es nicht an Jason lag.” Andrew drehte den Kopf zur Seite, und starrte ausdruckslos die Wand an. “Jason kam erst viel später, weil die Fans wieder einen Robin wollten. Da war Dick schon lange weg. Hätte für Bruce wohl auch nicht viel Sinn gemacht, oder? Ich meine, den einen Robin wegzuschicken, nur um jemand anderen als Robin zu nehmen.”
 

Dawn wusste nicht wirklich, was sie darauf antworten sollte. Um ehrlich zu sein, verstand sie nicht die Hälfte von dem, was Andrew sagte, und noch weniger, warum all diese Leute, die es nicht einmal in Wirklichkeit gab, ein Grund zum Heulen waren.
 

Die Luft war schwer, und von draußen konnte sie leises Donnergrollen hören. Mit Sicherheit war ein ziemliches Unwetter im Anmarsch.
 

Sie sah wieder zu Andrew, der sich von ihr abgewandt hatte, und ganz und gar nicht bereit schien, über seine Probleme zu sprechen. Wenigstens hatte sie ihn mit Mühe und Not dazu überreden können, aus dem Bad raus zu kommen. Das hatte er schon damals getan, als sie noch im Summers Haus wohnten, sich im Klo eingesperrt, um stundenlang nicht mehr raus zu kommen. Wahlweise mit oder ohne Kamera.
 

Es reichte! Kurzentschlossen hatte sie die Tür mit einer 25 Cent Münze geöffnet. Da hatte er schon nicht mehr über Zombies geredet, sondern über irgendeine Star Trek Folge, und als sie ihn mit auf ihr Zimmer nahm, war er bei X-Files angelangt. Dawn begann sich zu fragen, aus welcher Serie diese Fische waren, die man sich ins Ohr stecken musste, um alle Sprachen des Universums zu verstehen. Einer von den Fischen wäre sicher in der Lage gewesen, auch die Andrewsprache zu übersetzen.
 

“Was, wenn Dick ihm einfach nur auf die Nerven ging, und er ihn loswerden wollte?” Andrew brach erneut in Tränen aus, und umklammerte Dawn’s Kopfkissen. “Vielleicht war es alles einfach nur Unsinn, was er ihm erzählt hat...”

“Ich würde wirklich gern verstehen, was du mir sagen willst.” unterbrach sie ihn sanft. Sie setzte sich neben ihm aufs Bett, und er rückte zur Seite, um ihr Platz zu machen. “Du hast die Comics nicht gelesen, oder?” schniefte er, “soll ich’s dir erzählen?”
 

“Okay.” Eigentlich hatte sie nicht wirklich den Nerv, sich Batman Geschichten anzuhören, aber es musste wohl sein, wenn sie an ihn rankommen wollte. “Erklär mir am besten, was Robin überhaupt bei Batman wollte,” schlug sie vor, um die Sache etwas abzukürzen. “Warum ist er nicht einfach daheim geblieben, und hat ein normales Leben geführt, anstatt in peinlichen Nylonstrumpfhosen rumzurennen?”
 

“Aber er hatte doch gar kein normales Leben mehr!” protestierte Andrew. “Er hat seine Eltern verloren, und auch seinen großen Bruder, wo sollte er also hin? Er hatte doch überhaupt niemanden! Bis Bruce Wayne gekommen ist, und sich um ihn gekümmert hat. Die beiden wurden Partner, ein Team. Sie streiften gemeinsam durch die Straßen von Gotham City und kämpften Seite an Seite.”

Mit glänzenden Augen wandte er sich ihr zu. “Sie verstanden sich ohne Worte. Sie konnten einander vertrauen. Einer für den anderen. Verbunden in Geist, Seele und Herz! Ein Bündnis für die Ewigkeit!”
 

Dawn schüttelte den Kopf. “Nicht für die Ewigkeit!” So langsam begann die Geschichte endlich Sinn zu ergeben. “Batman hat Robin im Stich gelassen, nicht wahr? Und Robin hat sich gefragt, ob Batman wirklich der tolle Typ war, für den er ihn immer hielt. Oder ob er ihm nur was vorgemacht hat!”

Überrascht blickte Andrew sie an. “Ich dachte, du hättest es nicht gelesen?”

Dawn lächelte. “Vielleicht hatte ich eine Vision.”
 

“Das geht aber nicht,” protestierte Andrew. “Piper hat keine Visionen. Ich bin die mit den Visionen! Du kannst Leute einfrieren, und später auch in die Luft sprengen.”
 

Als ihm klar wurde, dass Dawn ihn noch immer schweigend anlächelte, brach er ab, und sah sie verwirrt an. “Was? Was ist los?”
 

“Nichts.” Dawn verpasste ihm einen Nasenstüber. “Ich glaub nur, dass ich so langsam anfange, die Andrewsprache zu verstehen.” Über die Fische sagte sie jetzt lieber nichts, das hätte nur weitläufige Ausführungen über andere Serien zur Folge.
 

“Dick hat sich noch ‘ne Menge anderer Sachen gefragt.” Andrew rollte sich zusammen, und legte den Kopf auf Dawn’s Knie. “Ich meine, es stand nicht alles so deutlich im Comic, aber ich bin sicher, dass er sich das gefragt haben muss...”
 

Sie schwieg, und wartete darauf, dass er weitersprach. Für eine Weile hörten sie nur das Geräusch des Regens, der von draußen gegen die Fensterscheiben klatschte. Das Gewitter war losgebrochen, und auch das Donnergrollen war jetzt viel näher, als noch vor einigen Minuten. Einen Moment lang, glaubte sie so etwas wie einen Schrei zu hören, im nächsten war sie sicher, es sich nur eingebildet zu haben.
 

Als der Wind die Vorhänge zur Seite blies, konnte sie auf dem Fensterbrett eine große Krähe erkennen, vermutlich suchte der Vogel Schutz vor dem Unwetter. Sie dachte daran, das Fenster zu schließen, aber dazu müsste sie aufstehen, und Andrew wegschubsen, und das würde er jetzt vielleicht missverstehen.
 

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Bus

Jeder Laut im Bus verstummte und die Blicke der Vier schossen auf das läutende Telefon. Für einen Moment bewegte sich keiner. Totenstille. Plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, stürzten sich die drei Jägerinnen dann doch, im gleichen Moment, auf das Handy und obwohl sich die zwei jüngeren gut geschlagen hatten, ging Faith als Siegern dieses kurzen Rennens hervor. Ronah lächelte Vi kurz an, bevor Faith die Augen verdrehte, den Kopf leicht schüttelte, sich zu Robin umwandte und abhob.
 

“Hier bei den Cosbys!” meldete sich Faith und lächelte Robin dabei kurz an.
 

“Was? Wer spricht?” kam eine verwirrte, verwunderte Frauenstimme aus dem Hörer.
 

“Faith.”
 

“Oh, hi. Buffy hier. Wie geht’s euch?”
 

“Wir schlagen uns durch, B. Und bei euch ist auch alles im Lot?”
 

“Na ja, mehr oder weniger. Ähm.. Moment,” Faith hörte, wie Buffy den Telefonhörer zur Seite legte und etwas murmelte. Ein verdutzter Ausdruck machte sich in Faiths Gesicht breit, was sofort einen besorgten Blick seitens Robin auslöste. Faith zuckte mit den Schultern und ließ sich anschließend auf einer Sitzbank nieder. Nach einem “Jetzt seid doch mal still” zu den Mädels und einem “Ich weiß auch nicht, was los ist” zu Robin war wieder eine Stimme am Telefon zu hören.
 

“Faith, bist du noch da?”
 

“Na klar, B.”
 

“Nein Faith, ich bin’s, Willow.”
 

“Oh, was gibt’s?”
 

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Cleveland

“Ich hatte einen Traum,” sagte Willow leise ins Telefon. Die Scoobys befanden sich noch immer in Giles Wohnung. Willow hielt nervös den Telefonhörer an ihr rechtes Ohr, während Kennedy unruhig in Buffys Zimmer auf und ab ging. Buffy hatte sich wieder zu Xander gestellt, welcher noch immer gegen den Türstock gelehnt, alles beobachtete. Mittlerweile hatte es in Cleveland zu regnen begonnen und der Regen klatschte laut gegen die nun geschlossenen Fenster. Willow war noch immer leicht verschwitzt und ihr Gesicht zeigte leichte Verwirrung. Der Traum hatte sich so echt angefühlt.
 

“Toll. Dann kannst du dich ja mit Martin Luther King in eine Reihe stellen.” Willow vernahm ein verhaltenes Lachen von der anderen Seite des Telefons.

“Faith, es ist ernst. Ich habe eine Jägerin gesehen. Sie ist zwischen 15 und 18 Jahre alt, ist etwa 1,70 groß und hat blonde Haare.”

“Ach so, verstehe. Und wo?”
 

“In einem Ort namens Silent Hill.” Willow durchfuhr bei der Erwähnung des Namens noch immer ein Angststoß. “Es ist, glaub ich, nicht so weit von eurer jetzigen Position entfernt.”
 

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Im Bus

“Silent Hill? Moment?” Faith drehte sich zu Ronah und Vi. “Schaut mal ob ihr auf der Karte einen Ort namens Silent Hill findet. Es soll ganz in unserer Nähe sein”.
 

Sofort hörten die beiden mit ihren Streitereien auf, setzten sich normal hin und breiteten die Karte auf dem Tisch vor ihnen aus. Ronah folgte kurz der roten Linie bis zu deren Ende und zeigte Vi, wo sie sich derzeit ungefähr befanden. Die beiden ließen ihre Augen über den kleinen Teil der Karte flitzen und als Faith gerade wieder nach dem Handy griff, ließ Vi ein knappes “Hier!” in den Bus los und zeigte mit ihrem Finger auf einen winzigen Punkt, der laut Karte ungefähr 200 Kilometer von ihrer derzeitigen Position entfernt war.
 

“Okay, wir haben es gefunden!” sagte Faith zu Willow, und trat näher an den Tisch heran. “Aber Willow, das ist laut unserer Karte ein kleiner Urlaubsort. Bist du dir sicher, dass das der richtige Ort ist?”
 

“Oh ja!” erklang Willows Stimme aus dem Telefon. “Ihr müsst da sofort hin.”

“Okay!” entgegnete Faith, legte auf und drückte Ronah das Handy in die Hand.

“Robin, fahr los. Auf nach Silent Hill” sagte Faith, während sie mit gemischten Gefühlen den kleinen Punkt mit dem Namen ‘Silent Hill‘ ansah.
 

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Cleveland

Giles’ Zimmer

“Na dann hoffen wir mal, dass Faith und ihr Anhang sich beeilen.” Kennedy nahm Willow den Hörer des schnurlosen Telefons ab und gab ihn selbst an Xander weiter. Dieser nickte nur stumm und ging in das Wohnzimmer, wo er den Hörer in die Aufladestation zurück legte. Kennedy setzte sich wieder neben Willow und nahm ihre Hand sanft in die eigene. Willows Hand war noch immer eiskalt. Der Traum hatte sie anscheinend sehr mitgenommen. Kennedy wollte irgendetwas sagen, aber ihr fiel nichts Passendes ein. Sie konnte mit solchen Situationen nur schlecht umgehen. Willow erkannte ihre Hilflosigkeit, lächelte sie verständnisvoll an, und küsste sie kurz. Kennedy strich ihrer Freundin zärtlich durchs Haar, stand auf, nickte Buffy mit einem unsicheren Lächeln zu und verließ dann den Raum.
 

“Faith wird das schon schaffen,” sagte Buffy und lächelte Willow an. “Hoffe ich zumindest,” fügte sie dann noch schnell hinzu.
 

Auch Willow musste kurz lächeln und stand dann auf. Langsam ging sie an Buffy vorbei, schaltete das Licht aus, und näherte sich dem Fenster. Ihre Füße glitten über den sanften Teppichboden. Vor dem Fenster blieb Willow stehen und öffnete es langsam. Wind blies in das Zimmer und ließ ihre Haare und den weißen Vorhang in einen mystischen Tanz verfallen. Buffy fühlte, wie die eisige Kälte durch ihren Körper fuhr. Nur mehr die Blitze erhellten Giles’ Zimmer und die stockfinstere Nacht.
 

“Sie ist da draußen. Ganz alleine.” Willow starrte in die Dunkelheit. Ihre Gesichtszüge, die Unsicherheit und Sorge zeigten, wurden nur durch das helle Licht der Blitze sichtbar. Donnergrollen durchbrach die Stille der Finsternis. Buffy machte einen Schritt auf Willow zu.

“Buffy.. sie ist ganz alleine in dieser Hölle.” sprach Willow weiter, während sie noch immer in die Nacht hinaus blickte, und ihre Haare vom Wind getragen wurden. Buffy schob sich an dem weißen Vorhang vorbei und stellte sich hinter Willow. Langsam hob sie ihre Hand und legte sie Willow behutsam auf die Schulter.
 

“Faith wird ihr helfen. Faith wird sie retten,” flüsterte Buffy zu Willow und in die stürmische Nacht hinaus.
 

“Hoffentlich,” antwortete Willow und blickte weiter in die Ferne. Ihre Gedanken waren nur bei der Jägerin. In Silent Hill.
 

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Cleveland

Dawns Zimmer

“Ich glaube, ich weiß, was Dick sich gefragt hat,” sagte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, in die Stille hinein, die dem Donnergrollen folgte. “Er hat sich gefragt, warum alle Leute, die er liebt, immer fortgehen, und ihn im Stich lassen. Er hat sich gefragt, ob es seine Schuld ist.”
 

Sie bekam keine Antwort, aber ein leises Aufschluchzen verriet ihr, dass sie richtig liegen musste. Erschrocken bemerkte sie, dass ihre eigenen Wangen nass waren. Die Erinnerung an früher wog schwer, wie viele Menschen hatte sie verloren, die ihr wichtig waren. Durch den Tod, oder dadurch, dass sie einfach fortgingen.
 

Sie sah Andrew an, der still vor sich hinweinte, und glaubte plötzlich, sich selbst zu sehen, eine frühere Dawn, die von Selbstzweifel und Schuldgefühl geplagt wurde. Waren ihr Stehlen, und Schuleschwänzen nicht auch eine andere Sprache gewesen, die man erst entschlüsseln musste, um sie zu verstehen? Hatte sie sich nicht immer gewünscht, jemand würde sich durch alle ihre Abwehrmechanismen und Schutzaufbauten durchkämpfen, um endlich zu ihrem wahren Selbst vorzudringen?
 

Andrew weinte noch immer so heftig, dass er nicht sprechen konnte. Sie legte einen Arm um ihn, und wuschelte ihm mit der freien Hand durch die Haare, wie Buffy es so oft bei ihr getan hatte. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich als die große Schwester fühlte, und dieses Gefühl war etwas vollkommen Neues für sie. Obwohl er eigentlich älter war, als sie, aber das spielte wohl keine Rolle.
 

“Du bist nicht allein, Andrew. Du hast mich, und Xander, und die anderen mögen dich auch, selbst wenn sie dich manchmal anschnauzen. Nimm das nicht so ernst.”

“Schon klar.” Er rieb seinen Kopf an ihrer Hand, wie ein kleiner Hund. “Manchmal fühl ich mich einfach so. Es wird nie wieder so sein, wie früher.”
 

“Nein.” Vorsichtig hob sie seinen Kopf hoch, um die Beine auszustrecken, die ihr vom Sitzen eingeschlafen waren. Sie lehnte sich zurück, und schnappte sich die Seite vom Kopfkissen, die Andrew nicht nassgeweint hatte. “Weißt du, selbst, wenn die Sonne untergegangen ist, heißt das noch lange nicht, dass es dunkel ist.” Das war zwar nicht aus einem Comic, aber vielleicht konnte er damit etwas anfangen.
 

“Aber es ist doch dunkel, wenn die Sonne untergegangen ist!” Er zog an ihrem Ärmel, bis sie begriffen hatte, dass er in den Arm genommen werden wollte.

“Das schon.” Sie drückte ihn an sich, er fühlte sich an, wie ein großer weicher Teddybär. “Aber du darfst die Sterne nicht vergessen, die leuchten nämlich auch.”
 

“Das gefällt mir.” Er rollte sich zusammen, und lehnte den Rücken an ihre Brust. “Du, und Xander, und Buffy, ihr seid alle meine Sterne. Giles ist Alpha Centauri. Und Xander könnte vielleicht der Polarstern sein. Nein, das ist Jonathan. Weil, der Polarstern ist nämlich auf der anderen Seite, und deswegen kann man ihn im Moment nicht sehen. Genau wie die Sonne. Aber leuchten tun sie trotzdem.”
 

“Na, siehst du.” Das Kribbeln in ihren Beinen ließ nach, und sie spürte, wie sie müde wurde. “Du hast es begriffen.”
 

“Willst du mein Mond sein?”
 

“Okay.” Benommen tastete sie nach dem Lichtschalter, denn die Lampe an der Zimmerdecke blendete sie. “Ich darf also zu- und abnehmen.”
 

“Dawn?”
 

“Hm?”
 

“Glaubst du wirklich, er hat mir nur was vorgemacht? Warren, mein ich. Glaubst du, er ist einfach weggeflogen, weil er mich nicht mehr bei sich haben wollte?”

Was sollte sie darauf nur antworten? Innerlich war sie fest davon überzeugt, dass Warren sich kein Stück um Andrew geschert hatte. Aber es auszusprechen, hätte wahrscheinlich einen erneuten Tränenausbruch provoziert, und das musste nicht unbedingt sein. Nicht jetzt, wo er sich endlich beruhigt hatte.

“Was glaubst du denn?” fragte sie leise zurück. “Wenn du ganz ehrlich bist?”

“Na ja, ich glaub, er konnte nicht nach mir suchen, weil er selber genug Stress hatte. Erst war er so fertig, weil Buffy ihn verprügelt hat, und dann musste er sich vor Willow verstecken. Ansonsten hätte er sicher..”
 

Er redete weiter, und Dawn hatte das Gefühl, dass er selbst nicht so ganz glaubte, was er da sagte. Es hörte sich alles an, wie eine an den Haaren herbeigezogene Entschuldigung. Erst als Andrew mit den Worten schloss: “Wenn er mich nicht mitnehmen wollte, warum hat er dann extra ein Jet Pack für mich gebaut?”, musste sie zugeben, dass es irgendwie nicht zusammenpasste. Aber mit größter Wahrscheinlichkeit würden sie die Wahrheit nie erfahren.
 

“Ich hoffe, es geht ihm gut, da wo er jetzt ist,” murmelte Andrew. “Ich hoffe nur, er ist nicht in einer von diesen grässlichen Höllendimensionen gelandet.”

“Es wird schon alles seine Ordnung haben,” antwortete sie etwas ausweichend. In sich spürte sie noch immer den Schmerz über Tara’s Tod, und die kalte Wut auf Warren, der dafür verantwortlich war. Früher hatte sie einmal geglaubt, dass Willow richtig gehandelt hatte, doch inzwischen war ihr längst klar geworden, dass die Dinge nicht immer so einfach waren. Man konnte den eigenen Schmerz nicht dadurch leichter machen, dass man jemand anderem denselben Schmerz zufügte. Warum sollte Andrew für etwas bestraft werden, an dem er keine Schuld trug?
 

“Sag Willow nicht, dass ich geweint hab,” bat Andrew, als hätte er ihre Gedanken erraten.
 

Sie nickte, drehte den Kopf ein wenig zur Seite, weil Andrew’s Haare sie kitzelten und schloss die Augen. Nicht, dass sie schlafen wollte, wenn er noch mit ihr redete. Es war einfach nur angenehmer so.
 

“Dawn? Dawn! Du musst mir was versprechen!”
 

“Hm?”
 

“Dass du nicht sterben wirst. Du musst mir versprechen, nicht zu sterben.”
 

“So ein Blödsinn,” murmelte sie im Halbschlaf. “Natürlich werd' ich nicht sterben!”
 

Draußen hatte sich das Unwetter verzogen. Der Nachthimmel war klar, die Luft frisch, wie immer nach einem Gewitter. Die ersten Vögel begannen zu singen.

Die Krähe vor dem Fenster sang nicht. Sie saß immer noch reglos auf dem Fensterbrett, mit nach Vogelart seitlich geneigtem Kopf, und das dem Zimmer zugewandte Auge fixierte die beiden umschlungenen Gestalten auf dem Bett, die offensichtlich, ohne es zu merken, in tiefen Schlummer gesunken waren.
 

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Bus

In den vergangenen Stunden war in dem kleinen, gelben Bus nicht viel gesprochen worden. Robin Wood, Sohn der Jägerin Nikki, Ex-Schuldirektor und nun Wächter von drei Jägerinnen, konzentrierte sich auf die dunkle Straße. Seit sie den Anruf aus Cleveland bekommen hatten, waren ihm nur zwei Fahrzeuge entgegen gekommen: ein kleiner, roter PKW und ein Motorrad, vermutlich eines der örtlichen Polizei, aber Robin war sich nicht sicher gewesen.
 

Faith, Ronah und Vi, die nach einem kurzen Nickerchen wieder wach waren, kümmerten sich um ihre Waffen. Faith hatte eine dunkelblaue Armbrust in der Hand und lud gerade Pfeile nach, während Ronah eine Axt in den Händen hielt und polierte und Vi ungeduldig einen Kampfstab, der auf beiden Seiten eine hölzerne Spitze hatte, von einer Hand in die andere warf. Außerdem hatte sich jede der drei einen Holzpflock und ein Messer eingesteckt.
 

Man merkte, dass Spannung in der Luft lag. Jede der Jägerinnen bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, obwohl keine der drei nur den Hauch einer Ahnung hatten, was wirklich vor ihnen lag.
 

“Oh Gott!” schrie Wood plötzlich, stieg ruckartig auf die Bremse und riss den Bus nach links. Die drei Jägerinnen wurden hart gegen die Innenwand das Busses geschleudert, während der Bus auf der Fahrbahn, die plötzlich nass zu sein schien, dahin schlitterte.
 

Nach ein paar Sekunden, die den Insassen aber wie eine Ewigkeit schienen, kam der Bus quietschend zum Stillstand.
 

“Was zur Hölle sollte das denn?” schrie Faith wütend, während sie sich von der Seitenwand hoch quälte und sich die nun schmerzende Schulter rieb. Ronah und Vi erging es nicht besser und auch sie standen murrend vom Boden auf. Faith ging zu Robin, der sich seinen Kopf an der Windschutzscheibe gestoßen hatte.

Dieser sagte nichts, und deutete nur stumm mit seiner rechten Hand auf die Straße, während er sich mit der linken Hand auf den Kopf fasste, um das Ausmaß der Verletzung zu erkunden. Erleichtert stellte er fest, dass er keine offene Wunde hatte, und anscheinend mit einer großen Beule davon kommen würde. Faith trat näher an die Windschutzscheibe heran und starrte in die stockfinstere Nacht. Vor ihnen befand sich ein Gebäude.
 

“Das ist anscheinend eine Tankstelle!” murmelte Vi, die neben Faith aufgetaucht war.
 

“Wie es aussieht, ist sie aber geschlossen.” meldete sich Ronah zu Wort.

Faith sah an der Tankstelle vorbei und erblickte den Grund für den plötzlichen Halt. Quer über der Straße lagen mehrere große Baumstämme, die leicht verkohlt jede Weiterfahrt verhinderten. Ein Blitz musste in einen der Bäume eingeschlagen haben und irgendwie musste der Einschlag und die Wucht der Explosion die Bäume umgeknickt haben.
 

“Na toll!” sagte Faith verärgert, sah kurz zu Ronah und Vi, die ihren Ärger anscheinend teilten und wandte sich dann an Robin.

“Ist mit dir alles in Ordnung?”
 

Robin nickte nur und öffnete mit einem schnellen Handgriff die Tür des Busses.

“Also, alles aussteigen. Endstation, Silent Hill!” Er lächelte die drei Jägerinnen müde an. “Den Rest müssen wir zu Fuß zurück legen!”
 

Die vier schnappten sich ihre Waffen und verließen den Bus, nachdem sie vergeblich nach Taschenlampen gesucht hatten. Die Nacht war kalt, und anscheinend hatte es bis vor kurzem noch geregnet. Mit schnellen Schritten liefen sie auf die geschlossene Tankstelle zu. Sie war nicht groß und hatte nur zwei Tanksäulen, dennoch, dachte sich Faith, waren in dem Schuppen sicher nützliche Sachen zu finden.
 

Nachdem sie das Tankstellengebäude zweimal umrundet und vergeblich nach einem Anzeichen von Leben gesucht hatten, trat Faith ohne viel nachzudenken, auf die gläserne Eingangstür ein, die willig ihrem kräftigen Tritt nachgab, in die Tankstelle segelte, auf dem schmutzigen Boden landete und klirrend in tausend Scherben zersprang.
 

Stickige, abgestandene Luft schlug ihr entgegen, als Faith als erste das leere Gebäude betrat. Der Boden war mit billigen Marmor-Imitat-Fliesen belegt und in den Regalen befanden sich die typischen überteuerten Tankstellen-Artikel. Faith ließ ihren suchenden Blick durch den dunklen Raum gleiten. In der hinteren, rechten Ecke befand sich die Kasse, mit den typischen Schokoriegeln und kleinen Snacks davor und rechts daneben war eine kleine Bar zu sehen, auf deren Hocker normalerweise irgendwelche Alkoholiker ihre Tageszeit vertrieben. Davor reihten sich die Regale, in denen sich weitere Lebensmittel und Getränke befanden und an der rechten Wand waren die Kühlregale platziert, die ein kühles, unruhig flackerndes Licht ausstrahlten. Überhaupt waren die Kühlregale, abgesehen von der grünen Notausgangsleuchte, die über dem Hinterausgang hing, und wahrscheinlich zu den Toiletten führte, die einzigen Lichtquellen in dem sonst dunklen Raum.
 

Faith hatte an der Rückwand des Gebäudes endlich das gefunden, nachdem sie gesucht hatte, und machte einige schnelle Schritte auf das Regal zu. Langsam, und unsicher folgten ihr Ronah und Vi, während Wood vor der Tankstelle Wache hielt. Einerseits, weil eine Wache bei so etwas nie schlecht war und andererseits brach er sehr ungern in irgendwelche Gebäude ein, überhaupt jetzt, wo er als Wächter Regeln mehr als groß schreiben sollte. Wenn man ihm Einbruch mit schwerem Diebstahl nachweisen könnte, hätte er seine Stelle schneller wieder verloren, als er “Wächter auf Prüfstand” sagen konnte.
 

Faith streckte ihre Hände aus und nahm vier der Silent Hill Stadtpläne aus dem Regal.
 

“Gut, dann fehlen nur noch Taschenlampen!” flüsterte sie ruhig. “Taschenlampen.. Taschenlampen...” Wieder ließ sie ihren Blick wieder durch den Raum schweifen, vorbei an den Pornozeitschriften für die Lastwagenfahrer, zu den Bierdosen und Chips über die Eistruhe bis hin zu der Kasse.
 

“Hier!” schrie Vi und Faith und Ronah drehten sich sofort zu der rothaarigen Jägerin um. Vi hielt lächelnd vier Taschenlampen in den Händen.

“Gut, dann nichts wie raus hier!” schrie Faith, schnappte sich im Vorbeilaufen noch schnell vier Walkie-Talkies, die sie gerade erst erblickt hatte und verließ bereits wieder das Gebäude.
 

Nachdem jeder der vier einen Plan, eine Taschenlampe und ein Walkie-Talkies eingesteckt hatte, wurde Vi nach einer kurzen Debatte dazu verdonnert, beim Bus zu bleiben und diesen zu bewachen. Obwohl Vi als Jägerin in Silent Hill gut zu gebrauchen gewesen wäre, war es doch mehr als wichtig, jemanden beim Bus zurück zu lassen, der sich auch gegen mehr als einen Angreifer gut zur Wehr setzten konnte. Murrend nahm Vi den Entschluss zur Kenntnis und ging bereits zum Fahrzeug zurück, während Faith, Robin und Ronah sich zu Fuß auf den Weg in das kleine Städtchen machten.
 

++++
 

Cleveland

Andrew drückte das Kissen an sich und drehte sich im Schlaf, während Dawn daneben im Traum leise vor sich hin redete und irgendetwas von reiner Erde und Miss Kitty murmelte. Buffy hatte sich im Nebenzimmer auch in ihr provisorisches Bett verkrochen, war aber erst sehr spät eingeschlafen, während es sich Xander auf der Couch vor dem Fernseher bequem gemacht und sich als einziger das Ende des Films angesehen hatte, wobei er beim Abspann ebenfalls in einen tiefen Schlummer versank. Willow blieb diese Nacht mit Kennedy in Giles Zimmer, wo sich die beiden ins Bett legten und Willow sich zärtlich an Kennedy schmiegte, während diese immer wieder durch ihr Haar fuhr, bis sie beide in einen traumlosen Schlaf fielen.
 

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Es war 5 Uhr morgens und die Sonne vertrieb langsam die dunkle Nacht. Durch das Unwetter, das in der Nacht gewütet hatte, war die Luft an diesem Morgen frisch und kühl. Die ersten Vögel begannen zu singen, als die Sonnenstrahlen die Baumwipfel berührten und die ersten Pflanzen sich öffneten, um den wundervollen, neuen Tag zu begrüßen.
 

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Silent Hill

Ihre Schritte hallten durch die sonst leeren Gassen, als Faith, Robin und Ronah die Straße entlang liefen. Nebel hüllte sie ein. Es schien, als würde die ganze Stadt in dem dunklen Grau gefangen sein. Der Marsch von der Tankstelle bis nach Silent Hill war nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen. Die Feuchtigkeit war ihnen bis in die tiefsten Poren ihrer Körper gekrochen und die eisige Kälte rief eine Gänsehaut an ihren Körpern hervor.
 

Durch den Nebel sahen die drei nicht weiter als drei Meter. Bisher hatten sie in der Stadt noch nichts gehört. Es herrschte Totenstille in dem kleinen Städtchen. Obwohl sie nun schon seit zehn Minuten eine Straße entlang gingen, laut ihren Karten war es die Hauptstraße des Ortes, waren sie noch keiner Menschenseele begegnet. In keinem der Häuser brannte Licht und die wenigen Türen, die sie zu öffnen versucht hatten, waren verschlossen.
 

Die Häuser selbst waren verdreckt und verwahrlost. Müll lag in jeder erdenklichen Ecke und der Gestank, der sich wie eine Insektenplage in den Gassen und Straßen ausbreitete, war fast nicht auszuhalten.
 

Faith blieb abrupt stehen, als ihr rechter Fuß den Randstein des, auf der Karte eingezeichneten, runden Platzes berührte. In der Mitte des Platzes befand sich ein hoher Sockel, vermutlich aus Marmor, auf dem eine Bronzestatue stand. Vermutlich der Gründer der Stadt, dachte sich Faith und musste schmunzeln, als sie sah, dass der Statue der Kopf fehlte.
 

“Also Leute..” Faith drehte sich zu Robin und Ronah um, die mittlerweile hinter ihr stehen geblieben waren, und ihre Blicke über den Platz schweifen ließen.

“Silent Hill, wie klein es sich auch anhört, ist eindeutig zu groß. Wir müssen uns beeilen, und das geht nur, indem wir uns aufteilen. Abgesehen von der Straße, von der wir gerade gekommen sind, zweigen hier noch drei weitere ab.” Faith drehte sich zur Seite und gab Robin und Ronah den Blick auf die drei Straßen frei.
 

“Jeder von uns wird sich seinen Teil der Stadt vornehmen, und schlussendlich werden wir uns hier wieder treffen!” Faith drehte den Stadtplan, den sie in der Hand hielt, zu Robin und Ronah um, und kreiste mit einem Stift das Brook Haven Krankenhaus ein, was ihr die beiden auf ihren eigenen Plänen sofort gleich taten.
 

“Noch Fragen?” Faith ließ einen fragenden Blick von Robin zu Ronah und von Ronah wieder zu Robin schweifen.
 

“Wenn es Schwierigkeiten gibt, melden wir uns entweder per Walkie-Talkie oder wir begeben uns zu unserem Zielpunkt.” fügte Robin hinzu und nickte Faith mit einem liebevollen aber auch gleichzeitig besorgtem Blick zu.

“Und noch was..,” sprach Wood weiter “Passt auf euch auf. Es nützt uns nichts, wenn eine von euch bei diesem Rettungsversuch drauf geht.”

Faith und Ronah nickten.
 

“Dann viel Glück!” sagte Ronah, nickte den beiden noch mal zu, umfasste die Axt fest mit ihrer rechten Hand und lief in die ihr zugeteilte Seitenstraße.

“Sie ist tapfer!” Faith lächelte Ronah nach.
 

“Du auch!” warf Robin ein und küsste Faith sinnlich.
 

“Pass auf dich auf,” flüsterte er ihr leise zu, drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange, lächelte sie kurz an und lief dann ebenfalls in seine Seitenstraße.

“Du auch!” schrie Faith ihm nach, strich sich ihr Haar aus dem Gesicht, wandte sich der letzten Seitengasse zu und lief hinein.
 

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Cleveland

Hopkins International Airport

Der Flughafen lag mit seinen gigantischen Ausmaßen im dämmrigen Morgenlicht fast friedlich da. Auf den Flugzeugen, die in der Nacht angekommen waren, glitzerten die Regentropfen des gestrigen Unwetters, die Rollbahn dampfte feucht und die Pfützen standen in den ausbesserungswürdigen Stellen. Trotz der scheinbaren frühen Ruhe herrschte an der Ankunftshalle ein reges und buntes Treiben.

Lily Usher stand mit einem ungeduldigen Gesichtsausdruck vor dem Eingang und sah auf ihre Uhr. Rupert schien sich zu verspäten. Ausgerechnet der Mann, für den Zuspätkommen eine Todsünde war. Sie hoffte, dass ihm nichts passiert war.

Müde strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und wirkte trotz den Flugstunden und dem langen Aufenthalt in Boston mit Umsteigen noch einigermaßen entspannt.
 

“Oh Lily.. tut mir schrecklich leid,” erklang aus der Menge endlich Ruperts Stimme, der abgekämpft und müde auf sie zu eilte. Ihm entging nicht, dass sie über seine Verspätung alles andere als erfreut war, und er versuchte es zu übergehen. “Gut siehst du aus,” probierte er es stattdessen mit einem Kompliment und meinte es auch so. Sie sah in ihrer dunkelbraunen Hose und der schwarzen Seidenbluse elegant und attraktiv wie immer aus.
 

“Rupert! Gott sei Dank! Ich dachte schon du...”
 

“Der Verkehr um diese Zeit. Ich komme direkt aus Indianapolis. Es gab ein paar Probleme vor Ort zu klären. Das nächste Mal fliege ich.” Er nahm ihr das Gepäck ab.
 

“Schon gut,” lachte Lily über Ruperts Versuche, sich zu erklären und ihren Unmut zu zerstreuen. “Jetzt bist du ja da. Aber mal ehrlich,” sie sah sich auf dem nassen Parkplatz um. “ich dachte dem Londoner Herbstwetter entkommen zu können und dann ist es hier kühl und feucht.”
 

Giles lächelte traurig. “Nun, dass hier ist nicht mehr Sunnydale.” Er führte Lily zu seinem dunkelgrünen Crysler Voyager.
 

“Du kutschierst eine Großfamilie,” sie deutete mit einem Grinsen auf den Wagen.

“Vor zwei Jahren war es ein rotes Cabrio. Jetzt bin ich darüber hinweg,” gestand er ein, ließ die automatische Verriegelung per Knopfdruck aufspringen und öffnete den Kofferraum des Minivans. “Und bei deinem Gepäck brauchen wir sowieso den Wagen.”
 

Lily gab ihm einen spaßhaften Klaps auf den Arm und überließ ihm das Verstauen. Sie nahm ihre Handtasche vom Wagen und stieg auf der Beifahrerseite ein, während Giles den leeren Kofferwagen zur Seite schob, den Kofferraum schloss und ebenfalls einstieg.
 

“Ich schlage vor, du wohnst erst einmal bei mir, bis du etwas gefunden hast, das dir gefällt. Es wird zwar ein wenig eng, weil Buffy und Dawn noch immer bei mir wohnen, aber das geht schon, wenn die Mädchen etwas zusammenrücken.”

“Das muss wirklich nicht sein...”
 

“Es ist kein Problem, wirklich nicht.” Zumindest nicht für ihn. Dawn und Buffy hatten sich klar und deutlich dagegen ausgesprochen. Aber es würde ja nicht für immer sein.
 

Giles lenkte den Wagen vom Parkplatz. “Und jetzt lass mich hören, wie es so in London läuft.”
 

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Silent Hill

Faith vernahm ein leises Brummen, als sie ihre Seitenstraße betrat. Der Platz war erst einige Schritte hinter ihr, aber durch den dichten Nebel konnte sie schon jetzt die kopflose Statue nicht mehr sehen. Das monotone Geräusch war der erste Laut, den sie in Silent Hill bisher vernommen hatte, der nicht von Ronah, Robin oder ihr selbst ausgelöst wurde. Sie verlangsamte ihre Schritte und hob die Armbrust langsam an. Das Brummen kam definitiv von der rechten Seite der langen Straße, und je weiter Faith ging, desto lauter wurde es.
 

Sie spannte alle ihre Muskeln an, und bereitete sich innerlich auf einen baldigen Kampf vor. Das Geräusch kam ihr irgendwie bekannt vor, sie konnte es aber nicht zuordnen. Mit ihrer linken Hand griff sie nach dem Funkgerät, aktivierte es aber noch nicht. Mit einem Dämon konnte sie es ruhig aufnehmen, auch mit zwei und vielleicht drei... aber wenn es mehr waren, musste auch Faith Hilfe rufen.
 

Langsam schlich sie die neblige Straße entlang, als plötzlich vor ihr auf der Straße ein weißer Kleinlaster auftauchte. Er stand auf einem Parkplatz vor einem heruntergekommenen Restaurant und bewegte sich keinen Millimeter. Erleichtert stellte Faith fest, dass das Brummen aus dem Motorraum des Wagens kam und ihre Muskeln entspannten sich wieder. Anscheinend hatte der Fahrer nur vergessen, den Motor abzustellen.
 

In diesem Moment durchschnitt ein gellender Schrei den undurchsichtigen Nebel und Faith verlor den Boden unter ihren Füßen. Hart schlug sie mit dem Rücken und dem Kopf auf der feuchten, schmutzigen Straße auf. Nach einer kurzen Sekunde, in der sie ihre Gedanken wieder sammeln musste, machte sie eine schnellen Rolle zur Seite und war nach einem Sprung binnen Sekunden wieder auf den Beinen.

“Was zur Hölle!” schrie sie und ließ ihren Blick durch die dichte Nebeldecke schweifen. Rechts von ihr konnte sie gerade noch zwei schwarze Füße erblicken, die, kriechend, in dem dichten Nebel verschwanden. Faith lächelte grimmig, nahm ihre Armbrust wieder fest in die Hand und lief dem Wesen nach.
 

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Ronah lief in einem enormen Tempo die verschmutzte Straße entlang. Es war anscheinend eine Fußgängerzone, die auf beiden Seiten von Geschäften eingerahmt wurde. Die Innenräume, die durch die teilweise sehr verschmutzten Auslagen zu sehen waren, waren dunkel und menschenleer. Bis auf ein mitten auf der Straße liegendes Fahrrand und einem toten Hund hatte sie bisher noch nichts gefunden. Die Stadt war wie ausgestorben. Mit ihrer rechten Hand umklammerte sie fest die Axt, während sie mit der linken das Walkie-Talkie aus ihrer Tasche holte. Als die Straße plötzlich zu Ende war und sie vor einem hohen Müllberg zu stehen kam, holte sie kurz tief Luft, unterdrückte den Brechreiz, der durch den starken Gestank ausgelöst wurde, und aktivierte das Funkgerät. Kein Laut kam aus dem Gerät.
 

“Faith?” sprach Ronah in das Walkie-Talkie und ließ die Sprechtaste wieder los. Keine Antwort. Vergeblich fragte sie auch nach Wood oder Vi. Kein Geräusch kam aus dem Gerät
 

“Mist!” ärgerte sie sich, steckte das Funkgerät wieder ein und sah zu dem Abfallhaufen auf, der sich vor ihr hochtürmte. Bestialischer Gestank ging von ihm aus, aber Ronah konnte keine Fliegen entdeckten. Überhaupt schienen sich nicht nur Menschen von diesem toten Ort verzogen zu haben. Weder Spinnen noch andere Insekten krochen vor oder auf dem Müllberg herum.
 

In diesem Moment vernahm Ronah ein lautes Rauschen. Sofort drehte sie sich um. Nichts. Ronah konnte absolut nichts sehen. Sie griff unsicher nach dem Funkgerät und nahm es wieder aus ihrer Tasche. Das Rauschen wurde lauter. Sie richtete ihren Blick auf das Gerät und sah es sich genau an. Es war ausgeschaltet. Trotzdem kam das penetrante Geräusch aus dem Gerät. Ungläubig drehte sich Ronah wieder zu dem Müllberg um, als sich just in diesem Moment etwas darin bewegte. Ronah ließ vor Schreck das Funkgerät fallen, als sich ein undefinierbares Etwas aus dem Müllberg erhob. Die Plastikhülle des Walkie-Talkie brach leicht, aber das Rauschen wurde immer lauter. Ronah konnte ihren Augen nicht glauben. Vor ihren Augen stieg etwas aus dem Müllberg, das sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Das Monster hatte zwei lange Beine und einen Oberkörper. Es hatte zwar Schultern, aber Ronah konnte beileibe keine Arme entdeckten. Der Kopf hing leblos nach vorn. Das Ding hatte weder Haare, noch Ohren noch irgendwelche Gesichtszüge und der Körper des Monsters schimmerte in allen erdenklichen Brauntönen.
 

Ronah schnappte sich das zerbrochene, rauschende Funkgerät und steckte es ein, während sie langsam vor dem Monster zurückwich. Unbeschreibliche Angst kam in ihr auf. Trotz der vielen Kämpfe, die sie nun schon bestritten hatte, seit sie in Sunnydale zur Jägerin geworden war, hatte sie noch nie so ein furchterregendes Wesen gesehen, zumindest dachte sie es in diesem Moment. Das Ding, welches anscheinend auch völlig geschlechtslos war, hob den Kopf, warf ihn kurz nach hinten und ließ einen gellenden Schrei los, bevor es mit den nicht vorhandenen Augen Ronah fixierte und plötzlich in einem unglaublichen Tempo auf sie zuraste.
 

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Robin rannte die Straße entlang. Die Nebelschwaden zogen an ihm vorbei und die Kälte kroch ihm in die tiefsten Poren. Eine leichte Gänsehaut zeichnete sich auf seinem Körper ab. Seine Finger steigerten den Druck, den sie auf den Griff des Katanas ausübten. Unruhig ließ er seinen Blick durch die vorbeiziehenden Geschäfte, Wohnhäuser und Autos schweifen. Nichts. Er hatte weder eine Jägerin in Not noch sonst jemanden getroffen.
 

Robin bog um die nächste Ecke und blieb sofort stehen. In den Nebelschwaden vor ihm zeichnete sich ein Schatten ab. Leises Meeresrauschen drang an seine Ohren, während er das Katana anhob, und sich langsam dem Schatten näherte. Rechts von ihm befand sich eine Bar, über deren Eingang eine Neonleuchte die Worte ‚Heavens Night‘, höchstwahrscheinlich ihren Namen, in den Nebel schrieb. Der Schatten vor Robin bewegte sich langsam auf ihn zu. Bis auf seinen komischen, abgehackt wirkenden Gang, als würden der Person die Kniegelenke fehlen, war nichts Auffälliges an dem Schatten.
 

“Hallo?” schrie Wood laut durch den anscheinend immer dichter werdenden Nebel.

Er bekam keine Antwort. Die Person war nur noch zehn Schritte von Robin entfernt, als sich der Nebel ein wenig lichtete und er eine blaue Polizeiuniform ausmachen konnte. Robin senkte das Schwert, und beschleunigte seine Schritte wieder.
 

“Officer! Gut dass ich ...” doch er sprach den Satz nicht zu Ende. Drei Schritte vor ihm stand ein Ding, das vielleicht einmal ein Polizist gewesen sein konnte, aber jetzt definitiv keiner mehr war. Ein lautes Rauschen, ab und zu unterbrochen von einem unangenehmen Knacken, kam aus dem Funkgerät. Der Kopf des Wesens zuckte unruhig und hing schräg nach hinten. Die Gesichtszüge fehlten und die Hautfarbe war eine Mischung aus Brauntönen, die sich ständig zu verändern schien.
 

Robin stockte der Atem. Das Monster ließ einen lauten Schrei los, als es seine Anwesenheit bemerkte und riss den rechten Arm hoch. Die mit einem, früher höchstwahrscheinlich mal weiß gewesenem Handschuh bedeckte Hand, hielt eine Pistole, und drückte ohne einen weiteren Laut den Abzug durch. Nur im letzten Moment konnte Robin noch einen rettenden Sprung zur Seite machen, woraufhin er auf der feuchten Straße landete, und mit einem weiteren Sprung wieder aufrecht neben dem früheren Polizisten stand. Den kurzen Moment, in dem das träge Monster verwirrt mit nicht vorhandenen Augen nach Robin suchte, nutzte er aus, um dem Geschöpf mit einem kräftigen Schlag den rechten Arm abzutrennen.

Es schrie auf, als das scharfe Schwert seinen Arm durchtrennte und fiel mit einem schnellen Ruck zu Boden. Rotes Blut quoll aus der großen Wunde und ließ eine kleine Korona um den Körper des Monsters entstehen. Als es einen weiteren, gellenden Schrei ausstieß, holte Robin mit seinem Schwert aus, drehte es in der Hand um, umfasste es mit beiden Händen und stach noch ein weiteres Mal auf das zuckende Ding ein, bevor dieses nach einem finalen, gellenden Schrei den letzten Ruck machte, und dann starb.
 

Angeekelt zog Robin sein Schwert wieder aus dem leblosen Körper und sah sich suchend auf der Straße nach dem abgetrennten Arm um. Er hörte Glas zerspringen, als er endlich die Pistole fand und ruckartig aufhob, sich noch einmal kurz umsah und im Nebel zwei weitere Schatten erblickte, die steif in seine Richtung gingen. Laute Schreie durchschnitten den undurchsichtigen Nebel als Robin die Waffe hob und zweimal durch den Nebel auf die Schatten schoss, sich dann umdrehte und in Richtung Pier lief, während sich trotz der Kälte kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten.
 

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Faith eilte dem Wesen so schnell wie möglich hinterher.. Obwohl das Ding nur auf dem Boden kroch, war es schnell. Viel schneller, als sie es sich vorgestellt hätte. Es hinterließ eine kaum auffallende, aber trotzdem vorhandene, braune Schleimspur auf der Straße. Je näher sie dem Wesen kam, desto lauter wurde das Rauschen in ihrem Funkgerät.
 

Als Faith eine Kreuzung betrat, umhüllte sie der graue, feuchte Nebel wie ein zweiter Mantel. Ihr Blick war nicht mehr in der Lage, die dicke Nebelschicht mehr als einen halben Meter zu durchdringen. Sofort blieb sie stehen, holte kurz tief Luft, unterdrückte den Brechreiz, den die kalte, feuchte, übelriechende Luft in ihr hervorrief, und schloss ihre Augen. Jeder Muskel in ihrem Körper entspannte sich und ihre Sinne wurden stärker. Trotz geschlossener Augen spürte sie plötzlich ihre Umgebung, sah nun vor ihrem geistigen Auge mehr von der Kreuzung als mit offenen Augen.
 

Der ganze Vorgang dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Faith das glitschige Geräusch des Wesens in der rechten Seitenstraße vernahm, ihre Armbrust wieder anhob und langsam die Kluft zwischen den dreckigen, toten Häusern betrat.
 

Das Wesen befand sich noch immer nicht in ihrem Sichtfeld, aber sie wusste, dass es da war. Jede Faser ihres Körpers meldete Gefahr. Sie roch es, sie hörte es, aber sie sah es nicht. Der Nebel schien immer dichter zu werden. Mit ihrer freien Hand tastete sie nach dem Funkgerät und schaltete es aus. Das Rauschen hatte nicht aufgehört. Verärgert steckte sie es wieder ein und ging weiter langsam die Straße entlang, als sie in diesem Moment von dem Ding angesprungen wurde, das sich auf die Hauswand eines Gebäudes, das früher anscheinend einmal eine Wäscherei enthalten hatte, geheftet hatte und nun mit einem heftigen Sprung auf Faith zuflog.
 

Ohne eine weitere Sekunde abzuwarten, und ohne diesem widerlichen Ding auch nur die Chance auf einen weiteren Kontakt zu geben, drehte sich Faith nach links weg, sprang in die Luft, streckte den Arm aus, und nutzte den Schwung, den das Monster noch hatte, aus, um es von sich und wieder auf die Straße zu schleudern. Ein lauter Schrei durchschnitt die Nacht, als das glitschige Ding auf der Straße aufschlug.
 

Für einen Moment bewegte es sich keinen Millimeter. Faith zögerte keine Sekunde, zielte mit der Armbrust auf das Monster und schoss. Der Pfeil bohrte sich sofort durch eine Hand des Dings und blieb danach in der Straße stecken. Faith riss die Armbrust herum und schoss ein weiteres Mal, diesmal auf die andere Hand. Das Monster schrie und schlug mit den Füßen nach Faith. Doch Faiths Gespür sagte ihr, dass die Gefahr vorbei war. Sie entspannte sich wieder leicht und beobachtete kurz, wie sich das Ding vor Schmerzen wandte, bis sie mit dem Fuß ausholte und nach dem Kopf trat. Sofort erschlaffte der Körper des Dings und die Schreie verstummten.
 

Langsam trat sie näher an das Monster heran. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es keine Gesichtszüge hatte. Vorsichtig kniete sie sich vor das Monster und legte die Armbrust zur Seite. Lächerlich, dachte sie sich, so ein kleines Ding hatte gewagt sie anzugreifen. Sie hob ihre rechte Hand und berührte die Haut des undefinierbaren Etwas. Diese war mit einer schleimigen Substanz versehen und roch widerlich. Fasziniert starrte sie den Kopf des Dings an. Es hatte weder Augen, noch Nase, noch einen Mund und trotzdem hatte es vorher einen Schrei losgelassen, als hätte es mindestens zehn Mäuler.
 

In diesem Moment schoss der Kopf hoch und das Monster riss die Arme von der Straße, wobei mindestens die Hälfte der Hand am Pfeil hängen blieb und wieder ließ es einen Schrei los, der Faith durch Mark und Bein fuhr. Unter einem Reflex riss sie ihr Messer aus der Tasche und das Ding spießte sich in seiner Bewegung selbst auf. Panisch schlug sie mit den Füßen nach dem Monster und versuchte es von sich weg zu treten, als sich plötzlich zwei Beine um ihren Hals schlossen. Voller Ekel fasste Faith nach diesen und schleuderte ein zweites Monster über sich hinweg. Mit einem viel härteren Aufprall schlug es auf der feuchten Straße auf. Sie riss ihr Messer aus dem leblosen ersten Monster, griff nach ihrer Armbrust und sprang auf. Auch das Wesen, das sie gerade über sich geschleudert hatte, kämpfte sich wieder hoch.
 

Faith stockte der Atem. Das Ding hatte nicht nur kein Gesicht, es hatte überhaupt keinen Kopf. Es schien nur aus zwei Unterkörpern zu bestehen. Langsam und lautlos setzte es sich wieder in Bewegung und wackelte auf Faith zu, als diese, rundherum im Nebel, noch weitere Schatten ausmachte. Schatten ohne Oberkörper. Sie schoss dem Nächststehenden einen Pfeil in einen der Füße, und machte sich mit einem weiteren Tritt den Weg frei. Ohne weiter nachzudenken, lief sie an dem, sich schon wieder aufrappelnden Monster vorbei, in Richtung des Hauses, welches am Ende der Straße stand. Das Rauschen ihres Funkgerätes war mittlerweile unerträglich laut geworden. Schwitzend erreichte sie die große Eichenholztür des Gebäudes. Ohne einen weiteren Blick hinter sich zu werfen, riss sie die Tür auf, lief in den dahinterliegenden Raum und warf die schwere Tür wieder ins Schloss.
 

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Ronahs Blick haftete auf dem Monster, welches in unbeschreiblicher Geschwindigkeit auf sie zuraste. Ihr Puls verdoppelte sich. Sie spürte jeden Herzschlag in ihrem ganzen Körper. Viel zu langsam realisierte sie die Gefahr und viel zu spät setzte sie zu einem Sprung an. Das Ding rammte sie, und nutzte sein ganzes Gewicht aus, um sie gegen die Seitenwand eines Gebäudes zu schleudern. Putz bröckelte von dieser, als die Jägerin aufschlug und benommen zu Boden sank. Vor ihren Augen verschwamm die ohnehin schon durch den Nebel unkenntlich gewordene Umgebung. Sie spürte Blut, das aus einer kleinen Wunde an ihrem Kopf floss. Das Ding trat vor sie und stieß einen weiteren, gellenden Schrei aus. Suchend tastete sie mit der rechten Hand nach ihrer Axt. Ihr Herz raste, als das Geschöpf ihr mit einem kräftigen Ruck in den Magen trat. Ein schriller Schrei schoss aus ihrem Mund, als sie sich dem Schmerz beugte.

Ihre Finger berührtenetwas Hartes. Erleichtert schloss sie ihre Hand um den Griff der Axt, holte aus und ließ sie in den glitschigen Körper fahren. Ein weiterer Schrei durchschnitt den Nebel. Ronahs Blickfeld wurde wieder deutlicher.
 

Fest umklammerte sie ihre Waffe, als sie ein weiteres Mal ausholte und dem Monster ein Bein abhackte. Schreiend fiel dieses auf die feuchte Straße.

Langsam, keuchend stemmte sie sich von der unbequemen Straße hoch. Ein Gemisch aus Blut und Schweiß lief über ihr Gesicht. Sie strich sich ihre Haare aus der Stirn, während sie hektisch nach Luft jappste. Das Ding wandte sich vor ihr auf der Straße. Schmerzverzerrte Laute drangen durch die kalte Luft. Ronah trat zu dem Monster.
 

“Na.. das war wohl nix, du billiger Blob-Verschnitt!” schrie sie wutentbrannt, holte mit ihrem Fuß aus und kickte dem Monster den Kopf von den Schultern. Laut klatschte er gegen die gegenüberliegende Hauswand. Sie sah den Blutfleck an, lächelte kurz und entdeckte dann etwas, das vor fünfzehn Minuten definitiv noch nicht dort gewesen war. Langsam trat sie auf die Hauswand zu. Buchstaben waren zu sehen. Rot stand ein einziges Wort auf dem Gebäude.
 

“Schule? Was soll das denn bedeuten?” flüsterte sie.
 

In diesem Moment krachte eine Tür hinter ihr. Ronah fuhr erschrocken herum.

“Ach du Scheiße!” murmelte Ronah, als sie die Monster sah, die durch den Ausgang eines Spielzeugladens quollen. Kurz durchdachte sie alle Möglichkeiten, entschied sich dann für die ihrer Meinung nach klügste, sah sich kurz um und lief die Straße wieder zurück, von der sie gekommen war.
 

Mit der Axt, die sie fest umklammerte, und dem rauschenden Funkgerät, lief sie die Straße entlang. Wo kamen auf einmal die ganzen Monster her? Im Nebel vor ihr erkannte sie Schatten, die sich in ihre Richtung bewegten. Hastig suchte sie die Straße nach einem Fluchtweg ab, als sie im Vorbeilaufen ein offenes Gittertor erblickte. Sofort blieb sie stehen, holte tief Luft, versuchte den kurzen Schwindelanfall zu überbrücken und fasste sich mit einer leicht zitternden Hand auf den Hinterkopf. Die Wunde blutete nicht mehr, und das schon getrocknete Blut hatte ihre Haare verklebt.
 

In diesem Moment peitschte ein Schuss durch die Nacht und schlug direkt neben Ronah in die Hauswand ein. Geschockt richtete sie ihren Blick in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war und erblickte zu ihrem Schrecken, einen Polizisten, oder zumindest etwas, das einem Polizisten ähnelte. Langsam wackelte das schießwütige Etwas auf Ronah zu und ließ einen weiteren Schuss aus seiner Pistole peitschen, der Ronah dieses Mal nur um Millimeter verfehlte und einen Riss am rechten Oberarm ihres Oberteils hinterließ.
 

Ronah schrie kurz auf, wartete aber keine Sekunde länger und hetzte auf das eiserne Gittertor zu. Ein weiterer Schuss peitschte durch den Nebel und die Kugel schlug in den Asphaltboden vor ihr ein. Ronah machte eine Rolle nach vorne, schlüpfte damit durch den kleinen Spalt, der zwischen den beiden Flügeln des Tores offen war, griff sofort nach dem offen stehenden Flügel und warf es zu. Sie nahm sich aber nicht die Zeit zu kontrollieren, ob das Schloss eingerastet war, sondern hastete den Kiesweg, der sich zwischen zwei Grünflächen einem Gebäude näherte.
 

‘High School Silent Hill‘ prangerte über dem großen Eingangstor. Eine weitere Kugel schlug neben Ronah in den Erdboden neben dem Weg ein, als sie stolpernd nach dem Türgriff fasste und diese mit einem Ruck öffnete. Stickige Luft und Dunkelheit schlugen ihr entgegen, als sie die schwere Tür hinter sich wieder ins Schloss warf und hastig nach der Taschenlampe griff.
 

Ein dumpfes Pochen informierte Ronah darüber, dass der ‘Polizist‘ noch immer auf die geschlossene Tür schoss. Suchend ließ sie den hellen Strahl ihrer Taschenlampe durch die tiefschwarze Dunkelheit gleiten. Neben einer endlosen Reihe von grauen Spints entdeckte sie einen alten Holzsessel, hastete auf diesen zu, riss ihn vom Boden und klemmte ihn unter die Türklinge. Der Eingang war jetzt zumindest verriegelt.
 

Langsam wendete sie ihren Blick von der sperrigen Tür ab und ließ ihn durch den langen Gang schweifen. Das Rauschen des Funkgerätes hatte aufgehört und nur Ronahs schneller Atem war in dem dunkeln Gang zu hören. “Also, hier bin ich!” schrie sie, erwartete aber keine Reaktion. Was sollte schon passieren? Erwartete sie etwa, dass die Lampen angingen, einige Luftballons zerplatzen und ungefähr 50 Leute mit Sekt in der Hand vor ihr standen und “Happy Birthday” schrieen? Nein, das war Schwachsinn. Nur ein Echo hallte durch den Gang.
 

Als sie einige Schritte in den Gang machte, hörte sie plötzlich ein ungewöhnliches Geräusch. Es war leise und konstant, aber es war definitiv nicht zu überhören. Schnell beschleunigte sie ihre Schritte und ihre Sinne stärkten sich wieder. Das Geräusch wurde lauter. Am Ende des Ganges war eine Tür offen und ein leichter Lichtschein trat aus dem Spalt in den dunklen Gang. Sie dachte nicht länger nach, stärkte den Griff um ihre Axt und rannte auf die Tür zu. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und presste sich mit dem Rücken gegen die eiskalte Spintreihe. Was sie hörte, war ein Lachen und es kam definitiv aus diesem Raum.Vorsichtig spähte sie um die Ecke in den Raum, der durch das flackernde Licht einer Kerze noch viel unheimlicher wirkte als der Gang, in dem sie sich befand. Ein Junge saß am Lehrertisch und vier Spielfiguren standen vor ihm. Lachend schob er diese von dem einen Ende des Tisches bis ans andere, und wieder zurück.
 

Ronah konnte ihren Augen nicht glauben. Wie konnte ein kleiner Junge, der höchstens zehn Jahre alt war, an einem Ort wie diesem überleben? Langsam betrat sie den Raum und ließ dabei den Griff ihrer Axt in eine ihrer hinteren Taschen gleiten.
 

Der Raum war bis auf den Lichtkegel der Kerze, die sich vor dem Jungen auf dem Tisch befand, in Dunkelheit getaucht. Die Fenster waren mit Holzlatten vernagelt und verhinderten somit jeden Blick nach draußen. Ein hässlicher grüner Plastikbelag bedeckte den Boden, und im ganzen Raum waren kleine Holzsessel verteilt, an denen an der rechten Seite auch die Tische dazu angebracht waren. Das Holz wirkte alt und modrig, aber die Schnitzereien, wie ‘Scheißdreck‘ oder ‘F*** Off‘ verliehen ihnen doch etwas Leben.
 

Unter den Fensterbänken zog sich durch den ganzen Raum ein Sideboard, welches an einigen Stellen Kratzspuren und Blutspritzer aufwies.
 

Überrascht sah der Junge auf. Unheimliches Wissen spiegelte sich in seinen tiefen, schwarzen Augen wieder. Irgendwie erinnerte er sie an jemanden aus ihrer Vergangenheit. Ronah schüttelte die Gedanken ab, trat einen weiteren Schritt auf den Lehrertisch zu und lächelte den Jungen freundlich an.
 

Dieser ließ von den Spielfiguren ab und blickte Ronah fragend an.

“Mein Name ist Dave,” sagte er lächelnd, doch sofort änderte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht. “Es war keine gute Idee, hier her zu kommen!” fügte er plötzlich hinzu. Tiefe Weisheit, die ein Kind in diesem Alter gar nicht haben konnte, spiegelte sich in seiner Stimme wieder.
 

“Was? Hier, in die Schule, meinst du?” fragte Ronah verwirrt. “Es ist ja nicht so als ob ich freiwill..” doch sie konnte ihren Satz nicht beenden. Der Junge sprang von seinem Sessel auf und schleuderte diesen somit zu Boden. Das laute Geräusch des Aufpralls hallte durch die gesamte Schule.
 

“Nein, du verstehst nicht! Du musst verschwinden! Sofort!” Dave fegte die Spielfiguren vom Tisch. “Es ist viel zu gefährlich hier.”

Ronah starrte ihn verwirrt an. Da stand ein 10-jähriger vor ihr, der ihr, einer Jägerin sagte, dass sie verschwinden solle, weil es für sie zu gefährlich sei. Das war doch lächerlich.
 

“Dave.. schau mal. Ich kann mich wehren, ich kenn mich mit solchen Sachen aus!” antwortete Ronah und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu.

“Red keinen Mist, Jägerin!” schrie Dave plötzlich und lief an Ronah vorbei auf den Ausgang zu. “Du verstehst überhaupt nichts! Es geht hier nicht um dich! Es ist nie um dich gegangen. Du solltest verschwinden. So schnell wie möglich.”

Ronah drehte sich abrupt um und sah Dave nach.
 

“Warte!” schrie sie. “Was weißt du, das ich nicht weiß? Dave, bitte, hilf mir. Was ist hier los?” Der Junge hielt vor der Tür inne und drehte sich langsam um.

“Dir ist wohl nicht zu helfen!” er lächelte sie nun wieder freundlich an. “Geh ins Polizeirevier. Dort ist ein sehr wichtiger Hinweis versteckt, aber beeil dich, ihr habt nicht mehr viel Zeit!” Mit diesen Worten nickte er ihr zum Abschied zu und rannte dann in den dunklen Gang.
 

“Warte, da draußen sind Monster!” schrie sie und lief zur Tür des Klassenzimmers. Daves Schritte waren nicht mehr zu hören und zu sehen war er schon gar nicht mehr. Verwundert schüttelte Ronah den Kopf. Was war das nur für ein Junge gewesen? Wieso sagte er ihr nicht, was er wusste? Was wusste er eigentlich? Und wieso konnte er hier überleben? Ronah holte verwundert die Karte von Silent Hill aus der Tasche, machte sich einige Notizen beim Schulgebäude, suchte das Polizeirevier, das nur wenige Straßen weiter lag, packte die Karte wieder ein und machte sich auf den Weg durch den Hinterausgang.
 

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Faith löste sich von der schweren Tür und drehte sich langsam um.

Entgegen ihren Erwartungen, in einem dunklen, feuchten und engem Raum zu stehen, erstreckte sich ein weitläufiger Gang, der von Notleuchten, die im Abstand von ca. zehn Metern an der Decke des Betontunnels angebracht waren, in ein grünes, steriles Licht getaucht wurde.
 

Einige Schritte von ihr entfernt befand sich ein kleiner Glasraum und eine Gittertür, die ihren Teil vom Rest des Ganges abtrennten. Sofort schossen Faith Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit durch den Kopf. Sie selbst war schon einmal an so einem Ort gewesen, wo nur der Abschaum der Welt verfrachtet und begraben wurde. Sie selbst hatte sich in ein Gefängnis begeben, nachdem ihr Angel dazu geraten hatte. Sie selbst hatte drei Jahre in einem solchen Gebäude verbracht, bis Wesley sie geholt hatte, um die Welt oder zumindest Angel zu retten.

Faith schluckte laut und umfasste ihre Waffe fester. Sie hatte keine Wahl, sie musste sich einen anderen Ausweg suchen, denn den Ausweg durch den Hauptausgang konnte sie definitiv vergessen. Als sie sich dem Glashäuschen näherte, in dem normalerweise das Sicherheitspersonal hinter dem Panzerglas gemütlich seinen Kaffee trank, wurde das Rauschen ihres Funkgerätes endlich leiser. Was war das bloß? Wieso funktionierten die Dinger eigentlich nicht? Und wieso rauschten sie nur, wenn Monster in der Nähe waren?
 

Ohne weitere Probleme trat Faith die Gittertür auf, die davor schon mehr schlecht als recht geschlossen worden war. Mit einem lauten Krach versagten die Angeln ihren Dienst und die Tür kam mit einem lauten Knall am Boden auf. Faith trat mit einem mulmigen Gefühl durch die nun entstandene Öffnung.

Der Gang schien endlos lang zu sein und Kondenswasser bildete einen leichten Strom an der Decke, bis es sich an einigen Stellen zu Tropfen sammelte und zu Boden fiel. Faith sah sich noch kurz um, erblickte einen Gebäudeplan, der in dem ungewöhnlicherweise nicht verschlossenem Sicherheitshäuschen war, packte ihn ein und beschleunigte dann ihre Schritte.
 

Dumpfe Geräusche erfüllten den kalten Gang, doch sie konnte deren Herkunft nicht feststellen. Sie musste die Türen, die in regelmäßigen Abständen die monotone Betonwand unterbrachen, nicht anfassen um zu wissen, dass sie verschlossen waren. Viel zu sehr erinnerte sie das Szenario an einen Traum, den sie im Gefängnis gehabt hatte, kurz bevor Wesley sie um Hilfe gebeten hatte.

Nach einer abrupten Neigung des Ganges und einer Treppe, die einige Stockwerke in die Tiefe führte, stand sie am Ende des Ganges und eine weitere Eisentür versperrte ihren Weg. Doch etwas unterschied diese Tür von anderen, an denen sie schon vorbeigelaufen war . Faith trat einen Schritt näher an die Tür, kramte die Taschenlampe hervor und richtete den Lichtstrahl direkt auf die Metallfläche. Ein fragender Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit.
 

“Vergangenheit. Ist sie nicht eine verrückte Sache? Immer wieder holt sie dich ein und du kannst absolut nichts dagegen machen. Doch wird sie dir helfen oder wird sie dich zu Grunde richten?”
 

Faith konnte ihren Augen noch immer nicht glauben. Jemand oder etwas hatte das mit einem spitzen Gegenstand in die Tür geritzt. Langsam hob Faith ihre Hand und berührte das erste Wort, als plötzlich Blut aus jedem einzelnen Buchstaben tropfte. Zuerst langsam, dann in Strömen. Faith schrie leise auf, und ging einige Schritte von der Tür zurück. Der Gang begann kurz zu beben, als sich die Tür in einem Strom von Blut auflöste.
 

Das Blut strömte auf dem kleinen Platz, der sich von der ersten Stufe bis zur Wand befand, auseinander. Laut schwappte es gegen die alte Wand. Faith stand plötzlich in mitten eines kleinen Blutsees. Angewidert hob sie die Taschenlampe und richtete den Lichtstrahl durch die Öffnung, die vor nur einer Minute noch von einer Tür blockiert worden war.
 

Abgestandene Luft strömte aus dem Raum, als wäre er seit Jahrzehnten verschlossen gewesen. Wie ein ausgehungertes Wesen verschlang die Öffnung den Lichtstrahl der Lampe, als Faith langsam auf die Türöffnung zutrat.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass jeder Laut in dem Gebäude verstummt war. Totenstille hüllte sie ein, als sie durch Blut watete.
 

Langsam trat sie durch den Türstock und leuchtete die Umgebung mit ihrer Lampe aus. Wieso ging hier eigentlich der Notstrom nicht, wie oben? Der Gestank des Blutes, das anscheinend den gesamten Boden des Raumes ausfüllte, war fast nicht zu ertragen. Hastig überlegte sie, steckte dann die Lampe kurz ein, riss sich ein Stück eines ihrer Ärmel herunter, nahm die Lampe wieder zur Hand und hielt sich mit der anderen das Stoffstück vor Mund und Nase. Der Raum schien riesig zu sein und er war voller Gefängniszellen, die allerdings nur aus Gitterstäben bestanden. So gut wie jede Zelle war leer, die, die es nicht waren, beinhalteten Leichen, bei deren Anblick sich dem härtesten "Freitag der 13."- Fan der Magen umdrehte.
 

Noch immer war kein Mucks in dem Gebäude zu hören, als Faith am Ende des ersten Zellentraktes angekommen war. Durch eine Verbindungstür, betrat sie den zweiten. Sie ließ den Lichtstrahl über den Boden gleiten und sah sich die ekelerregende Menge Blut an, als plötzlich ein gellender Schrei durch den Trakt hallte.

Faith ließ sofort ihren Blick durch den Zellentrakt schweifen woraufhin sie am anderen Ende der großen Halle eine beleuchtete Zelle erblickte. Ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren, hastete Faith an den übrigen leeren Zellen vorbei, während das Rauschen ihres Funkgerätes wieder einsetzte. Als sie 20 Meter von der beleuchteten Zelle entfern war, blieb sie abrupt stehen.
 

Im Inneren der Zelle saß eine junge Frau, deren hellblondes Haar sich um ihre Schultern schmiegte. Sie trug ein dunkelgraues Kleid, welches aber durch rote Blutflecken sehr an Eleganz verloren hatte. Sie schrie sich ihre Seele aus dem Leib und Sekunden später erblickte Faith den Grund dafür. Ein Dämon versperrte Faith den Weg zu der Zelle, ein ekelerregender, wurmartiger Dämon.

Faith ließ ihren Blick noch einmal kurz zu der Gefangenen schweifen, bevor der Dämon in ihre Richtung schoss und dabei das Blut in alle Richtungen spritzte. Sie griff nach dem Messer und fixierte das wurmartige Ding mit einem konzentrierten Blick. Als das Ding nurmehr einen halben Meter von ihr entfernt war, griff sie blitzschnell nach einer Zellenstange der rechten Zelle, stieß sich mit ihren Füßen kräftig von dem mit Blut bedeckten Boden ab und zog sich schnell nach oben. Als der Wurm unter ihr weiterrutschte, ließ Faith die Stange in Sekundenschnelle los und landete mit gespreizten Beinen auf dem Ding. Sofort drohte sie, von der glitschigen Haut abzurutschen, doch sie holte mit ihrem Messer aus und trieb es dem Ding in den Körper. Ein lauter, von Schmerzen gezeichneter Schrei hallte durch den Raum, als Faith ein weiteres Mal ausholte und dem Wurm den ganzen Rücken aufschlitzte. Nach wenigen Metern blieb das Wesen ruhig liegen.
 

Schnaufend drehte sich Faith um und lief zu der Zelle der Frau.

“Hi, mein Name ist Faith!” sagte sie, tief Luft holend und lächelnd, als sie bei der Zellentür angekommen war. Erstaunt starrte die Frau sie an. Faith fummelte kurz am Schloss der Gittertür herum, zuckte dann unbeholfen mit den Schultern, trat einen Schritt zurück und kickte die Tür mit einem kräftigen Ruck aus den Angeln.
 

“Hi!” sagte sie ein weiteres Mal, als sie auf die Frau zutrat und ihr eine Hand entgegen streckte.
 

“Äh.. hi.. ähh.. achso.. Eve.. hallo.” Mit einem ungläubigen Ausdruck in den Augen ergriff sie Faiths Hand und zog sich von der Pritsche auf, auf der sie gesessen hatte.
 

“Danke.. vielen Dank! Aber.. wie.. äh—wie hast du das geschafft?!”
 

“Ist ne lange Story, dafür haben wir jetzt keine Zeit. Schauen wir, dass wir unsere hübschen Ärsche hier raus bekommen!” Faith umfasste die Hand von Eve fester und zog sie hinter sich her wie einen kleinen Hund, bis sie den Zellentrakt verlassen hatten und vor einer weiteren Treppe standen. Faith blieb abrupt stehen und drehte sich zu Eve um.
 

“Also.. hier sind ne Menge Monster unterwegs. Du bleibst besser hinter mir. Deine Jägerinnenkräfte sollten dir allerdings helfen mit den kleineren fertig zu werden.”
 

“Was?” Verwirrt starrte Eve sie an.
 

“Na, deine Kräfte.. Moment!” Faith sah sich kurz um, trat in den Zellentrakt zurück, erfasste die Gitterstäbe und verbog sie ein bisschen. Ein befriedigendes Grinsen machte sich auf Faiths Gesicht breit, während sie Eve noch immer erstaunt anstarrte.
 

“Ich glaube, du verwechselst mich!” sagte Eve, und nickte dann in die Richtung der Treppe. “Aber das ist erstmal egal. Nichts wie raus hier! Und danke noch mal!” Faith nickte Eve zu, richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Treppe und gemeinsam liefen sie nach oben.
 

Als sie bei einer weiteren Stahltür angekommen waren, holte Faith kräftig aus und schlug die Tür auf. Frische, kühle Luft schlug ihnen entgegen, als die beiden jungen Frauen aus einer Hintertür des Gebäudes traten. Vor ihnen erstreckte sich ein weiter Platz, auf dessen rechter Seite sich ein Dom befand. Der Nebel schien hier nicht mehr so dicht wie vorher und dumpfer Lichtschein erstrahlte hinter den farbigen Fenstern des Gotteshauses.
 

“Faith .. !” flüsterte Eve, drehte sich zu ihr, hob eine Hand und fuhr ihr langsam durchs Haar. Faith zuckte zusammen, und Eve zog die Hand sofort zurück.

“Vielen Dank, dass du mir da raus geholfen hast, aber ich bin nicht die Jägerin, nach der du suchst.”
 

“Nein? Okay, damit kann ich leben. Ich muss aber weiter, die Kleine braucht..”
 

“Nein Faith, warte hier bitte kurz auf mich.” Eve strich sich ihr blondes Haar aus dem Gesicht. “Ich muss etwas erledigen. Danach kann ich dir helfen, denk ich!” Eve nickte kurz, drehte sich um und lief in den dunklen Nebel hinein.

“Warte, ich komme mit!” schrie Faith, doch Eve war bereits verschwunden. Verwundert drehte Faith sich kurz im Kreis, zuckte mit den Schultern und ging auf die Kirche zu.
 

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Langsam schlich Robin den alten Pier entlang. Die Monster waren, je näher er dem Wasser gekommen war, immer weniger geworden und das Rauschen des Funkgerätes, das definitiv etwas mit den Monstern zu tun hatte, wie sich Robin dachte, war immer mehr verschwunden. Trotz der angenehmen Ruhe oder gerade deswegen, hielt er die Waffe schussbereit in seiner rechten Hand. Die Nebelschwaden waren hier noch dichter als in der Stadt und sogar das Geländer neben ihm konnte er nur in Umrissen ausmachen. Das Rauschen des Sees wirkte beruhigend und gerade deswegen so unpassend für einen Ort des Horrors wie Silent Hill.
 

In diesem Moment bewegte sich ein Schatten vor ihm durch den Nebel. “Sofort stehen bleiben!” schrie Robin, als sich der Nebel lichtete und den Blick auf eine junge, schwarze Frau freigab. Robin stockte der Atem, als ihn die dunklen Augen fröhlich anstrahlten. Die Augen seiner Mutter.
 

“Mo.. Mom?” stotterte Robin und ließ die Waffe sinken.
 

“Das denk ich nicht!” sagte die Frau lächelnd. “Aber mein Name ist Nicole, und ich bin heilfroh, endlich jemand Lebenden hier zu treffen!”
 

++++
 

Cleveland.

Neues Ratsgebäude

Giles stellte den letzten Koffer vor der Hintertüre des Ratsgebäudes ab. “So, wie schon erwähnt.. unsere Zweigstelle und eine Etage höher wohnen wir.” Er schloss die Türe auf. “Ich hätte Xander anrufen sollen,” meinte er schließlich mit gewisser Ironie, als er auf den Berg Koffer und Taschen blickte. “Du hast sicher dafür extra bezahlt.”
 

“Frag nicht,” Lily ging an ihm vorbei.
 

Giles unterdrückte ein Grinsen, als er ihr folgte. “Die Treppe hoch,” wies er ihr die Richtung. “Sobald wir alles oben haben und du dich etwas frisch gemacht hast, rufe ich die anderen an und...”, Giles blieb wie vom Blitz getroffen auf der letzten Stufe stehen, als sein Blick auf das Chaos im Wohnraum fiel. “Du meine Güte... was ist denn hier passiert?”
 

Lily, die bereits den Wohnraum betreten hatte, lächelte breit. “Du meinst.. hier ist es normalerweise ordentlicher? Also hast du dich doch noch geändert...”, murmelte sie.
 

“Aber natürlich,” er zog mahnend die Augenbrauen in die Höhe und wollte jetzt nicht an die Zeit denken, auf die Lily gerade angespielt hatte. Er blickte zurück auf das Popcorn auf dem Boden, die wild verstreuten Pizzaschachteln auf dem Couchtisch, die Decken, welche achtlos auf dem Boden lagen und zwei große Füße, die ihnen vom Sofa entgegen ragten. Der Fernseher lief noch oder schon wieder - da wollte sich Giles nicht unbedingt festlegen. Langsam begann es in Giles unangenehm zu brodeln und zwar mit jedem Schritt, den er weiter in seine Wohnung setzte und damit erst das Ausmaß des Chaos begriff. “Nicht zu fassen,” murmelte er. “Da ist man eine Woche weg und die Wohnung ist ein Schweinestall,” er schüttelte den Kopf und ließ die beiden Koffer laut auf die Holzdielen krachen.
 

Xander fuhr hoch, blickte wild um sich und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. “Eindringlinge.. Monster... Giles..! Oh... ohoh... eh hi,” er lächelte verlegen und als er die Begleitung von Giles sah, sprang er auf, versuchte mit der Decke seine nur mit einer Boxershorts bekleidete Hüfte zu umwickeln und grinste noch eine Spur verlegener. “Meine Güte haben Sie mich jetzt erschreckt.”

“Das war in der Tat meine Absicht.”
 

“Tja also..,” Xanders Blick schweifte verlegen umher. Sie hätten gestern Nacht noch aufräumen sollen. Nicht erst heute irgendwann, wo sie doch wussten, dass Giles an diesem Tag nach Hause kommen würde... und zwar mit Besuch. “Wie es aussieht haben wir etwas...”
 

“Wo sind Buffy und Dawn?” Schnitt ihm Giles scharf das Wort ab und sein Tonfall war von jener Art, der umgehend eine ehrliche Antwort verlangte.

“In ihren Zimmern natürlich. Soll ich so lange...”, Xander deutet um sich.

“Aufräumen?” Giles Tonfall blieb ungemütlich und Xander zuckte zusammen. “Ja und zwar auf der Stelle.”
 

“Eh... okay,” sagte Xander kleinlaut und bückte sich nach seiner Hose, während Giles aufgebracht im Flur verschwand.
 

Xander hielt sich noch immer mit einer Hand das Laken fest und hob die Jeans in die Höhe. “Eh.. ich bin übrigens Xander. Und ich sollte mich wohl ... anziehen?”

Lily nickte und stellte sich dann verlegen, wegen der gerade gebotenen Szene, vor. “Usher, Lily Usher,” und weil sie nicht wusste, wie sie sonst reagieren sollte, streckte sie Xander ihre Hand entgegen. “Lily reicht.”

Er dachte nicht lange darüber nach, sondern ergriff sie und ließ dabei das Laken los. Lily grinste unterdrückt, als ihr Blick auf eine bunte Shorts mit Scooby Doo Motiven fiel, aber sah wohlerzogen zur Seite, bis Xander begriff und sich schnell wieder bückte. Eigentlich lächerlich, dachte er bei sich. Es war ja nicht so, dass er völlig nackt war.
 

“Okay... wenn Sie etwas trinken wollen... in der Küche finden Sie sicher im Kühlschrank etwas,” falls wir noch etwas übrig gelassen haben, dachte Xander weiter und zog sich ein Stockwerk tiefer zurück. Ins Bad wollte er nicht... Giles stand noch auf dem Flur und klopfte gerade energisch an Buffys Türe. Er hätte sich an dem erbosten Briten vorbeischieben müssen. Etwas auf das er im Moment gerne verzichtete.
 

Lily sah Xander noch einen Moment hinterher. Das war also der ‚normale‘ Junge, der der Jägerin tapfer zur Seite stand, sogar sein eines Augenlicht eingebüsst hatte und trotzdem weiter machte. Respekt – war eines, das sie mit ihm in Verbindung brachte. Dummheit und naive Treue die beiden anderen Attribute. Unbewusst schüttelte sie den Kopf und nahm auf dem Sofa Platz. Sie blickte in den Flur zu Giles, wie er da stand, mit krauser Stirn, eng zusammen gezogenen Augenbrauenund erneut gegen die Türe hämmerte. Sie hielt sein Verhalten für übertrieben. Die Wohnung sah schlimm aus, ja – aber früher hatten sie ganz andere Parties gefeiert. Danach hatten ihre Wohnungen bei weitem schlimmer ausgesehen, als diese fast schon gepflegte Unordnung. Offensichtlich erstreckten sich seine Eigenschaften als Wächter, die unter anderem Ordnungsliebe, Pedantisch, und Sturheit umfassten, inzwischen auch auf sein Privatleben. Lily wurde bewusst, wie lange sie wirklich keinen Kontakt mehr gehabt hatten.
 

Als sich bei Buffy nichts regte, und Giles zu viel Skrupel hatte, um bei einfach in ihr Zimmer zu platzen, klopfte er an Dawns Türe. Ihm war noch sehr gut die peinliche Situation mit der Dusche in Erinnerung und auch Buffys Worte über ihre Privatsphäre, die sie schon alleine wegen der Unterbringung in seinem Büro als verletzt betrachtete. Daher hielt er sich bei seiner einstigen Jägerin gerne etwas zurück.
 

Doch auch bei Dawn regte sich nichts und er klopfte ein zweites Mal an. Lily schüttelte erneut amüsiert den Kopf.
 

“Jetzt mach doch keine Mücke zum Elefanten.” riet sie ihm und erntete dafür einen recht genervten Blick, der deutlich sagte: “Lass das mein Problem sein!”

“Dawn?” Als ein verschlafenes “Ja?” hinter der Türe erklang, riss Giles diese auf und erstarrte augenblicklich auf der Türschwelle, als er Dawn eng umschlungen mit Andrew auf ihrem Bett vorfand. Als wollte er seinen Augen nicht trauen, griff er nach seiner Brille und suchte hastig nach seinem Taschentuch in der Hosentasche.
 

Giles‘ Sprachlosigkeit ausnutzend, befreite sich Dawn aus Andrews Umarmung, der im Schlaf murmelte, sich aber nicht regte. “Giles?” Dawn blinzelte ihm verschlafen entgegen. Meine Güte, dass war tatsächlich... Giles! Und die Wohnung sah aus wie ein.. wie ein Schlachtfeld. Schlachtfeld war gut, überschlugen sich Dawns Gedanken. Vielleicht konnten sie ihm weis machen, dass ein Partydämon oder ähnliches in die Wohnung eingedrungen war und alles auf den Kopf gestellt hatte, bevor es ihnen bei einem Kampf auf Leben und Tod gelungen war, den Dämon zu töten.
 

Giles rieb noch immer fleißig an seiner Brille und wusste nicht, ob er Dawn wegen der Unordnung anschnauzen sollte, oder weil Andrew in ihrem Bett lag. Vielleicht sollte er Andrew einfach packen und nach draußen befördern oder nach einer Begründung fragen?
 

“Okay,” sagte Dawn etwas atemlos, weil sie versuchte, ihre Panik zu unterdrücken. “Das sieht alles anders aus, als es ist. Wirklich, Giles.” Sie sprang aus dem Bett, als wollte sie Giles demonstrieren, dass sie beide ihre Kleider anhatten. “Wir haben nur geredet und sind eingeschlafen. Und das da draußen, das war.. eh ein.... eh..”
 

“Sag jetzt nicht Dämon?” murmelte Gilesund setzte wieder seine Brille auf.

“Was zur Hölle ist... Giles?” Buffy tauchte hinter ihm in ihrem himmelblauen Pyjama mit Hasenmotiven auf und staunte überrascht. Giles trat zur Seite, während er Buffy mit einem Blick bedachte, der sowohl Verärgerung ausdrückte, als auch ein “Sieh selbst”.
 

Buffys Blick fiel auf Dawns Bett, auf Andrew, dann auf Dawn, dann zurück zu Andrew. “Ihr habt nicht wirklich, oder?” Entsetzt sah sie ihre Schwester an, dann Giles. “Giles.. sagen Sie was!”
 

“Buffy.. um Himmels willen... Andrew und ich haben gestern Nacht nur geredet. Und dann sind wir eingeschlafen. Mehr nicht.” Sie hatte dabei ein zwei Schritte zur Seite gemacht, um ihr Bett wieder zu erreichen und stieß Andrew an. Rückendeckung wäre jetzt nicht schlecht. Andrew murmelte erneut und rollte sich auf die andere Seite. Fantastisch! Dawn verdrehte die Augen.
 

“Mich würde vor allem interessieren, wieso .. wieso,” Giles machte eine hilflose Geste quer durch das Zimmer, zum Flur und schloss damit sowohl die Unordnung draußen, als auch die “Entdeckung” im Zimmer ein.
 

“Das war Dawns Idee,” zuckte Buffy unschuldig mit den Schultern und ließ offen, was genau sie damit meinte.
 

“Das ist nicht wahr,” verteidigte sich Dawn sofort, die unter Giles Blick schrumpfte. “Na ja, ich hab die anderen nicht ‚Nein‘ sagen gehört, als ich den Vorschlag mit dem Videoabend gemacht habe.” Giles Blick wandte sich genauso erbost Buffy zu, die abwehrend die Hände hob. Letztendlich seufzte Giles, verdrehte die Augen und wollte gehen. Das war jetzt doch alles ein wenig zu viel auf einmal. Er hatte eine anstrengende Woche hinter sich und alles was er gewollt hatte, war, nach Hause zu kommen, seine Ruhe zu haben, Lily eine schöne Wohnung zu bieten, und sie allen vorzustellen. Was ihm ganz bestimmt nicht vorgeschwebt hatte, war dieses Chaos.
 

“Jetzt siehst du was du angerichtet hast.”
 

“Wieso ich?” beschwerte sich Buffy. “Bin ich mit einem Jungen im Bett erwischt worden?”
 

“Wir haben doch gar nichts gemacht,” Dawn stieß Andrew grober an. “Andrew.. wach auf, verdammt. Und du hättest mich ruhig unterstützen können. Das meinte ich mit angerichtet.”
 

Buffy verschränkte die Arme vor der Brust. “Also ich kann mich gut daran erinnern, dass ich zu bedenken gab, dass wir aufräumen sollten, bevor Giles eintrifft.”
 

“Was für eine Hilfe,” seufzte Dawn und sah aus den Augenwinkeln, dass Andrew endlich zu sich kam. “Ich musste mich schließlich um Andrew kümmern,” gab Dawn etwas zögernd zu, als ihr bewusst wurde, dass sie das sogar gerne getan hatte. Sie hatten ein sehr schönes Gespräch geführt und vielleicht, so glaubte Dawn im Moment, war er der einzige der sie verstand und umgekehrt.

“Ich glaube, ich sollte mit dir einmal über Jungs reden. Sie sind nicht ungefährlich.”
 

“Ich weiß, sie können sich in Vampire verwandeln, oder sich nur in dich verlieben, weil sie sich ein spannendes Abenteuer an deiner Seite versprechen. Oder gehören einer geheimen Organisation an, die dich umbringen möchte...”

“Sehr witzig. Mach dir lieber Sorgen darüber, wie wir Giles wieder beruhigen.”

“Uahhhh...,“ Andrew streckte sich, als er sich aufsetzte und die Augen rieb. “Morgen. Habe ich etwas verpasst?”
 

“Ich bin gleich wieder bei dir,” wandte sich Giles kurz auf dem Weg in sein Schlafzimmer an Lily, die inzwischen keinen Hehl mehr aus ihrem Amüsement machte. Sie nickte Giles kurz zu, stand dann jedoch auf, um sich selbst Buffy vorzustellen. Was auch immer genau in diesem Zimmer passiert war, es hatte Giles durcheinander gebracht.
 

Doch bei einem Blick in das Zimmer, musste Lily irritiert feststellen, dass ein junger Mann auf dem Bett saß und Dawn sich einen kleinen Disput lieferte. Höchstwahrscheinlich mit Buffy, ihrer Schwester. Sie hatte Dawn in England ein, zweimal gesehen. Ein nettes, junges Ding. Deswegen war Lily auf ihre große Schwester recht neugierig. Auch weil sie noch nie einer ‘echten‘ Jägerin begegnet war. Aber sie wollte nicht stören und folgte Giles, um nachzusehen, ob sie etwas für ihn tun konnte.
 

Er stand vor ihr in der geöffneten Tür und fluchte leise vor sich hin.
 

“Was ist?” Sie trat hinter ihn.
 

“Irgendjemand ist auf die Idee gekommen, mein Zimmer zu verdunkeln und hat dann meinen Lichtschalter demoliert ... ah!” das Licht ging im abgedunkelten Zimmer an und Giles bekam seinen dritten Schock am Morgen, als er unter seiner Decke Willow und Kennedy aneinander gekuschelt vorfand. “Das reicht.. ich brauch jetzt etwas zu trinken.”
 

Er wandte sich abrupt herum und eilte durch den Flur. Lily sah irritiert auf die zwei jungen Frauen, die in diesem Moment aufwachten und etwas verwirrt Lily anblickten, bis Willow sie erkannte. Verlegen lächelte sie die Wächterin an. Meine Güte.. war das eben Giles gewesen? Oder hatte sie nur geträumt. Aber wenn Lily in der Türe stand, dann war es sicher kein Traum gewesen. Willows Gedanken überschlugen sich, während neben ihr Kennedy verschlafen blinzelte, sich aufsetzte und mit gerunzelter Stirn die fremde Frau anblickte. Doch Kennedy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
 

“Hi,” Kennedy strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hob zum Gruß ihre Hand, ehe sie sich an Willow wandte und ihr einen Kuss auf die Lippen setzte. “Guten Morgen, Schatz.” Willow lächelte verlegen zwischen Kennedy und Lily hin und her, fast als würde sie sich dafür entschuldigen wollen. Alles schien Giles Lily auch wieder nicht erzählt zu haben, wenn Willow das Gesicht der Wächterin richtig deutete.
 

“Rupert?” Lily nickte Kennedy und Willow mit einem erzwungen Lächeln zu und eilte Giles hinterher. “Ich glaube du musst mir ein paar Dinge erklären. Und ich nehme auch einen Drink.”
 

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Silent Hill

Ronah lief schnaufend und schwitzend über eine Kreuzung, und blieb kurz vor der Tür der Polizeistation stehen. Endlich war sie hier. Viel zu lange war sie auf der falschen Straße gelaufen, was sie nur in ein weiteres Nest dieser armlosen Monster geführt hatte. Sie stärkte ihren Griff um die Axt, als plötzlich vor ihr die Tür aufgestoßen wurde.
 

“Du bist zu spät!” schrie Dave und lief auf sie zu . “Verdammt Ronah, ich sagte, du solltest verschwinden, aber nein, du musst natürlich hier bleiben. Wo warst du so lange?” Dave schien sehr aufgebracht und auch verängstigt zu sein, doch immerhin war er erst zehn, dachte sich Ronah.

“Was ist hier eigentlich los?” sie starrte den Jungen fragend an. “Los, red schon!” sie fasste ihn fest am Arm, damit er nicht wieder verschwinden konnte.

“Hier.” sagte Dave und drückte ihr einen Zettel in die Hand. Er war verschmiert und die Hälfte war nicht mehr zu lesen, aber es schien aus einer Polizeiakte zu stammen.
 

“Ach du musst wirklich nicht jedem so viel von mir zeigen!” erklang plötzlich eine Stimme hinter Ronah. Sie spürte eine starke Hand auf ihrer Schulter und im nächsten Moment flog sie durch die Luft und krachte gegen ein Auto, das am Straßenrand geparkt stand.
 

Als sie die Augen wieder aufschlug, erblickte sie Dave, der seine Fassung nun vollkommen verloren hatte und laut um Hilfe schrie. Eine blonde Frau hatte sich über den Jungen gebeugt, hielt den Blick aber auf Ronah gerichtet und grinste sie krank an.
 

“Och, fast hättest du die Show verpasst!” sagte die Frau, holte plötzlich ein Messer aus einer Tasche und trieb es Dave durchs Herz. Sein Schrei verstummte sofort.
 

Ronah konnte sich nicht bewegen. Vor ihren Augen liefen Szenen ihrer Vergangenheit ab. Sie sah den Tag, an dem ihre Familie ermordet wurde. Vor ihren Augen war ihr kleiner Bruder vor ihr erstochen worden.

“Kleine?” hallte Eves Stimme durch den Nebel. Ronah hob den Kopf, spürte dann nur mehr einen harten Schlag und verlor sofort das Bewusstsein.
 

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Nicole lächelte Robin charmant an. Dieser starrte sie ungeniert, und ungläubig an. Wie konnte das nur möglich sein? Da stand ihm eine Frau gegenüber, die aussah, als wäre sie ein Abbild seiner Mutter mit der Mode dieser Zeit.

“Wir sollten hier schleunigst verschwinden!” sagte Nicole plötzlich und hob ein Stahlrohr auf, das neben ihr gegen das Geländer gelehnt war, und ihm bis jetzt nicht aufgefallen war.
 

“Hier gehen schreckliche Dinge vor. Ich weiß nicht warum, aber wir müssen sofort hier weg!” Nicole nickte mit ihrem Kopf in die Richtung, aus der Robin gekommen war.
 

“Komm, verschwinden wir!” sagte sie ein weiteres Mal und wartete ungeduldig auf seine Reaktion. Endlich nickte Robin, umfasste seine Waffe noch fester und die beiden gingen auf das Ende des Piers zu .

“Wie heißt du eigentlich? Und hast du ne Ahnung was hier los ist? Was machen diese Monster alle hier?” fragte Nicole im Laufschritt, und sah Robin dabei mit ihren großen Rehaugen an.
 

Dieser zuckte nur mit den Schultern. “Um ehrlich zu sein, wollte ich dich genau das Gleiche fragen. Wir sind auf der Suche nach einem Mädchen, im Alter von 14 bis 16, oder 17. Du hast sie nicht zufällig gesehen? Und .. achso.. mein Name ist Robin!” Vielleicht war sie irgendwie mit ihm bzw. seiner Mutter verwandt. 1000 verschiedene Gedanken spuckten durch sein Hirn, als Nicole plötzlich stehen blieb, konzentriert durch den starken Nebel starrte und zu laufen begann.

“Los! Ich höre etwas! Nichts wie weg von hier!” Robin schloss auf und lief neben der Frau her, die seiner Mutter so sehr glich, es aber unmöglich sein konnte. Ihm schoss der Gedanken an Wiedergeburt in den Kopf, verwarf ihn aber sofort wieder, um sich endlich auf die Situation, in der er und diese Nicole sich befanden, einstellen zu können.
 

In diesem Moment sprang etwas aus einer dunklen Ecke hervor, traf Nicole und schleuderte sie zu Boden. Ein lautes Brüllen drang durch den Nebel, als das Ding seinen Blick von der Frau nahm und Robin anvisierte. Nicole begann zu schreien, als das Monster auf Robin zu lief.
 

Dieser riss die Waffe nach oben, zielte und drückte ab. Doch nichts passierte, als Sekunden später ein lauter Knall durch die Luft zischte und im nächsten Moment ein Loch im Kopf das Monsters prangerte. Als es zu Boden sank, richtete Robin seinen Blick nach oben, während Nicole noch immer kreischte.

Eine blonde Frau stand vor ihnen und sie hatte ihm gerade das Leben gerettet.

“Danke.” flüsterte Robin und wollte zu der wimmernden Nicole gehen, als die Frau schrie.
 

“Keine Bewegung!” Robin blieb abrupt stehen.
 

“Was hat das zu bedeuten?” flüsterte Robin leise, und als er den hasserfüllten Blick der Frau und das angstverzerrte Gesicht von Nicole sah, wusste er, dass er von dieser Frau nicht gerettet wurde, sie wollte sie nur selbst erledigen.

Plötzlich breitete sich ein fieses Grinsen auf dem Gesicht der Frau aus, als könnte sie seine Gedanken lesen. Ohne Vorwarnung ließ sie plötzlich die Waffe fallen, kniete sich vor die kreischende Nicole, packte sie beim Kopf, drehte ihren eigenen Kopf zu Robin, lächelte ihn mit Genugtuung an, und brach Nicole das Genick.
 

“NEIN!” schrie Robin und stolperte nach vorne. Nicht schon wieder! Zum zweiten Mal verlor er diese Frau, das konnte doch alles nicht wahr sein. Robin blieb mit seinem Fuß zwischen zwei losen Steinplatten hängen, verlor den Halt unter den Füßen und schlug hart auf den Boden auf.
 

Tränen schossen ihm in die Augen. Wieso tat man ihm das ein zweites Mal ein? Wieso schenkte man ihm diese Frau und entriss sie ihm so schnell wieder?

Als er aufblickte, stand die Frau mit einem kalten Blick über ein, und im nächsten Moment verlor er das Bewusstsein.
 

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Faith schritt zwischen den zwei Reihen aus einer enormen Anzahl von alten, dunkelbraunen Holzbänken langsam auf den Altar zu. Das Kirchenschiff war, bis auf die kleinen, roten Kerzen, die vor den runden Mosaik-Fenstern leuchteten, verlassen und dunkel.
 

Laut hallten ihre Schritte durch das Gotteshaus, als sie ohne Umwege auf den Altar zutrat, kurz davor stehen blieb und den Blick durch den vorderen Teil der großen Kirche schweifen ließ. Kerzenleuchter hingen von der Decke, und weiße Stofftücher, die ebenfalls an der Decke angebracht waren, nahmen dem Raum seine bedrohliche Höhe.
 

Ein leichter Windhauch streifte durch die verstaubten Gänge, als Faith die Finger ausstreckte und nach dem Gebetsbuch griff, das vor ihr lag.

Langsam zog sie es sich zu sich heran und drehte es um. Eine dicke Staubschicht bedeckte das oberste Blatt, woraufhin Faith tief Luft holte und die Staubkörner verblies.
 

Faith wischte den Rest mit der rechten Hand weg, und kniff die Augen leicht zusammen, als der Text zum Vorschein kam.
 

“Und Schreie hallten durch die ganze Stadt, als sie kam. Männer und Frauen versuchten zu flüchten, doch es gab keinen Ausweg. Wir sahen nur eine einzige Chance. Unsere stärksten Krieger sperrten sie in ein Gefängnis, dessen Gitter für sie nicht zu durchdringen waren. Drei Warnungen wurden von unseren mächtigsten Magiern erschaffen, um jene abzuhalten, die ihrer List erlegen sind. Doch auch eingesperrt hat sie eine unverstellbare Macht. Ihre Monster kommen. Sie kommen und...”
 

Der Text endete abrupt und Blutspritzer auf dem Buch bestätigten Faiths Gedanke, dass dies die letzten Worte dieses Menschen waren, die er in seinem Leben geschrieben hatte. Langsam tasteten Fingernach dem Ende der Seite, ergriffen es und blätterten um. Leer. Auf der nächsten Seite war nichts zu finden. Hastig hob sie das Buch und blätterte es schnell durch. Nichts, bis auf die Nachricht, die von einer schrecklichen Bestie berichteten.
 

“Eve sollte sich etwas beeilen,” flüsterte Faith und umrundete den Altar halb, bis sie wieder in die hintere Seite der Kirche blicken konnte. Sie musste lächeln. Als sie das letzte Mal in einer Kirche war, befand sie sich im Körper von Buffy und versuchte, einigen bescheuerten Bewohnern von Sunnydale ihr Leben zu retten, obwohl mindestens die Hälfte davon sicher später gestorben war, entweder durch einen Dämon oder beim Untergang von Sunnydale.

In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen. Faith sah, aus ihren Gedanken gerissen, auf und erblickte Eve, die mit irgendwelchen Dingen in der Hand auf sie zusteuerte. Irgendetwas an ihr war anders.
 

Gut zehn Meter von Faith entfernt blieb sie stehen, und warf dann Faith eine Axt und ein Kartana zu. Diese sah die Waffen schockiert an und legte sie sorgfältig am Altar ab .
 

“Wo hast du das gefunden?” fragte Faith sofort.
 

“Bei ihren Besitzern!” antwortete Eve und lächelte ihr Gegenüber verschmitzt an.

“Wie meinst du das? Sind sie tot?” Faith ging am Altar vorbei und trat einige Schritte auf Eve zu. Diese machte keine Anstalten zu antworten, sondern grinste sie weiterhin nur an. Faith überlegte kurz, sprang dann auf Eve zu und packte sie fest bei den Schultern.
 

“Du sagst mir sofort, wo du das Zeug her hast oder ich prügle dir deine Brustimplantate heraus du Schlampe!” Faith amtete hastig und starrte Eve fassungslos in die Augen. Mit einem Mal, ohne irgendeine Vorwarnung befreite sich diese ohne Probleme aus der Umklammerung der Jägerin, schlug ihr die rechte Faust ins Gesicht und trat Faith in den Magen, woraufhin diese zu Boden fiel und auf diesem bis zum Altar rutschte.
 

“Weißt du, Faith.. Zeit ist eine ganz witzige Sache..”
 

Faith sah auf, fasste mit ihrer Hand gegen den kalten Marmorstein, der am Boden verlegt war, und stemmte sich wieder in die Höhe.

“Manchmal laufen gewisse Dinge nicht im richtigen Zeitrahmen ab.. also nicht in der richtigen Reihenfolge..”
 

Langsam tastete Faith hinter ihrem Rücken den Altar ab, und musste ein Lächeln unterdrücken, als sie endlich den Griff der Axt spürte.
 

“.. und trotz dieser Ablauffehler... führt es alles zum gleichen Ergebnis..”

“Wovon schwafelst du überhaupt, Blondie?” schnaubte Faith Eve an, hob die Axt vom Tisch und sah sie herausfordern an.
 

“Verstehst du noch immer nicht. Na schau mal.. wenn ich jemanden in einen Sarg lege und begrabe, obwohl er noch nicht tot ist, führt es schlussendlich doch wieder zu dem Ergebnis, dass in dem Grab eine Leiche liegt.” Eve sah die Jägerin an, als wäre dieses Thema das Normalste der Welt. Faith tat sich da nicht so leicht und konnte ihren Gefühlsausbruch nur schwer unterdrücken.
 

“Was hast du mit ihnen gemacht?” schrie Faith, deren Fassung nun endgültig verloren war, und lief mit erhobener Axt auf die Person zu, die sie selbst befreit hatte.
 

“Bist du schwer von Begriff? Da draußen ist ein Friedhof, dort hab ich sie begraben!” Eve zeigte mit ihrer Hand auf einen Hinterausgang, der Faith bisher noch gar nicht aufgefallen war.
 

“Na dann!” sagte Faith, drehte sich im Stand um und lief auf die Tür zu.
 

“Na na na, Jägerin! Du wirst sie nicht retten können!” schrie Eve ihr nach.
 

“Quatsch.. wieso nicht?” antwortete Faith, die zielsicher auf die Tür zusteuerte.
 

“Weil du hier nicht lebend heraus kommst!”
 

Faith ließ sich von dieser Meldung nicht weiter beirren, lief auf die Tür zu und wollte sie aufdrücken, als sie in dem Moment eine starke Hand auf ihrer Schulter spürte, die sie packte, von der Tür weg riss, und quer durch den Raum schleuderte.
 

Ohne wirklich zu wissen, was in der letzten Sekunde passiert war, erhob sich Faith wieder von dem harten Boden. Ihre Arme spannten sich an, als sie krampfhaft den Griff der Axt festhielt.
 

“Weißt du, Jägerin, es scheint, als hätten wir hier ein kleines Verständnisproblem. Wenn ich dir sage, dass du hier nicht lebend rauskommst, dann brauchst du auch gar nicht zu dieser verdammten Tür dort zu laufen, denn das hat sowieso keinen Sinn!” schrie Eve genervt.
 

Faith ließ ihren Blick durch die Kirche schweifen. Sie befand sich an einer Seitenwand der Kirche, gegenüber lag der Ausgang zum Friedhof und dazwischen stand der Altar, vor dem Eve locker stand und sie mit einem dämonischen Blick musterte.
 

Vom Altar weg, links neben Faith, befanden sich die Holzbänke, die nach einigen Metern mit der Dunkelheit im hinteren Teil des Kirchenschiffes verschmolzen. Rechts neben Faith führte eine Treppe auf eine höher gelegene Etage, auf der eine alte Orgel stand, und wo wahrscheinlich früher der Chor gesungen hatte. Neben der Orgel befand sich ein wunderschönes, rundes Fenster, durch das Faith seltsamerweise, trotz des Nebels, den Mond sehen konnte.
 

“Weißt du, ich hatte schon immer Probleme mit geistigen Höchstleistungen!” antwortete Faith Eve endlich, lief auf ihre Gegnerin zu und rammte ihr ihre rechte Faust in den Bauch. Doch anstatt sich vor Schmerzen zu krümmen, holte diese mit ihrer eigenen rechten Faust aus, schlug Faith ins Gesicht und trat ihr danach sofort mit dem linken Knie in den Magen.
 

Faith ließ einen lauten Seufzer aus ihrem Mund fahren, als sie schnell zurück taumelte.
 

“Ich sagte doch, dass du..”
 

“Ja schon klar.. ich komme hier nicht lebend raus.. bla bla.. leg eine andere Platte auf, das wird sonst noch langweilig!” schrie die Jägerin entnervt, fuhr, für Eve überraschend, nach vorne, erfasste den Hinterkopf ihrer Gegnerin und prallte ihn mit voller Wucht gegen den Steinaltar.
 

Als Faith den Laut des brechenden Nasenbeins vernahm, und ein schriller Schrei durch die Kirche hallte, holte sie mit ihrem Knie aus und trat Eve in den Magen.

“Na das war wohl nichts,” sagte Faith, doch sofort darauf bereute sie es, sich kurz abgelenkt zu haben.
 

Sie spürte Eves Hand, die an ihrem Rücken nach oben glitt und eine Sekunde später zog Eve so stark an Faiths Haaren, dass diese aufschrie, ihre Gegnerin freigab und zurücktaumelte. Eves Nase war anscheinend gebrochen und rotes Blut lief ihr quer übers Gesicht.
 

“Das wirst du bereuen!” schrie Eve los, tastete ihr Gesicht mit ihrer Hand ab und berührte das Blut. “Blut ,.. immer erzeugst du Blut und Schmerzen, nicht wahr, Faith?”
 

Die Jägerin starrte Eve an. Die Frau schien sich langsam, aber kontinuierlich zu verändern. Ihre Gestalt wirkte nun größer und stärker als vorher und das gelbe Leuchten der Augen versicherte Faith, dass sie es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte.
 

“Irgendwie ist es doch die Ironie des Schicksals, dass du mich befreit hast, nicht? Du hast deine Freunde getötet, Faith.. du.. du bist an ihrem Tod schuld!” Eve begann lauter zu sprechen, und fasste dabei nach dem Schwert, das noch immer auf dem Altar lag.
 

Langsam hob sie es von der steinernen Platte hoch, strich mit der anderen Hand die Klinge langsam auf und ab und wandte letztendlich ihren Blick zu Faith.

“Robin Wood.. Sohn einer Jägerin.. lachhaft.. von einem Mann mit dieser Vergangenheit hatte ich mehr erwartet. Es war einfach.. enttäuschend eigentlich..” lächelnd legte sie die Waffe wieder auf den Tisch.
 

“Nein.. das glaub ich nicht! Robin ist nicht tot! Du Miststück.. ich glaub dir kein Wort!”
 

Faith umfasste den Griff von Ronahs Axt noch fester und lief mit einem lauten Wutschrei auf Eve los. Doch statt Eve mit der Axt anzugreifen, worauf sich Eve vorbereitet hatte, sprang Faith kurz bevor sie Eve erreichte hoch, erfasste ihre Gegnerin und brachte sie zu Fall. Ohne eine weitere Aktion der unberechenbaren Frau abzuwarten, holte Faith mit der Axt aus und trieb sie in Eves Oberkörper. Blut spritzte Faith entgegen, als die Klinge das Fleisch durchdrang und ein weiterer Schrei die Ruhe der Kirche störte. Sekunden erstickte der Schrei und Faith erhob sich schwitzend von dem leblos vor ihr liegenden Körper der Frau, die sie selbst befreit hat, der Frau, die vielleicht an dem Tod von Robin und Ronah schuld war.
 

Ohne weiter nachzudenken, drehte sich Faith in Richtung des Hintereinganges, griff nach Robins Schwert und wollte sich auf den Weg machen, als sie plötzlich hinter sich etwas hörte. Mit dem Schwert in der Hand drehte sie sich um, ungläubig starrte sie Eve an, die wieder auf beiden Beinen stand.

“Okay.. wie oft muss ich dich töten, ich hab es nämlich etwas eilig?” fragte Faith und stellt sich angriffsbereit vor Eve.
 

“Du kapierst es nicht, was? Es ist zu spät!” Eve griff nach der Axt, die in ihrer Brust steckte, und zog sie, ohne mit der Wimper zu zucken, aus ihrem Körper. “Ich bin kein Mensch, so kannst du mich nicht töten!”

“Mit reicht es, dafür hab ich keine Zeit!” antwortete Faith, und wollte ein weiteres Mal auf den Ausgang zulaufen, als sie plötzlich wieder erfasst wurde und erneut durch die Luft flog. Ihr blieb kurz die Luft weg, als sie auf dem alten Holzboden der Orgel Etage aufschlug. Ein unmenschlicher Schrei hallte durch die Kirche, der nichts Gutes erahnen lies.
 

Faith kam in dem Moment zum Stehen, als eine dämonische Gestalt die letzte Treppe passierte. Kurz blieb der Dämon stehen und musterte die Umgebung.

Vor ihr stand ein Ding, das definitiv böser war, als alles, was ihr bisher in dieser Stadt begegnet war, und trotzdem wusste Faith, dass es sich hier um die richtige Gestalt von Eve handeln musste.
 

Eve war nun mindestens zwei Meter groß und hatte eine schwarze, glitschige Haut. Die großen, gelben Augen, die aus dem schwarzen Gesicht hervor stachen, musterten Faith genau.
 

“Du bist zäher als ich dachte!” sagte das Ding plötzlich mit Eves Stimme.

“Und du bist dämonischer, als ich dachte, na und? Was wäre ein Leben ohne Überraschungen?” schrie Faith, die sich nun endlich gesammelt hatte.

Als sie durch die Luft geflogen und auf den harten Brettern aufgeschlagen war, hatte sich in ihr ein Schalter umgelegt. Es ging hier nicht mehr um eine Spielerei, um eine kleine Jagd, hier ging es um ihr Leben, um das ihres Geliebten, und das einer Schutzbefohlenen. Sie musste hier raus kommen, sie hatte einfach keine andere Wahl.
 

Sie hob das Schwert an und blickte Eve direkt in die Augen.
 

“Na komm.. hol mich, wenn du kannst, du Monster von Loch Ness!” schrie sie und Eve ließ sich das nicht zweimal sagen. Jeder Schritt, den der Dämon in ihre Richtung machte, ließ den Holzboden erbeben.
 

Als Eve bei Faith angekommen war, blieben beide kurz stehen, starrten sich an und schwiegen. Eine Sekunde später ließ Faith das Schwert auf Eve niedersausen, doch diese wich geschickt aus, schaffte es sogar, die Klinge zu ergreifen und Faith zu entreißen.
 

Ohne der Waffe weitere Beachtung zu schenken, holte Eve aus und warf sie durch das runde Fenster, welches sich neben der alten Orgel hinter der Jägerin befand.

“Okay.. keine Waffen.. gut.. gleiches Recht für alle!” reagierte Faith und schlug der Dämonin ihre linke Faust ins Gesicht. Eve taumelte kurz, sammelte sich aber schnell wieder und ging zum Angriff über.
 

Ein heißer Zweikampf entbrannte, bei dem Faith mindestens fünfmal Schläge in den Bauch hinnehmen musste, doch auch Eve machte ihre Rechnung nicht ohne den Wirt. Obwohl die Nase, die Faith Eve in der menschlichen Gestalt gebrochen hatte, in der dämonischen fehlte, hatte der Dämon doch auch einige Blessuren davon getragen, als Faith in die Luft sprang, herum wirbelte und Eve mit einem festen Tritt gegen die alte Orgel schleuderte.
 

Das Holz gab dem harten Aufprall sofort nach und laute, unkontrollierte Töne schallten durch das Gebäude. Faith nutzte den freien Moment, lief zu dem großen Fenster und sah nach unten.
 

Der Dämon hatte die Wahrheit gesprochen. Vier Gräber befanden sich in dem kleinen Hinterhof der Kirche.. eines davon war noch offen.
 

“Oh.. dort unten wirst du zukünftig deine Tage verbringen!“ hörte sie plötzlich Eve hinter sich, die Faith plötzlich mit voller Wucht rammte und die Jägerin und sich selbst durch das große Fenster aus der Kirche beförderte.
 

Wind wehte durch Faiths verschwitztes Haar, als sie den harten Boden auf sich zukommen sah. Wie wild hämmerten die verschiedensten Gedanken auf ihren Geist ein. Wie lange würde sie gegen Eve durchhalten? War Robin wirklich tot? Und was ging in dieser merkwürdigen Stadt überhaupt ab?
 

Hart schlugen die beiden auf dem feuchten Erdboden auf, bevor Faith sich trotz ihrer Schmerzen aus der Umklammerung Eves befreite und aufsprang. Verzweifelt lief sie zu dem Grab, an dessen Grabstein Robins Name zu sehen war. Ohne weiter nachzudenken, ohne überhaupt noch etwas zu denken, fing sie an, in der frisch aufgeschütteten Erde zu graben. Die Erde war feucht und definitiv noch nicht lange hier. Panik ergriff Faith. Was, wenn Robin wirklich tot war? Was würde sie dann tun? Könnte sie ohne Robin noch leben?
 

Doch Faith konnte ihre Gedanken nicht zu Ende führen, als sie wieder von hinten ergriffen, und durch die Luft geschleudert wurde.

“Zeit, Jägerin. Es geht hier nur um Zeit. Hast du sie noch oder hast du sie nicht? Hier ist die Zeit definitiv abgelaufen!” schrie der Dämon mit Eves Stimme und trat auf die am Boden liegende Faith zu.
 

“Du bist vollkommen alleine. Du hast verloren. Gib auf und gib dich dem erlösenden Tod hin, Jägerin, dann sind deine Qualen zu Ende. Was hast du hier schon noch? Was hält DICH auf dieser Welt?”
 

Der Dämon ergriff Faith am Hals, hob sie hoch und drückte sie dabei fest an die Wand, während Faith keinen Boden mehr unter sich spürte.

“Was hast du schon noch? Was hält dich hier noch, wofür es sich zu kämpfen lohnt?”
 

Faith sah Eve tief in die gelb leuchtenden Augen. Die Luft wurde allmählich knapp und der Dämon sah sie ernst und zornig an. Plötzlich zauberte sich ein leichter Hauch von Lächeln auf Faiths Gesicht.

“Freunde!” würgte sie hervor und trat dem Dämon gegen die Brust. Eves fester Griff wurde lockerer.
 

“Freunde... !” schrie Faith noch einmal, zog ihre Füße an, umfasste damit blitzschnell Eves Kopf und drehte ihn schwungvoll um. Laut brach das Genick des Dämons und sie entkam aus dem festen Griff. Langsam sank Eve zu Boden.

Ein lauter Schrei durchschnitt die dunkle Nacht, der in einem gurgelnden, erstickendem Laut endete.
 

“Du denkst doch nicht wirklich, dass du gewonnen hast?” würgte Eve hervor. “Du wirst nie gewinnen, Faith! Ganz egal was du machst.. du bist schuld am Tod deines Freundes!”
 

Faith ließ ihren Blick durch den Hinterhof schweifen, erblickte nach einigen Sekunden das, was sie gesucht hatte, hastete auf die Waffe zu, umfasste den Griff des Schwertes, holte aus, und köpfte den Dämon.
 

Blut spritzte ihr entgegen, gelbes Blut, doch Faith hatte keine Zeit sich darüber zu ärgern, dass ihr neues Shirt nun komplett im Arsch war. Ohne weiter nachzudenken, lief sie zu Robins Grab und begann in der feuchten Erde zu graben, als sie plötzlich von einem starken Schwindelgefühl ergriffen wurde und im nächsten Moment das Bewusstsein verlor.
 

++++
 

Cleveland.

Giles Wohung

Das Feuer im offenen Kamin knisterte gemütlich vor sich hin und tauchte den abgedunkelten Wohnraum in ein warmes Licht, dessen Schatten über die Wände und den Boden tanzten. Es versuchte vergeblich gegen die angespannte Situation im Raum anzukämpfen.
 

Giles, Lily, Dawn und Buffy saßen wortkarg um den Esszimmertisch. Niemand sprach mit dem anderen, niemand sah den anderen an. Die einzige Kommunikation fand zwischen den vieren stumm mit bloßen Blicken statt.
 

Dawn hätte das Kaminfeuer bei weitem mehr genossen, wenn Giles eine Mücke nicht zum Elefanten gemacht hätte. Alles nur, weil er sie alle in einer wirklich dummen Situation erwischt hatte, aus der sie sich nicht einmal mit einer Notlüge hatten retten können. Giles war sauer, und das hatte er allen recht deutlich gemacht. Dabei sah die Wohnung doch wieder sauber und aufgeräumt aus? Dawn schätzte, dass es dabei jedoch um mehr ging, als nur um ein paar leere Pizzaschachteln und dreckiges Geschirr.
 

Dawn starrte in das Feuer. Sie wusste nicht so recht, was sie hier sollte. Sie kannte Lily aus England, wenn auch nur flüchtig. Eine Kennenlernparty kam also zu spät. Das sie sich eine Wohnung zu viert teilen sollten, die für höchstens zwei Personen ausgelegt war, würde hoffentlich nur vorübergehend sein. Entweder zog Lily bald in eine eigene Wohnung oder Buffy würde endlich auf die Suche nach einer für sie beide gehen. Fast hätte Dawn geseufzt, als sie kurz ihren Blick hob und die drei Personen am Tisch betrachtete. Ironischerweise fiel ihr der Vergleich mit einer kleinen Familie ein, die sich nichts mehr zu sagen hatte und kurz vor dem Aus stand. Albern, schimpfte sich Dawn selbst und sah auf ihren Teller herunter. Der Appetit auf Giles Chutney war ihr längst vergangen. Alles nur wegen ihre Frage, wieso Engländer indische Gerichte als ihre Erfindung bezeichneten - nur weil sie das Land kolonisiert und unterworfen hatten? Allerdings war es eher Giles vernichtender Blick als Antwort gewesen und sein bissiger Kommentar “Und das aus dem Mund eines Volkes, dass die Ureinwohner seines Landes terrorisiert hat,” der ihr den Appetit verdarb.
 

Dawn versuchte sich erneut auf das Feuer zu konzentrieren. Schließlich kannte sie ein offenes Feuer im Kamin nur durch die kalifornischen Weihnachtsabende. Sie hatte dem Kamin meist auch nur an Weihnachten eine Berechtigung in ihrem Haus zugesprochen. Irgendwie musste ja Santa Claus in die Häuser kommen. Selbst wenn die Temperaturen mild und angenehm waren und die bunten Lämpchen und künstliche Schneedecken auf den Häusern in mitten von Palmen albern gewirkt hatten. Aber Dawn hatte seit ihrer Kindheit nichts anderes kennengelernt und dem nicht so viel Albernheit angedichtet, wie dem Kamin. Zudem glaubte sie inzwischen natürlich lange nicht mehr an Santa Claus.
 

Allerdings im wechselhaften Klima Ohios fand sie ihn ausgesprochen gemütlich und romantisch. Doch die Situation am Tisch hatte nichts davon. Sie waren alle angestrengt darauf bedacht, nicht das Falsche zu sagen und das Thema Party und Jungs im Bett zu vermeiden. Wobei Dawn zu ihrer eigenen Verteidigung in Gedanken hinzufügte, dass Andrew im Bett nicht unbedingt als “ein Junge im Bett” zu bezeichnen war. Er war ein guter Freund. Nur wie sollte sie Buffy und Giles davon überzeugen, dass es nichts zu bedeuten hatte? Wie konnten die beiden überhaupt nur davon ausgehen, dass sie und Andrew... wo sie doch bis jetzt brav und anständig geblieben war... sie hatte bislang nur einen Jungen geküsst. Und der hatte sich in einen Vampir verwandelt. Wobei das Küssen durchaus... schön und aufregend gewesen war. Und jetzt? Jetzt durfte sie sich garantiert in den nächsten Tagen auf ein peinliches Gespräch mit Buffy freuen. Im schlimmsten Fall würde es ihre Schwester Giles überlassen. Sie würde das nicht überleben, wenn der Brite mit ihr tatsächlich ein Aufklärungsgespräch führen würde. Himmel.. sie war fast 17 und das meiste wusste sie doch schon! Konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen?
 

Giles räusperte sich hin und wieder verlegen über die unangenehme Situation, brachte dadurch aber niemanden dazu, ein Gespräch anzufangen. Er selbst zog es vor, zu schweigen und im Stillen zu grollen. Im Grunde verhielt er sich durchaus kindisch und das war ihm sehr wohl bewusst. Alle hatten sich entschuldigt und sich darum bemüht, beim Aufräumen zu helfen. Doch letztendlich ging es ihm nicht um das Chaos, das sie angerichtet hatten, als viel mehr darum... ja um was sonst, musst er sich schließlich fragen und starrte für einen Moment in das knisternde Feuer, das die Kühle im Raum nicht vertreiben konnte. War es ihm wirklich so wichtig gewesen, einen guten Eindruck auf Lily zu machen? Nach all den Jahren? Oder gerade wegen all den Jahren, die sie gemeinsam damals verbracht hatten?
 

Sein Blick wanderte kurz zu Lily und er kam nicht umhin, sich einzugestehen, dass er damals einen großen Fehler begangen hatte, als er sie verließ. Doch jetzt war es zu spät, alten Tagen nachzutrauern. Für einen Moment ruhte sein Blick auf Buffy, um sich von Lily abzulenken. Doch Buffys demonstrativ ablehnendes Verhalten war nicht gerade die Ablenkung, die er sich gewünscht hatte. Als sie kurz zu ihm aufblickte, las er in ihrem Blick alles, um zu wissen, dass sie Lilys Hiersein, die Situation in der Wohnung, seine Überreaktion furchtbar fand. Er hoffte inständig, dass sie irgendwann einmal die Zeit fanden über alles in Ruhe zu reden.
 

Vor Monaten waren sie aufgebrochen, um ihr Glück zu versuchen. Jeder auf seine Art und Weise. Niemand hatte sich die Zeit genommen, dem anderen von seinen Plänen zu berichten. Alles was wichtig gewesen war, wurde während des Packens besprochen. Doch schon damals hatte er gespürt, dass Buffy mit seiner Idee, den Rat wieder aufzubauen nur mäßig einverstanden gewesen war. Lilys Anwesenheit als Repräsentantin dessen, was vor dem Anschlag der Macht des Bösen gewesen war, musste in Buffys Augen eine Art Beleidigung sein. Doch so lange sie nicht darüber redeten, würde sich Buffys Ansicht nicht ändern. Giles fragte sich mit viel Bedauern, ob sie jemals die Zeit füreinander und für ein Gespräch fanden. Für gewöhnlich war es nicht eine Stärke von ihnen beiden.
 

Buffy sah zur Seite und Giles Augen wanderten weiter zu Dawn, die in das Feuer starrte. Inständig betete Giles darum, dass Buffy mit dem Mädchen alleine das angedrohte Gespräch über Jungs halten würde und nicht darauf bestand ihn als “Berater” oder “Reiferen” hinzuziehen zu wollen. Das würde er nicht überleben.

Lily wusste nicht, ob sie die Situation am Tisch als amüsant oder bedrückend bezeichnen sollte. Oder auch als beides. Kühl und angespannt auf jeden Fall und Ruperts Blicken, die er ihr hin und wieder zuwarf, entnahm sie, dass es ihm nicht anders erging. Auch wenn mancher seiner Blicke sie etwas irritierte. Es lag in ihnen etwas Altes, Vertrautes, das sie an die Tage erinnerte, als sie ein Paar gewesen waren. Als die Last und der Druck des Rates noch nicht zu sehr auf ihnen lastete und unterschiedliche Interessen sie am Ende zwangen, getrennte Wege zu gehen.
 

Die beiden Mädchen schienen zu schmollen, anders konnte sie die ablehnende Haltung der Jägerin und das Schweigen von Dawn nicht bewerten. Fast wie eine kleine Familie nach einem unnötigen Streit, dachte sie amüsiert, wurde aber wieder in Gedanken ernst, als ihr bewusst wurde, wie sehr sich die drei vielleicht doch nahe standen. Die Erlebnisse, die sie miteinander hatten, das Leid, die Freude, die Verluste, schweißten sie zusammen und machten sie, Lily, zu einer Außenseiterin. Auch das konnte sie deutlich in der Ablehnung von Buffy spüren.
 

Sie senkte ihren Blick und ihre Gabel in Ruperts Chutney und lächelte unterdrückt, als sie an das kleine Zwischenspiel zwischen Dawn und Rupert dachte - wie sie über das Essen und seine Herkunft diskutiert hatten. Das hatte Lily gezeigt, wie gut sich alle verstanden, auch wenn die Luft bei ihrer Ankunft etwas dick gewesen war und sie tatsächlich geglaubt hatte, alle würden auf der Nase von Rupert herum tanzen. Wobei... vielleicht war der Gedanke nicht ganz so abwegig... aber vielleicht ließ Rupert sie auch nur in dem Glauben und hatte alle viel besser im Griff, als die jungen Leute es sich erträumten. Sie schaufelte Reis, Fleisch und Chutney auf ihre Gabel und beschloss ein wenig vorsichtiger im Umgang mit allen zu sein.
 

Buffy hatte so wenig Lust auf das gemeinsame Abendessen wie auf einen schlechten Film mit Jean-Claude Van Damme. Ein besserer Vergleich war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen, als sie sich vor einigen Minuten mit den andern drei an den Tisch gesetzt hatte. Auch wenn das Essen verdammt verlockend roch, hatte sie jede Schüssel abgelehnt, ihre Arme vor der Brust verschränkt und ihren düsteren Blick aufgesetzt, mit dem sie die drei hin und wieder bedachte. Sie konnte nicht verstehen, was der ganze Zirkus sollte. Erst regte sich Giles furchtbar über das Chaos auf und über den Umstand, dass sie es gewagt hatten sein Heiliges Reich zu entweihen, als hätte der Mann nie eine Party in jungen Jahren gefeiert, dann zeigte er sich entsetzt darüber, dass Dawn mit Andrew in einem Bett lag – wobei sie bei dem Gedanken selbst auch noch immer etwas schockiert war, und explodierte schließlich, weil Willow und Kennedy sein Bett mehr oder minder eingeweiht hatten.
 

Dabei hatten Dawn und sie doch viel mehr das Recht darauf, auf ihn wütend zu sein. Platzte einfach unerwartet zu früh zu Hause herein, brachte seinen Besuch direkt mit und quartierte ihn auch noch bei ihnen ein. Jetzt durfte sie sich mit Dawn das Zimmer teilen, während Lily sich im Büro breit machte. Für sie hatte Giles sogar seinen Schreibtisch abgeräumt, um vorübergehend in den unteren Räumen zu arbeiten. Für Buffy hatte er das nicht getan! Nein, er zwang sie sogar nach den Reibereien friedlich an einem Tisch zu sitzen und Small Talk zu führen. Gut, dass der Plan nicht aufgegangen war.
 

Sie sah nicht ein, wieso man sie nicht einfach gefragt hatte. Sie wohnte schließlich nicht freiwillig hier. Sie hatten nur kein Geld, um sich etwas Eigenes zu leisten. Xanders Wohnung war viel zu klein, Willow lebte am College, Kennedy war niemand, mit dem sie sich ein Badezimmer teilen wollte und ihren Vater hatte sie nach ihrer Rückkehr nicht auffinden können. Das Wenige, das sie sich während ihres Jobs im DMP und in der Schule angespart hatte, war bei der Reise und für Dawns Verpflegung drauf gegangen. Sie stand vor dem Nichts.
 

Und statt Unterstützung bekam sie noch einen Tritt, in Form einer Wächterin, die durch und durch eine zu sein schien, nach dem ganzen Material, das sie den weiten Weg über den Ozean, mit sich geschleppt hatte, zu bewerten. Ihre Art sich auszudrücken, erinnerte sie an den Giles vor acht Jahren, ihr ganzes Verhalten etwas an den Wesley vor fünf Jahren. Niemand achtete auf ihre Gefühle, niemand hatte sie gefragt, wie sie sich jetzt fühlte, nachdem sie ‘befreit‘ von ihrer Pflicht war, wie sie den erneuten Verlust von Freunden ertragen konnte, wie ihre Reise war.... Buffy kam kurz der Gedanke, dass sie selbst niemanden seit ihrer Rückkehr danach gefragt hatte und am meisten die Fragen von Giles hören wollte, auch wenn sie in Gedanken ihre Freunde einschloss. Doch sie und er... nein, reden war etwas, dass ihnen mehr als fremd war. Es würde wohl immer darauf hinauslaufen, dass sie sich gegenseitig verletzen würden, weil sie zu feige waren, einige Dinge anzusprechen oder auszusprechen.
 

Der kurze einsichtige Moment verflog, als sie seinen Blick spürte und feindselig aufsah. Was erwartete er nach all den Jahren noch immer von ihr? Dass sie die brave Jägerin weiterspielte? Nur weil er sie so gewohnt war? Weil er nichts anderes kannte? Sollte sie ihm beim Aufbau einer Einrichtung helfen, die ihr so sehr verhasst war? Vielleicht sollt sie ihn einfach weiter zappeln lassen.. oder noch besser, zur Strafe mit Dawn das Aufklärungsgespräch führen lassen. Um nicht zu grinsen, senkte sie ihren Blick auf den leeren Teller, hörte ihren Magen knurren und kam sich auf einmal ziemlich albern vor. Das letzte Mal hatte sie sich so verhalten, als ihre Mutter vor Jahren diesen Ted angeschleppt hatte. Das hier war doch nicht dasselbe... oder fühlte sie ihre Stellung irgendwie gefährdet, ihr Territorium verletzt? Sollte sie Lily auf ein paar Drähte untersuchen?
 

Das Schweigen breitete sich weiter über sie aus, während die vier ihre Blicke krampfhaft auf ihre Teller richteten, nervös mit dem Geschirr klapperten, am Glas spielten, dem Feuer lauschten und sich jeder weit weg wünschte.
 

++++
 

Silent Hill

Dunkelheit umhüllte sie, Dunkelheit und eisige Kälte. Sie hörte ihren eigenen, hektischen Atem, und fühlte eine kalte Fläche unter ihrem Rücken. Ihr Kopf fühlte sich an, als würden Handwerker im Sekundentakt gegen ihre Schädeldecke schlagen.
 

“Faith?” hörte sie plötzlich einen Schrei, der sie daran erinnerte, dass sie endlich die Augen öffnen musste, um sich zu vergewissern, was geschehen war. Sie musste der Wahrheit ins Gesicht sehen. Sie musste sich vergewissern, ob Robin wirklich tot war. Doch dazu musste sie die Augen aufschlagen.. und im Moment fühlte sich das an, als sei es die härteste Sache der Welt.

“Faith?!?” hörte sie noch einmal eine laute Stimme. Sie war dumpf.. und jung.. Ronah?!?
 

Sofort riss Faith die Augen auf und erblickte im nächsten Moment die Decke einer Höhle. Wuchtige Steinmassen umgaben sie, als sie langsam den Kopf drehte. Sie befand sich in einer Art Höhle, und sie war nicht alleine.

Faith fuhr in die Höhe und bemerkte erst jetzt, dass Ronah vor ihr stand. Verwirrt, erfreut aber noch immer besorgt um Robin sah sie sich in dem kleinen Raum um.
 

Erfreut stellte sie fest, dass Robin neben einer jungen Frau, die sie nicht kannte, bewusstlos auf der anderen Seite des Raumes lag.

“Faith was ist hier..” doch Ronah konnte ihre Frage nicht beenden. Faith stürzte zu Robin, kniete sich nieder und drückte ihren Finger gegen den Hals, um die Halsschlagader zu überprüfen. Puls war da, und er atmete.

Unerwartet bewegte sich der Körper plötzlich, und Robin musste laut husten, bevor er die Augen aufschlug und Faith verwirrt anstarrte.

“Ich dachte schon, du wärst tot..” flüsterte Faith und drückte Robin einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund.
 

“Überraschung!” sagte er lächelnd, nachdem sie sich wieder von einander getrennt hatten.
 

“Hey, zweimal die gleiche Überraschung ist aber nicht sehr originell!” sagte Faith lächelnd und half Robin auf.
 

“Ronah, alles in Ordnung?” wandte sich Faith zu der Jägerin, die gerade dem Mädchen aufhalf, das neben dem Wächter gelegen hatte.
 

“Klar..!” antwortete Ronah kurz und starrte das blonde Mädchen fragend an.

“Ich denke, ich weiß, wer sie ist!” murmelte Robin und Faith nickte kurz. Ohne etwas Weiteres zu sagen, ging sie auf das Mädchen zu, holte mit der Hand aus und ließ ihre linke Faust auf das Gesicht des Mädchens zusausen.
 

Diese riss zum Schutz ihre eigene Hand hoch und wehrte Faiths Schlag ab.

“Was zum Teufel..”, begann sie schon zu fluchen, als sich der Ausdruck auf dem Gesicht veränderte.
 

“Hi!” sagte Faith. “Mein Name ist Faith. Das grimmige Mädchen hier ist Ronah und der süße Typ hinter mit ist Robin. Wir sind hier, um dich mitzunehmen! Wie ist dein Name? Wie bist du hierher gekommen?”
 

“Ich.. ähm... ihr wollte mich.. ähm.. Kimberly.. ich hab keine Ahnung wie ich hierher gekommen bin.. ich.. ähm.. war auf einmal in dieser Gasse und wurde von so einem Ding .. Monster verfolgt.. aber ich bin ihm entkommen.. aber irgendwie hat mich dann so ein .. weiteres.. Monster..”
 

“Dämon..,” unterbrach Faith Kimberly.
 

“Ja.. genau.. Dämon.. er tauchte auf einmal hinter einem Schaufenster auf.. und dann bin ich hier aufgewacht.. ich weiß sonst nichts..”
 

Faith nickte als in diesem Moment eine Holztür aufgestoßen wurde, die in einem dunklen Teil der Höhle lag.
 

Verwundert musterte Ronah die zwei Gestalten, die langsam den Raum betraten. Beide trugen Kutten mit Kapuzen, die sie tief ins Gesicht gezogen hatten. Eine mystische Aura umgab die Gestalten, die jeweils eine schwarze und eine weiße Kutte trugen. Nachdem sie in der Mitte der Höhle stehen geblieben waren, nickten sie und zogen die Kapuzen von den Köpfen.
 

Die Person, die in der weißen Kutte steckte, hatte blonde Haare, eine weiße Haut und leuchtend blaue Augen. Die Gestalt daneben war von Narben gekennzeichnet und die dunklen Haare passten zu den tiefschwarzen Augen. Ausdruckslos starrten sie die vier an.
 

“Hi.. könnten wir bitte erfahren, was der ganze Scheiß hier soll?” schoss Faith los und trat näher an die beiden heran. Beruhigend legte Robin ihr seine Hand auf die rechte Schulter.
 

“Sie hat es wirklich geschafft!” sagte plötzlich die weiße Gestalt.

“War es anders zu erwarten?” antwortete die andere.
 

“Ohne deine Hilfe hätten sie es nicht überlebt!” konterte die blonde Person wieder.
 

“Das bezweifle ich. Die Jägerin ist stark. Sie ist dafür bereit!”
 

“Ähm.. hallo? Wir sind anwesend? Jetzt haltet doch mal die Luft an und sagt was hier los ist!” schrie Faith wütend durch den Raum, schüttelte Robins Hand von ihrer Schulter und trat einen weiteren Schritt auf die Gestalten zu.

“Sie ist zu impulsiv. Sie hätte sterben sollen, wie die anderen vor ihr!” schimpfte die blonde Gestalt weiter.
 

“Ich sagte doch, dass sie es schaffen wird!”
 

“Das hast du bei jeder gesagt und du hattest noch nie recht!”
 

“Na ja. Irgendwann musste ich dieses Spiel auch einmal gewinnen!”
 

“Ja natürlich!” Die blonde Gestalt verdrehte die Augen, drehte sich um und ging auf den Ausgang zu.
 

“Zeig es ihr!” sagte er noch zu der dunklen Gestalt, nickte Faith zu, funkelte sie dabei böse an, und verließ dann den Raum.
 

“Hallo? Verdammt noch mal.. könntet ihr mal sagen, was hier los..” doch Faith konnte ihren Protest nicht mehr beenden.
 

Die dunkle Gestalt machte einen Schritt auf sie zu, legte eine Hand auf ihre Stirn und Faith wurde wie von einer Welle getroffen aus ihrem Körper geschleudert und in eine andere Dimension des Seins transportiert.

Im nächsten Moment stand sie plötzlich inmitten einer kleinen Wüste. Die Gestalt stand noch immer neben ihr, lächelte sie nun aber freundlich an.
 

“Was ist hier los?” fragte Faith und erhoffte nun endlich eine Antwort. “Was war das in Silent Hill?”
 

“Wir sind Zauberer. Es war ein Spiel.. vergiss es!” sagte die Gestalt und lächelte Faith dabei freundlich an.
 

“Was.. ein.. SPIEL?? Ihr habt mit uns gespielt? Wie oft seid ihr in letzter Zeit mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen!” schrie Faith wütend, ließ ihrer Wut freien Lauf und knallte dem Magier eine mit ihrer rechten Faust.
 

Dieser gab sich unbeeindruckt und lächelte die Jägerin weiterhin an.

“Dein Zorn ist verständlich aber zur Zeit steht er dir nur im Weg. Du musst dich konzentrieren, sonst war das ganze Spiel umsonst!”
 

“Was.. wie?” Faith starrte ihn genervt, aber neugierig und zornig an.
 

Er deutete mit der Hand nur stumm an ihr vorbei und nickte mit dem Kopf ebenfalls in diese Richtung. Sofort drehte sich Faith um.
 

Die Erde begann zu beben und die Hitze wuchs ins Unerträgliche. In einiger Entfernung erblickte Faith eine Oase, um die sich ein Dorf aufgebaut hatte. Nur wenige Meter von ihr entfernt spielten zwei kleine Kinder, in dunkle Fetzen gehüllt, miteinander.
 

Dunkle Wolken bildeten sich am Himmel und verdunkelten die Wüstenstadt. Schreie wurden laut, als ein unerträglicher Lärm die Luft durchschnitt.

Faith sah zu dem Magier, der noch immer neben ihr stand.

“Was zur Hölle ist hier los?!” schrie sie, um den lauten, trommelähnlichen Lärm zu übertönen.
 

“Ja, so ähnlich!” antwortete die Gestalt, deren geschlechtlicher Zuordnung sich Faith noch immer nicht sicher war, und deutete mit der wieder zu dem Dorf.

Flammen waren ausgebrochen und panische, kreischende Menschen flüchteten vor etwas, das Faith noch immer nicht sah. Das Geräusch wurde immer lauter, und irgendwie kam es Faith bekannt vor.
 

Eine weitere Feuersäule stieg aus dem zentralen Kern des Dorfes auf und in dem Moment, als etwas durch diese Säule kam, wusste Faith, woher sie das Geräusch kannte.
 

“Pferde?” fragte Faith laut und starrte auf die Gestallt, die durch die Feuersäule geritten war, und das Dorf verwüstete. Flammen schmiegten sich um das Pferd, wie der Reiter darauf aussah, war nicht festzustellen. Wie Schatten bewegten sich drei andere Gestalten neben dem Feuerpferd, doch Faith konnte sie nicht erkennen.
 

Ein lauter Schrei durchschnitt die Nacht und die Bäume, die dem Feuer bisher tapfer stand gehalten hatten, gingen lodernd in Flammen auf und umschlossen das kleine Dorf wie ein tödliches Gefängnis, aus dem keiner der Einwohner mehr lebend entkommen konnte.
 

“Das reicht.. ich muss..!” schrie Faith und wollte auf die Oase zulaufen, doch der Magier packte sie an der Hand.

“Wir sind hier nur Zuschauer. Du kannst die Ereignisse nicht verändern, dies ist vor langer Zeit geschehen!” sprach er, und deutete auf die Gestalt, die wie eine Krähe über dem brennenden Dorf kreiste.
 

“Was ist hier geschehen?” flüsterte Faith noch einmal.
 

“Einer kam über sie, und alles was nach dem Feuersturm zurück blieb, war reine Erde.”
 

Faith blickte noch einmal auf das brennende Dorf und die Feuersäulen, die in den Himmel ragten, als sie plötzlich ein helles Licht sah, und im nächsten Moment befand sie sich wieder in der Höhle bei den anderen. Erstaunt starrte sie den Magier an.
 

“Dies war die Belohnung für den Sieg.” Sprach er und nickte Faith zu.
 

“Nütze es weise!” flüsterte er, nickte dann auch den drei anderen, erstaunten Personen zu, und ging ebenfalls zur Tür.
 

“Moment, wie kommen wir hier raus?” schrie Robin, doch als sich die Tür schloss, verlor die Höhle rings um sie herum die Konturen und der braune Stein wurde zu einer grauen Wand.
 

Verwirrt sahen sich die vier um, hier waren sie nicht zum ersten Mal.
 

“Das ist die Tankstelle!” murmelte Ronah und sah Faith verwundert an.
 

“Was sollte das alles?” fragte Robin und trat mit einem fragenden Blick neben Faith.
 

“Ein krankes Spiel, den Rest besprechen wir später. Nichts wie weg von hier!” Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, ließ sie die drei Personen mit ihren Fragen zurück, wissend, dass sie ihr folgen würden. Dass ihre Freunde bei ihr bleiben würden, wohin sie immer auch jetzt gehen würde..
 

“Faith.. wieso kommt ihr aus der Tankstelle?” fragte Vi, die mit einem verwirrten Gesichtsausdruck aus dem Bus ausstieg. ”Und wie ich sehe, habt ihr die Jägerin gefunden.. noch mal.. ähm.. in der Tankstelle?”
 

Lächelnd ging Faith an ihr vorbei, legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte: ”Das ist ne lange Geschichte!”
 

GrrrrArgh

Folge 4: Be Careful What You Wish For

Autoren für Folge 4: Mel, Steffi, Yamato
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Bisher bei Buffy….

Die Rückkehr von Giles, Dawn und Willow nach Cleveland.

Die Ankunft von Buffy auf dem Flughafen von Cleveland und Empfang durch Dawn und Xander.

Die gesamte Gang bis auf Willow vor dem Fernseher in Giles Wohnung, Andrews Ausbruch.

Willow schreckt aus ihrem „Alptraum“ in die Höhe.

Faith, Wood und Ronah, die durch die leeren Strassen von Silent Hill schleichen.

Die Kämpfe in Silent Hill.

Lily wird von Giles am Flughafen abgeholt.

Faith tötet Eve.

Giles steht in seiner chaotischen Wohnung – Popcorn, Gläser, Xander auf dem Sofa.

Dawn und Andrew gemeinsam umschlungen in Dawns Bett mit Buffy und Giles im Türrahmen.

Entdeckung von Kim in Silent Hill.

Faith Vision von den Reitern.
 

Cleveland

Kleine Einkaufsstrasse.

Früher Morgen.

Die zittrigen von der Arthritis gezeichneten Hände von Henry Lowenstein hoben den Deckel von der Holzkiste und griffen verkrümmt in das Innere, um die heutige Lieferung mit den müden und alt gewordenen Augen zu begutachten. Lowenstone beförderte ein kleines Kästchen ans Tageslicht. Er schob sich mit einer freien Hand die vergoldete Brille auf die Stirn, kniff die Augen eng zusammen und versuchte die Schrift auf dem Kästchen zu entziffern. Orientalisch. Leider beherrschte er nur ein mittelmäßiges Englisch, das über die Jahre nie besser geworden war und seine deutsche Muttersprache, die er nie vergessen würde. Aber das hier.. arabisch? – nein, er schüttelte das kahlgewordene Haupt und öffnete das Kistchen. Eine goldene Öllampe kam zum Vorschein, besetzt mit Edelsteinen und verziert mit Gravierungen.
 

Erneut bildete sich eine steile Falte auf der Stirn des alten Inhabers des dunklen, muffigen Antiquitätengeschäftes, dessen Goldletter stolz „Antiquitäten Lowenstein & Sons“ verkündete. „Sons“ war Henry und er führte den Laden in der zweiten Generation fort. Der alte Lowenstein vor ihm war längst an Herzversagen gestorben und alles was er besaß, war an seinen einzigen Sohn gegangen. Da er es seit dem Verlassen der Highschool nicht sehr weit gebracht hatte, war für ihn der Laden zunächst DIE Goldquelle gewesen. Doch über die Jahre musste er schmerzhaft lernen, dass Amerikaner Kitsch unter Antiquitäten verstanden. Sie suchten nach nichts, das Stil vermittelte und ihn reich gemacht hätte. Jedenfalls die meisten seiner Kunden.
 

Lowenstein nahm die Lampe in seine zittrigen Hände. Sie funkelte, als sich das wenige Licht im Laden darin brach und sich das fahle Gesicht des alten Mannes breit wiederspiegelte. Seine Finger glitten über den mit Edelsteinen besetzten Deckel, strichen weiter über den gravierten, goldenen Bauch und zogen sich dann fast ängstlich zurück. Er hatte sie nicht bestellt. Jedenfalls erinnerte sich Lowenstein nicht mehr daran. Es gab keinen Absender, kein Lieferschein, nicht einmal eine Rechnung. Lowenstein nahm das jedoch als gutes Zeichen. Als ein Geschenk.
 

Mit langsamen Schritten trippelte er zum Schaufenster, dessen Auslage auf einem lila samtigen Teppich präsentiert wurde - eine alte Taschenuhr, eine viktorianische Uhr für den Kaminsims, eine Münzsammlung aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, einige Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Ein kleines Podest war noch frei, nachdem er vor einer Woche mit viel Überredungskünsten einer alten Dame aus Florida auf Besuch in Cleveland eine Tabakpfeife verkaufen konnte, die angeblich General Grant gehört hatte. Lowenstein wusste nicht einmal, wer Grant gewesen war, noch ob er zu Ruhm im Bürgerkrieg gekommen war oder ob er überhaupt rauchte. Hauptsache verkauft.
 

Die Öllampe rutschte ihm aus den Händen, als er sie auf das Podest stellen wollte und er musste einen Moment innehalten, um seine zittrigen Finger unter Kontrolle zu bekommen. Als die Lampe stand, dachte Lowenstein bereits daran, ein Preisschildchen anzubringen und eine erfundene Informationsgeschichte, um neugierige Leute zum Kauf zu bewegen.
 

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Cleveland

Kleine Einkaufsstrasse.

Später Nachmittag.

„Viel zu teuer,“ sagte Xander bestimmt, während er mit Buffy und Dawn an der Fensterscheibe eines Antiquitätengeschäftes klebte und sie sich die Nasen an dem Schaufenster mit den Goldlettern „Lowenstein & Sons“ platt drückten. Die Beleuchtung war nicht besonders und es kostete Mühe, die Preisschildchen zu entziffern.
 

„Glaubst du? Es soll schließlich unsere Zerknirschtheit ausdrücken....“, gab Buffy zu bedenken.
 

„Ich muss das Geschenk schließlich bezahlen,“ brummte Xander. „Und Giles wird sich sicher über alles mögliche freuen, denn der Gedanke alleine zählt, nicht der Preis.“
 

„Hey... ich bin auf dem besten Weg mir einen Job zu suchen. Dann bekommst du es zurück.“ Verteidigte sich Buffy.
 

„Ich könnte doch auch jobben?“ Schlug Dawn vor. „Das tun viele in meinem Alter. Dann könnte ich mich gebührend beteiligen...“
 

„Du wirst dich erst einmal auf die neue Schule konzentrieren.“ Wollte Buffy die Diskussion bestimmt beenden und deutete auf die Öllampe. „Was ist damit?“
 

Dawn zog ein langes Gesicht. Jedes mal blockte Buffy ab, wenn sie ihre Idee mit einem Job ansprach. Wo lag nur das Problem ihrer Schwester? Sie war doch alt genug? Und wenn sie sich ihr Taschengeld selbst verdiente, hatte Buffy eine Belastung weniger. Jedenfalls würde sie es nicht einen Tag mehr länger mit Giles, Lily und Buffy in der eng gewordenen Wohnung aushalten. Mit nur einem Badezimmer!
 

„Richtig... morgen, der große Tag. Wiedereinmal,“ murmelte Dawn lahm, statt zu widersprechen, als sie an die Schule dachte.
 

„Die Lampe?“ Xander zog die Stirn kraus. „Was will er damit?“ Er versuchte das Preisschild zu entziffern, aber es verschwamm vor seinem belasteten Auge. Er gewöhnte sich zwar langsam an die Situation, die Sehkraft von zwei Augen mit einem auszugleichen, aber hin und wieder gab es kleine Hürden oder starke Kopfschmerzen, die es zu nehmen und auszuhalten galten.

Der Preis wäre wirklich sehr interessant gewesen. Er war schließlich nicht Rockefeller, nur wieder in eine recht gute Position in der Baufirma gerutscht. Es reichte, um sich einen Wagen zu leisten, eine kleine Wohnung, die Steuern und Nebenkosten zu bezahlen und sich einen vollen Kühlschrank zu gönnen. Selbst Andrew konnte er streckenweise gut damit über die Runden bekommen. Aber auf die Dauer... er würde den nächst besten Job in der Firma anstreben, sich eine größere Wohnung suchen müssen, Rücklagen bilden für die Zukunft, an den Ruhestand denken... und irgendwann würde es auch Andrew schaffen auf eigenen Füssen zu stehen.
 

„Hast du nicht gelesen,“ klang Buffy etwas ungeduldig und tippte gegen die Scheibe. „Sie kommt aus dem Morgenland. Ein Schatz von Alibaba....“
 

„Und solche Geschichten glaubst du noch?“ Grinste Xander. „Ich dachte inzwischen...“
 

„Kann ich euch irgendwie helfen?“
 

Xander, Dawn und Buffy sahen zur Seite und erblickten einen gebeugten, alten Mann, der im Türrahmen erschienen war und sie aus schmalen, aber wachen Augen über seine Brille hinweg anblinzelte.
 

„Eh ja...“, Xander sah Buffy an.
 

„Also...“, Dawn stieß Buffy in die Seite.
 

„Wir suchen ein Geschenk,“ beendete Buffy das Gestammel ihrer Begleiter. „Für einen uhm... älteren He.. Kunstliebhaber?“ Unsicher sah sie zu Xander, der breit grinste. Gut das Giles nicht in der Nähe war, um Buffys Beschreibung zu hören, sonst wäre das „Wiedergutmachungsgeschenk“ gleich für die Katz gewesen.
 

„Ah, da seid ihr bei mir völlig richtig. Kommt doch herein?“ Der alte Mann drehte sich herum und betrat seinen Laden. Die drei waren gezwungen zu folgen – irgendwie. Im Inneren war es düsterer, als der äußere Eindruck vermuten ließ. Es roch fast ein wenig wie in der alten Schulbibliothek, dachte Xander und erinnerte sich wehmütig an den vermoderten Geruch von Giles alten Büchern.
 

Dawn stieß mit der Hüfte gegen ein Regal und etwas kam klirrend ins Rutschen. Alle drei zuckten erschrocken zusammen und lächelten den Inhaber nervös an, als er sich fragend herumdrehte. Wäre das hier Sunnydale gewesen.. sie wären wohl sofort wieder gegangen.
 

„An was habt ihr denn gedacht?“ Sie waren zwischen Regalen eingepfercht zum Stillstand gekommen und der alte Mann baute sich hinter der Ladentheke auf.
 

„Nun.. diese Öllampe im Schaufenster...,“ fingt Buffy an und bekam von Xander einen leichten Knuff in die Seite und der Satz ‚bestimmt zu teuer’ drang geflüstert an ihr Ohr.
 

„Oh ja. Ein sehr schönes und seltenes Stück“, log Lowenstein ohne nervös zu werden.
 

„Und sie ist wirklich aus dem Schatz von Alibaba?“ Fragte Buffy etwas naiv und sah Xander siegessicher an.
 

„Natürlich. Wir führen nur exklusive Ware und wenn Sie die Lampe von einem Experten untersuchen lassen, werden Sie feststellen, dass ich nicht gelogen habe.“ Lowenstein hatte die vielen letzten Jahre über, auf die Bequemlichkeit der Kunden gebaut. Kein einziger war je mit einem erstandenen Stück zu einem Schätzer oder Experten gegangen. Diese jungen Leute würden es ganz sicher auch nicht tun.
 

„Oh keine Sorge, wir glauben Ihnen. Wir wollten nur ganz sicher gehen.“ Sagte Buffy nun doch mit einem breiten Grinsen.
 

„Also die Lampe?“ Lowenstein verließ bereits seinen Standplatz und drängelte sich an Buffy und Xander vorbei, um sie aus dem Schaufenster zu holen. Buffy sah kurz Xander und Dawn fragend an. Dawn nickte und Xander nach anfänglichem Zögern ebenfalls.
 

„Wir nehmen sie!“
 

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OPENING CREDITS
 

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Cleveland

Lincoln-West High School

Am Morgen

Die Lincoln-West High School lag im frühen Morgenlicht vor Dawn, die ihre Tasche eng an die Brust gedrückt hielt und tief durchatmete. Das war sie also. Ihre neue Schule. Dort würde sie die nächsten zwei Jahre versuchen zu überleben. Falls Cleveland so lange stand. Dawn war sich da nämlich nicht so sicher. Aber die High School würde schon nicht auf dem Höllenschlund stehen. Ein recht kindlicher Gedanke, schimpfte sich Dawn selbst. Schließlich war immer alles möglich. Die Schule war jedoch recht klein und lag nicht direkt in der City. Die Gefahr Zentrum von allem Bösen zu werden oder zu sein, war gering. Aber nicht auszuschließen.
 

Ein Schulbus kam in diesem Moment hinter ihr quietschend zum Stillstand. Die Türen klappten auf und zu dem regen, bunten Treiben vor der Schule strömte eine weitere Traube lebendiger Schüler hinzu, die einem langweiligen Tag entgegenblickten – je nachdem wie man Schule definierte.
 

Jetzt bedauerte es Dawn doch, Buffy nicht als moralische Unterstützung mitgenommen zu haben. Da ihr jedoch noch sehr gut ihr erster mehr als peinlicher Schultag an der neuen Sunnydale High im Gedächtnis war, hatte sie dankend das Angebot ihrer Schwester heute Morgen abgelehnt. Sie wollte hier nicht gleich negativ auffallen. Es war so oder so schwierig genug „die Neue“ zu sein. Zudem musste Dawn beweisen, dass sie tatsächlich reifer und erwachsener geworden war, dass man ihr mehr zutrauen konnte und sie ganz gut zurecht kam.
 

Sie straffte ihre Schultern, glättete ihr Haar und ging gerade auf den gläsernen Eingang des sandsteinfarbigen Gebäudes zu. Es würde schon schief gehen - irgendwie.
 

In ihren Gedanken versunken, bekam Dawn nicht mit, wie links hinter ihr jemand „Vorsicht!“ und „Achtung!“ schrie. Dann passierte alles ziemlich schnell und irgendwie gleichzeitig – ein Softball flog scharf über ihren Kopf hinweg und sie wurde grob zur Seite gestoßen. Die Tasche fiel ihr aus den Armen, platzte auf dem Asphaltweg auf, ließ den gesamten Inhalt großflächig herausregnen und Dawn selbst, konnte sich gerade noch so auffangen und das Gleichgewicht wahren. Trotzdem stieß sie empfindlich heftig mit ihren Knien gegen eine Mauer.
 

„Tut mir schrecklich leid. Ist alles in Ordnung bei dir?“
 

Die tiefe Stimme drang ganz langsam zu Dawn durch und sie schüttelte fast benommen den Kopf, ehe sie ihn zur Seite drehte und den großen Jungen anstarrte, der unbeholfen an ihrer Seite stand und sehr verlegen wirkte. Er fuhr sich nervös mit seiner Hand durch das kurze, dunkelblonde Haar, ehe er seine Umhängetasche abnahm, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Er ließ sie auf den Weg gleiten und zog sich den Fanghandschuh aus, den er achtlos neben die Tasche warf. Dawn beobachtete ihn fassungslos dabei, wie er sich neben ihr nieder kniete, um ihre Sachen einzupacken. „Ich hab’ noch Achtung gerufen, aber du scheinst mich nicht gehört zu haben.“
 

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass irgendwelche Idioten vor der Schule am frühen Morgen Baseball spielen.“ Dawn klang gereizt. Genau solch eine Szene hatte sie sich nicht gewünscht. Sie fühlte ziemlich alle Blicke auf sich gerichtet und wäre auf der Stelle am liebsten im Erdboden versunken.
 

Der Junge grinste. „Na ja, das schließt dann wohl mich und meinen Freund Marvin ein. Übrigens... ich bin Leroy.“ Er stand auf und reichte Dawn die Tasche zurück.
 

Dawn zog ein Gesicht, das deutlich machte, dass sie abwog, ob sie dem Jungen ihren Namen verraten sollte. „Dawn,“ rang sie sich schließlich doch noch dazu durch.
 

„Oh, du bist die Neue? Summers, oder?“ Leroy bückte sich nach seinen Sachen. Vor Dawns Augen wurde das Team-Emblem, eine comicartige Wespe im Angriff-Flug, auf dem Rücken von Leroy sichtbar, sowie der Name der Schulmannschaft – Pushy Wasps.
 

„Ja,“ brummte Dawn. „Und jede Wette, dass jetzt die gesamte Schule von meiner Ankunft erfahren hat?“
 

„Hey... ich sagte doch es tut mir leid. Marvin,“ er winkte dem drahtigen Jungen einige Meter von ihnen entfernt zu, der nickte und sich in Bewegung setzte. „Trainiert für die Endausscheidung als Werfer im Team.“ Leroy blickte auf die Uhr. „Die ist in fünf Minuten. Hab’ ihn nur etwas warm gemacht.“
 

Dawn verdrehte die Augen. Diese Sportler waren doch an allen Schulen dieselben. Sahen gut aus, hatten aber nichts im Kopf. Wobei... Dawn nahm sich kurz die Zeit, um sich diesen Leroy, der sie zwar fast über den Haufen gerannt hatte, aber trotzdem höflich blieb, etwas genauer anzusehen. Er war niedlich, wirkte wie ein großes Kind, das aus Versehen in die Pubertät geraten war und nie wieder herausgefunden hatte. Groß, sportlich und doch unbeholfen. Seine Augen hatten etwas interessantes und sein Lächeln war strahlend. Aber nein... der Quarterback an der SHS hatte ihr gereicht. Sie würde sich so schnell nicht wieder in einen Sportler und Schönling verlieben. Hier gab es sicher noch jede Menge andere Jungs, für die man sich nicht umbringen wollte, nur weil sie eine verzauberte Jacke trugen.
 

Marvin war inzwischen zu ihnen gestoßen und knetete verlegen seinen Wurfhandschuh. „Hey... tut mir leid. War ja eigentlich meine Schuld. Alles in Ordnung.“
 

„Ich denke schon,“ Dawn zeigte zum Sportplatz, auf dem sich bereits Schüler in Baseball-Uniformen drängten. „Ihr solltet euch wohl lieber beeilen.“
 

Die beiden nickten und Dawn sah ihnen nach einer kurzen Verabschiedung hinterher, schüttelte den Kopf und legte die wenigen Schritte zum Eingang zurück. Sie kam an einer Steinbank vorbei, auf der sich drei Schüler bequem in der warmen Herbstsonne aalten.
 

„Summers?“
 

Dawn blieb stehen und blickte den Jungen, der auf der Lehne saß, irritiert an.
 

„Die Neue oder? Die Schule ist so verdammt klein, dass das immer gleich auffällt.“

Dawn sah misstrauisch den schlaksigen Jungen mit der gepiercten Augenbraue an.
 

„Oh ich bin Sam. Das sind übrigens Mara und Josh. Sind zusammen die beiden.“ Josh der Maras Kopf im Schoss liegen hatte, beugte sich demonstrativ herunter und küsste ungeniert Maras Lippen.
 

Als sich Dawn von dem Verhalten erholt hatte, nickte sie verspätet auf Sams Frage.
 

„Dachte ich es mir doch. Ihr schuldet mir zehn Dollar.“
 

Mara und Josh verzogen das Gesicht, zogen aber ohne Murren das Geld aus ihren Hosentaschen und gaben es Sam.
 

„Leroy ist übrigens ein Idiot. Der typische Sportstar einer Highschool. Der Rex würde ihn überall durchheben, Hauptsache Leroy spielt weiter im Team. Mach dir am besten nichts aus seiner rüpelhaften Art. Er hat einen IQ von ... es wäre zu peinlich, darüber zu reden.“ Sam sprang von der Bank. „Ich glaube wir haben ein paar Kurse zusammen. Da hier nie was passiert... führ ich dich gerne herum und du erzählst uns, wo du herkommst.“
 

Dawn fühlte sich völlig von Sams Art überrumpelt. Erst hielt sie es für plumpe Anmache, dann für echtes Interesse und schließlich sogar für so etwas wie Charme. Sie lächelte. „Okay.. wieso nicht?“
 

Mara und Josh standen auf und gesellten sich zu ihnen.
 

„Lass dich lieber nicht von Sams Art abschrecken. Er kann verdammt aufdringlich sein,“ kicherte Mara und schüttelte sich ihren blonden Pony aus dem Gesicht. „Ist aber sonst ein ganz lieber. Er versucht nur sein Image zu ändern.“
 

„Ach halt die Klappe,“ murrte Sam und öffnete Dawn die Türe.
 

„Vom Computergenie hin zum Punker.“ Grinste Josh und bekam eine Kopfnuss, als er an Sam vorbeiging.
 

„Seid ihr so etwas wie ne Gang,“ fragte Dawn vorsichtig und erntete lautes Gelächter. Als sich die drei wieder beruhigt hatten, erklärte ihr Sam:
 

„Die Gang, meine liebe Summers, sind die da.“ Er zeigte auf eine Gruppe Jugendliche, die sich um einen Ghettoblaster scharrten und tiefen Bassklängen lauschten, während ihre Hände in abgetragenen Lederhosen steckten und die ausgefransten Jeansjacken darüber irgendetwas von einem Club erzählten, der sicher nur für wahre Kerle und kleine Luder bestimmt war. Sie versuchten krampfhaft cool und gefährlich zu wirken. „Teuflisch gefährliche Jungs. Jedenfalls halten sie sich dafür.“
 

„Teuflisch,“ fragte Dawn panisch, aus Angst es stecke mehr dahinter.
 

„Ich wüsste nicht, wie ich sie sonst beschreiben sollte. Oder diese Gang.“ Sein Tonfall verriet Dawn, dass nichts weiter dahinter war. Sam zeigte weiter den Flur herunter. Eine Schar Mädchen hatte sich um eine Sitzecke gescharrt und ihr Gekicher drang noch zu ihnen herüber. „Trishas Weiberclan. Hat wohl jede Highschool. Frisuren, Make up, Kleider, Autos, Jungs... was wesentlich Interessanteres werden sie nicht bequatschen,“ winkte Sam ab. „Dann gibt es noch die Organisation der Sportler, eine Ansammlung von Idioten, die sich beweisen müssen und die Cheerleader. Wobei die fast zu Trishas Fraktion gehören.“
 

„Und ihr?“ Dawn sah von einem zum anderen.
 

„Wir? Wir sind harmlos,“ winkte Josh ab und kramte nach Münzgeld, um sich am Getränkeautomaten am Eingang eine Dose zu ziehen.
 

„Normalos wollte er damit sagen,“ führte Sam seine Rede fort. „Leichte Beute für die,“ er zeigte von Gang eins weiter zu den anderen. „Für die und für die.“
 

„Für ihren Spott, für ihre Streiche und Gemeinheiten,“ ergänzte Mara und zog ihr Top zurecht, als sie sich ihre Lederjacke abstreifte.
 

„Wieso seid ihr nicht ...“
 

„Bei den anderen?“ Sam lachte. „Ich weiß nicht.. Mara hat sich nie viel aus Cheerleader oder Klatsch gemacht, Josh ist nicht der sportlichste und ich habe keine Lust wegen dem Sauhaufen da drüben ständig Schulausschluss zu kassieren. Daddy droht sowieso regelmäßig mit der Militärakademie,“ grinste Sam und Dawn wusste nicht, wie ernst Sam das wirklich meinte. Sie nickte daher nur stumm. Und fand eigentlich Mara sehr hübsch mit ihrem fast makellosen Körper, ihren Formen und dem geschmackvollen Outfit. Sie hätte es sicher mit jeder Trisha aufnehmen können. Und Josh wirkte sportlich wie jeder andere auch. Bei Sam war sie sich unsicher. Er war.. fast ein wenig zu sehr bestrebt intellektuell zu wirken. Vielleicht war er der einzige, der wirklich in keine der Gruppen passte und daher das Interesse von Josh und Mara genoss.
 

„Okay.. das heißt für mich wohl... ihr seid die richtige Gruppe für mich?“
 

„Oh das würden wir nie behaupten.. aber wenn du Wert auf gepflegte Unterhaltungen legst, und nicht nur den neusten Schrei aus New York ausdiskutieren möchtest, bist du bei uns schon richtig.“ Sagte Josh, als er die Dose öffnete und einen Schluck nahm.
 

Der Schulgong ertönte und erneut kam Bewegung in die Schule.
 

„Auwei... Englisch bei der alten Hexe,“ Sam schüttelte den Kopf. „Nicht gerade die beste Stunde, um deinen ersten Schultag anzufangen.“
 

„Hexe?“ Fragte Dawn erneut panisch.
 

„Ist irgendwas mit dir?“ Mara sah Dawn misstrauisch an.
 

„Oh nein.. ich ... ich will mich nur informieren.“ Redete sich Dawn heraus.
 

„Sie ist ne alte Jungfer, nicht mehr,“ erklärte Josh. „Streng, biestig, trocken und langweilig.. wirst schon sehen.“
 

„Tolle Aussichten,“ verdrehte Dawn ihre Augen und folgte den dreien. Irgendwie waren sie ... lustig. Und Dawn war froh, dass sie sich offensichtlich für sie interessierten und sich um sie kümmerten.
 

++++
 

College

Willow´s Zimmer

Gegen Abend.

Die langsam hinter dem Horizont verschwindende Sonne tauchte Clevelands Häuserwände in karmesinrot.
 

Willow Rosenberg kramte in ihrer Tasche nach ihren Psychologiebüchern. Sie wollte noch ein bisschen lernen, bevor Kennedy kam und sie ablenken würde. Als sie endlich fündig wurde und das gesuchte Buch in ihren Händen hielt, musste Willow unwillkürlich an ihre letzte Psychologie-Dozentin, Prof. Walsh denken. Willow schauderte bei dem Gedanken an sie, verscheuchte sie aber wieder ganz rasch. Prof. MacBeth schien ganz nett und normal zu sein. Normal bedeutete für Willow nicht an Cyber-Dämonen interessiert zu sein oder Buffy töten zu wollen.
 

Willow hatte ihren Schreibtisch fast erreicht, als sie plötzlich inne hielt. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihren Magen als hätte man sie heftig getreten. Eine einfache Magenverstimmung? Nein, es fühlte sich anders an und Willow spürte langsam Panik in sich aufsteigen. Der Schmerz wurde stärker und die Hexe hielt sich an der Tischkante fest, die sie nun erreicht hatte. Sie presste die Augen zusammen und hoffte die Schmerzen würden nachlassen, doch das taten sie nicht.
 

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Eine Lagerhalle.

Selbe Zeit

Der gewaltige Schlag eines Vampirs traf Faith so fest in den Magen, dass die Jägerin für einen Augenblick nach Luft schnappen musste. Nach vorne übergekippt, blickte die Jägerin keuchend auf. Der Vampir stand schadenfroh grinsend vor ihr. Eigentlich hatte Faith selbst Schuld. Sie war dem Vampir mit den anderen, ohne nachzudenken, durch die Kanalisation gefolgt und die Flucht des Blutsaugers war hier geendet in einer Lagerhalle. Sie war zwar ein berüchtigtes Vampirversteck, aber sicher nicht gut geeignet für einen großen Kampf.
 

Seltsamerweise war das Versteck jedoch leer. Vielleicht hatte man schon gestern von ihrer Ankunft gehört...
 

Der Feind holte zu einem Schwinger aus, der Faith so unglücklich traf, dass sie aus dem Gleichgewicht kam. Der zweite Schlag des Vampirs, schleuderte die Jägerin gegen einen Stapel Kisten. Das abgesplitterte Holz bohrte sich in Faiths Rippe. Die Jägerin grunzte vor Schmerz.
 

Erneut verzog der Vampir seine Fratze zu einem breiten, zufriedenen Grinsen. Aufgebracht und wütend setzte Faith sofort mit einer Faustkombination nach. Ihr Gegner durfte einfach nicht die Zeit finden Gegenangriffe zu starten, die der Jägerin noch mehr Kraft kosten würden. Doch gerade als Faith versuchte ihm einen Kinnhaken zu verpassen, war der Vampir schneller, fing ihre Faust mitten in der Bewegung ab und schlug ihr mit der noch zur Verfügung stehenden Hand so hart ins Gesicht, dass Faith ins Straucheln geriet.
 

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Cleveland. Unigelände

Selbe Zeit

Glücklicherweise hatte Kennedy nicht so lange gebraucht um ein paar Klamotten einzukaufen, wie sie gedacht hatte. Umso besser, dachte die Jägerin vergnügt. So kam sie schneller zu Willow, die sie sicher schon sehnsüchtig erwartete. Kennedy konnte nicht behaupten, dass sie sich weniger darauf freute den Tag mit ihrer Freundin gemeinsam ausklingen zu lassen. Fast zaghaft klopfte sie an die Tür zu Willows Zimmer.
 

’Wieso wohnen wir eigentlich nicht zusammen?, überlegte Kennedy. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich diese Frage stellte. Aber in einem Punkt war Willow eine Weltmeisterin. Darin unangenehme Entscheidungen aufzuschieben. „Ich will noch warten, Kennedy. In letzter Zeit passiert so unglaublich viel. Die Sache mit der Hüterin, der neu aufgebaute Rat und dann das neue Leben in Cleveland. Ich will einfach nichts falsch machen, verstehst du?“ Kennedy hatte sich, wenn auch mit einem kleinen Funken von Ärger, schließlich geschlagen gegeben.
 

Jetzt stand sie hier vor Zimmer 145 in der Chreston-Hall – Willows Zimmer - und wartete darauf, dass von drinnen eine Antwort auf ihr Klopfen kam. Doch nichts tat sich. Besorgt runzelte Kennedy die Stirn. War Willow etwa so in ihre Bücher vertieft, dass sie ihre Umwelt schon gar nicht mehr wahrnahm? Dieser Gedanke brachte Kennedy zum schmunzeln und so öffnete sie die Tür. Egal, ob Antwort oder nicht. Was die Jägerin sah ließ sie betroffen innehalten. Willow hatte sich über den Tisch gebeugt, eine Hand war gegen ihren Bauch gepresst und mit der anderen hielt sich so fest an der Kante fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Kennedy ließ die Einkaufstüten auf den Boden fallen, wodurch der Inhalt hervorquoll und sich verteilte, ließ die Tür ins Schloss knallen und rannte zu Willow. Panik erfasste die Jägerin.
 

„Willow!!!...Hey, was ist los?“ fragte Kennedy, während sie die Hexe sanft zu einem Stuhl führte, damit sie sich setzen konnte. Willows Gesichtszüge entspannten sich allmählich, aber Kennedy war dennoch besorgt. Was war mit ihr los?

Willow versuchte trotz der Schmerzen, die noch immer wie ein Echo in ihrem Magen, in ihrem Kopf und in der Seite hämmerten, zu lächeln. Kennedy sollte sich nicht unnötig sorgen. Vielleicht, so hoffte Willow war es ja nicht so schlimm. „Nichts. Ich hatte nur Magenschmerzen und jetzt noch ein wenig Kopfschmerzen,“ die rothaarige Hexe sah ihrer Freundin zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Kennedy sah besorgt aus und schien ihrer Freundin nicht so recht zu glauben. Willow lächelte und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Mach dir keine Sorgen. Hatten wir heute nicht noch irgendwas vor?“ fragte die Hexe und grinste neckisch.
 

Kennedy erwiderte es und führte Willow zum Bett, wo sie sich gemeinsam niederließen, sich küssten und eng aneinander kuschelten. Kennedy spürte wie Willow gleichmäßig aus- und einatmete und küsste sie beruhigt. Die Schmerzen waren wohl genauso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen waren.
 

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Lagerhalle

Selbe Zeit

Die Jägerin versuchte den Schmerz zu ignorieren und antwortete auf die Attacke des Vampirs mit einem Tritt der so hart war, dass er den Angreifer zu Boden streckte. Der Vampir knurrte wütend und rappelte sich auf.
 

„Gar nicht so schlecht. Du musst wohl eine Jägerin sein!!“ stellte er fest.
 

„Oh hast du das auch schon gecheckt?!“
 

„Hm.. trotzdem,“ der Vampir griff blitzschnell zu und hob Faith an der Kehle hoch. „Für eine Jägerin bist du aber nicht sehr auf Draht!!“, dabei wandte er seine gelben Augen ihrer Halsschlagader zu.
 

Die Jägerin knurrte wütend. Außerdem wollte sie diesen Kampf wegen ihrer Schmerzen so schnell wie möglich beenden, damit der Vampir nicht noch mehr Vorteile für sich nutzen konnte.
 

Mit Hilfe eines Überschlages, der den Vampir völlig unerwartet traf, schaffte sie es sich aus dem Griff ihres Gegners zu befreien. Der Blutsauger wurde in eine Kiste geschleudert, die sich am anderen Ende der Halle befand, und zerbrach. Faith grinste ein wenig über diesen kleinen Triumph. Dann schritt sie schnellen Schrittes zu dem Vampir, schlug ihren Kopf auf seinen, damit er nicht noch einmal die Chance bekam um aufzustehen und um einen Überraschungsangriff auf sie zu starten. Die Jägerin schnappte sich einen von den Holzsplittern, die von der Kiste heraus gebrochen waren und jagte ihn dem Vampir durchs Herz. Mit einem lauten Geräusch verwandelte sich ihr Gegner in eine Staubwolke. Faith lächelte und klopfte sich den Staub von ihrer engen Jacke, während sie aus der Halle in die Abenddämmerung trat. Es war kühl geworden und die Schatten wurden länger.
 

„Siehst du? War doch gar nicht so schwer!“
 

Faith wandte sich einem Gebüsch zu, aus dem wenig später Robin und Kimberly, die junge Jägerin, die sie vor ein paar Tagen aufgelesen hatten, traten. Kimberly sah wahrhaft so aus als könne sie Tipps von einer erfahrenen Jägerin gebrauchen.

Kimberly begutachtete Faiths Rippe und Magen, die der Vampir ziemlich hart erwischt hatte.

“Der Vampir hat dich ziemlich geschafft!!“ meinte sie schließlich.
 

Faith machte zuerst ein entrüstetes Gesicht, lächelte aber dann milde.

„Hey! Ich lebe noch, also Punkt für mich, oder?“
 

Kimberlys Augen weiteten sich erschrocken. Sicher, sie hatte schon einem Vampir gegenüber gestanden, aber die Tatsache, dass sie sich ernsthaft verletzen konnte, hatte sie bisher verdrängt.

Faith, die bemerkte, dass sie Kimberly nicht gerade aufgebaut, sondern eher verunsichert hatte, kaute verlegen auf ihrer Unterlippe.
 

„Also, wenn du sie aufbauen wolltest…herzlichen Glückwunsch!!“ flüsterte Robin neben Faith.
 

„Du bist von uns doch der Pädagoge,“ zischte sie zurück und wandte sich dann an Kimberly.
 

„Hör mal. Es wird schon nicht so schlimm werden. Ich kenne eine Jägerin, die sogar schon zweimal gestorben und immer wieder....na ja...auferstanden ist.“
 

Hilfesuchend wandte sich die braunhaarige, erfahrenere Jägerin an Robin, der jedoch nur über Faith und ihre Motivationsversuche schmunzeln konnte.
 

„Ich schätze zu fragen, ob es eine Krankenversicherung für Jägerinnen gibt, ist überflüssig, oder?“ versuchte Kimberly von ihrer Angst abzulenken. Es war als begreife sie erst jetzt in welcher Gefahr sie mit ihrem „Beruf“ tatsächlich schwebte.

Der Blick von Faith und Robin war Kimberly Antwort genug und so seufzte sie nur hilflos:

„Dachte ich´s mir doch!!“
 

Aber obwohl es Kimberly Angst machte sich damit auseinander zu setzen, dass sie womöglich einen Kampf mal nicht gewinnen und sterben konnte, so wusste sie auch, dass die Chancen gut standen, soviel Glück wie diese Jägerin zu haben, von der ihr Faith vorhin erzählt hatte. Ein tröstlicher Gedanke, überlegte Kimberly und lächelte.
 

„Okay. Ich schlage vor, jetzt versuchst du es mal,“ meinte Faith und klopfte Kimberly aufmunternd auf die Schulter.
 

„Und denk an die wichtigste Regel: Lass dich nicht töten!“ warf Robin ein und trottete den beiden Mädchen hinterher in eine dunkle Gasse, von der sich Faith sicher war, dass sie – trotz der Tatsache, dass eine Jägerin hier war – bei Dunkelheit von Vampiren nur so wimmelte.
 

++++
 

Cleveland

Xanders und Andrews Wohnung

Selbe Zeit

“Andrew, das ist ein Schöpflöffel!” Mit leicht panischem Gesichtsausdruck ließ Xander seine Aktentasche fallen, und kam in die Küche gestürmt, wo Andrew gerade den bereits rauchenden Ofen geöffnet hatte. “Man benutzt keinen Schöpflöffel, um Brötchen aus dem Ofen zu holen! Du wirst ihn noch verbiegen!”
 

“Versuche nicht, den Löffel zu verbiegen!” Andrew setzte sein – wie er meinte – weisestes Zenmeister Gesicht auf, und hob die Handflächen gen Himmel, was in der langen Kochschürze, und dem kleinen weißen Mützchen auf seinem Wuschelhaar hoffnungslos lächerlich aussah. “Denk immer nur daran: Es gibt keinen Löffel!”
 

“Benutze die Gabel, Luke!” Xander riss den Besteckkasten auf, und holte die breite Schubgabel heraus, die sie normalerweise für Pommes Frites verwendeten. Beleidigt nahm Andrew sie ihm aus der Hand und beförderte die leicht angekohlten Brötchen auf einen Teller. “Ich koche! Du setzt dich hin, und wartest, bis es Essen gibt!”
 

“Okay, okay!” Xander machte kehrt und marschierte ins Wohnzimmer zurück, wo er sich seines Jacketts entledigte, und sich an den Tisch setzte, den Andrew bereits für zwei Personen gedeckt hatte. Er verkniff sich jede Bemerkung darüber, dass Gabeln, Messer, und Becher wild um die beiden Teller verstreut lagen. Inzwischen hatte er so seine Erfahrung mit Andrews Versuchen, sich im Haushalt nützlich zu machen, und wusste, dass man sich die Kritik besser für die wirklich wichtigen Dinge aufhob. Und bei Geschirr hieß das, zumindest solange zu warten, bis es zerbrochen war, bevor man ihn zurecht wies. Na ja, kurz davor eben.
 

Er sah sich im Zimmer um, wenigstens war die Wohnung endlich aufgeräumt. Andrew hatte den Müll runtergetragen, und seinen Krempel, so gut es ging, in Schränke, und Regale verstaut. Selbst den Boden hatte er gesaugt, wenn man davon absah, dass nun mindestens ein kleines He-Man Schwert in der Röhre des Staubsaugers feststeckte, und es Xander eine Extrastunde Arbeit kosten würde, das Ding wieder zum Laufen zu bringen.
 

Seufzend schob Xander das Besteck neben die Teller. Manchmal erinnerte der Junge echt an ein Wesen vom anderen Stern, das verzweifelt versuchte, die Gebräuche der Menschen zu erlernen. Wie in einem Science Fiction Roman.
 

Nein, wie im echten Leben! Wie eine tausend Jahre alte Ex-Dämonin, die plötzlich gezwungen war, ein menschliches Leben zu führen. Und erst langsam, und mühsam lernen musste, wie so etwas funktionierte.
 

Er schob den Gedanken sofort beiseite. Das Allerletzte, was er jetzt brauchte, waren sinnlose Grübeleien über das Schicksal, und warum es so entschieden hatte, und nicht andersrum. Sie hätte das nicht gewollt, soviel war sicher.
 

“Wir können essen!” Stolz kam Andrew aus der Küche gestapft, und balancierte dabei zwei riesige Schüsseln und einen Brötchenteller auf den Händen. Xander konnte gar nicht hinsehen. Nervös rutschte er auf der Stuhlkante herum, sofort zum Sprung bereit, falls wieder etwas zu Boden ging. Zum soundsovielten Male fragte er sich, warum er nicht einfach nach der Arbeit irgendwo vorbeigegangen, und sich etwas zu essen mitgenommen hatte. Aber dafür war es jetzt zu spät. Jetzt würde er diese “klingonische Spezialität”, wie Andrew sie nannte, eben ertragen müssen. Nun gut, solange er kein qagh zum Nachtisch verspeisen musste...
 

Außerdem hatte er mit dem Jungen noch ein Hühnchen zu rupfen, was seine nächtliche Zusammenkunft mit Dawn betraf. Buffy wollte wissen, was zwischen den beiden wirklich passiert war, und wie es jetzt weitergehen, oder besser gesagt, nicht weitergehen würde, wenn Andrew seinen Kopf auf den Schultern behalten wollte.
 

Sollte der kleine Trekkie wirklich in die Pubertät gekommen sein? Wurde ja auch langsam Zeit!
 

Aber er und Dawn? Konnte das gut gehen? Und selbst wenn, würde Buffy damit klarkommen? Wahrscheinlich ging es nicht einmal so sehr um Andrew, als um die Tatsache das die kleine Schwester langsam erwachsen wurde. Und dazu gehörte im allgemeinen auch ein Freund.
 

Das Essen schien eine Art Eintopf zu sein, überlegte Xander, als er sich die Mischung aus Fleisch, Gemüse und Soße auf seinen Reis häufte. Irgend etwas in der Richtung Indisch-Mexikanisch. Jedenfalls bemühte er sich, nicht zu sehr das Gesicht zu verziehen, als er den ersten Bissen nahm, und sein Mund zu explodieren schien.
 

“Sehr lecker!” brachte er heraus, und Andrew strahlte wie ein Honigkuchenpferd. “Iß Brötchen dazu,” schlug er vor, “dann ist es nicht so scharf!” Er selbst futterte das Zeug löffelweise runter, und störte sich nicht im Geringsten am scharfen Geschmack. Xander griff erst mal nach der Cokeflasche.
 

“Eigentlich gehört Blutwein dazu, aber ich habe nirgends ein Rezept gefunden, wie man den herstellt,” erklärte Andrew. “Aber geben muss es das, denn ich hab im Netz gelesen, dass sie ihn manchmal auf den Cons ausschenken.“
 

“Du warst noch nie auf einer Star Trek Con?” fragte Xander überrascht. Das hätte er jetzt nicht erwartet. Nicht von einem Science Fiction Verrückten, wie Andrew.
 

“Kein Geld!” Andrew schüttelte den Kopf. “Wir wollten, später, wenn wir welches haben, und aus Sunnydale weg sind, aber.....sieh mal, wir sind in einem Coke Film,” wechselte er plötzlich das Thema, und deutete auf die Flasche.
 

“Nun, willkommen in Cleveland, Convention City.” Xander grinste breit. “Was darf’s denn sein? Star Trek, Star Wars, B5, oder Herr der Ringe? Xena, vielleicht?“
 

Andrew stieß beinahe seinen Trinkbecher um. “Du willst mit mir... auf eine Con gehen?” fragte er fassungslos, als hätte Xander ihm soeben einen Heiratsantrag gemacht. “Wirklich? Nicht geflunkert?”
 

“Vulkanier flunkern niemals,” sagte Xander halb ernst halb scherzhaft, und wunderte sich wieder einmal darüber, welch einfache Dinge es brauchte, um Andrew glücklich zu machen. Man konnte glatt neidisch werden! War es wirklich schon so lange her, dass er mit Willow vor der Glotze rumgehangen und sich SF Serien reingezogen hatte? Oh ja, verdammt lange her! Das war sogar noch, bevor sie Buffy kannten.
 

Dann hatten die Friedhofspatroullien allmählich die langen Fernsehabende abgelöst, und sie waren zu sehr in ihre eigenen Probleme verwickelt gewesen, um sich noch groß um die Schicksale von Captain Picard und Commander Sinclair zu kümmern. Und als Willow dann aufs College ging, und sich für Hexerei interessierte, hatte sich sowieso alles geändert. Wenigstens hatte es damals noch Oz gegeben, der seine Filmsprüche und Comiczitate verstanden hatte, und mit ihm über die verschiedenen Arten von Kryptonit diskutieren konnte. Aber dann...
 

Vielleicht war es das, was er in Andrew sah, eine Möglichkeit, in frühere Zeiten zurückzukehren. Sozusagen, Urlaub vom Ernst des Lebens. Sich wieder, wenigstens für kurze Zeit, wie ein Teenager zu fühlen, und die Probleme, mit denen man als Erwachsener konfrontiert wurde, für einige Stunden beiseite zu schieben. Vielleicht brauchte er das jetzt einfach, nach allem, was geschehen war. Eine Auszeit. So wie damals in der Nacht vor dem großen Kampf, als sie zusammen D&D gespielt hatten. Egal, wie albern es in einer solch ernsten Situation schien.
 

“Du und ich, auf einer Con,” wiederholte Andrew immer noch total perplex, “das ist so ...wow! Was für Kostüme wollen wir uns eigentlich machen?”
 

Xander seufzte. Wie er jetzt noch das Thema auf Dawn bringen sollte, war ihm schleierhaft.
 

++++
 

Cleveland

Giles Wohnung

Selbe Zeit

„Und wo genau befindet sich jetzt dieser Höllenschlund?“ Lily fuhr sich mit einer Hand durch das lange, dunkelbraune Haar und strich sich eine Falte aus der Hose. Sie war müde und wirkte ein wenig gelangweilt. Sie saßen hier nun schon seit zwei Stunden zusammen und redeten permanent über Berufliches. Natürlich war ihr Tun vorrangig und wichtig, aber schon in London war ihnen so wenig Zeit geblieben, um sich gemeinsam an die alten Zeiten zu erinnern. Irgendwann brauchte doch auch Rupert mal eine Pause?
 

„Nun ja, dass ist ja das Problem. Wir haben keine Aufzeichnungen,“ schien Giles zu resignieren. „Jedenfalls keine mehr, die uns die Lage verraten würden. Noch irgendwelche, die uns etwas über die Aktivitäten hier verraten könnten. Der Wächter, den wir für Cleveland vor dem Untergang ab beordert hatten, ist seltsamerweise verschwunden, bevor die Morde von... an uns begannen.“ Fügte er leise hinzu, räusperte sich dann und fuhr fort. „Seine Aufzeichnungen mit ihm. Wir können uns nur auf das Wenige verlassen, das wir quasi noch vom Hörensagen wissen. Und das ist leider nicht viel.“ Er rutschte auf dem Sessel zur Seite und griff hinter sich. Etwas hatte ihm empfindlich in den Rücken gestochen. Er fingerte einen Manga hervor, den entweder Xander oder Andrew vergessen hatten. In den letzten Tagen fand er in allen Räumen irgendetwas, dass nicht ihm gehörte. Langsam aber sicher sehnte er sich nach Ruhe und einer Wohnung, die sein eigen war. Das alles hatte er doch schon einmal durchgemacht und auf eine Wiederholung konnte er verzichten. Trotzdem würde er Buffy oder Dawn nicht einfach vor die Türe setzen. Sie waren hier so lange willkommen wie sie wollten. Auch wenn Buffy offensichtlich im Moment weniger das Gefühl hatte und eine eigene Wohnung suchte. Aber Buffy von ihrem Vorhaben abzubringen, kam ihm auch nicht in den Sinn.
 

Lilys Pläne waren noch wage, aber zur zweit würde die Wohnung noch immer mehr Platz bieten, als zu viert.
 

„Allerdings,“ murrte Lily. „So gut wie nichts. Außer, dass Cleveland einen Höllenschlund haben soll. Beherbergt jeder Höllenschlund ein Heer an Übervampiren?“
 

„Nun das möchte ich doch bezweifeln.“ Dabei verdrängte er schnell Lilys Frage. Ähnliche Gedanken hatte er sich die Monate über immer wieder selbst gemacht, aber war nie zu einer beruhigenden Antwort gekommen. „Wir wissen, dass ein Höllenschlund ein Art Portal ist. Ein Wandelgang, von einer Wirklichkeit zur anderen. Nun ja, wer weiß, wie es zu öffnen ist, kann jeden Dämon, jeden Vampir in unsere Welt holen, den er möchte. Ansonsten schätze ich den Schlund hier nicht anders ein, als den inzwischen für alle Zeiten geschlossenen in Sunnydale. Er wird jede Menge Arbeit für unsere beiden Jägerinnen bedeuten. Dabei stellt sich mir immer noch die Frage, woher ein Höllenschlund kommt, wieso es zwei in den Staaten gibt und existieren noch mehr?“ Giles schloss erschöpft von den vielen Theorien, die sie in den letzten Stunden aufgestellt, verworfen und ausdiskutiert hatten, die Augen.
 

Lily seufzte. „Ja, wie gut, dass wir überall jetzt Jägerinnen haben.“ Lily klang ein wenig halbherzig überzeugt, lächelte dann jedoch. „Und wie gut, dass wir die Erfahrenste bei uns haben.“
 

Giles lächelte müde. Da war er sich nicht so sicher. Buffy wurde jetzt wirklich nur noch davon geleitet, was sie selbst für richtig und gut hielt. Es gab keinen Druck, es gab keinen Zwang. Würde Buffy weiterkämpfen, wenn sie je wieder vor einer solchen Belastung, Bedrohung standen, wie vor einem viertel Jahr? „Weil wir gerade davon sprechen.. Faith hat eine Jägerin in einem Ort, namens...,“ Giles zog die Stirn kraus, als er sich an den Namen zu erinnern versuchte. „Silent Hill gefunden. Willow scheint sie gespürt zu haben. Jedenfalls erwähnte Faith etwas ähnliches.“
 

Lily nickte. „Schön. Eine weitere Kriegerin in unserem Kampf. Hast du mit Willow deswegen gesprochen?“
 

„Nein noch nicht. Aber wir könnten langsam anfangen, nach dem Schließfach zu recherchieren, wenn wir gerade von Willow sprechen.“
 

„Ich habe damit schon angefangen.“ Überraschte Lily Giles. „Ich habe in zwei größeren Banken angefragt, die ihre Schlüsselnummern verzeichnen. Wird jedoch eine Weile dauern. Solange ist Willow auf sich gestellt.“
 

“Willow scheint im Moment sowieso alle Hände voll damit zu tun zu haben, sich an der neuen Uni zurecht zu finden.“
 

„Braucht sie als Hüterin überhaupt einen Beruf?“
 

„Es kann nie schaden. Von etwas muss ja die Miete bezahlt werden.“
 

„Du hast alle nie wirklich dazu ermutigt, ihr Leben ganz dem Kampf gegen das Böse zu verschreiben oder? Nicht einmal deine Jägerin.“
 

Giles sah Lily kurz schweigend und nachdenklich an. Klang da Kritik mit durch?

„Bis auf Buffy und mich, haben alle freiwillig entschieden gegen das Böse zu kämpfen, ihr Leben zu riskieren. Ich hatte nicht das Recht sie zu mehr zu ermutigen, als dazu, ihren eigenen Weg zu finden.“
 

Lily erwiderte seinen Blick offen und sanft. Die „Kinder“ schienen ihm wirklich etwas zu bedeuten. Sie nickte zustimmend und straffte sich. „Das scheint dir gut gelungen zu sein. So,“ Lily stand vom Sofa auf. „Ich denke, eine Pause wäre jetzt genau das Richtige.“
 

Giles sah auf die Uhr. „Ich könnte etwas kochen?“
 

„Hm... ja, Dawn wird bald nach Hause kommen und sicher Hunger haben. Ich könnte dir helfen?“
 

Giles lächelte und stand auf. „Wie in alten Zeiten?“
 

„Oh ich hoffe deine Kochkünste sind besser geworden.“ Lachte Lily. „Und die Zutaten im Kühlschrank auch?“
 

Giles lachte unterdrückt auf dem Weg in die Küche. „Meine Güte ja....“
 

„Erinnerst du dich noch an das eine Mal, oder sollte ich eher sagen, and das letzte Mal - als du versucht hast dieses komplizierte, französische Gericht zu kochen?“
 

Gile nickte, während er in den Kühlschrank sah.
 

„Es wäre ja fast etwas geworden, wenn nicht dieser unausstehliche Typ.. wie hieß er gleich.. oh ja, Ethan, dazugekommen wäre,“ Giles zog in der Küche die Stirn kraus, als er Lily den Namen aussprechen hörte. „... und du über deinen Disput mit ihm, ob er gehen muss oder nicht, irgendwie dabei vergessen hättest, das Fleisch vom Herd zu nehmen.“ Sie kicherte, als sie sich an seine Wut und Enttäuschung erinnerte. Er hatte sie überraschen wollen. Wie romantisch... aber dann wurden sie von der Feuerwehr überrascht, die ein besorgter Nachbar alarmiert hatte, weil aus ihrem offenen Küchenfenster, schwarzer Rauch abgezogen war. Und Rupert hatte dabei noch alle Hände voll damit zu tun gehabt, seinen Freund vor die Türe zu setzen. Damit war der romantische Abend ins Wasser gefallen.
 

„Erinnere mich nicht an Ethan,“ knurrte Giles und Lily sah überrascht auf. So weit er sich erinnerte, hatte sie Gott sei Dank Ethan nur flüchtig kennen gelernt, als Lily ihn in London besuchte, kurz bevor er wieder zurück an die Uni von Oxford ging und sich dem Rat treu ergab. Ethan und er steckten damals voll in der Geschichte mit Eyghon und er hatte verhindern wollen, dass Lily etwas davon mitbekam. Ethan war vorbeigekommen, um den Text für die Herbeirufung mit ihm zu übersetzen. Dabei hatte Giles mit dem Essen nur eines im Sinn gehabt.. Lily zu überraschen, sie so angenehm zu überraschen, dass sie ihn doch nicht verlassen würde. Aber wahrscheinlich hätte das Essen auch nichts mehr daran geändert.
 

Lily trat zu ihm in den Raum und hinterließ eine angenehme, süßliche Parfümspur. Selbe Marke wie damals, wie er mit wenig Erstaunen feststellte. Eine Frau mit Prinzipien. Etwas, das er immer an ihr geliebt hatte.
 

„Okay... was hast du da?“ Sie öffnete den silbernen Kühlschrank und wartete erst gar nicht eine Antwort ab, als sie auch schon einige Zutaten, die ihr kochbar aussahen, herausnahm und neben ihm auf die Anrichte schob.
 

„Sieht so aus, als würdest du wieder anfangen das Kommando zu übernehmen,“ Giles schmunzelte und griff nach einer Zwiebel.
 

„Ach so hast du das also früher gesehen?“
 

Er sah kurz zur Seite, um nach dem Messer zu greifen und blickte zu ihr. Sie lächelte und Giles ertappte sich ganz kurz dabei, dass er anfing, wieder Dinge zu sehen, die ihn damals schon verführt hatten. Sein Lächeln erstarb, als er wieder auf die Zwiebel herunterblickte und er sich zwang daran zu denken, dass er sich einem Kampf verschworen hatte, in dem kein Platz für Liebe war. Nicht so lange er noch immer die Angst vor erneutem Verlust hatte.
 

++++
 

Eine Etage tiefer...

Buffy saß im großen Konferenzraum an dem kleinen Seitentischchen und hatte die Zeitung vor sich liegen. Hin und wieder zückte sie einen Textmarker und umkreiste eine Stelle.
 

Die Tür ging in diesem Moment auf und eine breit lächelnde Dawn stürmte herein, warf ihren Rucksack auf einen der Stühle und sich daneben. Buffy sah etwas mürrisch auf, fühlte sich in ihrem Tun gestört. Doch Dawn hatte dafür im Moment kein Feingespür. Sie wollte einfach nur von einem fast perfekten, vor allem normalen, Schultag berichten. Von Sam, Mara, Josh... einfach von allem. Sie war so überglücklich, dass es nach dem etwas schlechten Start, doch noch so gut verlaufen war. Erwartungsvoll starrte sie Buffy an. Sie musste nur die entsprechende Frage stellen und Dawn würde übersprudeln.
 

„Ich sehe.. dein erster Schultag scheint vampir-, dämonen- und zombiefrei gewesen zu sein.“
 

„Es war einfach perfekt,“ schwärmte Dawn. „Ich glaube, ich habe sogar schon Freunde gefunden und ein paar Sonderkurse....“
 

„Das freut mich für dich, Dawn,“ Buffys Blick war bereits zurück zur Zeitung gewandert. „Wenigstens eine der Summers-Frauen macht Karriere und hat Erfolg. Ich scheitere schon an einfachen Wohnungsanzeigen. Diese hier... „Nette 2-Zi.Wohnung, zentrale Lage, Bad und DC...“ heißt das jetzt, sie ist eng und das Bad liegt auf dem Flur und die zentrale Lage bedeutet Tag und Nacht Lärm, oder ist sie harmlos und uns entgeht eine lukrative Wohnung?“ Buffy schob die Zeitung von sich. „Wenn das so weiter geht.... werde ich meine Ansprüche auf „Dämonenfrei“ beschränken müssen. Oh.. oder ich rufe Xander an. Der müsste ja Erfahrung haben. Oder Giles? Nein lieber nicht... Kennedy vielleicht? Nein Xander...“
 

Dawn überließ Buffy ihrem Monolog und ging über die Hintertüre in den kleinen Flur. Offensichtlich interessierte ihre Schwester im Moment vieles mehr, nur nicht ihr erster Schultag, der in den letzten Tagen doch noch so wichtig gewesen war.
 

++++
 

Sie hörte Giles und Lily von oben und fasste neuen Mut. Die beiden würden sicher zuhören.

Doch Giles tauchte in diesem Moment bei ihr auf der Treppe auf, offensichtlich am Gehen.
 

„Oh hallo Dawn. Auf dich haben wir gewartet. Das Essen ist so gut wie fertig. Uns fehlt nur noch die eine oder andere Zutat. Ich bin gleich wieder zurück.“
 

Und damit war er auch schon verschwunden. Dawn sah ihm leicht irritiert hinterher. War das noch der Mann, der vor Wochen in London so unter Druck und Stress stand, dass man mit ihm kein vernünftiges Wort hatte reden können? Und jetzt kochte er einfach so für alle? Machte sich sogar richtige Gedanken darüber? Klang irgendwie gelöst? Dawn hoffte inständig, dass das nicht schon die Auswirkungen des Höllenschlundes waren.
 

„Hallo Dawn,“ Lily winkte ihr aus der Küche zu und Dawn hob lahm die Hand. Sie hatte sich darauf gefreut mit Buffy oder Giles ihre ersten Eindrücke zu teilen. Jetzt lief es wohl darauf hinaus, mit Lily, einer Fremden, zu reden. „Wie war dein erster Schultag in Cleveland? Du siehst etwas bedrückt aus?“ Lily rieb sich die Hände an einem Küchentuch ab und kam zu Dawn ins Wohnzimmer. Das Mädchen wirkte wirklich betrübt und Lily widerstand dem Impuls sie in den Arm zu nehmen.
 

„Ach nichts... mit der Schule war alles in Ordnung.“ Sie strahlte plötzlich. Lily musste ja nicht wissen, wie es in ihr aussah. „Ich habe mehrere Stunden am Stück überstanden, ohne über Vampire, Dämonen und Monster nachdenken zu müssen. Das klingt doch vielversprechend oder?“
 

Lily nickte lächelnd. „Durchaus. Wollen wir uns setzen und du erzählst mir alles, bis Rupert wiederkommt?“
 

Dawn zögert, nickte dann aber schließlich und folgte Lily zu dem Sofa.
 

„Na ja, so viel gibt es auch wieder nicht zu erzählen. Die Highschool ist wie jede andere auch. Ein paar Gangs, ein paar Cliquen, nervige Lehrer, die Kantine lässt zu wünschen übrig, aber es gibt dort auch nette Leute.“ Sie erzählte von Sam, Mara und Josh, wie sie sich um sie gekümmert hatten und sie gleich für das Wochenende zu einer Cleveland Tour eingeladen haben. „Ich glaube, sie sind normal, wenn Sie wissen was ich meine,“ schloss Dawn ihren kurzen Bericht ab. „Nette, normale, junge Leute.“
 

Lily schwieg. Dawn schien ein großes Bedürfnis nach diesem „normal“ zu haben. Es war ihr in den letzten Tagen immer mehr aufgefallen. So oft wie sie das Wort gebrauchte, bedurfte es kein großes Feingefühl, um zu spüren oder zu ahnen, dass Dawns Selbstsicherheit und Eigenständigkeit zu einem großen Teil nur eine Fassade war, um zu verbergen, wie sehr ihr Leben und die Veränderungen darin, sie aus den Wurzeln gerissen hatten.
 

„Oh und sie haben mir wegen einem Job geholfen,“ Dawn stand auf und kramte aus ihrem Rucksack ein zusammengefaltetes Papier hervor. Sie starrte darauf und erinnerte sich daran, wie sie die drei nach einem Job für Schüler gefragt hatte. ‚Versuchs mal im Cleveland Rides. Fahrradkuriere. Suchen immer Schüler, die für wenig Geld bereit sind zu jobben. Einfache Sache, fragen nicht viel nach Hintergründen. Steuerfrei.’ Das waren Sams Worte gewesen. Es gab sogar Flugblätter, die ‚Cleveland Rides’ an Schulen verteilte. Eines davon hielt Dawn nun in den Händen, unsicher, ob sie Lily einweihen sollte. Aber sie war die einzige Person im Moment, die sich für sie zu interessieren schien.
 

„Du willst arbeiten?“ Lily hatte jeden Schritt von Dawn aufmerksam verfolgt.
 

„Nun ja, Buffy wird das alles alleine nicht schaffen. Wenn ich mir etwas nebenbei verdiene, entlastet es sie. Wollen Sie mal sehen.“ Sie reichte Lily das gelbe Flugblatt.
 

„Das ist sehr erwachsen von dir gedacht, Dawn.“ Sagte Lily mit ehrlicher Anerkennung und nahm dem Mädchen das Blatt ab. Sie überflog den Text. „Du denkst, das ist etwas für dich?“
 

„Jede Wette,“ Dawn strahlte Zuversicht aus und Lily beschloss dem Mädchen nicht mit Bedenken die Vorfreude zu nehmen. Zudem war sie weder Buffy noch Giles und hatte keine Rechte, Dawn in irgendwelcher Weise zu beeinflussen.
 

„Nun, dann viel Glück dabei.“
 

Dawns Lächeln wurde eine Spur breiter.
 

++++
 

College

Willows Zimmer

Der Abend war angebrochen und Willows College Zimmer hatte sich in eine gemütliche Kuschelecke verwandelt. Kerzenlicht durchflutete das Zimmer und Kennedy und Willow lümmelten auf der Couch. Kennedy war gerade dabei ihre Freundin zu massieren.
 

Es war ein herrliches Gefühl Kennedys Hände in ihrem Nacken zu spüren. Willow lehnte sich ein wenig zurück, schloss die Augen und seufzte zufrieden.
 

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du toll massieren kannst?“ Willow drehte sich zu ihrer Freundin um und lächelte.
 

Kennedy erwiderte es. „Nun, wenn es mit der Karriere als Jägerin nicht klappt, könnte ich mich doch als Masseuse versuchen.“ Beide schmunzelten. Als Kennedys Hände tiefer wanderten und ihre Wirbelsäule entlang fuhren, schloss die Hexe wieder die Augen.
 

„Mmmhh…..Das ist genau das, was ich nach einem anstrengenden Tag in der Uni brauche!!“ seufzte Willow.
 

„So schlimm?“ fragte Kennedy behutsam und hörte auf sie zu massieren.
 

Ihre rothaarige Freundin war auf einmal nachdenklich geworden. „In letzter Zeit kommt so viel auf einmal zusammen. Der neue Rat, eine neue Umgebung und außerdem habe ich im letzten Jahr viel Stoff verloren. Du weißt schon….das erste Böse und der apokalyptische Kampf. Dabei weiß ich noch immer nicht so genau, in welche berufliche Richtung ich mich orientieren soll. Und dann wäre da noch…..“, Willow grinste Kennedy spitzbübisch zu. Die Jägerin lächelte und gab ihr einen sanften Kuss, aus dem die Hexe sich nach einer Weile löste.
 

„Mach weiter,“ verlangte sie und drehte sich voller Ungeduld und freudiger Erwartung wieder herum.
 

++++
 

Am nächsten Morgen wurde Willow durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die sie durch ihr Fenster hindurch blendeten. Die Hexe blinzelte, schlug die Augen auf und erschrak. Kennedy lag nicht neben ihr im Bett. War Kennedy etwa gegangen? Ohne Willow zu wecken? Oder hatte sie verschlafen? Sie hatte doch Termine...
 

Gerade als die Hexe aufstehen, sich anziehen und nachsehen wollte, ob Kennedy ihr eine Nachricht hinterlassen hatte, hörte sie wie die Tür ins Schloss fiel. Kurz darauf tauchte Kennedy in Willows Blickfeld auf. In ihren Händen hielt sie zwei Becher, aus denen es nach Kaffee duftete.
 

„Morgen, Schlafmütze“ grinste die Jägerin, holte einen Teller aus der Essnische und kehrte samt Kaffeebecher und Teller zu Willow ans Bett zurück. „Ich habe uns Donuts und Kaffee geholt. Ich hoffe du hast Hunger!!“ lächelte sie.
 

„Als könntest du Gedanken lesen!“ schmunzelte Willow. Kennedy dachte eine Weile nach und lächelte sanft.
 

„Vielleicht kann ich das ja wirklich! Eine Jägerin muss nicht unbedingt nur zum kämpfen gut sein!“ Kennedy blinzelte Willow frech zu, so dass die Hexe nicht anders konnte als an der Jeansjacke ihrer Freundin zu ziehen, die sie noch gar nicht abgelegt hatte, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben.
 

„Siehst du…,“ Willow löste sich von Kennedy und sah sie verliebt an. „Du bist noch zu vielmehr gut.“ Kennedy lachte und stellte den Teller mit dem Beutel Donuts auf Willows Nachttisch.
 

„Wir sollten den Kaffee trinken, bevor er kalt wird,“ meinte die Jägerin.
 

„Wir könnten noch was ganz anderes tun,“ erwiderte Willow und fuhr Kennedy durch das Haar.
 

„Ach ja? Was denn?“ tat die Jägerin unschuldig. Willow warf einen Blick auf den Radiowecker auf ihrem Nachttisch und runzelte verstimmt die Stirn.
 

„Ich kann nicht….“, die Hexe deutete auf das Display, das neun Uhr anzeigte. „Giles und ich sind verabredet. Wir haben noch einige Dinge wegen dem Rat zu besprechen,“ seufzte sie.
 

„Aber doch nicht sofort, oder?“ grinste Kennedy und küsste die Hexe. Einen Augenblick lang gab sich Willow ihren Küssen hin, doch dann stieß sie Kennedy sanft von sich.
 

„Ken, ich meine es ernst. Giles hasst Unpünktlichkeit! Ich habe noch ein paar Minuten, aber nur weil ich zu einer Vorlesung muss.“ Willow nahm den Becher von ihrem Nachttisch und nahm einen Schluck seines heißen Inhalts. Kennedy zog einen Schmollmund wie ein vierjähriges Kind, dem die Mutter das Eis verweigert hatte.
 

„Ich könnte doch mitkommen!“ schlug die Jägerin vor.
 

„Süße…“, Kennedy sah ihre Freundin mit diesem durchdringenden Blick an, der es Willow unmöglich machte ihr einen Wunsch abzuschlagen. Trotzdem konnte sie nicht mit. „Es geht nicht. Giles und ich wollten heute ein paar Dinge über mich, die Recherchen bezüglich der Hüterinnen besprechen... wir brauchen das Gespräch in Ruhe.“
 

„In Ordnung. Ich habe schon verstanden.“ Schmollte Kennedy weiter. „Dann schuldest du mir aber jetzt etwas...“, Willow fühlte sich auf einmal von der Jägerin sanft ins Kissen zurück gedrückt. Dann wurde ihr heiß. Willow löste sich erschrocken von ihrer Freundin und stellte fest, dass der Kaffee sich über das erst frisch bezogene Bett ergossen hatte.
 

„Mist!!“ fluchte die Hexe und stellte den Becher wieder auf den Nachttisch. Kennedy lachte.
 

„Tja man sollte den Becher vor dem Küssen abstellen!“ grinste sie.
 

„Sehr witzig!“ brummte Willow. „Das war die letzte, saubere Bettwäsche! Jetzt muss mir Buffy wohl was leihen! Oh nein.. Giles,“ stöhnte Willow. „Buffy besitzt ja nichts mehr.“
 

„Tja also, ich hätte nichts dagegen ohne Bettwäsche oder Kleidung zu schlafen!“ erwiderte Kennedy und zwinkerte keck mit den Augen.
 

Ohne es zu wollen, musste Willow nun doch lachen. Kennedy gab ihrer Freundin einen Kuss und versank mit ihr in der nassen Bettwäsche, wo die Küsse intensiver wurden und die Hände den Körper der anderen zu ertasten begannen.
 

++++
 

Irgendwo in Cleveland

Selber Morgen/früher Mittag

Buffy lief von einem düsteren Zimmer ins nächste. Staub wirbelte in dem wenigen Sonnenlicht auf, das durch heruntergelassene Jalousien drang. Unbehaglich drehte sich Buffy in dem engen Raum um ihre Achse, der laut Makler Wohn- und Schlafraum sein sollte. An manchen Stellen der abgeschossenen Tapete hatte Buffy Umrisse von Kreuzen gesehen. Offensichtlich wurde diese Gegend gerne von Vampiren besucht.

Sie schüttelte den Kopf, der Makler hakte sie mit enttäuschtem Gesicht von der Liste ab.
 

Die nächste Wohnung war nicht viel besser. Das Licht schien zwar etwas heller herein, offenbarte Buffy jedoch viel mehr, als ihr lieb war. Schimmlige Wände im Bad, fleckiger Teppichboden in der ganzen Wohnung, nackte Glühbirnen. Als sie den Teppich neugierig und unbeobachtet an einer Stelle zur Seite klappte, kam darunter ein Pentagramm zum Vorschein. Buffy seufzte, ließ den Teppichboden zurückschnalzen und hatte es eilig zu gehen.
 

Die dritte Wohnung besichtigte Buffy schon weniger enthusiastisch... hier war schon das Umfeld unangenehm – überfüllte Mülltonnen, Autowracks am Straßenrand, beschmierte Türen und Wände. Buffy seufzte, als der Makler angefahren kam. Er fuhr nicht gerade das neuste Model, also kassierte er nicht die dickste Provision. Ihr war schlagartig bewusst, welche Bruchbude vor ihr lag. Es war frustrierend wie wenig man für sein Geld bekam, wenn man kaum welches besaß.
 

Die Wohnung war genau wie befürchtet. Schmutzig, dunkel. Die Scheiben schienen seit einem Jahrhundert kein Wasser gesehen zu haben, die Schränke in der Küche offensichtlich auch nicht. Der Boden klebte, einen Blick ins Bad warf Buffy alleine, als der Makler im Wohnzimmer sie bereits von der Liste als Interessierte strich. Als Buffy die einzelnen Blutspritzer in der Badewanne registrierte, ließ sie den Makler einfach stehen und floh.
 

Nummer vier schien etwas besser zu werden, aber Buffy glaubte inzwischen, dass die Bruchbuden zuvor nur so mies waren, um das dreistöckige Haus mit der braunen, schon abgeschossenen Fassadenfarbe wie eine Villa wirken zu lassen.

In der Wohnung selbst musste Buffy dann jedoch zu geben, dass sie sich verbesserte.. der Boden war weder fleckig, noch staubig, das Badezimmer war tadellos, nur die Möbel waren alle nicht mehr der modernste Schrei und abgeschossen. Doch der Preis war verlockend. Mit Farbe konnte man hier einiges anstellen.
 

„Und wieso ist die Wohnung so billig?“
 

Die Maklerin zog einen Vorhang auf und winkte Buffy an das schmutzige Fenster. Ihr Blick fiel herunter auf einen Friedhof, der direkt hinter der Gartenmauer anfing.
 

„Die Mieter verschwinden hier ab und an spurlos. Die ganze Gegend hat nicht den besten Ruf. Als Frau würde ich nicht unbedingt hierher ziehen.“ Erklärte die Brünette und Buffy war durchaus klar, an was das Verschwinden wohl lag. Für sie als Jägerin wäre die Wohnung natürlich am idealsten.. so nahe am Arbeitsplatz wohnte wohl selten jemand, aber für Dawn war es keine sichere Gegend. Nein.. ausgeschlossen.
 

Buffy verließ langsam der Mut, während sie von Wohnung zu Wohnung hetzte und alles mitmachte, was erdenklich war – in einer der Wohnungen war erst zwei Tage zuvor der Vormieter erschossen worden, Blutflecken und Kreideskizzen waren noch im Bad als Beweismittel zurückgelassen worden, eine andere Wohnung entpuppte sich als Vampirnest und Buffy musste dem Makler gegenüber etwas unhöflich werden, bevor er verschwand und sie die Hausbesetzer zu Staub verwandeln konnte, in der letzten war eine kleine Horde Ratten herausgesprungen.
 

Niedergeschlagen und müde betrat Buffy vor der Dunkelheit das Ratsgebäude. Ihr war heute bewusst geworden, dass sie dringender einen Job brauchte, als eine Wohnung. Ohne Geld würde sie für Dawn und sich nichts finden, dass es wert war, Wohnung genannt zu werden.
 

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Ein kleines, ostamerikanisches Nest...

Selber Morgen

„Morgen!!“ gähnte Kimberly und gesellte sich zu Faith und Robin an den Frühstückstisch. Das „Fisher´s Breakfast“ war nicht unbedingt für Spezialitäten bekannt, aber es war immer noch besser als gar nichts zu essen. Außerdem war es das einzige Restaurant, das um acht Uhr morgens schon offen hatte.
 

„Sieh mal an!! Auch schon wach?“ fragte Faith und grinste, während Robin ihr für diese sarkastische Bemerkung einen tadelnden Blick zuwarf. Sie konnte sich einfach nicht beherrschen.
 

„Ja. Der Kampf gestern Abend hat ganz schön geschlaucht.“ Als Kimberly zum zweiten Mal gähnte, kam der Kellner an ihren Tisch, wünschte einen guten Morgen und fragte nach der Bestellung. Es wurde nicht viel bestellt. Drei Tassen Kaffee, und drei Portionen Pfannkuchen. Obwohl sich Kimberly ernsthaft fragte, ob sie es tatsächlich wagen konnten, in diesem Laden etwas zu essen. Über dem gesamten Lokal hing der Geruch von verbranntem Fett und auch die Blicke zu den Nachbartischen und dem was die anderen Gäste serviert bekamen, sah nicht unbedingt viel versprechend aus. Zack, der Besitzer des „Fisher´s Breakfast“ war ein fetter Mann Anfang fünfzig, der sich ständig am Bauch kratzte.

„Also ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier wie zuhause schmeckt,“ stellte die junge Jägerin fest und deutete auf die beiden Bagels, die der Kellner vor einem jungen Pärchen, postierte.
 

„Zuhause ist es nicht nur am schönsten, es schmeckt auch am besten,“ fügte Robin hinzu und fühlte einen leichten Stich in seinem Herzen, den der Gedanke an seine getötete Mutter auslöste.
 

„Ich weiß gar nicht was ihr habt, ich habe schon schlimmer gefrühstückt,“ widersprach Faith und machte eine abwertende Handbewegung. Robin und Kim zogen die Augenbrauen nach oben. „Und außerdem macht es mir nicht so viel aus unterwegs zu sein, wie euch. Ich bin das seit Jahren gewöhnt,“ Faith zuckte mit den Achseln und beobachtete wie der Kellner die Kaffeetassen zu ihrem Tisch balancierte. Die Drei bedankten sich artig und als der Kellner wieder verschwunden war, nahm Robin den Gesprächsfaden wieder auf.
 

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du dein Zuhause nicht manchmal vermisst,“ sagte er.
 

„Boston fehlt mir manchmal…,“ Faith goss nachdenklich die Milch in ihren Kaffee, rührte um und fügte schließlich leise hinzu, „aber mir fehlt nicht alles.“ Die Jägerin dachte an ihre Mutter und daran, was in ihrer Kindheit und Jugend alles vorgefallen war. Robin und Kimberly waren überrascht wie nachdenklich Faith auf einmal war. Es stimmte wohl wirklich. In jedem Mensch steckt eine harte und eine sensible Seite. Kimberly ahnte, dass es Faith unangenehm war über ihre Vergangenheit zu reden und beschloss deshalb das Thema zu wechseln.
 

„Wo sind denn die zwei anderen…..ähm…Ronah und Vi?“ fragte sie die Blicke zwischen Robin und Faith hin und her wechselnd.
 

„So weit ich weiß, trainieren sie ein bisschen,“ Faith grinste. „Sie wollen sich vor Kennedy wohl keine Blöße geben, wenn wir in Cleveland ankommen.“
 

Bevor Kimberly die Frage äußern konnte wer den Kennedy sei, platzierte der Kellner die Teller mit herrlich duftenden Pfannkuchen vor ihren Plätzen.
 

"Ich habe manchmal auch Sehnsucht nach zuhause!!" Sagte Kim plötzlich leise und vorsichtig. Ein Ausdruck von Traurigkeit legte sich auf Kimberlys Gesicht während sie ein Stück von ihrem Pfannkuchen abschnitt und in den Mund steckte. "Kann ich nicht auch in meiner Heimatstadt arbeiten? Ich meine wo es doch Jägerinnen überall auf der Welt gibt!!" Faith und Robin wechselten einen überraschten Blick.
 

"Ähm.....Das geht, denke ich, schon. Ich müsste mit Giles telefonieren, damit man dir einen Wächter schickt," antwortete Robin und schob sich ebenfalls eine mit Pfannkuchen beladene Gabel in den Mund. Kimberly lächelte dankbar. Es war doch leichter gegen das Böse zu kämpfen, wenn man Leute um sich hatte, die man liebte. „Allerdings könnte es sein, dass Giles in dieser Stadt schon einige Jägerinnen hat und du dir einen Wächter teilen müsstest.“
 

Kimberly winkte glücklich ab. „Das verkrafte ich schon. Boston ist groß.“
 

Keiner der beiden bemerkte Faith Gesichtsausdruck als der Name von Kim’s Heimatstadt fiel.
 

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Cleveland

Giles Wohnung

Am Abend

“Nein, du Trottel! Er heißt Leroy, nicht Leo! Ja, sehr witzig! Pass bloß auf, was du sagst, oder ich werd’ den nächsten Arbeitskollegen, den du erwähnst, zu Cole erklären. Ja klar, das sind diese Sportler doch alle. Nein, nein, auch nicht Leonardo. Eher Matt Damon, würd’ ich sagen. Mit einem Schuss Orlando Bloom vielleicht. Nein, absolut nicht! Keanu Reeves sieht niemals besser aus, als Orlando Bloom. Du leidest an Geschmacksverirrung...”
 

Buffy schloss die Tür zum Flur, um Dawn’s Geplapper am Telefon auszublenden und beugte sich über die nächste Wohnungsanzeige. Nach dem ganzen Herumgerenne des heutigen Tages, hatte sie zwar nicht die geringste Lust mehr, aber es musste sein. Von den paar Schwierigkeiten durfte sie sich nicht entmutigen lassen. Außerdem war ihre jetzige Situation doch nicht weniger problematisch. Schon allein die Tatsache, dass sie hier in Giles’ Schlafzimmer hockte, um ihre Anzeigen zu lesen, war doch Problem genug, oder nicht?
 

Aber im Arbeitszimmer brütete Giles über seinen Ratsakten, und im Wohnzimmer war Lily, der sie um jeden Preis aus dem Weg gehen wollte. Und, sich in Dawns Zimmer aufzuhalten, hätte nur wieder einen Streit heraufbeschworen.
 

Als sie die Seiten umblätterte, fiel ihr auf, wie dunkel es geworden war. Automatisch langte sie nach dem Lichtschalter – und hätte sich beinahe an dem zerbrochenen Plastik geschnitten. Natürlich, das Ding hatte ja erst vor kurzem Kennedys Faust zu spüren bekommen. Hatte sie überhaupt schon mit Xander geredet, damit er es reparierte?
 

“Dawn?” Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, um zu sehen, dass ihre Schwester immer noch munter am Telephon schwätzte. “Beeil dich mal, ich muss auch noch jemanden anrufen!”
 

“Ja, schon gut!” Murrend begann Dawn mit der Verabschiedungszeremonie, während Buffy sich wieder den Anzeigen zuwandte. “Lebhaft”, das hieß in der Maklersprache, dass die Wände dünn, wie Papier waren, und man jedes Husten von nebenan hörte. Oder wahlweise auch, dass Tag und Nacht die Lastwagen am Haus vorüberdonnerten. “Ruhig” dagegen bedeutete zumeist einen Zwei-Stunden-Marsch zum nächsten Supermarkt.
 

“Dawn! Mach Schluss!”
 

Vielleicht sollte sie auch die Stellenanzeigen durchsehen. Möglicherweise gab es ja irgendwo einen Double Meat Palace in Cleveland, oder vielleicht sogar eine Schule mit einem Dämonenjäger als Direx. Tolle Aussichten.
 

“Dawn! Ich brauch das Telephon!”
 

“Bin schon weg, Moment noch!”
 

Unter den mürrischen Blicken ihrer Schwester flötete Dawn ein letztes “Gute Nacht” in den Hörer, legte auf, und verzog sich in ihr Zimmer. ‘Sie hat ja diesen Luxus’, dachte Buffy genervt, als sie Xanders Nummer wählte.
 

“Dawn? War noch was? Oder hast du mich einfach nur vermisst?” zwitscherte es aus dem Hörer.
 

“Andrew, hier ist Buffy! Gib mir bitte mal Xander!” Sie hoffte, dass ihre Stimme einigermaßen normal klang, und nicht erschrocken, oder abweisend. Als ihr klar wurde, mit wem sich ihre Schwester die ganze letzte Stunde unterhalten hatte, musste sie an das Gespräch über Jungs denken, dass sie mit Dawn hatte führen wollen. Es hatte sich einfach noch nicht ergeben. Hoffentlich hatte Xander wenigstens schon mit Andrew geredet.
 

“Hey, Buffy! Was gibt’s Neues?”
 

“Hi Xander!” Sie bemühte sich, fröhlich zu klingen, und nicht allzu abgespannt. “Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du schon mit Andrew wegen der Lampe geredet hast?”
 

“Lampe?” fragte Xander zurück. Er hatte keine Ahnung, was sie meinte, es klang aber so, als habe sie versucht, zwei Dinge gleichzeitig zu sagen. Bei Buffy war das ein typisches Zeichen von Stress, und einem Versuch, ihn zu überspielen.
 

“Lampe?” fragte Buffy noch eine Spur verwirrter. “Nein, das mein’ ich gar nicht, ich rede von dem Lichtschalter in Giles’ Schlafzimmer! Du wolltest ihn doch reparieren!”
 

“Klar, kein Problem. Soll ich morgen nach der Arbeit vorbeikommen?” Eigentlich konnte er sich schon denken, was mit ihr los war, die ganze Wohnungssuche musste sie ziemlich geschlaucht haben. Oder war da noch etwas anderes? Hatte Dawn etwas in ihrer neuen Schule angestellt?
 

“Ja, gerne. Dann bis morgen!”
 

Xander war ziemlich verdutzt, wollte sie etwa schon auflegen? Da schien wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein. “Hey, Buffy, wart mal – was hat Andrew mit dem Lichtschalter zu tun?”
 

“Gar nichts.” Er konnte die Anspannung in ihrer Stimme hören, obwohl sie immer noch einen halbherzigen Versuch machte, sie zu verbergen. ”Ich hab nur gerade festgestellt, dass er die ganze letzte Stunde mit Dawn telephoniert hat. Und ich weiß immer noch nicht genau, was sich zwischen den beiden abspielt.”
 

“Ich fürchte, da kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen. Andrew hat noch nicht darüber geredet, ich schätze mal, das Ganze befindet sich erst im Aufbaustadium, und der arme Junge weiß noch gar nicht, wie ihm geschieht. Aber wäre es denn so schlimm für dich, wenn Dawn einen Freund hätte?”
 

“Nein, natürlich nicht...,” sie suchte nach den richtigen Worten...,” es ist nur, ich mach mir eben Sorgen, ich möchte wissen, was sie tut, wie’s ihr geht, und so, und ich will nicht, dass wieder so ‘ne Sache passiert, wie mit diesem Vampir. Aber mir erzählt sie ja nichts. Nicht über Andrew, nicht über ihre neue Schule. Sie schließt mich total aus ihrem Leben aus. Aber das ist ja nichts Neues, eigentlich sollte ich mich daran gewöhnt haben.”
 

“Ihr beide habt echt ein ausgeprägtes Talent aneinander vorbeizureden,” entgegnete Xander aufmunternd. “Zufällig hat Special Agent Harris über das scoobyeigene Spionagenetz herausgefunden, dass ein gewisser Dawnster sich über Vernachlässigung seitens ihrer großen Schwester beklagt hat. Du sollst Wohnungsanzeigen gelesen, und sie den ganzen Abend nicht beachtet haben...”
 

“Ach richtig, die Wohnung." Einen Moment lang verspürte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie wohl eine Gelegenheit verpasst hatte, mit Dawn zu reden. Aber schließlich war diese Wohnung genauso wichtig für Dawn, wie für sie, und ihre Schwester konnte auch ruhig mal anerkennen, welchen Stress sie sich antat, um etwas für sie beide zu finden. "Xander, du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für ein Theater war! Ich hab eine Wohnung nach der anderen besichtigt, und nichts gefunden, außer Drecklöchern, Ratten und Friedhöfen!” Sie stieß einen wütenden Seufzer aus, der eher wie ein Fauchen klang. “Ich weiß echt nicht, wie das noch weiterlaufen soll, gibt es denn in ganz Cleveland keine einzige vernünftige Wohnung, ohne den Vermerk ‘unbezahlbar’? Wie seid ihr eigentlich zu eurer gekommen?”
 

“Nun, das lief über die Firma. Wir wohnen ja nicht allzu weit weg vom Hafen, da gehört alles der Barker Cooperation. Meine Baufirma ist ja nur eine Tochtergesellschaft von ihr, das hängt alles zusammen. Eine einzige große Verschwörung,” fügte er grinsend hinzu. “Aber ich will mal sehen, was ich tun kann. Käme eine Wohnung am Hafen, denn für euch in Frage?”
 

“Wieso nicht? Der Schulweg wäre für Dawn ein bisschen weiter, aber solange sie eine Schulbusverbindung hat, wär’ das ja kein Problem. Allerdings würde ich es vorziehen, wenn die Wohnung nicht an einem Friedhof liegt! Und keine bewegte Vergangenheit hat,” fügte sie hinzu, und dachte an Poltergeister, und ähnliche Spukgestalten.
 

“Dann hätt’ ich vielleicht was für euch,” überlegte Xander. “Ich kann zwar noch nichts versprechen, aber meine Firma hat vor einem halben Jahr zwei Wohnblöcke fertiggestellt, da wär’ vielleicht noch was frei. Ich selber hatte allerdings mit dem Projekt nichts zu tun, ich müsste mit meinem Kollegen reden, der dafür zuständig ist. Und was Vermietung und Preis angeht, hat natürlich die Barker Cooperation das letzte Wort.”
 

“Könntest du das machen?” fragte Buffy hoffnungsvoll.
 

“Aber klar! Für die Schönste aller Jägerinnen ist mir doch nichts zuviel,” versicherte er ihr.
 

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Cleveland Rides – Gebäude

Am nächsten Nachmittag stand Dawn nach der Schule unschlüssig vor einer Lagerhalle. Der Sitz von „Cleveland Rides“. Es herrschte Leben im Hof davor - Kuriere fuhren an ihr vorbei, auf dem Weg zu einem Kunden oder kamen von ihrer Fuhre gerade zurück. Für einen Moment kamen Dawn Zweifel. Sie hätte das doch alles erst mit Buffy oder Giles besprechen sollen. Aber für was? Damit sie es ihr ausredeten, weil die Schule wichtiger war? Nein, Lilly hatte schon recht, wenn sie glaubte, dass es das richtige für sie war, sollte sie es wagen.

Sie straffte ihre Schultern, setzte ein zuversichtliches Gesicht auf und betrat durch die offene Schiebetüre das Innere.
 

Sie wurde angenehm überrascht. Es ging hier bei weitem ruhiger zu, als sie von der Strasse aus geglaubt hatte. Gleich neben ihr befand sich ein kleiner Empfang mit einer jungen Frau hinter einer Theke, die sie anstrahlte.
 

„Hallo. Willkommen bei Cleveland Rides. Kann ich dir irgendwie helfen?“
 

„Uhm, ja,“ Dawn warf noch einen Blick in den hinteren Bereich, der offensichtlich Aufenthaltsraum, Reparaturwerkstatt und Annahmestelle war. Eine Treppe führte nach oben zu Büroräumen. „Ich habe dieses Flugblatt gestern gefunden.“ Sie zog das Blatt aus ihrer Jacke. Die Frau nickte. „Ich wollte fragen, ob ich hier anfangen könnte?“
 

„Als Kurier?“ Die Frau hatte bereits einen Kugelschreiber gezückt und zog ein Blatt hervor. Dawn nickte. „Okay.. dann füll mir bitte das hier aus und warte danach kurz. Das geht hier ziemlich schnell und unbürokratisch.“
 

“Danke,“ Dawn nahm ihr das Blatt und den Stift ab.
 

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„Dawn Summers?“
 

Dawn blickte zu dem Mann auf und ihr fielen sofort seine Glatze und die Brille mit den dicken Gläsern auf. Sie nickte und stand von dem Metallstuhl auf, der zwar schick aber doch recht unbequem über die letzten zehn Minuten geworden war.
 

„Ich bin Carl Trust. Der Personalchef.“ Sie reichten sich die Hände und Trust führte Dawn in den hinteren Bereich. „Wenn du hier anfangen möchtest, ist das so weit kein Problem. Deine Angaben sind in Ordnung. Fahrradfahren wirst du ja wohl können,“ er lachte über seinen eigenen Scherz und Dawn bemühte sich zu lächeln. „Du kannst sofort anfangen oder auch erst Morgen. Wie du willst. Du übernimmst die Ausfuhren zwischen vier und sieben. Ihr fahrt immer im Team und habt einen Bezirk unter euch. So sind die Mengen pro Tag und pro Bezirk leicht zu schaffen.“ Carl winkte jemanden herbei, während Dawn sich im ersten Moment von Trusts Worten überfahren fühlte. Ein junger asiatischer Mann kam auf sie zu. „Das ist Shin. Er arbeitet schon seit zwei Jahren bei uns. Dein Teampartner. Er wird dir alles weitere erklären.“
 

„Hi.“ Shin reichte ihr seine Hand und sein Lächeln wirkte echt, wie Dawn am Leuchten in seinen Augen feststellte. „Wann fängst du an?“
 

„Uhm.. morgen. Ich muss erst noch meiner großen Schwester Bescheid geben,“ sagte Dawn etwas verlegen. „Ich bin Dawn.“
 

„Freut mich. Du bist nicht von hier?“
 

Verdammt... ihr kalifornischer Akzent... „Eh nein. Wir kommen von der Westküste.“
 

„Das dachte ich mir.“
 

„Wie ich sehe, versteht ihr euch prima,“ Trust klopfte Dawn auf die Schultern. „Nun dann.. Willkommen im Team.“ Damit verabschiedete er sich und ging eine Etage höher zurück in sein Büro.
 

Dawn und Shin standen sich einen Moment verlegen gegenüber. „Also gut, dann komm morgen einfach ein paar Minuten früher, damit ich dich den anderen vorstellen und dir auch das eine oder andere noch erklären kann.“
 

Dawn nickte und machte sich auf den Heimweg. Jetzt galt es, Buffy zu überzeugen.
 

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Cleveland

Giles Wohnung

Selber Tag, früher Abend

„Wieso?“ Buffy stand fast streitlustig da. In ihren Augen funkelte es gefährlich.
 

„Weil Lily und ich es für das Beste halten.“ Giles blieb ruhig und gelassen, auch wenn ihn Buffys Haltung ein wenig verletzte und irritierte.
 

„Sie und Lily? Die selbst ernannten Wächter?“
 

„Das ist jetzt nicht fair und das weißt du auch...“
 

„Was weiß ich? Meine Güte Giles, ich bin nicht mehr länger „Ihre“ Jägerin. Darüber waren wir uns ja schon im Frühjahr einig.“
 

Für einen Moment trat eine unangenehme Stille ein, ehe Giles den Faden wieder fand.

„Deswegen kannst du trotzdem über unser Angebot nachdenken. Es ist ein Angebot, kein Befehl.“
 

Buffy dachte einen Moment darüber nach. „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es mir nur unterbreiten, weil Sie sich dazu verpflichtet fühlen.“
 

Giles seufzte verletzt und nahm die Brille ab. „Wenn du das wirklich glaubst...“
 

Buffy spürte, dass sie wohl etwas zu weit gegangen war und während Giles gekränkt seine Arme vor der Brust verschränkte, senkte sie ihren Blick. „Na ich meine... was wissen wir schon von dieser Frau? Haben Sie sie überprüft? Nicht, dass das eine zweite Post wird oder denken Sie an Wesley...“
 

Giles musste fast schon wieder versöhnlich über Buffys Versuch Schadensbegrenzung zu betreiben schmunzeln. „Du brauchst dir über Lily keine Sorgen zu machen. Ich kenne sie wirklich sehr lange – sehr, sehr lange. Und mehr als nur gut. Du kannst ihr vollkommen vertrauen.“
 

Buffys Blick blieb skeptisch. Ihre Erfahrung mit Wächtern hatte gezeigt, dass sie niemanden trauen durfte. Nicht einmal Giles. Auch wenn sie das gerne wollte.
 

„Und es dreht sich dabei doch nur um eine beratende Funktion. Das hast du letzten Sommer für die Highschool auch gemacht. Also nichts Neues. Nur, dass dich der Rat diesmal dafür bezahlt, dass du für ihn arbeitest.“
 

„Ich denk darüber nach.“ Buffys Gesichtsausdruck war nachdenklich geblieben, als sie Giles stehen ließ und in Dawns Zimmer verschwand.
 

++++
 

Ein paar Minuten später...

„Und wirst du annehmen?“ Dawn saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Bett und sah Buffy dabei zu, wie sie die Öllampe aus einem kleinen Karton nahm. Geschenkkarton, Papier und Schleife lagen bereit.
 

„Ich weiß nicht. Ich meine, für Giles zu arbeiten ist eine Sache, aber für den Rat? Selbst wenn es der „neue“ Rat ist?“ Buffy hob die Lampe in die Höhe und blickte sie prüfend an.
 

„Es ist Giles Rat.“ Gab Dawn zu bedenken. „Du würdest also im Prinzip nur für ihn arbeiten. Ist doch besser als in einer Bar oder als Kellnerin? Oder.. oder Fahrradkurier?“
 

„Fahrradkurier?“ Buffy sah irritiert zu ihrer Schwester auf.
 

„Eh.. ja, Fahrradkurier. Im Ernst, was würdest du sagen, wenn ich bei so etwas jobben würde?“
 

„Das ich hoffe, dass das nur ein Scherz ist oder im schlimmsten Fall darunter weder Noten noch Pflichten zu leiden haben. Oh, und wenn die dort einen Logan haben, lass es mich wissen.“
 

„Damit kann ich leben. Ich fand Alec sowieso süßer,“ grinste Dawn. „Ich meine ja natürlich schaffe ich das alles.“ Setzte sie schnell hinzu, als Buffy warnend aufblickte. „Und mein Privatleben kommt sicher auch nicht zu kurz.“
 

„Apropos Privatleben,“ Buffy griff nach einem Tuch. „Wir sollten uns, wenn wir hier gerade das Wiedergutmachungsgeschenk verpacken, über den betreffenden Morgen unterhalten.“
 

„Was genau meinst du?“ Fragte Dawn mit voller Unschuld.
 

„Andrew und du.“
 

„Buffy!“ Dawn sprang entsetzt von ihrem Bett auf. „Andrew hat einfach nur bei mir übernachtet. Weil wir eingeschlafen sind.“ Fügte sie hastig hinzu. „Da gibt es nichts worüber wir uns unterhalten sollten.“
 

„Ich meinte eher, es wäre an der Zeit einmal ernsthaft über Jungs zu reden.“ Buffy versuchte sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Sie wollte gerade mit dem Tuch die Lampe polieren, als sie nachdenklich beides in ihren Schoss sinken ließ. „Hat Mom jemals mit dir über so etwas geredet?“
 

„Natürlich,“ entrüstete sich Dawn. „Sie hat mich bei weitem nicht immer so wie du, als kleines Kind behandelt.“ Sie sank wieder auf ihr Bett zurück. Offensichtlich nicht sehr erleichtert über die Wendung des Gesprächs. Sie hatte gehofft, Buffy würde über ihren Job begeistert reagieren. Ihr Vorgehen vielleicht auch als reif und erwachsen betrachten, wie es Lily getan hatte. Sie hätten darüber reden können, wie sie alles organisieren würden und nebenbei hätte Dawn erwähnt, was sie und Willow nun schon seit einigen Wochen wussten – das sie eine Jägerin war. So allerdings sah sie keine Möglichkeit jemals darauf zu sprechen zu kommen. Auch wenn Buffy das Recht hatte, es zu wissen.
 

„Dann bist du also auch in den Genuss von Moms Aufklärungsversuchen gekommen?“ Buffy grinste in Erinnerungen. „Dann schadet es gar nichts, wenn ich mit dir darüber noch einmal rede.“
 

Dawn zog ein langes Gesicht. Na wenigstens tat sie es selbst und überließ es nicht Giles, wie Dawn ursprünglich befürchtet hatte.
 

„Denn eines ist klar, Dawn.. wir Summers Frauen haben alle kein glückliches Händchen bewiesen, was die Wahl unserer Männer angeht. Vampire, Roboter, militärische Einrichtungen, Machos... alles dabei gewesen.“ Sie griff wieder nach der Lampe und dem Tuch. „Wenn du ein paar Dinge beachtest, bleibt dir das gleiche Schicksal vielleicht erspart.“
 

„Ach ja? Und was dann? Dann heirate ich eines Tages einen Mann, ich bekomme Kinder, er geht arbeiten, interessiert sich bald nur noch für sein Büro und verlässt mich am Ende wegen einer anderen?“ Stille senkte sich über die beiden. Buffy war sehr wohl klar, von wem Dawn sprach. Aber nicht alle Männer waren wie ihr Dad. Auf manche konnte man sich verlassen, auch wenn sie nicht immer in allen Dingen gut für einen selbst waren.
 

Buffy seufzte schließlich. „Du hast recht, am besten machen wir einen Bogen um Männer. Was meinst du?“
 

Dawn lachte. „Ich glaube, so einfach ist das auch wieder nicht. Ich arbeite zum Beispiel mit einem Jungen zusammen.“
 

„Okay.. dann beschränken wir uns einfach vorläufig darauf, dass du nie nach Sonnenuntergang einen Mann kennen lernst oder dich mit ihm triffst, er könnte ein Vampir sein. Wenn er Amulette trägt und im Zauberladen einkauft, meide ihn und sobald er mit merkwürdigen Codenamen um sich wirft, lauf davon.“
 

„Okay.. ich hab’s kapiert.. keine Vampire, keine Zaubermeister, keinen Soldaten, keine Sportler mit schicken Jacken.“
 

Buffy nickte zustimmend. „So und was meinst du jetzt da dazu? Braucht sie eine Politur?“ Sie hob Dawn die Lampe unter die Nase.
 

„Hm... könnte nicht schaden, sie wirkt so stumpf.“
 

Buffy ersparte sich eine Antwort und polierte statt dessen die entsprechende Stelle kräftig. Sie wurde tatsächlich etwas heller und Buffy dehnte das Polieren aus. „Scheint so, als wäre sie viel zu lange im Laden gestanden.“ Murmelte Buffy und bemerkte im Gegensatz zu Dawn nicht, wie aus der Schenköffnung eine dünne Rauchsäule entströmte. Ehe Dawn Buffy darauf aufmerksam machen konnte, explodierte die Rauchfahne in eine gewaltige Säule, die zu einer Wolke gegen die Zimmerdecke stieg. Buffy hatte inzwischen selbst bemerkt, was vor sich ging und ließ die Lampe erschrocken zu Boden fallen, sprang auf und zur Sicherheit gleich ein paar Schritte nach hinten. „Verschwinde von da, Dawn.“ Dawn sprang von ihrem Bett auf und kam zu Buffy. Obwohl sie bezweifelte, dass sie damit aus der Gefahrenzone war. Die Wolke füllte inzwischen den gesamten, oberen Bereich des Zimmers aus.
 

„Was.. was ist das?“
 

„Ein Djinn.“ Erklang eine tiefe, fröhliche Stimme mitten aus der Wolke. Mit einem lauten „Puff“ stürzte die Wolke in sich zusammen. Dawn und Buffy sahen mit großem Erstaunen zur Decke, blinzelten ein paar Mal und sahen sich dann an, als würden sie nicht glauben, was sie sahen... ein Mann mit Turban, gepflegten orientalischen Bart, roter, ärmellose Weste, nackter Brust und weißer Pluderhose, hing zwischen Decke und Boden und lächelte sie aus vergnügten Augen an. Sein Unterkörper verschwand in einer schmalen Rauchsäule im Inneren der Lampe.
 

„Wow.. ich glaube wir haben einen echten Dschinni...“, Dawn fand ihre Sprache wieder.
 

„Djinn.“ Verbesserte sie der Geist aus der Lampe. „Und sehr wohl, meine Damen.. Nur diese Verniedlichung des späten 19. Jahrhunderts habe ich bis heute nicht verstanden.“
 

„Eh... Djinn und wie weiter?“ Buffys Blick blieb misstrauisch.
 

„Nichts und weiter. Einfach Djinn. Falls Ihr die Regeln nicht kennt.. Ihr habt mich befreit. Also stehen Euch drei Wünsche frei.“
 

„Gleich drei?“ Dawn wären Hunderte eingefallen... es gab da eine sündhaft teure Hose, die sie seit Wochen im Schaufenster bewunderte. Oder einen neuen Computer.. so einen schicken Laptop wie ihn Willow besaß.. die Liste war unendlich. Und wenn Dawn näher darüber nachdachte, gab es auch viele tiefgreifendere, ernstere Wünsche...
 

„Und wer garantiert uns, dass Du echt bist?“ Buffy rührte sich nicht vom Fleck, während Dawn bereits neugierig ein paar Schritte zurück in die Zimmermitte machte.
 

„Niemand, natürlich. Ich bin echt. Was gibt es daran zu zweifeln? Wer außer einem Flaschengeist ist noch so verrückt und lässt sich in einer engen, nach Öl stinkenden Lampe einschließen, wartet darauf, dass man alle hundert Jahre im Durchschnitt erlöst wird, um dämliche Wünsche erfüllen zu mü....“
 

„Schon gut, schon gut,“ unterbrach Buffy das Gejammer. „Also drei Wünsche?“
 

Der Djinn nickte.
 

„Hm... ich wüsste etwas... einen Moment.. Dawn?“ Sie winkte ihre Schwester herbei und flüsterte ihr ihre Idee ins Ohr. Dawn nickte. Ein Versuch war es schließlich wert.
 

„Okay, Djinn... unser erster Wunsch. Ich meine.. schief gehen kann ja dabei eigentlich nichts... ich hätte also gerne...“
 

„Nein, nein, nein.. das muss heißen, ich wünsche mir...“, berichtigte der Flaschengeist.
 

Buffy stöhnte. „Also gut. Ich wünsche mir für mich und Dawn hier, die perfekte Wohnung.“
 

„So sei es,“ der Djinn nickte, klatschte in die Hände und in diesem Moment verschwanden Buffy und Dawn aus dem Zimmer.
 

++++
 

„Buffy?“ Giles Stimme drang gedämpft von außen in das leere Zimmer, in dessen Mitte die Öllampe achtlos lag. Er wollte mit Buffy noch einmal über sein Angebot sprechen. Ihre Worte waren verletzend gewesen, aber vielleicht hatte sie ihn ja nur missverstanden? Er wollte nicht, dass sie für DEN Rat arbeitete. Er bat sie um Hilfe und Unterstützung. Sie sollte für IHN arbeiten, für Geld. Natürlich war Buffy misstrauisch, was den Rat anging. Das verstand Giles natürlich. Aber deswegen konnte sie doch zumindest versuchen, mit ihm darüber zu reden?
 

Giles klopfte erneut und trat dann ein. „Buffy, ich habe mir das mit dem Angebot noch einmal überlegt...,“ er blieb abrupt stehen. Gerade vor ein paar Minuten hatte er doch noch Dawns Stimme gehört? Und die von Buffy? Es war niemand durch das Wohnzimmer gegangen. Irritiert trat er auf den Flur, aber es war völlig ruhig und still. Wieder im Zimmer sah sich Giles flüchtig um, darauf bedacht nicht zu sehr die Privatsphäre der beiden Mädchen zu verletzen. Dabei blieben seine Augen auf der Lampe ruhen. Noch immer mit fragendem Gesichtsausdruck, bückte er sich danach und hob sie auf.
 

++++
 

„Cool, oder nicht?“ Dawns Gesicht strahlte beim Anblick der Wohnung, die sich vor ihnen erstreckte. Ein einladend großer, mexikanisch angehauchter Wohnraum, mit hohen, hölzernen Bogenfenstern an der Seite, die sicher auf eine Terrasse führten, Kolonial-Ledersesseln und Sofa mit stilechtem Couchtischchen rundeten den ersten positiven Eindruck ab. Die Wände waren mit mexikanischen Kunstgegenständen dekoriert, Kerzenleuchtern und Wandteppichen. Alles wirkte warm und hell. Dawn spielte bereits in der Küche an den Geräten herum, als Buffy langsam aus ihrer Starre erwachte.
 

„Hey Buffy, hier geht alles voll automatisch.“ Man hörte Dawn in die Hände klatschen und kurz darauf plätscherte Wasser in die Spüle. Buffy lächelte über ihre Schwester und machte zögernde Schritte in die Raummitte, die von der Sitzgruppe eingenommen wurde. Unter ihren Füssen gab ein mexikanisch gewebter Teppich weich nach. Die Decke war hoch, da eine Treppe nach oben auf eine kleine Galerie führte auf der Buffy Sandsack und Trainingsgeräte erspähte. Die Wände waren mit einem warmen Erdton in einer Wischtechnik gestrichen und die mexikanischen, indianischen Kunstgegenstände in den Ecken waren nicht aufdringlich in Szene gesetzt.
 

„Es ist perfekt. Perfekt!“ Dawn kehrte aus der Küche zurück.
 

„Ich suche noch immer nach dem Haken.“
 

„Meine Güte.. musst du immer so pessimistisch sein?“
 

„Nein, aber man bekommt gewöhnlich nichts geschenkt. Das wirst du auch noch lernen, in ein oder zwei Jahren.“ Buffy ging weiter, öffnete eine Türe und erblickte dahinter ein Badezimmer, das ihr für einen Moment den Atem raubte... Whirlpool in der Mitte, Terrakotta-Boden, beige Wände, hohe Spiegel, Palmen am Badewannenrand und auch hier alles hell und warm. Im nächsten Raum verbarg sich ein Schlafzimmer mit Himmelbett und Sternhimmel. Schlafzimmer zwei war vollgestopft mit Plüschtieren, Postern, Computer...
 

„Eh.. ich glaube, dass ist dann mein Zimmer?“ Grinste Dawn.
 

„Offensichtlich. Du solltest erwachsen werden.“
 

„Ich BIN erwachsen,“ meckerte Dawn und folgte Buffy bei der Wohnungsbesichtigung.
 

„Kein Haken.. hm..,“ Buffy hob den Teppich bei der Sitzgruppe in die Höhe.
 

„Was tust du da?“
 

„Nach Pentagrammen suchen.“
 

„Oh Gott,“ stöhnte Dawn und ließ sich auf das Sofa fallen.
 

„Man kann nie wissen...“
 

„Am Ende glaubst du noch, die Wohnung steht in der Hölle oder auf einem fernen Planeten?“
 

„Das ist nicht witzig Dawn.“ Aber offensichtlich auf eine gute Idee gebracht, ging Buffy zu den großen Flügeltüren. Buffy nahm sich nicht die Zeit die Vorhänge davor zurück zu ziehen sondern öffnete beide Flügelfenster mit Schwung. Eisige Kälte schlug ihr entgegen, nahm ihr sogar die Luft und ihre Zähne begannen sofort zu klappern.
 

„Was ist?“ Dawn war die plötzliche Stille unangenehm und sie kam zu Buffy. „Oh...,“ ihre Augen fielen auf eine weiße Schneedecke, die sich in der Unendlichkeit verlor.
 

++++
 

Giles Wohnung

„Hm,“ Giles drehte die Lampe hin und her. Sein Blick wanderte kurz zu der Geschenkverpackung, ehe er weiter die Lampe untersuchte. Er entdeckte eine Stelle an der Lampe, die heller glänzte als der Rest und seine Liebe zur Ordnung und Sauberkeit, veranlasste ihn sich automatisch nach dem Putztuch zu bücken, um weiterzupolieren.
 

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„Alaska?“
 

„Wohl eher Nordpol?“ Schimpfte Buffy. „So war das nicht geplant...“
 

„Sag das unserem Djinn.“
 

„DJINN?“
 

„Ihr braucht nicht so zu brüllen,“ fuhr der Djinn, der wie aus dem Nichts auftauchte, Buffy an. „Ich bin nicht taub. Nur langsam. Was gibt es denn?“
 

„Wo sind wir hier?“
 

„In Sibirien.“
 

„Ist das nicht irgendwo in China?“ Versuchte Dawn zu glänzen.
 

Der Djinn zog ein mitleidiges Gesicht. „Versuch es mit Russland.“
 

„Sibirien? Wie um alles in der Welt kommen wir hierher.“
 

„Was stimmt nicht mit Sibirien?“ Fragte der Djinn unschuldig.
 

„Oh es dürfte für Dawn etwas schwierig werden morgens pünktlich in der Schule nach Cleveland zu kommen. Und wir können kein russisch,“ fügte Buffy ein wenig schnippisch hinzu.
 

„Ich verstehe. Nun, Ihr habt Euch eine perfekte Wohnung gewünscht.. wenn ich all die unterschwelligen Wünsche darin richtig interpretiert habe, ist das die Wohnung Eurer Träume. Aber es war keine andere frei, außer dieser hier. Der Wunsch beinhaltete keinen genauen Ort.“
 

„Okay.. okay,“ Buffy sah wo das Problem lag und entschloss sich dazu, es zu berichtigen. „Dann wünschen wir uns eben eine Wohnung in Cleveland.“
 

Dawn wollte protestieren, als der Djinn schon bestätigte:

„So sei es,“ er klatschte in die Hände und Buffy mit Dawn verschwanden mit einem leisen Puff.
 

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Giles ließ mit einem „Waha“, die Lampe fallen, als eine Rauchsäule aus der Öffnung stieg und zu einer Wolke wuchs. Der Effekt mit dem Knall und der sich auflösenden Wolke, beeindruckte dahingegen Giles weniger. „Ein Flaschengeist?“ Giles rückte seine Brille zurecht.
 

„Zu Ihren Diensten?“
 

„Leibhaftig... ein Djinn,“ korrigierte sich Giles bei genauer Begutachtung des Turbans, der Kleidung und des Bartes.
 

„Ganz recht, mein Herr. Und heute seid Ihr schon die zweite Person, die mich befreit und somit drei Wünsche frei hat. Solch einen Stress hatte ich seit dem 11. Jahrhundert nicht mehr, als mich ein Kalif in seinem Harem vergaß.“
 

„Die zweite Person? Buffy?“
 

„Keine Ahnung wie die jungen Damen hießen,“ gab der Djinn zu. „Aber nun.. Eure Wünsche?“
 

„Uhm, klein, blond, schlank?“ Beschrieb Giles Buffy und ignorierte die Aufforderung. Der Djinn nickte.
 

„Kommt mir bekannt vor. Aber nun.. Eure Wünsche.“
 

„I-ich brauche Bedenkzeit.“ Giles hatte einiges über Djinns gelesen, aber einem selbst zu begegnen war etwas völlig anderes. Normalerweise hätte er gerade einen Flaschengeist für eine echte Ausgeburt der Fantasie gehalten. Die Wirklichkeit überraschte ihn doch immer wieder, obwohl er schon so vieles gesehen hatte. Zudem beschäftigte ihn noch immer die Frage nach Buffy.
 

„Ich habe viel zu tun...“, drängelte der Djinn.
 

Da der Djinn offensichtlich nicht über Buffy reden wollte und Giles von der Neugier getrieben wurde, was geschah, wenn er einen spontanen Wunsch äußerte, ließ sich auf das Spiel ein. Und da sie gerade von Buffy gesprochen hatten... „Gut, dann... wünsche ich mir, dass Buffy wieder anfängt mit mir zu reden, ihre Gedanken wieder mit mir teilt.“
 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände und Giles glaubte irgendwo erneut ein leises Puff zu hören und der Djinn verschwand.
 

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„Meine Güte.. wo sind wir jetzt schon wieder gelandet?“ Dawn sah sich angewidert um. Die Wohnung war eng und es miefte irgendwie nach Schweißfüssen.
 

Buffy glaubte, die Wohnung schon einmal gesehen zu haben... auf ihrer Besichtigungstour. „Oh nein.. warte...,“ sie eilte an eine bestimmte Stelle des Bodens, hob den Teppichboden an und außer einer schnellen Kakerlake erblickten die beiden Schwestern ein Pentagramm auf dem Boden.
 

„Das ist ein Albtraum oder?“ Fragte Dawn vorsichtig.
 

„Ich bin mir nicht sicher.. bestimmt haben wir wieder einen Fehler gemacht.“
 

„Offensichtlich,“ sagte Dawn gereizt. „Ich hatte dich noch warnen wollen...klasse uns bleibt jetzt nur noch ein Wunsch oder?“ Buffy nickte. „Und wenn dieser auch schief geht, sind wir vielleicht irgendwo gefangen und kommen da nie wieder raus.“
 

„DJINN,“ rief Buffy eine Spur panischer.
 

„Zu Ihren Diensten?“
 

Buffy wirbelte herum. Der Djinn schwebte hinter ihnen. „Was ist das jetzt schon wieder?“
 

„Eine Wohnung in Cleveland,“ erklärte der Djinn geduldig.
 

„Aber wir wollten doch eine perfekte Wohnung.“
 

„Ihr sagtet: Ich wünsche mir eine Wohnung in Cleveland.“
 

„Aber eine perfekte.“
 

„Das kam nicht im Wunsch vor. Und daran gedacht habt Ihr auch nicht.“
 

Schade, dachte Buffy, dass sie in ihrem Unterbewusstsein noch immer mit diesen Bruchbuden beschäftigt war. Frustrierend. „Ich hätte einen guten und perfekten, dritten Wunsch.. bring uns... nein halt.. ich wünsche mir sofort mit Dawn zurück in unsere alte Wohnung in Cleveland, Eigentümer Rupert Giles, Erie Street...“, fügte Buffy hastig hinzu, um ja nichts zu vergessen.
 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände und als diesmal das „Puff“ erklang, befanden sich Dawn und Buffy in Giles Wohnzimmer.
 

„Gott sei Dank... das scheint gut gegangen zu sein,“ seufzte Dawn und nahm erschöpft Platz. „Weißt du was, Buffy? Ich finde es hier gar nicht mehr so schlecht.“ Ihr Blick wanderte im Raum herum, während Buffy in der Küche verschwand, um sich etwas zu trinken zu holen.
 

„Na ich weiß nicht,“ Buffy hob prüfend die Orangensaftpackung hoch. „Schon wieder mit Fruchtstücken. Ich hasse Saft mit diesen ekligen, glitschigen Stücken. Das erinnert mich immer an eines dieser fiesen, schleimigen Kreaturen. Und das ist ein Grund, wieso wir ausziehen müssen.“
 

Dawn wollte gerade den Einwand bringen, dass sie sich gerade selbst davon hatten überzeugen können, wo eine eigene Wohnung sie hinführen würde, als Giles überraschend aus dem Zimmer der beiden Mädchen auftauchte.
 

„Da seid ihr ja,“ Giles wirkte sehr erleichtert.
 

„Wir waren nur... meine Güte, Sie werden uns das nie glauben,“ fing Dawn an.
 

„Sie haben schon wieder Saft mit Fruchtfleisch gekauft,“ sagte Buffy zusammenhangslos und anklagend.
 

Giles blickte sie etwas irritiert an. „Bitte?“
 

„Saft,“ Buffy hob die Packung hoch, damit sie Giles sehen konnte. „Fruchtstückchen,“ sie schüttelte zur Demonstration die Packung, in deren Inneren es schwappte.
 

„Ich bevorzuge nun einmal diesen Saft,“ antwortete Giles noch immer irritiert.
 

„Ja SIE. Aber wir sind hier zu viert.. ein wenig Rücksichtnahme wäre nicht schlecht.“ Trotzdem schenkte sich Buffy ein Glas voll.
 

„Ach ja,“ Giles verschränkte die Arme vor der Brust. „Nun, drücken wir es einmal so aus.. wenn du dich um Einkauf und die Finanzierung kümmerst, können wir uns darüber gerne noch einmal unterhalten.“
 

Buffy schenkte Giles einen ihrer „das meinen Sie jetzt ganz sicher nicht so ernst“ - Blicke und zog eine Augenbraue herausfordernd in die Höhe, als Giles ihrem Blick standhielt. Dawn war der Ansicht, die beiden würden sich wie zwei Duellanten gegenüber stehen. Doch schließlich nahm Giles die Arme von der Brust und trat näher an die Durchreiche zur Küche, griff sich das Glas und tat etwas völlig Überraschendes – er trank es vor Buffys entrüsteten Augen leer. „Ende der Diskussion.“ Und damit stellte Giles das Glas mit einem Rums ab. „Wir haben noch jede Menge anderes hier, das deinen Ansprüchen sicher gerecht wird.“
 

Buffy starrte ihn fassungslos an. Völlig perplex brachte sie kein Wort heraus, während Dawn alle Mühe hatte, nicht in lautes Gelächter auszubrechen und sich krampfhaft auf die Zunge biss.
 

„Also was habt ihr erlebt?“ Giles drehte sich zu Dawn und in seinen Augen blitzte es amüsiert auf. Es war lange her, dass er Buffy sprachlos machte.
 

„Es war völlig verrückt,“ begann Dawn los zu plappern.
 

„Ja, verrückt und merkwürdig,“ grummelte Buffy, wandte sich ab und suchte im Kühlschrank nach etwas, das sich trinken ließ.
 

„Oh, wenn ihr darüber reden wollt.. ich hätte ein wenig Zeit. Ich hatte nämlich auch gerade eine verrückte Begegnung.“ Giles wollte sich auf das Sofa setzen, als Buffy plötzlich an seiner Seite auftauchte.
 

„Reden. Reden ist ein gutes Stichwort, Giles. Ich wollte schon seit ein paar Tagen mit Ihnen reden, aber irgendwie hat es sich nie ergeben.“
 

„Oh.. uhm... gut....“, unsicher sah er seine ehemalige Jägerin an.
 

„Mir wäre es sehr recht..,“ Buffy sah zu Dawn und dann zur Treppe.
 

„Oh, uhm... natürlich .. unten? In meinem Büro?“
 

„Gut, wenn mich niemand braucht.. und sich niemand über Flaschengeister unterhalten möchte... ich bin mal schnell weg.. mich mit Sam, Mara... ach was soll’s,“ murmelte Dawn, als sie bemerkte, dass Buffy mit Giles längst gegangen war.
 

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Cleveland

Ratsgebäude

Selbe Zeit

Willow durchquerte den großen und menschenleeren Konferenzraum, um in Giles Wohnung nach dem Wächter zu sehen. Im Flur blieb sie kurz stehen, weil sie aus dem Büro Stimmen zu hören glaubte, aber offensichtlich hatte sie sich getäuscht. Ihr Weg führte weiter über die Treppe nach oben in die Wohnung.
 

„Giles?“ rief die Hexe mit Hoffnung, dass der Wächter oder einer seiner Mitbewohner ein Lebenszeichen von sich gaben. Sie ließ ihren Blick durch das leere Wohnzimmer gleiten und verstand was Buffy damit gemeint hatte, sie wolle Giles nicht noch mehr Unannehmlichkeiten bereiten. Überall auf dem Couchtisch zeichneten sich Ränder von abgestellten Gläsern ab, die wohl nicht abgewischt worden waren und auf einem Sessel fand sich ein Top, das seiner Größe nach zu urteilen, wohl Dawn gehören musste. Willow schmunzelte. So eine Unordnung und das bei einem Mann, der sogar seine Dämonenlexika nach Alphabet ordnete. Armer Giles!!
 

Als Willow weiterging und Dawns Zimmer betrat, in der Hoffnung wenigstens Dawn oder Buffy anzutreffen, fand sich zwischen einem Geschenkkarton und Putztuch eine alte, goldene Öllampe. Das Licht der Mittagssonne ließ sie strahlen. Willow runzelte die Stirn. Waren da Buchstaben auf dem Bauch der Lampe? Um sie besser lesen zu können, begann Willow an ihr zu reiben. Während sie mit dem Ärmel ihres dünnen Oberteils an der Lampe rieb, entstieg Rauch ihrem Ende. Erschrocken stellte Willow das alte Ding wieder an seinen Platz und sah zu wie Rauch aus der Vorderseite der Lampe aufstieg und mit einem Puff erschien ein Mann mit schwarzem Bart und Turban auf dem Kopf. Wie Willow feststellte, schwebte er einige Meter über dem Boden. Seine Kleidung ließ ihn aussehen wie die Helden aus den tausend und einer Nacht-Geschichten.
 

„Dauernd reibt jemand an der Lampe!!“ murmelte er und begann ein wenig an seiner kurzen, ärmellosen Weste zu zupfen.
 

„Ehm….Hallo?“ machte die Hexe einen schwachen Versuch die Aufmerksamkeit des Flaschengeistes auf sich zu lenken. Der Flaschengeist sah auf.
 

„Ihr habt also an der Lampe gerieben?“
 

Willow nickte. „Wer sind Sie?“
 

„Ich bin Djinn, ein Flaschengeist, und da Ihr an meiner Lampe gerieben habt, stehen Euch drei Wünsche zu!!“
 

Willow versuchte das eben Erfahrene zu verarbeiten. Dann gab es Flaschengeister also wirklich. Sie durfte sich was wünschen. Nur was? Hatte sie denn nicht schon alles was sie sich wünschte? Freunde, Studium, Zauberkräfte. Was wollte man mehr?
 

„Also ich höre. Wollt ihr, Ruhm, Macht oder gibt es jemanden, der sich in Euch verlieben soll?“ drängte der Djinn.
 

Willows Gesicht hellte sich auf. „Ich weiß etwas!! Ich wünsche mir einen Job, bei dem ich den Menschen Freude bringen und meine Fähigkeiten voll einsetzen kann!!“
 

"Wie Ihr wünscht, “ lächelte der Djinn, schnipste mit dem Finger und ließ Willow in einer Rauchwolke verschwinden. „Ich sollte zur Gewerkschaft gehen.“ Damit zog sich der Flaschengeist in sein beengtes Zuhause zurück.
 

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Schaurige Musik drang durch die Boxen an Willows Ohr und vor ihr reihten sich die Schaufenster der verschiedensten Geschäfte aneinander. Willow befand sich in einem Kaufhaus. Kleine Kürbisse zierten den Eingang der meisten Geschäfte und viele Kinder waren maskiert. Sogar ein kleiner Vampir fand sich unter den Verkleideten. Die Hexe schmunzelte. Wenn Buffy und Kennedy das sehen könnten….Plötzlich wurde ihr klar, dass es nach dieser Zeitrechnung Halloween sein musste, obwohl der 31. Oktober erst in einigen Wochen war. Wahrscheinlich hatte der Djinn einfach ein wenig an der Zeit gedreht. Das verwirrte die Hexe auch weniger als die Blicke, die ihr von Kindern und Kunden zugeworfen wurden. Ein Blick an sich herunter ließ Willow einen leisen Schreckensschrei ausstoßen. Sie trug ein schwarzes, langes Hexenkostüm.
 

„Du hast aber eine komische Nase!!“ kicherte ein junges Mädchen, das mit seiner Mutter vor Willow stand.
 

„Komische N…“. Willow stockte als sie plötzlich das Gummiband spürte, dass sich um ihre Backen und Ohren zog. Ganz langsam führte die Hexe ihre Hände an ihr Gesicht und speziell an ihre Nase und war schockiert. „Eine Plastiknase?!?“ schrie sie das kleine Mädchen vor sich mit schriller Stimme an.
 

„Ähm….Ich würde gerne ein Foto mit Ihnen und meiner Tochter machen. Sie sind eine wirklich gute Kaufhaus-Hexe!!“ lobte die Mutter des Mädchens und suchte in ihrer Tasche nach ihrem Fotoapparat.
 

„Kaufhaus-Hexe?!“ rief Willow noch schriller als zuvor und drängelte sich an Mutter und Kind vorbei zu einer Tür, auf der ganz groß „Restroom“ stand. Der Blick in den Spiegel rief die schlimmsten Befürchtungen in der Hexe wach. Sie trug einen schwarzen Spitzhut auf dem Kopf, der absolut lächerlich wirkte. Ganz zu schweigen von den übertrieben rot geschminkten Backen und der Plastiknase inmitten ihres Gesichtes. Panik machte sich in Willow breit. Vor zwei Jahren noch hatte sie sich bei Dawn lautstark darüber beschwert wie albern doch diese Verkleidungen aussahen und nun das ihr. Einer echten Hexe. Dieser Albtraum musste ein Ende finden und das schnell!!!
 

„DJINN!!“ schrie sie deshalb. Es gab ein lautes Puff mit etwas Rauch, dann schwebte der Flaschengeist vor ihr.
 

„Was gibt es denn nun? Habt Ihr einen zweiten Wunsch?“ wollte er wissen als wäre nichts passiert.
 

„Du hast eine Kunden-Attraktion aus mir gemacht!!“ sagte die Hexe anklagend.
 

„Ihr wolltet einen Job, der Menschen glücklich macht und bei dem Ihr eure Fähigkeiten ausnutzen könnt,“ meinte der Djinn gelassen. „Das kleine Mädchen war wirklich sehr glücklich als es Euch gesehen hat. Aber ich denke, Ihr habt ihm Angst eingejagt.“
 

„Ich wollte mich aber nicht zum Affen machen!!“ jammerte Willow.
 

„Euch Menschen kann man auch gar nichts recht machen!! Na schön. Was ist Euer zweiter Wunsch??“ seufzte der Djinn.
 

Willow dachte angestrengt nach. Was wollte sie schon immer mal machen? Da fiel ihr ein wie gern sie unterrichtete und erinnerte sich an die Nachhilfestunden, die sie Buffy in der High School gegeben, und wie sie den Computerkurs von Miss Calendar übernommen hatte. „Ich wünsche mir zu unterrichten. An einer Schule. Vielleicht etwas mit Computern oder….“ Willow hielt sich zurück, die Zauberei ins Spiel zu bringen. Womöglich kam der Djinn sonst noch auf die Idee sie nach Hogwarts oder dergleichen zu schicken.
 

„Wie Ihr wünscht,“ sagte der Djinn, schnippte erneut, wodurch Willow zum zweiten Mal mit einem Puff in einer Rauchwolke verschwand.
 

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Giles Wohnung

Ein paar Stunden nach Willow

“Wo sind die denn alle hin?" Verwundert blickte Andrew sich in der Wohnung um. "Nicht, dass wir irgendwie in einer Paralleldimension gelandet sind," fügte er ängstlich hinzu, "oder vielleicht fünfzehn Minuten in der Vergangenheit." Er nahm einen Schluck aus seiner Coladose. "Nein, sie schmeckt noch!"
 

"Wie wär's damit, dass sie einkaufen gegangen sind?" Xander öffnete die Tür zu Giles' Schlafzimmer, und stellte den Werkzeugkasten ab. "Aber falls hier irgendwo ein toter Typ im Hasenkostüm rumrennt, sag mir Bescheid." Er brach ab. Der Gedanke an Hasen versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, und ihm war klar, dass er jetzt besser das Thema wechselte. Er hatte einen Lichtschalter zu reparieren, also öffnete er den Kasten und suchte nach dem richtigen Schraubenzieher. Als erstes musste er die Überreste des alten Schalters von der Wand schrauben. Dann würde er sich erst mal die Kabel ansehen.
 

"Xander, sieh mal, was ich gefunden habe," klang Andrew's Stimme aufgeregt aus dem Nebenzimmer.
 

"Mach bloß nichts kaputt!" rief Xander zurück. Sie mussten nicht schon wieder Chaos und Zerstörung über Giles' Wohnung hereinbrechen lassen.
 

In Dawns Zimmer betrachtete Andrew die goldene, ein wenig exotische Öllampe, die auf dem Boden lag. "Da ist bestimmt eine Jeannie drin," überlegte er, hob den glänzenden Gegenstand auf, und begann ihn kräftig zu schütteln. "Jeannie? Jeannie, komm raus!"
 

Ihm fiel ein, das Schütteln ja nichts half, und er begann an der Lampe zu reiben. Als dichter Rauch das Zimmer füllte, musste er zwar husten, aber es überraschte ihn nicht besonders, als die Rauchwolke mit einem Puff verschwand. So lief das doch immer ab.
 

Es war allerdings kein blondes Mädchen, das über ihm im Zimmer schwebte, sondern ein orientalisch aussehender Typ. Na, das machte nichts, spätestens seitdem er Aladdin und Wishmaster gesehen hatte, wusste er, das Flaschengeister auch männlich sein konnten. Und ziemlich gefährlich, aber so böse, oder besser gesagt, so gut, wie Andrew Divoff sah der hier wirklich nicht aus. Man durfte eben nicht alles glauben, was man im Fernsehen sah.
 

"Ich wünsche mir," begann Andrew, noch bevor der Djinn überhaupt zu Wort gekommen war, "ich wünsche mir meine Eltern, und Warren, und Jonathan zurück, und dann noch eine neue Staffel zu Millenium, Dark Angel, Stargate, Babylon 5, und X-Files, und dann noch einen schwarzen Trans Am, oder besser noch, einen schwarzen Trans Am, und einen DeLaurian und einen..."
 

"Halt, halt," unterbrach der Geist Andrew’s Redefluss, "wie mir scheint, sind euch die Regeln gänzlich unbekannt!" Er hielt drei noch immer leicht qualmende Finger in die Höhe. "Ihr habt genau drei Wünsche frei, nicht mehr und nicht weniger!"
 

"Aber das waren doch drei!" Mit seinem unschuldigsten Unschuldsblick sah Andrew das schwebende Wesen an. Dieses jedoch runzelte die Stirn, bis Andrew verlegen die Augen abwandte. "Ähm..."
 

"Ihr müsst eben entscheiden, was Euch das Wichtigste ist." Bedauernd zuckte der Djinn mit den Achseln. "Und das möglichst bald, denn ich bin äußerst beschäftigt!"
 

"Also gut, also gut," murmelte Andrew vor sich hin. "Drei sei die Zahl, die du zählest, und die Zahl, die du zählest, soll drei sein. Weder sollst du zählen, bis zur vier...ach, kann ich mir denn nicht für den einen Wunsch zwei andere Wünsche wünschen, und vier haben?" fragte er kleinlaut, und sah flehentlich zu dem Geist auf. Der jedoch schüttelte stumm den Kopf.
 

"Ein 'Bitte' mit ganz viel Zucker, und ner Kirsche obendrauf?" versuchte Andrew es ein weiteres Mal.
 

"Ich mache die Regeln nicht, junger Mann," entgegnete der Djinn ungehalten. "Ich bin ebenso an sie gebunden, wie Ihr!"
 

"Na schön." Andrew schniefte in sein Spiderman Taschentuch, und sein Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. "Ich will mir nichts mehr wünschen! Soll Xander sich was wünschen!"
 

Er lief zur Tür und schrie in den Flur hinaus: "Xander! Komm mal her, hier ist eine männliche Jeannie, die Wünsche erfüllt!"
 

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Eine Etage tiefer... Giles Büro

„Setzt dich doch,“ Giles zeigte auf den freien Besucherstuhl. Er selbst ließ sich auf die Tischkante sinken, nahm seine Brille ab und spielte damit. Er war nervös...
 

„Ich denke, ich bleibe lieber stehen.“ Buffy setzte ein ernstes Gesicht auf und fing an, im kleinen Raum auf und ab zu gehen. „Ich denke, Sie wissen... nun... wir waren nie gut in diesen Dingen. Reden meine ich. Also, dachte ich mir ganz urplötzlich... reden könnte helfen.“
 

Giles lächelte sie gezwungen an, um sich Mut zu machen und hatte nicht die geringste Ahnung in welche Richtung sie das Gespräch führen würde.
 

„Es ist so vieles passiert seit Sie damals weg sind und das meiste wissen Sie ja sowieso.“ Buffy ließ sich nun doch auf den Stuhl sinken. „Und trotzdem... wir hatten vor meiner Abreise so wenig Zeit, um uns über das zu unterhalten, was, seit ich Caleb getötet habe, passiert ist. Habe ich Ihnen eigentlich erzählt, dass ich, als Angel so plötzlich in dieser Gruft aufgetaucht ist, alles vergessen, und mich einfach an seinen Hals geworfen hab’?“
 

Giles räusperte sich und glaubte rot zu werden. „Nein.. uhm... mit Sicherheit nicht Buffy, und ich weiß nicht, ob ich die richtige Person bin, der du davon erzählen solltest.“
 

„Nun ja.. meine Mutter ist tot, wie Sie wissen und mein Vater schert sich einen Dreck um uns.. ich habe niemanden... eh älteren, der mir etwas raten könnte, außer Ihnen, und wir stehen uns im Moment auch nicht mehr so nah.“
 

Erst hatten ihn Buffys Worte verlegen gemacht, dann erfreut und jetzt folgte ein Tiefschlag. Giles war erschüttert. So direkt hatte er all die Dinge nicht wissen wollen.
 

„Kommen Sie schon, machen Sie nicht so ein betretenes Gesicht. Das ist doch nichts, was wir nicht aus der Welt schaffen könnten.“ Er nickte gezwungen. „Ach und dann die Sache mit Spike.. ich hätte es Ihnen wohl besser erklären müssen, dann hätten Sie nicht so schnell geurteilt und mich besser verstanden.“ Buffy stellte überrascht fest, dass es ihr nicht schwer fiel über Spike zu reden. Merkwürdig... in den letzten Tagen war sie doch so froh gewesen, dass sie niemand auf ihn und auf das, was passiert war, angesprochen hatte? Und jetzt sprach sie ganz offen darüber? Etwas stimmte nicht. „Es ging dabei nicht nur um Gefühle und Sex...“
 

Giles hustete, räusperte sich und war nahe daran, Buffys Redefluss zu unterbinden, doch einmal in Fahrt gekommen, ließ sich Buffy nicht aufhalten. „... das war mehr bei Angel so. Wobei das Thema Sex natürlich tabu war. Wenn ich es mir genau überlege, ging es bei Spike und mir eine ganze Weile nur um Sex...“, was redete sie da nur? Buffy war sich bewusst, dass das Gespräch eine ganz andere Wendung nahm. Sie konnte nur nichts dagegen machen.
 

Giles erneutes Räuspern unterbrach sie dann doch. „Ihnen ist das unangenehm?“ Halt.. Sie hatte doch fragen wollen Sie merken auch, dass ich die falschen Dinge laut ausspreche?
 

„Nun... in gewisser Weise ja. Wir sollten fürs erste vielleicht über andere Dinge sprechen? Wichtigere Dinge? Deine Wohnungssuche...“
 

„Aber das tue ich doch,“ entrüstete sich Buffy.
 

Giles verdrehte die Augen und stand auf. „Ich habe das Gefühl, hier stimmt etwas nicht.“
 

Buffy sah ihn alarmiert an. „Sie merken das auch?“
 

Giles nickte. „Ich hatte vor ein paar Minuten eine Begegnung mit einem Flaschengeist...“
 

„Oh, Turban, Bart, Weste, Pluderhosen ...“, zählte Buffy auf, die sich insgeheim fragte, was Giles sich gewünscht hatte, dass sie so verkehrte Dinge sagte.
 

„Der Djinn.“ Bestätigte Giles.
 

„Sie haben sich von ihm gewünscht, dass ich mit Ihnen über Sex rede?“ Entsetzt über die Erkenntnis, schnappte Buffy nach Luft.
 

„Nein... um Himmelswillen, nein.“ Wehrte Giles ab. „I-ich wollte nur...reden.“
 

„Verstehe. Das können wir gerne tun, wenn Sie dafür gesorgt haben, dass der Wunsch aufhört. Rufen Sie einfach nach dem Flaschengeist.“
 

„Uhm.. ja...,“ etwas zerstreut rückte Giles seine Brille zurecht und rief „Djinn?“
 

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Xander war gerade dabei die letzte Schraube festzuziehen, als er Andrew aus dem Nebenzimmer plärren hörte. Hoffentlich hatte der Junge nicht irgend was kaputtgemacht, oder mit magischen Artefakten herumexperimentiert! Das fehlte gerade noch!
 

"Was ist denn los?" Das erste, was er tat, als er die Tür zum Nebenraum öffnete, war, tief Luft zu holen, und mit vorsichtigen Blicken den Raum abzusuchen. Allerdings bot sich ihm weder ein heilloses Durcheinander, noch die Überreste eines fehlgeschlagenen Zaubers. Alles schien soweit normal zu sein.
 

Von einer Jeannie war jedoch nichts zu sehen.
 

"Eben war er noch da!" stammelte Andrew verwirrt. "Er ist hier oben rumgeschwebt!" Um es zu verdeutlichen, wedelte er mit den Armen über dem Kopf.
 

"Also gut, eben war er noch da," seufzte Xander. "Wahrscheinlich hat dieser Jeannie auch einen Astronauten zum Freund, und ist mit ihm auf den Mond geflogen. Ich wünschte, ich wär auch Astronaut, dann müsste ich mich nicht mit kaputten Lichtschaltern und nervigen kleinen....
 

"Ihr möchtet Astronaut sein?", erklang eine tiefe Stimme, und das Zimmer füllte sich mit Rauch. „Schon geschehen!"
 

Im nächsten Moment ging ein Ruck durch seinen ganzen Körper, und Dawn’s Zimmer um ihn herum, löste sich auf. Stattdessen blickte er durch die dicke Plastikscheibe seines Helmes auf eine karge zerfurchte Mondlandschaft.
 

"Was...was?" stammelte er verwirrt, und taumelte einen Schritt vorwärts. Seltsamerweise wurde aus dem Schritt ein Sprung, und er flog mindestens drei Fuß durch die Luft, bevor er auf den Boden knallte. "Wo bin ich?"
 

Niemand antwortete ihm. Er fingerte an seinem Helm herum, ließ jedoch die Arme sinken. Falls er sich wirklich auf dem Mond befand, brauchte er das Ding zum Atmen. Wie viel Luft hatte er überhaupt zur Verfügung?
 

'Mal angenommen, ich bin wirklich auf dem Mond', überlegte er, 'dann muss ich doch irgendwie hierher gekommen sein. Vielleicht hab ich ja ein Raumschiff, oder ein Mondfahrzeug, oder etwas in der Richtung.’ Er rappelte sich hoch, was ihm bei der geringen Schwerkraft relativ problemlos gelang, und begann die Umgebung abzusuchen. Nichts. Kein Fahrzeug, kein Raumschiff, keine Ausrüstung.
 

Das wurde doch von Minute zu Minute seltsamer.
 

Andrew hatte etwas von einer Jeannie gefaselt. Natürlich hörte sich das Ganze ziemlich unrealistisch an, doch dasselbe hatte er vor acht Jahren auch von Vampiren geglaubt. Also - einen Versuch war es allemal wert.
 

"Jeannie!" rief er in seinem luftgefüllten Helm. "Jeannie, wo bist du? Genie? Dschinni?"
 

Nichts geschah.
 

"Djinn!" brüllte er schließlich, und in diesem Moment stieg eine Rauchwolke aus dem kargen Mondgestein auf, und verwandelte sich - puff - in einen schwebenden, orientalisch aussehenden Mann. Xander guckte verdutzt. Mit einer theatralischen Geste wischte sich der schwebende Mann den imaginären Schweiß von der Stirn. Das es hier auf dem Mond keine Luft gab, in der man schweben, geschweige denn sprechen konnte, schien dem Djinn nicht das Geringste auszumachen. Als er den Mund öffnete, hörte Xander seine Worte klar und deutlich. "Wieso könnt ihr Menschen nicht einmal, ein einziges Mal nur, mit euren Wünschen zufrieden sein?"
 

"Wie viele Wünsche hab ich denn frei?" fragte Xander zurück, und der Djinn griff sich an den Kopf. "Ist das die Möglichkeit? Dieses Jahrhundert ist wirklich nicht zum Aushalten!"
 

"Sind es vielleicht drei?" wollte Xander vorsichtig wissen. Sein Gesprächspartner nickte seufzend, und Xander begann zu überlegen. Einen hatte er schon verschwendet, für den nächsten, wollte er sich etwas wirklich Praktisches wünschen. Etwas, womit er für den Rest seines Lebens etwas anfangen konnte.
 

"Ich wünsche mir, Karriere gemacht zu haben," erklärte er schließlich. "Und zwar in meiner Firma in Cleveland," fügte er hinzu, denn er hatte keine Lust, als kolumbianischer Drogenboss zu enden.
 

"Euer Wunsch sei Euch gewährt," erklang die Stimme des Djinns, und die Mondlandschaft außenrum verschwand, ebenso wie der Raumanzug. Erschrocken schloss Xander die Augen.
 

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Die Dunkelheit wurde von einem Puff durchdrungen und im selben Augenblick strich über Willows Wange etwas Kaltes, Nasses. Die Hexe verzog angewidert das Gesicht, öffnete ihre Augen und sprang erschrocken auf. Vor ihr stand ein Collie, der freundlich mit dem Schwanz wedelte und versuchte, an Willow hoch zu springen.
 

„Nein. Sitz!“ drohte sie mit dem Zeigefinger, wich ein wenig vor dem Tier zurück und zuckte vor Schreck zusammen, als der Hund protestierend bellte.
 

„Claire!!....Claire?...Was machst du schon wieder?“ rief eine Männerstimme sichtlich gestresst. Seine Frisur und sein schüchternes Lächeln erinnerten ein wenig an Angel. Na ja abgesehen von dem Umstand, dass der Typ blonde, statt brauner Haare besaß. „Hallo…ich bin Joey!!“ grüßte der Mann freundlich und legte seinen Hund, Claire, an die Leine. Erst jetzt hatte Willow die Gelegenheit den Ort, an dem sie zu sich gekommen war, näher in Augenschein zu nehmen. Sie befand sich in einer großen Halle, ähnlich einer Lobby. Jedenfalls deutete die hölzerne Theke am Ende des Raumes darauf hin.
 

„Sie sind es, stimmt´s?“ riss Joey die Hexe aus ihren Gedanken. Willow runzelte verwirrt die Stirn.
 

„Was?“
 

„Na, die Hundetrainerin“ lächelte Joey und deutete hinter sich, wo Männer und Frauen mit den verschiedensten Hunden herbei kamen. Der Meute voran ein Mann, Ende vierzig, der einen ausgewaschenen, dunkelblauen Anzug trug und die ganze Zeit über wichtigtuerisch mit den Händen in der Luft herumfuchtelte.
 

„Willkommen an der Dog School, Cleveland. Mein Name ist James Mathews und das…,“ Mr. Matthews trat neben Willow und schob sie vor sich. „…ist Ms. Rosenberg. Ihre Hundetrainerin. Also dann…viel Erfolg!“ Mr. Mathews tätschelte Willow aufmunternd die Schulter, flüsterte ihr noch ein „die Show gehört ihnen“ zu und stiefelte von dannen.
 

„M-Moment mal,“ stotterte Willow, doch Mr. Mathews war schon verschwunden. Stille hatte sich auf die Eingangshalle gelegt, bis auf Claire, die Willow erwartungsvoll anbellte. Als die Hexe den Hund mit „Sei still“ anfauchte, hob die Hündin ihr Bein ein wenig an und pinkelte auf Willows nagelneue Lederschuhe.
 

Joey lächelte entschuldigend und zog Claire von ihr weg. „Entschuldigen Sie. Sie ist in letzter Zeit so schlecht gelaunt. Hat Depressionen.“
 

Willow starrte den jungen Mann entgeistert an. „Ich dachte die kriegen nur Flöhe und sonst nichts?!“
 

„Ms. Rosenberg? Können wir dann mit dem Unterricht beginnen?“ wollte ein kleines Mädchen mit einem Yorkshire Terrier neben sich wissen.
 

„Unterricht? So wie Schule, ja?“ Etwas von der alten Unsicherheit, die Willow in ihrem ersten Jahr an der Highschool an den Tag gelegt hatte, kehrte zurück. Wie um Himmels willen, sollte sie mit einer Horde von Hunden fertig werden. Als Kind hatte sie sich immer die Welpen angesehen und ihre Eltern stets erfolglos um einen angebettelt.
 

Alle Augen waren erwartungsvoll auf Willow gerichtet. Die Blicke ihrer „Schüler“ brannten sich wie Feuer in Willows Haut.
 

„Geht schon mal ins Freie. Ich komme gleich nach und dann üben wir…“. Willow sah bewusst Claire an, die sie trotzig taxierte. „…irgendwas. Uns fällt schon was ein,“ lächelte sie schüchtern und bewegte sich langsam auf eine Tür zu, die die Aufschrift „Angestellte“ trug. Die Hundebesitzer wunderten sich zwar über das Verhalten der Trainerin, taten aber dennoch was Willow ihnen gesagt hatte.
 

Glücklicherweise befand sich niemand in dem Raum.
 

„Djinn!!!“ schrie sie und es dauerte nicht lange bis der Djinn mit einem lauten Puff vor ihr erschien.
 

„Gefällt es euch? Eine Hundeschule“ lachte der Djinn stolz.
 

„Nein. Mir gefällt das überhaupt nicht, Djinn!! Ich wollte unterrichten und etwas mit Computern machen!! Stattdessen werde ich angesabbert und bepinkelt.“ Sie deutete auf ihre Lederschuhe, auf denen man nun deutlich die Flecken sehen konnte.
 

Der Djinn zuckte mit den Schultern und verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust. „Ihr sagtet VIELLEICHT etwas mit Computern. Das ist etwas anderes!“
 

Allmählich riss Willow der Geduldsfaden. Das war nun schon der zweite Wunsch, den der Djinn zu ihrer Unzufriedenheit erfüllt hatte. Jetzt war nur noch einer übrig und Willow hatte eigentlich schon gar keine Lust mehr sich noch irgendwas zu wünschen.
 

„Und da hast du die Initiative ergriffen und mich zu einer Hundeausbilderin gemacht?“ fragte die Hexe vorwurfsvoll.
 

„Ich weiß gar nicht, was Ihr habt!! Ich dachte, Menschen mögen Hunde.“
 

„Ich mag Hunde. Nur nicht unbedingt mit ihnen arbeiten. Schick mich wieder zurück,“ seufzte Willow.
 

„War das ein Wunsch?“ wollte der Djinn wissen. „Oh wartet... war es einer?“ Willow schüttelte den Kopf. Den dritten Wunsch musste sie sich genau und in Ruhe überlegen. „Dann müsst ihr einen Moment warten... ich werde gerufen...“
 

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Cleveland

Ratsgebäude – Giles Büro

„Komisch... bei uns hatte das vorhin funktioniert. Rufen Sie noch einmal,“ riet Buffy. „Sonst fallen mir noch ein paar Dinge ein... hm.. hab ich schon jemals mit Ihnen über einen Jungen namens Parker geredet?“
 

„Buffy bitte.... nicht jetzt.“ Giles wurde die Situation peinlicher und peinlicher. Und wenn er den Flaschengeist erwischte.... nun ja, den Hals konnte er ihm schlecht herumdrehen. „Djinn?“
 

„Schon zur Stelle.“ Der Flaschengeist erschien mit einem „Puff“. „Ein wenig eng hier unten.“ Kritisierte er ernsthaft das Büro.
 

„Wo hast du gesteckt?“ Buffy trat auf ihn zu und ignorierte seine Spitze.
 

„Hatte alle Hände voll zu tun. Aber was kann ich für Euch tun?“
 

„Meinen Wunsch rückgängig machen,“ brummte Giles. „Ich hatte mir das ganze etwas anders vorgestellt.“
 

„Sie müssen sagen, ich wünsch mir...“, belehrte ihn Buffy und wurde mit einem leicht genervten Blick belohnt.
 

„Ihr habt Eure drei Wünsche bereits gehabt.“
 

„Ich weiß,“ stöhnte Buffy. „Und ich verzichte auf weitere.“
 

„Und Ihr, was stimmt an Eurem Wunsch nicht?“
 

„Nun... ich wollte mit Buffy über unsere Probleme reden, aber nicht mit ihr ehm...,“ Giles räusperte sich erneut und Buffy unterdrückte ein Grinsen. „Über i-ihr Liebesleben sprechen.“
 

Der Djinn lächelte. „Das habt Ihr so aber nicht gesagt. Ihr ward nicht präzise.“
 

„Nun gut,“ Giles räusperte sich. „Dann machen wir es eben wieder rückgängig. Djinn.. ich wünsche mir, dass du meinen Wunsch zurücknimmst und alles beim alten belässt, wie es vor meinem Wunsch war.“
 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände.
 

„Das war alles?“ Giles blickte misstrauisch den Geist an.
 

„Ja... wenn Ihr mich nicht mehr braucht...“
 

„Wohin willst du?“
 

„In meine Lampe, und mich etwas ausruhen.“
 

„Aber wir...“
 

„Warte Buffy,“ Giles zog die Stirn kraus. „Du kannst gehen. Meinen dritten Wunsch werde ich mir länger überlegen.“
 

„Wie Ihr wollt.“ Es machte Puff und der Djinn war weg.
 

„Wir sollten die Lampe suchen und sie untersuchen,“ schlug Giles vor und erklärte damit, wieso er den Djinn hatte gehen gelassen.
 

„Gerne,“ Buffy folgte ihm zurück in die Wohnung, einen Stock höher. „Sagen Sie.. habe ich wirklich in Ihrer Nähe die Wörter, Angel, Spike und Sex in den Mund genommen?“
 

Giles zog es vor, zu schweigen, aber das war Buffy Antwort genug. „Oh Gott,“ stöhnte die Jägerin und schämte sich dafür, während sie weiterging.
 

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Willow hoffte, dass der Djinn sie nicht vergessen hatte. Schon zum fünften Mal hatte sie Claire den Stock geworfen und immer wieder hatte sich dieser dumme Hund hingelegt und sie nur verständnislos angehechelt. Willow sah Mr. Matthews wütendes Gesicht durch das Fenster spähen. Wie gerne wäre die Hexe lieber in ihrem kleinen Raum geblieben und hätte darauf gewartet, dass der Flaschengeist zurückkehrte. Gerufen worden sei er, hatte er behauptet.
 

Sie fühlte die wütenden Blicke ihrer Schüler. Am liebsten wäre sie im Erdboden verschwunden.
 

„W-Wir also machen zwanzig Minuten Pause“ stammelte sich Willow zusammen, während die Hundebesitzer erleichtert, aber auch verärgert über die Inkompetenz ihrer Lehrerin schienen. Willow suchte nach einem Raum, in dem sie ungestört sein konnte und fand ihn zu ihrem Glück dann auch.
 

„DJINN!!“ hörte sie sich schreien. Mit dem üblichen Puff erschien der Flaschengeist daraufhin vor Willow.
 

„Wisst Ihr schon, was Euer dritter Wunsch werden soll?“ wollte der Flaschengeist wissen.
 

„Was kann ich mir wünschen, das nicht in die Hose geht?“ erwiderte die Hexe trocken.
 

„Hmm….Sarkasmus. Also habt Ihr Euch noch nicht für einen Wunsch entschieden?“ fragte der Djinn mit hochgezogenen Augenbrauen.
 

Willow zog die Stirn kraus und wollte den Mund öffnen um einen Wunsch zu äußern, als der Djinn aufschreckte und mit gerunzelter Stirn die Decke anblickte. Wieder hörte er Xander „Djinn!!“ rufen und schnaufte genervt. Heute gönnte ihm aber auch niemand eine Verschnaufpause.
 

„Tut mir leid. Ich werde von einem meiner anderen Meister gerufen. Überlegt Euch Euren nächsten Wunsch gut. Ihr habt nur noch einen.“ Riet der Flaschengeist.
 

„Wenn die Hunde da draußen mich nicht in den Wahnsinn treiben,“ murmelte Willow und warf, wie zur Bestätigung einen Blick auf die Schuhe, die Claire vorhin ruiniert hatte. Doch der Djinn hatte sich schon in Rauch aufgelöst und ihre Bemerkung nicht mehr hören können.
 

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"Das können Sie nicht machen! Das können Sie einfach nicht machen!" Flehend blickte die junge Frau Xander an, und verdrückte einige Tränen.
 

Xander, oder Mr. Alexander Harris, Management, wie das Schild an seiner Bürotür verkündete, saß, mit einem sündteuren Anzug bekleidet, an seinem riesigen Schreibtisch im obersten Stock des Hauptgebäudes der Barker Cooperation. Sein PC summte munter vor sich hin, und in der manikürten und beringten Hand hielt er einen gelben Highlighter. Offensichtlich war er gerade dabei gewesen, sich einige Passagen auf den vor ihm liegenden Blättern anzustreichen.
 

Vor dem Schreibtisch stand besagte junge Frau, und redete schluchzend weiter: "Meine Urgroßmutter lebt seit über neunzig Jahren in diesem Haus! Sie können es ihr nicht einfach wegnehmen!"
 

"Also...uhm...ich," stotterte Xander verwirrt, und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Offensichtlich wollte seine Firma die alte Frau aus dem Haus raus haben, vielleicht, um es abzureißen, oder es neu zu vermieten, wie auch immer. Nun, damit würde jetzt Schluss sein. Er war jetzt Manager und traf die Entscheidungen!
 

In diesem Moment betrat eine blonde junge Frau in einem eleganten Kostüm das Büro, gefolgt von zwei breitschultrigen Männer in maroonfarbenen Uniformen. Sie lächelte Xander verführerisch an, und strich sich ihr langes Lockenhaar zurück. Dann bedachte sie die unglückliche Bittstellerin mit einem verächtlichen Blick, und winkte die beiden Sicherheitskräfte heran. "Na los! Bringen Sie den Eindringling nach draußen, wie Mr.Harris es angeordnet hat!"
 

"Was hab' ich angeordnet?" fragte Xander erschrocken und sprang auf.
 

Die blonde Frau trat auf ihn zu, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Beruhige dich, Liebling. Ich weiß, du bist nervös wegen des Meetings, aber es wird sicher alles nach Plan verlaufen. Wir haben diese kleine Baufirma so gut, wie in der Tasche. Selbst wenn im Vorfeld nicht alles im richtigen Zeitrahmen abgelaufen ist."
 

"Äh...ja," stammelte Xander, der nicht die geringste Ahnung hatte, wovon seine Gesprächspartnerin sprach. Noch viel mehr verwirrte ihn die Intimität, die sie im Umgang mit ihm an den Tag legte. War er in diesem Universum vielleicht verheiratet?
 

Er sah auf seine Hände. Kein Ehering, zum Glück. Diese Alexis Colby in Blond würde er mit Sicherheit nicht zum Altar führen. Obwohl er gar nicht leugnen wollte, dass sie dieselbe raubtierhafte Faszination besaß, wie einst die gute Miss French. Genau der Typ Frau, der ihn sein Leben lang in Schwierigkeiten gebracht hatte.
 

Sie lehnte sich nach vorne, und er konnte die Wärme ihres Atems an seinem Gesicht spüren. "Was ich damit meine, Liebling," hauchte sie, und ihre dunklen Augen blitzten amüsiert, "wenn ich jemanden in einen Sarg lege und begrabe, obwohl er noch nicht tot ist, führt es schlussendlich doch wieder zu dem Ergebnis, dass in dem Grab eine Leiche liegt!"
 

"Ähm...ich glaub, ich muss mal!" Xander befreite sich aus ihren Armen, und lief mit hastigen Schritten zur Tür. Dieser Djinn würde sich was anhören dürfen, soviel war sicher!
 

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„Hm... sieht nicht ungewöhnlich aus,“ Giles drehte die Lampe in seinen Händen hin und her. Lily war inzwischen von einem Einkaufsbummel zurückgekehrt und hatte die beiden im Büro vorgefunden. Kurz entschlossen hatte sie ihre Hilfe angeboten.
 

„Zeig mal,“ Lily nahm ihm die Lampe vorsichtig aus der Hand, und als ihre Fingerspitzen seine Hand streiften, wurden Giles zwei Dinge bewusst.. die Berührung war nicht unangenehm und Lilys Augen ruhten auf ihm mit einem Blick, der eine Spur zu weich wurde. In den letzten Tagen war es öfters zu diesen kurzen Augenblicken gekommen, die ihn verlegen gemacht hatten. Er räusperte sich und ließ die Lampe los. Der Augenblick ging vorüber. „Hm ja, auf den ersten Blick... orientalisch. 10. Jahrhundert?“
 

„Wenn nicht sogar früher. Aber ein Flaschengeist verdreht die Wünsche nicht unbedingt, oder sucht nach der negativen Seite eines Wunsches. Unser Djinn hat Buffy und Dawn nach Sibirien geschickt und Buffy gezwungen, mit mir über Dinge zu reden, die wir... uhm... gehen wir nicht näher darauf ein.“
 

Buffy lächelte ihm dankbar zu und rutschte nervös auf der Tischkante. „Also.. was schlagen die klugen Wächterköpfe vor?“ Fragte sie schließlich sarkastisch genug, um zu zeigen, dass ihr das Warten zu viel wurde.
 

„Darf ich noch einmal?“ Giles nahm Lily die Lampe ab, bewusst kühl, um nicht zu zeigen, dass ihn zum einen Buffys Worte getroffen, und zum anderen, Lilys Berührungen durcheinander gebracht hatten. Er hob den Deckel von der Lampe. In ihrem Inneren glühte ein grünliches Licht und eine kleine Nebelfront zog darin umher. Es war für ihn aufregend und interessant zugleich. Noch nie hatte er das aktive Innenleben einer Wunschlampe beobachten dürfen. Aus diesem Grund hielt Giles stumm Lily die Lampe unter die Nase. Ihr interessierter Blick lockte Buffy schließlich herbei.
 

„Erinnert mich irgendwie an Ghostbusters... langweilig.“ Kommentierte Buffy, nach dem sie in das Innere geblickt hatte. „Sie sollten anfangen, Vorschläge zu machen, damit Sie Ihr Geld auch wert sind, das Ihnen Giles zahlt.“
 

„Der Rat,“ berichtigte Giles heiser und nahm den leicht verärgerten Blick von Lily wahr, den diese Buffy schenkte, ohne das die Jägerin etwas davon bemerkte. Er sah zurück auf die Lampe und drehte den Deckel in seiner Hand.
 

„Wie auch immer,“ Buffy fiel das Warten immer schwerer. So kamen sie nicht voran.
 

„Oh...,“ Giles entdeckte in diesem Moment auf der Innenseite eine Inschrift und hob den Deckel näher an seine Augen. „Da steht etwas.. es ist wohl kein arabisch.“
 

Lily nahm ihm den Deckel ab. „Nein.. das ist eine dämonische Sprache. Hm.. ich glaube ich habe sie schon einmal gesehen.“
 

„Du kannst damit etwas anfangen?“ Giles klang erleichtert.
 

„Nun ich sagte, ich habe sie schon einmal gesehen. Vielleicht kann ich sie übersetzen,“ Lily reichte Giles den Deckel, der seinerseits nun ein wenig verärgert Lily ansah.
 

„Großartig.. und auf was warten wir noch?“ Buffy ließ sich, begleitet von einem lauten, protestierenden Krachen des alten Stuhles, fallen und starrte Giles resigniert an.
 

„Ich bräuchte ein paar Dinge.“ Lily wandte sich Giles zu, der nickte, bereit sich Lilys Wünsche anzuhören.
 

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Der Djinn erschien Xander, der ihn wütend anfunkelte. Er verdrehte die Augen.
 

„Ihr habt gerufen? Und lasst mich raten.. Euch passt der Wunsch auch nicht?“
 

Xander hatte eine ganze Rede für den Djinn parat gehabt, doch die Worte des Flaschengeistes ließen ihn stutzen. „Auch? Was heißt ‚auch nicht’?“
 

„Oh, ich hatte heute einen sehr geschäftigen Tag. Dann nennt mir euren dritten Wunsch.“
 

Jetzt war Xander erst recht durcheinander. Aber da bereits laut gegen die Türe geklopft wurde und man ganz dringend den ‚Chef’ sprechen wollte, hielt sich Xander nicht lange mit Fragen auf.
 

„Moment... das wäre dann mein dritter Wunsch. Ich muss nachdenken...“
 

„Tut das,“ seufzte der Djinn und lauschte, ob nicht wieder die kleine Rothaarige nach ihm rief.
 

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Während Giles in den beiden kleinen Schränkchen zu finden suchte, was Lily aufzählte, versuchte Buffy krampfhaft zu schweigen. Doch lange konnte sie sich den Mund nicht selbst verbieten:
 

„Ich schätze, da Sie den armen Giles hier herumscheuchen, haben Sie bereits den Text übersetzt? Sonst wüssten Sie wohl nicht, was Sie brauchen?“
 

Lily lächelte gezwungen und hielt inne, was Giles die Zeit gab, die Dinge in seinen Armen auf dem Schreibtisch abzulegen. „Einen Teil ja. Es scheint ein Fluch zu sein. Jemand hat den Djinn dazu verdammt, die Wünsche anders aufzufassen, als sie ausgesprochen werden.“
 

„Das habe ich schon einmal irgendwo gelesen,“ murmelte Giles.
 

Buffy verdrehte die Augen. Wieso musste man diesen Wächtern immer alles aus der Nase ziehen? Jetzt setzte Giles auch noch sein nachdenkliches Gesicht auf und war ganz verstummt. „Okay.. und was heißt das?“
 

„Hm..,“ Giles rieb sich die Schläfe. „Wenn ich mich recht entsinne gab es einen verstoßenen Bruder eines Kalifen im neunten Jahrhundert, der wegen seinen Machenschaften, seiner Brutalität und Thronansprüchen, des Landes verwiesen wurde. Er soll seinem Bruder als Versöhnungsversuch eine Öllampe geschenkt haben. Von diesem Tag an war der Kalif vom Pech verfolgt. Der Aufzeichnung zufolge, hat ein alter Hexenmeister für den Bruder die Lampe verflucht.“
 

„Kann das gefährlich werden?“ Buffys Ungeduld schlug in Sorge um.
 

„Der Kalif hatte das Spiel nicht durchschaut und starb bei seinem dritten Wunsch.“ Buffy sah Giles gequält an. Wieso endeten Giles Märchenstunden immer nur so negativ? Und das, wo sie nicht wussten, wo Willow geblieben war? Oh Gott und Xander.. er hatte heute vorbei kommen wollen, um den Lichtschalter zu reparieren. Was wenn er die Lampe entdeckt hatte?
 

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Ein paar Minuten später...

Der Raum war abgedunkelt und das einzige Licht spendete eine kleine Kerze, die auf Giles’ Schreibtisch stand. Hinter dem Tisch hatte sich Lily verschanzt. Vor ihr lag das Blatt Papier mit der hastigen Übersetzung des Fluches, und der kurzen Notiz eines Ritualspruches, der den Fluch umkehren sollte. Um die Kerze hatte sie drei kleine Häufchen aus getrockneten Kräutern arrangiert.
 

Buffy wagte kaum zu atmen und Giles neben ihr verhielt sich ebenfalls ruhig und steif. Lily hatte um absolute Ruhe gebeten, damit sie bei der wagen Übersetzung und dem wohl zu 99% richtigen Gegenspruch nicht auch noch einen Konzentrationsfehler beging. Buffy hatte das für nicht gerade vielversprechend gehalten, aber da sie bemerkt hatte, dass Giles und Lily zunehmend gereizter auf sie reagierten, behielt sie einen entsprechenden Kommentar für sich.
 

Die Spannung war fühlbar, und als Lily begann, in der seltsamen Dämonensprache den Spruch laut zu lesen, fröstelte es Buffy. Sie sah kurz zu Giles auf, der mit konzentriertem Gesichtsausdruck Lily beobachtete. Von Nervosität war nichts zu sehen. Offensichtlich vertraute er dieser Frau wirklich.
 

Lily griff nach der Kerze und ließ heißes Wachs auf das mittlere Kräuterhäufchen tropfen. Es fing Feuer und flammte kurz auf, bevor es in sich zusammenfiel und nur noch als merkwürdiger Geruch zurück blieb. Lilys Hand schwebte über dem rechten Häufchen und ein Wort, als würde sie versuchen, damit ihre Zunge brechen zu wollen, kam über ihre Lippen. Gespannt hielt Buffy den Atem an....
 

In diesem Moment wurde die Türe aufgerissen, und helles Licht flutete den Raum. Der Windzug blies die Kerze in Lilys Hand aus und Giles atmete hörbar frustriert auf. Buffy musste ihre Augen kurz zusammenkneifen. Doch ehe sie sich die Mühe machen konnte, zu erkennen, wer im Türrahmen stand, hörte sie Andrews panische Stimme, die sich fast ein wenig überschlug.
 

„Schnell... Xander... verschwunden. Er. Nein.. Moment.. er ist... also da war dieser alles andere als schöne Jeannie und ich konnte mich nicht entscheiden. Also habe ich Xander geholt, damit er sich etwas wünscht und dann...“
 

„Komm zum Punkt, Andrew.“ Sagte Giles nicht ganz frei von Ungeduld.
 

Andrew verstummte einen Moment und sah verletzt zu Giles. Ja, wie sollte er zum Punkt kommen, wenn er ihnen nicht erzählte, was passiert war? Der Punkt war, dass Xander sich vor seinen Augen in Luft aufgelöste hatte, und dass er an der ganzen Sache schuld war. Er hatte ihm schließlich seine Wünsche überlassen. Wenn Xander jetzt etwas zugestoßen war? Anya würde ihm das niemals verzeihen!
 

„Atme ruhig durch und versuch es dann noch einmal,“ mischte sich Lily ruhig ein und lächelte Andrew kurz zu, bevor sie nach den Streichhölzern griff und die Kerze wieder anzündete.
 

Andrew sah zu der Wächterin und lächelte. Wenigstens war hier jemand vernünftig. Er folgte ihrem Rat, sehr zu Buffys und Giles Unmut und holte tief Luft, hielt sie einen Moment an, um sie dann wieder auszustoßen: „Xander ist verschwunden. Ich hab an einer Lampe gerieben, dann kam so eine Wolke – ein Puff und der hässliche Jeannie war da. Ich sollte mir was wünschen, aber es war ein Wunsch zuwenig, also hab ich Xander gerufen, ob er sich vielleicht was wünschen will. Das hat er gemacht, und dann war er plötzlich weg. So.“
 

„Verdammt,“ entfuhr es Buffy. „Wir müssen uns beeilen.“
 

„Beeilen?“ Fragte Andrew verwirrt und wollte eintreten.
 

„Oh nein.. du bleibst draußen,“ Giles zeigte zur Tür. „Es reicht, dass du uns gerade eben das Ritual vermasselt hast. Wir können von Glück sagen, wenn wir Xander und vielleicht auch Willow noch heil wiederbekommen.“
 

Andrew ließ die Mundwinkel hängen. „Nie erklärt mir einer etwas,“ murrte er als Buffy ihm die Türe mit einem: „Wir erklären es dir später,“ vor der Nase zu schlug.
 

+++
 

Lily hatte sich wieder gesammelt und entzündete das rechte Häufchen, murmelte erneut ein Wort und entzündete auch das letzte Häufchen. Der Raum war erfüllt von merkwürdigen Gerüchen und plötzlich gab es eine leise Explosion, eine purpurfarbene Rauchsäule schoss in die Höhe, hüllte die Decke in eine Wolke und ein Windstoss fuhr durch das Büro. Aus der Öllampe stieg ebenfalls Rauch auf, weiß, und mischte sich mit der purpurfarbigen Wolke an der Decke.
 

Buffy, Giles und Lily beobachteten fasziniert das Schauspiel in der Wolke. Es schien, als würden sich die Farben bekämpfen. Sie durchzogen sich, mischten sich, zogen sich wieder zurück. Plötzlich legte sich der Wind, die Säule brach in sich zusammen und verschwand in der Lampe.
 

„Hat es funktioniert,“ flüsterte Buffy. „Oder hat jemand mitbekommen, welche Farbe sie jetzt hatte?“
 

„Das wissen wir gleich,“ Giles griff nach dem Deckel der Lampe, hob ihn hoch und drehte ihn herum, - die Schrift glühte purpurn kurz auf und verblasste von hinten nach vorne. Ein Schriftzeichen nach dem anderen verschwand, bis die Inschrift nicht mehr existierte.
 

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Xander und Willow purzelten aus dem Nichts, kopfüber in Dawns Zimmer. Xander stöhnte auf und Willow betastete voller Sorge ihren Kopf.
 

„Meine Güte,“ jammerte die Hexe und richtete sich mühsam auf ihre Ellenbogen auf. Ihr Blick fiel wieder auf die ruinierten Lederschuhe und sie seufzte.
 

„Bist du das Will,“ ächzte Xander und sah sich, auf dem Rücken liegend, im Zimmer um. Sein Blick fiel auf seine alte Freundin und er lächelte beruhigt.
 

„Ja,“ stöhnte Willow. „Was machst du hier eigentlich, Xander?“
 

„Hm.. rumliegen?“ Endlich kam auch er in die Höhe. „Eigentlich wollte ich Giles’ Lichtschalter reparieren, der unter der rüden Behandlung deiner Freundin litt.“ Er grinste schwach. „Und dann kam Andrew angerannt und faselte etwas von einem Djinn. Nein warte.. von einer Jeannie. Ach egal...Und ehe ich es mich versah hatte ich drei Wünsche frei und machte die Hölle durch.“
 

„Kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Nickte Willow und stemmte sich vollends in die Höhe. Sie reichte Xander eine Hand, der sie kurz fragend anblickte und dann mit einem Kopfschütteln selbst auf die Füße kam.
 

„Hm... Andrew war noch im Raum, als ich den ersten Wunsch mehr oder weniger laut aussprach... hoffentlich ist ihm nicht etwas passiert. Wir sollten sofort Giles und Buffy suchen.“
 

„Ich glaube die beiden sind unten. Vorhin, als ich gekommen bin, dachte ich, ich hätte Stimmen gehört.“
 

„Dann los, bevor es zu spät ist.“
 

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Giles Wohnung

Ein paar Tage später...

„Also... eh... eigentlich wollten wir Ihnen ja die Öllampe schenken, aber der kleine Zwischenfall.. nun es war keine so gute Idee“, lächelte Buffy verlegen und streckte Giles den Geschenkkarton entgegen. Dawn stand im Flur gegen den Durchgang gelehnt, während sich Andrew und Lily das Sofa teilten und Xander sowie Willow auf den Barhockern hingen.
 

„Wo steckt Ken,“ flüsterte Xander Willow zu, die seine Frage mit einem Schulterzucken beantwortete.
 

„Sie muss irgend etwas mit ihrem Vater am Telefon klären, und hat anschließend einen Termin bei der Bank.“
 

„Oh unsere Prinzessin hat Schwierigkeiten?“ Feixte Xander.
 

„Ach hör auf,“ raunte Willow. Xander grinste und sie richteten ihren Blick wieder nach vorne. Alle waren sie gespannt, was Giles zu der Idee sagen würde, die Buffy in letzter Sekunde gehabt hatte. Nun, Andrew war etwas mehr gespannt darauf, was im Karton war und Lily amüsierte sich mehr über die kleine, rührende Szene, als das es sie wirklich interessierte.
 

„Ich verstehe überhaupt nicht, wie ich zu der uhm... also,“ Giles griff leicht sprachlos nach dem Karton.
 

„Nun wir dachten, wir wären Ihnen das schuldig. Für das ganze Chaos hier und so,“ mischte sich Willow ein. „Und wir dachten diesmal würden selbstgebackene Kekse nicht wieder alles gut machen. Na ja, Sie wissen schon... Oz, dummer Zauber, Wiedergutmachungen....,“ lächelte Willow nervös, als sie an damals dachte und die Umstände, die sie zwangen mehrere Tage für alle Kekse als Entschuldigung zu backen.
 

Giles warf einen misstrauischen Blick in die Runde, ehe er langsam den Deckel herunternahm. Sein Blick fiel auf ein altes, in Leder gebundenes Buch. Für einen Moment war er sprachlos, als er es aufschlug und den Titel las: „Handbuch für Jägerinnen“
 

„Also ich dachte.. weil Sie nie eines für mich hatten, wäre es jetzt vielleicht an der Zeit, es in Ihrer neuen Sammlung aufzunehmen. So, als Ratsgründer und Verantwortlicher für alle Jägerinnen?“ Sagte Buffy verlegen, als Giles noch immer gerührt schwieg.
 

„Wo... wo hast du das nur um alles in der Welt aufgetrieben?“ brachte er endlich über seine Lippen.
 

„Na ja, wo man heutzutage alles herbekommt neben Gefäße für die Wiederbelebung.. bei eBay natürlich,“ grinste Buffy, erleichtert darüber, dass Giles das Geschenk zu freuen schien. „Jetzt schauen Sie nicht so.. ist wirklich von eBay.“
 

„Ja, und Willow hat es, wie immer, im Netz aufgespürt,“ sagte Dawn, stolz auf ihre Freundin.
 

Giles lächelte in die Runde. „Danke..,“ mehr brachte er nun wirklich nicht vor Rührung hervor. Vielleicht bestand doch noch ein Funken Hoffnung, dass er und Buffy in den nächsten Tagen ein klärendes Gespräch führen könnten. Oder irgendwann...
 

„Na bestens, dann sind wir wieder alle gut miteinander?“ Xander sprang vom Barhocker auf.
 

„Ich denke bei dieser Bestechung fällt es mir schwer, etwas anderes zu sagen,“ Giles nahm das Buch aus dem Karton und legte es vorsichtig auf einem Beistelltischchen ab.
 

Hab’ ich wirklich das Ritual gefährdet,“ wollte Andrew leise, um die Atmosphäre im Raum nicht zu stören, von Lily wissen. „Ich meine als ich reingeplatzt bin und Giles meinte, Xander und Willow.. also...“
 

„Keine Sorge, Andrew,“ Lily musste sich ein Lachen verkneifen. Andrew wirkte wirklich geknickt. Dabei war doch alles gut gegangen. Er sah es doch selbst. Kein Grund, sich länger Sorgen zu machen. „Dein Hereinplatzen hat mir eigentlich erst geholfen die beiden zu retten. Bevor du hereinkamst, wollte ich das falsche Häufchen anzünden. Wirklich,“ beteuerte sie als Andrews Gesicht einen skeptischen Ausdruck annahm. „Durch die Unterbrechung bin ich erst darauf gekommen.“ Sie klopfte ihm freundlich auf die Schulter und lächelte ihn an. Das war die Wahrheit. Sie sagte es nicht nur, um ihn aufzumuntern. Andrew sah sie nun doch fassungslos an, ehe auf seinem deprimierten Gesicht ein vorsichtiges Lächeln erschien.
 

"Uhm...Miss Usher?"
 

"Lily reicht," bot sie ihm an.
 

"Uhm...Miss Usher...Lily, was ich noch fragen wollte? War es wirklich so, dass jeder Wunsch von vornherein schief geh'n musste? "
 

Lily nickte. "Der Fluch auf der Lampe hat dafür gesorgt, ja."
 

Andrew stieß hörbar die Luft aus, und Lily wunderte sich, wie jemand über diese Information dermaßen erleichtert sein konnte. Anscheinend war dieser junge Mann doch nicht so einfach zu verstehen, wie sie gedacht hatte. Sie verzichtete jedoch darauf, weiter nachzuhaken.
 

„Gut.. uhm,“ Buffy sah unsicher in die Runde und schien sich einen kleinen Ruck zu geben, als sie zu Giles an das Tischchen trat. Der Wächter blätterte bereits konzentriert in dem geschenkten Buch. „Giles...“
 

„Buffy.“ Er sah mit einem Glanz in den Augen auf, den Buffy das letzte Mal wohl vor etlichen Jahren gesehen hatte, als er noch recherchierte und für sie die Kopf- und Planarbeit übernommen hatte. Es machte sie ein wenig stolz, dass sie trotz all den Schwierigkeiten in den letzten Jahren zwischen ihnen etwas gefunden hatte, das bei Weitem mehr Wert für ihn besaß, als diese kostspielige Lampe, die nun fluchfrei bei Xander als Blumenvase auf dem Küchentisch stand. Auch wenn Lily sich sicher war, dass der Fluch gebrochen worden war, hielten sie es für das beste, wenn sie den Djinn unter Beobachtung hielten. „Das Buch ist faszinierend. Es scheint eine alte Ausgabe zu sein. Älter als jene, die ich für meine Studienzwecke zur Verfügung hatte. Es wird mir ein Vergnügen sein, es näher zu studieren.“
 

„Das freut mich... uhm.. Giles könnten wir kurz.. unter vier Augen... reden?“ Brachte sie schließlich ihre Bitte hervor.
 

„Sicher. Natürlich.“ Er zeigte zu seinem Arbeitszimmer. Während sich die anderen noch über ihre Erlebnisse mit dem Djinn unterhielten und Andrew einen wissenschaftlichen Vortrag über Jeannies, Dschinnis und Wishmasters abhielt, zogen sie sich zurück. „Um was geht es denn?“ Er wandte sich ihr zu, als Buffy gerade die Türe hinter sich schloss. Sie ließ sich einen Moment Zeit, als müsste sie sich sammeln, bis sie endlich ihren Blick hob und ihn gefestigt ansah.
 

„Ihr Wunsch hat mich nachdenklich gemacht.“ Begann sie vorsichtig. „Und ich glaube, wir sollten uns wirklich unterhalten. Aber nicht darüber was war oder wer sich bei wem entschuldigen müsste. Sondern darüber was sein wird.“ Sie sahen sich einen Moment schweigend an, ehe Buffy fortfuhr. „Giles... das Geschenk wird nichts daran ändern, dass ich Ihrem Aufbau vom Rat weiterhin misstrauisch gegenüberstehe. Ich traue auch Ihrer Freundin nicht über den Weg und so dankbar ich Ihnen für Ihre Unterstützung bin.. Dawn und ich werden ausziehen. Nicht heute, nicht morgen, aber in den nächsten Wochen. Es hat sich einiges geändert und wir müssen nach vorne sehen. Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist oder mehr das einer Verpflichtung.“ Als sie Giles verletzten Blick registrierte, sah sie zur Seite. Und da Giles nichts sagen wollte oder konnte, drehte sie sich zur Türe herum. Sie griff nach dem Knauf und öffnete die Türe einen Spalt. „Und ich weiß wirklich noch nicht, ob ich für Sie arbeiten möchte. Ich brauche Zeit...“, das beharrliche Schweigen zwang sie zu gehen, obwohl sie Giles bestürzten Blick in ihrem Rücken brennen fühlte. Sie hatte endlich gesagt, was sie beschäftigte, aber wieso fühlte sie sich nicht erleichtert?
 

Giles war sprachlos. Er ließ Buffy gehen ohne zu widersprechen, ohne zu protestieren, ohne den Versuch unternommen zu haben, etwas klarzustellen. Er fühlte sich im Moment genau so hilflos, wie damals, als sie seine Hilfe gegen Angelus brauchte, obwohl er noch trauerte; als sie ihm das Kästchen mit der Spritze an den Kopf warf; als sie ihm sagte, sie würde lieber ihn töten, als Dawn zu opfern; als sie ihm die Türe vor der Nase zuschlug und ihn wegen des versuchten Mordes an Spike vorschnell verurteilt hatte. Das leise „Klick“ des Türschlosses riss ihn nicht aus seinen Gedanken und der traurige Blick ging leer durch die Türe hindurch.
 

Grrrargh....

Folge 5: Home, Sweet Home

Länge: ca. 45 Seiten

Autor: Soulsister

Co-Autoren: Mel und Yamato

Bildcopyright: Chris

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

++++
 

"Und am Ende stand die Erkenntnis,

und sie war schmerzhaft.

Doch ich habe verstanden

und meine Lektionen gelernt!".

(Soulsister)
 

Auf dem Weg nach Boston:

Mit angestrengtem, wenig interessiertem Blick starrte sie aus dem Fenster und beobachtete die vorbeirauschenden Bäume. Das monotone Surren des Motors wurde gelegentlich von einem, gefährlich nach Motorschaden klingendem, Stottern unterbrochen.

'Auch Busse sind nicht mehr das, was sie mal waren', dachte Faith mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen, 'genauso wenig wie ich'. Nur hin und wieder glitt ihr Blick nach vorne auf die Straße und noch seltener zu - IHM.
 

Sie sah Robin kurz an, wendete ihren Blick aber sofort wieder ab. Sie wollte nicht, dass er sie fragte, was los war. Niedergeschlagen, den Kopf voller wirrer Gedanken, biss sich Faith nachdenklich auf die Unterlippe.
 

'Reiß dich endlich zusammen', schalt sie sich selbst und starrte erneut aus dem Fenster. Draußen flogen noch immer die Bäume in rascher Folge vorbei. Wie sollte es auch anders sein?
 

Gelangweilt wendete sie sich ab und starrte in den Rückspiegel. Ein zusammengerolltes Etwas bewegte sich auf der Sitzbank hinter ihnen. Ein blonder, zerzauster Haarschopf lugte unter der grauen Decke hervor.
 

'Seelig sind die Schlafenden, denn sie sind mit Vergessen gesegnet'. Faith seufzte. 'Könnte ich doch nur vergessen'.
 

Sie drehte den Kopf etwas und beobachtet Vi und Ronah, die sich bei scheinbar bester Laune angeregt unterhielten. Hin und wieder warfen die beiden verstohlene Blicke zu dem blonden Haarschopf, um sicher zu gehen, das Mädchen nicht geweckt zu haben. Dann diskutierten sie weiter.
 

Seufzend sank Faith tiefer in ihren Sitz, zog die Knie eng an den Körper, legte ihre Arme schützend darum und starrte mit traurigem Blick durch die viel zu dreckige Frontschreibe des Busses. 'Könnte auch mal wieder `ne Wäsche vertragen', dachte sie ironisch und verzog ihre Lippen zu einem müden Lächeln.
 

Es wäre wohl vergebene Liebensmühe, zu versuchen, den Dreck der vergangenen Tage, Wochen und hunderten von Kilometern abzuwaschen. Wozu auch? Es würde nicht lange dauern und derselbe Dreck würde wieder da kleben, wo er jetzt war.
 

Faith rollte die Augen, als sie feststellte, worüber sich gerade Gedanken machte. Für eine Sekunde war sie versucht zu lachen. Nach eingehender Prüfung stellte sie jedoch fest, dass es ihrer allgemeinen Stimmungslage widersprach und beschloss, dass es nicht die adäquate Weise wäre, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und so gab sie sich wieder dem sinnlosen vor sich hinstarren hin, wie sie es schon die Stunden zuvor getan hatte.
 

++++
 

Sie beugte sich etwas vor, ihre Hand nach dem Radio ausstreckend. Suchend glitten ihre Finger über die vielen kleinen Knöpfe, blinkenden Dioden und blieben schließlich auf einem Schalter mit der Aufschrift Power liegen. Sie drückte ihn nach unten und verzog angewidert das Gesicht, als klassische Musik aus den Lautsprechern des Busses drang und ihre Ohren malträtierte.
 

'Grrr…wer hatte schon wieder an dem verdammten Radio rumgespielt?'
 

Sie grollte und wechselte schnell den Sender. Ein erleichterter Seufzer entrang sich ihren Lippen, als ihr aus dem Radio endlich erträgliche Klänge entgegenschlugen. Sie sank wieder in ihrem Sitz zusammen und lauschte mit geschlossenen Augen den Gitarrenrhythmen einer, ihr unbekannten Band, die der RJ als 'Ghost of the Robot' angekündigt hatte.
 

What is this crap,

I'm going through?
 

Where am I at,

and who are you,
 

to make me feel,

like I'm so scared.
 

Caught me off guard,

Was not prepared,
 

for you, so smart,

so cool.
 

To me life seems,

it shouldn't be this way.
 

So here I am,

and there you are,
 

sitting so close,

feeling so far,

from me and,
 

I try to figure out,

what shoul I say,

what´s this about.
 

To you, to smart,

to cool.
 

It shouldn't be this

way
 

'Gar nicht mal so schlecht', dachte sie anerkennend und ließ ihren Kopf in den Nacken rutschen. 'Gar nicht mal so schlecht…'
 

Langsam entspannten sich ihre, schon den ganzen Tag verkrampften, Muskeln. Sie sank noch tiefer in den Sitz und genoss den schnellen, rhythmischen Beat, der an ihr Trommelfell klopfte.
 

Ab und zu öffnete sie kurz die Augen, nur um festzustellen, dass die Bäume noch immer monoton an ihnen vorbei flogen und sich die eine oder andere Fliege mehr auf der Frontscheibe wieder fand.
 

Sie seufzte, schloss die Augen wieder und wollte sich entspannen, sich eine Weile dem süßen, von Vergessen gesegnetem, Schlaf hingeben. Doch irgendetwas sagte ihr… nein, das war falsch… es war eher eine Art Gefühl - das Gefühl, dass sie die Augen wieder öffnen musste…

'Na ja… was soll's', dachte sie, öffnete die Augen und zuckte im gleichen Moment, wie von einem harten Schlag getroffen, zusammen. Sie starrte auf das große grüne Straßenschild, dem sie sich mit stetiger Geschwindigkeit näherten. Und mit jedem Meter, den sie zurücklegten, stach diese weißen Buchstaben, dieser Name deutlicher in ihre Augen - BOSTON.
 

Sie wollte sich abwenden, doch ihr Blick hing wie gebannt an den großen, schwarzen Buchstaben, die sich plötzlich so sehr vom Rest des Schildes abzuheben schienen. Ihre Augen brannten, als Bilder und Erinnerungen davor aufflammten. Ihr Herzschlag beschleunigte in Schwindel erregende Höhen und sie hatte plötzlich das dringende Bedürfnis nach… nach… Luft. Sie machte einen scharfen Atemzug.
 

Robin sah von der Straße auf und blickte nach rechts, wo Faith zusammengesunken auf ihrem Sitz kauerte und mit starrem Blick das Straßenschild fixierte. Er folgte ihrem Blick und suchte nach dem Grund für ihr merkwürdiges Verhalten. "Faith? Was ist los?". Seine Stimme klang verwirrt und besorgt. 'Was war bloß mit ihr?'
 

Faith schreckte, von seiner Stimme zurück in die Realität gerissen, auf. 'Nein', jetzt hatte er sie es doch gestellt, die Frage - die Frage, die sie nicht hatte beantworten wollen. 'Da war sie!'

Sie kniff die Augen zusammen und atmete tief durch, dann wendete sie ihren Blick von der Straße ab, und sah ihn an. "W-Was…?". Faith tat so, als hätte sie seine Frage überhört. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
 

.'Oh Gott, warum muss er mich so ansehen?' .Sie konnte seinen Blick nicht länger ertragen. Diese dunklen, tiefgründigen Augen, die sie so besorgt ansahen, und starrte zu Boden.
 

"Faith?!". Diesmal klang seine Stimme eindringlicher. Sie biss sich auf die Lippe und sah auf.
 

"Sorry… ich... - ich war abgelenkt!", sagte sie abtuend und tat so, als wäre Nichts gewesen. Aber innerlich ohrfeigte sie sich dafür, dass sie ihre Fassade scheinbar so hatte fallen lassen. 'Verdammt noch mal Faith…'..
 

Sie setzte sich aufrecht hin und spielte nervös mit ihren Händen. Und schon wieder wollte sie sich dafür ohrfeigen. Mittlerweile dürfte selbst der Letzte kapiert haben, dass sie nicht nur abgelenkt gewesen war. So aufgeschreckt, wie sie sich verhielt. Und das hatte auch Robin bemerkt.
 

Robin nahm etwas Druck von dem überdimensionierten Gaspedal des Busses und sah Faith beobachtend an, wie sie da saß und so tat, als wäre Nichts… als ginge es ihr gut. Doch er wusste, dass dem nicht so war.
 

Er war ja schließlich nicht blind, hatte es schon an dem Tag bemerkt, als der Name BOSTON zum ersten Mal gefallen war. Irgendwas beschäftigte diese junge, sonst so vor Energie strotzende, Frau. Sie wirkte alt und müde, als würden Jahre auf ihren Schultern lasten, die sie noch nicht einmal gelebt hatte.
 

'Schon merkwürdig, was von äußerer Schönheit übrig blieb, wenn Innen plötzlich die Dunkelheit an einem zu nagen begann', schoss es ihm durch den Kopf. Er seufzte. Wenn sie doch bloß sagen würde, was sie bedrückte.
 

Er wollte es noch einmal versuchen und streckte seine Hand nach ihr aus, um sie zu berühren, doch er zog sie wieder zurück und fragte: "Faith, willst du mir nicht endlich sagen was los ist? Hältst du mich für so dumm, dass ich nichts merke?".
 

++++
 

Faith starrte ihn ungläubig an. . 'Wie konnte er es wagen… wieso… was…?' .Er hatte sie total aus dem Konzept gebracht mit seiner offensiven Haltung. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte… konnte… musste…
 

Dieses Gefühl in die Ecke gedrängt zu sein, nicht zu wissen, was sie tun oder gar antworten sollte, war ihr unerträglich. Und sie hatte das dringende Bedürfnis, etwas dagegen unternehmen zu müssen.
 

Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. "Was bemerken?", fragte sie und der Ton klang schärfer als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Erst wollte sie sich entschuldigen, doch dann übernahm wieder das Verlangen nach Selbstschutz den Vorrang in ihren Gedanken und sie warf Robin einen grimmigen Blick zu.
 

"Es ist nichts!", raunte sie, wendete sich ab und starrte einmal mehr aus dem Fenster, um die monoton vorbei fliegende Landschaft zu beobachten, die nun ab und zu auch Anzeichen von Zivilisation zeigte.
 

.'Na toll…das hast du wieder super hinbekommen Faith… machst den einzigen Kerl, der mehr von dir will als nur Sex, dumm an…'.
 

Robin, starrte Faith verunsichert an. Er wusste nicht, wie er ihr Verhalten interpretieren sollte. Sie hatte wie ein trotziges kleines Kind geklungen, dem jemand sehr, sehr weh getan hatte und das nun keinem mehr vertraute, aus Angst jemand könnte sie noch einmal so verletzen.

Und im Prinzip war sie das auch - ein Kind… vielleicht nicht äußerlich… oh nein, dass auf gar keinen Fall. Aber in ihr, da wer er sich sicher, sah es ganz anders aus. Und er wollte wissen wieso, wollte verstehen und ihr helfen. Doch das konnte er nicht, wenn Faith es nicht zuließ. Er seufzte…
 

Gedankenverloren warf er einen beiläufigen Blick in den Rückspiegel und versicherte sich kurz, dass alles in Ordnung war. Dann sah er wieder nach vorne, und konzentrierte sich auf die Straße.
 

Etwas, dass er schon viel zu lange nicht getan hatte. Sein Fuß senkte sich wieder mit mehr Druck auf das Gaspedal und der Bus beschleunigte, wenn auch nur widerwillig und mit scheinbar endloser Verzögerung…
 

++++
 

Cleveland

Lake Erie:

Ein leichter Ruck ging durch den Rumpf des Ausflugdampfers, als er am Dock anlegte. Eine Menschentraube bildete sich am Ausgang zum Steg. Jeder wollte der Erste sein. Menschen knufften sich, Kinder schrieen nach ihren Müttern, und Männer suchten verzweifelt nach ihren Ehefrauen - die meisten jedenfalls.
 

Auf einigen Gesichtern spiegelte sich deutliche Erleichterung, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Andere hingegen schienen das Ende des Ausfluges aufrichtig zu bedauern und warfen noch einen letzten Blick hinaus auf den Erie-See.
 

Nur eine Gruppe von vier Jugendlichen schien es nicht wirklich eilig zu haben.
 

Dawn beugte sich über die Reling und starrte interessiert in das dunkle Wasser des Erie-Sees. Mit zusammengekniffen Augen versuchte sie die Oberfläche zu durchdringen, dann zuckte sie mit den Schultern und drehte sich zu den anderen um.
 

"Also gibt es jetzt Monster in diesem See, oder nicht?". Sie sah Sam mit fragendem Blick an.

Mit einem Seitenblick auf Josh begann dieser zu grinsen. "Du solltest Josh nicht immer alles glauben, was er erzählt. Der hat zu viele Bücher über Loch Ness gelesen. Jetzt spinnt er 16 Stunden am Tag, und den Rest verpennt er für gewöhnlich…!".
 

Josh grollte. "Jaja… aber ihr kennt doch die Legende… über…!".
 

"Alles Humbug… ihr glaubt das doch nicht etwa im Ernst, oder? Ich meine… das sind alte Lagerfeuergeschichten, die Eltern ihren Kindern an irgendwelchen Familienabenden erzählen, … nicht mehr und nicht weniger!". Mara schüttelte lachend den Kopf und sah Josh an.

"Meine Großmutter hat sie mir einmal erzählt. Kurz vor Halloween… buhu… undurchdringlicher Nebel kriecht über den See… ein Schifferboot verschwand… und einige Leute die riesige, schlangenähnliche Monster auf dem See gesehen haben wollen.". Mara begann zu lachen.
 

"Nein… aber…?", wollte Josh protestieren, aber dieses Mal war es Dawn die ihm das Wort abschnitt.
 

"Halloweengeschichten also…hm...", sie lachte kurz und warf dann einen nachdenklichen Blick hinaus auf den See. "Also mit 99,9% Wahrscheinlichkeit ja…", sinnierte sie geistesabwesend, dann drehte sie sich wieder zu den anderen um und grinste breit.
 

"Ja… Halloweengeschichten!".
 

++++
 

Etwas später

vor Giles Apartment:

"Hey… geht ihr eigentlich auf den Halloween Ball?". Dawn drehte sich zu den anderen um, während sie mit dem Schlüssel am Schloss der Haustür herum fuchtelte.
 

Als das Schloss sich nicht öffnen wollte, drehte sie sich schnaubend um und durchbohrte es mit bösen Blicken, als könne sie es so dazu bringen sich endlich zu öffnen. "Komm schon!", murmelte sie leicht genervt.
 

"Wir ja!", begann Josh zu erklären während er grinsend beobachtet, wie Dawn sich damit abmühte das Schloss zu entriegeln. "Sam hier, hält sich im Allgemeinen lieber von solchen Großereignissen fern!".
 

Sam nickte zustimmend und grinste breit. "Na ja… ich mach mir halt nichts aus solchen Kindereien!", sagte er und grinste mit einem frechen Seitenblick auf die anderen.
 

Schließlich fand Dawns Schlüssel doch den Weg in den Zylinder und das Schloss entriegelte mit einem leisen Klick. "Willkommen in der Casa Summers… Giles… ähm… ich erklär' euch das ein andermal!". Sie wartete bis die anderen eingetreten waren und schloss die Tür. Zusammen gingen sie die Treppe zu Giles Apartment hinauf.
 

Der Rucksack landete achtlos neben der Couch und die Jacke gleich daneben. Was in der allgemeinen Unordnung nicht weiter auffiel.
 

'Halt… Unordnung… Freunde… hier…'
 

Dawn begann verlegen zu grinsen und notierte sich, dass nächste Mal aufzuräumen, bevor sie ihre NEUEN Freunde einlud mitzukommen. Die Tatsache, dass Giles sie sowieso ständig ermahnte endlich aufzuräumen, verdrängte sie schnell wieder. 'Reiß dich zusammen Dawn Summers… nicht rot werden… nichts anmerken lassen…'
 

"Sagt mal… wollt ihr etwas trinken?", versuchte sie die Aufmerksamkeit ihrer drei neuen Freunde auf sich zu lenken, während sie mit der Hand ein paar ihrer Klamotten unauffällig hinter die Couch schob.
 

"Klar… immer her damit. Cola bitte… on the Rocks.". Sam warf Dawn einen zwinkernden Blick zu. Mara und Josh nickten, um ihre Zustimmung zu signalisieren.
 

Dawn notierte die Bestellung mit einem kurzen Kopfnicken und drehte sich um, um in die Küche zu gehen. Bevor sie den Durchgang erreichte, drehte sie sich noch einmal um, denn ihr war etwas in den Sinn gekommen. "Ähm… wie ist das eigentlich mit dem Halloween-Ball… wollt… ihr…".
 

"Ball?", wurde sie unterbrochen, bevor sie die Frage zu Ende stellen konnte. Ein Gesicht, verborgen unter einer schwarzen Kapuze, die zu einer schwarzen Kutte gehörte, schob sich durch den Türrahmen und zwei Augen blickten neugierig in Dawns Richtung.
 

Dawn sprang erschrocken zwei Schritte zurück, kniff die Augen zusammen und…

"Andrew?", stellte sie entsetzt fest. "Was machst du hier? Und was soll dieser Aufzug.". Sie schob die Unterlippe vor, musterte Andrew von oben bis unten und errötete…
 

'In seiner Kutte musste Andrew für die anderen aussehen wie... wie…'. Dawn errötete noch mehr und verfluchte sich für ihre eigene Blödheit. Wie hatte sie nur vergessen können, dass sie heute mit Andrew Dungeons&Dragons hatte spielen wollen…
 

'Ok, durchatmen Dawn… lächeln… und das Beste aus der Situation machen…'

Sie warf Mara, Josh und Sam einen kurzen verlegenen Blick zu und erwartete breit grinsende Gesichter zu sehen, die sich über Andrews Aufzug amüsierten, doch dem war nicht so. Hatte sie ihre neuen Freunde so unterschätzt?
 

"Cooles Outfit!", warf Sam grinsend ein.
 

Dawn sah wieder zu Andrew - Andrew sah zu Boden und trat von einem Bein aufs andere. "Na ja… hattest du nicht gesagt wir wollten heute Abend Dungeons&Dragons spielen?", fragte er mit großen Augen, die bei diesem Namen wie die eines kleinen Kindes aufleuchteten.
 

"Ja, das hab ich total vergessen…!". Sie sah Andrew entschuldigend an. "Entschuldige, ich habe wirklich nicht dran gedacht…tut mir leid!", erklärte sie kleinlaut und fühlte sich richtig schuldig.
 

'Argh… wieso muss er mich bloß mit diesen großen Hundeaugen ansehen… da bekommt man ja … nein halt, ich hab schon Schuldgefühle…. Aaaaaandrew…'. Dawn seufzte.
 

Andrew nickte traurig und sah die drei Neuankömmlinge kurz an, dann blickte er wieder zu Dawn. "Ja, schon klar… ich gehe... deine Freunde sind wichtiger, als… als so ein blödes Spiel. ", seufzte er traurig und wollte zurück in die Küche verschwinden, um seine Sachen zusammenzusuchen, und die Cracker, die er doch tatsächlich in Giles Vorratsschrank gefunden hatte, mitgehen zu lassen.
 

Dawn warf ihren Freunden einen kurzen, entschuldigenden Blick zu und folgte Andrew dann in die Küche. "Hey, jetzt warte doch mal. Es war doch keine Absicht. Ich… ich habe einfach nicht dran gedacht. Tut mir Leid.".
 

Andrew drehte sich um. ' Wieder dieser Blick!' Und das Schuldgefühl, das eh schon an Dawns Gewissen nagte, schien in unermessliche Höhen zu steigen, doch dann kam ihr eine Idee.
 

"Hey... ich habe eine Idee…!". Ihre Augen begannen zu leuchten. "Was hältst du davon, wenn ich die anderen frage …".
 

++++
 

"Na toll! Und wie kriegen wir den Zwerg jetzt wieder aus dem Bierfass raus?". Grübelnd kaute Mara auf ihrem Bleistift.
 

"Das ist euer Problem, Gruppe!". Bedauernd zuckte Andrew die Achseln. "Ich kann euch da leider nicht weiterhelfen! Ich kann euch nur daran erinnern, dass immer noch mindestens zwanzig Orcs vor eurer Kneipe stehen, also solltet ihr euch lieber was einfallen lassen!".
 

"Es ist alles deine Schuld!", schimpfte Sam, und warf Dawn einen bösen Blick zu. "Ich trink jetzt erstmal das Fass leer, und du betest lieber mal zu deiner Elfengöttin, dass ich danach zu blau bin, um dich zu verprügeln. Nichts als Schwierigkeiten hat man mit euch spitzohrigen Baumfetischisten!".
 

"Was muss ich würfeln, wenn ich das Fass zersäbeln will, ohne den Zwerg zu treffen?". Spielerisch machte Josh eine Bewegung, als ob er ein Schwert zöge. Andrew wollte gerade antworten, als Dawn einfiel: "Nee, lass mich das mal machen.". Betont freundlich grinste sie Sam an.
 

"Wenn du meinen Bart erwischst, bist du tot, Elfe!", drohte Sam und gab sich Mühe, dabei möglichst wie ein wütender Zwerg auszusehen…
 

++++
 

Boston

Salem Inn:

Ok, da waren sie nun, Boston, 7th Summer Street. SALEM INN prangte in großen leuchtenden Lettern auf einem viel zu kleinem Schild, das an einem, marode wirkendem, Masten gefährlich hin und her schwankte.
 

Faith glitt müde von ihrem Sitz und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Ok, es kam natürlich auf die Definition des Wortes kühl an, aber wenn man Sunnydale zum Vergleich nahm, dann war es verdammt kühl.
 

Neugierig ließ sie ihren Blick schweifen und stellte schnell ernüchtert fest, dass diese Absteige auch nicht besser war, als all die Nächte, die sie im Bus hatte verbringen dürfen. Hatte sie etwas anderes erwartet?
 

'Billig. Schäbig. Heruntergekommen'. Und so ziemlich das Einzige, was sie sich von dem knappen Budget, das ihnen der Rat zur Verfügung gestellt hatte, leisten konnten. Aber immerhin endlich einmal eine Abwechslung zu dem, zu einem unbequemen Schlaflager umfunktionierten, Bus.

Sie seufzte resignierend, wartete bis die drei Grazien aus den hinteren Bänken auch endlich den Weg nach Draußen gefunden hatten und ließ die Tür ins Schloss gleiten. 'Auf in den Kampf', dachte sie selbstironisch und drängte sich an Vi, Ronah und der Neuen vorbei, zum Heck des Busses, wo Robin gerade damit beschäftigt war das "Reisegepäck" auszuladen. Er griff noch einmal durch die Tür, hinein in den Innenraum des Bus' und zog Faiths Tasche vom Sitz.
 

Als er gerade im Begriff war sie auf dem Boden abzustellen, bemerkte er zwei Füße und eine Schuhspitze, die sich abwartend in den Kies bohrte. Er sah auf und blickte in Faiths Gesicht, das ihn ohne jede Regung anzusehen schien. Er hob den Rucksack wieder hoch und drückte ihn ihr in die Hand.
 

Faith nahm ihn entgegen. Für einen kurzen Moment berührten sich ihre Finger. Sie hielt in ihrer Bewegung inne, doch dann zog sie ihre Hände, samt Rucksack schnell weg und drehte sich um.

Sie konnte seinen verletzten Blick spüren, wie er sich fragend in ihren Rücken bohrte. In ihr keimten Schuldgefühle auf, doch sie brachte es nicht fertig etwas zu sagen, oder sich umzudrehen. Ihr Hals war wie zugeschnürt und sie musste heftig schlucken, um nicht die Beherrschung über ihre Gesichtszüge zu verlieren.
 

' Wieso… wieso konnte sie ihm nicht sagen, was sie beschäftigte? Wieso konnte sie ihre Gefühle nicht mit ihm teilen? Wieso hatte sie Angst davor?'
 

Faith schloss kurz die Augen. Ihr war nur all zu klar, warum sie es nicht konnte. Sie hatte Angst davor, weil sie sich dann selbst eingestehen musste, dass sie nicht die war, die sie nach Außen hin vorgab zu sein - Jägerin! Stark! Unangreifbar! Aber war sie das wirklich? Ein bitteres Lächeln stahl sich auf ihre schmalen Lippen.
 

'Nein… war sie nicht… nicht mehr…'
 

Das bittere Lächeln auf ihren Lippen erstarb und machte wieder der regungslosen Maske Platz, die sie über viele Jahre hinweg einstudiert hatte. 'Ein Glück, dass dich darin so viel Übung habe…' dachte sie traurig, warf den Mädchen, die mittlerweile ebenfalls ihre Taschen entgegen genommen hatten, einen auffordernden Blick zu und ging zum Eingang des Motels.
 

Während ihr die drei jungen Jägerinnen folgten, blieb Robin zurück. Er warf ihnen einen Blick nach, schloss die Hecktür des Busses und zog den Schlüssel ab. Seinen eigenen Rucksack schulternd, ließ er den Schlüssel in seiner linken Hosentaschen verschwinden und setzte sich ebenfalls in Bewegung.
 

++++
 

"Bett…", seufzte Faith, ließ ihren Rucksack achtlos zu Boden gleiten und sich im gleichen Atemzug auf das Bett vor ihr fallen. Sie wollte schon zu einem weiteren, wohligen Seufzer ansetzen, als sie merkte, dass sich etwas unangenehm in ihren Magen bohrte. Sie setzte sich ruckartig auf und starrte auf das Stück Bett unter ihr, auf dem sie nur Sekunden zuvor noch gelegen hatte… und stöhnte.
 

"Nein… nein… nein… n-e-i-n…, das darf doch alles nicht war sein!?", rief Faith völlig entnervt und betrachtet das Ende der spitzen Feder, die ihr aus der Bettdecke entgegen lugte.
 

"Es reicht! Ich gebe auf!", seufzte sie, stand auf und packte ihren Rucksack. Mit ein paar schnellen Griffen hatte sie den Verschluss geöffnet, das Innere durchsucht und gefunden, was sie suchte.

'Ich brauch eine Dusche, ich brauche dringend eine Dusche…'
 

Als sie den Rucksack wieder zu Boden gleiten ließ, öffnete und schloss sich hinter ihr die Zimmertür. Sie musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass es Robin war. "Na hast du unsere drei Grazien zu Bett gebracht und ihnen ihre Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen?", fragte sie mit unüberhörbarer Ironie in der Stimme. Sie hatte gerade furchtbar schlechte Laune…
 

Er stellte seinen eigenen Rucksack auf der Kommode neben der Tür ab, ging zu Faith und schlang zärtlich seine Arme um ihre Taille. "Sicher doch!", antwortete er mit der gleichen Ironie in der Stimme, lachte dann aber und küsste sanft den weichen Flaum in ihrem Nacken.

Für einen kurzen Moment war Faith versucht sich seiner Umarmung hinzugeben, sich einfach nur fallen zu lassen… 'Ein wirklich verlockender Gedanke…', doch dann entwand sie sich plötzlich seinem Griff.
 

"Ich gehe Duschen!", sagte sie knapp, nahm ihr Duschzeug und verschwand ohne ein weiteres Wort im Bad. Zurück blieb ein verdutzt drein blickender Robin.
 

'Was hatte das Alles bloß zu bedeuten?'
 

Nachdenklich starrte er die Tür an, hinter der Faith nur 2 Sekunden zuvor verschwunden war. 'Was sollte er bloß mit dieser sturen Jägerin anfangen? Wieso reizte sie ihn so?' Ok, das war eine dumme Frage. Gerade, dass sie so stur und eigensinnig war, reizte Robin so sehr an ihr. Er lächelte tiefgründig.
 

"Na gut… gehen wir in die Offensive!".
 

++++
 

Faith seufzte müde, ließ den Kopf in den Nacken sinken und stemmte ihre Hände gegen die kalten Fliesen. 'Oh Gott, das hab ich jetzt gebraucht…' Sie schloss die Augen, hielt ihr Gesicht in den dampfenden Wasserstrahl und genoss das prickelnden Gefühl, der Wassertropfen, die über ihr Gesicht perlten. 'Herrlich…'
 

Sie atmete einmal kurz durch, öffnete die Augen wieder und fuhr sich mit beiden Händen durch die nassen Haare. Mit einem kurzen Griff hatte sie den Regler weiter aufgedreht. Der Wasserstrahl prasselte nun deutlich härter auf sie nieder und massierte ihre verspannten Muskeln.
 

Das warme Nass lief in kleinen Rinnsalen über ihr Gesicht und ihre Haare, suchte seinen Weg über ihren Hals hinunter zu ihrem Dekolletee, wo es sich teilte, ihre Brüste umspülte, wieder vereinte und seinen Weg über ihren Bauch fortsetzte, nur um sich dann an der Innenseite ihrer Schenkel zu sammeln und sich in Tiefen zu stürzen, aus denen es keine Wiederkehr gab. Es wurde von einem reisenden Strudel in den Abfluss der Duschwanne gezogen. Faith beobachtete wie in Trance den sich stetig windenden Strudel zu ihren Füßen. Als sich eine kalte Hand auf ihre Schulter legte, fuhr sie erschrocken zusammen.
 

Nur mit Mühe konnte sie den Reflex unterdrücken, die Hand zu packen, über ihre Schulter zu ziehen, und mit deren Eigner auf die gleiche Weise zu verfahren. 'Die Instinkte einer Jägerin…'

Sie drehte sich um und sah in Robins Gesicht. Seine Augen strahlten sie an und auf seinen Lippen lag ein schelmisches Lächeln. Er drehte sich kurz um und zog den Duschvorhang zu, dann widmete er Faith wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
 

Sie sah ihn mit ihren großen, rehbraunen Augen lang und unverwandt an ohne etwas zu sagen. Doch ihr Blick sprach mehr als tausend Worte und mehr als all die Abweisungen die sie ihm seit Tagen entgegen gebracht hatte. Sie wollte, dass Robin sie in den Arm nahm, wollte gehalten werden, wollte sich endlich wieder geborgen fühlen, sie…
 

Er verstand. Seine Arme öffneten sich für sie und Faith nahm das Angebot nur zu bereitwillig an, flüchtete sich in seine Umarmung. Sie fühlte, wie sich seine starken Arme um ihren Rücken schlossen und zärtlich begannen sie zu streicheln. Plötzlich bemächtigte sich eine ungekannte Müdigkeit und Erschöpfung ihres Körpers. Sie ließ ihren Kopf gegen seine Brust sinken und schloss die Augen. 'Fallen lassen…'
 

Robin fing sie in seiner Umarmung auf, küsste sie auf den Scheitel und strich ihr zärtlich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann wagte er noch einmal den Schritt und fragte: "Willst du mir nicht erzählen, was dich bedrückt?".
 

Faith zuckte kurz zusammen. Er konnte es deutlich spüren. Aber er spürte auch, dass sie sich diesmal nicht von ihm entfernte. Sie war da und er spürte ihre Nähe - körperlich… ja, und… geistig. Und er wusste, dass sie den ersten Schritt getan hatte, sich ihm zu öffnen.
 

Faith fuhr mit ihren Zeigefinger über die Muskeln seines Oberarmes, so als verfolge sie ein gedankenverlorenes Spiel. Sie setzte zu einer Antwort an, öffnete den Mund… und schloss ihn wieder.

'Ist es richtig, dass ich ihm das erzähle?' Die Stimme in ihrem Inneren war laut und sie begann zu zweifeln, doch dann sagt ihr eine anderen Stimme, dass sie es tun sollte. Sie setzte erneut an, und diesmal drang ein Wort über ihre Lippen. "Erinnerungen!". Das war das Einzige, was sie fertig brachte.
 

Noch im selben Moment, wo sie dieses einfache, dieses simple Wort ausgesprochen hatte, fühlte sie wie eine Last von ihren Schultern genommen wurde, wenn es auch nur ein kleiner Teil war. Sie hob den Kopf und sah in Robins strahlende Augen, die ihr in diesem Moment die Welt verhießen - ihre Welt.
 

Sie reckte sich ihm entgegen, schloss die Augen und erwartete seinen Kuss. Als sie seine Lippen spürte, wie sie zärtlich über ihre strichen - es war kaum mehr als ein sanfter Hauch - rann eine Schauder der Erregung durch ihren Körper. Sie drückte sich an ihn und ihr ganzer Körper signalisierte, dass sie mehr wollte.
 

Robins Hand glitt von ihrem Rücken hinauf zu Faith Nacken, wo sie kurz zu verharren schien. Dann zog er Faith näher zu sich heran und vertiefte den Kuss. Er presste seinen Mund leicht auf ihren und fuhr mit seiner Zunge die Konturen ihrer Lippen nach - ganz zärtlich - bis Faith ihm endlich Einlass gewährte.
 

Er drang mit seiner Zunge in ihren Mund vor und begann ihre zu umkreisen. Faith ließ ihn gewähren und stieg in sein Spiel ein. Ein steter Reigen begann, in dem mal er, mal sie die Führung übernahm, bis sich beide nach Atmen ringend voneinander, lösten. Faith stieß ein leises, gelöstes Lachen aus und Robin erwiderte es mit einem Lächeln.
 

Die beiden sahen sich eine ganze Weile einfach nur an, als würden sie überlegen, was der nächste Schritt sein würde. Dabei wussten sie es nur zu genau - oder glaubten es zu wissen. Faith atmete ein paar Mal tief durch, um ihre bebende Brust unter Kontrolle zu bringen, doch es gelang ihr nicht wirklich. 'Egal, was soll´s…' dachte sie grinsend und sah ihn auffordernd an. Robin zog die Augenbrauen hoch…
 

'Na na na… wer wird denn gleich so stürmisch sein?'. Er grinste, packte sie bei den Oberarmen und zog sie ganz nah zu sich heran, um mit ihr in einem weiteren, tiefen und leidenschaftlichen Kuss zu versinken. 'Und die Welt um sie verschwamm…'
 

Er löste den Griff um ihre Oberarme wieder und nahm ihren ganzen Körper in Besitz, als er seine Arme um ihren Rücken und ihren Po schlang. Faith seufzte und genoss es, Robin zu spüren.

'Er war so stark… es tat so gut… nicht mehr stark sein zu müssen… sich einfach nur fallen lassen… einem anderen die Kontrollen zu überlassen'.
 

Er schloss seine Arme noch etwas enger um ihren Rücken und hob sie hoch. Faith warf ihren Kopf in den Nacken und lachte, dann schlang sie ihre Arme und Beine um ihn. 'Schließlich wollte sie dem armen Kerl nicht die ganze Arbeit überlassen…'
 

Sie schob ihren Kopf etwas nach vorne und ließ ihn gegen Robins Nacken sinken, den sie mit zärtlichen Küssen verwöhnte. Und als Robin leise stöhnte, wusste sie, dass es ihm gefiel. 'Männer, so was von berechenbar…'
 

Sie löste sich etwas von ihm, sah Robin tief in die Augen und drohte darin zu versinken. 'Warum musste er sie auch immer so ansehen?' Faith schüttelte den Kopf um sich wieder zu besinnen.

Ein vielsagendes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie löste eine Hand aus seinem Nacken und strich zärtlich die Konturen seines Gesichtes nach, während sie ihre Stirn gegen seine lehnte. Ihr Haar fielen über sein Gesicht. Wasser rann in kleinen Strömen darüber und dann auf seine Schultern, von wo aus es seinen Weg in die Tiefe suchte.
 

Ihr kam es so vor, als hätten sie Stunden in dieser Position verharrt, tatsächlich waren es vielleicht wenige Minuten gewesen. Aber spielte das eigentlich eine Rolle? Nein! Also, was machte sie sich eigentlich Gedanken darüber? Sie wusste es nicht. Vielleicht, weil sie es so genossen hatte, weil sie die Zeit um sie herum für einen kurzen Moment hatte vergessen können, oder weil…
 

Sie lachte… 'Jetzt mache ich mir schon wieder Gedanken… Faith, hör' auf zu denken - handle endlich!'.
 

Während sie sich mit der einen Hand an Robins Nacken festhielt, begann sie ihn mit der anderen zärtlich zu streicheln, was er mit einem leisen, aber unüberhörbaren Seufzer quittierte. Sie wanderte an seiner Seite entlang hinab in tiefere Regionen und wieder nach oben. Robin schloss die Augen. Faith folgerte daraus, dass es ihm gefiel und machte weiter. Sie konnte nur zu deutlich spüren wie seine Erregung wuchs… mit jeder Sekunde…
 

'Hab ich dich endlich'. Sie grinste triumphierend. 'Na, dann wollen wir mal…'.

Sie führte ihre Hand wieder zu der anderen, die in seinem Nacken ruhte. Ihre Finger verhakten sich, sie grinste wissend, spannte ihre Beinmuskulatur kurz an, und zog sich etwas hoch, um sich dann mit einem gedehnten Seufzer wieder in seinen Schoss sinken zu lassen. Dann begann sie sich in langsamen Rhythmus zu bewegen. Und das leise Plätschern der Dusche untermalte ihren Reigen mit sanftem Rhythmus…
 

++++
 

Cleveland:

Lautes Hämmern drang durch die offene Apartmenttür in den Raum, ab und zu ein gepresster Fluch, gefolgt von noch lauterem Hämmern.
 

"…und die Möbel kannst du auch behalten!", beendete Xander seine Ausführungen und sah die blonde Jägerin erwartungsvoll an.
 

"Will ich wissen, wieso?". Sie warf Xander einen eindeutigen Blick zu.
 

Er schüttelte den Kopf, setzte dann aber doch zu einer Erklärung an. "Ähm… der letzte Mieter soll die Wohnung wohl etwas überstürzt verlassen haben".
 

"Ich wusste doch, dass ich es nicht wissen will!", stellte Buffy resignierend fest.
 

Skeptisch ließ sie ihren Blick durch den hellen Wohnraum schweifen. Eine kleine offene Küche, die direkt an den Wohnraum anschloss, zwei getrennte Zimmer, ein Bad. Eigentlich alles, was sie und Dawn brauchten, und doch…
 

"Hm… also ich weiß nicht, sie ist ja ganz schön…".
 

"… aber?". Xander sah sie fragend an und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwie sah Buffy mit der graus gezogenen Stirn, dem angestrengt überlegendem Blick und den Grübchen in den Wangen süß aus. Er wurde von Buffy aus seinen Gedanken gerissen…
 

"… aber ich weiß nicht!", wiederholte sie und seufzte. "So klein…".
 

Xander begann zu grinsen. "Hör mal Buffy. Es ist wirklich das beste Angebot was du derzeit bekommen kannst… die Wohnung ist fast geschenkt.", erklärte Xander wissend. "Giles Wohnung ist zwar groß… ok, sehr groß… aber es ist auf Dauer keine Lösung, wenn du und Dawn… na ja… du weißt schon was ich meine… Giles…und seine Ordnungsliebe.… und… ".
 

"Jaja… ich weiß …", seufzte Buffy und rollte die Augen. Giles tauchte vor ihrem geistigen Auge auf und hielt eine seiner Standard- "Buffy-würdest-du-bitte-deine-Sachen-nicht-überall-herumliegen-lassen" oder "Daaaaawnn-könntest-du-bitte-endlich-das-Popcorn-von-gestern-Abend-aus-den-Couchritzen-entfernen"- Reden.
 

Dabei waren es das letzte Mal doch wirklich nur zwei, oder drei… Teile gewesen. Na ja…ok… vier… aber auf keinen Fall mehr, da war sie sich ganz sicher. Giles konnte wirklich pingelig sein.
 

Buffy wollte etwas sagen, doch sie wurde durch das laute Kreischen einer Kreissäge unterbrochen. Sie schloss den Mund wieder und seufzte.
 

'Gott, wenn das so weitergeht bekomme ich noch einen Nervenzusammenbruch. Wäre ich doch bloß nicht wieder her gekommen'.
 

Als die Kreissäge ihren Dienst beendete, nutzte Buffy die kurze Ruhephase und wendete sich an Xander. "Wie sieht es mit Kaution und Miete aus?".
 

"Kaution fällt flach. Ich habe für dich gebürgt. Und die Miete solltest selbst du dir leisten können Buffy Summers! Ich sag doch, das ist ein klasse Angebot, und du könntest nächste Woche schon einziehen. Sobald die Bauarbeiten im Treppenhaus beendet sind.", erklärte Xander.
 

"Gott sei Dank, ich dachte schon ich müsste die noch die nächsten 4 Wochen ertragen!", stellte sie nüchtern fest, begann zu lächeln und warf Xander einen zweideutigen Blick zu. Xander sah sie grinsend an. "Ha…, ich wusste es!", stellte er triumphierend fest. "Du nimmst die Wohnung, stimmt's?".
 

Buffy nickte. "Ja, ich nehm' sie. Jetzt muss ich nur noch das Geld zusammenkratzen. Hm…vielleicht sollte ich doch Giles Angebot annehmen. Und zusammen mit Dawns Job… das sollte…", sinnierte sie leise.
 

"Welches Angebot?". Xander sah Buffy neugierig an. "Dir ne Wohnung zu bezahlen, damit er endlich wieder seine geliebte Ruhe hat?". Xander begann breit zu grinsen.
 

"Hä? Was?". Buffy sah verwirrt auf. "Ach so… nein. Giles weiß noch gar nichts von seinem Glück. Ich meine… er weiß zwar, dass ich eine Wohnung für mich und Dawn suche… aber noch nichts … von diesem Angebot.". Sie machte eine ausladende Handbewegung und deutete in den Wohnbereich. Nachdenklich sah sie Xander an…
 

"Weißt du, er hat mir einen Job angeboten…im Rat… eigentlich eher für den Rat zu arbeiten!", erklärte sie und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
 

"Na ja… ist doch besser als gar nichts. Ein Job, ne neue Wohnung… ist es nicht das, was du wolltest? Ein halbwegs normales Leben?". Xander sah Buffy plötzlich ernst an.
 

"Ja!", gab sie kleinlaut zu.
 

"Na, also!".
 

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Boston

Salem Inn:

Faith räkelte sich müde im Bett und seufzte. Diese Nacht hatte es wirklich in sich gehabt. Ein wissendes Grinsen umspielte ihre Lippen…
 

Sie schloss die Augen und versuchte noch ein wenig zu dösen, doch der Schlaf wollte nicht wieder einkehren. Faith gähnte müde und lauschte dem Geräusch des plätschernden Wassers. Eigentlich hatte sie gedacht, dass Robin nach dieser ereignisreichen Nacht, erst einmal genug vom Duschen haben würde, doch da hatte sie sich scheinbar getäuscht. Sie musste schon wieder grinsen und schwang die Beine aus dem Bett.
 

Als sie den weichen Flaum des Teppichs zwischen ihren Zehen spürte, stand sie auf und schlang das Laken um ihren Körper. Mit zwei Schritten war sie am Fenster und mit einer kurzen Handbewegung hatte sie den Vorhang zur Seite gezogen.
 

Das Licht des Sonnenaufgangs flutete durch das Fenster ins Zimmer und tauchte es in intensives Rot. Ein seltsamer, aber auch wunderschöner Anblick und Faith gönnte sich einen Augenblick, um ihn zu genießen.
 

Draußen war noch nicht viel los. 'Kein Wunder um diese Uhrzeit', dachte Faith lächelnd, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und beobachtete die vereinzelten Autos, welche hin und wieder am Motel vorbei rauschten …
 

Plötzlich spürte sie zwei Hände auf ihren Hüften, die sich erst zärtlich, dann energischer werdend unter das Laken schoben, welches ihre Blöße bedeckte. Sie drehte sich lachend um und gab Robin einen leichten Klaps auf die Finger.
 

"Du wirst doch wohl nicht…!". Sie begann schelmisch zu lächeln, nahm seine Hand und zog sie wieder unter dem Laken hervor. "Schäm dich Robin Wood… einer Frau so unter den Rock… ähm… das Laken zu fassen!". Ein gelöstes Lachen drang über ihre Lippen. Selten hatte sie sich in der Gegenwart einer anderen Person so gut gefühlt. Sie seufzte…
 

"Komm mach dich fertig!", sagte Robin und küsste sie kurz auf die Stirn, "Ich trommle den Rest zusammen!". Er schob Faith Richtung Bad und ging dann zu seiner Tasche. Als Faith noch einmal einen Blick zurückwarf, ließ er demonstrativ grinsend das Handtuch fallen, das seine Hüften bedeckt hatte.
 

Doch Faith verkniff sich den Seufzer, der ihr auf der Zunge lag und schloss die Badezimmertür hinter sich. 'Na warte, das bekommst du zurück…'
 

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Cleveland

Ratsgebäude:

"Wieso hast du mich nicht informiert?". Die vorwurfsvolle, leicht gekränkte Stimme von Lily drang zu Giles durch, der müde und irritiert über Lilys Art, von seinen Papieren aufsah. Sie stand im Türrahmen und hielt etwas in ihren Händen, das verdächtig nach einem FAX aussah.
 

"Was habe ich nicht?".
 

"Mich über Wood informiert.".
 

"Ich verstehe nicht ganz?". Giles schob die Akte von sich und lehnte sich nach hinten. Sein Rücken protestierte und er spürte jeden einzelnen, verspannten Muskel.
 

"Das er diese Kim nach Boston bringt.". Lily klang sehr ungeduldig.
 

"Oh... DAS!", sagte Giles wenig begeistert, aber erleichtert. Er hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Auch wenn er nicht wusste, was das Schlimmste gewesen wäre. "Wieso hätte ich dich informieren sollen?". Er zog sich wieder die Akte heran. Das Problem war doch kein Problem. Jedenfalls nicht für ihn. "Wood hat mich angerufen. Ich habe ja gesagt. Es spricht nichts gegen meine Entscheidung. Woher weißt du überhaupt davon?".
 

"Nun... jemand wollte wissen, wohin er den nächsten Scheck schicken soll.". Sie hob das FAX in die Höhe. "Und du hättest mich trotzdem fragen können. Schließlich hast du mich zu deiner Stellvertreterin gemacht.". Lilys Worte entlockten Giles ein Schmunzeln. "Was ist daran komisch.".
 

"Nichts, entschuldige. Du fühlst dich also übergangen?".
 

Er klang so verständnisvoll und Lily wusste im ersten Moment nicht, wie sie auf Rupert reagieren sollte. Aber letztendlich überwog ihre Enttäuschung. "Nein. Aber ich hätte gerne dazu meine Meinung gesagt.".
 

"Das kannst du noch immer. Nur wird es nichts mehr an meiner Entscheidung ändern.".
 

"Du hast dich nicht einmal gefragt, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn jede Jägerin auf der Welt plötzlich alles bekommt, was sie sich in den Kopf setzt?". Lily trat ein und zog sich einen Stuhl heran. Giles sah auf. Es stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er keine Lust auf diese Diskussion hatte und andere Dinge im Moment wichtiger waren. Es galt einen neuen Finanzierungsplan zu erstellen und neue Anwärter direkt nach einem raschen Auswahlverfahren in den Wächterstand zu erheben.
 

"Nein habe ich nicht. Weil ich nichts Falsches darin sehe.".
 

"Oh ja, sieh dir Buffy an.". Lilys Stimmte drifte vor Zynismus.
 

"Was soll das jetzt wieder heißen?". Giles hingegen klang verstimmt.
 

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Buffy betrat gutgelaunt das Ratsgebäude durch den Hintereingang. Die Wohnung, die ihr Xander gezeigt hatte, war besser als erwartet. Sie war nicht groß, sie war nicht luxuriös, aber sie konnte sie sich leisten. Giles hatte versprochen für die ersten anfallenden Kosten aufzukommen, bis sie sich entweder einen Job gesucht hatte oder sein Angebot annahm.
 

Sie sah Lily in Giles Büro verschwinden und hörte die leicht verärgerten Stimmen der beiden Wächter. Besorgnis schlich sich auf Buffys Gesicht und sie blieb in der Nähe der Türe stehen, als sie auch schon einen recht verärgerten Giles fragen hörte: "Was soll das jetzt wieder heißen?".
 

"Sie war eine Ausnahme. Nicht wahr? Etwas Besonderes!". Lily klang spöttisch. "Du hast Ausnahmen gemacht, ihr Dinge durchgehen gelassen, die ein anderer Wächter vielleicht verboten hätte. Die Liebe zu einem Vampir! Freunde, Schule... Privatleben. Und was hat es dir gebracht? Du wurdest deswegen gefeuert, wieder eingestellt... ein hin und ein her. Und jetzt weiß sie nicht einmal ob sie noch jagen will oder nicht. Sie geht auf Patrouille wann immer sie Lust dazu hat oder eben nicht. Sie hat keine Arbeit, sie wohnt auf deine Kosten und weiß wahrscheinlich nicht einmal, was sie an dir hat.".
 

Buffy schluckte schwer auf ihrem Lauschposten und wünschte sich, sie wäre doch weiter gegangen und hätte ihre Anwesenheit bemerkbar gemacht. Doch jetzt war es zu spät. Sie wollte mehr hören, wissen, wieso Lily versuchte Giles gegen sie aufzubringen.
 

Giles schob nun doch wieder die Akte zurück und stand auf. Lilys Worte trafen. Sie waren vielleicht ein wenig übertrieben und hart, aber nicht ganz unwahr. Er nahm sein Brille ab und rieb sich die schmerzenden Augen. "Buffy und ich.. ich denke, dass geht dich nichts an.".
 

"Ich habe wohl einen wunden Punkt getroffen?".
 

"Und wenn schon... was hat das alles mit Kimberly zu tun?". Giles setzte wieder seine Brille auf und verschränkte abwehrend die Arme vor seiner Brust.
 

"Sie ist eine von vielen. Morgen kommt die nächste und bildet sich ein sie könnte Dämonen jagen, wenn sie mit ihrem Wächter auf Weltreise geht.. oh halt.. nein.. das ist ja Faith.. siehst du? Es fehlt die Ordnung, die Struktur...wie sollen wir die Jägerinnen ausbilden und vorbereiten, auf das Dunkle, auf das Böse, wenn sie tun was ihnen gefällt, nur weil es keine Auserwählte im engeren Sinn mehr gibt?".
 

"Denkst du die alten Methoden wären besser?".
 

"Nein. Doch.. ja. Ich meine.. die Jägerinnen hatten noch Respekt...". Lily klang ein wenig verunsichert.
 

Giles lachte auf. "Ich sehe... du hast KEINE Ahnung von der Beziehung Wächter und Jägerin.".

"Ich habe eine bestimmte Vorstellung... und ich kenne dich und Buffy. Ihr seid eine Ausnahme. Der Anfang vom Ende.". Lily sah ihn herausfordernd an und wusste gar nicht, woher auf einmal die ganzen Worte kamen.
 

"Was soll das heißen? Gibst du uns die Schuld an dem was passiert ist? Meine Güte, Lily.. du solltest dich reden hören.".
 

"I-ich weiß nicht was ich damit sagen möchte, aber in den ganzen Jahren in denen es Jägerinnen und Wächter gab, kam es nie zu einem ähnlichen Vorfall wie diesem... und kaum kommst du und änderst die Spielregeln bedroht das Urböse die Menschheit.".

"Also gibst du mir und meinen Methoden jetzt die Schuld?". Giles klang nun wirklich verärgert und er funkelte Lily wütend an.
 

"Vergiss es...,", versuchte Lily einzulenken und das Gespräch vorzeitig zu beenden. Sie war zu weit gegangen.
 

"Nein, dass kann ich jetzt ganz sicher nicht.", fuhr ihr Giles dazwischen. "Du kannst solche Anschuldigungen nicht stellen ohne gewisse Ahnung. Du hast dich ein Leben lang auf den Lorbeeren deines Vaters ausgeruht, der auf Grund von Erbrechten auf einer verdammt guten Position im Rat saß. Er hat außer Quellenvergleiche und dem Sammeln alter Schriften nichts Weltbewegendes für einen Wächter oder eine Jägerin im aktiven Dienst getan. Sein Verdienst war es, Geld und Macht zu haben. Und du willst mir sagen, was ich hätte anders machen sollen?".
 

Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen den beiden und Buffy nutzte den Moment leise an der offenen Türe vorbei zu schleichen. Sie warf einen besorgten Blick ins Innere, doch keiner der beiden nahm sie wahr. Sie standen sich streitlustig gegenüber, halb zur Tür gewand, halb zum Raum. Buffy huschte die Treppe nach oben. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, was sie gehört hatte. Egal wie wahr vielleicht Lilys Worte gewesen waren. Es bestätigte nur, was Buffy schon die ganze Zeit über vermutet hatte - das Giles Plan mit dem Rat kein guter gewesen war.
 

Lily und Giles sahen sich noch immer aufgebracht an. Er hatte ausgesprochen, was schon damals zu ihrem Bruch geführt hatte. Sie waren beide so unterschiedlich in ihren Ansichten gewesen und in dem, was einen guter Wächter ausmachte, dass nicht nur ihre Herkunft der Grund von Meinungsverschiedenheiten gewesen war. Damals hatten sie es nie laut ausgesprochen, aber bei der Trennung war es ihnen beiden klar geworden, dass sie nicht zu einander passten.
 

"Es.. es tut mir Leid.", brach Giles schließlich das Schweigen und sah verlegen zur Seite. Sein Angriff gerade eben war nicht sehr... nett gewesen, aber sicher nur eine natürliche Reaktion auf Lilys Angriffe. Aber er hatte sich gewöhnlich besser unter Kontrolle und schob seinen Ausbruch auf die Anspannung und auf den Stress.
 

"Vergiss es.", murmelte Lily erneut und ließ ihn einfach so verlegen, verdutzt und verärgert stehen.
 

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Boston

On the Road again…

Ich dachte du kennst dich hier aus!". Robin sah Faith fragend an. Diese wendete ihre Augen aber nicht von der Karte ab, die auf ihrem Schoss lag, sondern grollte nur: "Hör' zu, weißt du, wann ich das letzte Mal hier gewesen bin!". Dann sah sie aber doch kurz auf und ließ zur Bestätigung ihren Blick suchend aus dem Fenster, hinaus auf die Straße gleiten.
 

"Und hier bin ich noch nie gewesen… glaube ich jedenfalls… ähm… oder so!", sie knüllte die Karte zusammen und stöhnte verzweifelt. "Dieses Ding ist nicht mal ansatzweise sein Geld wert! Um das lesen zu können, brauch man ja ein Diplom!". Sie warf die zusammengeknüllte Karte auf den Boden des Busses und trat noch einmal mit dem Fuß darauf. 'So…'
 

Ihr Blick glitt wieder hinaus. Am Busfenster zogen schmutzige Hausfassaden vorbei, aufgereiht wie an einer endlosen Perlenschnur. Robin fuhr langsam, so dass Faith die dreckigen Fenster und Hausfassaden ausgiebig betrachten konnte.
 

Hinter Vorhängen lugten hier und da vereinzelt Köpfe hervor. Aber sobald die Leute bemerkten, dass sie entdeckt worden waren, verschwanden sie wieder hinter der sicheren Anonymität ihrer Vorhänge.
 

Hier wollte jeder ungesehen bleiben, ein Gesicht unter vielen… unerkannt und unbekannt.

Faith ließ sich in ihren Sitz sinken und versuchte ihre Gedanken und Erinnerungen zu ordnen. Schließlich war sie in dieser Stadt groß geworden. Also sollte sie sich verdammt noch mal auch hier auskennen. Angestrengt begannen ihre grauen Gehirnzellen zu arbeiten und suchten in der Umgebung nach Anhaltspunkten und nach Orten, die ihr bekannt vorkamen. Es verstrich eine halbe Stunde, bevor sie fand, wonach sie suchte.
 

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"Halt an!", rief Faith plötzlich wie aus der Pistole geschossen und saß aufrecht in ihrem Sitz. Robin fuhr erschrocken zusammen und trat auf die Bremse. Der Bus kam mit quietschenden Reifen zum Stehen und es dauerte keine zwei Sekunden, bevor die erste Hupe hinter ihnen lautstark protestierte.

Robin atmete kurz durch, sah Faith aus zusammen gekniffenen Augen an und wartete darauf, dass sie etwas sagte. Doch statt zu erklären, was in sie gefahren war, öffnete Faith einfach die Tür und sprang aus dem Bus.
 

Robin wollte etwas sagen, ihr hinterher rufen, doch ihm wurde das Wort durch die immer lauter werdenden Hupen im Heck des Busses abgeschnitten. Er schloss den Mund wieder, legte den ersten Gang ein und steuerte den Bus an den Straßenrand.
 

Aus den vorbeifahrenden Autos wurden ihm wenig freundlich klingende Flüche an den Kopf geworfen, doch er ignorierte sie einfach, stellte den Motor ab und folgte der dunkelhaarigen Jägerin. Sie stand auf dem Gehweg und ließ ihren Blick schweifen.
 

"Faith?". Er sah sie fragend an. Faith drehte sich grinsend zu Robin um. "Hier war ich schon mal. Ich denke jetzt kenne ich mich aus!", sagte sie triumphierend.
 

"Ach und deshalb musst du uns und Bill Cosby hier so einen Schrecken einjagen?", stichelte Ronah, die hinter Robin aus dem Bus gestiegen war, "Und was soll d…".
 

Faith warf Ronah einen kurzen aber eindeutigen Blick zu, worauf diese verstummte und den Rest des Satzes hinunterschluckte. "Schon ok… ich habe nichts gesagt!", wehrte sie ab und drehte sich zu Vi und Kimberly um, die hinter ihr standen, "Wehe man sagt mal was!".
 

Doch die Strafe folgte auf dem Fuße, den Faith erwiderte nüchtern: "Das habe ich gehört", und beobachtet zufrieden wie Ronah ertappt zusammenzuckte.
 

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20 Minuten später:

"Kim?!". Faith warf einen suchenden Blick in den Bus, wo Kim angespannt auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Ihre Finger spielten nervös mit den Trägern ihres Rucksacks. Faith musste unwillkürlich lächeln. Irgendwie wirkte dieses Mädchen… na ja… süß! Faith begann zu grinsen. Ja genau, unschuldig und süß. Dabei trug sie die Kräfte der Jägerin in sich. 'Schon irgendwie ein seltsamer Gegensatz', dachte Faith.
 

Als das Mädchen Faiths Stimme hörte, sah sie auf. "Ja?". Faith warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu, "Es ist Zeit!".
 

Der Blick des Mädchens glitt hinaus aus dem geschwärzten Busfenster zu dem Haus. Hinter den schwarzen Schlieren war es nur schemenhaft zu erkennen. Ihr unsicheres Lächeln spiegelte sich an der schmutzigen Scheibe wieder. Kim wandte ihren Blick wieder von dem Haus ab und nickte Faith zu. "Ok!".
 

"Na dann wollen wir mal!", schaltete sich Robin ein, stellte den Motor ab und stieg aus. Faith folgte ihm und winkte der jungen Jägerin zu. Kim warf Vi und Ronah, die ihr in den wenigen Tagen, die sie die beiden nun kannte, zu engen Freundinnen geworden waren, noch einen kurzen Blick zu, murmelte eine kurzes "Good Bye!". Mit wenigen Schritten hatte sie den Ausstieg erreicht und mit einem weiteren stand sie neben Faith und Robin auf der Straße. Ein trauriger Seufzer drang über ihre Lippen.

Sie schloss ihre Hände fester um den Rucksack, in dem alle ihre Habseeligkeiten waren und presste ihn wie einen Schutzwall vor ihre Brust. Robin legte ihr eine Hand auf die Schulter und gab ihr mit leichtem Druck zu spüren, dass alles in Ordnung war.
 

Faith wollte gerade den ersten Schritt Richtung Haus wagen, als Vi und Ronah aus dem Bus sprangen - genau vor ihre Füße. Ein müdes Augenrollen und ein genervtes "Was denn nun?", später, bekam Faith eine Erklärung.
 

"Wir können Kim doch nicht einfach so gehen lassen!", sagte Vi mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen und warf Kim einen vielsagenden Blick zu. "Ja, genau!", bestätigte Ronah und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

"Ja und?". Faith bedachte die beiden Jägerinnen mit fragendem Blick. "Was wollt ihr uns damit jetzt sagen?".
 

Ronah ging gar nicht auf Faiths Frage ein, sondern wendete sich Kim zu. "Wir dachten… du weißt schon… Vi und ich… na ja…!", sie brach ab und sah zu Vi. "Na hohl ihn schon raus!", zischte sie nervös und grinste dann verlegen.
 

Vi begann unter Ronahs abwartenden Blicken in ihrer Tasche rumzukramen. "Moment… hier… nein… warte… Mist, das ist er nicht!". Ronah wurde ungeduldig und seufzte. "Hast du ihn etwa im Bus vergessen?".
 

Vi grinste triumphierend, als sie ihre Hand wieder aus der Tasche zog. "Nein, hier ist er!". In ihrer Hand ruhte ein Pflock. "Danke!", sagte Ronah knapp, nahm in Ronah aus der Hand und hielt ihn Kim ohne Worte entgegen.
 

"Also… na ja… wir dachten… den könntest du vielleicht gebrauchen. Schließlich gehörst du ja jetzt zu uns. Und.. als kleine Erinnerung und so… ach du weißt schon!", stotterte Vi sichtlich nervös.

"Den haben wir selbst gemacht!", warf Ronah kurz dazwischen, als ihr das Ganze zu lange dauerte.

"Oh… dan.. danke!", erwiderte Kim und nahm zögerlich den Pflock aus Ronahs Hand. Als sie ihn prüfend in der Hand wog, stahl sich ein glückliches Lächeln auf ihr Gesicht. "Danke!", sagte sie mit fester Stimme, lies den Rucksack fallen und umarmte erst Ronah und dann Vi.
 

"Ich werde an euch denken, wenn ich ihn benutze!", sagte sie mit einem dankbaren Lächeln und wandte sich dann von beiden ab, um Faith einen Blick zuzuwerfen.
 

"Ok… war´s das?", fragte Faith, "Oder gibt es noch was, das ihr erledigen müsst?". Ronah zuckte die Schultern. "Nein, ich denke wir sind fertig!", sagte sie und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "Zufrieden?".
 

"Ja!", erwiderte Faith grinsend und warf Kim einen auffordernden Blick zu, woraufhin diese ihren Rucksack wieder vom Boden aufhob. "Bin so weit!", sagte sie mit fester Stimme und schlang die Arme um das Stück Stoff vor ihrer Brust.
 

Robin trat hinter Kim und warf Vi und Ronah einen kurzen Blick zu. "Es ist wohl besser, wenn ihr hier bleibt. Es ist schon so schwer genug, eine halbwegs plausible Erklärung zu finden, die ihre Eltern zufrieden stellt, aber ihre wahre Identität nicht gefährdet.", stellte er nüchtern fest. Die beiden Jägerinnen nickten, warfen Kim noch einen kurzen Blick zu, und verschwanden im Bus.
 

Faith machte den ersten Schritt und ging auf das Gebäude zu, dessen Fassade ihr in dreckigem Braun entgegen starrte. "Herrliche Aussichten…!", murmelte sie leise und öffnete die Tür. Hinter ihr folgte Kim und dann Robin, der der blonden Jägerin beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt hatte und sie nun hinter Faith den Treppenaufgang hinauf steuerte.
 

Oben öffnete sich eine Tür…. "K - i - m?".
 

++++
 

"Das hätten wir hinter uns… Mission erfüllt!", seufzte Faith und ließ die Tür des heruntergekommenen Mehrfamilienhauses hinter sich ins Schloss fallen. "Was nun?", fragte Robin, blieb neben ihr stehen und verstaute das Handy, mit dem er Giles über Kims Ablieferung bei ihren Eltern berichtet hatte, wieder in der Hosentasche.
 

Sie sah unschlüssig zum Bus, dann wieder zu Robin. "Ich würde gerne noch eine Weile hier bleiben… - ich meine hier in Boston!", erklärte sie und ließ ihren Blick die Straße hinunterschweifen.

An der Kreuzung kickten ein paar Kinder, kaum älter als 10 oder 11 Jahre, mit einer Dose herum. Faith beobachtete sie kurz gedankenverloren. 'Sie sahen so unbeschwert aus, kannten noch nicht die Last des Erwachsenseins, wussten nichts von den Gräueln diese Welt, oder denjenigen, die sie davor beschützten. Unwissenheit konnte manchmal ein richtiger Segen sein.'
 

Sie blies angestrengt Luft zwischen ihren zusammengepressten Lippen hindurch, seufzte kurz und sah Robin an. "In Ordnung?".
 

Er nickte und lächelte. "Ich denke schon. Die Mädchen können bestimmt auch mal etwas Abwechslung von unserem Roadtrip gebrauchen!", stellte er nüchtern fest. "Und ich auch!". Er sah Faith grinsend an.
 

Faith boxte ihn locker auf den Oberarm. "Jaja… du armer Kerl du. Mit drei Weibern durch die Lande fahren zu müssen, ist ja auch so schlimm!", neckte sie ihn. Er verzog die Lippen zu einem gespielten Schmollmund und sah sie aus seinen dunklen Augen heraus an. Dann schnaubte er und reckte die Schultern.
 

"Nein, als ehemaliger Direktor der Sunnydale High bin ich viel Schlimmeres gewöhnt!". Er lachte amüsiert. "Auf einer Skala von 1 bis 10 bekommt ihr von mir höchstens eine 5!", stellte er grinsend fest, ließ Faith stehen und ging zum Bus.
 

"Was nur eine 5? Hey… warte…. Woody!", sie folgte ihm zum Bus… "Du willst damit doch nicht sagen…hey… Robin…".
 

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Cleveland

West Lincoln High:

Stimmengewirr, Gelächter und wütende Rufe schallten über das große Schulgelände. Mitschüler strömten an Dawn vorbei, drängten sich an ihr vorüber und kreuzten ihren Weg, um zu ihren Freunden und Freundinnen zu gelangen.
 

Dawn ließ ihren Blick über die Tribüne des Baseball-Feldes zu ihrer Rechten gleiten, hielt nach Mara, Josh und Sam Ausschau. Es war ein beliebter Treffpunkt während den Pausen und die Drei waren oft hier zu finden, doch heute … nicht…
 

Sie seufzte, schob ihre Hände in die Taschen ihrer Jeans und wollte weiter gehen, als ein Baseball vor ihren Füßen, auf dem Boden aufschlug, Kies und Staub aufwirbelte, und dann einige Meter weiter sprang...
 

Dawn zuckte erschrocken zusammen und sah sich um. Ihr Blick fiel auf den Ball. Sie zog eine Grimasse und murmelte leise: "Deja Vu…!". Sie sah auf und ihr Blick glitt vom Ball weg, hin zum Spielfeld…
 

Da waren sie! Gut aussehende, durchtrainierte Jungs, die über das Spielfeld liefen sich gegenseitig anbrüllten, anfeuerten, oder sich irgendetwas zuriefen, und die Stimme eines Trainers, die alles andere übertönte und versuchte Anweisungen quer über das Spielfeld zu geben. Das übliche Training der 'Pushy Wasps'. Doch nun starrte das halbe Team in ihre Richtung. Dawn errötete…

Einer der Spieler gestikulierte wild in ihre Richtung und deutete auf den Ball. Erst beim zweiten Blick erkannte Dawn, wer dieser Spieler war - Leroy.
 

Dawns Blick wechselte von Leroy zum Baseball, der einige Meter von ihr entfernt aus dem Gras hervorlugte. Sie drehte sich um und hatte ihn mit ein paar schnellen Schritten erreicht. Ohne weiter darüber nachzudenken, hob sie ihn rasch auf und schleuderte ihn in Leroys Richtung.

Leroy ging ein paar Schritte zurück, dann noch ein paar und versuchte die Flugbahn des Balles im Auge zu behalten, die scheinbar höher war, als er gedacht hatte. Denn er musste seine Position noch um einige Meter nach hinten korrigieren...
 

Der Ball neigte seine Flugbahn und sauste auf Leroy zu. Er hob den Handschuh um den Ball zu fangen. Doch er hatte die Wucht unterschätzt, die hinter dem Wurf steckte, und als der Ball in seinen Handschuh einschlug, wurde Leroy von den Beinen gerissen…

… was ihm Gelächter und Spott von seinen Mannschaftskameraden einbrachte. "Lässt du dich jetzt schon von Mädchen flachlegen Leroy?".
 

Leroy warf den anderen Spielern ein ironisches Grinsen zu und sah dann wieder zu dem Baseball in seinem Handschuh. Neugierig beäugte er das weiße Stück Leder, doch wie nicht anders zu erwarten, sah er nicht anders, als all die anderen Bälle.
 

Aber das war ja grad das Seltsame. Als der Ball in seinen Handschuh einschlug, hatte es sich gefüllt, als wäre er von einem Vorschlaghammer getroffen worden. Verdammt, seine Hand tat jetzt noch weh… aber wie konnte das sein?
 

Dawn sah Leroy entsetzt an, dann ein panischer Blick zur Tribüne. Doch außer den Spielern schien keiner etwas bemerkt zu haben, was ja schon schlimm genug war. Dawn wollte schon aufatmen, doch als sie Leroy ihren Namen rufen hörte, blieb ihr die Luft im Hals stecken.
 

"Hey Summers…!".
 

'Nein…'. Dawn zuckte entsetzt zusammen. 'Was hast du bloß wieder angerichtet Dawn Summers'. Sie schulterte ihren Rucksack noch enger und ergriff panikartig die Flucht. Ohne sich umzusehen stürmte sie dem Ausgang der Sportanlage zu, drängte sich an anderen Schülern vorbei, die in die selbe Richtung gingen, bis ihr plötzlich jemand die Hand auf die Schulter legte… Dawn blieb wie erstarrt stehen.
 

"Hey Summers… verdammt starker Wurf.". Leroy trat vor Dawn und schenkte ihr ein breites Sunnyboy Grinsen. "Wie hast du das gemacht?". Er sah sie forschend an.
 

"Äh… was gemacht?". Dawn tat so, als wüsste sie nicht, was Leroy meinte und versuchte seinen Blicken auszuweichen, was bei diesen Augen und dem dazugehörigen Body zu geistiger Höchstleistung ausartete. Sie seufzte in Gedanken…
 

'Verdammt reiß dich zusammen Dawn… bloß nichts anmerken lassen… lächle… und tue so, als wüsstest du von nichts…'. Sie sah auf und setzte ein breites Lächeln auf. 'Oh Gott, ich sehe bestimmt aus wie ein grinsendes Honigkuchenpferd…'
 

Leroy begann zu lachen. "Komm schon… du weißt genau was ich meine… dieser Wurf grade eben. Wie hast du das gemacht? Ich meine…nicht jeder schafft es mich von den Beinen zu holen, aber du…?". Er musterte Dawn neugierig, als könne er so eine Erklärung dafür finden. "Hey, ich meine, du bist ein Mädchen…".
 

Dawn blinzelte. "Ach ja, und das heißt dann, dass ich nicht werfen kann oder wie?", wollte sie wissen. 'Nein, erst denken, dann reden', schalt sie sich selbst, für ihren unbedachten Ausbruch.

Leroy hob abwehrend die Hände. "Hey, das hast du jetzt gesagt Summers!". Er grinste breit und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Also?".
 

Dawn konnte nicht anders, als sein Grinsen zu erwidern, doch dann besann sie sich. "Nichts… das war bloß… Zufall…ja Zufall", versuchte sie sich aus der Affäre zu ziehen, und hoffte um Gottes Willen, dass es glaubwürdig klang, was es natürlich aber nicht tat…
 

"Aha, Zufall also? Und was…", Leroy kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn die Stimme seines Trainers schallte quer über den Platz. "Verdammt Leroy, beweg deinen Hintern wieder aufs Spielfeld. Flirten kannst du auch nach dem Training noch!". Und mit ihm, das Gelächter seiner Teamkameraden.
 

Leroy grinste verlegen. "Tja Summers, sieht wohl so aus, als dürfest du dein kleines Geheimnis für dich behalten! Für heute!". Er schenkte ihr ein letztes Lächeln, drehte sich um, winkte ihr noch einmal zu und trabte zurück zum Spielfeld.
 

Dawn sah Leroy verträumt hinterher. Dieser Junge hatte etwas. Leroy war nett und charmant, nicht so rüpelhaft wie die anderen Spieler seines Teams… und… er sah verdammt gut aus... Dawn seufzte… dieses Mal laut…
 

'Gott, kannst du eigentlich auch noch an etwas anderes denken als Kerle?'. Dawn begann vor sich hin zu grinsen und machte sich auf den Weg zurück zum Schulgebäude…
 

Chreston Hall

Zimmer Nr. 145

Hastiges Klopfen an ihrer Zimmertür ließ Willow von ihren Büchern aufsehen. Ihr Blick glitt zur Uhr - kurz nach Drei. 'Wer konnte das sein? Um diese Uhrzeit? Hatte sie etwa eine Verabredung vergessen? Womöglich auch noch eine zum Lernen?' Entsetzt sah Willow zur Tür.
 

Nach einer weiteren Sekunde, kam ihr der Gedanke, hin zu gehen und aufzumachen. Sie stand auf, durchquerte ihr Zimmer, blieb vor der Tür stehen und kramte in ihrem Gedächtnis, doch das Ergebnis blieb das gleiche - sie konnte sich an keine Verabredung erinnern. Sie drehte den Knauf und öffnete die Tür.
 

"D a w n…?".
 

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"… und alle haben es gesehen?". Willow saß im Schneidersitz auf ihrem Bett und sah Dawn entgeistert an, als diese nickte. "Du meinst wirklich alle?".
 

Dawn nickte noch einmal. "Ja alle!", bestätigte sie, ließ sich neben Willow aufs Bett fallen und blies in die Backen.
 

Willow sah sie nachdenklich an. "Hm…".
 

"Allerdings denke ich, dass sie gedacht haben, Leroy wäre ausgerutscht… jedenfalls glaube ich das… ach ich weiß nicht…?". Dawn ließ sich nach hinten sinken und starrte Löcher in die Decke.

"Hast du es einfach nur vergessen, oder hattest du keine Kontrolle über deine Kräfte?", wollte Willow neugierig wissen.
 

Dawn setzte sich wieder auf und sah Willow verlegen an. "Ich hab's vergessen!", gab sie zu, "Ich meine… weißt du… ach… es hat so lange keine Rolle gespielt. Und nun habe ich diese Kräfte plötzlich… ich muss mich erst daran gewöhnen!".
 

Willow nickte verstehend. "Wann willst du es Buffy erzählen?".
 

"Ich weiß nicht... ich finde wir… sollten erst noch etwas mehr über meine Kräfte herausfinden. Könntest du nicht noch etwas nachforschen? Quellen befragen… du weißt schon…".
 

Dawn fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, "…Übernatürliche … und so!". Resignierend ließ Dawn ihre Hände sinken und sah Willow ernst an.
 

"Ich will einfach nicht mit der Tür ins Haus fallen, wenn ich Buffy und Giles meine Kräfte offenbare. Ich brauche Beweise! Verstehst du?".
 

Willow legte Dawn beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Keine Angst, ich glaube deine Kräfte sprechen eigentlich für sich. Aber ich werde trotzdem ein wenig recherchieren, wenn es dich beruhigt, ok?".
 

Dawn nickte. "Ok!".
 

Universitätsbibliothek:

Früher Abend, ein müder Seufzer drang zwischen den zwei großen Bücherstapeln hervor, die den grauen Computermonitor säumten, gefolgt vom dem rhythmischen Stakkato zweier Hände, deren Finger unentwegt auf die Buchstaben einer Tastatur einhämmerten.
 

Eigentlich hatte sie vorgehabt zu lernen… doch jetzt…
 

"Verdammt… es muss doch mehr, als das hier geben!". Willow fixierte die Zeilen auf dem Monitor mit starrem Blick, nur um festzustellen das sich doch nichts änderte. ‚…sie alleine besitzt die Kräfte, um…. Ein leises Grummeln entwich ihrer Kehle. Sie sank zurück in den unbequemen Bibliotheksstuhl und ließ ihren Blick durch die langen Bücherreihen schweifen.
 

Es war ruhig… zu ruhig. Ok, eigentlich war es üblich, dass es in einer Bibliothek ruhig war, es war auch schon spät, aber Willow machte es traurig, dass dieser Ort nicht mit mehr Leben erfüllt war.

Sie wendete sich wieder dem Bildschirm zu. Noch immer flimmerten ihr die schwarzen Buchstaben entgegen. Sie hatte nichts gefunden, was sie nicht sowieso schon wusste. 'Vielleicht war es doch an der Zeit andere Maßnahmen zu ergreifen', überlegte Willow nachdenklich…
 

"Ha, wusste ich doch, dass ich dich hier finde?", erklärte eine Stimme hinter ihr.
 

Willow fuhr erschrocken zusammen und sah auf. "Kennedy?", stellte sie erstaunt fest und warf ihrer Freundin einen fragenden Was-machst-du-hier-Blick zu.
 

Kennedy lachte amüsiert. "Was ist? Hast du etwa gedacht, dass ich mich nicht an einen Ort wie diesen trauen würde? Bücher… Wissen… Grusel…". Kennedy schenkte Willow ein warmes Lächeln. Ihr Blick glitt von Willow zum Monitor und flog über die Zeilen.
 

"Was machst du?".
 

Willow starrte zum Monitor. "Ähm… ach…nichts… nichts Wichtiges!". Ihre Finger glitten zur Tastatur und das Fenster schloss sich. "Lernen!".
 

Kennedy begann zu Grinsen. "Ach so nennst du also, wenn du im Internet über Jägerinnenkräfte recherchierst?". Sie zog die Augenbrauen hoch und sah Willow neugierig an. "Kannst du mir mal verraten wofür?".
 

Willow grinste verlegen. 'Erwischt'. "Als Hüterin sollte ich doch alles über eure Kräfte wissen, meinst du nicht auch? Und es gibt noch so vieles was ich nicht weiß…". Willow biss sich auf die Lippe und betete inständig das Kennedy ihr den kleinen Schwindel abkaufte.
 

"Jaja... schon gut… ich stell keine Fragen mehr.", gab Kennedy mit einem Wink zu verstehen. "Kommst du mit? Kenne einen coolen neuen Club unten am Pier…!".
 

Willow starrte unentschlossen zwischen Monitor und Kennedy hin und her, doch ihr wurde die Entscheidung abgenommen, denn ihre Freundin packte sie bei der Hand und zog sie weg vom Computer…
 

"Kennedy… die Bücher… ich muss sie…!", …
 

++++
 

Boston:

Irgendwo am späten Abend

Der Wind strich kühl über das Flachdach hinweg und zersauste ihre Haare in wildem Spiel. Sie hob die Hand und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihr Blick glitt hinunter in die dunkle Gasse…

Menschen… jung und noch jünger… strömten aus dem Eingang des Clubs im gegenüberliegenden Gebäude. AFTER DARK stand auf dem bronzefarbenen Schild über dem Eingang, dessen Licht sich in den schmutzigen Wasserlachen spiegelte, die hier und da den Boden zierten. Doch die Clubber schien es wenig zu stören…
 

Faith hockte lauernd auf der Außenmauer des Flachdachs und beobachtete mit wachsamen Augen das muntere Treiben in der Gasse. Blonde, schlanke Mädchen buhlten um die Gunst der Türsteher und wenn sie Glück hatten, und genügend weibliche Reize, wurde ihnen die Tür zu einer anderen Welt geöffnet. Die Welt des Sein und Schein, des Geldes und des Alkohols, eine Welt bestehend aus Glamour und Glitter. Und hier und da ein paar unechten Körperteilen.
 

Ihre Hand auf die Kante stützend, beugte sich die dunkelhaarige Jägerin etwas vor, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Dass es unter ihr 5 Meter in die Tiefe ging, schien sie wenig zu stören…

Faiths Blick fiel auf einen Mann, der etwas Abseits im Schatten eines Müllcontainers stand und das rege Treiben ebenso neugierig zu beobachten schien, wie sie selbst. Abgesehen von der Tatsache, dass dieses Verhalten an sich schon verdächtig wirkte, brauchte Faith nicht lange um festzustellen, dass dieser Typ sicherlich der ganze Stolz von Mami und Papi Spitzzahn war. Vorausgesetzt Mami und Papi hatten nicht schon mit den Van Helsings dieser Welt Bekanntschaft gemacht. Jedenfalls waren seine Klamotten einfach nicht von dieser Welt!
 

'Scheinbar geht mit dem Verlust des Lebens auch der Verlust jeglichen Modegeschmacks einher…', stellte Faith grinsend fest und tastete mit ihrer freien Hand, nach dem Pflock in ihrem Hosenbund. Als sie das vertraute Gefühl des glatten, abgegriffenen Holzstücks unter ihren Fingern spürte, packte sie zu und zog ihn hervor, "Lets hunt some Vamps!", und sprang in die Tiefe…
 

++++
 

"Hey, jetzt renn doch nicht gleich weg!", rief Faith ihm schmollend hinterher. "Van Helsing will doch nur mit dir spielen!", versuchte sie den flüchtenden Vampir zu überzeugen, doch scheinbar schien ihr untoter Freund hier wenig von ihrer Aufrichtigkeit überzeugt zu sein. Vor allem seit er das spitze Stück Holz in Faiths Hand entdeckt hatte.
 

"Ok, wäre ja auch zu einfach gewesen!", seufzte Faith und setzte dem fliehenden Vampir mit schnellen Schritten nach.
 

Sie entfernten sich immer weiter aus dem Einzugsbereich des AFTER DARK, was Faith nur Recht war. Keiner der bei der Jagd störte, oder dazwischen funkte, und noch wichtiger - die Anzahl von potentiellen Toten verringerte sich mit jedem Schritt, den sie sich vom Club entfernten.

Sie musste kurz grinsen, beschleunigte noch einmal ihre Schritte, bog um die Ecke hinter der schon ihr untoter, blonder Freund zwei Sekunden zuvor verschwunden war und prallte dabei beinahe mit ihm zusammen.
 

"Ach nein, wen haben wir denn da!". Sie blieb stehen und verschränkte, den Pflock noch immer in der Hand, die Arme vor der Brust und grinste den Vampir gut gelaunt an.
 

Der Vampir stand mit dem Rücken zu ihr und starrte in die dunkle Gasse. Auch wenn Faiths Augen den schwarzen Mantel der Nacht, der über der Gasse lag, sicherlich nicht so gut zu durchdringend vermochten, wie die das Vampirs, wusste sie welcher Gedanke gerade sein Gehirn gerade beschäftige.
 

'Drei Jägerinnen?'
 

"Tja, was soll ich sagen? Ich hab' mich eben einsam gefühlt. Da dachte ich mir, ich lade meine beiden Freundinnen hier zu unserem kleinen Spiel ein!", erklärte Faith mit ernster Miene, doch die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
 

Der Vampir drehte sich um und stieß ein wütendes Grollen in ihre Richtung. Seine gelben Augen starrten sie wutentbrannt an. Faith beantwortete seinen Blick wenig beeindruckt und betrachtete scheinbar gedankenverloren den Pflock in ihrer Hand.
 

Er machte einen Schritt auf sie zu, doch Faith hob drohend den Finger. "Ah, ah! Da spielt die Musik!", erklärte sie belehrend und deutete ausdruckslos in die dunkle Gasse, wo nun Vi und Ronah aus den nächtlichen Schatten auftauchten und ins Licht der Straßenlaterne traten.
 

Blondieboy folgte ihrem Fingerzeig, drehte sich um und starrte die beiden Jägerinnen unsicher an. Er war sich durchaus bewusst, dass seine Chance zu überleben auf ein Minimum geschrumpft war. Aber kampflos würde er sich dennoch nicht aufgeben. Er sprang nach Vorne…
 

Faith lehnte sich gegen den Müllcontainer zu ihrer Rechten und beobachte mit zufriedenem Gesichtsausdruck, das Schauspiel, das sich ihr bot…
 

Ronah wich dem Vampir mit einem schnellen Schritt zur Seite aus und sein Angriff verpuffte in der Luft. Er landet zwischen Vi und Ronah, die sich beide kurz grinsend ansahen und nun ihrerseits zum Angriff übergingen.
 

Vi landete einen gezielten Schlag auf dem Solarplexus des Vampirs, der mehr durch ihre Kraft, als durch die Tatsache, dass ihm die Luft wegblieb beeindruckt war - Luft die er sowieso nicht brauchte. Er stolperte rückwärts gegen Ronah, die ihn packte und gegen die Wand schleuderte.
 

"Siehst du Vi, so macht man das!", erklärte sie, setzte dem Vampir nach, der sich noch nicht vom Aufprall gegen die Mauer erholt hatte und landete einen gezielten Tritt unterhalb der Gürtellinie. Der Vampir sank stöhnend vor Schmerzen auf die Knie…
 

Faith sah der Aufführung gelassen zu und spielte mit dem Pflock in ihren Händen, ließ ihn von der einen, in die andere Hand gleiten und zurück. Doch ihr gedankenverlorenes Spiel wurde jäh unterbrochen, als sich etwas anderes in ihr Aufmerksamkeitsfeld stahl. Sie drehte sich ruckartig um. Ihr Pflock aber, ruhte in entspannten Fingern, denn sie wusste, dass es keine Vampire waren, die sich da näherten. 'Zu laut, zu langsam, zu lebendig…'
 

Zwei Schatten wanderten an den Wänden an ihr vorbei - einer groß, einer klein - und ihnen folgten bald darauf zwei Gestalten. Faiths Augen musterten zuerst das Mädchen. Sie mochte vielleicht 12 oder 13 Jahre alt sein, hatte etwas mehr als schulterlanges dunkles Haar und ihr Gesicht war gezeichnet von Kummer und Erfahrungen, die ein Kind in diesem Alter nie hätte machen sollen. An ihrer Hand hing eine zweite Gestalt - eine Frau. Das Mädchen zerrte an ihr…
 

"Komm schon Mom…!", flehte das Mädchen und zog immer wieder an der Hand der blonden Frau, deren Blick scheinbar völlig geistesabwesend in der Gegend umherschweifte und nur gelegentlich das kleine, dunkelhaarige Mädchen - ihre Tochter - zu bemerken schien.
 

"Was… was willst du?! La - h - as … mich… geh - e weg… weg…", lallte die Frau, stolperte und fiel auf die Knie. Scheinbar völlig verwirrtes Kichern drang über ihre Lippen.
 

"Mooooooooooommmm!"…
 

Faith wendete betroffen ihre Augen ab, um den Anblick des Mädchens nicht länger ertragen zu müssen… wie sie ihre Mutter anflehte, endlich mitzukommen… anflehte, endlich wieder Mutter zu sein…
 

Sie kannte den Blick in den Augen des Mädchens, den Blick in den Augen der Frau, nur zu gut...
 

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Flashback:

'Blau konnte eine sehr schöne Farbe sein. Der Ozean war blau und der Himmel… und…', versuchte sich Faith einzureden und schnitt eine Grimasse in den Spiegel, als ihre Hand tastend über das Feilchen unter ihrem rechten Auge glitt.
 

"Arschloch!", fluchte sie gepresst und ließ resignierend die Hand sinken. 'Hätte er sie nicht wenigstens dahin schlagen können, wo es niemand gesehen hätte? Hier würde selbst das beste MakeUp kläglich versagen'. Sie seufzte und strich sich eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht.
 

Auf dem Flur gingen Gebrüll und Gekeife wieder los. Faith stöhnte genervt, ließ sich auf ihr Bett fallen und versuchte es zu ignorieren, aber die Lautstärke war wirklich nicht zu überhören. Die Nachbarn würden ihren Spaß haben.
 

'Familiendrama aus erster Hand. Mutter Säuferin und Vater Schläger. Eine Freude für jeden Familienberater und guter Stoff für jedes Hollywood Drama, oder Zeitung: "15 jähriges Mädchen entkam höllischem Elternhaus".'
 

Das übliche Gezeter und Faith begann zu überlegen, wann sie das letzte Mal einen 'ruhigen' Abend verbracht hatte, und kam zu dem Schluss, dass es sehr, sehr lange her gewesen sein musste, denn sie konnte sich nicht mehr daran erinnern.
 

Ihr Blick glitt zur Decke, dann zu ihrer Garderobe und noch ein Stück weiter, bis er an der Tür hängen blieb. "Was soll's!", sinnierte sie, sprang auf, krallte sich ihre Jeansjacke, öffnete ihre Zimmertür und trat auf den Flur.
 

"Wo willst du hin?".
 

Faith blieb Augen rollend stehen und drehte sich um. "Geht dich das was an?", antwortete sie mit einer Gegenfrage und warf dem Mann, der sich als ihr Vater betrachtete, einen mehr als nur genervten Blick zu.
 

"Ja! Ich bin dein Vater!", heischte er und machte einen Schritt auf Faith zu.
 

"Du meinst wohl biologischer Erzeuger! Vater sein ist für dich doch nur ein Wochenendjob, der daraus besteht Mom und mich zu verprügeln.".
 

Sie warf ihm einen funkelnden Blick zu und drückte die Türklinke des Zwei-Zimmer-Apartments nach unten. Doch bevor sie die Tür öffnen konnte, spürte sie einen harten Schlag in ihrem Rücken… "Na warte, ich werde dich lehren…!", zischte er und holte zu einem neuen Schlag aus. Doch…
 

"Doug… was ist los?", lallte eine Frauenstimme und ein blonder, strähniger Haarschopf tauchte aus dem Türrahmen zur Küche auf. Faith hob ihren Kopf und sah ihre Mutter an. Auch wenn sie die Alkoholfahne nicht gerochen hätte, der glasige Blick, die dunklen Ränder unter den Augen, das fahle leichenblasse Gesicht… es war einfach…
 

Faith sah weg…
 

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Gegenwart:

"Hey, ich wollte ihn pfählen!" stichelte Ronah und wischte sich den Staub von den Klamotten. "Was soll´s… er hat mir seinen Rücken gerade so schön angeboten!". Vi grinste Ronah frech an.
 

"Ja, aber nur, weil ich ihn abgelenkt habe!", erklärte Ronah und reckte die Brust. Vi begann loszuprusten. "Jaja… du bekommst halt den Nächsten… versprochen!", bot Vi an und als Ronah zustimmend nickte, grinste Vi triumphierend. Die beiden Jägerinnen blickten zu Faith…
 

"Faith?". Vi warf der dunkelhaarigen Jägerin, die scheinbar regungslos dastand und in die Gegend starrte, einen fragenden Blick zu. Faith zuckte zusammen, als hätte man sie unsanft aus einem Traum geweckt. 'Aber in diesem Fall war wohl der Begriff Alptraum passender…'
 

"Ja?", sie drehte sich um und sah die beiden Jägerinnen entschuldigend an. "W-was ist?". Die beiden Jägerinnen warfen sich unsichere Blicke zu. "Das sollten wir wohl eher dich fragen!", entgegnete Ronah und sah Faith besorgt an.
 

"Was? Hä… wieso…?". Faith brach ab und drehte sich wieder um. Ihr Blick glitt suchend durch die Straße, hinter jeden Container und zu jedem Hauseingang, doch das Mädchen und die blonde Frau - beide waren verschwunden.
 

"Nichts… ich dachte… ich hätte was gesehen!", log Faith und begann zu grübeln.
 

'Wie lange hatte sie wohl hier gestanden? Geistesabwesend Löcher in die Luft gestarrt, und jedem daherkommendem Vampir eine herrliche Zielscheibe geboten?'
 

Sie wusste es nicht. Sie wusste es wirklich nicht. Aber dafür reifte in ihrem Kopf plötzlich ein anderer Gedanke. "Ich muss weg!", erklärte sie knapp, warf den beiden jungen Jägerinnen einen entschuldigenden Blick zu und verschwand in die Dunkelheit.
 

"Hey… Faith… wo willst du hin?", rief Vi irritiert doch ihre Worte verhallten unbeantwortet an den Mauern der Gasse, die sie umgaben. Faith war verschwunden…
 

"Hast du `ne Ahnung, was in die gefahren ist?", fragte Ronah, bekam aber von Vi nicht mehr als ein Schulterzucken als Antwort. "Ja schon gut… ich weiß…dämliche Frage. Aber irgendwas muss doch gewesen sein. Hast du ihren Blick gesehen? Sie wirkte so abwesend.". Vi setzte gerade zu einem Nicken an, als hinter ihr eine Stimme laut wurde…
 

"Wer wirkte abwesend? Und wo ist Faith?". Robin holte die beiden Jägerinnen mit ein, zwei schnellen Schritten ein und blieb vor ihnen stehen, als sie sich herum drehten. Er sah in zwei verstörte Gesichter.

"Das ist es ja eben. Wir reden über Faith!", begann Ronah zu erklären und zog nachdenklich die Stirn kraus, "Wir haben diesen blonden Vampir gejagt. Wir haben ihn gestellt… und… na ja… eben gepfählt… dass heißt Vi und ich.".
 

Ronah wollte fortfahren, doch Vi fiel ihr ins Wort und setzte da an, wo Ronah abgebrochen hatte. "Sie hat ihn uns überlassen. Wir haben ihn fertig gemacht und wollten weiter. Doch Faith ist einfach verschwunden. Sie war ganz komisch drauf!", versuchte wie auszudrücken, was sie dachte. "Du weißt schon - komisch im Sinne von seltsam… nicht normal!", stotterte sie, "Ich meine damit nicht verrückt… nur… komisch eben!".
 

Robin legte ihr eine Hand auf die Schulter und nickte. "Schon gut, ich weiß, was du meinst!", bestätige er und Vi atmete erleichtert auf. Aber das unsichere Gefühl blieb. Robin drehte sich um und starrte in die dunkle Gasse, aus der Vi und Ronah gekommen waren. 'Faith, wo bist du?'
 

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Irgendwo in Boston:

Das kalte Metallgeländer der Feuertreppe unter ihren Fingern fühlte sich gut an. Sie schloss ihre Hände darum und lehnte sich dagegen. Kalter Schweiß trocknete an der frischen Nachtluft und kühlte ihren erhitzen Körper. Sie war die ganze Zeit nur gelaufen… gerannt… gelaufen… quer durch die Stadt…
 

Faith atmete tief ein und stieß die Luft durch bebende Nasenflügel wieder aus. Ihre Atmung normalisierte sich. Ihr Blick glitt zu dem gegenüberliegenden Gebäude. Es war alt, schäbig und dem Verfall näher als einer Renovierung.

Nichtsdestotrotz war noch Leben in diesen Mauern. Hinter den vielen hell erleuchteten Fenstern waren Männer, Frauen und Kinder damit beschäftigt ihr kleines, unbedeutendes und anonymes Dasein zu fristen. 'Leben…'
 

Doch Faiths Blick galt nur einem Fenster - einem allein. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie das Geschehen hinter der schmutzigen Scheibe zu erkennen…
 

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Flashback:

… sie konnte den Anblick ihrer Mutter, nicht ertragen, wollte ihn nicht ertragen! Denn jedes Mal, wenn sie es tat, wenn sie ihre Mutter so sah, starb ein Teil in ihr. Der Teil, der ihr sagte, dass ihre Mutter eine gute Mutter war, der ihr sagte, dass ihre Mutter sie liebte…der… Faith schluckte… 'Es tat weh.'
 

Getrieben von dem Gedanken, einfach nur weg zu wollen, weg von ihrer Mutter, die den Alkohol scheinbar mehr liebte als ihre eigene Tochter. Weg von einem Vater, dessen Hand nur eines kannte - den Weg in ihr Gesicht - sprang Faith auf die Füße, riss die Tür auf und stürzte aus der Wohnung…

Ungeweinte Tränen brannten heiß in ihren Augen, wollten endlich frei gelassen werden, doch Faith kämpfte und gewann. Oft hatte sie diesen Kampf schon gefochten, und auch dieses Mal hatte sie ihn wieder gewonnen. Nein, für diese Menschen würde sie keine Tränen vergeuden… niemals…
 

"Hey Faithy… wie geht's dir?". Der graubärtige Mann trat aus dem Schatten neben dem Müllcontainer hervor, schloss den Deckel und grinste das junge Mädchen gut gelaunt an.
 

"Mies. Nenn mich nicht Faithy. Halt die Klappe und gib mir lieber ne Kippe!", kam die schlecht gelaunte Antwort. Faith trat in den Lichtkegel, den die Lampe über der Hintertür zu irgendeiner drittklassigen Bar produzierte. Seiner Bar…
 

Das Grinsen wich aus dem Gesicht Mannes. "Du weißt, dass ich das eigentlich nicht tun sollte!", erklärte er mit hochgezogenen Augenbrauen, holte dann aber dennoch eine Schachtel hervor und reichte sie dem dunkelhaarigen Mädchen.
 

Mit traurigem Blick beobachtete er, wie Faith mit fahrigen Bewegungen die letzte Zigarette aus der Schachtel fischte und sie mit dem sich ebenfalls in der Schachtel befindlichem Feuerzeug anzündete.

"Ja, weiß ich…!". Faith nahm einen tiefen Zug. Das Ende der Zigaretten glühte in Schattierungen von Rot bis intensivem Orange und tauchte ihr Gesicht in einen rötlichen Schimmer. Als sie den Qualm ausstieß, drang mit ihm ein entspannter Seufzer über die Lippen des jungen Mädchens. Sie warf dem Mann das Feuerzeug wieder zu.
 

"Was war es dieses Mal?". Er sah sie fragend an, während er das Feuerzeug in seiner Hosentasche verschwinden ließ. "Alkohol? Oder hat ER dich wieder geschlagen?". Er packte Faith und zog sie zu sich heran. Widerwillig wollte Faith ihren Kopf wegziehen, doch er hatte Faiths Kinn in festem Griff und betrachtete ihr Gesicht. "Dieser Bastard!", zischte er wütend und sah Faith in einer Mischung aus Wut und Bedauern an.
 

Als er seinen Griff lockerte, zog sie ihren Kopf weg und strich sie verlegen übers Gesicht. "Ist nicht so schlimm!".
 

Er seufzte…. "Na komm!". Er wuschelte ihr kurz durch die Haare und lachte, als sie murrend gegen diese Behandlung protestierte. "Mal sehen, ob ich hier ein Plätzchen für dich finde.", sagte er und lächelte sie einladend an.
 

"Würdest du bitte aufhören mich ständig wie ein Kind zu behandeln, Charlie!". Sie warf die halb gerauchte Zigarette auf den Boden, trat sie aus und folgte dem grauhaarigen Mann durch die schäbige Tür in das Hinterzimmer. Auf ihren Lippen lag ein dankbares Lächeln.
 

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Gegenwart:

Die Tür öffnete und schloss sich wieder. Eine blonde Frau stand in dem Raum, den man mehr oder weniger als Küche bezeichnen konnte. Zumindest hatte sich seit damals nichts geändert, dreckig und verwahrlost. Faith zuckte zusammen, als sie die Frau erkannte. Sie war es tatsächlich… es war ihre Mutter…
 

'Mom…'
 

Faiths Finger bohrten sich in das kalte Metall unter ihren Händen. Sie hielt für einen kurzen Augenblick die Luft an. Aus ihren Fingern wich das Blut, Knöchel traten weiß hervor. Erst als sie wieder ausatmete, entspannten sich Finger und Gesichtszüge wieder.
 

'Mom…'
 

Es war seltsam, wirkte so surreal, so unwirklich. Sie stand hier, auf dieser Feuertreppe und starrte durch ein Fenster in das Haus… in die Wohnung, die einst ihr Zuhause gewesen war. Beobachtete die Frau, die sie geboren und großgezogen hatte…
 

Faith lachte bitter… 'großgezogen'… ja… eine tolle Erziehung hatte sie genossen. Wie nannte man das noch gleich so schön? Zuckerbrot und Peitsche. Das heißt, eigentlich waren es eher Schläge und zum Ausgleich ein wenig Geld für Kippen gewesen, von einer Mutter, die sich damit von dem schlechten Gewissen freikaufen wollen, das sie plagte. 'Tja, Mom… mit Alkohol kann man leider nicht alles ertränken…'
 

Faith schüttelte den Kopf um ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart zu fokussieren. Ihr Blick beobachtete jeden Schritt ihrer Mutter, und ihr wurde schnell klar das sich nichts geändert hatte… gar nichts…
 

'Zittrige Finger, die auf der Suche nach dem nächsten Schluck Alkohol durch die Schränke glitten und sich gierig um den Flaschenhals einer halbleeren Whiskeyflasche schlossen. Beine, die sie mit wackeligen, unsicheren Schritten durch die Küche trugen, bis sie den Tisch erreicht hatte, wo sie sich auf einen schäbigen Stuhl fallen ließ…'
 

Die blonde Frau machte sich erst gar nicht die Mühe den Inhalt der Flasche in ein Glas zu kippen, setze die Flasche an ihre Lippen und trank in hastigen Zügen. Eins, zwei, drei Züge und die Flasche war geleert…
 

Faith sah weg - und wieder hin. Irgendetwas drängte sie dazu. Sie wusste nicht wieso, aber sie tat es.

Ihre Mutter saß noch immer da, starrte die leere Flasche mit ausdruckslosem Blick an und schien zu überlegen wo sie den nächsten Stoff herbekommen konnte. Es schmerzte Faith ihre Mutter so zu sehen, aber sie kannte diesen Schmerz… so lange hatte sie ihn mit sich herumgetragen… zu lange…
 

++++
 

Flashback

1 ½ Jahre später:

Sie nahm einen letzten tiefen Zug, warf den Zigarettenstummel in die Gosse hinter Charlies Laden und trat ihn aus. Die Tür hinter ihr fiel mit einem leisen Klick zurück ins Schloss. Faith seufzte, schob die Hände in die Taschen ihrer Jeansjacke und machte sich auf den Heimweg. 'Vielleicht würde sie dabei noch den einen oder anderen Vampir erwischen…'. Ihre Hände schlossen sich um den Pflock in ihrer Jackentasche.
 

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"Wo warst du?". Eine Flasche fiel klirrend zu Boden und zersprang in hunderte kleine, glitzernde, grüne Teile. Der Inhalt der Flasche - dem Gestank nach zu Urteilen Whiskey - schwemmte die winzigen Scherben mit sich in jeden Winkel der Küche und da würden sie vermutlich auch den Rest ihres Lebens liegen bleiben. Das 16 jährige Mädchen seufzte…
 

"Mom!". Faith stöhnte genervt und sah die Frau, die sich ihre Mutter schimpfte und auf wackeligen Beinen vor ihr stand, mit müdem Blick an. Doch die einzige Antwort ihrer Mutter bestand darin, über die zerbrochene Flasche zu wimmern.
 

"Siehst du was du angerichtet hast? Wegen dir hab ich die Flasche fallen gelassen!". Ein weinerlicher Seufzer drang über ihre Lippen.
 

Faith kniete sich hin und begann die Scherben aufzufischen, wie sie es schon so oft getan hatte - und sicherlich noch öfter tun würde - wenn ihre Mutter mal wieder nicht dazu in der Lage war.
 

Das Wimmern und Heulen ihrer Mutter ignorierend, sammelte Faith die letzten großen Scherben ein und wischte die Lache mit einem Tuch auf. 'Wenn sich nicht bald jemand diesem Boden mit einem feuchten Wischmopp annehmen würde, dürfte der Alkoholgestank in nicht all zu ferner Zukunft, wohl unerträglich werden…'
 

Faith stand auf… 'Ich werde es jedenfalls nicht tun…' beschloss sie mit bitterem Lächeln auf den Lippen und sah ihre Mutter an. Diese stand einfach nur da und starrte Faith geistesabwesend an.
 

"Mom?!".
 

Ihre Mutter fuhr sich mit zittrigen Fingern durch das Gesicht, verschmierte die Überreste ihres sowieso schon ruinierten Mascaras und strich sich dann die strähnigen blonden Haare aus der Stirn. Mit glasigem Blick sah sie ihre Tochter an.
 

"Mom?!", rief Faith frustriert und stöhnte noch frustrierte um ihrem Ausruf Nachdruck zu verleihen.
 

"Ja… Faithy Baby…?". Der Blick ihrer Mutter schien sie plötzlich wieder zu registrieren.

Faith rollte mit den Augen. Wie sie diesen Namen hasste. Und sie hasste ihn noch mehr, wenn ihre Mutter sie so nannte. Und erst recht, wenn sie es tat wenn sie wieder einmal betrunken war, und das war sie eigentlich immer…
 

"Vergiss es einfach!", erklärte Faith mit einem bitteren Ton in der Stimme. "Als würde es dich interessieren, wo ich gewesen bin. Das hat es doch noch nie. Dir ist doch nur wichtig, wie du an die nächste Flasche kommst und womit du sie bezahlen sollst!". Sie sah ihre Mutter wütend an.
 

'Verdammt… sie war es so leid… so unendlich leid…'
 

"Wie redest du eigentlich mit mir?". Ihre Mutter sah Faith entsetzt an und schwankte für einen Moment. Suchend glitten ihre Hände nach einem Halt und fanden die Tischkante. "Wenn dein Vater noch hier wäre…".
 

"Fuck…ist er aber nicht. Und selbst wenn, ich würde genau dasselbe sagen, dafür ein blaues Auge kassieren…", erklärte Faith wenig gerührt über die Tatsache, dass ihr so genannter Vater nicht mehr da war. "…und du auch!".
 

Sie drehte sich um, ließ ihre Mutter stehen, warf im vorbeigehen noch das nach Whiskey stinkende Tuch in den Mülleimer und verließ wütend über sich, die Welt und ihre Mutter den Raum. Die Küchentür flog krachend gegen den Rahmen.
 

Gegenwart:

Faith wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie ein dumpfer Schlag an ihr Ohr drang. Sie sah auf und fuhr im gleichen Moment wieder zusammen, als sie ihre Mutter erblickte. "Mommmmmmmm!". Sie sprang über die Geländer der Feuertreppe in die Tiefe und rannte über die Straße.
 

Es hatte begonnen zu regnen. Schwere Tropfen trommelten auf das Dach des Krankenwagens und das rotierende Licht darauf tauchte die Gasse abwechselnd in Blau und Rot und dann wieder in Dunkelheit.
 

Ein seltsames Schauspiel, das schnell seine neugierigen Zuschauer fand. Heimlich lugten sie hinter ihren schmutzigen Vorhängen hervor und beobachteten das Geschehen, tuschelten hinter verschlossenen Türen…
 

'Arme Frau'…

'Selbst Schuld…'

'Säuferin…'
 

"Kennen sie die Frau?". Der Mann sah die junge, dunkelhaarige Frau fragend an. "Hey Miss, kennen sie diese Frau?", wiederholte er die Frage, als Faith ihm nicht antwortete und sah sie besorgt an.

Faith richtete ihren Blick auf. In ihren Augen lag ein gleichzeitig verwirrter und besorgter Ausdruck.
 

Sie sah den Sanitäter an. Er schob gerade die Trage, auf der ihre Mutter lag, in den Krankenwagen.

"Hä? Was? Uhm ja…ich kenne sie. Sie...", stotterte Faith abwesend und starrte die blasse Figur auf der Bare an. "… sie ist meine M- … eine Verwandte!".
 

"Na dann kommen sie Miss! Sie wollen doch sicher mit, oder?". Der Sanitäter bedachte Faith mit einem warmen, wissenden Lächeln. Wie oft hatte er wohl so etwas schon erlebt, schoss es Faith plötzlich durch den Kopf. Sie fuhr sich nervös mit den Händen über das Gesicht und strich sich die nassen Haare aus der Stirn. Als er ihr seine Hand anbot, schluckte sie und nickte stumm, dann nahm sie das Angebot an und stieg in den Wagen. Die Türen schlossen sich hinter ihr.
 

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Cleveland

Xanders Apartment:

"Xander und ich haben gestern ein Bein gefunden. Nämlich das linke Vorderbein."

Die Kerzenflamme tauchte den winzigen Balkon in einen warmen Lichtschein. Wenn man hier auf dem Boden saß, und nach oben blickte, fand Andrew, fühlte man sich wie in einem großen Betonkasten. Aber es verlieh einem eher das Gefühl von Sicherheit, als von Eingesperrt sein. Der dunkle Sternenhimmel über ihm war so riesig, dass man sich darin verlieren konnte, aber zum Glück auch weit weg über den Rändern des Balkons.
 

Er wandte sich wieder der Kerze zu und zog die Wolldecke fester um seinen Körper. Die Abende waren schon ziemlich kühl geworden, und er fror leicht. Er vermisste das warme Klima Kaliforniens.
 

"Jetzt fehlen uns nur noch drei Beine und der Kopf. Und weißt du was? Wenn das nächste Bein, das wir finden, ganz zufällig das rechte Hinterbein ist, dann kann der Dinosaurier sogar schon stehen. Aber da müssten wir schon sehr viel Glück haben, die Dinoteile sind nämlich nur in jeder dritten Packung. Soviel Cornflakes können wir ja gar nicht essen.".
 

Ein plötzlicher Windstoß brachte die Flamme zum Flackern. Andrew legte schützend die Hände darum, damit sie nicht ausging.
 

"Hab' ich dir erzählt, dass Xander mit mir auf eine Convention gehen will? Erst hab ich mich riesig gefreut, aber irgendwie ist es auch komisch. Es fühlt sich komisch an, mein ich. Schließlich hat Warren mir damals versprochen, dass er mit mir geht. Und wenn ich jetzt mit jemand anderem gehe, ist das doch echt gemein von mir, oder nicht?".
 

Er schwieg einen Moment lang und senkte den Blick. "Ich wollte ihn mir zurückwünschen, und dich und meine Eltern natürlich auch, aber es hätte nicht geklappt, weil die Lampe verflucht war, sagt Miss Usher. Und selbst wenn nicht, dann.".
 

"Andrew?", erklang Xanders Stimme von drinnen. "Wo steckst du? Babylon 5 fängt in fünf Minuten an.".
 

Andrew wandte den Kopf in Richtung Balkontür und sah Xander vor dem Fernseher sitzen, in welchem bereits der Abspann einer alten The Next Generation-Folge lief. Genau genommen sah er nur zwei Füße und eine Hand mit Fernbedienung, denn der restliche Xander wurde von der Rückenlehne der Couch verdeckt. Beinahe so, als wäre er auch noch nicht vollständig zusammengebaut.
 

Auf dem Couchtisch davor waren bereits zwei Flaschen Coke, und eine Chipstüte bereitgestellt. Und die Box mit den Kleenex, weil es diesmal eine traurige Folge sein würde.
 

Einen Moment lang betrachtete er den Ausschnitt des Wohnzimmers, der von draußen so friedlich und gemütlich aussah. 'Kleine warme leuchtende Matrix inmitten hölzerner Türbalken!' Und dann wandte er den Blick wieder zum Himmel. 'Nachtschwarze Ewigkeit umrahmt von kaltem Beton!'
 

"Ich konnte mich nicht entscheiden, weißt du?". Andrews Stimme zitterte. "Ich kann so eine Entscheidung nicht treffen. Drei Wünsche, vier Leute, ganz egal, wen ich nicht zurückgewünscht hätte, es wäre immer falsch gewesen. Es ist sowieso alles nicht richtig! Anya sollte den Dino mit Xander bauen! Nicht ich!".
 

Er schluckte heftig, dann lehnte er sich nach vorne, um die Kerze auszupusten. "Ich geh' dann mal wieder rein. Wir reden anderes Mal weiter, okay? Bis dann, Jonathan!".
 

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Boston Medical Center

Wartezimmer:

Es roch nach Krankheit, Desinfektionsmittel und - Tod. Faith seufzte und fuhr sich mit der linken Hand über die müden Augen. Dann legte sie die Finger wieder um den Pappbecher mit heißem, dampfendem Kaffee, der in ihrer rechten Hand ruhte und wärmte ihre Finger.
 

Ihr war kalt… sie fror… ob es an der Tatsache lag, das ihre Kleidung nur so vor Nässe triefte, oder ob es das Gefühl war, das dieser Ort in ihr auslöste, wusste sie nicht. Noch enger schlossen sich ihre Finger um das dampfende schwarze Gold in ihren Fingern, doch helfen wollte es nicht…
 

"Miss?".
 

Faith sah auf und blickte in das Gesicht einer jungen Frau, nicht viel älter als sie selbst, vielleicht ein Jahr, maximal zwei, schätzte Faith. Sie hatte blondes langes Haar, das in einem lockeren Pferdeschwanz leger nach hinten gebunden war. Nach ihrem weißen Kittel zu urteilen, schien dieser jungen Frau jedoch ein besseres Schicksal beschieden gewesen zu sein…als ihr selbst, stellte Faith fest.
 

Die junge Ärztin lächelte als sie den Ausdruck in Faiths Augen sah. "Ich bin nur Assistenzärztin, also noch in Ausbildung, falls sie sich über mein Alter wundern sollten!", erklärte die Frau und ließ sich neben Faith in einen der freien Stühle sinken. "Mein Name ist Dr. Julia Westland, aber sie dürfen mich Julia nennen! Wir sind ja fast im selben Alter.". Sie lachte.
 

Faith sah die junge Ärztin gedankenverloren an und nickte. Mit aufgeschlagenem Krankenblatt auf den Knien, begann Dr. Westland zu erläutern und Faith lauschte stumm den Erklärungen der blonden Frau.
 


 

"… und wir mussten ihr den Magen auspumpen. Aber ich nehme an, dass das nicht das erste Mal war, oder… Miss? Wie war noch gleich ihr Name?". Faith schrak aus ihren Gedanken hoch, als sie merkte, dass man sie direkt angesprochen hatte.
 

"Ähm… Faith. Meine Name ist Faith!", stotterte sie irritiert und sah in das lächelnde Gesicht der jungen Ärztin. Es hatte irgendwie etwas Beruhigendes an sich…
 

"Ok… Faith… ich darf Sie doch Faith nennen… übrigens hübscher Name… oh…", die Ärztin stockte und sah die junge Frau neben sich unsicher an, bis diese nickte, erst dann fuhr sie fort: "Wie gesagt, wir haben ihrer… ihrer…". Die junge Ärztin sah Faith fragend an.
 

"Mutter!". Faith sah zu Boden und begann sich zu fragen, warum sie dieser wildfremden Person gestand, dass sie die Tochter dieses körperlichen Wracks war.
 

"Oh…ok…also…ihre Mutter hatte eine Alkoholvergiftung, und ihren Leberwerten nach zu urteilen war es, so wie ich das sehe, sicher nicht die erste!".
 

Faith nickte. "Nein, ich denke wohl nicht!", erklärte Faith ironisch und stand auf. Mit einem Zug leerte sie den Pappbecher in ihrer rechten Hand und warf ihn in den Mülleimer. 'Zielen, werfen…. Treffer!'
 

Die Ärztin stand ebenfalls auf, bedachte Faith mit einem fragenden Blick und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Faith wollte sich wegdrehen. Ihre gewohnte Reaktion. 'Bloß niemanden ranlassen… zurückziehen… flüchten… keine Gefühle zeigen!' Doch irgendetwas ließ die dunkelhaarige Jägerin inne halten. Sie drehte sich zu der Ärztin um…
 

… und blickte in wissende Augen. Wissend, weil sie das Leid kannten. Diese Augen sahen es Tag für Tag, immer und immer wieder. Menschen, die nicht weiterdachten, als an den nächsten Schluck Alkohol. Menschen, denen ihre Familien egal waren, denn alles was zählte war das nächste Glas Wodka.
 

Und die Mutter dieses Mädchens - nein dieser jungen Frau - machte da keine Ausnahme, da war sich die junge Ärztin sicher. Sie seufzte und ließ von Faiths Schulter ab. Stattdessen lächelte sie nur verständnisvoll.
 

"Kommen Sie Miss… kommen sie Faith, ich bring sie zu ihrer Mutter!", schlug die Dr. Westland vor. Als Faith einfach nur unschlüssig zur Tür starrte, packte die junge Ärztin Faith kurzerhand einfach am Arm und zog sie mit sich.
 

' Wieso lass ich mir das eigentliche gefallen', dachte Faith mit bitterem Lächeln, 'schließlich bin ich eine Jägerin'., folge aber schließlich doch Dr. Julia Westland.
 

Cleveland

Xanders Apartment:

"Findest du nicht auch, dass Liz Recht hat, Xander? Es kann doch nicht gut für Sheridan sein, dass er nicht über die Sache mit Anna redet, sondern alles nur verdrängt!".
 

Unsanft riss Andrews Frage ihn in die Gegenwart zurück. Er hatte ein wenig abgeschaltet, zum einen war es ein anstrengender Tag gewesen, und zum anderen war die heutige Babylon 5 Folge einfach nicht sein Fall. Am liebsten hätte er sie ausfallen lassen, und sich stattdessen in sein Zimmer verzogen. Aber dann wäre Andrew sicher enttäuscht gewesen, und das wollte er ihm nicht antun. So begnügte er sich also damit, nur körperlich anwesend zu sein, und mit leerem Blick in die Luft vor dem Bildschirm zu starren. Schließlich konnte er getrost davon ausgehen, dass sein SF-verrückter Mitbewohner viel zu sehr in die Folge vertieft sein würde, um auf die Umgebung zu achten.
 

"Liz taucht nie wieder auf, hast du das schon vergessen, du Schlaumeier? JMS musste Sheridan in aller Eile einen Charakter Background verpassen, und hat mal eben schnell ne Schwester, und ne tote Ehefrau für ihn erfunden.".
 

Irgendwas war heute merkwürdig an Xander. Anders als sonst. Er hatte eine ganze Weile gebraucht, um herauszufinden, was es sein könnte, doch jetzt war er sich ziemlich sicher, dass es mit der Chipstüte zusammenhing. Normalerweise lag sie auf dem Tischchen, oder zwischen ihnen auf der Couch, und knisterte dann und wann, wenn einer hineingriff. Heute aber hielt Xander sie die ganze Zeit in den Händen, und zwar so, dass seine Finger sich richtig in die Folie krallten. Als müsse er sich daran festhalten.
 

"Ich find das ziemlich heftig, du nicht auch? Da fliegt Anna einfach auf diese komische Mission, und Sheridan kann sich gar nicht richtig von ihr verabschieden. Und dann kommt sie nicht wieder zurück!".
 

Verdammt, er hatte absolut keine Lust, mit Andrew über diese Folge zu quatschen. Was musste der Junge auch um alles, was in der Glotze lief, ein solches Trarah veranstalten! Als ob es auf der Welt nichts Wichtigeres gebe, als Filme, Serien, und den ganzen Comic Krempel!
 

Nein, das war nicht der Grund, und das wusste er. Es hatte nichts mit Andrew zu tun, und nichts mit der verdammten Folge. Es hatte mit Dingen zu tun, über die er nicht sprechen - an die er nicht mal denken wollte. Weil sie einfach zu weh taten...
 

Mit Absicht, oder ohne es überhaupt zu merken, hatte Andrew einen Finger in eine offene Wunde gelegt. Es war nicht seine Schuld, er konnte es ja nicht wissen! Es war auch nicht seine Schuld, dass er hier neben ihm auf der Couch saß, während sie...
 

"Blödsinn, Andrew! Das ist doch alles nur, damit der Kerl mit einer tragischen Vergangenheit aufwarten kann, und wir Zuschauer ihn nicht für einen oberflächlichen Sunnyboy halten, wie den guten alten Riker.".
 

Da war ein Zittern in Xanders Händen, er konnte es nicht sehen, aber er hörte das Knistern der Chipstüte. Er hatte ihn verletzt, das wusste er, und es tat ihm auch leid, aber es war so verdammt schwierig. Immer den Mund halten! Immer so tun, als wäre nichts gewesen! Warum redete Xander nie mit ihm über das, was passiert war?
 

Hast du es gesehen? Einmal, ein einziges Mal hatte Xander ihn gefragt. Und dann hatten sie nie wieder davon gesprochen. Natürlich war es furchtbar schwierig, über so etwas zu reden! Man konnte nicht einfach zu jemandem hingehen, und sagen: Hey, hör mal zu, ich hab' die Liebe meines Lebens verloren und alles was von mir noch übrig ist, ist ein schwarzes Loch!
 

Es tat ja noch nicht einmal weniger weh, wenn man darüber redete. Im Gegenteil, für den Moment wurde es sogar schlimmer. In der Nacht bei Dawn war es wie eine Lawine gewesen. Aber trotzdem... trotzdem, danach wurde es leichter, auch wenn er nicht sagen konnte, wieso. Wenn er es Xander nur erklären könnte!
 

"Früher hab' ich immer gedacht, dass er sehr tapfer ist, weißt du? Er will nicht zulassen, dass sein persönlicher Schmerz die Mission gefährdet, deshalb verdrängt er ihn.".
 

Also doch! Andrew redete nicht zufällig über diese Dinge, es war glatte Absicht. Das ließ sich wohl nicht mehr leugnen, auch wenn er es gern getan hätte. Da blieb nur eines, einfach weiterhin so tun, als ginge es um das Geschehen in der Glotze! Wenn er Andrew in dem Glauben ließ, er verstehe ihn nicht, würde dieser auch nicht wirklich nachhaken, und irgendwann würde sich das Gespräch verlieren...
 

Es waren immer wieder dieselben Gedanken, und jedes Mal, wenn sie kamen, riss er sie heraus, wie rostige Nägel aus einem alten Schrank. Wieder und immer wieder. Solche Fragen hatten in seinem Kopf nichts verloren, es war Unrecht, so etwas zu denken. Anya hatte ihre Entscheidung selbst getroffen, sie hatte sich dafür entschieden, alles zu geben, um Andrew zu beschützen. Warum hatte sie das nur getan? Sie war stark gewesen, sie konnte mit einem Schwert umgehen, sie hätte es schaffen können! Er hätte mit ihr ein neues Leben angefangen, hier in Cleveland, und vielleicht hätte es auch irgendwann mit Hochzeit, Ehe, und Familiengründung geklappt, wer weiß? Irgendwann, wenn sie älter und reifer waren!
 

Aber sie hatte es nicht geschafft! Und warum nicht? Weil sie unbedingt diesen durchgeknallten kleinen Jungen retten musste, der jetzt hier auf dem Sofa saß, und wegen einer Fernsehserie heulte. Er hatte keine Pläne für die Zukunft. Ein normales Leben mit Hochzeit, Ehe und Familie war ihm so vollkommen fremd, wie eine andere Realität. Seine Welt hatte nur darin bestanden, mit seinem psychopathischen Freund Superschurke zu spielen, und seine verdrehten Comic Phantasien auszuleben!
 

Ein rostiger Nagel nach dem anderen! Wieder und immer wieder, bis sein Kopf endlich wieder klar war. Er biss sich auf die Zunge, damit der Schmerz diese furchtbaren Gedanken vertrieb. Nur gut, dass Andrew sie nie erfahren würde! Nur gut, dass überhaupt niemand sie jemals erfahren würde. Er schämte sich schon genug dafür...
 

"Ja, manchmal ist die Mission einfach wichtiger, als das Privatleben, da kann man nichts dran ändern. Worf musste ja auch damit klarkommen, dass er zuerst K'Ehleyr, und danach Jadzia verloren hat. Aber in diesen Serien dürfen die Charaktere eben keine glücklichen Beziehungen haben, das war schon immer so!".
 

Ein scharfer Schmerz zuckte durch den Ringfinger seiner rechten Hand. Wie es schien, hatte er sich an einem Kartoffelchip geschnitten.
 

Boston Medical Center

Zimmer Nr. 301

'Blass und farblos, wie ein Schatten lag sie da. Kaum mehr als ein Hauch ihrer selbst. Eine Hülle aus Haut und Knochen…'
 

Faith starrte durch die Glasscheibe in das Krankenzimmer und studierte die Frau, die dort auf dem Bett lag. ' War diese Person wirklich ihre Mutter?' Faith legte ihre Hand an die Glasscheibe und fuhr die Konturen nach. 'Ja… sie war es…'
 

Aber Faith war sich nicht sicher, welche Tatsache sie mehr erschreckte. Dass ein Mensch so leben konnte, als einziges Nahrungsmittel nur den Alkohol kannte, der den Körper und den Geist langsam verdorren ließ, oder dass dieser Mensch ihre Mutter war?
 

Faith zog ihre Hand zurück…
 

"Wollen sie nicht reingehen?". Dr. Westland sah die dunkelhaarige Frau zu ihrer Rechten fragend an und legte ihre ermutigend eine Hand auf die Schulter. Dieses Mal verspürte Faith nicht den Drang sie wegzuziehen.
 

"Ich… ich weiß nicht…!", stotterte Faith und sah die blonde Ärztin unsicher an. "Es ist… es ist so lange her… seit wir uns das letzte Mal gesehen haben… seit… seit ich von zu Hause abgehauen bin!", erklärte Faith und wusste selbst nicht warum sie es dieser Frau, dieser fremden Person einfach so erzählte.
 

Vielleicht eben genau aus diesem Grund. Eben weil sie eine fremde Person war, Faith nicht die bedauernden Blicke ihrer Freunde ertragen musste… Freunde, denen sie Tag ein, Tag aus ins Gesicht sehen musste. Sie wollte kein Mitleid…
 

"Na dann sollten sie erst recht hinein gehen!", forderte die junge Ärztin Faith mit einem strengen Blick auf, in dem zu Faiths Verwunderung, nicht das geringste Mitleid lag.
 

Faith trat unsicher von einem Bein aufs andere und starrte wieder durch die Glasscheibe. Plötzlich fühlte sie sich wieder wie ein kleines Kind, das an die Hand genommen werden musste, nur das sie noch nie von jemand an die Hand genommen worden war. Diese Erfahrung war ihr verwehrt gewesen.

Dr. Westland öffnete die Tür zum Zimmer und winkte Faith auffordernd zu. "Na kommen sie schon!". Sie sah Faith mit dem strengen Blick einer Schulleiterin an, die keine Widerrede duldete. "Kommen sie!".
 

Faith sah kurz zu Boden, dann trat sie zur Tür und mit einem weiteren Schritt hindurch. Mit einem letzten aufmunternden Klaps auf die Schulter schloss Dr. Westland die Tür hinter Faith.
 

Die klägliche Gestalt auf dem Bett bewegte sich. Faith trat einem Schritt zurück, legte ihre Hand auf den Knauf und wollte sie öffnen, doch sie tat es nicht. Sie drehte sich wieder um und sah die Frau, die einst ihre Mutter gewesen war trotzig an. 'Nein, noch mal würde sie nicht weglaufen. Es war an der Zeit die Vergangenheit endlich zu besiegeln'.
 

Sie trat zum Bett…
 

"Faithy…?". Zwei müde, glasige Augen starrten die junge Frau, die ihrer Tochter so unglaublich ähnlich sah, fragend an. 'Nein, das kann nicht sein… sie ist verschwunden… sie ist es nicht'.. Resignierend drehte sie sich weg, doch eine Stimme ließ sie aufhorchen.
 

"Mom?".
 

"Baby?". Die blonde Frau fuhr herum, schluckte und sah Faith an. "Faithy? Bist du es…". Sie fuhr sich mit fahrigen Bewegungen durchs Haar, als könnte sie damit ihre ruinierte Frisur retten, "… bist du es wirklich?".
 

Faith sah ihre Mutter mit kühlem Blick an und nickte, gefolgt von einem eben so kühlen "Ja!", dass sie mühevoll über ihre Lippen presste. Als Antwort bekam sie ein leises Wimmern. Doch Faith Blick blieb kalt.
 

"Oh Faithy… Baby… wo warst du… wo bist du gewesen?". Ihre Mutter streckte ihre zittrigen Finger nach Faith aus, um die dunkelhaarige Frau zu berühren. Vielleicht war es nur wieder eine Halluzination. Ihr Verstand, der ihren einen Streich spielte. Wie so oft, wenn sie Nachts zu Hause einsam in ihrem Bett gelegen hatte, geplagt von Fieberträumen, weil sie auf Entzug war… kein Geld für die nächste Flasche gehabt hatte…
 

"Weg!", antwortete Faith knapp und wandte ihren Blick von der kläglichen Gestalt im Bett ab. Eingefallene Wangen, glasige Augen, zittrige Finger… das alles war mehr, als Faith vertragen konnte… oder vielmehr - wollte!
 

Sie wollte ihre Mutter nicht so sehen, wollte nicht mehr an ihr altes Leben erinnert werden. Sie wollte endlich davon wegkommen. Aber gerade deswegen war sie hier - um ein für alle mal mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Sie musste es hinter sich bringen, erst dann würde es ihr gut gehen. Deshalb sah sie ihre Mutter wieder an.
 

"Faithy… es… es tut mir so leid!", wimmerte ihre Mutter und Tränen traten in die glasigen Augen. Faith lächelte bitter. "Was tut dir leid? Das du eine Säuferin bist? Das du zugelassen hast, dass Dad mich geschlagen hat? Das du nicht mit dem Trinken aufhören konntest?". Faith lachte traurig. "Sag es mir?".
 

"Faith… ich… ich… es tut mir so leid… ich konnte nicht! Es war… es war einfach zu … zu schrecklich…", flüsterte die blonde Frau und wendete ihren Blick ab. Sie konnte die Wut in den Augen ihrer Tochter nicht länger ertragen.
 

"Du konntest was nicht? Dir die nächste Flasche leisten?". Faith schnaubte wütend und sah die bemitleidenswerte Gestalt, die vor ihr im Bett hockte, an. Doch im Moment war sie weit davon entfernt Mitleid zu empfinden. Mitleid für eine Frau, die sich nicht anders zu helfen wusste, als vor ihrer eigenen Situation in den Alkohol zu flüchten.
 

'Ja… Alkohol machten Schläge doch so viel erträglicher…'
 

"Weißt du eigentlich wie es mir ergangen ist? Hat es dich interessiert wo ich nachts gewesen bin, wenn du dein Leid in Alkohol ertränkt hast?". Faith kniff die Augen zusammen und wartete auf die Reaktion ihrer Mutter, doch es geschah nichts.
 

"Nein, hat es nicht! Dabei hätte ich dich so gebraucht. Vielleicht wäre dann nicht das aus mir geworden, was ich heute bin!". Faith schluckte plötzlich und stoppte ihrer Tirade, verfiel in stumme Gedanken. 'Ja…was war sie eigentlich? Und wie war sie dazu geworden?'
 

Ihre Mutter sah Faith entsetzt an, als könne sie nicht fassen, was ihre Tochter gesagt hatte. Sie schluchzte. "Nein Baby… nein… so ist das nicht gewesen… glaub mir doch Faithy…!". Sie krabbelte aus dem Bett und kam auf wackeligen Beinen zu stehen. "Faith… bitte glaub mir doch… ich… ich… liebe dich!", schluchzte sie und machte einen Schritt auf die dunkelhaarige Jägerin zu… dann noch einen, bis ihre Fingerspitzen kurz davor war Faiths Gesicht zu berühren.
 

Doch Faith blieb regungslos stehen. Gedankenverloren, sah sie ihre Mutter traurig an. ' War es das Verhalten ihrer Mutter gewesen? Der Tod ihrer Wächterin?'
 

Faith schluckte… erneut.
 

' War es das Gefühl gewesen als die Neue nach Sunnydale zu kommen und neben der berühmten Buffy nicht bestehen zu können? Das Gefühl das Buffy alles hatte… Freunde, ein Leben… eine tolle Familie… und sie NICHTS? War es Wilkins gewesen, der diese Gefühle korrumpiert hatte, um sie für seine Zwecke zu gewinnen?'
 

Faith sah ihre Mutter an. So viele Gefühle brodelten in ihrem Inneren. Gefühle, die sie nun da sie hier war, hier vor ihrer Mutter stand, nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Und sie wusste nicht warum…
 

' War es ihre Rache an Wesley gewesen, an dem sie all ihre unbeherrschte Wut ausgelassen hatte? Ihm einfach nur hatte wehtun wollen? War es Angel gewesen, der sie trotz alledem aufgenommen hatte, um ihr zu helfen, den richtigen Weg wieder zu finden? Oder ihre Zeit im Gefängnis? Was hatte sie an diesen Punkt gebracht?'
 

All der Schmerz, all die Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit und Schuldgefühle waren plötzlich wieder da und drohten sie zu überwältigen und in einen Abgrund zu ziehen, aus denen es keine Wiederkehr gab. Doch es geschah etwas, dass sie aus ihren Gedanken und von diesem Abgrund zurückriss…
 

Aus den Gliedern ihrer Mutter schien alle Kraft und Spannung zu weichen und sie sank vor Faith zu Boden. Aus dem Schluchzen wurde ein ersticktes Weinen. Und erst da verstand Faith, ihre Wut versiegte und der dunkle Abgrund war plötzlich nur noch ein kleiner Graben.
 

'Denn plötzlich schien alles so klar zu sein. Sie selbst war es gewesen, hatte sich an diesen Punkt gebracht. Alles was sie gesagt und getan hatte, all das hatte sie bis hier hin gebracht'.

Sie schüttelte den Kopf.
 

'All die Jahre hatte sie sich als das Opfer gesehen. Das kleine Mädchen, das von ihrer Mutter nicht geliebt worden war, das sich so sehnsüchtig einen kleines Hündchen zum spielen gewünscht hatte und es nie bekommen hatte. Das Mädchen, das neidisch auf Buffy gewesen war, weil sie Freunde hatte, eine Familie… alles das, was sie nie gehabt hatte…'
 

Faith lächelte bitter.
 

'Ja, sie war dieses Mädchen gewesen. Aber nein, sie war nie das Opfer gewesen, als das sie sich über all die Jahre hinweg gesehen hatte. Sie war nur all zu willig in diese Rolle geschlüpft, um ihre Taten zu rechtfertigen, um zu rechtfertigen was und wer sie war. Niemand anderes für ihr verkorkstes Leben Schuld, als sie selbst. Und auch nur sie selbst würde die Kraft haben es wieder zu richten'.

Angel hatte so oft versucht ihr das zu erklären, doch erst jetzt hatte sie es wirklich verstanden. 'Erst jetzt'. Faith seufzte. 'Eine verdammt bittere Erkenntnis…'
 

"Ich war ja so dumm!", flüsterte sie und blickte hinunter auf die zusammengekauerte Figur zu ihren Füßen. "Ich…!". Faith stockte und lächelte traurig, denn plötzlich erschien alles einen Sinn zu ergeben. Und nun wusste sie auch, wo sie beginnen musste, ihr Leben wieder neu zu ordnen.

Faith ging in die Knie und beugte sich zu ihrer Mutter vor, die als schluchzendes Häufchen Elend auf dem Boden kauerte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Das Schluchzen verebbte und ihre Mutter sah auf. Als sie erkannte, dass auf Faiths Lippen ein Lächeln lag, blinzelte sie erstaunt und fragte hoffnungsvoll: "Faithy?".
 

Das Lächeln auf Faiths Lippen verschwand. "Ich verstehe es jetzt!", erklärte sie mit fester Stimme, doch bevor ihre Mutter etwas zu sagen vermochte, fuhr sie fort: "Aber erwarte nicht von mir, dass ich vergesse oder verzeihe, denn dafür ist zu viel geschehen!".
 

Mit diesen Worten stand Faith auf und verließ ohne sich noch einmal umzusehen das Zimmer, ging vorbei an einer verständnislos dreinschauenden Dr. Westland, dir ihr ebenso hinterher rief.

Aber Faith ging einfach weiter. Doch dieses Mal war es anders als damals, denn sie floh nicht vor ihrem Leben. Sie ging ihm entgegen.
 

Flashback:

Hastig stopfte sie alles was ihr Lieb und Teuer war in ihren Armee-Rucksack. Ihr schwarzes Tank-Top, die enge Lederhose, die sie so gerne anzog, ihre Lederjacke… ihre…

"Verschwinde!", brüllte sie wütend und warf einen wütenden Blick zur ihrer verschlossenen Zimmertür, vor der ihrer Mutter eine ihrer üblichen Tiraden losließ, an die sie sich dann nicht einmal mehr erinnern konnte, wenn sie ausnahmsweise mal nüchtern war…

Faith schluckte und wischte sich trotzig die Tränen aus den Augen. Jägerinnen weinen nicht, versuchte sie sich einzureden, doch so oft sie es auch tat, die Gesichter verschwanden nicht.

Sie schniefte. 'Nein… niemals… niemals wieder würde sie zu irgendeinem Menschen Zuneigung empfinden… nie wieder jemanden an sich ran lassen. Alle hatten sie enttäuscht… alle hatten sie verlassen… und verletzt. Von nun an würde sie sich nur noch auf sich selbst verlassen…'
 

Da war es wieder - das schmerzverzerrte Gesicht ihrer Wächterin - glasigen Augen die sie weit aufgerissen anstarrten und sagten 'Flieh, flieh so lange du noch kannst!'. Dann verblasste das Gesicht und eine dämonische Fratze nahm ihre Stelle ein. Teuflisch grinste es Faith an. Der Name dieses Grauens - Kakistos.
 

Und dann war da immer wieder diese Bild, diese Szene, die sie nicht mehr aus ihren Gedanken verbannen konnte und die sich immer wieder aufs Neue vor ihrem geistigen Auge abspielte. 'Kakistos… ihre Wächterin… Tod…'
 

Mit ein, zwei hastigen Handgriffen hatte sie die Schnallen ihres Rucksacks verschlossen und warf ihn sich mitsamt Inhalt über die Schulter. Ein schneller Griff in ihre Jackentasche versicherte ihr, dass Pflock und Zigaretten an der richtigen Stelle waren.
 

Noch einmal schluckte sie, sah sich um und kontrollierte ob sie alles, was ihr wichtig war mitgenommen hatte. Es war nicht viel, stellte sie ernüchtert fest. 'Ok… verschwinden wir von hier…'. Vielleicht konnte sie für ein paar Nächte bei Charlie unterkommen. Sie wusste das Moms Bruder für sie immer ein Bett im Hinterzimmer hatte und eine Schachtel Kippen im Schrank. Faith lächelte kurz. Aber was dann? Hier konnte sie nicht bleiben… Kakistos würde sie finden…
 

Sie öffnete ihre Zimmertür, drängte sich an ihrer Mutter vorbei, die ihre Tirade unterbrach und Faith verständnislos ansah, als sie den Rucksack auf dem Rücken ihrer Tochter entdeckte. "Faithy… was soll das? Was hast du vor?", lallte sie irritiert.
 

Faith drehte sich einen kurzen Moment lang um, sah in die glasigen Augen ihrer Mutter und wusste, dass sie es nicht bereuen würde von hier zu verschwinden, und so antwortete sie mit kühler Stimme: "Weg!".
 

Ihre Finger glitten zum Knauf der Tür, der die letzte Hürde auf dem Weg in ihre Freiheit darstellte. Sie drehte ihn, öffnete die Tür und trat ins Treppenhaus, nur um von der Hand ihrer Mutter auf ihrer Schulter zurückgehalten zu werden.
 

"Du bleibst hier, du… du undankbare Göre!", fauchte ihre Mutter wütend und wollte Faith zurück in die Wohnung ziehen, doch als ihre Tochter sich umdrehte, wurde sie von wütenden Blicken durchbohrt.
 

In ihrem Inneren musste Faith darum kämpfen nicht die Kontrolle zu verlieren. Diese ganze Situation… einfach alles… war zu viel. Ihre Gedanken glichen einer tosenden See und ihre Wut richtete sich im Moment in einer einzigen Welle gegen ihre Mutter. Sie entwand sich mühelos dem laschen Griff ihrer Mutter, warf ihr einen letzten bitteren Blick zu, drehte sich um und verschwand.
 

"Faaaaaaaaaaaaaaaaaitttttttthy…. Baby… bitte…. bleib hier!". Der Ruf ihrer Mutter verhallte unbeantwortet im Treppenhaus.
 

++++
 

Boston Medical Center

Gegenwart:

Die Tür des Treppenhauses schwang mit einem lauten Klack wieder zurück in ihre Verriegelung. Faith sah sich kurz um. Draußen vor dem Eingang herrschte reges Treiben. War wohl auch so üblich in einem Krankenhaus. Ironisch an der ganzen Sache war nur, dass hier sicherlich niemand freiwillig hinkam. Faith begann zu grinsen. Nein, dass wohl wirklich nicht…
 

Sie kramte in ihrer Jackentasche herum und zog eine arg in Mitleidenschaft gezogene Zigarettenschachtel hervor. Den Zigaretten in der Schachtel war es leider nicht viel besser ergangen, stellte sie seufzend fest. Sie zog eine hervor, steckte sie sich in den Mundwinkel und kramte in ihrer anderen Jackentasche missmutig nach dem Feuerzeug, bis sie bemerkte, dass die Frau an der Rezeption sie mit bissigem Blick anstarrte.
 

Augen rollend nahm Faith die Zigarette aus dem Mund, winkte der Frau mit einem ironischen Grinsen auf den Lippen zu und wendete sich dann Richtung Ausgang. "Was soll´s…".
 

Die großen Türen öffneten und schlossen sich automatisch wenn jemand hindurch trat. Ein kühler Windstoß blies Faith ins Gesicht als sie hinaus an die frische Nachtluft trat, und sie zog ihre Jacke enger an sich. Dann steckte sie sich die Zigarette wieder in den Mund, kramte des Feuerzeug hervor und mit einem kurzen Dreh an dem Rädchen, hatte sie das Ende des Glimmstängels in intensives Orange getaucht…
 

Einen tiefen Atemzug später ließ sie das Feuerzeug wieder in ihrer Jackentasche verschwinden und zog ihren Pflock hervor.
 

"Nicht jetzt … Süßer!", seufzte sie müde, trat um die Ecke und rammte dem Vampir, der sich dort versteckte, sie heimlich und gierig angestarrt hatte, ohne hinzusehen den Pflock ins Herz. Erst sein erstickter Aufschrei ließ Faith aufsehen und zufrieden beobachtete sie, wie aus dem untoten Stück Fleisch Staub wurde.
 

Sie gähnte kurz und steckte den Pflock wieder weg...
 

Es war eine lange Nacht gewesen und sie brauchte dringend etwas Schlaf. "Home, sweet Home!", flüsterte sie leise und machte sich auf den Weg zurück ins Hotel. Grinsend stellte sie fest, dass sie sich sogar auf Robins 'Wo-warst-du-Standpauke', freute…
 

++++
 

Cleveland

City:

Der Asphalt war holprig und nass. Irgendwann in der Nacht musste es wohl geregnet haben. Auch jetzt war der Himmel noch grau und die Luft kalt. Sie ließ ihren Blick schweifen. Es war Rushhour, die Autos zogen sich in nicht enden wollenden Schlangen durch die engen Straßen, Hupen und das monotone Surren der Motoren füllten die Lupft… Autofahrer schimpften und pöbelten sich gegenseitig an… so wie jeden Tag.
 

Dawn grinste und war froh auf ihrem Fahrrad zu sitzen, statt in einem Auto im nachmittaglichen Stau zu stecken. Da störte sie auch das schlechte Wetter nicht. Sie sah zu Shin, der stumm neben ihr her radelte. In der Tasche auf seinem Rücken steckte ein Umschlag - die letzte Lieferung für heute, dann waren sie durch…
 

Die Ampel vor ihnen sprang wieder einmal von Grün auf Rot. Dawn brachte ihr Fahrrad neben Shin zum Stehen, ließ ihren Blick über die Autoreihen gleiten und sah dabei in wenig glückliche Gesichter. Sie sah wieder zu Shin, der sie breit angrinste…
 

"Was ist?", wollte sie irritiert wissen.
 

"Ach nichts!". Als die Ampel wieder auf Grün sprang, trat er in die Pedale und ließ Dawn stehen.

Dawn schüttelte den Kopf und wurde von der Hupe des Autos hinter ihr aus den Gedanken gerissen. Sie setzte sich ebenfalls in Bewegung…
 

"Hey, warte… wieso hast du mich so dämlich angegrinst…?".
 

"Ich sagte doch, es ist nichts… na ja… bis auf die Tatsache, dass du Öl im Gesicht hast…!". Er grinste amüsiert.
 

"W-was…?", Dawn fuhr sich entsetzt mit einer Hand durchs Gesicht. "Mist…!". 'Kommt davon, wenn man die Kette mit der Hand wieder aufzieht', dachte sie ironisch und starrte auf ihre Hand…

"Noch ein bisschen mehr und du könntest dich damit als Halloween-Monster schminken!", scherzte er und bog von der Hauptstraße ab in eine kleinere Gasse. Dawn folgte ihm.
 

"Jaja… lach du nur…!", stellte sie fest, musste aber selbst Grinsen. "Sag mal… warst du je auf `nem Halloweenball… ich meine… so richtig ... es ist mein erster… ich hab noch nicht mal was zum anziehen… und…!", stellte sie entsetzt fest.
 

Shin sah sie an und begann zu lachen. 'Mädchen' "Ja… aber das ist schon…Eeeewwigkeiten her!", sagte er gedehnt und sah sie grinsend an.
 

"Ja klar… wie alt warst du noch mal? 200?". Dawn zog eine Grimasse und trat in die Pedale…
 

"Komm beweg dich… O - P - A".
 

++++
 

Boston:

Unruhig holperte der Bus über die Straße. Faith blickte hinaus und beobachtete die Autos, die sie überholten und die sich gemeinsam mit ihnen von der Stadt entfernten. Mit jedem Meter den sie zurücklegten, schrumpften die Hochhäuser und Gebäude, Bäume und Autos, bis sie nur noch kleine schwarze Flecken im Rückspiegel waren.
 

Müde schloss Faith die Augen und die Aussicht die kommenden Nächte wieder in diesem ach so tollen Bus verbringen zu dürfen ließ sie leise seufzen und lauschte dem stotterndem Geräusch des Busmotors, der sie langsam aber sich in eine erschöpften Schlaf wiegte…
 

Grrrargh....

Folge 6: The Best of Both Worlds

Länge: ca. 77 Seiten

Autor: Yamato (Julie)

Co-Autoren: Mel, Souly, Stefan, HopelezZ, Nightfever, Cthulhu

Bilderstellung: Chris (buffy-online) ; Portraits (hexenart.de)

Song: ”Temples of Gold” by Kamelot, ”Karma”,Sanctuary Records, 2001
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

++++
 

Reiseleiter (Voice Over): “Einer kam über sie, und alles was nach der Sintflut zurück blieb, war reine Erde.“ - 8.01
 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Faith vor einem Dorf, als plötzlich eine Feuersäule aus der Erde schießt. Reiter brechen daraus hervor - 8.03

Die vier Reiter galoppieren auf Buffy zu, und verschwinden im nächsten Moment in gleißendem Licht. - 8.01

Lily (V.O. über letzte Szene): "Die Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben." - 8.01

Buffy's Auseinandersetzung mit Giles: "Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist, oder mehr das einer Verpflichtung.“ - 8.04
 

Xander: "Oh... die Schiffbar am Hafen" - 8.01

Mo, der dämonische Informant, begrüßt Kennedy und Xander in der Bar: ["Gefunden, Kenny!" - 8.01

Buffy spürt die leichte Rivalität zwischen sich und Kennedy :"Hey.. ich dachte die Bar wäre freie Zone?“ - 8.02

Willow schiebt Kennedy sanft von sich weg: "Ich kann nicht. Giles und ich sind verabredet. Wir haben noch einige Dinge wegen dem Rat zu besprechen....Ken, ich meine es ernst!“ - 8.04
 

Dawn pfählt einen Vampir in einer dunklen Gasse in London - 8.01

Willow spricht mit Dawn in der Ratszentrale: "..vergiss nicht... ich kann euch alle fühlen.“ - 8.01

Buffy ist zu beschäftigt, um Dawn zuzuhören und wert sie ab: "Das freut mich für dich, Dawn.“ - 8.04

Dawn packt ihre Sachen zusammen: "Ich habe gesehen, was aus Buffy wurde. Ich möchte so nicht werden. Will.. ich möchte einfach nur auf die Highschool gehen, Spaß haben, einen normalen Freund bekommen..“ - 8.02
 

Ein schlaksiger Junge mit gepiercter Augenbraue spricht Dawn an: "Oh, ich bin Sam...das sind übrigens Mara und Josh." - 8.04

Carl Trust macht Dawn mit einem jungen Asiaten bekannt: "Das ist Shin. Dein Teampartner." - 8.04

Andrew kuschelt sich an Dawn: "Willst du mein Mond sein?" - 8.03

Leroy hilft Dawn, die verstreuten Schulhefte einzusammeln: "Das schließt dann wohl mich und meinen Freund Marvin ein....Übrigens, ich bin Leroy." - 8.04
 

Ein Schlüsselanhänger pendelt zwischen Andrew's Fingern. Er hält ihn hoch, um ihn Dawn zu zeigen - 8.02

Andrew spricht mit Dawn über Warren: "Glaubst du wirklich, er hat mir nur was vorgemacht?" - 8.03

Vor dem Metzgerladen trifft Andrew auf Willow: "Du hast meinen besten Freund getötet. Wir sind quitt!" - 7.09

Andrew sitzt vor der Kerzenflamme auf dem Balkon: "Es ist sowieso alles nicht richtig. Anya sollte den Dino mit Xander bauen. Nicht ich!" - 8.05

Dawn dreht sich zu Sam, Mara und Josh um: "Uhm...wie ist das eigentlich mit dem Hallowe’en Ball, wollt ihr..?" Andrew's Kopf mitsamt schwarzer Kapuze taucht im Türrahmen auf: "Ball?" - 8.05
 

Teaser
 

Cleveland,

Supermarkt

Die dämonische Fratze näherte sich Buffy Stück für Stück, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Rotglühende Augen klafften überdimensional aus dem zernarbten Gesicht, die Hände zu Klauen gekrümmt, bereit sich jederzeit um den Hals der Jägerin zu legen, welche immer noch ahnungslos vor einem Regal mit Cornflakes stand und rätselnd ihre Augen über das reichhaltige Angebot fliegen ließ.
 

„Dawn? Die mit Früchten, oder mit Zimt?“ Ohne sich umzudrehen und die drohende Gefahr zu bemerken, zog Buffy eine der Schachteln aus den sorgfältig gestapelten Packungen, um dessen Inhalt zu studieren.
 

„Schooookkkoooolaaaade,“ heulte es unheilvoll hinter ihr auf und erst jetzt drehte sich die Jägerin misstrauisch um.
 

„Davon haben wir noch genug,“ lächelte sie ihre Schwester an und diese zog mit einem Griff die Maske von ihrem Gesicht.
 

„Ist die nicht cool? Da drüben ist ein ganzer Tisch mit solchen Masken. Sollten wir nicht auch einen Kürbis mitnehmen? Mom hat uns immer einen Kürbis geschnitzt, weißt du noch? Wir haben noch gar keine Deko für Hallowe’en, wie wäre es mit solchen Fledermäusen?“ Ihr Finger zeigte an die aufgereihten Gummitiere an der Decke des Einkaufcenters, die dort zusammen mit Kürbissen und kleinen Gespenstern im sanften Hauch der Klimaanlage schaukelten.
 

„Wir sollten noch Süßigkeiten für die Kinder besorgen,“ lenkte Buffy gekonnt ab, denn ihr Sinn stand nicht nach albernen Hallowe’en-Dekorationen.
 

Die ganze Stadt war voll gestopft mit Geistern, Monstern, Fledermäusen und sogar vor dem Laden war ein überdimensionaler Kürbis aufgebaut, dessen grinsendes, einzahniges Gesicht ständig Musik von sich gab, unterbrochen von den ‚phänomenalen Sonderangeboten der Woche’ , die eine quäkende Lautsprecherstimme in regelmäßigen Abständen von sich gab.
 

Geschickt manövrierte der Teenager den Einkaufswagen in die nächste Obst und Gemüseabteilung, wo auf einer gigantischen Fläche Kürbisse in allen Größen, Formen und Farben auf ihre neuen Besitzer warteten.
 

„Sei kein Spielverderber,“ lächelte Dawn ihrer Schwester zu, die angewidert ihr Gesicht verzogen hatte und entsetzt feststellte, dass ihre kleine Schwester bereits versuchte ein riesiges, orangefarbiges Exemplar in den Metallwagen zu hieven.
 

„Vorsicht, die Eier!“ Mahnte sie erschrocken an und nahm dem Mädchen das gigantische Gemüse ab um es wieder auf seinen angestammten Platz zu legen.
 

„Kann ich helfen?“ Der Verkäufer im stilgerechten Geisterkostüm hatte sich vor den Beiden aufgebaut, die immer noch um das Gewächs stritten. Nur ein Namensschild mit dem Logo des Einkaufscenters wies daraufhin, dass es sich um einen Angestellten handelte, der da unter dem Bettlaken seine Hilfe anbot.
 

„Ich denke wir nehmen einen Kleineren.“ Beeilte sich die Jägerin zu versichern, drückte dem überraschten Mann das mehrere Kilo schwere Exemplar in die Arme, worauf dieser in die Knie ging und schob den Wagen eilig um die nächste Kurve.
 

„Wenn ich an die letzten Hallowe’en denke, dann reicht es mir mit Gruseln, das muss ich nicht noch mit der passenden Dekoration untermalen.“ Schimpfte Buffy energisch, ohne zu sehen wie Dawn hinter ihr mit den Augen rollte und sie lautlos nachäffte.
 

„Was meinst du? Die Geschichte mit den Kostümen? Wo ihr alle plötzlich in genau das verwandelt wurdet in was ihr euch verkleidet hattet? Oder wo dieser Angstdämon alles im Griff hatte und…“
 

„Erinnere mich nicht daran,“ unterbrach Buffy ihre Schwester. „Meine Schuhe waren danach hinüber, die Reste von dem hab ich nicht abbekommen. Außerdem fallen mir zu Hallowe’en eher gewisse junge Mädchen ein, die sich mit Vampiren herumtreiben.“ Flachste die Jägerin zu dem Teenager herüber, der peinlich berührt, es besser vorzog diese Erinnerungen nicht noch mit der passenden Dekoration zu unterstützen und den Gedanken daran endgültig aufgab.
 

„Meinst du es bleibt hier ruhig?“, brach sie nach einer kleinen Weile das Schweigen und packte zusammen mit Buffy die Waren auf das Förderband der Kasse, wo eine kostümierte Kassiererin die Produkte über einen Scanner zog.
 

Buffy seufzte nur und zuckte mit den Schultern. „Es finden sich immer Dämonen die sich nicht an die Hallowe’en-Ruhe halten.“
 

++++
 

Barker Cooperation Gebäude

Tiefgarage,

abends

Ein leises ‚Pling’ und das sanfte Surren der Aufzugtüren scheuchte Michael Voorhees aus seinen Gedanken und ließ ihn vorsichtig hinaustreten in die spärlich beleuchteten Gewölbe der Tiefgarage. Es war schon spät und nur noch einzelne Fahrzeuge warteten hier unten auf ihre Besitzer, so dass die unheimliche Atmosphäre dem Angestellten einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Fest an seine lederne Aktentasche geklammert führten ihn seine Schritte zielsicher zu seinem kleinen, alten Ford und das schnelle Klappern seiner Absätze warf ein unheimliches Echo durch den Keller, so dass er sich nervös umsah.
 

Daher bemerkte er auch nicht die beiden jungen Männer in Jeans und Lederjacken, die im Schutz eines Betonpfeilers unmittelbar neben seinem Auto auf ihn warteten und sich hämisch angrinsten als sie dem älteren, kleinen Mann zusahen, wie er hastig in der Manteltasche nach seinem Schlüssel fingerte.

„Überstunden gemacht?“ Aus dem sicheren Schatten des Trägers getreten, schnippte der Größere, Kräftigere der Wartenden seine Zigarette auf den Boden und sah mit einem überheblichen Grinsen auf dem Gesicht, wie der Angestellte vor ihm erschrocken zusammenzuckte.
 

„G..guten Abend,“ stotterte dieser los und fummelte hektisch an dem Schloss der Autotür herum, doch gelang es ihm nicht mit den zittrigen Händen die rettende Verriegelung zu öffnen.
 

„Können wir Ihnen helfen?“ Nun war auch der Zweite zu ihm vorgetreten, ein hochgewachsener drahtiger junger Mann, der nicht älter als achtzehn sein mochte. Michaels Adamsapfel hüpfte aufgeregt rauf und runter während ihm die ersten Schweißperlen über die Stirn liefen und er hektisch zwischen den beiden Fremden hin und hersah.
 

„Nein, danke,“ keuchte er ängstlich und hoffte inständig das die zwei verschwinden mögen, doch sein Wunsch blieb unerfüllt, denn inzwischen hatten sie sich neben ihm aufgereiht. Beide überragten den Älteren um mindestens einen Kopf und mit Aufbringung des letzten Stück Mutes, den der Angestellte hatte, zischte er ein: ‚Was wollen Sie von mir?’ den unbekannten Kerlen zu, doch wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass er in der Falle saß.
 

Der erste Fausthieb des Angreifers schickte den schmächtigen Mann augenblicklich zu Boden, wo er sofort in ein Wimmern ausbrach und seine Arme schützend um seinen Kopf wand.
 

Jetzt fing auch der Schlankere der beiden Auftragsschläger an, auf das Opfer einzutreten, bis der Bullige ihn am Arm fasste und zurückzog, da kein Laut mehr von dem verkrampft am Boden Liegenden kam und eine kleine Blutspur aus seinem bereits angeschwollenen Gesicht tropfte.

„Es reicht,“ zischte er seinem Kumpanen zu. Doch dieser riss sich los, wandte sich noch einmal dem Verletzen zu und mit einem gezielten Dreh des Kopfes brach er ihm das Genick.
 

„Bist du verrückt geworden? Das war nicht Teil des Auftrags!“ Geschockt trat der Bullige einen Schritt zurück und schüttelte entsetzt den Kopf, als er in das höhnische, grinsende Gesicht seines Mitstreiters sah, welcher der Leiche noch einen letzten Tritt verpasste.
 

„Warum zum Teufel….“ Weiter kam er nicht, denn er musste mit ansehen, wie sich der Kopf seines Kollegen in eine furchterregende Fratze verwandelte. Seine Hautfarbe wurde dunkler und auch die Augenfarbe veränderte sich zu einem unheimlichen Gelb, dessen schmale Schlitze an die einer Katze erinnerten, während sich die Hände zu langen, klauenähnlichen Gliedern verlängerten. Eine Nase schien dieses Monster nicht zu besitzen, allerdings waren die vielen Löcher oberhalb des nun lippenlosen Mauls wohl für eine ähnliche Funktion gedacht.
 

Bevor der Dämon auch nur nach ihm greifen konnte, war der Geschockte auch schon zurückgestolpert und suchte sein Heil in der Flucht, aber ein einziger katzengleicher Satz brachte diese Ausgeburt der Hölle schon wieder vor ihn, und schnitt dem Flüchtenden den Weg ab, während dieser mit den Reflexen eines kampferprobten Auftragschlägers und Geldeintreibers ein Springmesser aus seinem Gürtel zog, um sich gegen dieses Wesen zu verteidigen.
 

„Lass ihn!“ Dröhnte abrupt eine Stimme hinter den Kämpfenden auf und das Monster stoppte augenblicklich seinen Angriff, so dass der junge Mann nun doch unbehelligt fliehen konnte. Der Dämon verwandelte sich wieder in seine menschliche Gestalt und trat der aus dem Dunkel der Tiefgarage erschienenen Person entgegen.
 

„Warum, Kan Hsirg?“ flüsterte er, aber in seiner Stimme schwang ein unterwürfiger Ton mit, und die Gestalt in der dunklen Druidenrobe, ließ ein sarkastisches Lachen aus den Tiefen seiner ins Gesicht gezogenen Kapuze schallen.
 

„Es bedarf immer eines Menschen, dem man die Sache anhängen kann.“
 

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Irgendwo...

Am Tag

Buffys Haare wehten geschmeidig im Wind. Sie spürte Sand unter ihren nackten Füßen, der bei jedem Schritt, den sie tat, langsam nachgab. Eine warme, angenehme Brise streifte an Buffys leicht anliegendem roten Kleid vorbei, und bewahrte die Luft davor, stickig zu werden. Buffy lächelte. Die Sonne malte sich am hellblauen Himmel ab, und ließ einen die wenigen Wölkchen, welche die blaue Unendlichkeit unterbrachen, vergessen.
 

Immer weiter ging sie vorwärts, ohne wirklich zu wissen, warum sie hier war, aber das machte ihr auch nichts. Sie war frei von Sorge, frei von Angst und frei von jeglicher Pflicht. Der Windhauch spielte weiterhin sanft mit ihren langen, blonden Haaren, als Buffy ihre rechte Hand über die Augenbrauen hob, um ihre Augen vor der blendenden Sonne zu schützen.
 

In einiger Entfernung erblickte sie Wasser. Ungläubig kniff sie kurz die Augen zusammen und starrte danach noch einmal auf die gleiche Stelle. Es war noch immer da, und als wisse jemand, dass sie es immer noch nicht recht glaubte, hier zu sein, mischte sich, je näher sie dem erfrischenden Nass kam, Feuchtigkeit, in den sonst warmen Wind. Buffy begann zu lächeln und beschleunigte ihre Schritte Richtung Wasser.
 

++++
 

Faith spürte harten Stein, als sie die Augen aufschlug. Ohne weiter nachzudenken, sprang sie auf und sah sich um. Warme Luft umspielte ihren Körper, der, zu Faith’s Überraschung, in einem feinen, leichten, weißen Seidenkleid steckte. Faith blickte auf, und nachdem sich ihre Augen an das helle Licht der Sonne gewöhnt hatten, bemerkte sie, dass sie am Fuße einer großen Pyramide stand. Verwirrung machte sich in ihrem Kopf breit, verschwand aber sofort wieder, als ein wohltuender Geruch in ihre Nase stach. Leises Wasserrauschen drang an ihr Ohr, als sie mit ihren nackten Füßen in den warmen Sand stieg, und dem Duft folgte.
 

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Buffy verlangsamte ihre Schritte, als lautes Kinderlachen die Luft erfüllte. Sie befand sich inmitten einer Oase, in deren Mittelpunkt sich ein großer See befand. Kühle, angenehme Luft ging von der Wasseroberfläche aus und Buffy bemerkte erst jetzt, wie heiß der Fußboden unter ihren Füßen wirklich war. Lächelnd drehte sie sich um, als ein Kind an ihr vorbei lief und sie dabei anlächelte. Ein weiteres Kind kam herbei gelaufen und blieb vor Buffy stehen. Freundlich lächelte er die Jägerin an, als er langsam auf sie zuging und nach ihrer Hand griff. Buffy nickte, ging in die Hocke und öffnete für den Kleinen ihre rechte Handfläche.
 

Dieser sah ihr tief in die Augen, legte etwas in ihrer Handfläche ab, und lief dann mit den anderen Kinder wieder Richtung Dorf.
 

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Nachdem Faith um die Ecke der Pyramide gegangen war, hatte sie die Quelle des Geruchs gefunden. Direkt neben dem monumentalen Gebäude schien eine Oase zu liegen, und genau vor ihr stand ein duftender Strauch mit verführerischen Früchten. Langsam streckte sie ihre Hand aus und berührte eine Frucht.
 

Buffy sah dem Kind noch lange nach, bevor sie sich dem Gegenstand in ihrer Hand widmete. Noch immer lächelnd, wandte sie ihren Blick auf das Ding: es war ein Schlüssel.
 

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Faith umfasste die kühle Frucht und pflückte sie. In diesem Moment ertönte ein lauter Schrei und es donnerte. Faith ließ die Frucht zu Boden fallen und sie sah geschockt zu der Pyramide auf.
 

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Der Himmel verdunkelte sich, als sich der Schüssel plötzlich in Buffys Hand auflöste. Donner hallte durch die Luft und ein starker Wind kam auf.
 

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Ein kalter Schauer lief Faith über den Rücken, als sie hinter dem Strauch einige Häuser und einen See erblickte. Das Licht verschwand immer mehr und aus dem Dorf wurden verzweifelte Schreie lauter. Sie drehte sich noch einmal kurz zu der Pyramide, von welcher Staub rieselte, und als sich plötzlich einer der obersten Steine löste, wandte sie sich zum Dorf und ließ das Monument hinter sich.
 

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Buffy starrte auf die Wasseroberfläche, die immer mehr Wellen bildete. Die Pyramide, die hinter dem anderen Ende des Ortes stand, schien zusammenzubrechen, als Buffy plötzlich ein lautes Fauchen hörte. Ein Wirbel bildete sich über dem Wasser und ein lauter Schrei durchschnitt die nun dunkle Landschaft. Plötzlich würde die Dunkelheit von einem hellen Lichtblitz durchschnitten.
 

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Faith blieb kurz vor dem See stehen, als der Lichtblitz die Landschaft erhellte und sie auf der anderen Seite des Sees Buffy sah.
 

“B!“ schrie sie laut, doch hinter ihr krachte die Pyramide zusammen und in dem Moment, in dem sich aus den Trümmern ein riesiges Monster erhob, schien der See zu explodieren und Faith wurde von einer riesigen Welle zu Boden geworfen.
 

Buffy, der es ebenso ergangen war, konnte ihren Augen nicht glauben. Aus dem See, der vor wenigen Minuten noch so ruhig vor ihr lag, stieg ein riesiges Wesen in den Himmel auf und vereinte sich Sekunden später mit dem anderen.
 

„Pferde...,“ flüsterte Buffy und sah den fliegenden Ungetümen nach. Ein lauter Schrei durchschnitt erneut die Nacht, doch es dauerte einige Sekunden, bis sie bemerkte, dass es ihr Name war.

„Faith?“, flüsterte sie und sah sich geschockt um. Im nächsten Augenblick erkannte Buffy Faith auf der anderen Seite des Ufers.
 

Buffy wollte antworten, doch sie wurde von den Reitern unterbrochen. Das Dorf war bereits in lodernden Flammen aufgegangen, als eine weitere Flutwelle aus dem See schoss. Verzweifelte Schmerzensschreie hallten durch die Luft. Ein weinendes Kind rannte schutzsuchend durch eine Straße, als es von der Flutwelle erfasst und in eines der brennenden Häuser gespült wurde.
 

„Neiiin!“ schrie Buffy und Faith erkannte, dass Buffy auf sie zulief. Völlig unerwartet wurden sie plötzlich von einer Feuerwand ergriffen.
 

+++
 

Buffy riss die Augen auf und starrte zur Decke hinauf. Ihre Brust hob und senkte sich schnell. „Oh mein...
 

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„.Gott“ Faith starrte auf das gegenüberliegende Fenster des Busses. Wild atmend stieß sie die viel zu warme Decke vom Körper weg, stand auf, öffnete die Tür des Busses und stieg in die angenehm kalte Nachtluft hinaus.
 

Opening Credits
 

AKT 1
 

Cleveland, Giles’ Wohnung

Nacht

Buffy ließ sich erschöpft nach hinten in ihre Kissen sinken und schloss die Augen, um klarer denken zu können. Der heftige Traum war so intensiv gewesen, dass keine Frage bestand... es war ein Prophezeiungstraum. Und das war ihr nicht nur beim Anblick der Reiter bewusst geworden. Sie musste mit Giles reden. Sofort. Sie schwang sich aus dem Bett, griff nach ihrem Morgenmantel und verließ leise das Zimmer...
 

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Pennsylvania, vor dem Bus

selbe Nacht

Faith starrte in die Dunkelheit und bereute es bereits, sich nichts Wärmeres angezogen zu haben, bevor sie aus dem Bus gestiegen war. Sie träumte meist nichts. Jedenfalls erinnerte sie sich am Morgen selten an ihre Träume. Noch weniger wurde sie mitten in der Nacht von einem Alptraum aus dem Schlaf gerissen. ‚Was soll’s,’ dachte sie und zuckte dabei unbewusst mit ihren Schultern.
 

Sie hatten den Bus neben einem kleinen Wald abgestellt und Faith sah vor sich die Umrisse einiger Bäume, die größtenteils von der Dunkelheit verschluckt wurden. Eine kühle Brise wehte durch den dunklen Wald und ließ Faith frösteln. ‚Traum blieb Traum.’ Wieso raste ihr Herz dann noch immer? Wieso fühlte sie noch immer den Schrecken, den sie beim Anblick der Reiter empfunden hatte? Den Reitern, aus ihrer Vision? In diesem Moment spürte sie, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte, und wir ihr im nächsten Augenblick eine Jacke von hinten über ihre Schultern gelegt wurde.
 

Obwohl Faith wusste, dass es Robin sein musste, regierte sie nicht darauf und starrte weiterhin in den dunklen Wald, der durch das Mondlicht, das nur spärlich durch die gewaltigen Baumkronen drang, nur noch mystischer wirkte.
 

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Cleveland, Giles’ Wohnung

selbe Nacht

Giles fuhr aus seinem tiefen Schlaf gerissen in die Höhe. Orientierungslos starrte er in die Dunkelheit. Dann hörte er erneut das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Jemand klopfte wie ein Wilder gegen seine Tür. Missmutig stand er auf und öffnete dem Störenfried. Müde und wegen der Störung wenig erbaut, blinzelte Giles gegen das Licht im Flur an und kniff seine Augen zusammen.

„Um Himmelswillen Buffy.. geht die Welt unter? Morgens um drei?“ Fügte er spitz hinzu, nach dem er einen raschen Blick über die Schulter geworfen hatte, um die Ziffern auf seinem Wecker zu befragen.
 

„Vielleicht nicht jetzt, aber morgen? Übermorgen?“ Buffy drückte Giles die Türe einfach aus der Hand und betrat sein Zimmer.
 

„Und was genau willst du mir damit sagen?“ Gähnte Giles mit vorgehaltener Hand und ließ seinen verspannten Nacken kreisen. In gestreifter Pyjamahose und weißem T-Shirt fühlte er sich zwar wohl, aber Buffy wäre er doch gerne im Morgenmantel entgegen getreten. Trotzdem verbarg er sein Unbehagen.
 

„Ich hatte einen Traum.“
 

„Oh ich auch. Ich träumte von einer wundervollen, ruhigen Wohnung, die mir alleine gehört...“
 

„Giles bitte,“ unterbrach Buffy etwas ungehalten, musste dann aber doch schmunzeln. „Ich glaube es ist ernst. Ich habe Faith in meinem Traum gesehen. Sie und ich - wir waren...an einer Oase. Alles war so.. perfekt. Verstehen Sie? Friedvoll und dann kamen diese Reiter.“ Buffy seufzte und ließ sich auf Giles Bettkante sinken. „Ich hätte Ihnen schon früher davon erzählen sollen.“
 

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Pennsylvania, vor dem Bus

selbe Nacht
 

„Faith?“ fragte Robin leise und legte der Jägerin wieder seine rechte Hand auf die Schultern. Erneut reagierte Faith nicht.
 

„Faith .. was ist los?“ bohrte der Wächter nach, während Faith ihm weiterhin nur ihren Rücken zeigte.

„Nichts.. es ist.. alles in Ordnung..“, antwortete Faith in ihrer gewohnten, coolen Art.
 

„Nein das glaub ich dir nicht. Was war los? Schlecht geträumt?“ Robin, der seine Frage eher ironisch gemeint hatte, musste sich ein Lächeln verkneifen. Wieso sollte ein starke, selbstbewusste Jägerin wie Faith von einem Alptraum so geängstigt sein?
 

„Robin geh schlafen.. ich komm sofort nach.. ich will hier nur noch ein bisschen.. du weißt schon..“, in diesem Moment drehte sich Faith herum und lächelte ihren Wächter verliebt an.
 

„.. die Landschaft genießen.. es ist so schön hier..“
 

Doch das überzeugte Robin nicht wirklich „Was ist los? Du weißt, du kannst mit mir über alles reden.“
 

In dem Moment, in dem Faith merkte, dass ihr kleiner Versuch nicht funktioniert hatte, verschwand ihr Lächeln sofort wieder und sie drehte sich von ihm weg. “Weißt du.. ich bin nicht so gesprächig.. ich regle gern einige Dinge mit mir alleine!“
 

„Aber ich bin doch hier um dich zu..“, doch Robin konnte seinen Satz nicht beenden.
 

„Nein ich will deine Unterstützung nicht.. ich brauch sie hier auch nicht. Es war ein blöder Alptraum, mach kein großes Drama daraus,“ sprach Faith weiter, ohne dass sie ihn ansah.
 

„Aber..“
 

„Nein.. nichts aber.. geh rein.. ich werd’ jede Sekunde nachkommen..“
 

„Okay!“ Robin gab nach, strich mit seiner Hand noch über ihren Rücken, und ging dann wieder zurück in den Bus.
 

Faith starrte weiterhin in den dunklen Wald. Sie brauchte jetzt keinen Wächter, und sie brauchte jetzt keinen Freund. „Es war nur ein Alptraum...,“ sagte sie leise zu sich selbst. „Ein bescheuerter Alptraum.. scheiß drauf.“
 

Sie schloss kurz die Augen, atmete die kühle, frische Luft tief ein, nickte dann leicht und zog sich in den Bus zurück.
 

++++
 

Cleveland. Giles’ Wohnung

selbe Nacht

„Ich verstehe nicht ganz,“ runzelte Giles die Stirn und blieb vor Buffy stehen. „Von was hättest du mir früher erzählen sollen?“
 

„Als ich in Australien war.. nein warten Sie ich sollte von vorne anfangen.“ Sie sah unsicher zu ihm auf. „Bei meiner Reise bin ich in China in einem Tempel über einen geheimen Raum gestolpert. Dort haben mich Ninjas angegriffen. Kein schwerer Kampf,“ beruhigte sie schnell ihren ehemaligen Wächter, der besorgt die Stirn kraus zog. “Aber kurz bevor ich den letzten erledigen konnte, zog er sich einfach zurück. Eine Sekunde später „rettete“ mich ein Reiseleiter. Genau demselben Mann bin ich später wieder in Australien begegnet. Er stritt ab mich zu kennen. Aber er zeigte mir eine Höhle und in ihr hatte ich eine Vision. Oder einen Traum. Ich weiß es nicht.“
 

Da Giles sie nicht unterbrach, nutzte sie die Gelegenheit und berichtete ihm alles was sie noch wusste. Von der Prärie, dem Dorf, die Flut, die über das Dorf einbrach. Und den Reitern die auf sie zu geritten kamen, wobei sie nur den einen erkannt hatte.
 

„Er sah aus wie die Statue in dem chinesischen Tempel, die ich berührt hatte, um in den geheimen Raum zu gelangen. Und von ihm hatte der Reiseleiter gesprochen, als wäre er ein Dämon gewesen, dem die Bewohner Opfer brachten, um ihn zu besänftigen. Aber das scheint nicht funktioniert zu haben, denn ihr Dorf wurde von einer Sintflut zerstört. Komisch oder?“ fragte Buffy dazwischen und Giles nickte abwesend. Er versuchte aus dem was Buffy ihm berichtete schlau zu werden. „Ich meine komisch, dass in meinem neusten Traum wieder Wasserfluten eine Rolle spielten. Der Reiter entstieg einem See und der zweite Reiter brach aus einer Pyramide aus. Ich glaube er war für das Feuer zuständig, das zusätzlich die Oase zerstörte,“ damit schloss Buffy ihren Bericht ab.
 

Giles schüttelte den Kopf. „Wieso hast du mir nicht früher davon erzählt?“
 

„Ich dachte, es wäre nicht so wichtig... ich meine... ich hab’s vergessen,“ gab Buffy geknickt zu. „Erst wollte ich Ihnen davon berichten, doch dann, nach der langen Reise, war ich einfach nur froh, euch alle wiederzusehen und ich musste mich erst einleben,“ verteidigte sich Buffy. „Und hey.. dafür bin ich jetzt gleich gekommen.“
 

Giles nickte nachsichtig. „Ich hoffe, dass uns das nicht wertvolle Zeit gekostet hat.“
 

„Sie denken auch, dass wir es ernst nehmen sollten?“
 

„Auf jeden Fall. Ich werde gleich morgen mit Lily anfangen unsere wenigen Quellen, die wir noch haben auf diese Phänomene hin zu untersuchen. Und Willow kann uns mit ihrem Internet helfen.“

„Prima. Dann lass ich Sie jetzt weiter Bäume zersägen,“ sagte Buffy leichtfertig und sprang auf. Sie fühlte sich erleichtert, jetzt nachdem sie alles Giles mitgeteilt hatte.
 

„Ich schnarche nicht,“ entrüstete sich Giles.
 

„Doch tun Sie,“ lachte Buffy und ging zur Türe. „Ich höre Sie noch zwei Zimmer weiter.“
 

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Giles’ Wohnung,

nächster Nachmittag

"So, und während die Drow mit gezückten Scimitars, und gespannten Armbrüsten vor euch stehen, beginnt schon der Abspann, und wir haben einen netten Cliffhanger für nächste Woche," schloss Andrew die Game Session, und klappte sein Dungeon Master Handbuch zu. Sam, Mara, und Josh begannen hastig, ihre Sachen zusammenzupacken, während Dawn die Würfel einsammelte, um sie in Andrew's mittelalterlichem Lederbeutel zu verstauen. Bis jetzt hatten sie und die anderen noch keine eigenen Würfel, aber es war auch erst das dritte Mal, dass sie D&D spielten.
 

"Ach übrigens," Sam griff nach seiner Jacke, "kann passieren, dass ich zu dem Affenzirkus am Freitag doch mal reinschaue. Nicht, dass es mich groß interessieren würde, aber ich hab 'ne Bekannte da, die vielleicht hinwill."
 

Mit betont gelangweilter Miene griff er in die Keksdose auf dem Tisch, um auch ja allen zu demonstrieren, wie wenig Interesse er an solchen Veranstaltungen hatte.
 

"Ist doch klasse, dann machen wir ein Double Date." Mara strahlte, ein Lächeln, das sofort wieder verschwand, als sie den Ausdruck auf Dawn's Gesicht bemerkte. "Triple Date," verbesserte sie sich hastig, und wuschelte ihrer Freundin aufmunternd durch die Haare. "Hey, Kopf hoch, du findest schon noch jemanden. Die haben einfach alle nur Angst, dich zu fragen, die feigen Nüsse!"
 

Dawn zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln, auch wenn ihr nicht danach zumute war. Sie wusste, mit wem sie gerne hingehen würde, aber wenn er sie nicht einlud, dann hatte das unter Garantie nichts damit zu tun, dass er sich nicht traute. Wohl eher damit, dass er sie nicht bemerkt hatte.
 

Sie stieß einen leisen Seufzer aus. Dabei hatte sie sich so fest vorgenommen, von solchen Schönlingen in Zukunft die Finger zu lassen! Soviel zu guten Vorsätzen, wenn es um Gefühle ging!
 

Ihren Freunden gegenüber ließ sie sich jedoch nichts anmerken, als sie sie an der Tür verabschiedete. Das hatte keinen Sinn, sie wusste schließlich, was Sam und die anderen von Leroy hielten. Gleich am ersten Schultag hatten sie sich abfällig über ihn geäußert. Sie würden sich unter Garantie über ihre Schwärmerei lustig machen, und das konnte sie jetzt wirklich nicht gebrauchen. Und falls Leroy davon erfuhr - nicht auszudenken! Allein der Gedanke trieb ihr die Schamröte ins Gesicht.
 

Im Moment wusste nur Andrew Bescheid, denn bei ihm musste sie keine Angst haben, dass irgendwelche Gerüchte in Umlauf kamen. Abgesehen von den D&D Treffen hatte er nichts mit den Leuten an ihrer Schule zu tun, konnte also auch nichts herumerzählen, was ihr gefährlich werden könnte.
 

"Er hat dich also immer noch nicht gefragt," stellte Andrew fest, offenbar hatte er ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiert. "Dabei hast du doch erst gestern wieder mit ihm geredet. Als er vor dir in der Schlange fürs Mittagessen gestanden ist."
 

"Warum sollte er auch?" Dawn packte den Würfelbeutel und ließ ihn klackend auf den Tisch fallen. "Wenn er die ganze Zeit von solchen Zicken, wie Trisha und Teresa umgarnt wird!"
 

"Man muss immer die Sonnenseite des Lebens betrachten," erklärte Andrew altklug. "Sieh mal, wenn er dich wirklich gefragt hätte, dann wärt ihr vielleicht zusammen auf den Ball gegangen, und hättet miteinander getanzt, und euch ineinander verliebt!"
 

"Das war der Plan, ja! Guter Plan!"
 

"Schlechter Plan. Ganz schlechter Plan." Andrew's Gesicht nahm einen ängstlichen Ausdruck an. "So was endet immer damit, dass irgendwer erschossen, oder gehäutet, oder von komischen Typen mit keinen Augen in Stücke gehackt wird!"
 

"Wie schön, dass du immer alles so positiv siehst!" bemerkte Dawn trocken.
 

"Oder damit, dass jemand seine Seele verliert, oder jemand anderen killt, weil er seine Seele verloren hat, oder von komischen Amuletten verbrannt wird, und zu Staub zerfällt, nachdem er seine Seele wiedergekriegt hat...."
 

Andrew's Stimme hatte jetzt einen leicht hysterischen Klang angenommen und bei Dawn schrillten die Alarmglocken. Genau jetzt wäre eigentlich der passende Moment gewesen, um etwas ungeheuer Intelligentes und Einfühlsames zu sagen, damit Andrew nicht in Tränen ausbrach, doch leider konnte sie zwischen all den strahlend lächelnden, baseballschwingenden Leroys, die sich vor ihrem inneren Auge breitgemacht hatten, nichts Passendes finden. So beschränkte sie sich auf Plan B für solche Fälle, nahm einen großen Schokoladenkeks aus der Dose, und stopfte ihn Andrew in den Mund.
 

"Du muscht dosch nischtomall...."
 

"Was?"
 

"Du musst doch nicht vom Ball wegbleiben, nur weil dich keiner fragt." Andrew schien den Kampf mit dem Keks endlich gewonnen zu haben. "Ich meine, du und deine Freunde, ihr könnt doch einfach als Clique hingehen!"
 

"Wie sieht denn das aus?" fragte Dawn entrüstet. "Wenn ich als drittes Rad am Wagen auf diesem Ball auftauche, kann ich mich gleich einsargen lassen!"
 

"Wieso?" fragte Andrew verwundert, und griff nach dem nächsten Keks. "Jonathan hatte auch nie ein Date und ist trotzdem auf die ganzen Schulbälle gegangen. Und die Mädchen haben sogar mit ihm getanzt!"
 

"Ja, aber bei einem Jungen ist das auch was anderes," versuchte Dawn zu erklären. "Da wird nicht so rumgetratscht. Aber als Mädchen kann man so was einfach nicht bringen, verstehst du?"
 

"Ehrlich gesagt, nein." Andrew zog die Stirn kraus, und guckte hoffnungslos verwirrt. "Ich dachte, Mädchen dürfen alles tun, was Jungs auch dürfen. Eigentlich sogar noch mehr, denn sie dürfen Jägerinnen werden, und Jungs nicht!"
 

Bei seinem letzten Satz zuckte Dawn zusammen, und wandte das Gesicht ab. "Ja schon, " redete sie hastig los, damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte. "Aber es gibt....gewisse Regeln, an die sich ein Mädchen an einer High School halten muss, damit sie nicht zum Außenseiter wird. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie nicht zweimal hintereinander dasselbe anzieht, oder dass sie sich mit der einen Schulzicke gut stellt, wenn sie die andere schon vergrault hat. Oder eben, dass sie nicht allein auf einem Ball auftaucht. Und die wichtigste Regel, die allerwichtigste Regel von allen lautet, dass sie niemals, unter keinen Umständen einen Jungen um eine Verabredung bittet. Dann hätte sie ihren guten Ruf sofort ver..."
 

Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, denn soeben war ihr eine Idee gekommen. "Sag mal Andrew, hättest du nicht Lust, mit mir auf den Ball zu geh'n?"
 

+++
 

Cleveland, Hafen

Dämonenbar

selbe Zeit

Buffy schlängelte sich zwischen den eng gestellten Tischen des „Lustigen Piraten“ hindurch. In der Dämonenbar war recht viel los, was Buffy doch ein wenig verwunderte. Die blonde Jägerin war noch nicht all zu oft hier gewesen, da die Bar in Kennedys Gebiet fiel, aber bisher hatte sich der Ansturm auf diesen verlassenen Fleck im Rahmen gehalten.
 

Als sie endlich die Bar erreichte, sah sie eine dunkelhaarige Gestalt, die mit dem Rücken zu ihr gegen die Theke lehnte. Sie kam ihr recht vertraut vor. Schlank aber gut durchtrainiert. Nicht viel mehr größer als sie selbst....
 

„Kennedy?“ Buffy ging weiter, als sich die dunkelhaarige Jägerin kurz herum drehte. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
 

„Hi Buffy. Was suchst du in meiner Bar?“
 

„Deiner Bar?“ Wunderte sich Buffy. „Ich dachte sie gehört uns beiden?“
 

„Zum Teil,“ nickte Kennedy ernst. „Aber es ist noch immer Fakt, dass ich sie entdeckt habe.“
 

„Von mir aus,“ gab Buffy dem Frieden zuliebe nach. „Was machst du hier?“
 

„Etwas trinken?“ Kennedy zeigte auf ihre Flasche Bier. „Hier wird man nämlich nicht nach dem Ausweis gefragt,“ fügte sie grinsend hinzu. Das Grinsen erstarb sofort wieder, als sie sich in Erinnerung rief, dass sie sowieso ein Alter erreicht hatte, in dem man keinen Pass mehr vorzeigen musste. „Und sie geben hier das beste Lagerbier aus. Irgend so eine dämonische Brauerei.“
 

„Pass lieber auf, dass dir danach nicht irgendetwas wächst... ein Horn, ein Schwanz,“ grinste Buffy und amüsierte sich über das kurz entsetzte Gesicht der anderen Jägerin.
 

„Zwei Jägerinnen gleichzeitig hier in unserer bescheidenen Bar? Was für eine Ehre.“ Buffy sah hinter sich und musterte misstrauisch den großen, bärtigen Dämon mit der massiven Brust, seinen geschwungenen Eckzähnen, die über die Lippen standen und der glatten Nase. ‚Wenn der jetzt Ärger sucht...’
 

„Hi Mo,“ sagte Kennedy mit dem Rücken zu ihnen, trank ihre Flasche aus und wandte sich dann doch herum. Buffy zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe. Die beiden kannten sich?
 

„Hi Kenny. Hast’ deine Freundin mitgebracht?“ Er zeigte zu Buffy.
 

„Wir sind nicht....nicht so, wie du denkst...“, setzten die beiden Jägerinnen gleichzeitig ein, sahen sich dann an und verstummten peinlich berührt.
 

„Verstehe,“ brummte Mo und in seinen roten Augen blitzte es amüsiert auf. „Es trifft sich gut, dass ich euch begegne.“ Er kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor. „In der Stadt passieren seit einigen Nächten komische Dinge. Einige Dämonen haben es auf Menschen abgesehen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Erst gestern Nacht wieder.“
 

Er legte auf die Theke ein Fetzen Stoff, der dunkel lila war. Etwas war mit weißem Faden darauf gestickt worden. Kennedy griff danach und besah sich das Symbol genauer, ehe sie den Fetzen an Buffy weiterreichte. „Das ist ihr Symbol. Sie gehören alle einer Organisation an, eine Art Clan, vermutlich. Hässliche Burschen.“ Mo fügte eine kurze Beschreibung der Dämonen hinzu und sprach dabei von lippenlosen, langgliedrigen Wesen. „Viel mehr weiß ich allerdings auch nicht. "Es wird gemunkelt, dass die Angriffe nicht zufällig stattfinden, sondern dass ein Plan dahintersteckt, ein Konzept!"
 

Buffys Augen ruhten noch auf dem gestickten Symbol, ein Krummstab, der aufrecht in einem Kreis stand, von dem wie Sonnenstrahlen gewellte Linien ausgingen. Als Mo plötzlich schwieg, sah Buffy mit düsterem Blick auf. „Können wir das behalten?“
 

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Cleveland, Wächterhaus,

nächster Nachmittag

“Und das hat uns Mo überlassen. Kennedys Informant,“ erklärte Buffy der versammelten Runde am Konferenztisch und legte den Stofffetzen in die Mitte des Tisches. „Das Symbol dieser Gruppe. Oder Clan.“
 

„Hm.. interessant,“ murmelte Giles in gewohnt nachdenklicher Weise und griff nach dem Stoff. Willow saß bereits an ihrem Laptop und ließ die Beschreibung der Dämonen von Mo über alle möglichen Suchmaschinen laufen und klickte sich mit konzentriertem Gesichtsausdruck durch die Ergebnisse. Sie hatte nur kurz einen raschen Blick auf die Tischmitte geworfen, um das Symbol zu sehen und gab auch davon eine Beschreibung ein.
 

„An die Bücher?“ fragte Xander enthusiastisch und stand auf. Giles nickte und deutete auf das Regal. Lily war bereits mit Dawn dort beschäftigt. Sie suchten gemeinsam passende Titel heraus. Xander half den beiden den Stapel an den Tisch zu tragen. Andrew, Buffy und Kennedy griffen sich jeweils ein Buch heraus und fingen mit der Arbeit an. Giles reichte Lily den Stofffetzen und folgte zusammen mit Dawn dem Beispiel der anderen.
 

„Ich glaube ich habe einen vielversprechenden Treffer,“ meldete sich Willow plötzlich von ihrem Laptop zurück und klickte den weiterführenden Link an. „Eine Homepage mit recht propagandistischen Inhalt. Ich müsste sie mir einmal näher anschauen, aber ...,“ sie drehte den Laptop herum, damit alle darauf sehen konnten. „Sie verwenden als Portal das Symbol.“

Sie konnten sich alle selbst davon überzeugen. Ein lila eingefärbter Bildschirm in dessen Mitte, weiß und groß, das Symbol prangte.
 

„Großartig,“ lobte Giles, erfreut über den schnellen Fortschritt. „Am besten durchsuchst du diese gesamte Seite. Vielleicht finden sich ja weitere Hinweise. Wobei...,“ er hielt kurz inne. „Dieser Stab kommt mir bekannt vor. Er wurde früher bei den Ägyptern verwendete und symbolisierte die „Herrschaft“ eines Pharaos. Wenn dieses Symbol verwendet wird, müssen wir wohl davon ausgehen, dass diese Dämonen die Herrschaft über etwas anstreben.“
 

Willow nickte nur und drehte den Laptop wieder zu sich. Für eine Weile waren die Scoobies mit blättern und lesen beschäftigt, ehe Kennedy ihr Buch mit einem Rums auf den Tisch legte. „Hier... der sieht aus, als wäre er unser Kandidat.“ Sie schob das Buch zu Giles. Die Abbildung zeigte die Kreatur, die in der vergangenen Nacht im Parkhaus der Barker Cooperation gewütet hatte. Giles Blick fiel auf einen alten Holzstich, der einen Dämon mit langen, klauenähnlichen Händen darstellte, dessen Gesicht eine Nase missen ließ und an Stelle eines Mundes, ein lippenloses Maul hatte.
 

„Ein Iah K’uru,“ sagte Giles und übersetzte die lateinische Schrift unter der Abbildung. „Hier steht, dass die Iah K’uru Dämonen im Allgemeinen keine aggressive Rasse wären. Es ist allerdings nichts darüber bekannt, wie die Dämonen mit Menschen umgehen. Ob sie sie eher meiden, oder ihre Nähe suchen. Das sagt nicht viel aus.“
 

„Also wissen wir so gut wie nichts?“ Fragte Buffy mit wenig Hoffnung auf eine eher positive Antwort. Giles schüttelte den Kopf. „Gut, dann schlage ich vor, wir alle werden in den nächsten Nächten verstärkt patrouillieren gehen, um herauszufinden, was dahinter steckt.“
 

„Kein Problem,“ meinte Kennedy sichtlich stolz auf ihren Beitrag zum neusten Fall.

„Ich kann bestimmt meine Schichten tauschen,“ überlegte Andrew und war erstaunt, dass niemand anmerkte, dass man auf seine Hilfe verzichten könnte.
 

„Auf meine Unterstützung werdet ihr allerdings verzichten müssen,“ erklärte Lily und Giles nickte. Er hatte ganz vergessen, dass er Lily um Hilfe bei einer Sache in Virginia gebeten hatte, die mit den neuen Ereignissen verglichen, recht viel Ähnlichkeiten mit ihrer Situation in Cleveland aufwies. „Ich reise heute Abend nach Virginia, um mir dort die Probleme eines jungen Wächters anzuhören. Es gibt anscheinend dort unten auch eine kleine Gruppe Dämonen, die ihm und seinen Jägerinnen Schwierigkeiten machen. Ich will mir das vor Ort ansehen.“
 

„Wir werden das sicher auch ohne Sie schaffen,“ versuchte Buffy nicht all zu abweisend zu klingen. Aber seit sie das Gespräch zwischen Giles und Lily belauscht hatte, war sie noch schlechter auf die Frau zu sprechen. Sie alle wussten noch immer nicht genau wer sie war, außer, dass Giles sie gut kannte und man ihr ach-so-sehr vertrauen konnte.
 

„Wie schön,“ gab Lily kühl zurück und schüttelte kaum merkbar den Kopf über Buffys Verhalten.

„Ich würde vorschlagen,“ lenkte Giles mit bestimmter Stimme ab, “wir recherchieren noch etwas weiter. Vielleicht finden wir ja auch in den Büchern noch etwas mehr über diese Dämonen heraus. Vielleicht auch etwas über frühere Übergriffe auf Menschen.“
 

Buffy wandte mürrisch ihren Blick von Lily ab und stand auf. Während sich der Rest im Raum verteilte, wollte Buffy mit Giles noch einmal über ihren Traum sprechen. Vielleicht gab es schon Neuigkeiten. Giles blickte von seinem Buch auf, als Buffy neben ihn trat.
 

“Kann ich etwas für dich tun?“
 

“Wegen meinem Traum,“ sie warf einen kurzen Blick zu Lily, doch die Wächterin schien sich nicht für ihr Gespräch zu interessieren. „Haben Sie schon etwas herausgefunden?“
 

„Oh in der Tat,“ Giles legte seinen Zeigefinger zwischen die Seiten, die er gerade gelesen hatte und klappte das Buch zu. „Ich habe etwas herumtelefoniert. Es gibt offensichtlich drei Bücher, die für uns interessant sein könnten. Natürlich befinden sich diese Bücher nicht im direkten Besitz des Rates. Zu unserem Glück,“ fügte Giles schnell hinzu als er Buffys enttäuschtes Gesicht sah, „hat ein Wächter ganz in der Nähe einen der Titel in seiner Privatsammlung. Er würde ihn uns gerne leihen.“
 

„Klingt doch vielversprechend,“ sagte Buffy erfreut. „Und was machen wir mit Faith? Ich meine, weil sie in meinem Traum war?“
 

„Ich wollte Faith sowieso anrufen und sie bitten, uns das Buch zu holen. Sie sind in der Nähe dieses Wächters unterwegs und es wäre kein großer Umweg für sie und Robin. Ich rede mit ihr.“

„Tun Sie das auf jeden Fall. Es lässt mir keine Ruhe,“ fügte Buffy mit Nachdruck hinzu und ließ Giles weiter in Ruhe recherchieren, als sie sich zu ihrem Platz zurück begab.

....

Ein paar Minuten später.

Während alle vertieft in ihren Büchern waren, stand Giles auf und legte sein Buch mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten auf den Tisch ab. Buffys Frage nach dem Traum und Faith ließ ihn nicht los. Es war vielleicht ganz gut, wenn er den anstehenden Anruf nicht zu lange hinaus zögerte.

Leise verließ Giles den Konferenzraum und ging über den kleinen Flur in sein Büro, um ungestört zu sein. Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer des Handys, das sich Robin mit allen drei Jägerinnen teilte.
 

++++
 

Pennsylvania

Selbe Zeit

Langsam glitt ihr Blick durch den Schulbus. Schon lange war sie nicht mehr in ihrem neuen Zuhause alleine gewesen. Sie schritt langsam an der kleinen Küche vorbei und trat vor eines der nicht geschwärzten Fenster, welches den Blick auf den Wald freigab, vor dem sie heute Nacht nach dem Traum gestanden hatte. Kampfschreie hallten durch die Luft, und drangen gedämpft durch die Scheiben des gelben Busses.
 

'Wie gut sie sich entwickelt haben ... ', ging Faith durch den Kopf, als sie Ronah und Vi dabei beobachtete, wie sie Schlägen auswichen, die Robin mit einem langen Holzstab in ihre Richtung austeilte. ' ... ob sie auch ab und zu solche Alpträume haben?', fragte sich die Jägerin weiter.

In diesem Moment wurde die Stille im Bus durch ein lautes, grelles Geräusch unterbrochen. Faith sah erschrocken auf, griff nach dem Handy und hob ab.

„Ja?“
 

+++
 

Cleveland

„Uhm Faith? Giles hier.“ Er wechselte kurz den Hörer in die andere Hand. „Ich hätte einen Auftrag für euch.“
 

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Pennsylvania

”Was? Ach so.. Moment!", Faith drehte sich vom Fenster weg, durch welches sie noch kurz erblickte, wie Vi Ronah durch einen Schulterwurf zu Boden brachte. "So.. jetzt.. großer Wächter.. was kann Ihre Stoßtruppe für Sie tun?“
 

+++
 

Cleveland

Mehr erheitert über Faith’ Worte, lächelte Giles in den Hörer und rieb sich die Stirn über der rechten Augenbraue. "In der Nähe von euch lebt einer der wenigen glücklichen, überlebenden Wächter. Er versucht jetzt allerdings mit acht Jägerinnen klar zu kommen," sein Lächeln verzog sich zu einem schadenfrohen Grinsen. Wenigstens erfuhr so jetzt mancher Kollege, wie es war mit einer Horde junger Mädchen zu leben. Die letzten Monate in Sunnydale waren die Hölle gewesen. Nicht nur wegen des Urbösen. Die erkämpfte Reihenfolge für das Badezimmer, der Streit um das letzte, frische Handtuch, vermisste Haarbürsten, Zahnspangen und das Verwechseln von Zahnbürsten konnten einem den letzten Nerv rauben. "Aber das nur am Rand. Es... uhm.. geht um ein Buch, das ihr abholen müsst."
 

+++
 

Pennsylvania

„Ein Wächter und acht Jägerinnen? Wow.. ich muss Bill hier mal sagen, dass er sich mit drei noch glücklich schätzen kann... ," kurz drehte Faith ihren Kopf noch einmal zum Fenster und musste mit einem leichten Lächeln feststellen, dass Ronah Robin durch einen Tritt zu Boden brachte. "Bücher? Oh .. Bücher kann ich gut abholen.. erinnern Sie sich noch an diese Bücher des Aufstie... uhm.. ich meine.. okay.. sind diese Bücher etwas besonderes?"
 

+++
 

Cleveland

„Uhm.. Bill?“ Fragte Giles kurz verwirrt nach und bekam zeitgleich ein mulmiges Gefühl, als Faith kurz an ihre dunkle Seite erinnerte. Und das nach so vielen Jahren.
 

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Pennsylvania

Faith schluckte kurz und verdrängte die Erinnerungen an Willkins und die vergangene Zeit zurück, vergrub sie tief in ihrer Seele. "Uhm.. ach so.. ich meine Robin..," antwortete sie leicht abwesend."... was ist nun mit den Büchern? Was macht sie so wichtig, das Sie uns dorthin schicken, anstatt irgendeinen jungen Wächtergehilfen?"
 

+++
 

Cleveland

„Oh uhm.. gut..,“ Giles wunderte sich zwar noch immer was Bill mit Robin gemein hatte, aber da die Recherchearbeit auf ihn wartete, wollte er das Gespräch kurz halten. „Ein Buch. Es geht um ein einziges Buch,“ berichtigte Giles Faith. „Es befindet sich in Clearfield. Der Wächter heißt O’Bailey.“ Er gab Faith die genaue Adresse und Telefonnummer. „Ich werde ihn aber anrufen und Bescheid geben. Was die Wichtigkeit betrifft... Buffy hatte womöglich einen Prophezeiungstraum.“ Er räusperte sich umständlich. „Ich, eh... ich bin mir nicht sicher, ob dir jemals jemand davon erzählt hat, oder du eine Ahnung von Prophezeiungsträumen hast...“
 

+++
 

Pennsylvania

"Gut.. wir werden uns auf den Weg machen. Prophezeiungstraum? Nein.. nie was von gehört..," Faith wunderte sich. Giles meinte doch nicht diesen Traum, der sie letzte Nacht so vor Angst erschaudern ließ.. dieser schreckliche Alptraum...
 

+++
 

Cleveland

„Wie soll ich dir das kurzgefasst erklären?“, seufzte Giles. „Wenn etwas Großes bevorsteht, wie ein Weltuntergang zum Beispiel, hat eine Jägerin oftmals einen Traum, in dem sie diesen vorhersieht. Allerdings scheint Kennedy nicht wie Buffy von einem Traum heimgesucht worden zu sein,“ sinnierte Giles abwesend, ehe er sich bewusst wurde, dass er noch immer Faith in der Leitung hatte. „Buffy hat von Reitern geträumt, die Chaos über das Land bringen. Wir müssen unbedingt mehr darüber herausfinden, gerade da Reiter in den Mythologien und Religionen eine große Rolle spielen. In diesem Buch könnten wir wichtige Hinweise finden.“
 

+++
 

Pennsylvania

"Echt? Das muss mein letzter Wächter wohl vergessen haben, mir zu erklären..," Faith dachte an den Traum zurück, und an das heiße Feuer, dass sie am Schluss ergriff. "Kann Buffy nicht einfach nen’ Alptraum gehabt haben?"
 

+++
 

Cleveland

„Die Möglichkeit besteht immer,“ gab Giles zu. „Aber für gewöhnlich sind diese Träume realer, als man es sonst empfindet. Intensiver.“
 

+++
 

Pennsylvania

Faith wurde es immer mulmiger zumute. War es möglich, dass sie so einen Traum gehabt hatte, zusammen mit Buffy? "Aber .. wieso sollte nur B. vom Weltuntergang träumen? Müssten Ihre Leitungen nicht heißlaufen wegen anderen Jägerinnen, die ebenso diesen Traum hatten? Ich meine vielleicht ist B. einfach ein bisschen hysterisch.. nach allem was letztes Jahr so passiert ist.. "
 

+++
 

Cleveland

Das war eine gute Frage, über die er noch gar nicht länger nachgedacht hatte. Nicht ob Buffy hysterisch war, aber wieso niemand außer Buffy den Traum gehabt hatte. „Es ist anzunehmen oder davon auszugehen. Allerdings hat mich bis jetzt noch niemand deswegen angerufen. Hm...,“ es fiel ihm schwer zu zugeben, dass er darauf keine Antwort hatte. Die Situation mit so vielen Jägerinnen war ihm genauso neu und fremd wie allen anderen auch. „Buffy hat dich im Traum gesehen... was natürlich nichts bedeuten muss, aber falls du ähnliches träumst, solltest du mit Robin sprechen und mich anrufen.“
 

+++
 

Pennsylvania

Nicht nur, dass sie in ihrem Traum Buffy gesehen hatte, nein.. Buffy hatte auch sie gesehen! Sie konnte das alles nicht glauben. Sie und Buffy konnten doch unmöglich den gleichen Traum gehabt haben?
 

"Und in ihrem Traum kamen Pferde vor? Okay.. ich werde mich melden, wenn ich so etwas Träume." Faith wurde auf einmal wieder mit dem Traum konfrontiert. Die Bilder der blinden Zerstörungswut der Reiter versetzte sie wieder in einen unerwarteten Angstzustand, der sie veranlasste, mit ihrer freien Hand eine Faust zu formen. Ohne es zu merken, presste sie diese so fest zusammen, dass die Blutzufuhr unterbrochen wurde. Sie konnte doch nicht in so einem Zustand zu Robin gehen.. sie konnte sich ihrem Wächter gegenüber nicht so angsterfüllt zeigen.. sie war eine Jägerin.. sie hatte keine Angst...
 

+++
 

Cleveland

„Ja, Reiter, eine Oase, eine Pyramide, Wasser, Feuer...,“ versuchte Giles alles aufzuzählen, was Buffy ihm berichtet hatte. „Gut.. falls nicht, melde dich spätestens, wenn ihr das Buch habt.“ Damit verabschiedete er sich von Faith und ging zurück zu den anderen in den Konferenzraum.
 

++++
 

Pennsylvania

Faith legte den Hörer beiseite, und stieg aus dem Bus.
 

"Faith, du wir gehen gleich Einkaufen.. kommst du mit?" schrie Ronah vom Trainingsplatz her.
 

"Nein.. !", antwortete diese, sah sich noch einmal kurz zu den dreien um, und begann sich dann vom Bus weg zu bewegen.. sie lief so schnell sie konnte.. sie brauchte jetzt Zeit für sich.
 

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Cleveland, Wächterhaus

ein oder zwei Stunden später

Willow klickte sich noch immer durch die Homepage dieser, von ihr inzwischen als Sekte bezeichnete Organisation. Anders konnte sie den Inhalt der Seite nicht bewerten. Sie versuchte seit mehr als zwei Stunden herauszufinden, wer die Homepage betrieb, oder wer der Guru der Sekte war. Doch das gestaltete sich als recht schwer. Die Seiten waren zu verschachtelt aufgebaut und stellenweise schien man Seiten verschlüsselt zu haben oder verwendete eine dämonische Sprache.
 

Der Rest der Gruppe brütete währenddessen über den Büchern. Dawn starrte Löcher in die Luft. So richtig war sie nicht bei der Sache. Sie dachte über den Ball nach und darüber, dass Andrew ihr eine Antwort schuldig geblieben war. Musste sie jetzt doch alleine auf den Ball? Vielleicht sollte sie mit Buffy darüber reden. Sie hatte sicher genug Erfahrung in ihrem Leben gesammelt, die sich um Jungs, den Schulball und Begleiter drehten. Dawn stand auf, strich sich nervös ihr Shirt glatt und ging zu Buffy, die alleine an einem der Nebentischchen saß. „Ehm.. Buffy.. kann ich dich mal kurz etwas fragen?“
 

Buffy sah von ihrem Buch auf und nickte knapp. „Wenn’s nicht zu lange geht?“
 

+++
 

Am Bücherregal

"Xander? Ich...uhm...müsste dich was fragen?"
 

Xander schob das Buch, das er gerade überflogen hatte, ins Regal zurück, und wandte sich Andrew zu, welcher mit nervöser Miene vor ihm stand. "Was gibt's, Nr. 1?"
 

"Dawn hat mich gefragt, ob ich mit ihr auf den Hallowe’enball gehe. An ihrer Schule."
 

"Tatsächlich?" fragte Xander überrascht. Das hatte er nicht erwartet. Hatte Dawnie es doch tatsächlich satt, darauf zu warten, dass der schüchterne Andrew den ersten Schritt machte. So was sah ihr eigentlich gar nicht ähnlich! "Wie es scheint, hat Captain Dawnster auf Warpgeschwindigkeit geschaltet," grinste er und sah Andrew erwartungsvoll an. "Und? Hast du ihr schon eine Antwort gegeben?"
 

+++
 

Am Tisch

Buffy sah Dawn an, als hätte sie der Blitz getroffen. „Andrew,“ fragte sie entsetzt, fast eine Spur zu laut. „Du willst ausgerechnet mit Andrew dorthin?“
 

„Wieso nicht,“ erwiderte Dawn etwas irritiert.
 

„Ich dachte ihr beide seid nur Freunde,“ fuhr Buffy etwas leiser fort, aus Angst jemand bekäme das Gespräch mit. „Wenn du mit einem Jungen auf einen Ball gehst, signalisiert das immer gewisse.. uhm...nun ja Signale.“
 

„Sehr hilfreich,“ grinste Dawn. „Und wenn es dich beruhigt.. Andrew und ich sind nur Freunde,“ versicherte sie unschuldig. „Daher würde er sicher nicht nein sagen. Immerhin war Andrew noch nie auf einem Ball. Es wäre also auch eine gute Tat. Zudem,“ fügte sie ernst hinzu, „wissen wir von Andrew, dass er kein Vampir oder Dämon ist.“
 

Buffy grinste schwach, ehe sie antwortete. „Dann frag ihn doch einfach,“ schlug sie schließlich ihrer kleinen Schwester vor. Dabei fühlte sich Buffy sehr unsicher bei ihrem Rat. Noch immer war sie sich nicht ganz klar darüber, was jene Szene in Dawns Zimmer bei Giles zu bedeuten hatte, als sie die beiden dort eng umschlungen vorgefunden hatten. Allerdings spürte sie auch, wie sehr Dawn sich daran klammerte, dass Andrew ja sagen könnte und sie eine Begleitung für den Ball hatte.
 

„Das habe ich ja schon,“ seufzte Dawn.
 

„Du hast einen Jungen gefragt?“ Buffy schüttelte den Kopf. „Ich glaube, du musst noch sehr viel lernen. Auch wenn es NUR Andrew ist.“
 

+++
 

Am Bücherregal

"Ich möchte ja," murmelte Andrew leise. "Aber ich war noch nie auf einem Ball, und ich weiß überhaupt nicht, wie so etwas abläuft. Wenn ich nun etwas Falsches sage, oder tue, dann fällt das auf Dawn zurück, und sie ist bei den anderen unten durch."
 

Xander sah ihn nachdenklich an. Wahrscheinlich war Andrew während seiner Schulzeit zu schüchtern gewesen, um ein Mädchen um eine Verabredung zu bitten. Und falls er es doch getan hatte, nun ja, er war bestimmt nicht der Typ gewesen, dem die Frauen hinterherliefen. Das weckte doch eine Menge Erinnerungen.
 

"Hey!" Xander sah ihn aufmunternd an. "Weißt du, wie lange es bei mir gedauert hat, bis sich endlich ein Mädchen für mich interessiert hat? Jahrelang war ich nur der Trottel, über den sie sich lustig gemacht haben. Aber eines Tages - ganz unerwartet - verliebte sich das hübscheste Mädchen unserer Schule in mich. Und das, obwohl sie mich eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte." Er hob die Hand. "Das ist kein Märchen, es ist wirklich passiert!"
 

"Buffy hat sich in dich verliebt?" fragte Andrew neugierig.
 

Xander stutzte. "Na, eigentlich hab ich von einem anderen Mädchen gesprochen. Aber was soll's, es geht ja jetzt gar nicht um mich. Ich wollte dir nur klar machen, dass auch ein durchgeknallter Star Trek Fan eine Freundin finden kann. Er muss einfach nur an sich glauben, und die Dinge etwas lockerer sehen!"
 

"Ja gut, aber was hat das mit mir und dem Hallowe’en Ball zu tun," fragte Andrew noch viel verwirrter.
 

Xander seufzte.
 

+++
 

Am Tisch

Dawn verzog ihr Gesicht zu einer gequälten Miene. „Er hat ja nicht zugesagt, aber auch nicht abgesagt. Soll ich ihn noch einmal fragen?“
 

„Auf keinen Fall,“ beeilte sich Buffy zu sagen. „Warte, bis er den nächsten Schritt macht. Wenn er wirklich mit dir gehen möchte.. ich meine gehen im Sinne von.. auf den Ball gehen, dann wird er zu dir kommen.“
 

Erleichtert darüber, dass ihre Schwester ihr die Entscheidung so leicht machte, stand Dawn auf. Am liebsten hätte sie Andrew doch selbst noch einmal gefragt, aber sie wollte den Rat von ihrer großen Schwester annehmen und beherzigen. Zudem schien Andrew in ein Gespräch mit Xander vertieft zu sein. Es würde warten müssen. Mit einem raschen Blick auf die Uhr, stellte sie fest, dass es Zeit für ihren Job wurde. „Ich muss los Leute,“ verabschiedete sie sich von allen und verließ den Raum.
 

+++
 

Am Bücherregal

Xander blickte noch immer in Dawn's Richtung, als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Warum musste das alles immer wieder so kompliziert sein? Dawn mochte Andrew, und Andrew mochte Dawn. Doch, bis es den beiden klargeworden war, und sie endlich darüber geredet hatten, würde wohl noch ewig Zeit vergehen. Es war nicht anders als damals, als er selbst noch ein Teenager gewesen war.
 

Aber so naiv und unbedarft wie Andrew war er mit zwanzig nicht mehr gewesen. Dieser Junge war wirklich ein Spätzünder und die Pubertät war restlos an ihm vorübergegangen, ohne einen Zwischenstop einzulegen! Inzwischen glaubte er ihm sogar, dass in der Nacht, die er bei Dawn geschlafen hatte, wirklich nichts passiert war. Andrew war viel zu schüchtern, um sich etwas in der Richtung zu trauen, und hatte wahrscheinlich auch nicht viel Ahnung, wie. Obwohl er doch von seinen Filmen und Serien her einiges mitbekommen haben müsste.
 

"Erinnerst du dich an die TNG Folge, in der Wesley sich in diese außerirdische Prinzessin verliebt?"
 

Andrew nickte begeistert. "Das war so romantisch. Ich fand es so traurig, dass sie am Schluss weggehen musste. Und er hat sie immer noch geliebt, als er wusste, dass sie in Wirklichkeit ein Lichtwesen... oh!" Erkenntnis blitzte in seinen Augen auf. "Du glaubst also...dass ich und Dawn...aber so ist das nicht! Wir sind nur gute Freunde!"
 

"Immerhin hat sie dich um eine Verabredung gebeten." Xander blickte ihn forschend an. "Meinst du nicht, dass da ein bisschen mehr dahintersteckt?"
 

Diese Frage schien Andrew ein wenig zu verunsichern. "Ich weiß nicht. Ich kenn mich nicht aus, mit so was. Es ist kompliziert," erklärte er mit hilflosem, leicht abwesendem Gesichtsausdruck.
 

"Deshalb bin ich ja da, um dir zu helfen," grinste Xander. "Du willst mit Dawn auf diesen Ball gehen? Mach es so, Nr.1!"
 

+++
 

Selber Raum, einige Zeit später

"Willow?", flüsterte Kennedy, als sie ihre Freundin von hinten umarmte, und ihren leicht süßlichen Duft wahrnahm, der sie an manch zärtliche Momente erinnerte. Augenblicke, die es leider in letzter Zeit nicht so oft gab. Zuerst ihre örtliche Trennung dank des Einsturzes von Sunnydale, und in den letzten Tagen kam immer etwas dazwischen. Willows Klausuren, die Patrouille,... hinzu kam, dass Willow strikt noch immer darauf bestand, in verschiedenen Wohnungen zu leben, was Kennedy nicht immer besonders leicht fiel.
 

"Mhm?", fragte Willow, noch immer vertieft in ihren Laptop. Am Bildschirm bauten sich neue Fenster auf, und Kennedy folgte den Fingern, die flink über die Tastatur flogen.
 

Leicht enttäuscht, schmiegte sich die Jägerin näher an Willow, die sie nicht einmal eines Blickes würdigte, starr auf den Display schaute, und die Zeilen überflog.
 

"Wie wär’s mit einer Pause Liebling?"
 

"Pause?", antwortete Willow, und sah nun ihrer Freundin in die Augen. "Ja, Pause,...du sitzt hier schon einige Zeit, und ich denke, für ein paar Minuten könnten wir die anderen auch allein die Recherche übernehmen lassen, oder?", entgegnete Kennedy erwartungsvoll, und sprach etwas lauter, um Zustimmung der anderen zu erhalten.
 

"Ich weiß nicht, schließlich zählt Giles auf uns und,..."
 

"Du kannst dir ruhig 'ne Auszeit nehmen Willow, wir kommen hier auch allein klar, und in den alten staubigen Büchern findet man vielleicht doch noch mehr Informationen als in deiner Kiste.", lächelte Xander, der Kennedy ihre Enttäuschung ansah.
 

Als wäre es nur durch seinen Ausspruch geschehen, stellte Andrew einen neuen Stapel Bücher krachend vor ihm ab, und so bahnte sich der Staub den Weg zu Xanders Nase, der danach einem Hustenanfall unterlag. Für einen Augenblick sah Andrew ihn fragend an, doch dann zuckte er mit den Schultern, und setzte sich ans andere Ende des Tisches.
 

Die beiden Verliebten grinsten, und so schaltete Willow ihr Notebook mit einem Mausklick in den Standby Modus, und stolperte fast Kennedy hinterher, die sie mit sich zog. Der einzige Raum in dem sich niemand der Scoobies befand war der große Konferenzraum, und so wurde dieser von Kennedy auserkoren, um endlich wieder für kurze Zeit mit ihrer Willow allein sein zu können.
 

"Und was haben wir jetzt vor?", fragte die Rothaarige, die fasziniert von Kennedy war, als die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster geworfen wurden, die Schönheit ihrer Freundin noch mehr untermalten. "Mhm.. was ist?", fragte Willow, die nach ein paar Sekunden nur einen Windhauch, der ihre Lippen streifte, spüren konnte.
 

"Ich würde gern öfter in deine Augen sehen, dir nah sein..."
 

"Aber das bist du doch jetzt?", entgegnete Willow verwirrt.
 

"Ja, vielleicht in diesem Augenblick...aber vielleicht verstehst du nicht was ich meine... Hattest du noch nie das Gefühl jemanden so zu vermissen, obwohl man wenige Zentimeter von dieser Person entfernt ist? Du bist einfach immer mit den Gedanken wo anders..."
 

"A-Aber ich war damit beschäftigt, Infos für uns zu suchen? Das ist etwas vollkommen anderes!"

"Ist es etwa immer etwas anderes? Natürlich, okay ich hab’ akzeptiert, dass du nicht willst, das wir zusammenziehen, und dass du nicht jede freie Sekunde mit mir verbringen willst, aber..."
 

"Wer hat bitte gesagt, dass ich nicht jede Sekunde mit dir verbringen will?", Willow schnitt ihr das Wort ab. "Wieso denkst du das? Ich bin mit dir zusammen, Ken, und ich würde alles dafür aufgeben, um dir immer nah sein zu können.", sie sah die Jägerin durchdringend an, doch diese schüttelte nur ihren Kopf, und funkelte sie an.
 

"Ich habe es gesagt, und glaubst du nicht, dass ich es nicht fühlen kann, dass du es nicht tust? Es gibt einfach immer etwas Wichtigeres als mich. Weißt du, wie leid ich es bin, immer hinten anzustehen, und darauf zu warten bis alles andere erledigt ist? Du hast immer noch für jeden anderen Zeit gefunden, für Dawn, Buffy, doch für deine Freundin? Es kommt mir schon so vor als würdest du mich manchmal nur als lästigen Zeitvertreib sehen!"
 

Willow wusste nicht was sie antworten sollte, bis vor wenigen Sekunden dachte sie, zwischen ihr und ihrer Freundin gäbe es keinen Grund für eine solche Auseinandersetzung. Kennedy sah ihr noch immer in die Augen, es brannte ein Feuer in ihr, das nun bereit war alles in sich Aufgestaute frei zu lassen. Willow war, als würde sie mit ihrer Freundin mitfühlen können, ihren Schmerz tief in ihrer Seele spüren, und noch nie war ihr so klar, dass sie sie vielleicht doch links liegen gelassen hatte. Aber was war so falsch daran den Rat aufzubauen? Giles bei seiner Arbeit zu unterstützen? Sich am College wieder anzustrengen, um dem Wunsch, endlich keine Unterbrechung ihres Studiums mehr zu riskieren, nachzuhängen?
 

"Ich,...", flüsterte Kennedy, und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Sie hatte sich schon lange von Willow gelöst, ihre Hände ballten Fäuste, zitterten leicht. Wie konnte diese Frau sie so wahnsinnig machen? So wahnsinnig nach der Liebe zu ihr, und doch nicht das zu bekommen was sie wollte.

Willow bekam eine kleine Gänsehaut als Kennedy die Stille durchbrach, sah ihr in die Augen.

Die Jägerin konnte diesen Gesichtsausdruck nicht ertragen, sie konnte fühlen, wie eine Träne ihre Wange hinunterlief, doch das wollte sie nicht. Sie wollte hier nicht gegenüber von ihrer Traumfrau stehen, und heulen wie ein Kleinkind, nein, nicht sie.
 

Mit einem gleichgültigen letzten Blick zu Willow, ging sie an ihr vorbei, schloss die Tür hinter sich. Willow starrte aus dem Fenster, hörte das Rauschen des Windes, und Kennedy wie sie die letzten Schritte auf dem Flur mit einem Knarren hinter sich ließ...
 

AKT 2
 

Konferenzraum, Wächterhaus

einige Minuten später

"Was...?", flüsterte die verwirrte Willow. Sie richtete ihren Blick noch immer aus dem Fenster, konnte die Wärme langsam an sich vorbeiziehen spüren, die sich vor ein paar Minuten noch ausbreitete, aber der nun durch Kennedys Worte dieses wohlige Gefühl von Zärtlichkeit genommen wurde.
 

Erst das Krachen als die Haustür ins Schloss fiel, riss sie aus ihrer Trance. Was hatte sie nun wieder falsch gemacht? War es wirklich so, dass sich Kennedy vorkam, als würde sie sich nicht im Geringsten für sie interessieren? Sie hätte es bemerkt, wenn es so gewesen wäre. Hätte gemerkt wie es in dem Inneren ihrer Freundin aussah.
 

Eine solche Reaktion hätte sie niemals erwartet. Vielleicht war es Zeit für diese Worte gewesen, Zeit ihr die Augen zu öffnen. Zeit, sie allein in diesem kargen Raum stehen zu lassen, ihre Gedanken zu durchwühlen, die immer noch von den nicht ausreichenden Ergebnissen der Recherche erdrückt wurden.
 

Sie wollte sich nie mit Kennedy streiten. Sie nie so verletzen, wie sie es anscheinend unbewusst getan hatte. In letzter Zeit hatte sie sich mehr auf andere Dinge konzentriert, doch sie wusste nicht ob es wichtigere Dinge waren. Kennedy gab ihr ein Gefühl, für dass sie alles aufgeben würde, doch sie hatte schon so oft etwas aufgeben müssen, um alles mehr oder weniger gekämpft. Wahrscheinlich wollte sie nicht auch um Kennedy kämpfen, es war so selbstverständlich jemanden zu haben, an dem man sich fest halten konnte.
 

Willow fühlte einen Kloß in ihrem Hals, konnte nur erahnen dass Kennedy sie vielleicht nie wieder sehen wollte, da sie ihr nie gesagt hatte, wie viel sie ihr bedeutet. Doch sie wusste, dass sie versuchen musste, es ihr zu zeigen, ihr zu beweisen, dass sie ihre Welt war.
 

Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, wie sie mit ein paar Worten alles wieder gut machen konnte. Aber es war die einzige Möglichkeit.
 

Wenn sie sich nur sicher sein könnte, dass es richtig war. Ob sie Versprechen die sie machen würde, wirklich einhalten könnte, und ob es wirklich einen Platz für Kennedy in ihrem Leben gab.
 

Sie hatte sie gebraucht, gebraucht um Taras Tod schlussendlich zu akzeptieren, und für kurze Zeit mit ihr glücklich zu sein. Sie würde es nicht aushalten können, wenn Kennedy mit ihr vielleicht nicht glücklich sein konnte. Doch es kam ihr wie ein Versuch von ihrer Freundin vor, sie wieder aufeinander zu fixieren, zu wollen, dass die beiden sich wieder viel näher kamen, geistig wie auch körperlich.
 

+++
 

Vor dem Ratsgebäude

selbe Zeit

Wieso? Wieso musste sie mit Willow reden? Wieso hatte sie nicht einfach ihre Augen geschlossen, sie geküsst und alles um sich herum vergessen? Es war ein Fehler mit ihr zu diskutieren. Als hätte sie sich diese Worte überlegt, doch sie hatte nicht einmal genauer darüber nachgedacht, nie vorher auch nur einen Gedanken daran verschwendet. Vielleicht hatte sie diese Gedankengänge einfach nur so lange in ihrem Inneren vergraben, bis sie sich eines Tages endlich den Weg an die Oberfläche gesucht hatten. Hatte sie nun alles zerstört? Sie hatte schon immer alles kaputt gemacht, wieso jetzt nicht auch diese Beziehung?
 

Kennedy lehnte sich gegen den nächsten Baum, hatte das Haus hinter sich gelassen und hörte nur das Rauschen der wenigen Autos, die an ihr vorbeifuhren. Der kalte Wind brannte leicht in ihren Augen, hatte aber dennoch die sich anbahnenden Tränen getrocknet. Die grauen Wolken verliehen dem Tag eine trübe Stimmung, nahm den Straßen und deren Umgebung das Leuchten.
 

Die Jägerin sank in sich zusammen, schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine. Der Boden war kalt, leicht feucht, doch es störte sie nicht. Das einzige was sie störte war ihre eigene Dummheit. Sie konnte nicht zu Willow gehen und sich entschuldigen, sagen, dass sie einfach alles vergessen sollte, was in der letzten halben Stunde zwischen den beiden geschehen war..
 

+++
 

"Ken...?", flüsterte Willow, die kurz vor der Jägerin stehen geblieben war. "Was machst du hier?"
 

Kennedy hatte sie nicht kommen gehört, vielleicht war sie einfach nur mit den Gedanken so weit abwesend gewesen, dass sie nichts anderes mehr wahrnehmen konnte.
 

"Nach was sieht es denn aus Will? Ich sitze hier, warte auf dich, und auf dass das du mir sagst, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, weil ich wohl total überreagiert habe...", entgegnete Kennedy ruhig aber bestimmt, ohne Kraft ihrer Freundin in die Augen zu sehen.
 

Sie hatte allein schon als sie ihren Kopf hob, Willows Gesichtszüge erkennen können, die schon wieder diesen unaushaltbaren Blick zeichneten, dem sie einfach nicht stand halten konnte.
 

"Ich denke, da kannst du etwas lange warten, weil das wohl nicht geschehen wird...", sagte Willow. "Ich bin wohl schuld an der ganzen Sache. Ich hätte dir nie meine Abweisung zeigen müssen. Es.. es ist einfach so schwer alles unter einen Hut zu bringen, und da vergisst man wohl immer das Wichtigste..."
 

"Wenn ich nicht so blöd gewesen wäre und alles gesagt hätte, dann wären wir wahrscheinlich gerade mit ziemlich netten Dingen beschäftigt."
 

"Wir haben sicher noch demnächst Zeit, um uns mit diesen Dingen zu beschäftigen.", grinste Willow. Auch wenn sie keinen blassen Schimmer davon hatte, wann sie Zeit hatten. Aus diesem Grund war dieser Streit entstanden, und sie hatte Angst, dass ein neuer mitentstehen könnte.
 

"Demnächst..", sagte Kennedy leise vor sich hin, als wüsste sie genau dass Willow mit diesem Wort jeglichen Zeitpunkt der Zukunft meinen konnte.
 

"Es tut mir leid...", flüsterte Willow Kennedy ins Ohr, als sie sich zu ihr gekniet hatte, und ihr anschließend in die Augen sah. Der Jägerin blieb nichts anderes, als ihren Blick zu erwidern. Willow fasste es anders auf, beugte sich vor um Kennedy zu küssen, doch diese rührte sich nicht, sah sie noch immer an, und murmelte: "Demnächst, wenn wir mehr Zeit haben..."
 

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Cleveland Rides

Spätnachmittag

„Hier fang!“, Spielerisch warf Shin Dawn ein Päckchen zu. Sie fing es auf, wenn auch total überrumpelt, er hatte sie vollkommen unvorbereitet erwischt. „Hey!“, protestierte sie, doch als sie Shins breites Grinsen sah, lächelte sie amüsiert. Shin war so ein…
 

Dawn kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn sie wurde unterbrochen. „Wenn ich das noch einmal sehe, dann gibt’s Ärger!“. Carl Trust war hinter den beiden aufgetaucht, und sah Dawn und Shin streng an. Dawn lächelte entschuldigend und verstaute das Päckchen in ihrem Rucksack.
 

„Hai, Boss-sama!“. Immer noch grinsend verbeugte sich Shin. Die kleine Ermahnung konnte wohl nicht verhindern, dass er die Situation amüsant fand. Er war eben eine Frohnatur, das wusste Dawn, und er ließ sich nur äußerst selten die Laune verderben.
 

Carl Trust drehte sich von den beiden weg und winkte zwei bullige Jungs heran, die in einiger Entfernung an der Wand lehnten und schon seit geraumer Zeit zu Dawn und Shin hinüber gestarrt hatten. Nun kamen sie in ihre Richtung getrottet und blieben neben der kleinen Gruppe stehen. Argwöhnisch betrachteten die beiden Neuankömmlinge ihre Gegenüber…
 

Trust wendete sich wieder Dawn und Shin zu. „Das sind Vincent und Gregory, die beiden fangen hier neu an!“. Er warf Dawn einen kurzen Blick zu. Sie grinste verlegen. Endlich nicht mehr die Neue…
 

„Hi…!“, Shin streckte den beiden Jungs die Hand entgegen, doch diese sahen Dawn und Shin nur abschätzend an und folgten dann Carl Trust, als dieser in sein Büro verschwand.
 

"Ein bisschen Höflichkeit könnte euch auch nicht schaden!" rief Dawn den beiden hinterher.
 

"Unsicherheit, kombiniert mit Selbstzweifel, neh?" Gelassen zuckte Shin die Schultern. „Was soll’s! Lass uns fahren!" Er warf Dawn sein gewohnt lockeres Grinsen zu, schnappte sich seinen Rucksack und das Fahrrad und verschwand Richtung Ausgang.
 

Dawns Blick wechselte von Shin zur Tür von Carl Trusts Büro und wieder zurück. Solche Typen nervten sie, das konnte sie nicht ändern. Aber sie konnte auch nicht ewig hier rumstehen und sich darüber aufregen, also nahm sie ihr Fahrrad und folgte Shin nach draußen…
 

+++
 

Cleveland, Friedhof

Selbe Zeit

”Und wieder haben unsere Helden eine neue gefährliche Mission zu erfüllen,” flüsterte Andrew wichtigtuerisch und spähte um einen Grabstein herum. Er zog den Kopf jedoch sofort ängstlich zurück, als vor ihm Kennedy‘s wütendes Gesicht auftauchte. ”Fall mir auf den Wecker, und du bist tot, klar?”
 

Andrew schluckte und versteckte sich vorsichtshalber hinter dem Stein. Einer wütenden Kennedy kam man besser nicht die Quere. Fast so schlimm, wie eine wütende Willow, aber zum Glück auch nur fast.
 

Kennedy beachtete ihn nicht weiter. Sehnsüchtig starrte sie den stillen schattigen Hang hinunter zur Friedhofsmauer, als könne sie dadurch die Monster aus ihren Gräbern locken. Für Vampire war es noch ein wenig zu früh, aber ein paar Dämonen wären jetzt genau das Richtige, um ihre aufgestaute Wut loszuwerden. Wo waren die komischen Viecher mit den vielen Nasenlöchern, die angeblich die Stadt unsicher machten? Immer, wenn man jemanden zum Verprügeln brauchte, war keiner da.
 

”Vielleicht suchen wir am falschen Ort,” überlegte Xander, als er seinen Blick über den Friedhof schweifen ließ. ”In Giles‘ Büchern stand nichts davon, dass die Iah K‘uru unbedingt in Friedhöfen rumlungern würden. Eigentlich könnten wir es ebenso gut in ... sagen wir mal ... Restaurants mit leckerem warmen Essen versuchen.”
 

”Videospielarcaden vielleicht,” schlug Andrew hoffnungsvoll vor. ”Oder wie wär’s mit Kinos?”
 

”Wie wär’s mit einer anderen Arbeitsmoral?” fauchte Kennedy.
 

”Kennedy! Hey!” Xander trat vor die junge Jägerin und sah sie ruhig, aber bestimmt an. "Du musst uns auch mal eine Auszeit gönnen! Immerhin rennen wir hier seit einer Ewigkeit in der Gegend herum, und unsere Dämonen lassen sich nicht blicken. Andrew und ich haben nunmal nicht die Kondition einer Jägerin, das darfst du nicht vergessen."
 

”Schon klar.” Anstatt sie zu beruhigen, hatte Xander’s kleine Ansprache sie nur noch wütender gemacht. Sie hasste, es durchschaut zu werden, und Xander durchschaute sie, soviel war sicher. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte ihr einfach ihre miese Laune vorgeworfen, anstatt den Verständnisvollen zu spielen. So kam sie sich, wie ein dummes kleines Mädchen vor, das seine Gefühle nicht im Zaum halten konnte. Was brauchte es eigentlich, um jemanden wie Xander aus der Fassung zu bringen?
 

”Du solltest auf ihn hören, Padawan, er ist erfahren und weise!” Aufmerksam hatte Andrew die ganze Szene verfolgt. Gedankenverloren spielte er mit seinem Star Wars Schlüsselanhänger, als er weiterredete. ”Du trägst zuviel Wut in dir, junge Jedi!”
 

”Halt endlich die Klappe!” Mit zwei Sätzen landete Kennedy neben ihm und riss ihm den Schlüsselanhänger aus der Hand. ”Du hast doch keine Ahnung von gar nichts! Du hast doch nichts im Kopf, außer deinen blöden Filmen, und was echte Menschen denken, was sie fühlen, was in ihrem Leben wichtig ist, ist dir alles scheißegal!” Ihre Stimme überschlug sich, und sie spürte heiße Tränen in ihren Augenwinkeln. ”Das existiert alles nicht für dich! Für dich existiert überhaupt nichts, außer deiner bescheuerten Phantasiewelt!”
 

Mit aller Kraft warf sie den Anhänger weg, und hörte im nächsten Moment das Platschen von Wasser. Das nahm sie aber schon gar nicht mehr bewusst wahr, vor ihren Augen verschwamm alles, als sich die Tränen ihren Weg nach draußen bahnten.
 

”Ken...” Xander sagte nichts weiter, er nahm sie einfach nur in die Arme, und als er sie festhielt, konnte sie förmlich spüren, wie sie die Kontrolle über sich zurückerlangte. ”Tut mir leid,” brachte sie mühsam heraus, ”ich führ mich hier grad, wie ein kompletter Trottel auf, tut mir echt leid!”
 

”Ich bin nicht derjenige, bei dem du dich entschuldigen solltest.” Mit väterlicher Geste reichte Xander ihr ein Taschentuch, damit sie sich die Tränen abwischen konnte. Sie sah sich nach Andrew um, doch dieser hatte sich abgewandt und starrte mit fassungslosem Blick auf den Brunnen an der Friedhofsmauer, als könne er nicht begreifen, was soeben geschehen war.
 

”Tut mir echt leid,” wiederholte sie unsicher, und trat einen Schritt auf ihn zu. ”Das, was ich über dich gesagt habe, mein ich, ich hab’s nicht so gemeint! Ich war einfach nur sauer, wegen dem Krach mit Willow, und ich wollte nicht...”
 

”Wieso hast du das gemacht?” fragte Andrew mit tonloser Stimme, und Kennedy hatte das Gefühl, dass es ihn gar nicht zu interessieren schien, was sie ihm vorgeworfen hatte, und noch weniger, dass sie ihm gerade ihr Herz ausschüttete. Ihm ging es nur darum, dass sein Spielzeug weg war, sein blödes kleines Raumschiff, welches sie aus Versehen in den Brunnen befördert hatte.
 

Sie begriff absolut nicht, wie jemand so sein konnte.
 

+++
 

Cleveland, unterwegs

einige Zeit später

Shin steuerte sein Fahrrad zielsicher an den Pfützen vorbei, die nach dem letzten Regen noch immer nicht getrocknet waren. Die Sonne schien nur selten ihr Licht in diese Gasse zu werfen, denn die Hauswände thronten hoch und die Gasse war eng. Ein trostloses Stück Asphalt…
 

Ein kurzer Zug an der Bremse und das Rad blieb stehen. Shin stieg ab und lehnte es gegen die Mauer. Ein ebenso kurzer Blick über seine Schulter versicherte ihm, dass Dawn ebenfalls schon abgestiegen war und ihr Rad an der gegenüber gelegenen Mauer abgestellt hatte. Er lächelte kurz, wendete sich wieder seinem Fahrrad zu und versicherte sich noch einmal, dass es einen festen Stand hatte.
 

„Hey Dawn, schmeiß mal das Päckchen rüber!“, rief er grinsend und Dawn begann zu lachen.
 

„Du weißt, was Trust gesagt hat?!“, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch, fischte dann aber doch das Päckchen aus ihrem Rucksack. „Hier!“. Sie warf das Päckchen mit leichtem Schwung zu Shin, der es gekonnt auffing. Es wog fast nichts, so als wäre nichts darin. Er zuckte kurz mit den Schultern. Wenn er sich über jedes Päckchen, das er auslieferte. Gedanken machen würde, wäre er ein sehr beschäftigter Kerl. „Na dann wollen wir mal… wäre doch gelacht, wenn wir den Eigentümer des letzten Päckchens nicht auch noch finden…“.
 

Shin sah sich um und studierte die Hausnummern an den glatten Betonfassaden der protzigen Hochhäuser. Eigentlich war das keine Wohngegend, in der sie hier gelandet waren, stellte er nüchtern fest. Die meisten dieser Hochhäuser beherbergten Firmen und Büros.…
 

„Da!“, sagte Dawn und deutete auf eine große Glastür. Shin drehte sich um und blickte in die Richtung, in die Dawn gezeigt hatte. „Ja…“, er kontrollierte noch einmal die Adresse auf dem Päckchen, „… das ist es…! Komm!“.
 

Er trat zur Tür, hob die Hand und suchte nach der Türklingel, doch vergebens. Neugierig trat er näher heran, und spähte durch das Glas ins Innere des Gebäudes.
 

"Barker Cooperation," las Dawn das Schild an der Hauswand. Irgendwo hatte sie diesen Namen schon mal gehört, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wo. "Vielleicht haben die noch einen anderen Eingang," überlegte sie.
 

Shin wollte sich schon abwenden, als er hinter der Tür das Geräusch von Schritten vernahm. Eine Gestalt bewegte sich von drinnen auf die Tür zu, durch das dunkle Glas war nur der Schatten zu erkennen. Ein Mann mit einer Aktentasche. Erst leise, dann immer lauter wurden die Schritte, bis sie direkt hinter der Tür verstummten.
 

Mit leisem Surren schob sich die Tür beiseite, und ein Mann mittleren Alters trat heraus. Spärlicher Haarwuchs, starre Gesichtszüge, grauer Anzug. Rechts trug er eine Aktentasche, in der linken Hand hielt er eine Zigarre, von der er dann und wann einen Zug nahm. "Kann ich euch irgendwie behilflich sein," fragte er und ein messerdünnes Lächeln erschien auf seinen schmalen Lippen. Ein Lächeln, welches seine kalten Augen nicht erreichte.
 

"Wir haben hier ein Päckchen für einen Mr. Michael Voorhees. Arbeitet er vielleicht hier?" fragte Shin freundlich.
 

"Allerdings." Der Mann musterte die beiden von Kopf bis Fuß, und Dawn hatte das Gefühl, dass sich sein Blick schmerzhaft in ihre Eingeweide bohrte. Ein Schauder durchfuhr sie, doch sie zwang sich weiter zu lächeln. "Ist Mr. Voorhees gerade hier?"
 

"Bedauerlicherweise nein." Der Mann hatte eine aalglatte, ölige Stimme. "Ich könnte ihm das Päckchen allerdings auf den Schreibtisch legen, sein Büro befindet sich gleich neben meinem."

"In Ordnung. Würden Sie bitte unterschreiben?“. Shin hielt ihm das Päckchen ohne Umschweife entgegen, während Dawn Stift und Block aus ihrem Rucksack kramte. „Hier!“, sagte sie und hielt ihm unbeirrt das zu unterzeichnende Stück Papier entgegen.
 

Der Blick des Mannes glitt von ihr zu Shin, und Dawn glaubte ein Funkeln in den kalten Augen zu erkennen. Sie blinzelte. ‚Sicherlich eine optische Täuschung!’…
 

Der Mann nahm Shin das Päckchen aus der Hand, sah wieder zu Dawn und griff nach dem Block. Dawn hatte das instinktive Bedürfnis vor diesem Mann zurückzuweichen, doch sie blieb stehen und wartete, bis er unterzeichnet hatte. Er gab ihr den Stift zurück und sie steckte ihn samt Block wieder in ihrem Rucksack…
 

Als sie aufsah, verschwand er auch schon wieder hinter der Glastür. Wie von Geisterhand bewegt, glitt diese zu und ließ Dawn vor Schreck einen Schritt zurückspringen, was Shin zu einem amüsierten Grinsen verleitete.
 

„Was war das denn für ein komischer Kerl!“, stellte Dawn verwirrt fest.
 

"Unsicherheit, gepaart mit übertriebenem Bedürfnis nach Anpassung, neh?" Shin zuckte mit den Schultern. „Mach dir nichts draus. Solchen Typen wirst du noch öfter begegnen.…!“, erklärte er gelassen und ging zurück zu seinem Fahrrad. „Kommst du?“
 

„Schon unterwegs!“, meinte sie und blickte misstrauisch zur Tür zurück. ‚Hm…na, hoffentlich nicht, einer von der Sorte reicht mir!’. Dann folgte sie Shin…
 

+++
 

Cleveland, unterwegs

Selbe Zeit

„Ich glaube, wir suchen an den falschen Orten und Plätzen,“ Buffy blieb stehen und drehte sich um die eigene Achse. Die ruhige Strasse war menschenleer und alles was sich bewegte, war höchstens der Schwanz einer hungrigen Katze, die in den offenen Müllcontainern nach essbaren fischte. „Wenn diese Dämonen Leute überfallen, aus welchen Gründen auch immer, werden sie sich kaum an Gott verlassenen Plätzen aufhalten.“
 

„Sollen wir ins Zentrum gehen?“ schlug Willow vor und zeigte zurück zur Kreuzung.
 

„Vielleicht keine schlechte Idee. Oder in einen Park.“ Buffy lief in die gewiesene Richtung los. „Ich glaube es ist auch noch viel zu früh für sie. Aber wer weiß,“ Buffy zuckte mit den Schultern und blieb plötzlich erneut stehen. Sie wandte sich zu Willow herum. Ihr bekümmertes Gesicht ließ die Freundin schnell aufschließen.
 

„Was ist los Buffy?“ Willow sah ihr forschend ins Gesicht und Buffy seufzte gedehnt. Eines war klar – die Dämonenüberfälle belasteten Buffy nicht.
 

„Mir wächst so ziemlich alles über den Kopf,“ platzte es aus der Jägerin heraus, auch wenn sie gedanklich versucht hatte, ihre Probleme und ihre Stimmung der letzten Wochen Willow gegenüber nicht so kompakt zusammenzufassen. Aber sie hatte es einfach aussprechen müssen. Zu lange schleppte sie ihre Sorgen mit sich herum. Und die Patrouille alleine mit ihrer Freundin musste sie ausnutzen. „Ich weiß, dass ihr alle in mir jemand Starkes seht, aber das bin ich nicht mehr, Will. Es ist so vieles passiert und ich habe so vieles gesehen, das mich innerlich zerbrochen hat. Dazu die ganzen täglichen Probleme - ich ... ich habe keinen Job, um Dawn und mich zu ernähren, wir können uns kaum eine großartige Wohnung leisten und hausen bei Giles, dem wir langsam auf die Nerven gehen. Ich habe nicht einmal einen anständigen Beruf. Geschweige denn, die Zeit dafür einen zu erlernen. Die Welt ist dank mir und dir voller Jägerinnen, aber ich kann mich nicht dazu entscheiden, mich mehr und mehr zurückzuziehen, um das Leben zu führen, das ich nie hatte. Und ich weiß nicht einmal an was das liegt.“ Sie schwieg einen Moment und starrte zu Boden.
 

„Wenn du von mir eine Komplettlösung erwartest, muss ich dich leider enttäuschen.“ Bedauernd blickte Willow ihre Freundin an. „Deine Entscheidungen solltest du alleine treffen. Oder mit Giles besprechen. Zumindest den Teil mit dem Weiterjagen. Er als Wächter kann dir bestimmt einen kompetenteren Rat erteilen.“
 

„Ach Willow.. bitte,“ stieß Buffy ärgerlich aus und ging endlich weiter. „Giles hat doch nur seinen neuen Rat im Kopf und wie er ihn am effektivsten aufbaut, damit er funktioniert. Meine Probleme würden ihn nur aufhalten. Dass ich weitermache, kommt ihm doch sehr gelegen. Ich bin erfahren, brauche keine Betreuung mehr und räume unter dem Bösen gehörig auf.“
 

„Pflegeleicht und stubenrein,“ grinste Willow, ehe sie sich unter Buffys ernsten Blick wieder zusammen nahm. „Ich glaube, du tust ihm unrecht. Und das weißt du auch. Der Rat... der neue Rat, ist eine gute Sache. Giles versucht wirklich, alte Strukturen umzustricken und seine gesammelten Erfahrungen an deiner Seite mit einfließen zu lassen.“
 

„Und was macht dann diese Usher hier? Die offensichtlich zu den alten Strukturen gehört? Du solltest sie manchmal reden hören. Keine Ahnung welchen Narren Giles an ihr gefressen hat.“
 

„Sie scheinen sich ziemlich lange zu kennen, so wie ich das in London verstanden habe.“ Willow spürte, dass das nicht unbedingt die Worte waren, die Buffy hören wollte. „Also kennen im Sinn von Kollegen?“ Fügte sie unsicher hinzu.
 

„Netter Versuch.. aber das glaubt von uns ja wohl keiner im Ernst mehr. Ich hab sie beobachtet. Beide. Da läuft noch etwas anderes. Aber eigentlich kann mir das ja egal sein.“
 

Sie schwiegen eine Weile und Willow wusste zu gut, dass es Buffy durchaus interessierte. Gerade weil sie so sehr darauf bestand, dass es sie nichts anging.
 

„Du als Hüterin.. müssten dich meine Probleme nicht auch interessieren?“ Unterbrach Buffy schließlich das Schweigen.
 

„Wenn ich das wüsste,“ seufzte Willow. „Da wir noch immer nichts über Hüterinnen wissen, bin ich ziemlich hilflos in der Angelegenheit. Ich fürchte, du musst mit Willow als Freundin vorlieb nehmen.“
 

„Besser als nichts,“ lächelte Buffy. „Ich finde es auf jeden Fall sehr merkwürdig, dass der Rat angeblich nie etwas von Hüterinnen gehört haben soll. Vom Urbösen wussten sie doch auch....“
 

„Na ja, die letzte Hüterin mit der du gesprochen hast, scheint nicht viel vom öffentlichen Leben gehalten zu haben. Oder?“
 

“Nein,“ musste Buffy zugeben. Im Gegenteil.. sie hatte mehr das Gefühl gehabt, die Frau lebte gerne und bewusst im Verborgenen.
 

„Und Giles hatte bestimmt nicht zu allen Schriften Zutritt. Vielleicht sind wichtige Dokumente verbrannt, Aufzeichnungen der Entstehungsgeschichte.“
 

„Das sind mir ein paar Vielleichts zu viel. Wieso hat Giles zum Beispiel die Sense in London gelassen? Wenn er der neue Boss unter den Wächtern ist, sollte das wertvolle Stück in seinem Besitz sein und nicht bei Leuten, die wir kaum oder gar nicht kennen. Wir brauchen die Waffe bestimmt irgendwann wieder. Könntest du nicht mal mit ihm reden, Will?“
 

„Was.. ich über die Sense?“ Willow war über die Bitte überrascht. „Du bist doch die Jägerin. Du hast die besseren Argumente... ich bin nur...“
 

„Zwei Stufen über mir und eine über Giles,“ grinste Buffy.
 

„Ich würde das nie ausnützen.“
 

„Das solltest du aber. Du hast mehr Macht als alle Wächter zusammen. Tu mir doch bitte den Gefallen.. bitte?“ Buffy war stehen geblieben und hielt Willow am Arm fest. „Wenn ich es selbst versuchen würde, endet es bestimmt nur wieder in einem Streit.“
 

Willow ließ sich Buffys Worte durch den Kopf gehen und nickte schließlich zögernd. „Ich werde ihn aber nur fragen, wieso er die Sense nicht hier hat, und ob er nicht denkt, dass sie hier besser aufgehoben wäre.“
 

„Danke,“ seufzte Buffy erleichtert. „Da wäre aber noch etwas...“
 

„Nein,“ stöhnte Willow. „Ich hoffe nicht noch ein Gefallen?“
 

“Ein kleiner. Winzigkleiner.. du könntest ein Auge auf Lily und Giles werfen.“
 

„Bist du verrückt, Buffy? Ich kann doch nicht Giles.. bespitzeln.“ Hauchte Willow fassungslos.
 

„Nicht ihn direkt, aber Lily. Ich traue ihr keine zehn Fuß weit.“
 

„Und wie stellst du dir das vor?“
 

„Du hast täglich mehr mit ihnen zu tun als ich in letzter Zeit. Ich sehe sie vielleicht öfters in der Wohnung, aber da reden sie in meiner Gegenwart nicht viel über sich oder den Rat. Finde heraus, was Giles als nächstes für den Rat plant, was Lily davon hält und denkt...“
 

„Ich soll sie also aushorchen, ausfragen und belauschen?“
 

„Genau so,“ bekräftigte Buffy.
 

„Giles wird dich und mich umbringen, wenn er davon je erfährt,“ stöhnte Willow.
 

„Dann sorgen wir dafür, dass er es nicht herausfinden wird.“ Buffy klang zuversichtlich und Willow ließ sich davon anstecken.
 

„Okay. Aber nur weil du es bist.“
 

+++
 

Cleveland Rides Zentrale

Abends

„Hier!“. Shin unterschrieb das letzte Blatt und schob den Quittungsblock für ausgelieferte Päckchen über den Tresen. Dawn kam aus der Ecke, wo die Spinde standen und setzte ihrem Rucksack etwas zu schwungvoll auf dem Tresen ab. „Oops…“. Sie grinste Shin breit an. Sie war geschafft… wirklich fertig… hatte aber gute Laune.
 

„Wollen wir?“, fragte sie grinsend, schnappte sich einen Stift und quittierte schnell die Auslieferung der heutigen Päckchen und Eilzustellungen.
 

Shin nickte. „Wir wollen!“, sagte er lachend, hob seinen Rucksack vom Boden auf, schulterte ihn lässig und wartete bis Dawn mit dem Quittieren fertig war. Als ihre „Pflicht“ getan war, nickte sie Chad, der heute Dienst in der Zentrale schieben musste, noch einmal kurz zu und schnappte sich dann ihren Rucksack. „Wir können!“.
 

Dawn gähnte, streckte die Arme und sog die angenehm kühle Abendluft tief in ihre Lungen. Sie sah zu Shin, der ihr einen amüsierten Blick zu warf. „Du brauchst gar nicht so zu gucken!“, stellte sie fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Als sie noch etwas ergänzen wollte, wurde sie von zwei anderen Stimmen unterbrochen…
 

„Schau dir den an…!“, sagte die eine Stimme.
 

„Ne, brauch ich nicht… ich seh’ auch so, dass der Typ ne Lusche ist!“, stellte die andere fest.
 

Shin seufzte und zog die Augenbrauen hoch. Dawn folgte seinem Blick und der Richtung aus der die Stimmen kamen. Wütend starrte sie die beiden Jungen an, die neben dem Eingang zu Cleveland Rides standen. Sie machte einen Schritt auf die beiden zu und wollte etwas sagen, als sie erkannte, wer diese Jungen war - die beiden Neuen. Sie ballte die Fäuste. So eine Frechheit… warum sagt Shin nichts… es … sie… grrr…
 

„Ihr…!“, begann sie, doch jemand legte ihr ruhig, aber bestimmt, eine Hand auf die Schulter und zog sie zurück.
 

„Lass es, Dawn. Die beiden sind es nicht wert!“, erklärte Shin gelassen und zog sie mit sich. Dawn wollte protestieren, doch als sie Shin ansah, schloss sie den Mund wieder. Ihm schien es wirklich egal zu sein. Wie konnte er bloß so ruhig bleiben.
 

"Nur nicht so hastig, kleiner Chinese!" Vincent, der größere der Beiden trat vor, ballte die Fäuste und ließ bedrohlich die Knöchel krachen. "Wir haben noch etwas zu bereden!"
 

Shin seufzte ein weiteres Mal. "Okay," entgegnete er schließlich betont gelangweilt. "Dawn, geh schon mal vor, und warte an der Bushaltestelle auf mich. Ich komme in ein paar Minuten nach."
 

Dawn's Herz raste, sie war sich sicher das die beiden Jungen es auf eine Schlägerei abgesehen hatten. Warum? Kannten sie Shin vielleicht von irgendwoher, und wollten ihm irgendwas heimzahlen. Gehörten sie einer rassistischen Organisation an? Oder waren sie einfach nur zwei Schlägertypen, die sich wichtig machen wollten?
 

Wirkliche Angst verspürte sie nicht. Ihre Jägerinnenkräfte würden sie relativ problemlos mit den beiden fertig werden lassen. Aber sollte sie sie wirklich offen zeigen? In Gegenwart von Shin?
 

Buffy hätte mit einer solchen Situation kein Problem gehabt, soviel war sicher. Sie hätten die Jungs einfach so aufs Kreuz gelegt, dass man es auf ihre Kampftechnik zurückführen konnte, ohne dass die höhere Körperkraft, Geschicklichkeit, und Reaktionsschnelle übermäßig auffielen. Aber sie selbst hatte noch keinerlei Erfahrung mit solchen Dingen. In ihren bisherigen Kämpfen hatte sie alles gegeben, wie man sich ordentlich zurückhielt, hatte sie noch nie trainiert.
 

Offensichtlich sah Shin etwas von dem inneren Kampf, der in ihr vorging, und interpretierte es als die Entscheidung zu gehen, oder zu bleiben. "Keine Sorge, ich hab alles unter Kontrolle," lachte er. "In chinesischen Familien lernen wir Kung Fu, sobald wir laufen können." Er zog ein Bein an, und machte eine ausholende Bewegung mit den Armen. "Grundstellung der tanzenden Bachstelze! Ausgangsposition für den betrunkenen Blindschleichenschlag!"
 

Gregory und Vincent wechselten einen nervösen Blick.
 

Shin stellte das Bein ab, und kreiste mit den Armen vor der Brust. "Was denn, Leute? Habt ihr das nie im Kino gesehen? Kennt ihr die Szene in Rush Hour, wo Jackie Chan von dem brennenden Lieferwagen springt, und dem Kerl mit einem Tritt ins Gesicht die Nase bricht? Das war ein betrunkener Blindschleichenschlag!"
 

Er trat einen Schritt vor, und Vincent riss die Fäuste hoch. "Heb sie noch etwas höher," schlug Shin vor, "so dass du sie genau vor den Augen hast. Wenn du dann mit deiner Rechten zuschlägst, benutze ich den zentrifugalen Rückstoß deiner Linken, um dir mit deiner eigenen Faust ein blaues Auge zu verpassen. Dieses Manöver nennt man übrigens 'Ching dö-dö, den Paarungssprung der werbenden Elritze! Ist eine geheime Kampftechnik unserer Familie, mein alter weiser Großvater hat sie mir beigebracht...hey, wartet! Wollt ihr sie nicht sehen?"
 

Bei seinen letzten Worten hatten die beiden Möchtegern Schläger kehrtgemacht, und stürmten Hals über Kopf die Straße hinunter. Grinsend sah Shin ihnen hinterher. "Na dann ein anderes Mal!"

Dawn grinste ihn an. "Ching dö-dö, der Paarungssprung der werbenden Elritze?"
 

"Wieso, klingt doch gut?" Shin zuckte mit den Schultern. "Eigentlich schade, dass ich kein Chinese bin. Kung Fu wär bestimmt cool!"
 

Dawn kicherte.
 

Eine plötzliche Bewegung ließ sie innehalten, ein Schatten auf einem Dach. Sie hob den Blick, und sah eine Gestalt verschwinden, eine Gestalt unter einer langen schwarzen Robe. Es ging zu schnell, um Genaueres zu erkennen, außerdem hielt der geheimnisvolle Beobachter sein Gesicht unter der Kapuze verborgen.
 

Nur eins hatte sie gesehen, ganz deutlich, bevor das ihr zugewandte Gesicht im Nachtdunkel verschwand..
 

Drei bösartig gelb glitzernde Augen.
 

+++

Cleveland, Friedhof

abends

"Vielleicht hatten die anderen ja mehr Glück als wir und sind....und sind auch nicht angegriffen worden," verbesserte sich Buffy gerade noch rechtzeitig, als sie sich mit einem Satz über die Friedhofsmauer schwang. Geschickt zog sich Willow hinter ihr an dem rauen Stein hoch. Sie war gut in Form, aber ohne Superkräfte dauerte es natürlich etwas länger, das Hindernis zu überwinden.
 

"Du könntest doch einfach....meine Hand als Räuberleiter benutzen," verbesserte sich Buffy ein zweites Mal, und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Gerade sie sollte es wirklich besser wissen, als solche Vorschläge zu unterbreiten.
 

Willow runzelte die Stirn, aber es waren nicht Buffy's kleine Versprecher, die ihr Sorgen machte. Natürlich, jetzt wo sie mit ihren Kräften wieder im Einklang war, wäre es ihr ein Leichtes gewesen, alle möglichen Hindernisse durch Magie aus dem Weg zu räumen. Ohne Angst vor möglichen Konsequenzen. Doch dies war mit Sicherheit nicht ihre Aufgabe als Hüterin.
 

Was war ihre Aufgabe als Hüterin? Dem Rat auf die Finger schauen, sowie Buffy es an sie herangetragen hatte? War sie nur eine Art Kontrollsystem, um das politische Gleichgewicht zwischen Jägerinnen und Wächtern zu halten? Irgendwie hatte sie sich das alles anders vorgestellt.
 

"Hey, Will!" Kennedy tauchte zwischen den Grabsteinen auf, gefolgt von Xander, der sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten, und Andrew, der mit gesenktem Kopf an der Mauer entlang trottete. Ein Lächeln huschte über Willow’s Gesicht, Kennedy’s Nähe war tröstlich für sie, gab ihr Kraft, und Sicherheit, auch wenn ihre Probleme dadurch nicht gelöst wurden. Ihre Gedanken drehten sich noch immer, um die Frage der Hüterinnen. Warum hatte sie bisher nichts darüber herausfinden können? Die Quellen des Rates waren zum Teil über tausend Jahre alt, solange konnte das doch alles nicht zurückliegen.
 

"Hey! Du hörst mir schon wieder nicht zu," beschwerte sich Kennedy und schnippte mit den Fingern vor Willow's Gesicht, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Ich wollte wissen, ob ihr diesen Dämonen begegnet seid!"
 

"Nein, keine Spur von ihnen!" entgegnete Buffy an Willow's Stelle. "Vielleicht haben die schon mit ihrer Hallowe’en Party angefangen. Oder sie sind einfach nicht so fleißig, wie ihr Ruf. Kennedy, kann es sein, dass dein Informant zu Übertreibungen neigt?"
 

"Mo? Was meinst du damit, ohne ihn hätten wir auch niemals etwas über diese komischen Vampire erfahren," setzte Kennedy zu einer Diskussion an, und Buffy setzte nach: "Aber..."
 

"Willow?"
 

Erschrocken zuckte Willow zusammen, als sie ihren Namen hörte. Wobei es weniger der Klang ihres Namens war, der sie zusammenzucken ließ, als die Stimme, die ihn aussprach. Wann hatte Andrew sich jemals mit irgendeiner Frage an sie gewandt? Üblicherweise gingen sie einander aus dem Weg, wenn es auch nicht das aggressive 'Bleib mir vom Leib!' Aus-dem-Weg-gehen war, sondern eher eine milde Form des 'Ich kann nichts mit dir anfangen!' Aus-dem-Weg-gehens.
 

Genaugenommen war es die pure Hilflosigkeit, und nichts anderes. Keiner von ihnen wusste so recht, wie er mit dem anderen umgehen sollte, aber beiden war ihnen klar, dass ein Gespräch von mehr als drei Worten unweigerlich auf die Vergangenheit zurückkommen würde. Und das wollten sie um jeden Preis vermeiden, zuviel Schmerz war damit verbunden.
 

"Willow...uhm, mir ist da was passiert, vielleicht könntest du mir helfen?"
 

"Ja?" Ihr Hals fühlte sich unglaublich trocken an.
 

Nervös trat Andrew von einem Fuß auf den anderen. "Ich hab da diesen Schlüsselanhänger. Den, der so aussieht, wie ein Star Destroyer..."
 

Sie suchte in ihren Gedanken nach einem Bild, aber sie fand nichts. Andrew besaß so viele Gegenstände, die irgendwie mit Science Fiction zu tun hatten, sie hatte nie wirklich darauf geachtet. Sie wusste beim besten Willen nicht, wovon er überhaupt sprach.
 

"Na jedenfalls, ist der Anhänger weg. Er ist in diesen Brunnen da drüben gefallen, der so aussieht, als würde da jeden Moment eine Sadako rausgekrabbelt kommen, auch wenn die da gar nicht reinpassen würde, weil der Schacht viel zu eng ist..."
 

"In Amerika heißt sie Samara, Andrew," versuchte Xander zu helfen, "wenn du Sadako sagst, dann weiß Willow nicht, was du.....das heißt, das ist jetzt überhaupt nicht wichtig," winkte er ab, und wurde noch im selben Moment von Kennedy unterbrochen: "Es war meine Schuld, Will! Ich hab den Anhänger weggeworfen, weil ich so gereizt war. Ich seh ja ein, dass es nicht gerade nett war, und hab mich auch schon entschuldigt. Ich versteh trotzdem nicht, warum er so ein Theater.."
 

"Wohnt in dem Brunnen so eine Art Dämon?" wunderte sich Buffy. "Ist es dass, was er meint?"
 

"Nein, das heißt....wir sollten das mal überprüfen! Xander legte einen Arm um Buffy, und den anderen um Kennedy und deutete in Richtung Brunnen. Ein wenig verwirrt ließen sich die Mädchen mitziehen. Willow blieb unschlüssig stehen, und wartet darauf, dass Andrew weitersprach.
 

"Na jedenfalls, der Brunnen ist zu eng, dass jemand runterklettern könnte, und ich wüsste auch keinen Dämon, den ich beschwören könnte, um ihn da runterzuschicken...." Andrew's Stimme wurde zusehends hilfloser. "Gibt es nicht vielleicht einen Zauber, um den Anhänger wieder rauszuholen?" fragte er verzweifelt.
 

Willow holte tief Luft. Nie hatte sie geglaubt, dass der Tag käme, an dem Andrew sie um Hilfe bitten würde, noch dazu um einen Zauber. Umso mehr tat es ihr leid, dass sie ihm seine Bitte abschlagen musste. Offensichtlich glaubte er, dass Magie dazu da war, um sich das Leben einfacher zu machen, und diese Vorstellung durfte sie nicht unterstützen.
 

Sie wählte ihre Worte sorgfältig und mit Bedacht, denn sie wollte Andrew nicht verletzen: "Sieh mal, die Sache mit der Magie ist eine sehr schwierige und komplexe Angelegenheit. Früher habe ich sehr oft Magie für alltägliche Dinge benutzt. Um mich anzuziehen, damit ich morgens länger schlafen konnte, um Sachen herbeizuholen, weil ich zu faul zum Aufstehen war, um Vorgänge zu beschleunigen, weil ich keine Geduld hatte. Und genau dieser verantwortungslose Umgang mit der Magie hat mich schließlich davon abhängig gemacht.
 

Magie ist nicht dazu da, um sich das Leben leichter zu machen, verstehst du? Wenn man diese Kräfte besitzt, muss man sich gut überlegen, wie man damit umgeht. Mit Magie verändert man die natürliche Ordnung der Dinge, und so etwas darf nie unüberlegt geschehen."
 

Einen Moment lang blickte Andrew sie misstrauisch an, als wolle er sagen: 'Gehören Leute ohne Haut auch zur natürlichen Ordnung der Dinge?', doch als er den Mund aufmachte, kam lediglich ein Filmzitat heraus: "Mit großer Kraft, kommt auch große Verantwortung!"
 

"Du hast's erfasst." Ein Lächeln huschte über Willow's Gesicht. "Oder besser gesagt, Onkel Ben hat's erfasst. Bei dir bin ich mir noch nicht so ganz sicher."
 

"Wieso wär' das verantwortungslos einen Schlüsselanhänger aus einem Brunnen zu holen? Das versteh' ich nicht," gab Andrew schließlich zu.
 

"Darum geht es doch gar nicht," versuchte Willow es weiter. "Es geht darum, wo ich die Grenze setze. Heute ist es dein Anhänger, morgen verliert vielleicht Xander seinen Autoschlüssel, und Buffy kommt zu spät zu einem Vorstellungsgespräch. Dawn schreibt eine schlechte Note, Kennedy's Lieblingsjacke geht kaputt, und allerspätestens in drei Wochen fragen sich alle Jägerinnen, warum sie überhaupt noch trainieren müssen, wenn ich doch einfach alle Monster mit ein paar Sprüchen in die Luft jagen könnte. Und wenn die Jägerinnen erst mal angefangen haben, in ihrem Training, und ihrer Wachsamkeit nachzulassen, sind sie bald völlig hilflos, und von mir abhängig. Und dann muss nur der Moment kommen, an dem meine Kräfte zu verbraucht sind, um zu handeln, und wir haben die Katastrophe..."
 

Andrew nickte langsam, er schien es jetzt wirklich begriffen zu haben. Doch sein Gesicht wirkte, nach wie vor so, als müsse er jeden Moment losheulen.
 

Um ehrlich zu sein, fand sie das Theater mit dem Anhänger ein wenig übertrieben, doch sie wollte es ihm nicht vorwerfen. Für Andrew waren nun mal andere Dinge wichtig, als für 'normale' Menschen, und zumindest hatte die ganze Sache dafür gesorgt, dass sie einmal mehr als nur drei Worte miteinander geredet hatten. "Ich könnte dir vielleicht auf andere Weise helfen," bot sie ihm an. "Wie du weißt, bin ich ganz gut darin, etwas im Netz zu finden, vielleicht kann man einen solchen Anhänger ja noch irgendwo kaufen. Selbst, wenn es ein seltenes Sammlerstück war, irgendjemand löst immer seine Sammlung auf, und bietet sie in irgendeinem Forum an."
 

"Danke." Andrew schüttelte den Kopf. "Aber Buffy hat mir damals auch was über Verantwortung beigebracht. Sie hat gesagt, ich darf meine Geschichten nicht dazu benutzen, um mir die Wirklichkeit schönzureden. Und wenn ich mir einen neuen Anhänger kaufe, und dann so tue, als wäre es meiner, dann würd ich doch genau das tun."
 

Er seufzte. "Schon kompliziert mit so vielen verschiedenen Leuten, die mir alle was über Verantwortung beibringen wollen."
 

+++
 

Zwei Blocks vom Wächterhaus entfernt

Abends

„Na, um die Möchtegern Schläger müssen wir uns keine Sorgen mehr machen“, stellte Dawn belustigt fest, und über ihr Gesicht huschte ein erneutes Grinsen. „Morgen geben wir Trust Bescheid, was passiert ist, und die beiden fliegen achtkantig raus!“
 

Shin schüttelte den Kopf und blickte zur Straße, wo die Autos in raschem Tempo an ihnen vorüber huschten. Schließlich sah er Dawn an. „Ach weißt du… wir müssen Trust gegenüber kein Aufhebens machen, das ist die Sache nicht wert. Mit denen kriegen wir bestimmt keinen Ärger mehr. Ich kenn solche Typen zu Genüge… glaub mir. Wenn die jetzt ihren Job verlieren, landen sie nur wieder auf der Straße und machen Ärger. Also, was soll´s.“, erklärte er gelassen.
 

„Hm!“, murmelte Dawn leise und sah Shin lange an. Hinter diesem Jungen steckte viel mehr, als die meisten auf den ersten Blick annehmen würden, viel mehr…
 

Aber die Sache mit dem Dämon auf dem Dach machte ihr doch Sorgen. War er nur zufällig dort gewesen? Oder hatte er am Ende mit dem Angriff zu tun?
 

Die beiden Jungs waren eindeutig Menschen gewesen, soviel stand fest, sonst hätten sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Aber was sollte das mit diesem Angriff? Steckte da vielleicht mehr dahinter?
 

Ein Gedanke blitzte auf, ein Gedanke, der ihr im ersten Moment absolut hirnrissig erschien. Was, wenn es bei der Sache um sie ging? Wenn es so eine Art Test war? Der Dämon hatte die Jungs bezahlt, um sie und Shin anzugreifen, damit er ihre Reaktion beobachten konnte. Er wollte herausfinden, ob sie tatsächlich Jägerinnenkräfte besaß. Wenn sie gegen die Jungs gekämpft hätte, dann...Willow hatte sie doch gewarnt, dass so etwas möglicherweise passieren würde.
 

Nein! Niemals! Absoluter Unsinn! Sie hatte sich nicht verraten, sie hatte niemandem davon erzählt, und auch niemals ihre Kräfte eingesetzt.
 

Doch, der Ausrutscher auf dem Baseballfeld. Aber das war am helllichten Tag gewesen, und nur Leroy hatte es mitbekommen...
 

Nein. Sie sah Gespenster. Sie spann sich etwas zusammen, wo nichts war.
 

Trotzdem beschloss sie insgeheim, den anderen noch nichts von dem Dämon zu sagen. Was, wenn Buffy wieder ihren Rappel kriegte, und sie nicht auf den Ball ließ?
 

Shin lächelte. „Vergiss es einfach, Dawn, reden wir von was anderem. … Was geht so bei dir ab? Wie läuft es mit deinem Ball? Hast du schon ein Kleid?“, lenkte er vom Thema ab.
 

Dawn sah auf und… wurde rot. „Äh ja.. Ball… Hallowe’en Ball… !“. Was sollte sie ihm zuerst erzählen? Dass sie noch kein Kleid hatte, oder vielleicht, dass sie noch keinen hatte, der mit ihr hinging, das hieß, noch keine Zusage. Andrew hatte sich noch nicht gemeldet. Und alleine würde sie auf keinen Fall zu diesem Ball gehen… niemals und… überhaupt…
 

’Oh, Summers… reiß dich zusammen!’, schalt Dawn sich selbst und versuchte die Röte, die ihr ins Gesicht gestiegen war, unter einem breiten Grinsen zu verbergen…
 

„Hallowe’en Ball…“, setze sie noch einmal von Neuem an und schluckte. „Uh nein… kein Kleid!“, erklärte sie. „Ich meine… noch kein Kleid… im Sinne von noch nicht gekauft… und…!“, stotterte sie zusammenhangslos und sah Shin verzweifelt an. Shin grinste breit und nickte, dass er verstanden hatte. Dawn seufzte erleichtert…
 

„Ich war schon lange nicht mehr auf so einem Ball. Das ist schon Ewigkeiten her. Aber es war schön!“, sinnierte er und blickte dabei nachdenklich in den Himmel.
 

Dawn beobachtete Shin. Er wirkte abwesend, als würde er irgendwelchen alten Erinnerungen nachhängen. Na ja… so alt war er nun auch wieder nicht… aber trotzdem. Er war einfach ein netter Kerl. „Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mit mir zum Ball geht?“, überlegte sie kurz. Jetzt, wo sie die Regeln schon einmal gebrochen hatte, kam es auch nicht auf ein zweites Mal an.
 

Als sie aufblickte, standen sie vor der Auffahrt zu Giles’ Wohnung, die in der unteren Etage zugleich auch als Wächterzentrale fungierte. Sie blieb stehen, Shin ebenfalls. Er lächelte. „Also Dawn-san… wir sehen uns!“. Er klopfte ihr auf die Schulter und wollte sich umdrehen, doch jemand - Dawn - hielt ihm am Ärmel fest.
 

Dawn sah Shin an. Hilfe, warum tat sie das nur? Doch ihr Mund war wieder einmal schneller als ihr Hirn und so stellte sie die Frage, der Fragen: „Willst du nicht mit mir zum Ball gehen?“.
 

+++
 

Zuhause in ihrem Zimmer ließ Dawn sich erst mal aufs Bett fallen. Geschafft! Sie hatte endlich einen Partner für den Ball. Und über irgendwelche Dämonen würde sie sich heute bestimmt keine Sorgen machen. Die würden eh bald ihre Hallowe’en Ruhe haben.
 

„Dawn?“ Buffy steckte den Kopf zur Zimmertüre hinein. „Andrew hat für dich angerufen. Er lässt dir ausrichten, dass er sehr gern mit dir auf den Ball gehen möchte, und es ihm leid tut, dass er dir nicht schon früher Bescheid gegeben hat....“
 

AKT 3
 

Lincoln West High

Vormittags

Die Schüler sprangen hastig auf, als die Glocke schrillte, kein Wunder, es war ja nur sieben Minuten Zeit, um zum nächsten Klassenzimmer zu gelangen. Dawn ließ sich Zeit, der Geschichtsraum war nur einen Gang weiter, und ihr Schließfach lag praktisch auf dem Weg. So brauchte sie das schwere Geschichtsbuch nicht immer den ganzen Tag mit sich rumzuschleppen.
 

"Bis später!" Mara lief an ihr vorbei Richtung Treppe. Sie hatte einen späteren Geschichtskurs belegt, um jetzt am Chemieunterricht teilnehmen zu können. Dawn runzelte die Stirn, sie würde nie begreifen, was an Chemie so großartig war, doch über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten.
 

Das war gestern wieder mal super gelaufen! Erst hatte sie ewig lang keine Verabredung für den Ball, und nun gleich zwei! Warum hatte Andrew ihr nicht einfach früher Bescheid geben können? Warum hatte sie nicht einfach die Klappe gehalten, anstatt Shin zu fragen, der eine Klasse über ihr war, und eigentlich Besseres zu tun hatte, als sich mit einem Mädchen aus dem Junior Jahr abzugeben? Außerdem kannte sie ihn kaum.
 

Und wie ging es jetzt weiter? Sollte sie Andrew sagen, dass seine Antwort zu spät gekommen war? Er würde so enttäuscht sein! Und Shin, sie konnte ja nicht etwas mit ihm ausmachen, und dann gleich wieder absagen?
 

Wahrscheinlich wäre es das Beste, den beiden Jungs einfach reinen Wein einzuschenken, überlegte sie. Dass das Ganze etwas unglücklich gelaufen war, und ob man nicht irgendwie eine Lösung finden, und vielleicht gemeinsam mit Sam und den anderen als Clique gehen konnte. Andrew würde bestimmt nichts dagegen haben, so wie sie ihn einschätzte, solange er sich nicht irgendeinen Blödsinn einredete, dass sie ihn nicht dabeihaben wolle. Bei Shin war es schon schwieriger. Obwohl er durchaus in Ordnung zu sein schien, hatte sie immer noch das Gefühl, ihn nicht richtig zu kennen. Zwar arbeiteten sie nun schon seit einigen Wochen zusammen, aber irgendwie war er verschlossen. Nein - verschlossen, war auch nicht der richtige Ausdruck. Sie hatten über Gott und die Welt geredet, es gab kaum ein Thema, bei dem er sich nicht auskannte. Aber über ihn selbst - nein, da wusste sie wirklich nicht viel.
 

Trotzdem, sie musste da jetzt irgendwie durch. Wenigstens war keine der beiden Verabredungen ein Date im eigentlichen Sinne, das hätte die Sache nur noch komplizierter gemacht. Das hieß - gab es überhaupt so etwas, wie eine platonische Verabredung zum Ball?
 

"Hey, Summers!"
 

Dawn konnte gerade noch rechtzeitig das Metalltürchen ihres Schließfachs festhalten, damit es nicht krachend zuschlug. Was in aller Welt machte Leroy denn hier? Er hatte jetzt auch Chemie, genau wie Mara, warum war er noch nicht unten bei den Chemieräumen?
 

Leider hatte sie nicht rechtzeitig daran gedacht, das Geschichtsbuch festhalten, welches nun mit einem lauten Klacken auf den Boden fiel, in welchem Dawn am liebsten auf der Stelle versunken wäre. Leider tat er ihr nicht den Gefallen.
 

"Diesmal bin ich aber nicht schuld!" Leroy grinste breit, bevor er sich bückte, um das Buch wieder aufzuheben. Als er es ihr in die Hand drückte, berührten sich ihre Hände, und es fühlte sich an, wie ein kleiner elektrischer Schlag, der prickelnd durch ihren Körper fuhr. Oh verdammt, warum musste dieser Typ auch nur so süß sein?
 

"Dawn?" Die Tatsache, dass er sie jetzt beim Vornamen nannte, machte es nicht besser. Jetzt fingen auch noch ihre Knie zu zittern an, passend zum Rhythmus der Schmetterlinge in ihrem Bauch.
 

Er lächelte, und dieses Lächeln schien den kalten und düsteren Schulflur in Licht und Wärme zu tauchen: "Also, um ehrlich zu sein hatte ich mich gefragt, ob ein so hübsches, und charmantes Mädchen wie du schon eine Verabredung für den Hallowe’en Ball haben könnte..."
 

+++
 

Lock Haven

Mittags

Die dunklen Sohlen ihrer Schuhe berührten in kurzen Abständen den kühlen Belag der Straße. “Was für ein Kaff..” murmelte Faith wütend und ging mit schnellen Schritten weiter die Hauptstraße von “Lock Haven” entlang.
 

Eigentlich sollte sie Robin, Ronah und Vi beim Aufstocken der Lebensmittel helfen, aber der Traum, und das Gespräch mit Giles hatten eine große, innerliche Unausgeglichenheit zurück gelassen. War es möglich, dass Buffy den selben Traum gehabt hatte? Sie konnte immerhin nicht abstreiten, dass die blonde Jägerin kurz in ihrem Traum aufgetaucht war, auf der anderen Seite des Sees... kurz bevor sie beide in Flammen aufgegangen waren.
 

“Ma’am.. hätten Sie eine Sekunde Zeit?” unterbrach die Stimme eines etwa 17-Jährigen Faith’ Gedankengang.
 

“Nein..” antwortete diese, würdigte ihn keines Blickes und ging mit flotten Schritten weiter. Es war Mittag, und um diese Zeit schien der Ort wie ausgestorben. Nur hier und da hörte sie Stimmen aus Restaurants, an denen sie vorbei ging.
 

“Ma’am .. hätten Sie nicht kurz Zeit? Ich hätte nur einige Fragen zum Thema ..” nervte der Junge weiter.
 

Faith verlangsamte ihre Schritte, schloss die Augen, blieb schließlich ganz stehen und holte tief Luft. Wieso konnte dieser Idiot sie nicht einfach in Ruhe lassen? Konnte man nicht mal in einem Ort wie diesen, der am Arsch der Welt lag, seine Ruhe haben?
 

Sie holte noch einmal kurz Luft, öffnete die Augen wieder und drehte sich zu dem Jungen.
 

“So.. Kleiner.. pass jetzt ganz genau auf. Sieh mich mal genau an.. was erkennst du an meiner Körpersprache?” Wütend sah sie ihn an.
 

Langsam tasteten seine Augen Faith von oben bis unten ab.
 

“Uhm.. ich weiß nicht genau, was Sie meinen..” sagte der Junge vorsichtig, und sah dabei sehr verwirrt aus.
 

“Na gut, dann spitz mal deine Ohren...” Faith tat wirklich ihr Bestes, um dem Jungen nicht einfach eine zu knallen und weiter zu gehen. “.. ich bin gerade mit anderen Sachen beschäftigt. Ich habe wirklich andere Sorgen als bei diesen bescheuerten Umfragen hier mitzumachen. Wenn du nicht sofort ne Fliege machst, und mich in Ruhe lässt.. dann bei Gott.. wirst du dir wünschen, mich nie angesprochen zu haben!” Faith ließ nun auch ihr übertrieben gespieltes Lächeln aus dem Gesicht verschwinden und starrte den Jungen entnervt und vorwurfsvoll an.
 

“A .. aber.. ich .. nur ein paar.” stammelte der Junge weiter.
 

“Verschwinde endlich, du Parasit!” schrie Faith, und in dem Moment, in dem der Junge seine Beine in die Hand nahm und weg lief, hallte ein lauter, greller Schrei über den Hauptplatz.
 

Faith lenkte sofort ihre Aufmerksamkeit auf diesen, und hatte schnell die Quelle des Schreis gefunden. Direkt zwischen dem Theater und der Stadtwäscherei befand sich ein kleiner, dunkler Gang. Sofort lief sie darauf zu.
 

“Oh ja.. zwei Männer für mich!” schrie sie mit einem freudigen Lächeln im Gesicht, als sie zwei Kerle erblickte, die auf eine schreiende, blonde Frau einschlugen.
 

“Ach kommt schon.. was soll das? Legt euch gefälligst mit jemanden von eurer Kragenweite an!”
 

Als die zwei Typen keine Anstalten machten, auf Faith einzugehen, lief sie wütend auf die beiden zu, riss den Kräftigeren weg, und schlug ihm ihre Faust ins Gesicht. Geschockt sah der Mann sie an, fasste zitternd an seine Nase, die gebrochen zu sein schien, verdrehte dann die Augen und sank bewusstlos zu Boden.
 

“Angenehme Träume.” Faith, wollte sich gerade dem zweiten Typen zuwenden, als dieser von der Frau abließ, die wimmernd am Boden lag. Hasserfüllt starrte er die Jägerin an.
 

Erneut hob Faith die Faust. “Ich wünschte echt, du wärst ein Dämon, dann könnt ich wenigstens ordentlich draufhauen, du Mistkerl!”
 

Noch während sie redete, begann die Gestalt sich zu verformen. Die menschliche Haut verfärbte sich, und die Nase ging zurück, bis sie schließlich vollends verschwunden war. Eine grässliche Fratze formte sich, mit einer Reihe von Atemlöchern und einem großen Maul ohne Lippen.
 

“Ich wünschte, ich hätte ne Million Dollar!” Im nächsten Moment schoss Faith nach vorne, griff sich eine Eisenstange, die am Boden lag, und ließ sie auf den Typen herabsausen.
 

“Jägerin!” schrie er unter Schmerzen, und schien vergeblich nach einem Ausweg zu suchen.
 

“Hätt' ja sein können!" Faith ließ die Stange zu Boden fallen, und zog ihm mit einer kurzen Drehung den Boden unter den Füßen weg. Als er daraufhin hart aufprallte, lief sie sofort zu der jungen Frau, die blutüberströmt am Boden lag.
 

“Los.. hauen Sie ab...in Sicherheit!” schrie sie und half ihr noch schnell auf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Dämon lenkte.
 

“Verschwinde!” zischte er sie an. “Du kannst dieser Frau nicht helfen, wenn ich draufgehe, werden andere kommen und sie holen!”
 

Faith blieb einige Meter vor ihm stehen, lächelte, und ging dann langsam auf ihn zu.

“Weißt du.. es geht mir nicht wirklich um sie..” begann sie zu sprechen.
 

“Ach ja?” fauchte der Dämon zurück, und machte sich zum Angriff bereit.
 

“Ja.. es geht hier rein um mich!” schrie Faith, drehte sich um und trat dabei so fest zu, dass er gegen die Hauswand der Wäscherei prallte.
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wechselte sie plötzlich in den reinen Kampfmodus, schien die Umgebung um sich herum, vollkommen zu vergessen.
 

Nachdem sie zwei weiteren Schlägen des Dämons ausgewichen war, begann sie mit ihren Fäusten auf ihn einzuprügeln. Immer schneller folgten ihre Schläge, bis die benommene Kreatur nicht mehr reagieren konnte.
 

“Verdammt.. ich bin eine Jägerin.. ich habe keine Angst vor Alpträumen!” schrie sie plötzlich, sprang in die Luft, und trat nach dem Oberkörper des Wesens.
 

Ein lautes Knacken signalisierte den Bruch einiger Knochen, woraufhin der Dämon zu Boden sackte.
 

“Was ist los? Steh auf? War das alles? Du bist ne Schande für alle Dämonen, die ich bis jetzt bekämpft habe!” schrie sie und trat mit dem Fuß ein weiteres Mal nach ihm, als er versuchte, aufzustehen.
 

“Faith?” hallte es durch die Gasse.. doch die Jägerin reagierte nicht.
 

Sie erfasste den Körper der Kreatur, hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. Benommen blieb er wieder stehen
 

“Ich..” sie schlug ihm wieder ihre rechte Faust ins Gesicht. “...habe..” gefolgt von einer linken “.. keine..”, dann holte sie wieder aus und trat ihm wieder in den Magen. “.. ANGST!” Vor Schmerzen krümmte sich der Dämon nach vorne.
 

“Genug!” schrie plötzlich jemand, drängte sich an der Jägerin vorbei und schlug dem Wesen mit einem kurzen Schwerthieb den Kopf ab.
 

“Robin.. was.. ich hatte ihn vollkommen im Griff!” brauste Faith auf.
 

“Faith.. ich weiß, dass gestern Nacht etwas mit dir passiert ist.. es beschäftigt dich.. das kannst du nicht abstreiten.. aber du willst mit mir nicht darüber reden.. okay.. wie du möchtest.. aber als dein Wächter kann ich dir nur einen Rat geben: Es hat dir früher schon nicht gut getan, alles in dich hinein zu fressen..” Robin sah Faith an, drehte sich um und wollte gehen.
 

“Was weißt du schon.. du kennst mich doch gar nicht.. Robin!” schrie Faith, nahm eine Flasche und warf sie knapp an Robins Kopf vorbei gegen die Wand. “Du kennst mich nicht.. !”
 

“Wie auch immer.. komm jetzt.. wir müssen gehen!”
 

Faith trat gegen eine Tonne, holte kurz Luft, murmelte “Wächter.. ppff”, und folgte ihm dann.
 

+++
 

Xanders und Andrews Wohnung

Nachmittag

"Also, die wichtigste Regel lautet: Du musst sie wie eine Prinzessin behandeln! Stell dir einfach vor, du bist in einem dieser kitschigen Ritterfilme!"
 

Andrew starrte Xander verständnislos an. "Du hast gesagt, ich soll auf dem Ball nicht über Filme reden. Weil die Leute mich sonst für einen durchgeknallten Filmfreak halten!"
 

"Nein, natürlich sollst du nicht über Filme reden! Du sollst es dir nur vorstellen!" Mit ausladenden Armbewegungen versuchte sich Xander an einer höfische Verbeugung. "Du bist Richard Gere, und sie ist Julia Ormond - ohne, das sie mit Sean Connery verheiratet ist, natürlich!" Er bot Andrew seinen Arm an, und führte ihn durchs Wohnzimmer. "Darf ich bitten, Mylady?"
 

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Giles Wohnung

selber Nachmittag

“B-u-f-f-y!” Dawns Schrei aus ihrem Zimmer kam plötzlich, panisch und für Buffy eine Spur zu hysterisch. Und da man an einem Ort, an dem ein Höllenschlund unerkannt schlummerte, nie wissen konnte, was passierte, warf Buffy ihre Illustrierte zur Seite, sprang aus Giles Ohrensessel auf und riss die Zimmertüre auf.
 

“Was ist passiert? Wer hat dir etwas angetan?”
 

Dawn stand vor dem geöffneten Kleiderschrank und sah ihrer Schwester entgeistert entgegen. “Bitte was?”
 

“Du hast... doch eben nach mir gerufen,” stammelte Buffy gedehnt und sah sich im Zimmer um. Weit und breit keine Spur einer Bedrohung.
 

“Ja? Oh.. nicht was du denkst.” Dawn zeigte in das Innere des Schrankes. “Ich habe völlig vergessen mir ein Kostüm zu besorgen.”
 

Deutlich spürte Buffy den ersten Schweißtropfen auf der Stirn.....
 

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Xanders und Andrews Wohnung

selbe Zeit

"Immer schön im Takt bleiben!" In Xander's Armen drehte sich Andrew durchs Wohnzimmer, oder besser gesagt, er stolperte von einem Schritt zum nächsten, und versuchte verzweifelt, seine Füße in die richtige Reihenfolge zu bringen. Aber Xander blieb hart: "Es ist überhaupt nicht schwer! Und wenn du gut tanzen kannst, dann sparst du dir die Hälfte an Konversation!"
 

"Konversation?" fragte Andrew entsetzt.
 

+++
 

Giles’ Wohnung

“Und das wenige, das da ist, ist gänzlich ungeeignet. Und die guten Kostüme sind bestimmt schon alle weg,” jammerte Dawn weiter. “Es ist hoffnungslos!”
 

Erleichtert über die Auflösung des Gebrülls, atmete Buffy tief durch und trat neben ihre Schwester, nur um einen völlig nutzlosen Blick auf die Kleider zu werfen.
 

“Dabei hatten wir auf dem Dachboden immer Kartons voller Kostüme,” sagte Dawn mit Traurigkeit und Wehmut in der Stimme und hängte die Kleider zurück.
 

“Na ja, ich bezweifle, dass du als Rotkäppchen los ziehen wolltest?” grinste Buffy schwach, der die alte Erinnerung ebenso weh tat. “Nun... dann werden wir wohl in die Stadt müssen.”
 

“Können wir uns das überhaupt leisten?” Dawn warf die Schranktüren zu.
 

“Hey.. dein Kostüm, dein Job, dein Geld...”
 

“Ah ich verstehe,” brummte Dawn wenig begeistert darüber, dass sie ihr Angespartes der letzten Woche nicht nur für den Balleintritt opfern musste. Aber natürlich hatte Buffy recht. Wenn sie etwas besonderes wollte, musste sie dafür auch selbst zahlen. Giles anzupumpen erschien ihr falsch. Sie lebten so schon großzügig genug auf seine Kosten. “Ausleihen könnte ich mir das Kostüm auch.” schlug sie vor.
 

Buffy lächelte verlegen und nickte zustimmend. Ihr war es offensichtlich unangenehm ihrer Schwester zu verstehen zu geben, dass ihre Finanzen nur noch knapp für die ersten beiden Mieten und die Nebenkosten reichen würden, sobald sie hier ausgezogen waren. Weihnachten musste dieses Jahr kleiner ausfallen als üblich. Außer sie nahm den Job bei Giles an. Aber das erschien Buffy im Moment, nach den Vorfällen der letzten Wochen unvorstellbar.
 

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Xanders und Andrews Wohnung

"Das Wichtigste an der Konversation sind die Komplimente," erklärte Xander fachmännisch. "Sag ihr, wie hübsch sie in ihrem Kleid aussieht, und wie gut ihr die Farbe steht! Wenn sie dir etwas erzählt, dann zeig ihr, wie sehr es dich interessiert. Du darfst nicht nur auf ihr Aussehen achten, sondern musst ihr zeigen, dass du von ihrem Intellekt beeindruckt bist. Frauen wollen als ganze Menschen wahrgenommen, und nicht auf ihr Äußeres reduziert werden!"
 

"Ich könnte ihr sagen, dass ihre Haare glänzen?" schlug Andrew hoffnungsvoll vor.
 

Xander nickte. "Zum Beispiel. Frauen lieben Komplimente über ihre Haare, aber es darf nicht zu abgedroschen sein. Sei kreativ!"
 

Als Andrew's Gesichtsausdruck immer hilfloser wurde, schlug er als Unterstützung vor: "Notfalls greifst du einfach auf etwas zurück, das du in einem Film gehört hast!"
 

"Ich dachte, ich soll nicht über Filme reden!"
 

"Okay, vergiss das mit den Filmen! Bleib locker, und sei einfach nur du selbst!"
 

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Einkaufszentrum

“Wie wäre es damit?” Buffy nahm ein langes, weißes Gewand vom Ständer des Kostümverleihs im Einkaufszentrum. Dawn winkte gelangweilt ab.
 

“Oh nein, damit rennt bestimmt die halbe Schule herum. Obwohl es Andrew sicher gefallen würde, wenn ich als Leia-Double ankäme. Aber dann müsste ich mir auch diese verrückten Haarschnecken drehen.” Sie verzog eindeutig ablehnend das Gesicht und Buffy hängte das Kostüm zurück. Um sie herum, war reges Treiben. Offensichtlich war Dawn nicht die einzige, die auf den letzten Drücker ein Kostüm brauchte. Allerdings war die meiste Kundschaft zwischen sechs und zehn. Ein Alter in dem die Kostümwahl noch einfach fiel.
 

“Die Auswahl ist nicht mehr so groß,” gab Buffy seufzend zu. “Du bist eindeutig zu spät dran.”
 

“Ach?” Dawn hob gespielt überrascht ihre Augenbrauen. “Was du nicht sagst. Wie findest du das?” Dawn hob eine Maske vor ihr Gesicht und machte ein bedrohliches, knurrendes Geräusch.
 

“Zombie steht dir nicht,” grinste Buffy und ließ ihren Blick durch den Laden schweifen. “Wie wäre es mit dem Löwenkostüm?”
 

Dawn legte die Maske zurück und folgte Buffys Blick. “Vor zehn Jahren fand ich ‘Der Zauber von Oz‘ großartig. Jetzt wäre es kindisch.”
 

“Dann scheidet wohl die Vogelscheuche und der Blechmann auch aus,” Buffy lief dabei von Kostüm zu Kostüm und schüttelte den Kopf. “Du bist anspruchsvoll.”
 

“Ich möchte nur Eindruck schinden,” gab Dawn offen zu. “Es ist nicht gerade so, dass ich großen Kontakt mit anderen Mitschülern hätte, bis auf die wenigen, die ihr inzwischen auch kennt.” Die Wahrheit war allerdings die, dass sie auf Leroy Eindruck machen wollte. Da Buffy aber nur von Andrew wusste und noch immer davon ausging, das mehr dahinter steckte, wollte sich Dawn in der Auswahl ein wenig zurückhalten. Sie wollte hübsch aussehen, aber keinesfalls schlampenhaft, es sollte etwas Originelles sein, aber nicht zu ausgefallen, dass jeder fragen musste, was sie darstellte... sie hätte sich eindeutig früher Gedanken über das Kostüm machen sollen.
 

“Oh wow.. warte...” Dawns Blick fiel auf ein wunderschönes, altmodisches Brokatkleid, das zwischen dem schlichten Kostüm eines Geistes und der Uniform eines Polizisten hing. Aus Angst, es könne ihr noch jemand vor der Nase wegschnappen, eilte sie darauf zu und riss es an sich. “Was denkst du?” Sie hielt es mit einem freudigen, überzeugten Lächeln vor sich. Buffys Gesicht nahm einen sonderbaren Ausdruck an. “Es gefällt dir nicht?”
 

“Doch, doch,” beeilte sich Buffy zu bestätigen. “Es weckt nur ein paar unschöne Erinnerungen. Ich würde lieber etwas nehmen, das Superkräfte verleiht... wie wäre es mit Xena.” Buffy hob das Kostüm in die Höhe.
 

Dawn grinste. “Also wenn uns heute jemand in das verwandelt, was wir darstellen, sehe ich bei mir in dem Kleid keine Gefahr. Ich habe keine Superkräfte, die dadurch verloren gingen.” Dawn drehte sich bei ihren letzten Worten von Buffy weg. “Und mich wird bestimmt niemand gezielt angreifen, so dass ich welche bräuchte.”
 

Sie log und das war ihr unangenehm. Die Alternative bestand leider noch immer darin, mit Buffy darüber zu reden und ihr Leben, das gerade einigermaßen in normalen Bahnen verlief, wieder umzukrempeln. Und das wollte sie auf keinen Fall. Sie würde als Jägerin so lange unerkannt bleiben, wie es nur möglich war.
 

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Xanders und Andrews Wohnung

"Gut, soweit hätten wir das!" Erschöpft ließ Xander sich aufs Sofa fallen, und lehnte den Kopf zurück. Doch einen Moment später wandte er sich Andrew zu, und sah ihn eindringlich mit seinem gesunden Auge an. "Über eine Sache müssen wir allerdings noch reden!"
 

"Noch mehr?" jammerte Andrew. Ihm rauchte schon der Kopf.
 

"Allerdings," nickte Xander. "Das Wichtigste!" Mit verschwörerischem Gesichtsausdruck lehnte er sich nach vorne: "Zuerst muss ich aber ganz sicher sein können, dass kein Wort vom diesem Gespräch den Raum verlässt. Wenn Buffy jemals davon erfahren sollte, würde sie mich auf der Stelle pfählen!"
 

"Ich schweige wie ein Grab!" flüsterte Andrew, und blickte sich ängstlich um, als befürchte er, jemand könne sie belauschen. Atemlos harrte er der Geheimnisse, die Xander ihm nun eröffnen würde.
 

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Einkaufszentrum

“Meinst du nicht, dass ist ein wenig zu... übertrieben?” Buffy nahm Dawn das Kleid aus der Hand, warf einen kurzen Blick auf das Preisschildchen und verzog überrascht das Gesicht. “Das könntest du bei dem Preis fast kaufen.”
 

“Mir egal. Ich will es haben,” für Dawn stand fest, dass sie in dem Kleid fantastisch aussehen würde, und sie hatte auch schon eine passende Idee, wen sie damit darstellen wollte.
 

“Du putzt dich für Andrew ganz schön heraus,” brummte Buffy, der die Argumente schnell ausgegangen waren. “Dafür, dass ihr ‘nur‘ Freunde seid.”
 

“Ich tue das nicht für Andrew, sondern für mich,” sagte Dawn schnippisch und verschwand mit dem Kleid in der Umkleidekabine.
 

Wer’s glaubt, dachte Buffy resigniert und folgte. Sie blieb draußen vor dem Vorhang stehen. “Hör zu, wenn du Andrew süß findest, dann gib es doch zu? Daran ist nichts Schlimmes. So lange es dabei bleibt.,” fügte sie in strengerem Tonfall hinzu. “Als Freund ist er für dich absolut ungeeignet, du bräuchtest jemanden, der reifer ist. Nicht gleich hundert oder zweihundert Jahre älter, das kann auch schief gehen, glaub mir, aber zumindest jemanden, der sich altersgemäß benimmt. Andrew hat nicht viel im Kopf außer seinen Lieblingsserien. Er ist ein Filmfreak und ziemlich ... ziemlich ...” Buffy suchte krampfhaft nach dem passenden Wort für Andrews oftmals merkwürdiges Verhalten. Wäre er ein Mädchen, hätte sie ihn als launische Zicke bezeichnet. Nur was nahm man da bei einem Jungen?
 

“Sensibel,” half ihr Dawn aus und Buffy verzog das Gesicht. Ja so konnte man es auch bezeichnen. “Buffy.. beruhig dich. Ich stehe nicht auf Andrew. Es gibt jemand anders.” Gab sie zögernd zu.
 

“Ach so ist das?” Buffy klang aufrichtig erleichtert. “Wenn das so ist, solltest du vielleicht mit ihm auf den Ball gehen, anstatt mit Andrew. Du machst ihm wahrscheinlich nur falsche Hoffnungen.”
 

“Es gibt nichts, um Hoffnungen zu machen.”
 

“Na ja, aber am besten wäre es, wenn du es auf dem Ball vermeiden könntest, mit Andrew zu tanzen, wenn er dich auffordert. Lass dir ruhig von ihm Getränke an den Tisch holen, aber bleib einfach nur höflich, anstatt nett zu werden. Unterhalte dich mit ihm und halte ihn auf Abstand. Er könnte das alles falsch verstehen. Und wenn du nicht an ihm interessiert bist, würde es vielleicht Andrew mehr schaden, als du annimmst, wenn er erfahren wird, dass du ihn nur als Begleiter benutzt hast.”
 

Dawn schlüpfte aus ihren Sachen und hielt ein, zweimal inne, als sie Buffy völligen Mist plappern hörte. “Andrew weiß, wieso ich ihn gefragt habe. Jetzt zerbrich dir nicht meinen Kopf.” Auch wenn es Dawn gefiel, dass sie mit ihrer großen Schwester etwas unternahm und sich Buffy richtig zu interessieren schien, wollte sie das Thema schnell beenden, bevor sie doch noch von Leroy und Shin beichtete. Da sie sich lebhaft vorstellen konnte, was Buffy davon hielt, schlüpfte sie zurück in ihre Jeans, bevor sie das Kleid anprobiert hatte und verließ eilig die Kabine. “Es passt. Ich nehme es. Gehen wir.”
 

Buffy blinzelte überrumpelt Dawn hinterher, schüttelte mit einem Lächeln den Kopf über sie und ging ihr zur Kasse hinterher.
 

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Xanders und Andrews Wohnung

Xander holte tief Luft. "Okay, nehmen wir einmal an, es verläuft wirklich alles nach Plan. Ihr tanzt miteinander, ihr unterhaltet euch, du machst ihr Komplimente, alles wunderschön. Nun, falls die Stimmung passt, und der Moment der richtige ist, und NUR, falls der Moment der Richtige ist, dann wäre es an der Zeit den nächsten Schritt zu wagen. Normalerweise würde ich vielleicht sagen: 'Lernt euch erst mal ein bisschen besser kennen!' aber ihr kennt euch inzwischen, und bei dir muss man auch keine Sorge haben, dass du die Dinge überstürzt, im Gegenteil.." er brach ab, als er Andrew's verständnislosen Blick bemerkte, und beschloss ein wenig direkter zu werden: "Wie viele Mädchen hast du denn schon geküsst, in deinem jungen Leben?"
 

"Na, hör mal!" rief Andrew entrüstet. "Ich war schließlich Oberfinsterling! Die Frauen sind mir zu Füßen gelegen! Ich hab so viele Mädchen geküsst, dass ich sie gar nicht...zählen kann!"
 

Seine Stimme wurde immer leiser, je amüsierter Xander ihn anblickte, und sein Gesicht immer röter. "Na schön", stieß er schließlich trotzig hervor, "Ich hab' noch nie ein Mädchen geküsst, aber was soll daran so viel schwieriger sein? Es ist doch wie ein Lichtschwertkampf im Mund!"
 

"Halt, halt, die Art von Kuss meinte ich gar nicht," unterbrach Xander, " das wär' ein bisschen viel für den ersten Abend!"
 

"Welche Art meinst du dann?" fragte Andrew neugierig zurück. "Eher die Star Trek Art vielleicht? Nett, bunt und anständig? Oder lieber in Richtung B5? Dunkel und mysteriös, und man kann's gar nicht abwarten, bis endlich die Fortsetzung kommt? Oder meinst du eher Matrix Style, dass sind die Küsse, wo plötzlich die ganze Welt außenrum in Zeitlupe läuft? Oder Ninja Turtle Küsse, dass sind die, die nach Pizza schmecken? Oder einen waschechten Hitchhiker's Guide, bei dem man unters Handtuch kriecht - nein, die kannst du nicht meinen, die sind ja nicht auf den Mund! X-Files, vielleicht? Aber die hören ja schon auf, bevor sie angefangen haben, weil die Bienen immer im unpassendsten Moment..."
 

Xander seufzte. Eigentlich meinte er einen ganz normalen Kuss, den ein realer Junge, einem realen Mädchen im realen Leben gab. Aber irgendwie glaubte er nicht, dass Andrew das begreifen würde. Nicht durch irgendeine theoretische Erklärung, die er ihm geben konnte.
 

Aber vielleicht, vielleicht passierte ja schon heute Abend etwas, das ihn einmal in seinem Leben den ganzen Comic-, Kino- und Serienkrempel vergessen ließ...
 

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Dämonenbar

selbe Zeit

"Bartholomew! Ein Wort unter vier - nein, fünf Augen!"
 

Blitzschnell schoss die Klaue aus der Dunkelheit hervor, und klammerte sich um Mo's Handgelenk. Der bärtige Dämon zuckte jedoch nicht zusammen, sondern blieb ruhig stehen, und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. "Es tut auch gut, dich zu sehen, alter Freund," entgegnete er gelassen, und seine Stimme triefte vor Ironie. "Möchtest du etwas trinken?"
 

Sein Gesprächspartner ließ sein Handgelenk los, um mit einer heftigen Bewegung die Flasche von der Bar zu fegen. Klirrend fiel sie zu Boden, doch kaum einer der dämonischen Gäste nahm wirklich Notiz davon. Einige Köpfe fuhren herum, nur um sich Augenblicke später wieder ihren ursprünglichen Beschäftigungen zuzuwenden. Eine grauhaarige Frau schlurfte herbei, und begann die Scherben vom Boden zu fegen, und in einen Kübel zu schütten.
 

Jetzt endlich drehte sich Mo zu ihm herum, den Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht. Er hatte einen winzigen Sieg errungen, sein Gegenüber hatte als erster die Kontrolle verloren. Der Priester des HtoGrom Clans war äußerst ungehalten, um nicht zu sagen, wütend, und vielleicht konnte man sogar einen Hauch von Angst unter all der Wut erkennen. Er mußte jetzt äußerst vorsichtig sein, und durfte ihn nicht mehr provozieren.
 

"Hast du wirklich geglaubt, ich würde dein kleines Spielchen nicht durchschauen, Bartholomew?" fragte Kan Hsirg, und lehnte sich drohend nach vorne. Sein Gesicht war, wie immer im Schatten seiner Kapuze verborgen, doch das gefährliche Glitzern dreier Augen war selbst im düsteren Schein der Barbeleuchtung deutlich zu erkennen.
 

"Hey, du, verschwinde!" fauchte der Iah K'uru die Frau an, welche immer noch zu ihren Füßen den Boden fegte, obwohl längst keine Glasscherben mehr zu sehen waren. Die Alte sah fragend zu Mo hoch, welcher ihr kaum merklich zunickte, und schlurfte mit ihrem Eimer davon.
 

"Zurück zu uns, alter Freund!" Kan Hsirg verschränkte die Klauenhände unterm Kinn. "Mir sind leider ein paar sehr bösartige Dinge über dich zu Ohren gekommen, die hoffentlich nicht der Wahrheit entsprechen. Es heißt, du und deinesgleichen hätten eine neue Methode gefunden, unliebsame Personen loszuwerden. Ihr verratet sie an die Jägerinnen, und seht dann gemütlich zu, wie diese die Drecksarbeit erledigen. Ich denke da nur an einen gewissen Vampirclan, der sich hier in Cleveland häuslich niederlassen wollte, und auf einmal wie vom Erdboden verschluckt war. Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden hätte - Vampire sind gräßliche Halbdämonen, eine Laune der Natur..."
 

"Worauf willst du hinaus, Kan Hsirg?" fragte Mo ruhig.
 

"Das weißt du sehr gut, Bartholomew. Erzähl' den Jägerinnen was du willst, über Vampire, über irgendwelche unreinen halbmenschlichen Existenzen, aber wisse immer, was du sagst. Denn sollte es mir zu Ohren kommen, dass die Jägerinnen Dinge erfahren, die sie nichts angehen, werden wir ihnen unsererseits ein paar Geheimnisse flüstern. Und ich glaube nicht, dass es Malkuth besonders gut bekäme..."
 

Mit Befriedigung sah er, wie Mo bei der Erwähnung dieses Namen zusammenzuckte, und beschloss, nicht weiter nachzusetzen, sondern lieber ein wenig zurückzuschrauben. "Unser Krieg ist mit den Menschen, nicht mit euch!" Eindringlich sah er seinem ehemaligen Freund an. "Aber es liegt an euch, und eurer Politik, ob das auch so bleiben wird!"
 

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Wächterhaus

Spätnachmittag

“Und ich möchte keinen Kratzer im Lack entdecken. Er war erst vor zwei Tagen in der Waschstrasse und wurde frisch gewachst. Und beim Ausparken, schau in den Rückspiegel. Keinen abgefahrenen Außenspiegel. Such dir einen abgelegenen Parkplatz mit genügend Raum zum Aus- und Einsteigen..”, Giles ging bei seiner Aufzählung um den grünen Van in der Auffahrt herum und besah sich alles genau, als könnte er sich wirklich jede intakte Stelle merken.
 

Andrew versuchte mit ernster Miene, Giles’ Mahnungen zu trotzen. Doch inzwischen war die Liste mit Dingen, die er dem neuen Wagen auf keinen Fall antun durfte lächerlich geworden. Das hier war doch nur ein Van. Wäre es allerdings ein TransAm gewesen, hätte Andrew womöglich mehr Verständnis für Giles’ Panik gehabt. So nahm Andrew alles nur in Kauf, weil er Dawn nicht damit blamieren wollte, dass er sie zu Fuß abholte und so auf den Ball begleitete. Ein Wagen gehörte dazu.
 

Frustriert und auch leicht genervt nickte Andrew bei jedem neuen Punkt und starrte den Autoschlüssel in Giles Hand an, als könnte er ihn mit reiner, mentaler Jedi-Kraft daraus hervorzaubern.
 

“Du bringst ihn mir sofort zurück, wenn ihr den Ball verlassen habt.” Giles kam wieder zu Andrew zurück und hielt ihm den Schlüssel entgegen. Der junge Mann wollte danach greifen, doch Giles überlegte es sich noch einmal anders und zog seine Hand zurück. Andrew machte ein enttäuschtes Gesicht, das fast einen gequälten Ausdruck annahm. Das nächste Mal durfte auf jeden Fall Dawn Giles um den Wagen bitten! Falls es ein nächstes Mal gab, verbesserte sich Andrew in Gedanken.
 

Andrews Arm sank wieder nach unten, während Giles weitere Punkte einfielen, über die er Andrew in Kenntnis setzte. Ohne jegliches Gefühl dafür, dass dem jungen Mann langsam die Geduld abhanden kam. “Der Wagen wird nur zum Abholen von Dawn verwendet. Ihr fahrt direkt zum Ball und wieder zurück. Keine Ausflüge. Ich habe auf den Meilenstand geachtet. Mir würde das auffallen.”
 

Mit diesen Worten reicht der Wächter schließlich Andrew die Schlüssel und ließ nur widerwillig los. Xander den Wagen zu leihen oder Kennedy war ihm noch nie schwer gefallen. Beide waren doch schon einige Jahre erprobte Autofahrer und verlässlich. Bei Andrew war er sich nicht sicher und dann war der Anlass auch noch ausgerechnet für einen Schulball von Dawn. Giles hoffte, der Junge hatte die letzte Mahnung so verstanden, wie er es gemeint hatte. Es stand ihm nicht mehr zu sich direkt in das Leben von Buffy und Dawn einzumischen. Die beiden wurden sicher einig mit ihrem Leben und Dawn war älter geworden, um zu wissen, was alles passieren konnte, wenn sie unvorsichtig wurde...
 

Andrew schnappte sich erleichtert die Schlüssel, atmete sichtlich froh über das Ende der Ermahnungen auf, und stieg in den Wagen. Er versuchte nicht näher über Giles’ letzte Worte nachzudenken, die nur bedeuteten, dass Giles ernsthaft glaubte, er könnte es mit Dawn nicht ehrlich meinen. Er begleitete sie doch nur auf den Ball. Okay, Xander hatte etwas anderes gesagt, also vielleicht...
 

“Ich werde so tun, als wäre es mein Wagen,” versicherte er Giles und begann sich vorzustellen, er säße hinter dem Lenker eines TransAms.
 

“Das rate ich dir,” sagte Giles, nicht ohne einen leicht drohenden Unterton, und beugte sich auf das geöffnete Fenster abgestützt nach vorne, damit er zu Andrew ins Innere blicken konnte. “Und keine Softdrinks auf dem Armaturenbrett, keine fettigen oder klebrigen Sachen auf den Sitzen. Ansonsten lasse ich dich den Wagen für den Rest deines Lebens jeden Samstag waschen, wachsen...”
 

Es gab nur eines, um Giles zum Schweigen zu bringen - Andrew ließ den Motor an und setzte einfach zurück....
 

++++
 

Dämonenbar

selbe Zeit

“Ist Mo da?” Buffy lehnte sich über die Theke des Lustigen Piraten. Der Barkeeper nickte stumm und winkte mit dem Kopf zum rückwärtigen Teil der Bar. “Danke für das Gespräch,” murmelte Buffy und ging um die Bar herum, die in der Mitte des Schiffsrumpfes als geschlossenes Oval den Raum einnahm. Ihr war schon beim betreten der Dämonenbar einige Veränderungen aufgefallen. Der Lustige Pirat nannte sich jetzt Black Pearl und die Deco war düsterer geworden. Was sicher nicht nur an Hallowe’en lag.
 

Die Jägerin entdeckte Mo sofort an einem der hinteren Tische. Mit seiner Größe überragte er die Dämonen an seinem Tisch um einen Kopf, selbst im Sitzen. Mo sah zufällig auf und entdeckte Buffy. Er hatte es eilig aufzustehen, und kam auf die junge Frau zu. Buffy hat keine Chance, sich seinem Tisch zu nähern, denn Mo führte sie mehr oder weniger zurück an die Bar. Das Verhalten kam ihr komisch vor, aber da sie bis lang kaum Kontakt mit Kennedys Informanten gehabt hatte, ließ sie es zu.
 

“Hallo kleine Jägerin,” Mo winkte dem Barkeeper zu. “Kann ich wieder einmal etwas für dich und deine Truppe tun?”
 

“Allerdings... was ist mit der Bar passiert? Hat der Besitzer gewechselt?”
 

Mo lachte auf. Buffy kam es vor, als würde sich Mo unter ihrer Frage entspannen. Ganz so, als habe er etwas anderes erwartet. “Nein. Nur Dank Johnny erwarten die Kunden jetzt etwas mehr. Verdammte Filmbranche. Die Bar gehört noch immer mir.”
 

“Oh,” erstaunt sah Buffy an Mo hoch. “Das ist deine Bar?”
 

“Hat Kenny es nicht erwähnt?”, Buffy schüttelte den Kopf. “Ist ja auch egal. Darf ich dir einen unserer neuen Cocktails anbieten?” Der Barkeeper war zurückgekehrt und schob zwei Longdrink-Gläser auf Mo zu. Eine grün-blaue, undurchsichtige Flüssigkeit umspülte einen Berg von Eiswürfeln, dekoriert mit einem Sahnehäubchen, Ananas und Cocktailkirsche. “Caribbean Beach,” erklärte Mo und Buffy nippte vorsichtig daran. Der Cocktail schmeckte einem Swimming Pool recht ähnlich, aber sie wollte Mo nicht beleidigen, in dem sie seinen Barkeeper als Kopierer beschimpfte.
 

“Hm.. lecker,” stimmte sie zu, was nicht ganz unwahr war.
 

Mo hatte ein kurzes, zufriedenes Lächeln übrig, ehe er wieder ernst wurde. “Du bist sicher nicht wegen kostenlosen Drinks hier, oder?” er sah rasch um sich, als Buffy ihren Blick senkte, um einen zweiten Schluck aus dem Strohhalm zu nehmen.
 

“Nein. Ich bin wegen der Überfälle hier. Ich bräuchte noch ein paar Informationen mehr. Wir kommen nicht wirklich voran.”
 

“Überfälle?” Mo kratzte sich am Kopf und schien darüber nachzudenken. Ganz so, als würde er am Tag von mehreren Vorfällen erfahren und wüsste nicht mehr, von welchem er Kennedy und Buffy erzählt hatte. “Ach so... ja... die Überfälle. Das war nur falscher Alarm. Nichts Besonderes. Auch meine Quellen sind nicht hundertprozentig. Nicht alles, was man mir zuflüstert, entspricht der Wahrheit.”
 

“Falscher Alarm? Und was war mit dem Stofffetzen?” Buffy wollte Mo nicht so ganz glauben. Nicht nachdem Willow passend zu dem Symbol eine Homepage entdeckt hatte.
 

“Eine Fälschung,” bot Mo an und klang dabei selbst sehr überzeugt.
 

“Hm... du meinst dahinter steckt nichts?” Buffy ließ ihren Blick auf Mo ruhen. Er schien ein wenig nervös, angespannt... Sie bekam das Gefühl nicht los, dass er log.
 

Mo bemühte sich, lässig zu bleiben und winkte ab. “Ach nein, nur ein paar normale Straßengangs, die sich bekriegen. Dämonische versteht sich. Mein Informant hat wohl nicht ganz aufgepasst, als er ein paar Dinge beobachtet hatte. Ihr könnt das ruhig vergessen.”
 

Buffys Gesichtsausdruck blieb skeptisch. Sie hätte Mo noch gerne mehr ausgehorcht, aber einer der Dämonen am hinteren Tisch stand auf und rief etwas, das Buffy nicht verstand. Mo winkte zurück und sah dann bedauernd zu Buffy. “Tut mir leid.. ich muss zurück. Man braucht mich,” und ehe Buffy noch etwas sagen konnte, war Mo schon wieder zwischen den Tischen verschwunden. Wieso auch immer - Mo hatte sie los werden wollen. Buffy war sich darüber ganz sicher, als sie ihren Cocktail zurückstellte und die Bar verließ.
 

++++
 

Giles’ Wohnung

abends

Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu, aber irgendwie lächelte es nicht zurück. Jedenfalls kein echtes Lächeln. Falsch. So falsch, wie das Kostüm, das sie in jemand anderen verwandelte. So falsch, wie sie heute Abend ihre beiden Freunde behandelte, und den Jungen, den sie zu lieben glaubte.
 

"Wow!" Buffy hatte hinter ihr das Bad betreten und warf ihr einen staunenden Blick zu. "Du siehst umwerfend aus, Dawnie!"
 

"Findest du?" Dawn zwang sich zu einem weiteren Lächeln, vermied es aber, ihrer Schwester in die Augen zu sehen. Stattdessen betrachtete sie wieder ihr Spiegelbild. Mit den hochgesteckten Haaren wirkte sie richtig erwachsen, soviel war sicher. Ihr zierliches Gesicht, und die sanfte Neigung ihres Halses kamen besser zur Geltung, das wurde durch ein enganliegendes Dekollete noch unterstützt. Von der Brust bis zur Taille hinunter, war das majestätische Ballkleid geschnürt, und betonte so ihre schmale Figur.
 

Aber das allerschönste daran, war der Rock, in prächtigen ebenmäßigen Wellen fiel er nach unten, und schwebte nur wenige Zentimeter über dem Boden, so dass man gerade noch die Spitze darunter sehen konnte. Bei schnellen Bewegungen wirbelte er wie ein Kreisel um sie herum.
 

"Dreh dich mal," forderte Buffy sie auf, und dieser Satz versetzte beiden Mädchen einen Stich, kaum dass er ausgesprochen war. Als ihre Mutter zum letzten Mal ausgegangen war, hatte sie ebenfalls ein Kleid mit weitem Rock getragen, und ihre Töchter hatten sich einen Spaß daraus gemacht, sie immer wieder zum Drehen aufzufordern.
 

"Mom wäre stolz, wenn sie dich jetzt sehen könnte," sagte Buffy leise.
 

'Nein, das wäre sie nicht', dachte Dawn. Aber für Gewissensbisse war es jetzt zu spät. Sie würde den Abend irgendwie rumbringen müssen.
 

"Ich geh schon," sagte Buffy, als das Geräusch der Türklingel sie aus ihren Gedanken riss. "Mach' du nur in Ruhe dein Make-up fertig!"
 

Buffy und Andrew standen draußen im Flur, als sie aus dem Bad kam. Andrew starrte sie an, als wäre sie eine himmlische Erscheinung, es hatte ihm komplett die Sprache verschlagen. Mit seinen schwarzen Lederhosen, und dem Rüschenhemd sah er beinahe verwegen aus, nur sein schüchternes Lächeln wollte nicht so recht zu einem Piraten passen. Verlegen zupfte er an seiner Weste, die er über dem Hemd trug. "Hi...uhm...Elizabeth," brachte er schließlich heraus.
 

Dawn trat einen Schritt näher. "Hi Will!"
 

"Also, da der Ball um Mitternacht zu Ende ist, erwarte ich, dass ihr spätestens um halb eins wieder hier seid." Buffy's Stimme hatte jetzt einen geschäftsmäßigen Ton angenommen. "Keine Ausflüge. Und Dawn - nimm einen Schal mit, du musst deinen Hals ja nicht unbedingt jedem Vampir auf dem Silbertablett präsentieren."
 

"Zu Befehl!" Leicht murrend schlüpfte Dawn in Schuhe und Mantel. Das war typisch ihre Schwester, einen Augenblick schien sie ihr so nahe zu sein, und im nächsten spielte sie wieder die böse Unnahbare. Aber das war schon immer so gewesen...
 

"Ich wünsch euch beiden viel Spaß" sagte Buffy mit einem strengen Seitenblick zu Andrew, der sofort ängstlich zurückwich. "Und benehmt euch!"
 

+++
 

Taco Bell

etwas später

Die Autos von Mara und Sam standen bereits vor dem Taco Bell, wo sie Zwischenstation machten, und eine Kleinigkeit essen wollten. Das mexikanische Fast Food Restaurant war voller Leute, einige davon ebenfalls in Kostümen. Vor dem Getränkenachfüller stand eine Horde verkleideter Kinder, und stritt sich darum, wer als erstes seinen Becher unter den Eistee halten durfte.
 

"Dawn, Andrew!" Mara hatte die beiden entdeckt, und versuchte das Geschrei zu übertönen, als sie ihnen vom Tisch aus zuwinkte. Sie trug ein schwarzes Hexenkostüm, mit dem dazu passenden Gothic Make-up, Willow hätte sich sicher darüber beschwert, wenn sie hiergewesen wäre. Neben ihr saß Josh, der sich in seinem Warlock Aufzug sichtlich unwohl fühlte, aber Dawn musste mit einem leisen Lächeln zugeben, dass ihm der Kayal gut stand. Die Schminke verlieh dem braven Jungen etwas Dämonisches.
 

Sam's Kostüm war nicht besonders aufwendig, er trug lediglich eine braune Lederhose, und ein abgenutztes Leinenhemd. "Captain Okona, zu ihren Diensten," säuselte er, und Andrew strahlte wie ein Honigkuchenpferd. "Cool!" schwärmte er und hielt sich sogleich die Hand vor den Mund, als befürchte er, er könne wieder in den Geek Modus abgleiten. Sam's Begleiterin, ein braunhaariges Mädchen im duftigen Elbenkleid stellte sich als Evelyn, abgekürzt Lyn vor. "Mae Govannen," fügte sie noch hinzu, und Andrew, der seine Hand schon runternehmen wollte, presste sie sogleich wieder auf seine Lippen, damit er nur nichts Falsches sagte.
 

"Die haben keinen Eistee mehr," beschwerte sich ein weiteres Mädchen, und trat zu ihnen an den Tisch. Andrew wäre fast vom Stuhl gekippt, das schwarzhaarige Mädchen trug doch tatsächlich eine Star Trek Classic Uniform mit Minirock und hohen Stiefeln, deren Absätze leise auf dem Linoleum klackten. "Du wirst es überleben, Kleines!" Sam ergriff die Hand des Mädchens, und drückte charmant ein Küsschen darauf. Lyn hob drohend den Finger. "Bild' dir bloß nichts drauf ein, T'Mary Sue!"
 

"Ich? Eine Mary Sue? Und das ausgerechnet von dir, Mrs. Legolas? Das ist ein starkes Stück!" beschwerte sich die Angesprochene und rückte ihre Vulkanierohren zurecht. Gerade als Andrew sich fragte, wie er diesen Abend heil überstehen sollte, kam ein drittes Mädchen anspaziert, blondbezopft, in einer waschechten japanischen Schuluniform. "Also, diesem Kerl an der Kasse würd’ ich am liebsten mein Diadem an den Kopf werfen!"
 

Dawn's Blick glitt an Sam und seinen drei Begleiterinnen vorbei zum Fenster, und glaubte im nächsten Moment, ihr Herz müsse stehenbleiben. Eine große Limousine war soeben auf dem Parkplatz aufgefahren, und jetzt öffnete sich eine der hinteren Türen.
 

Er war es! Eindeutig, selbst in der Dunkelheit konnte sie seine schlanke, durchtrainierte Gestalt erkennen. Allein die Art, wie er sich bewegte, geschmeidig und doch kraftvoll. Sie hätte den ganzen Abend hier stehen bleiben, und ihn einfach nur ansehen können.
 

Nein, konnte sie nicht. Sie musste jetzt dafür sorgen, dass alles nach Plan verlief.
 

"Bin gleich wieder da," meinte sie zu den anderen und deutete in Richtung Toiletten. Hoffentlich fragte Mara jetzt nicht, ob sie mitkommen durfte, das hätte grad noch gefehlt. Aber zum Glück war sie zu sehr damit beschäftigt, an Josh' Frisur herumzuzupfen, um wirklich darauf zu achten.
 

+++
 

Taco Bell,

Parkplatz

Die kalte Nachtluft schlug ihr entgegen, als sie aus dem Restaurant trat. Sie ging nicht sofort zur Limousine hinüber sondern schlich zwischen den geparkten Autos hindurch, zu Sam's Wagen. Immer wieder sah sie sich ängstlich um, ob auch niemand sie beobachtete. Aber die Stimmen von Leroy, und seinem besten Freund Marvin blieben weiterhin auf Distanz, also hatten sie ihren Platz bei der Limousine nicht verlassen.
 

Sie hielt ihr Kleid mit beiden Händen fest, als sie sich neben dem Wagen hinkniete, um das Ventil des Reifens zu öffnen. Doch sie konnte nicht verhindern, das der Rock den Boden berührte, und ein hässlicher Schmutzfleck auf dem Saum erschien. Das unangenehme Zischen der ausströmenden Luft drang an ihr Ohr, gefolgt von einem hysterischen Mädchenlachen. Offenbar bemühte sich Trisha gerade verzweifelt, einen Witz lustig zu finden, den entweder Leroy, oder Marvin gemacht hatten. Hastig stand sie auf, ordnete die Wellen ihres Kleides, holte noch einmal tief Luft und trat auf ihre drei Schulkameraden zu.
 

"Dawn! Wow - ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!" Leroy ging ihr einige Schritte entgegen, ergriff sie bei der Hand, und drehte sie einmal unter seinem Arm hindurch, dass ihr Rock flog. "Bezaubernd wäre eine echte Untertreibung!"
 

"Hi! Was für ein süßes Kleid!" Trisha's Lächeln war so strahlend, als befände sie sich auf einem Laufsteg, und nicht auf einem Parkplatz, doch wie viel davon echt war, wollte Dawn gar nicht wissen. Sie ließ die obligatorischen Wangenküsschen über sich ergehen, die im Moment als 'chic' galten, und bewunderte die Kostüme. Passend zu ihrem Kleid trug Leroy eine altmodische Marineuniform, während Trisha und der drahtige, hochgewachsene Marvin sich für Ramses, den Großen und Cleopatra entschieden hatten. "Ich hatte schon Angst, dass es nicht rechtzeitig fertig wird," flüsterte Trisha vertraulich zu Dawn, als diese ihre golddurchwirkte, mit ägyptischen Ornamenten verzierte Tunika bestaunte. "Ich war zwar schon vor über drei Monaten bei der Schneiderin, aber bei dem Andrang..."
 

Natürlich, Leute, wie Trisha, Marvin und Leroy griffen nicht auf einen Kostümverleih zurück. Bloß aufpassen, dass ihr nichts Falsches herausrutschte. Obwohl, das war sicher nur Trisha, Leroy hatte noch nie auf andere herabgesehen. Er war nicht einer von denen....
 

"Ich müsste noch mal kurz rein, und meine Handtasche holen," erklärte sie schließlich, und deutete Richtung Taco Bell, " es dauert nur einen Moment!" Sie musste sich jetzt beeilen, denn von der anderen Seite des Parkplatzes her, hörte sie bereits die Stimmen von Mara und Josh, die offensichtlich den Platten in Sam's Reifen entdeckt hatten.
 

So schnell es ihr möglich war, ohne aufzufallen, lief sie auf das Gebäude zu, umrundete es einmal, und tauchte auf der anderen Seite des Parkplatzes wieder auf. "Leute! Was ist denn da passiert! Das ist ja furchtbar!"
 

"Halb so wild!" Mara machte sich an dem Reifen zu schaffen. "Das Ventil ist offen, das bedeutet, er ist wahrscheinlich noch ganz! Man müsste ihn nur wieder aufpumpen!"
 

"Wahrscheinlich ein Hallowe’en Streich," überlegte Josh. "Wie machen wir das jetzt, rufen wir gleich jemanden an? Bis der Pannenservice hier ist, ist der halbe Ball vorbei!"
 

"Das sollten wir Sam entschieden lassen," schlug Dawn vor. "Wie wäre es damit, ihr beiden fahrt schon mal vor, und ich geh rein, und rede mit Sam und den anderen? Wahrscheinlich kommen wir dann eh mit Andrew's Wagen nach, und verschieben den Pannenservice auf morgen."
 

"In Ordnung." Gefolgt von Josh ging Mara zu ihrem Wagen, und Dawn wetzte so schnell sie konnte, ins Taco Bell zurück, um Sam Bescheid zu geben.
 

+++
 

Taco Bell,

Parkplatz

"Nee, schon gut, ich kann ja nicht zulassen, dass meine drei Grazien ihren besonderen Abend verpassen." Gelassen betrachtete Sam den Schaden. "Ich geb' nur schnell dem Manager im Taco Bell Bescheid, damit die mir die Karre bis morgen früh stehen lassen. Wir quetschen uns einfach bei dir rein, Alter!" Er boxte Andrew leicht gegen die Schulter, und dieser warf einen verlegenen Seitenblick auf die Mädchen. Sich die ganze Fahrt über interessante Diskussionen anzuhören, und nicht mitreden zu können, würde eine Höllenqual sein. Aber es musste sein, denn er wollte sich um Dawn kümmern. Sie war schließlich seine Begleitung für den Abend.
 

"Sag mal, wäre es okay für dich, wenn ich bei Mara und Josh mitfahre?" fragte Dawn. "Mara und ich sind grad in einer total spannenden Diskussion, wie wir die Sache mit den Drow kurz und schmerzlos beenden könnten...“
 

"Kein Problem." Andrew zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er sich ein wenig verloren vorkam. Dann musste er das mit den Komplimenten, und der Konversation eben auf später verschieben. So konnte er wenigstens noch mal alles im Kopf durchgehen.
 

Gedankenverloren blickte er Dawn nach, als sie zur anderen Seite des Parkplatzes hinüberging. Wie es wohl wäre, eine richtige Freundin zu haben? Hatte Xander vielleicht recht, und dann würde sich alles in seinem Leben ändern? Würde er dann ein ganz normaler Junge sein, und kein durchgeknallter Filmfreak mehr, den niemand für voll nahm? Würde er die ganzen schmerzenden Erinnerungen beiseite schieben können, wie einen bösen Traum, und ein neues Leben anfangen können?
 

Automatisch griff er nach seinem Schlüsselanhänger, bis ihm einfiel, dass er ihn gar nicht mehr hatte. Vielleicht war es Schicksal, dass er ausgerechnet letzte Nacht verloren gegangen war. So eine Art Hinweis. Der letzte Faden, der ihn noch mit der Vergangenheit verband, war durchtrennt worden. Weil es jetzt Zeit für die Zukunft war. Weil es jetzt Zeit war, alles zu vergessen, was gewesen war, und neu anzufangen. Als normaler Junge. Mit einem normalen Mädchen. Keine albernen Spinnereien mehr über Superschurken, Küsse mit Pizzageschmack, und einen Batman, der bei der ersten besten Gelegenheit abgehauen war, und ihn im Stich gelassen hatte. Nie wieder! Es war so, als hätte das alles gar nicht existiert. Es waren Phantastereien.
 

Es war eine Geschichte, die er sich irgendwann mal ausgedacht hatte. Das war alles.
 

+++
 

Taco Bell,

Parkplatz

"Wurde auch langsam Zeit, Kleines!" Charmant hielt Leroy Dawn die Wagentüre auf, und wieder einmal konnte sie sich nicht an diesem süßen Lächeln sattsehen. Hier neben ihm zu sitzen, ihm einfach nur nahe zu sein, das war alles, alles was sie sich wünschte. Dafür nahm sie auch gerne Marvin's Prahlereien, und Trisha's dummes Geschwätz in Kauf.
 

Ein wenig hatte sie doch ein schlechtes Gewissen, weil sie Andrew so stehengelassen hatte. Aber der würde sich wahrscheinlich prächtig mit Sam und diesen Mädchen verstehen, und sie überhaupt nicht vermissen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass sie rechtzeitig ankamen, damit niemand das Verwechselspiel mit den Autos durchschaute.
 

Sie lachte laut über einen Witz, den Leroy gemacht hatte, und es fiel ihr überhaupt nicht schwer, eine aufmerksame und fröhliche Gesprächspartnerin zu sein. Dieses Mal würde es funktionieren, da war sie sich ganz sicher. Dieses Mal würde die Liebe keine Katastrophe werden.

Dieses Mal würde sie Glück haben.
 

AKT 4

Holiday Inn

abends

Die Lichter des Holiday Inn strahlten ihnen schon von weitem entgegen, als die prächtige Limousine darauf zufuhr. Für den Ball hatte die Lincoln West High den großen Tanzsaal, nebst dem dazugehörigen Vorzimmer gemietet. Auch in der Lobby, und im Wintergarten dürften sie sich aufhalten, versicherte eine der beiden Zehntklässlerinnen, die ihnen an der Garderobe die Mäntel abnahm. Weitere Zehntklässler drückten ihnen lächelnd alkoholfreie Begrüßungscocktails in die Hände. Hätte nur noch gefehlt, dass jemand mit Silbertabletts voller Schnittchen, und kandierter Früchte umhermarschierte.
 

Leroy schien sich in dieser Umgebung so richtig wohlzufühlen. Lässig flippte er seine Kreditkarte hervor, um den Chauffeur der Limousine zu bezahlen, charmant flirtete er mit den Garderobenmädchen, und fürsorglich hielt er Dawn die Türe auf, und nahm ihr den Mantel ab. 'Ein perfekter Gentlemen', dachte Dawn immer wieder bewundernd, und sie konnte nicht verhindern, dass eine Reihe von Bildern an ihrem geistigen Auge vorbeizog. Mit Leroy in einem 'chic'en Nobelrestaurant, mit Leroy auf einem Empfang, mit Leroy an Deck eines prächtigen Kreuzfahrtschiffes. Im Stillen lächelte sie über sich selbst.
 

Ein wenig ängstlich blickte sie sich um, aber von Andrew und den anderen war noch nichts zu sehen. Aber Shin konnte jeden Moment hier auftauchen, und sie musste den Eingang im Auge behalten, um ihn rechtzeitig abfangen zu können.
 

"Wollen wir reingehen?" Leroy bot Dawn seinen Arm an, und deutete mit einem Kopfnicken auf die Eingangstür zum Ballsaal. Schüler in den verschiedensten Kostümen strömten an ihnen vorbei, überall wurden Hände geschüttelt, Komplimente ausgetauscht, verbales Gift verspritzt und Hälse gereckt, um dieses oder jenes Kleid zu betrachten, oder das neueste Gerücht mitzubekommen.
 

"Ich würde gern noch ein wenig frische Luft schnappen, wenn es dir nichts ausmacht," antwortete Dawn und spähte nervös zum Eingang. "Ich vertrag die Hitze nicht gut." Das war glatt gelogen, eigentlich war sie eher kälteempfindlich. Wie sollte sie diesen Abend nur rumbringen?
 

"Möchtest du vielleicht noch etwas trinken, oder eine Kleinigkeit essen?" schlug Leroy vor. "Hier im Hotel gibt es ein Restaurant, und wir haben ja noch etwas Zeit bis zum Grand March."
 

"Danke, das ist lieb von dir," lächelte Dawn, "aber ich brauch' wirklich nur etwas Luft." Wollt ihr drei nicht schon mal vorgehen, und mir einen Platz im Saal freihalten?"
 

Leroy zögerte noch etwas, aber im selben Moment packte Trisha seinen Arm, und zog ihn Richtung Tür. "Wir warten im Saal auf dich!" meinte sie hastig zu Dawn. Diese wäre fast eifersüchtig geworden, hätte sie nicht gesehen, dass in diesem Moment Trisha's Erzfeindin Teresa in einem leuchtendroten Carmen Kostüm vorübergeschwebt kam, ihren Toreador im Schlepptau. Dabei trällerte sie fröhlich vor sich hin, um auch wirklich jeden daran zu erinnern, dass sie die beste Sängerin der Schule, und das Aushängeschild bei Schulfesten war.
 

Dawn fragte sich, ob Trisha als Antwort ein paar Cheerleader Sprünge zum Besten geben würde, doch sie begnügte sich mit einem süßlich-giftigen Lächeln in Richtung ihrer Rivalin, und stolzierte mit Leroy und Marvin an den Armen in den Saal.
 

Shin! Dort draußen stand er, und blickte sich suchend nach ihr um. Hastig zog sie das Blumenbändchen, das Leroy ihr überreicht hatte, von ihrem Handgelenk, und stopfte es in ihre Handtasche. Nur gut, dass Andrew vergessen hatte, ihr Blumen mitzubringen, sonst wüsste sie wirklich nicht mehr wohin damit.
 

+++
 

Vor dem Holiday Inn

etwas später

"Hi, Elizabeth."
 

"Hi Jack," begrüßte sie ihn fröhlich. "Ich hoffe, ich hab dich nicht zu lange warten lassen."
 

"Kein Problem." Er schüttelte den Kopf, und rückte seinen Hut zurecht. Die Kettchen und Münzen mit denen er sein Piratenoutfit komplett gemacht hatte, klirrten leise. "Außerdem warte ich gern auf dich."
 

"Tatsächlich?" Sie fand Warten einfach nur nervig und konnte sich nicht vorstellen, dass jemand Gefallen daran fand. "Wie kommt's?"
 

"Es ist ein Warten mit Ziel, neh?" Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Kein stumpfsinniges Vor-sich-hin-Warten, und auch kein hoffnungsloses Herbeiwarten. Und genau das ist der große Unterschied. Bevor ich's vergesse..."
 

Er griff in seine lederne Gürteltasche, und kramte ein Schächtelchen daraus hervor. Für ein Blumenbändchen schien es ungewöhnlich klein zu sein, überlegte sie, als sie das Geschenkband löste, und neugierig hineinspähte. Nun, es war ein Blumenbändchen, aber keines, wie man es in den Läden fand. Es bestand aus einer einzigen weißen Rosenblüte deren Ränder in hauchzartes Violett getaucht waren. Über einige Blütenblätter verstreut, lagen winzige Glasperlen, unregelmäßig wie Tautropfen. Sie fielen nicht herunter, als Dawn die Blüte bewegte, aber sie konnte auch nicht erkennen, wie sie befestigt waren. Die Illusion schien perfekt.
 

"Sie sind angenäht," grinste Shin, der Dawn's Verwunderung offensichtlich bemerkt hatte. "Mit Haaren, damit man es nicht sieht. Das ist der ganze Trick, es ist wirklich nichts Besonderes..."
 

"Tatsächlich?" Dawn beugte sich über die Blume, und spähte angestrengt zwischen die Blütenblätter. Ja, wenn man genau hinsah, konnte man es erkennen...
 

Und noch etwas anderes bemerkte sie, die Ränder der Blüte waren aufgemalt. Jedes einzelne Blütenblatt war mit einer Reihe hauchzarter violetter Markierungen versehen worden. Sie hätte es sich gern genauer angeschaut, doch soeben tauchte der Wagen von Mara und Josh auf der Straße auf. Die beiden durften sie hier nicht sehen, sie glaubten schließlich, sie wäre bei Andrew mitgefahren.
 

"Gehen wir rein," sagte sie eine Spur zu hastig, "mir ist etwas kalt hier draußen. Das Bändchen ist übrigens echt wunderschön, vielen Dank."
 

"Wie gesagt, nichts Besonderes." Shin lächelte. "Aber freut mich, dass es dir gefällt!"
 

+++
 

Holiday Inn, Lobby

etwas später

"Hey Dawn!" Kaum hatte sie die Lobby betreten, kam ihr auch schon Andrew entgegen, mit Sam, und den Mädchen im Schlepptau. "Wo sind denn Mara und Josh?" wollte Sam wissen, und blickte sich neugierig um.
 

"Sie...uhm...müssten gleich kommen," wich Dawn aus, und hoffte, dass Mara möglichst schnell einen Parkplatz fand. Nervös blickte sie zwischen Shin und ihren Freunden hin und her. "Das ist Shin, mein Teampartner bei Cleveland Rides. Shin, dass sind Andrew, Sam und...uhm."
 

"Lyn, Daisy, und Elena," stellte Sam die Mädchen vor, welche Shin neugierig beäugten. "Du hast Ähnlichkeit mit Takehito Koyasu," stellte Elena fest. "Dem Synchronsprecher von Aya aus Weiß Kreuz, falls dir das was sagt."
 

Shin zuckte mit den Achseln. "Für mich ist das nichts, aber meine Cousine ist ein riesiger Fan der Serie. Sie war sogar mal auf einem Konzert von Weiß in Tokyo, aber das ist schon ne Weile her..."
 

Elena und Daisy brachen in ein Kreischen aus, und wollten Einzelheiten wissen. Dawn nützte die Gelegenheit, um Andrew ein Stück beiseite zu ziehen, und ihm bei Ausziehen seiner Jacke zu helfen. "Sollte das nicht irgendwie umgekehrt sein?" fragte er ein wenig verwirrt, doch Dawn grinste ihn betont fröhlich an. "Leben wir im Zeitalter der Gleichberechtigung, oder was? Geh du ruhig mit den anderen schon mal vor, ich kümmere mich um deine Jacke."
 

Sie ging in Richtung Garderobe, und nickte Shin aus einiger Entfernung zu. Dieser entschuldigte sich bei den Mädchen, und folgte ihr.
 

"Nette Freunde hast du," meinte er, als er sie eingeholt hatte. "Diese Mädchen wollten mich gar nicht mehr weglassen. Sie haben mich so ziemlich über jeden Anime zugetextet, der jemals in Japan gelaufen ist. Na ja, zumindest wollten sie nicht wissen, ob ich Karate kann, oder ob mein Großvater für Pearl Harbor verantwortlich ist." Er lachte leise. "Das Beste war noch dieser Typ an meiner Schule, der mich gefragt hat, ob wir denn in Japan schon Autos und Computer hätten."
 

Dawn musste grinsen, aber in diesem Moment sah sie Leroy, der im Eingang zum Saal stand, und sich suchend umblickte. "Wärst du so lieb, und würdest dich um meine Jacke kümmern?" fragte sie, und legte Shin Andrew's Jacke über die Arme. "Ich hole uns nur schnell was zu trinken."
 

+++
 

Holiday Inn, Ballsaal

etwas später

"Ich hab mir schon Sorgen gemacht, geht es dir gut?" In Leroy's Stimme schwang echte Besorgnis mit. "Der Grand March beginnt in ein paar Minuten, die meisten haben schon angefangen, sich aufzustellen..."
 

Dawn lief es kalt den Rücken hinunter. Der Grand March! Wie hatte sie das nur vergessen können? Jetzt gab es verdammt noch mal keinen Ausweg mehr. Wie in aller Welt sollte sie mit drei Jungen gleichzeitig über die Bühne laufen? Und selbst, wenn sie von einem zum anderen rannte - die Namen der Schüler wurden laut aufgesagt. Jeder würde es hören! Sollte sie sich einen falschen Namen zulegen?
 

"Nein, sorry, mir geht es gar nicht gut," brachte sie mühsam heraus, "ich glaub, das Kleid ist schuld, ich hab's zu eng geschnürt, und jetzt ist mir total schlecht. Es tut mir leid - es tut mir echt leid!"
 

"Wir sollten jemandem Bescheid geben." Erschrocken sah Leroy sie an. "Hier im Hotel gibt es sicher eine Krankenschwester, die sich um dich kümmern kann. Nach dem Grand March gehen wir gleich zur Rezeption und fragen nach. Willst du dich bis dahin vielleicht einen Moment hinsetzen, und etwas trinken? Anstellen müssen wir uns nicht, Marvin und Trisha halten uns sicher einen Platz frei."
 

"Danke...danke, das mit der Krankenschwester ist eine gute Idee," murmelte Dawn. Sie hatte allmählich wirklich das Gefühl, dass ihr schlecht wurde. Außerdem war es die perfekte Lösung ihrer Probleme. Wenn sie mit Leroy zur Rezeption ging, hatte sie ihn ganz für sich alleine, und konnte ihm vielleicht endlich etwas näherkommen. Und Shin und Andrew konnten ihr auch nicht wirklich böse sein, wenn sie erfuhren, dass ihr schlecht geworden war, und sie sich hingelegt hatte.
 

"Gut, sobald wir durchmarschiert sind, kümmere ich mich darum," versicherte Leroy. "Komm, wir gehen zu Marvin und Trisha nach vorne, dann haben wir es gleich hinter uns...." Er legte einen Arm um sie, und zog sie in Richtung der Bühne.
 

"Leroy, ich kann nicht!" Sie versuchte sich aus seinem Arm herauszuwinden. "Ich steh das nicht durch, ich muss mich hinsetzen..."
 

"Bitte tue mir den Gefallen, und reiß dich etwas zusammen!" Seine Stimme klang wohl einen Ton schärfer als beabsichtigt, denn im nächsten Moment holte er tief Luft, und gab sich Mühe, wieder freundlicher zu klingen. "Sieh mal, ich bin Captain vom Baseballteam, wie schaut das denn aus, wenn ich beim Grand March fehle? Außerdem bin ich ja einer der Kandidaten für den Ballkönig. Ich kann das einfach nicht bringen, verstehst du?"
 

"Ist es dir egal, dass es mir schlecht geht?" Dawn traute ihren Ohren nicht.
 

"Nein, natürlich nicht," versicherte er. "Wenn das hier vorbei ist, gehen wir gleich zur Krankenschwester, versprochen...Sieh mal, es ist doch etwas ganz Besonderes, dass wir beide jetzt zusammen über diese Bühne marschieren, auch für dich. Sieh es einfach als eine Art Aufnahmeritual an deiner neuen Schule. Von heute an wirst du keine Schwierigkeiten mehr haben, Freunde zu finden..."
 

"Ich habe Freunde," unterbrach sie ihn wütend. "Ich bin nicht darauf angewiesen, mit dir über diese blöde Bühne zu laufen!"
 

Sein Griff verstärkte sich. "Dawn, sieh dich um! Um uns herum sind etwa hundert Mädchen, und jede einzelne von ihnen würde gern in deinen Schuhen stecken! Als hör auf, so ein Theater zu machen, und komm jetzt!"
 

"Lass mich in Ruhe!" Ohne darauf zu achten, dass sie möglicherweise ihre Kräfte preisgab, riss sie sich mit Schwung von ihm los, machte kehrt, und stürmte aus dem Saal.
 

+++
 

Holiday Inn, Ballsaal

etwas später

"....und obwohl wir vorher mindestens fünfmal ausgemacht haben, dass das Rollenspiel ohne Slash wird, hat die Draco die ganze Zeit die Harry angebaggert." Daisy senkte verschwörerisch die Stimme, und Lyn und Elena spitzten die Ohren. "Und die Sirius ist uns halb durchgedreht, weil sie ja im RL mit der Harry zusammen ist. Die haben sich am Schluss fast geprügelt, so eifersüchtig war die..."
 

"Na, ich würd die Draco auch keine drei Schritte an meine Freundin ranlassen," versicherte Elena. "Hab ich euch eigentlich erzählt, dass ich sie schon aus dem Digimon Fandom kenne, als sie noch Yamato hieß? Ich war damals nämlich ihre Taichi..."
 

"Nein!"
 

"Erzähl!"
 

Andrew nahm schnell einen Schluck von seinem Drink, um sich daran zu erinnern, dass er heute die Klappe halten, und ein normaler Junge sein musste. Sonst würde das mit Dawn nie funktionieren, soviel war sicher. Er musste ihr zeigen, dass er in ihre Welt hineinpasste. Er war ein Agent auf geheimer Mission! Er hatte einen Auftrag! Und er durfte sich auf keinen Fall verraten, sonst hatte er ausgespielt!
 

Wo in aller Welt blieb nur Dawn? Der Ballkönig und die Ballkönigin des vorherigen Jahres waren beinahe mit der Eröffnungsrede fertig. Eine schöne Rede. Selbst Buffy hätte es nicht besser gekonnt, und sie war gut im Redenhalten. All die wunderbaren Dinge über das wunderbare Leben von Schülern an einer High School. Schulzusammenhalt und Klassengeist und Gemeinsam-in-die-Zukunft-schreiten. Wie die perfekte Matrix, in der alle immer glücklich waren, und niemand niemals ein Problem hatte.
 

Er war auch an einer High School gewesen, aber nie ein Teil von dieser Welt. Damals hatte es ihm nicht wirklich etwas ausgemacht, er hatte geglaubt, es müsse so sein. Im Gegenteil, er konnte sich sogar glücklich schätzen, dass ihn niemand beachtete, so wurde er wenigstens in Ruhe gelassen. Warren und Jonathan hatten viel Schlimmeres durchmachen müssen. Er hatte es zwar nur über Tucker mitbekommen, der damals mit den beiden rumhing, aber bei dem Gedanken daran, schauderte ihm noch immer.
 

Aber das alles war Vergangenheit. In wenigen Minuten würde er mit Dawn über diese Bühne gehen, und alles andere hinter sich lassen. Die High School Zeit, und die Zeit danach. Die Zeit mit Warren und Jonathan, an die er nicht mehr denken wollte. Xander hatte vollkommen recht, auch er konnte eine Freundin finden, wenn er nur nichts falsch machte, und sich an die Regeln hielt.
 

"Melony Layer!"
 

"Eskortiert von Stephen Danford!"
 

Der Grand March hatte begonnen, und ein Paar nach dem anderen marschierte unter dem Applaus der restlichen Ballgäste über die Bühne. Mara und Josh würden auch bald an der Reihe sein. Er hatte sich gewundert, mit welchem der Mädchen Sam gehen würde, aber dieser legte offensichtlich nicht den geringsten Wert auf so etwas, gelassen hockte er auf seinem Stuhl, und beobachtet das Ganze wie einen mäßig interessanten Kinofilm. Noch nicht einmal, dass die Gespräche der Mädchen schon so manchen merkwürdigen Blick auf sich gezogen hatten, schien ihn weiter zu stören.
 

"Hope Peterson!"
 

"Eskortiert von Marc Cates!"
 

Wo blieb Dawn? Inzwischen war schon über die Hälfte der Paare durch, allmählich wurde ihm mulmig zumute. Vielleicht war sie irgendwo draußen und hatte die Zeit vergessen, aber vielleicht war auch etwas passiert.....
 

"Hey!" Sam lehnte sich zu ihm hinüber, "solltest du nicht mit Dawn da vorne stehen?" Er deutet auf die rasch kürzer werdende Schlange vor der Bühne.

"Ich geh sie suchen," murmelte Andrew und stand so hastig auf, dass sein Stuhl beinahe umkippte. Ohne einen Blick zurück zu werfen lief er aus dem Saal. Ihm blieben nur noch wenige Minuten, bis der Grand March vorüber sein würde.
 

+++
 

Holiday Inn, Lobby/Wintergarten

selbe Zeit

Wie konnte er nur! Das war doch nicht ihr Leroy, der immer so nett und fröhlich war. Unmöglich!
 

Es musste ein Zauber sein, eine andere Erklärung gab es nicht! Ja, ein Zauber, der ihn unter seine Kontrolle gebracht hat. Eine Hexe, Trisha vielleicht, hatte ihn becirct, damit er sich in sie verliebte! Und damit er gemein zu allen anderen Mädchen war!
 

Sie rannte durch die Lobby, welche jetzt natürlich menschenleer war, bis auf eine Gruppe Zehntklässler und die beiden Mädchen an der Rezeption. Fast wäre sie nach draußen gestürmt, machte aber im letzten Moment kehrt, und wandte sich nach rechts zum Wintergarten. Hier zwischen den Pflanzen würde bestimmt niemand nach ihr suchen. Höchstens die Liebespaare würden später hierher kommen, und die hatten Besseres zu tun.
 

Nein, es war nicht Leroy's Schuld! Es war alles ihre eigene! Sie hatte ihn belogen, benutzt, ihm etwas vorgemacht! Ihr war ja nicht einmal wirklich schlecht gewesen! Sie hatte ihn ebenso hintergangen, wie Shin, und Andrew und alle anderen. Wie hatte sie nur so etwas tun können... müsste sie nicht reifer sein, nach alledem, was sie schon erlebt hatte?
 

Nein, sie war nicht reif, sie war nicht erwachsen, sie war nur ein dummes kleines Mädchen, das den Hals nicht voll kriegen konnte. Kein Wunder, dass Leroy sie so behandelt hatte! Er hatte sie wahrscheinlich durchschaut! Für jeden Menschen mit Verstand war ihr wahrer Charakter so offensichtlich, wie der Fleck auf ihrem Kleid.
 

Heftiger und heftiger flossen ihre Tränen, als drinnen im Saal die Musik zu spielen begann. Dort würden jetzt alle tanzen, und das Fest genießen. Und sie hätte einer von diesen glücklichen Menschen sein können. Sie könnte jetzt dort drinnen mit Leroy tanzen, wenn sie nicht so unglaublich dumm gewesen wäre.

Sie kramte in ihrer Handtasche nach einem Kleenex, um sich das Gesicht abzuwischen, und fasste mitten in die beiden Blumenbändchen darin. Achtlos zog sie sie heraus, und hielt plötzlich ein weißes Blütenblatt in den Händen.
 

Es war ein Blütenblatt von der Rose, die Shin ihr geschenkt hatte. Jetzt, wo sie es einzeln in der Hand hielt, konnte sie deutlich die zartvioletten Markierungen am Rand erkennen. Es waren kleine, ineinander verschachtelte Striche und Linien, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass diese Zeichen nicht zufällig gesetzt waren.
 

Sie hielt das Blatt näher an ihre Augen. Tatsächlich, es waren Schriftzeichen. Jemand hatte das Blütenblatt mit Schriftzeichen umrundet, jemand hatte jedes einzelne Blütenblatt dieser Rose mit Schriftzeichen umrundet, und nur mit unendlicher Geduld, sowie mit Hilfe einer Lupe, und eines hauchfeinen Pinsels wäre so etwas möglich gewesen.
 

Es musste eine Arbeit von Stunden gewesen sein, das so hinzukriegen. Und sie hatte sie nicht einmal bemerkt.
 

Die Rose entglitt ihren zitternden Händen, und fiel zu Boden. Auf den dunklen Steinplatten des Wintergartens wirkte sie seltsam verloren.
 

Eine Hand hob die Rose vom Boden auf, und hielt sie ihr entgegen. Jemand war hier, war vielleicht schon eine Weile hinter ihr gestanden, und sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn gar nicht hatte kommen hören...
 

"Ich wollte dich nicht stören," meinte Shin ein wenig verlegen, und trat einen Schritt zurück. "Falls ich irgend etwas getan haben sollte, um dich unglücklich zu machen, dann entschuldige bitte. Es war ganz bestimmt nicht meine Absicht!"
 

"Wie könntest du etwas getan haben, wenn doch alles meine Schuld ist?" schluchzte sie. "Shin...es tut mir so leid. Ich hab alles falsch gemacht. Ich wollte unbedingt auf den Ball....mit Leroy, und dann ging alles so durcheinander...oh, ich hätte niemals..."
 

Tränen erstickten ihre Stimme, und sie wandte das Gesicht ab. Eine sanfte Berührung an der Wange ließ sie erschauern, und sie sah, dass er neben sie getreten war, und mit der Blüte eine ihrer Tränen aufgefangen hatte. Wie ein winziger Tautropfen glitzerte sie jetzt auf dem sanften Weiß...
 

"Dawn, möchtest du mir nicht einfach erzählen, was passiert ist? Wenn ich irgendwie helfen kann...ich werd' es wirklich versuchen!"
 

Sie dachte an den Tag davor, an die Sache mit den beiden Jungs, und daran, wie er reagiert hatte. So gelassen. So souverän. Jemand, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ.
 

Vielleicht würde er verstehen. Vielleicht war er wirklich jemand, dem sie sich anvertrauen konnte. Andrew wäre zu verletzt, um es verstehen zu können, und Leroy durfte die Wahrheit niemals erfahren...
 

+++
 

Holiday Inn

Ballsaal

"Dieses ganze Konzept ist eigentlich total albern. Ich meine, die Tussi will doch nur ein ganz normales Schulmädchen sein, und stattdessen ist sie auserwählt, und muss in knappen Klamotten rumhüpfen, und Dämonen vermöbeln. Und dann wird auch noch ihr Lover böse, und sie muss gegen ihn kämpfen. Das ist doch kitschig!"
 

"Von welcher Serie redest du überhaupt. Sailor Moon?"
 

"Wedding Peach. Bei Sailor Moon gab's zumindest noch ein Lesbenpärchen, das war cool!"
 

Der Grand March war vorüber!
 

Der Grand March war vorüber, und er hatte nicht daran teilgenommen. War nicht mit den anderen Jungen und Mädchen über die Bühne marschiert. Dawn war fortgewesen. Und er hatte sie nicht mehr gefunden, obwohl er überall gesucht hatte.
 

Draußen in der Lobby war sie nicht gewesen, und auch nicht an der Garderobe. Auch nicht vor dem Hotel, um frische Luft zu schnappen und nicht im Mädchenklo, wo er eigentlich gar nicht rein durfte. Nachdem seine Suche erfolglos verlaufen war, war er in den Saal zurückgekehrt, in der Hoffung, dass sie vielleicht inzwischen dorthin zurückgekehrt war. Aber er hatte Pech, er traf nur auf Sam, und die drei Mädchen, die immer noch am selben Tischchen saßen. Mara und Josh waren bereits tanzen gegangen.
 

War es so eine Art Spiel? Hatte sie sich versteckt, und er musste sie suchen? Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen.
 

Ob sie mit Absicht weggegangen war? Hatte er irgendetwas Falsches gesagt, oder getan?
 

Oder war irgendetwas passiert? Irgendetwas Schlimmes?
 

Solange er hier blieb, würde er es nicht herausfinden. Er musste unbedingt weiter nach ihr suchen. Das Hotel war ziemlich groß, vielleicht war sie ja irgendwo hingegangen, wo eigentlich kein Zutritt für die Ballgäste war.
 

Draußen neben dem Fahrstuhl hatte er einen Plan vom Hotel gesehen. Vielleicht wäre es am besten, er würde systematisch vorgehen. Special Agent Wells suchte nach der vermissten Person. Seinen Spähaugen entging nichts! Er würde den Fall lösen, so wie er jeden Fall löste!
 

Jetzt ging es ihm gleich wieder besser! Und der Abend war ja noch nicht vorüber! Es war noch viel Zeit fürs Tanzen, und die Konversation, und alles, was Xander noch gesagt hatte!
 

Die James Bond Melodie vor sich hin trällernd, marschierte er aus dem Saal.
 

+++
 

Holiday Inn, Wintergarten

etwas später

"Ich weiß, dass es unverzeihlich ist, was ich dir angetan hab."

Dawn spürte, wie die Tränen erneut in ihr hochstiegen, aber sie ließ sie nicht fließen. Die ewige Heulerei machte es nicht besser, und Shin sollte nicht glauben, sie wolle Mitleidspunkte kassieren.
 

Sie hatten sich im Wintergarten auf eines der Holzbänkchen gesetzt, die zwischen den mediterranen Büschen und Bäumen aufgestellt waren. Über ihnen ragte eine Palme auf, und direkt daneben wuchs ein Rhododendrenbusch, welcher prächtige Knospen trug, die sich bestimmt schon in den nächsten Tagen öffnen würden. Und sie hatte zu erzählen begonnen.
 

Er hatte sie kein einziges Mal unterbrochen, sondern ihr aufmerksam zugehört. Die Worte waren einfach so herausgesprudelt, angefangen von ihrer Angst keinen Partner zu finden, und dem Abend, an dem sie Andrew gefragt hatte, über die Sache mit ihm selbst, und schließlich Leroy. Bis hin zu dem chaotischen Ballabend, an dem sie Sam's Auto einen Platten verpasst hatte, und von einem Jungen zum nächsten gerannt war.
 

"Auf alle Fälle wird es sehr schwer sein, das wieder in Ordnung zu bringen," entgegnete Shin ernst. "Mal sehen, ich glaube, es bringt nicht wirklich viel, wenn du jetzt zu Leroy hinrennst, und ihm die Wahrheit sagst. Gerade, wenn du immer noch versuchen willst, ihn näher kennenzulernen. Damit hättest du bestimmt deine Chancen verspielt! Nein, da ist es besser, du bleibst bei der Version mit deiner Übelkeit..."
 

Dawn traute ihren Ohren nicht. Keine Wut, keine Vorwürfe, er hatte nicht einmal die Stimme erhoben. Stattdessen Überlegungen, und Ratschläge, wie sie die verzwickte Situation auflösen konnte. Einen Menschen wie ihn hatte sie wirklich noch nie kennengelernt. Woher nahm er nur diese unglaubliche Gelassenheit?
 

"Aber den anderen solltest du auf alle Fälle die Wahrheit sagen," überlegte Shin weiter. "Was den Jungen mit dem Auto angeht, könntest du vielleicht morgen eine Pumpe für seinen Reifen organisieren, oder notfalls die Kosten für den Pannendienst übernehmen. Damit sollte die Sache eigentlich aus der Welt sein, falls er nicht einer von diesen Fanatikern ist, die ihr Auto anbeten."
 

"Nein." Dawn schüttelte den Kopf. "Das ist Sam sicher nicht."
 

"Zu Andrew kann ich jetzt nicht viel sagen, aber ihr seid ja ziemlich gut befreundet, so wie ich das mitbekommen hab. Wenn du ein bisschen nachdenkst, da fällt dir bestimmt was ein, was du tun könntest."
 

Ob sie ihm vielleicht eine DVD oder Actionfigur schenken konnte? Oder würde das so wirken, als wolle sie seine Freundschaft zurückkaufen? Vielleicht sollte sie ihn mit einem selbstgekochten Menü überraschen, oder ihn zu irgendeiner Veranstaltung einladen - nein, das wohl besser nicht...
 

"Was ist mit dir?" fragte sie leise. "Du musst doch auch ziemlich sauer sein."
 

"'Verletzt' wäre das richtige Wort," gab er offen zu. "Ich hätte das wirklich nicht von dir gedacht, Dawn. Ich wünschte, du hättest mir einfach abgesagt, als du die Zusage von Andrew bekommen hast."
 

Seine ruhigen Worte trafen sie mehr, als jeder Wutausbruch es hätte tun können. Der Kampf gegen die Tränen war nun entgültig verloren. "Ich will es wieder gut machen," schluchzte sie. "Es gibt doch eine Möglichkeit, wie ich es wieder gut machen kann, oder? Oder?"
 

Er nahm ihre beiden Hände und hielt sie fest. "Wir finden schon was!" Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und verwandelte sich in ein spitzbübisches Grinsen. "Willst du mein Fahrrad abschrubben?"
 

"Du bist einfach...", trotz ihrer Tränen musste sie lächeln, und er nickte zufrieden. "Siehst du, jetzt geht es dir schon besser. Fang!"
 

Ohne jede Warnung warf er ihr das Rosenbändchen zu. Sie war total überrumpelt, konnte es jedoch im letzten Moment aus der Luft fischen. Jägerinnenreaktion, erinnerte sie sich mit einem leisen Seufzer. Noch eines ihrer vielen ungelösten Probleme.
 

"Ich hab mich gar nicht richtig für die Blume bedankt," sagte sie leise. "Du hast dir extra für mich eine solche Arbeit gemacht, und ich hab es gar nicht zur Kenntnis genommen. Willst du mir sagen, was darauf steht. Es sind doch Schriftzeichen, oder?"
 

"Es sind Gedichte," nickte er. Sie hielt ihm die Blüte entgegen, aber anstatt sie zu nehmen, legte er nur seine Hand auf die ihre. Offenbar kannte er die Zeilen auswendig, mit denen er beginnen wollte.
 

"Meine Hand fing ein fallendes Kirschbaumblatt

Als ich die Faust öffne

Ist nichts mehr da."
 

"Wo ist dann das Blatt geblieben?" fragte Dawn neugierig. "Und da wir schon von Blättern reden, warum hast du die Gedichte auf eine Blume geschrieben? Ich meine, soviel Mühe und Arbeit, und in ein paar Tagen ist sie verwelkt, und alles war umsonst."
 

"Glaubst du das wirklich?" fragte Shin leise. "Wenn ich ein Gedicht auf ein Blatt Papier schreibe, hält es dann für die Ewigkeit?"
 

"Nein, natürlich nicht." Sie zog die Stirn in Falten. "Du meinst damit, dass alles vergänglich ist, oder? Wie diese Mönche in den buddhistischen Klöstern, die zehn Jahre lang ein Bild aus Sand machen, und wenn sie fertig sind, zerstören sie es wieder?"
 

Shin grinste. "Ja, so kann man es ausdrücken. Weißt du, wir legen soviel Wert auf unwichtige Dinge im Leben. Wir regen uns über alles mögliche auf, streiten, haben Angst um unseren guten Ruf, machen uns Stress wegen Kleinigkeiten. Und am Ende bleibt doch nichts davon übrig. Einiges interessiert uns schon am nächsten Tag nicht mehr, anderes nach einer Woche, oder einem Jahr. Und wenn wir mal hundert Jahre in die Zukunft blicken, wer fragt dann noch danach, wer wir waren, und warum wir gelacht, oder geweint haben? Wir sind auch nicht viel anders als Kirschbaumblätter, die sich irgendwann in Nichts auflösen."
 

Dawn schwieg eine Weile und dachte über seine Worte nach. Wenn man es von diesem Standpunkt aus sah, dann war das natürlich ein Grund, um sich in Gelassenheit zu üben. Aber die Gedanken allein reichten nicht, es gehörte schon jede Menge Selbstdisziplin dazu.
 

"Das mit dem Kirschbaumblatt würd’ ich ein wenig anders sehen," meinte sie schließlich. "Ich denke, da geht es eher darum, dass man etwas festhalten möchte, wie zum Beispiel einen ganz besonderen Moment. Aber es geht eben nicht. Die Zeit bleibt nicht stehen, auch wenn man das noch so gerne hätte."
 

Sie lächelt ihn an, und bemerkte, dass er immer noch ihre Hand festhielt. "So, wie dieser Moment jetzt." Sie lehnte sich nach vorne, und blickte ihn an, ihre Gesichter waren jetzt nur noch wenige Zoll voneinander entfernt.
 

"Es freut mich zu sehen, dass es dir wieder besser geht, Dawn!"
 

Sie fuhr herum. Vor ihnen auf dem gepflasterten Weg stand Leroy, mit Trisha und Marvin im Schlepptau
 

+++
 

Straßen von Cleveland,

Nacht

Buffy ließ den Blick langsam über die Szenerie vor ihr schweifen. Um diese Uhrzeit wären die Straßen normalerweise fast leer gewesen, aber das war auch kein normaler Tag, schließlich war Hallowe’en. Die Straßenbeleuchtung, eher spärlich als wirklich nützlich, warf ein sonderbares Licht auf die vielen verkleideten Menschen, welche die Straßen bevölkerten, verlieh ihnen einen Hauch von Unwirklichkeit, sogar Bedrohlichkeit.
 

Mehr als einmal musste Buffy sich wirklich bemühen, ihre Jägerinneninstinkte zurückzuhalten, damit nicht irgendein Jugendlicher, der nur zum Spaß eine Monstermaske aufgesetzt hatte, eine unangenehme Begegnung mit ihrer Faust machte.
 

Angesichts der vielen verkleideten Menschen war es verwunderlich, dass es nicht ein paar Dämonen gab, die diese Gelegenheit nutzten, um unbemerkt ihren "Vergnügungen" - welcher unangenehmen Art auch immer - nachzugehen.
 

Aber angeblich war Hallowe’en den meisten Dämonen auf sonderbare Weise entweder heilig oder verhasst, weshalb gerade jetzt Ruhe herrschte - zumindest sollte es das sein, aber vergangene Jahre hatten zur Genüge gezeigt, dass man sich darauf auch nicht verlassen konnte.
 

Also hieß es, wachsam zu bleiben.
 

Zudem suchte sie ja auch nach einer besonderen Art von Dämon. Den Namen mochte sie allerdings noch nicht einmal in Gedanken wiederholen, aus Angst, ihre Gehirnwindungen könnten sich verknoten.
 

Was wieder einmal zu der Frage führte, warum Dämonen so merkwürdige Namen hatten.
 

Es war doch kontraproduktiv....wie sollte der Name eines Wesens Furcht in den Menschen hervorrufen, wenn diese ihn noch nicht einmal aussprechen konnten?

Na ja, es war eigentlich nicht so wichtig. Viel wichtiger war, dass sie diese Dämonen fand, diese Iah...wasauchimmer.
 

Ihre Freunde hatten die Suche schon längst aufgegeben, aber Buffy war sich nicht so sicher, ob das eine gute Idee war. Natürlich, es hatte keine weiteren Anhaltspunkte gegeben, aber trotzdem fühlte Buffy sich verantwortlich, sicherzustellen, dass wirklich keine Gefahr bestand.
 

Nicht davon zu sprechen, dass, wenn sie etwas herausfand, sie einen enormen Vorsprung vor Kennedy erlangte.
 

Kaum hatte sich dieser Gedanke in Buffys Hirn eingeschlichen, versuchte sie, ihn zu verbannen, in irgendeine Ecke ihres Geistes, wo er hingehörte. Rivalitäten dieser Art waren einfach nur dämlich....oder nicht? Immerhin war sie nicht mehr "DIE Jägerin", nur noch "EINE Jägerin"....und es wurde ihr immer häufiger bewusst.
 

Langsam, auch wenn ihr dieser Gedanke grauenhaft falsch vorkam....langsam spürte sie, wie Faith empfunden haben musste.
 

Buffy fröstelte und es war nicht nur die immer noch ungewohnte Kühle Clevelands, die dafür sorgte. Die Dinge schienen ihr zunehmend zu entgleiten. Giles und Lily, deren Verhältnis nicht nur für ihr ästhetisches Verständnis zu eng war, Willow, die nun ZWEI Stufen über ihr stand, der neue Rat, Quelle zunehmenden Misstrauens...und Dawn, die erwachsen wurde, was Buffy zunehmend Kopfschmerzen bereitete.
 

Buffy hatte es spät bemerkt, aber sie wusste nun, dass sie sich immer mehr verhielt wie ihre eigene Mutter damals. Sie bemühte sich nach Kräften, Dawn zu schützen, vergaß dabei aber, dass Fehler einfach gemacht werden mussten. Aber sie wollte Dawn nicht in die gleiche Lage bringen, in die sie immer wieder geraten war.
 

Doch drängte sie Dawn durch ihren Schutz nicht genau in solch eine Situation hinein?
 

Und es waren ja nicht nur die üblichen Teenagerprobleme, die ihr noch zu gut im Gedächtnis waren....da gab es ja auch noch die anderen Dinge. Unannehmlichkeiten wie blutrünstige Untote, Zombies, Werwölfe und Riesenschlangen.....
 

Zuerst hatte sie ja gedacht, dass es einfacher werden würde, Dawn zumindest von den übernatürlichen Problemen fernzuhalten, nun, da sie nicht mehr die einzige Jägerin war. Aber ärgerlicherweise interessierte es die Dämonen wenig, welche Jägerin sie vor die Reißzähne bekamen und ob diese sich aus dem "aktiven Dienst" ein wenig zurückziehen wollte oder nicht. Da waren diese Höllenwesen ziemlich unsensibel.
 

Plötzlich schauderte die Jägerin. Irgendwas war nicht normal. Sie ließ den Blick wieder schweifen, diesmal aufmerksamer als zuvor.
 

Da war etwas....ein junges Paar, welches gerade in einer dunklen Seitengasse verschwand. Der Mann war gekleidet wie ein mittelmäßiger Dracula-Verschnitt, komplett mit schlechtsitzendem Umhang.
 

" Das gibt’s doch nicht....." murmelte Buffy und eilte hinter den beiden her. Ihr "sechster Sinn" verriet ihr ziemlich genau, was da in den Schatten geschehen würde. Sie rollte mit den Augen und griff nach ihrem Pflock.
 

Nur wenige Augenblicke später zerrte sie einen vollkommen verwirrten Möchtegern-Vampir aus der Gasse. An seinem Umhang klebte noch Staub und sein Gesicht war selbst unter der Schminke kalkweiß.
 

" Ich...was...." stammelte er, aber Buffy schüttelte nur den Kopf.
 

" Das dauert jetzt zu lange. Nur soviel....nächstes Jahr ne andere Verkleidung, unter den Typen gibt’s ne Menge Leute mit zu viel schrägem Humor."
 

Soviel zum Thema Hallowe’en und Ruhe....
 

Sie ließ den Mann los und wanderte weiter die Straße entlang. Vampire waren keine mehr zu sehen. Aber wenn hier die Hallowe’en-Ruhe nicht eingehalten wurde, sollte sie vielleicht doch mal nach Dawn sehen....
 

+++
 

Holiday Inn, Wintergarten

selbe Zeit

"Leroy?" stammelte Dawn verwirrt.
 

"Allerdings, das ist mein Name," fauchte er. "Gut, dass du dir wenigstens das merken konntest, du kleines Miststück! Mit wem du hier bist, scheinst du ja offenbar vergessen zu haben!"
 

Dawn verschlug es für einen Moment die Sprache, sie wusste nicht, ob sie ihn anschreien, oder einfach nur losheulen sollte. Ihr schlechtes Gewissen vermischte sich mit Wut, er hatte allen Grund auf sie sauer zu sein, aber so ließ sie sich nicht behandeln! Und das war schon das zweite Mal, dass er so gemein zu ihr war, wenn sie an vorhin zurückdachte.
 

Ohne Eile stand Shin auf. "Hör zu, du hast jedes Recht wütend zu sein, aber so spricht man nicht mit einem Mädchen. Wir können dir alles erklären..."
 

"Halt's Maul, Schlitzauge!" Leroy baute sich vor Shin auf, er war fast einen ganzen Kopf größer, als der andere Junge. Drohend blickte er ihn an, doch Shin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Keiner von beiden sagte etwas, und auch die anderen schwiegen atemlos, für eine Weile war es so still, dass man den Unterhaltungen draußen in der Lobby hätte lauschen können.
 

Shin war es, der als erster einen Schritt zurücktrat. "Es ist nicht Dawn's Schuld," erklärte er ruhig, "sondern allein meine. Ich hab' sie hier draußen getroffen, und es ging ihr nicht gut, also hab ich mich um sie gekümmert. Das ist alles."
 

"Okay." Leroy atmete tief durch, und schien sich tatsächlich ein wenig zu beruhigen. "Verschwinde einfach, und wir vergessen das Ganze. Ich will dich nicht noch mal in Dawn's Nähe sehen, damit das klar ist!"
 

Dawn widerstand dem Impuls zu Leroy hinüberzurennen, und ihm eine zu kleben. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein?
 

Ein lautes Krachen und Scheppern ließ die Jugendlichen herumfahren. Der große Tontopf, in welchem die Palme stand, war umgestoßen worden, und lag in Scherben am Boden. Der Baum selbst war zu Boden gefallen, nur seine Krone hing noch im Gebüsch fest. Trisha schrie entsetzt auf.
 

"Einfache Probleme fordern einfache Lösungen," sagte Marvin gelassen, und stieß den nächsten Topf um. Leroy und Trisha rannten gleichzeitig los, um ihn festzuhalten. "Hör auf, Mann, was soll das?"
 

Die Türe zum Wintergarten öffnete sich, und Ballgäste strömten herein. Erschrocken, neugierig, fasziniert. Dawn konnte ihre Blicke förmlich fühlen. Ein älterer Mann mit Schnauzer bahnte sich seinen Weg durch die Menge, es war Mr. Myers, ihr Geschichtslehrer, der für den Ball die Aufsicht übernommen hatte. "Was ist hier los?" fragte er und blickte dabei streng in die Runde.
 

"Der Kerl hier ist durchgedreht," antwortete Marvin als erster und deutete auf Shin. "Er und Leroy hatten einen Streit, wegen Dawn, und dann hat er plötzlich angefangen zu randalieren..."
 

"Du Lügner!" schrie Dawn. "Mr. Myers, das ist überhaupt nicht wahr! Marvin hat die Töpfe selbst kaputt gemacht, und jetzt..."
 

"Ruhe!" brüllte Mr. Myers. "Wenn ihr nicht in vernünftigem Tonfall mit euren Lehrern sprechen könnt, dann braucht ihr überhaupt nicht den Mund aufzumachen! Also, was ist hier passiert?"
 

Nervös blickte Leroy sich um, dann wandte er sich wieder an den Lehrer. "Es ist, wie Marvin gesagt hat."
 

"Sie will den Typen nur in Schutz nehmen," fügte Trisha mit einem giftigen Seitenblick auf Dawn hinzu.
 

"Du bist nicht von unserer Schule, oder?" Abschätzend sah Mr. Myers Shin an.
 

"Nein, Sir, ich gehe auf...."
 

"Dann verstehe ich sowieso nicht, was du hier verloren hast! Verschwinde, aber ein bisschen plötzlich, sonst ruf ich..."
 

"Er ist mit mir hier!" Dawn trat einen Schritt nach vorne, und sah ihren Lehrer ohne Angst an. "Wir dürfen Leute von außerhalb der Schule einladen!"
 

"Diese Regel sollte schleunigst geändert werden," brummte Mr. Myers. "Egal, du hast hier nichts mehr zu suchen, Junge. Hiermit bist du vom Ball ausgeschlossen!"
 

"Wenn Sie es sagen, Sir." Dawn wollte protestieren, als Shin sich, ohne einen Versuch zur Verteidigung, zur Tür wandte, aber er lächelte sie nur an, und schüttelte leicht den Kopf.
 

Dawn's Blick fiel auf Leroy, Marvin und Trisha, und ihre Augen verengten sich. Es war weniger Wut, als Verachtung, und Leroy schien das zu spüren, denn er wandte das Gesicht ab, und starrte düster zu Boden. Offensichtlich war er nicht so ganz glücklich mit der Entscheidung, die er soeben getroffen hatte. Trisha dagegen blickte sie trotzig und siegessicher an, und lehnte sich dabei an Marvins Schulter, um ihre Unterstützung für ihn zu bekunden. 'Fast wie Andrew in seinen bösen Tagen', dachte Dawn, und plötzlich fühlte sie Mitleid mit diesem Mädchen, das so hoffnungslos unter der Fuchtel von anderen stand, und sich so leicht kontrollieren ließ. Unsicherheit, kombiniert mit Selbstzweifel, neh? Wobei das übertriebene Bedürfnis nach Anpassung spielte hier sicher auch eine Rolle.
 

Etwas von ihren Gefühlen musste sich wohl in ihren Augen gezeigt haben, denn Trisha blickte jetzt nicht länger siegessicher, sondern hoffnungslos verwirrt in ihre Richtung. Vielleicht würden Leute wie sie und Leroy auch irgendwann mal mit dem Denken anfangen. Egal, sie konnte jetzt nichts dafür tun.
 

Sie wandte sich ab, und folgte Shin. Auf einem Ball, von dem er ausgeschlossen war, wollte sie keinen Moment länger bleiben.
 

Die Menge an der Tür teilte sich und bildete eine Gasse. Den Kopf hocherhoben, ohne nach links und rechts zu blicken, schritt sie hindurch, sie wollte jetzt nicht auf die Gesichter achten, die an ihr vorbeizogen. Und dass am Montag wahrscheinlich die ganze Schule über die Sache klatschen würde, interessierte sie nicht im mindesten. Gut, natürlich interessierte sie es schon, und es machte ihr auch Sorgen. Aber das würde sie jetzt bestimmt nicht zeigen.
 

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Holiday Inn, ein Gang im 2. Stock

etwas später

Lange, dunkle menschenleere Hotel Gänge erinnerten ihn immer an Shining. Sie hatten etwas echt Gruseliges an sich, und die Chance, dass es hier Dämonen gab, bestand durchaus. Dämonen waren schon an viel unwahrscheinlicheren Orten aufgetaucht, ganz besonders, wenn man sie selbst beschwor.
 

Ob ein Dämon Dawn verschleppt hatte? Einer von diesen Kerlen mit den vielen Nasenlöchern, die sie in den letzten Tage gesucht hatten? Vielleicht sollte er zu Giles fahren, und Buffy Bescheid geben?
 

Andererseits würde er nicht furchtbaren Ärger bekommen, wenn er wegfuhr, und Dawn hier zurückließ? Und am Ende war dann wirklich nichts Schlimmes passiert, und er hatte ihr den Ball versaut, indem er alle in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
 

Er hatte jetzt drei der fünf Stockwerke durch. Auch den Wintergarten hatte er inzwischen gefunden, und den Fitnessraum. Dort hatte er ein Pärchen überrascht, und war schnell, und mit knallroten Gesicht wieder rausgelaufen. Puh, war ihm das peinlich gewesen.
 

Auch den Swimmingpool hatte er entdeckt, und im Wasser trieben keine Leichen herum. Gruselig war es trotzdem mit dem bläulichen Licht an den Wänden. Er machte, dass er da wieder rauskam.
 

Na ja, wenigstens würden hier keine toten Zwillingsmädchen rumrennen. Die Stimmen, die er vom Ende des Ganges hörte, klangen jedenfalls ziemlich lebendig.

"Wer denkt schon an Orlando, das Milchgesicht? Es heißt Frodo, der Ringträger, nicht Legolas, der Skateboardfahrer!"
 

"Er ist kein Milchgesicht! Elijah Wood ist das Milchgesicht!"
 

"Sie sind alle beide Milchgesichter. Und ihr seid blöde Ziegen, wisst ihr das? Die zwei sind nur ein paar Bübchen, die rumrennen, und gut aussehen. Viggo Mortensen, ja der hat Charakter!"
 

"Aber keinen Stil! Elijah Wood, der hat Stil!"
 

"Viggo Mortensen ist der einzige von dem Haufen, der schauspielern kann!"

"Orlando Bloom sollte einen Oskar gewinnen, und ihn Viggo Mortensen über die Rübe ziehen!"
 

Fast hatte seine Hand schon die Klinke runtergedrückt, als er erschrocken einen Sprung rückwärts machte. Wenn er jetzt in dieses Zimmer ging, würde er vielleicht nicht so bald wieder rauskommen. Und er musste doch nach Dawn suchen!
 

+++
 

vor dem Holiday Inn

selbe Zeit

"Ich hab dein Blumenbändchen nicht mitgenommen."
 

Traurig warf Dawn einen Blick zum Hotel zurück. "Aber ich würde um nichts in der Welt da wieder reingehen wollen."
 

"Mach dir nichts draus." Shin lächelte. "Du kriegst bei Gelegenheit ein neues. Und dann steh ich immer noch in deiner Schuld, für das, was du für mich getan hast."
 

Dankbar lächelte sie ihn an, sagte aber nichts, sie war zu erschöpft, um die richtigen Worte zu finden. Da er versprochen hatte, sie nach Hause zu bringen, befanden sie sich jetzt auf dem Weg zu seinem Auto. Oder besser gesagt, dem Auto seines Vaters, welches er sich ausgeborgt hatte.
 

Ansonsten hatten sie in den letzten Minuten nicht viel miteinander gesprochen. Die Erlebnisse auf dem Ball hatten sie tief bestürzt, sie musste das alles erst mal verarbeiten, und brauchte ein wenig Ruhe. Eigentlich wollte sie einfach nur nach Hause, und sich hinlegen.
 

"Da vorn steht er!" Shin deutete auf einen silbergrauen Toyota, der noch etwa dreißig Yard von ihnen entfernt auf der anderen Seite der Straße geparkt war.

"Okay," murmelte sie.
 

"Tetsu Shinichi!" rief eine Stimme hinter ihnen.
 

Marvin. Dawn rollte die Augen. Der Trottel hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Wahrscheinlich freute er sich so sehr über seinen Triumph, dass er zum Abschied unbedingt noch ein paar blöde Sprüche klopfen musste.
 

"Verschwinde, Marvin, und lass uns in Ruhe," seufzte Dawn genervt. Sie wandte sich um, und ging einen Schritt auf Leroy's besten Freund zu, als sie Shin's Hand auf ihrem Arm spürte. Natürlich, er hatte noch die Geduld, sich mit der Nervensäge rumzuärgern, aber sie bestimmt nicht mehr.
 

"Kannst du autofahren?" fragte Shin unvermittelt
 

"Ja, aber... ich hab den Schein noch nicht...", stammelte sie verwirrt. Sie verstand nicht, was die Frage sollte.
 

Shin drückte ihr seine Autoschlüssel in die Hand. "Setz dich bitte schon mal rein, und warte auf mich, in Ordnung? Und lass die Türen verschlossen, bis ich da bin."
 

"Aber..."
 

"Tu mir einfach den Gefallen, weil ich dich darum bitte." Obwohl seine Stimme immer noch so ruhig und freundlich war, konnte sie seine Anspannung erkennen. Er war nervös. Er war doch tatsächlich nervös, und das hatte sie bei Shin noch nie zuvor erlebt. Wieso? Es war doch nur Marvin, und der konnte auch nicht schlimmer sein, als Leroy, oder die beiden Trottel, die sie bei Cleveland Rides gesehen hatten.
 

"Für einfache Probleme gibt es immer eine einfache Lösung."
 

Marvin ging immer noch auf sie zu, seine Stiefel klackten auf dem Asphalt der Straße. Es war ein seltsames Bild, ein Ramses inmitten all dieser Autos, und moderner Gebäude. In der Hand hielt er seinen goldenen Krummstab, das Zeichen der Herrschaft des Pharaos.
 

Und dann war er plötzlich nicht mehr Marvin. Seine Haut verfärbte sich, seine Augen wurden gelb, seine Arme und Hände verlängerten sich zu riesigen Klauen. Die goldenen Gewänder zerrissen in Fetzen, als seine drahtige Gestalt größer und breiter wurde....
 

Er sah nicht anders aus, als noch vor einigen Tagen, als er Michael Voorhees in der Tiefgarage ermordet hatte.
 

+++
 

Holiday Inn, ein Hotelzimmer,

etwas später

"Verdammt, die sind nicht schwul! Kann mir mal einer erklären, warum bei euch immer alle Typen schwul sein müssen?"
 

Vorsichtig spähte Andrew durch den Türspalt ins Zimmer. Er konnte Sam erkennen, der gemütlich auf dem Bett des kleinen Hotelzimmers lag, während sich Lyn, Daisy und Elena um den Fernseher scharten, und aufmerksam jede Bewegung ihrer Helden verfolgten. Nachdem ihre letzte Debatte ohne wirkliches Ergebnis geblieben war, hatte sich die Diskussion nun anderen Dingen zugewandt.
 

"Ich versteh' echt nicht, warum die immer alle nur Frodo/Legolas schreiben," stöhnte Daisy, und rückte ihre Vulkanierohren zurecht, "ich meine, die Typen sehen sich im ganzen Film nicht wieder. Legolas gehört zu Aragorn, und Frodo zu Sam, das ist doch so was von offensichtlich. Außerdem kann man Sam auf Frodo's Schoß setzen, jedenfalls wenn man ihm vorher das Cape auszieht!"
 

"Sie redet von den Actionfiguren," erklärte Andrew, als er Sam's verständnislosen Blick bemerkte.
 

"Hey, Andrew!" Sam grinste ihn an, dann wandte er den Blick wieder zum Fernseher. Merkwürdig war nur, dass er von seiner Position aus den Bildschirm gar nicht richtig sehen konnte. Diverse Beine, Hintern und Köpfe waren ihm im Weg. Andrew verstand absolut nicht, warum Sam den Mädchen nicht sagte, dass sie beiseite gehen sollten.
 

"Sag mal, dürfen wir eigentlich hier sein?" fragte Andrew schließlich und tat einen vorsichtigen Schritt in den Raum.
 

"Wohl eher nicht, aber solange es keiner mitkriegt, können wir uns die DVD auch zu Ende ansehen." Elena schob Daisy's Kopf aus dem Weg. "Wir sollten nur rechtzeitig um zwölf hier weg sein, weil dann der Ball rum ist!"
 

"Das schaffen wir aber nicht mehr!" Stirnrunzelnd sah Lyn auf ihre Uhr. "Lasst uns doch bitte die blöden Arwen Szenen wegspulen, okay? Erst klaut sie Glorfindel das Pferd, und dann rennt sie überall im zweiten Teil rum, wo sie gar nichts verloren hat, die dumme Pute!"
 

"Aber nicht die Szene, wo sie Aragorn den Anhänger schenkt," protestierte Andrew. "Die will ich sehen!" Er seufzte leise. "Es gehört mir, und ich schenke es, wem ich will. Wie mein Herz."
 

Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da hatte er sie schon bereut. Er war nicht hier, um sich einen Film anzugucken, und er war nicht hier, um irgendwelche Anhänger anzuschmachten. Er war nur aus einem einzigen Grund hier, weil er Dawn suchen wollte. Er wollte mit ihr auf dem Ball tanzen, und ein ganz normaler Junge sein. Genau das wollte er und nichts anderes!
 

Konnte er sich nicht wenigstens den Film bis zur Anhängerszene angucken, und dann weitersuchen?
 

Nein, auf keinen Fall. Er würde jetzt aus diesem Zimmer gehen, und Dawn suchen, und nicht auf die bösen Einflüsterungen seines anderen Ich's hören. Er war Smeagol, und er würde Gollum besiegen! Auf jeden Fall!
 

Sogleich fühlte er sich wieder besser, und das Schuldgefühl verschwand.
 

"Den Anhänger kriegt er später von Legolas wieder," freute sich Daisy. "Ich sag's ja, Aragorn und Legolas!"
 

"Ich kann's echt nicht mehr hören!" Sam hielt sich die Ohren zu. "Die. Sind. Nicht...
 

"Immerhin bleiben Aragorn und Sam in Mittelerde, während Frodo und Legolas nach Aman fahren," wurde er von Andrew's Überlegungen unterbrochen, "und da Sam Rosie heiratet..."
 

"Aaargh!" Stöhnend hielt sich Sam ein Kissen über den Kopf, und sprang dann auf.

"Ich brauch echt 'ne Auszeit von euch Mädels!"
 

"Ich muss auch weiter!" Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf den Bildschirm riss Andrew sich los. "Ich muss Dawn finden!"
 

+++
 

Straße vor dem Holiday Inn

selbe Zeit

Dawn sprang einen Schritt zurück, und ballte die Fäuste. Sie hatte Angst ja, aber sie war schon Schlimmerem gegenübergestanden, als diesem lippen- und nasenlosen Wesen, und das ganz ohne Jägerinnenkräfte. Sie würde die Stellung halten, soviel war sicher. Und sie würde nicht zulassen, dass dieses Ding Shin was antat.
 

Es war ihr jetzt alles ganz klar. Marvin war an dem Vormittag auch auf dem Spielfeld gewesen, als sie sich verraten hatte. Wahrscheinlich hatte er an diesem Morgen Verdacht geschöpft, und ihr darum die beiden Schlägertypen auf den Hals gehetzt. Er wollte sehen, wie sie reagierte, wenn einer ihrer Freunde bedroht wurde. Ob sie sich verriet. Nun, das konnte er haben! Wenn er unbedingt kämpfen wollte, dann gegen sie! Nicht gegen Shin, der mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte.
 

Aber sie brauchte eine Waffe. Shin's Autoschlüssel würden ihr nicht viel weiterhelfen. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, etwas von einem der Autos abzureißen, oder zu brechen, aber das war wohl keine gute Idee. Sie hatte heute schon ein Auto demoliert, und das reichte.
 

"Nimm das, du Monster!" Sie zog einen Kanaldeckel aus seiner Verankerung im Boden, und hielt ihn drohend in die Höhe!" Der Dämon riss ungläubig die Augen auf, und brach anschließend in schallendes Gelächter aus.

"Vielleicht behagt dir das mehr!"
 

Ein Holzpflock bohrte sich von hinten durch die Brust des Monsters. Es schrie auf, fuhr herum, und wollte nach der Gestalt greifen, die dort stand, doch sie war zu schnell für ihn. Alles was er sah, war ein Fuß, der aus dem Nichts zu kommen schien, und ein Tritt, der ihn zu Boden beförderte.
 

"Buffy?" Erschrocken starrte Dawn ihre Schwester an. "Du hier?"
 

"Ja, allerdings!" schrie ihre ältere Schwester zurück. "Ich hier! Und ich werde dich nicht fragen, was du mitten in der Nacht mit einem wildfremden Kerl auf der Straße verloren hast, wenn du eigentlich mit Andrew auf dem Ball sein solltest!" Sie verpasste dem Dämon einen weiteren Tritt, der noch nicht wieder auf die Beine gekommen war.
 

"Lassen Sie mich bitte erklären...", begann Shin.
 

"Nein, von dir will ich keine Erklärungen!" Buffy sah aus den Augenwinkeln, wie der Dämon auf die Füße sprang und konnte sich gerade noch unter seinem Schlag hinweg ducken. "Ich rede mit meiner Schwester! Ich will wissen, warum meine Schwester immer dann, wenn ich glaube, dass sie endlich erwachsen wird,“ sie schlug dem Dämon ihre Faust krachend ins Gesicht, „immer dann, wenn ich ihr vertraue,“ einen weiteren, wütenden Faustschlag brachte sie gegen seine Solarplexus an, sofern das Monster einen hatte, „wieder einen solchen Mist bauen muss!" Sie ließ sich in die Knie fallen und fegte dem ins Wanken geratenen Dämon die Beine weg. Er fiel krachend auf den Rücken. "Denn ich versteh's nicht! Ich versteh' es absolut nicht!"
 

Dawn wandte das Gesicht ab. Buffy's Wut war berechtigt, aber es gab so vieles, das sie noch nicht wusste. In diesen letzten Tagen war so unheimlich viel passiert, wo sollte sie beginnen, wenn sie es ihrer Schwester erklären wollte? Sie würde viel früher anfangen müssen, mit jener Nacht in London, als sie zu erstenmal gespürt hatte, dass sie....und es würde nur noch weitere Vorwürfe nach sich ziehen, nein, nicht heute nacht! Sie wollte nur noch heim, und ihre Ruhe haben. Es war zu viel für einen Tag gewesen.
 

"Wir gehen nach Hause!" Buffy hatte den Dämon inzwischen im Schwitzkasten und machte dem Kampf mit einer raschen Bewegung, die dem Monster das Genick brach ein Ende. Dann wandte sie sich an Dawn. "Komm jetzt!"
 

Diese schenkte Shin noch ein leises 'Gute Nacht', bevor sie ihrer Schwester folgte.
 

+++

Holiday Inn, Ballsaal

etwas später

Er stand wieder am Eingang des Ballsaals und sah den tanzenden Jungen und Mädchen zu. Es war ein langsames Lied, zu dem sich die Paare engumschlungen auf dem Parkett wiegten. Die meisten hielten ihre Augen geschlossen, und hatten die Gesichter aneinander gelehnt, als sie sich langsam zur Musik drehten...
 

I see you when it snows

in crystals dancing down

from a sultry sky

when silence is pure and unbreakable
 

Wahrscheinlich wollte Dawn überhaupt nicht gefunden werden. Zumindest nicht von ihm. Wahrscheinlich hatte er irgend etwas gemacht, weswegen sie sauer auf ihn war, irgend einen Fehler, mit dem er sie vor den anderen blamiert hatte. Er hatte ihr keine Blumen geschenkt! War das der Grund gewesen? Oder war es etwas völlig anderes, das er einfach nicht verstand? Warum musste er nur immer alles falsch machen, und niemand erklärte ihm, was los war? Alle gingen einfach immer nur fort, und ließen ihn mit seinem Schmerz und seiner Verwirrung allein.
 

I can see you smiling

in every frozen tear

I can hear you whisper 'You and I'
 

Sein Leben als 'normaler Junge' war gescheitert, bevor es überhaupt wirklich angefangen hatte. Er war ebensowenig ein normaler Junge, wie er ein Oberfinsterling gewesen war. Auch damals hatte er alles falsch gemacht, und was war dabei herausgekommen? Eine Katastrophe, deren Folgen immer noch zu spüren waren. Nur, dass er sie nicht mehr spüren wollte. Er wollte ein neues Leben beginnen, so wie Xander es ihm erklärt hatte. Ein Leben in der realen Welt. Mit Dawn und all diesen Dingen, die für die reale Welt wichtig waren, und die er größtenteils immer noch nicht verstand, aber das war egal. Er brauchte sie nicht zu verstehen. Hauptsache, sie waren um ihn herum, so wie damals die Superhelden und ihre fantastischen Welten...
 

little did we know

that they were life itself

the days passing by

we both had our share in the sacrifice
 

Konnte man sich auch in die Realität flüchten? Konnte man sich in die Realität flüchten, wie in eine Geschichte? Oder war diese Welt überhaupt nicht so real, wie er zunächst geglaubt hatte? All diese Dinge, über die der Ballkönig und die Ballkönigin in ihrer Rede gesprochen hatten, waren sie wirklich? Schulzusammenhalt und Klassengeist, und Gemeinsam-in-die Zukunft-Schreiten? Und was war mit dem Ball selbst? All diese Jungen und Mädchen, die sich für einen Abend lang als kleine Prinzen und Prinzessinnen fühlten? War das real? Realer als Batman und Robin, und die Dinge, die für ihn immer wichtig gewesen waren?
 

once upon a time

we had something beautiful

once upon a time

I thought 'you and I'
 

Sein Blick wanderte über die Tanzfläche, all diese Paare ließen ihn an die Gespräche mit Xander denken. Gespräche übers Tanzen, und darüber, wie man einem Mädchen Komplimente machte. Hatte es bei diesen Leuten funktioniert? Waren sie wirklich so glücklich, wie es den Anschein hatte? Wie viele von ihnen liebten einander, und wie viele benutzten einander nur? Oder ließen sich benutzen? Taten einander weh. Waren voneinander abhängig. Klammerten sich aneinander fest, weil sie niemanden sonst hatten? Flüchteten sich in irgendeinen Traum, eine fixe Idee, einen Gedanken, auch wenn er nicht unbedingt etwas mit Weltherrschaft und Wetter kontrollieren und tragbaren Jet Packs zu tun haben musste? Er konnte schließlich nicht in ihre Herzen hineinblicken, und wissen, wie es darin aussah.
 

take me wherever

the answer lingers in the sand

show me the way as the story unfolds
 

Vielleicht war gar nicht alles seine Schuld gewesen. Vielleicht war es einfach passiert, so wie auch anderen Leuten schlimme Dinge passierten, auch wenn sie gar nichts getan hatten. Manches war seine Schuld, soviel war sicher, Jonathan's Tod, und in gewisser Weise auch der Tod von Katrina, Tara und Warren. Alles hätte anders kommen können, wenn er nur rechtzeitig andere Entscheidungen getroffen hätte. Aber die Dinge, die passierten, und die Dinge, die nicht passierten, hingen nicht von seinen Entscheidungen allein ab. Es war ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren, so wie die Chaostheorie, die Jeff Goldblum mit dem Wassertropfen erklärt hatte. Dass Dawn ihn heute Abend sitzengelassen hatte, und dass Warren damals mit dem Jetpack davongeflogen war, hieß nicht automatisch, dass er dafür verantwortlich war. Es konnte auch andere Gründe geben, die überhaupt nichts mit ihm zu tun hatten.
 

love is remote

in this wailing winter wonderland

show me the way to the temples of gold
 

Nur tat es deshalb nicht weniger weh. Es gab nichts Schlimmeres von jemandem im Stich gelassen zu werden, dem man vertraut hatte, und es machte es schwerer, soviel schwerer, erneut einem anderen Menschen zu vertrauen. Und er hatte Dawn wirklich vertraut. Schon lange bevor er diesem hirnrissigen Gedanken hinterhergerannt war, dass sie seine feste Freundin sein könnte, und er ein 'normaler' Junge. Das war lediglich eine Flucht gewesen, um die Vergangenheit zu vergessen, und das verstand er jetzt.
 

bless me with a kiss

across the universe

when day and night converge

and whisper my name till I fall asleep
 

Es ging nicht darum, dass er sich an die Regeln hielt, die Xander ihm erklärt hatte, nicht um das Tanzen, und nicht die Konversation. Es ging nicht darum, 'normal' zu sein. All das war überhaupt nicht wichtig. Wenn man wirklich mit jemandem zusammensein wollte, musste man es zuallererst einmal ehrlich meinen, sonst konnte es überhaupt nicht funktionieren. Nur weil er benutzt worden war, gab ihm das noch lange nicht das Recht einen anderen Menschen zu benutzen. Dawn hatte Besseres verdient, ganz egal, ob sie ihn heute Abend mies behandelt hatte. Sie brauchte jemanden, der sie wirklich liebte, um ihrer selbst willen, und nicht nur als Trostpflaster für alte Wunden. Selbst wenn das Gefühl, dass er ihr gegenüber empfand, eine Art von Liebe war, so war es nur, weil sie für ihn dagewesen war, ihm zugehört, und ihn im Arm gehalten hatte. Es war die egoistische Liebe eines kleinen Jungen, der einfach nur einen warmen Körper zum Anschmiegen brauchte, und allein der Gedanke daran, rief eine Flut von Erinnerungen hervor. Musste sich die Geschichte eigentlich dauernd wiederholen?
 

tell me tales from days bygone

tell me little lies

tell me once again it's just 'you and I'
 

Was damals geschehen war, war wirklich gewesen. Es war die Wirklichkeit. Es war keine Geschichte, die er sich ausgedacht hatte, selbst wenn es mit unsagbar vielen Geschichten, Filmen, Serien, Comics, und albernen Spinnereien zu tun hatte. Das machte es nicht weniger wirklich. Nicht weniger real. Verletzungen heilten nicht dadurch, dass man den Schmerz wegleugnete.

Man konnte den eigenen Schmerz nicht dadurch leichter machen, dass man jemand anderem denselben Schmerz zufügte. Willow hatte es zu spät verstanden, und das hatte Warren das Leben gekostet.
 

"Ich glaub nicht, dass du sie hier noch finden wirst."
 

Andrew wandte sich zu Sam um, der unbemerkt hinter ihn getreten war. "Wir haben anscheinend echt was verpasst," erzählte er weiter, "ich hab grad von Mara erfahren, dass Dawn unter ziemlich mysteriösen Umständen vom Ball geflogen ist. Sie war selbst nicht dabei, sie hat's auch nur wieder aus zweiter Hand. Anscheinend gab es zwischen Leroy, und diesem Japaner 'nen mächtigen Zoff, und randaliert wurde auch, aber keiner weiß was Genaues."
 

"Was ist mit Dawn?" fragte Andrew erschrocken
 

"Sie ist mit dem Japaner weggegangen. Du weißt schon, der Typ, den wir an der Garderobe getroffen haben."
 

Andrew nickte. "Das ist Shin. Sie arbeiten zusammen in einem Team bei Cleveland Rides."
 

Eine Weile sagte keiner der beiden etwas, gedankenverloren blickten sie in den Saal hinein, und sahen den Paaren beim Tanzen zu.
 

"Ich weiß natürlich nichts Genaues, aber falls du dir Hoffnungen wegen Dawn gemacht hast,"... begann Sam, doch Andrew schüttelte den Kopf. "Nein. Nicht mehr. Ich hab zwar dran gedacht, aber ich glaub, es würde nicht funktionieren..."

Sam grinste. "Ja, ich glaub’ auch. Irgendwann hätte sie nämlich die Schnauze voll davon, dass Captain Archer, Batman und Neo mehr Aufmerksamkeit kriegen, als sie. Sie würde dir die Glotze aus dem Fenster schmeißen, und du würdest hinterher springen."
 

"Ich hoffe trotzdem, dass wir uns wieder vertragen." Traurig blickte Andrew zu Boden. "Ich hab sie nämlich sehr gern, auch wenn es nicht so ist, wie im Kino. Vielleicht war es keine gute Idee hierher zukommen..."
 

„Wieso bist du eigentlich hergekommen," wollte Sam wissen. "Ich meine, so ein Ball ist doch nicht unbedingt interessant für dich, oder?"
 

"Na ja," Andrew überlegte, wie er es am besten erklären konnte. "Eigentlich bin ich nur auf den Ball mitgegangen, weil ich so was mal miterleben wollte. Das 'normale' High School Leben. Ich hatte das nicht, als ich noch in der Schule war."
 

Lässig lehnte Sam sich in den Türrahmen. "Was ist schon normal?" Mit schnarrender Stimme fuhr er fort: "Sie werden jetzt assimiliert werden!"
 

Andrew kicherte. "Widerstand ist zwecklos."
 

"Die leben doch alle in ihren eigenen Welten," fuhr Sam fort, "die Sportler, die Filmfreaks, die Streber, die Schönlinge, die Hip-Hopper, und wie sie alle heißen. Und jeder von ihnen will dir erzählen, dass seine Welt die einzig wahre, und richtige ist, und alle anderen komplett falsch liegen. 'Das ist Realität!' sagen sie, und dann wissen sie ganz genau, was wichtig ist, und worauf es im Leben ankommt. Und dann, ein paar Jahre später, ist es doch wieder alles ganz anders! Und es gibt wieder einen Haufen neuer Welten, die auch nicht viel anders sind. Wer weiß denn bitte schon, was Realität heißt, kannst du mir das mal verraten?"
 

"Frag mich nicht!" Abwehrend hob Andrew die Hände. "Mir erzählen sie alle andauernd, dass ich keine Ahnung von Realität hab. Sogar Xander, und der guckt alle Serien, die ich auch gucke."
 

Er wandte sich Sam zu. "Sag mal, in was für einer Welt lebst du eigentlich? Du bist doch nicht wirklich ein Filmfreak, auch wenn du dich mit einigem auskennst. Aber ein Normalo bist du genausowenig."
 

"Ich?" Sam errötete leicht, und lachte, um seine Verlegenheit zu überspielen. "Mann, du fragst vielleicht Sachen!" Er machte eine kurze Pause, und fuhr dann halb ernst, halb scherzhaft fort. "Ich bin ein Reisender. Ich fliege von Planet zu Planet und checke alles aus. Und wenn es mir irgendwo gefällt, dann bleib ich etwas länger, aber am Ende steig ich doch wieder in mein kleines Raumschiff und fliege weiter."
 

"Das ist sooo cool," Andrew's Augen glänzten. "Dann muss ich dir wohl danke sagen, dass du auf meinem kleinen Geek Planeten zu Besuch warst."
 

"Keine Ursache." Sam zwinkerte ihm zu. "Ich schau gern mal wieder vorbei. Apropos, wollen wir mal nachschauen, was die Mädels so treiben? Der Film dürfte noch nicht zu Ende sein, vielleicht sind sie sogar großzügig, und lassen dich diese Szene anschauen, an der du so hängst."
 

"Ja, vielleicht." Andrew wandte sich vom Ballsaal ab, und folgte Sam hinaus in die Lobby. "Ich hätte sowieso nie gedacht, dass es auch Mädchen gibt, die so verrückt nach Filmen sind. In meiner Schulzeit kannte ich keine."
 

"Ja, früher gab's da auch nicht so viele davon, ich denke, das ist erst in den letzten drei, vier Jahren so richtig aufgekommen."
 

"Harry Potter, Herr der Ringe, und die große Manga Welle!"
 

"So ungefähr. Sie gehen auch anders damit um, als die Jungs, mehr Fantasy, weniger High Tech. Und sie treiben uns mit ihrer ewigen Pärchenbilderei in den Wahnsinn...."
 

"Wobei mir einfällt, Gandalf und Saruman..."
 

"Ich will nicht mal dran denken!"
 

+++
 

Giles Wohnung

etwas später

Niedergeschlagen ging Dawn hinter Buffy die Treppe nach oben. Sie war müde und erschöpft. Aber die Gefühle wie Enttäuschung über den Ausgang des Balles oder Wut auf Buffy, die so gar nichts verstanden hatte, drängte die Müdigkeit zur Seite. Alles was sie sich jetzt wünschte, war eine heiße Dusche und jemanden zum Reden. Buffys Schweigen hatte sie auf den Weg nachhause fast wahnsinnig gemacht. Jeder Erklärungsversuch von ihrer Seite aus, war unterbrochen worden. Mit ihr würde sie sicherlich nicht reden können.
 

Vielleicht war Giles zu Hause, es wurde Zeit, dass sie mit jemanden über sich und ihrer Probleme sprach. Genauso wie ihr es Willow die ganze Zeit über geraten hatte. Giles erschien ihr nach Willow die richtige Wahl. Er war Wächter, er hatte bestimmt die richtigen Antworten für sie parat. Buffy hatte vorhin auf der Strasse nur einmal mehr bewiesen, dass sie noch immer die kleine Schwester in ihr sah, die beschützt werden musste und Dummheiten machte. Die Wahrheit würde Buffy bestimmt nur aufregen und ein sinnvolles Gespräch verhindern.
 

Zudem glaubte Dawn nicht, dass Buffy im Moment bereit dazu war, ihr zu zuhören. Einerseits verstand sie natürlich ihre große Schwester. Wäre sie an ihrer Stelle gewesen, hätte sie wahrscheinlich nicht anders reagiert. Andererseits.. wieso gab ihr Buffy nicht die Möglichkeit sich zu erklären?
 

Als sie oben ankamen, entdeckten sie Lily beim Lesen auf der Couch und sie schien sie gehört zu haben. Dawn sah rasch zu Buffy und sah ihrem Gesichtsaudruck an, dass ihr die Anwesenheit von Lily mehr als ungelegen kam. Dann hatte es doch etwas gutes... Dawn blieb vorläufig vor einem Donnerwetter verschont.
 

„Hallo ihr zwei. Dawn? Schon zurück vom Ball?“
 

Dawn wollte etwas sagen, doch Buffy kam ihr zuvor. „Ist Giles schon zurück?“
 

Lily schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist noch unterwegs. Er wollte ein paar Runden extra drehen. Er traut der Hallowe’en- Ruhe nicht und sucht nach neuen Hinweisen auf diese Dämonen.“
 

Buffy warf Dawn einen strengen Blick zu und zog die Stirn kraus. „Da wird er lange suchen müssen. Ich habe den aktuellsten Beweis ausgelöscht.“
 

„Du bist einem begegnet?“ Lily stand interessiert auf.
 

„Eher wir,“ sagte Buffy grimmig und ließ Dawn nicht aus ihrem Blick.
 

„Es ist euch hoffentlich nichts passiert?“
 

„Nein, ich bin rechtzeitig gekommen. Wieder einmal! Aber wir sprechen uns noch, Dawn. Du wirst mir erklären müssen, was passiert ist. Und du wirst keine Ausflüchte machen und mir keine Lügen auftischen“, Buffy klang sehr bestimmt und trotzdem atmete Dawn erleichtert aus. Das hieß, sie würde die Chance bekommen alles in Ruhe zu erklären. Buffy würde nicht mehr lange auf sie wütend sein und brauchte auch nicht richtig enttäuscht zu sein.
 

„Ich gehe schlafen,“ sagte Buffy plötzlich erschöpft und ließ Dawn und Lily einfach stehen. Dawn sah ihr traurig nach. Das hieß wohl, sie würde ihrer Erklärung auf Morgen verschieben müssen.
 

„Was ist denn mit Buffy los? Sie klang so... verärgert,“ Lily setzte sich wieder auf das Sofa nieder. Ihr war Dawns niedergeschlagenes Wesen nicht entgangen. Vielleicht würde das Mädchen sich ihr anvertrauen. Eine gute Möglichkeit sich erneut ein wenig näher zu kommen. „Ist etwas zwischen euch vorgefallen?“
 

„Ach nichts besonders,“ lenkte Dawn ab und überlegte, ob sie erst ins Badezimmer gehen oder noch etwas länger auf Giles warten sollte.
 

„Also wie war es dann auf dem Ball,“ versuchte es Lily erneut und wechselte bewusst das Thema.
 

„Sie meinen abgesehen von einem katastrophalen Date nach dem anderen, einem Rauswurf, einigen Dämonen, die sich mal wieder nicht an die Hallowe’en-Ruhe halten wollten und einer verärgerten Schwester?“ Lily sah Dawn erstaunt an. „Nun, ganz nett,“ seufzte Dawn und raffte ihr Kleid zusammen, um sich auf den Sessel Lily gegenüber nieder zu lassen.
 

„Das klingt nach einem aufregenden Abend.“ Lily legte ihr Buch zu Seite.
 

„Und dabei habe ich Ihnen noch nicht einmal alles erzählt. Es war furchtbar,“ seufzte Dawn.
 

Dawns Gesicht spiegelte ihre Enttäuschung wieder, aber trotzdem versuchte sie sich an einem Lächeln.
 

„Wenn du darüber reden möchtest...,“ begann Lily zögernd. Etwas lag dem Mädchen auf dem Herzen. Man hätte schon blind sein müssen, um es nicht zu sehen.
 

„Nicht wirklich,“ sagte Dawn gedehnt und erinnerte sich daran, wie ihr Lily erst vor einigen Wochen noch den Rücken gestärkt hatte, als sie von ihren Absichten mit Cleveland Rides erzählt hatte. Anders als Buffy, die nicht zuhören wollte oder Giles, der zwar fast immer anwesend war, aber nur körperlich.
 

Zudem.. Lily war auch eine Wächterin und nach Giles Worten sogar eine sehr fähige. Giles würde ihr nicht so viel Vertrauen entgegen bringen, wenn sie es nicht wert gewesen wäre. So lange sie sich die Wohnung geteilt hatten, hatte sich Lily als zurückhaltende und nette Person entpuppt. Selbst Andrew fand sie ausgesprochen cool. Nur weil Buffy misstrauisch war, musste sie es ja nicht auch sein. Und die Dinge die sie belasteten, musste sie endlich laut aussprechen. „Na ja... doch, da wäre schon etwas...“
 

„Du kannst gerne mit mir darüber reden, wenn ich dir helfen kann? Geht es um deine Verabredung von heute Abend?“
 

„Verabredungen,“ korrigierte Dawn und musste grinsen, als Lily sie verwirrt ansah. „Und Andrew? Ach nein, wir sind Freunde. Das bekomme ich schon geregelt. Aber der Abend war so oder so ein Desaster,“ seufzte Dawn und sank zurück in den Sessel. „Ich war so dumm mich mit drei Jungs zu verabreden. Das konnte ja nur schief gehen.“
 

Lily hatte Mühe einen Grinsen zu unterdrücken, als ihr Dawn die Geschichte erzählte und wie sie in die dumme Zwickmühle geraten war.
 

„Aber das ist nicht alles,“ beendete Dawn ihren Bericht. „Ich meine Andrew ist ein guter Freund von mir. Ich werde mit ihm reden, Shin ist mir nicht böse und Leroy hat sich nicht als das entpuppt, was ich gerne in ihm gesehen hätte. Bei ihm werde ich mich wohl nicht so schnell entschuldigen müssen. Es ist mehr... Buffy... sie will mir nicht zuhören. Mal wieder nicht. Dabei dachte ich, alles wäre besser geworden. Dazu hat sie mich vor Shin blamiert und mich wie ein kleines Kind behandelt. Dabei habe ich ihn doch erst in die gefährliche Situation gebracht.“
 

„Wie das denn?“ Lily wurde hellhörig.
 

„Ist es nicht so, dass eine Jägerin, auch wenn sie gar nicht kämpfen möchte, die Finsterlinge anzieht? Wie ein Magnet?“
 

„Nicht unbedingt, aber Dämonen und Vampire erkennen eine Jägerin genau so, wie eine Jägerin einen Dämon oder Vampir erkennt.“
 

„Hab’ ich es doch gewusst,“ Dawn seufzte. Also war Marvin hinter ihr her gewesen. Nicht nur das sie Shin belogen hatte, sie hatte ihn unbewusst einer Gefahr ausgesetzt. Wäre sie trainiert gewesen wie Buffy, hätte sie bestimmt gewusst, wie sie in einer solchen Situation hätte vorgehen müssen.
 

„Ich verstehe nicht ganz?“ Lily war ehrlich überrascht. Sie hatte gedacht Dawn würde nur jemanden brauchen mit dem sie über ganz normale Probleme eines Teenagers reden konnte, aber die neue Richtung war verwirrend.
 

„Vor einigen Wochen, in London,“ begann Dawn stockend. „Habe ich in einer Nacht etwas entdeckt. Etwas das mein ganzes Leben verändern würde. Willow hat meine Entdeckung bereits bestätigt,“ sie sah zu Lily, um zu sehen, ob die Wächterin verstand. Etwas in ihrem Blick ließ Dawn weiterreden. „Und das hat heute Nacht dazu geführt, dass ich einen Freund in große Gefahr gebracht habe." Sie macht eine kurze Pause. "Ich bin wohl irgendwie eine Jägerin... und ich habe keine Ahnung, wie ich es Buffy sagen oder wie ich mich verhalten soll.“
 

+++
 

Barker Cooperation Gebäude

Nacht

"Wir haben heute zwei Bauern verloren. Diese Jägerinnen entwickeln sich langsam, aber sicher zur Plage."
 

"Es war ihre eigene Schuld." Kan Hsirg zuckte nicht einmal mit der Wimper. "Sie haben gegen unsere Gesetze verstoßen, und das heilige Samhainfest entweiht. Das Schicksal hat sie dafür bestraft."
 

Gleichgültig blickte er über den Konferenztisch. Was bedeuteten ihm schon zwei Bauern? Im Gegenteil, für die anderen würde es eine gute Warnung sein, sich in Zukunft besser an die Regeln zu halten.
 

Und nicht nur dann, wenn es um heilige Tage ging.
 

Er lächelte, ein messerdünnes Lächeln, welches seine kalten Augen nicht erreichte, und nahm einen Zug aus seiner Zigarre.
 

GrrrArrghhh

Folge 7: The Darkest Thing

Länge: ca. 70 Seiten

Autor: Mel

Co-Autoren: Yamato, Hope, Stefan, Cthulhu

Bilderstellung: Chris

Song: Gloria Gaynors, I will survive
 

Credits:

Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

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Giles (V.O.): Bisher bei Buffy....
 

Weatherby klaut den Talisman aus dem Hochhaus. – 8.02

Die Krähe taucht aus dem blauen Licht in der Lagerhalle auf. – 8.02

Der Talisman wird an Samielle weitergegeben. – 8.02

Samielle verletzt mit ihrem dämonischen Schnabel ihren vermummten Auftragsgeber. – 8.02

Eine Krähe beobachtet Dawn und Andrew durch das Fenster in Giles’ Wohnung, während sich die beiden unterhalten – 8.03
 

Lily, Giles, Buffy und Dawn sitzen schweigend und befangen am Tisch beim Essen – 8.03

Lily und Giles streiten über seine Arbeit als Wächter und Lily kritisiert Buffy als Jägerin, während Buffy die beiden belauscht . – 8.05
 

Giles: „Dies ist eine Prüfung. Die Jägerin muss sich ihr unterziehen wenn sie... nun, sofern sie je ihren 18. Geburtstag feiert. Die Jägerin, äh, wird ihrer Kräfte beraubt... und dann zusammen mit einem besonders gefährlichen Vampir eingeschlossen. Äh, sie muss ihn besiegen um die Prüfung zu bestehen.“

Buffy steht auf und wirft das Etui nach ihm, trifft aber nur die Wand neben ihm. „Sie Mistkerl!“ – 3.12

Giles: „Aber ich habe geschworen diese arme Welt zu beschützen, und manchmal bedeutet das etwas zu sagen oder zu tun... was andere Leute nicht können. Was sie nicht müssen sollten.“

Buffy: „Wenn Sie versuchen ihr wehzutun, wissen Sie, dass ich Sie aufhalten werde.“ – 5.22

Buffy greift nach der Türe: „Ich denke es gibt nichts, dass Sie mich noch lehren könnten.“, und schließt die Türe vor Giles’ Nase. – 7.17

Buffy's Auseinandersetzung mit Giles: "Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist, oder mehr das einer Verpflichtung.“ - 8.04
 

Buffy bittet Willow Lily und Giles im Auge zu behalten: “... du könntest ein Auge auf Lily und Giles werfen.“

„Bist du verrückt, Buffy? Ich kann doch nicht Giles.. bespitzeln.“

„Nicht ihn direkt, aber Lily. Ich traue ihr keine zehn Fuß weit.“ – 8.06
 

Dawn wird von Leroy mit Shin entdeckt. Sein Freund Marvin provoziert einen Streit. Shin wird vom Ball ausgeschlossen. Dawn geht mit ihm. – 8.06

Andrew sieht niedergeschlagen den tanzenden Pärchen auf dem Hallowe’enball zu – 8.06

Buffy rettet Shin und Dawn vor dem Angriff eines Iah K'uru und zeigt sich anschließend nicht erfreut über Dawns angebliches falsches Verhalten – 8.06
 

Buffy auf der Suche nach einer passenden Wohnung – 8.04

Xander führt Buffy eine kleine, aber hübsche Wohnung vor, die seiner Firma gehört. – 8.05
 

Dawn verrät Lily, dass sie eine Jägerin ist: "Ich bin wohl irgendwie eine Jägerin... und ich habe keine Ahnung, wie ich es Buffy sagen oder wie ich mich verhalten soll.“ – 8.06
 

Teaser
 

Cleveland

Messegelände.

Nachts.

Das Riesenrad erhob sich aus der bunten, lauten Menge und drehte sich gemächlich zu den Klängen französischer Chansons, als wolle es mit aller Gewalt dem hektischen Treiben zu seinen Füssen trotzen. Die hellen, blinkenden Lichter hoben sich grell gegen den schwarzen Nachthimmel Clevelands ab und die Musik wurde weit in die Nacht hinausgetragen.
 

Schritte hallten auf dem Asphalt wieder. Plötzlich schlitterte ein Mann um die Ecke und konnte sich gerade noch an der Hauswand auffangen, bevor es ihm die Füße unter dem Körper wegschlug. Er war außer Atem, sein Haar klebte an seiner Stirn und Schweiß lief ihm über das Gesicht. Seine Augen, vor Entsetzen geweitet, blickten panisch hinter sich. Ein großer, massiger Schatten glitt über die Häuserfassade auf ihn zu. Hastig stieß er sich ab und rannte weiter durch die dunkle Passage. Vor ihm lag der Messplatz und die bunten, sich bewegenden Lichter rückten in sein Blickfeld. Die Musik klang gedämpft zu ihm herüber und vermischte sich mit dem Rauschen in seinen Ohren.
 

Mit dem großartigen Gefühl der Erleichterung stolperte der dunkelhaarige Mann aus der Dunkelheit hinaus, inmitten das bunte Treiben. Empfangen von lauter Musik, grölenden Stimmen, Schreie und Rufe, Gerüche von Süßem und Gebratenem. Er war gerettet. Das falsche Licht würde den Schatten, der ihm gefolgt war, aufhalten. Für eine Sekunde glaubte er hinter der Barriere aus Licht im Dunklen, sich etwas hin und her bewegen zu sehen. Doch das war sicher nur die Angst, die ihm etwas vorgaukeln wollte – halt.. er log sich selbst an. Er wusste es besser.
 

Sich langsam der Blicke der anderen Besucher bewusst werdend, fuhr er sich durch das verschwitzte Haar, zog sein dunkelrotes Hemd zurecht und versuchte langsamer zu atmen. Er hatte es geschafft. Was auch immer hinter ihm her war, es war fort. Er musste sofort zu seinen Leuten, um davon zu berichten. Jemand würde wissen, was dieser Schatten zu bedeuten hatte, außer dem Tod.
 

Der Schatten umschlich im Dunkeln die hellen Schaubuden, als könnten die Lichter des Platzes ihn tatsächlich zurückhalten, eine Grenze ziehen, die für ihn unüberwindbar war.
 

Das Zelt von Sina der Wahrsagerin, wie in leuchtend hellen Buchstaben verkündet wurde, kam in sein Sichtfeld. Er beschleunigte seine Schritte, um das Zelt schneller zu erreichen. Dabei stieß er Besucher unsanft an, murmelte eine Entschuldigung und hielt seinen Blick auf das Zelt gerichtet. Die Leute wichen bereits vor ihm zurück, aus Angst der Mann mit dem irren Blick, würde sie gleich anfallen... doch er war nicht das Grauen. Das lauerte dort draußen, in der Dunkelheit.
 

Er riss den Vorhang vor dem Eingang zur Seite. Eine Krähe flatterte, aus ihrer Nachtruhe gerissen, von der Zeltstange in die Dunkelheit davon. Er zuckte kurz erschrocken zusammen und trat dann ein. Stille empfing ihn dahinter. Seine Erleichterung schlug wieder in Panik um, als er niemanden im Zelt sah. Der Mann stolperte zurück in den Lärm und in die Helligkeit. Hastig blickte er um sich und entschied sich für eine bestimmte Richtung. Er verschwand zwischen den Schaubuden, um Sina im Wohnwagen zu suchen. Der Schweiß rann ihm über die Stirn in die Augen. Mit einer Handbewegung wischte er ihn zur Seite, zog an seinem Kragen, um die angestaute Hitze entweichen zu lassen und atmete tief durch. Ein plötzliches Lachen vor ihm, ließ ihn zusammenzucken. Doch es war nur ein Pärchen, das sich zwischen den Wohntrailern herumtrieb und auch schon wieder engumschlungen verschwand. Sinas Wohnwagen tauchte wenige Meter vor ihm auf und Erleichterung spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder.
 

Ein leises Klicken ließ ihn zur Seite blicken. Als würden die Krallen eines Hundes über Asphalt oder Kies laufen. Doch wahrscheinlich schien er auch jetzt nur in seiner Panik überall die Gefahr zu wittern. Das Klicken wiederholte sich und der gehetzte Mann fuhr herum. Der große, unförmige Schatten, der ihn durch die halbe Stadt gehetzt hatte, sprang ihn, zu Masse geworden, frontal an, riss ihn zu Boden und entlockte dem Opfer einen panischen Schrei, der in ein Gurgeln unterging, als die Nacht von einem bestialischen Knurren und dem Reißen von Stoff und Fleisch erfüllt wurde.
 

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Cleveland.

Messegelände.

Früh Morgens.

Grelles Licht blitzte auf, als die forensische Abteilung am Tatort ihre Aufnahmen machte. Der Blitz enthüllte das ganze Ausmaß der Grausamkeit. Blut, welches die weiße Wohnwagenwand bespritzt hatte, Blut überall auf dem Kiesweg und die Blutspur, die entstanden war, als jemand die Leiche wohl zwischen den Trailern hindurch in das Pferdezelt gezogen oder geschleift hatte.
 

Polizisten riegelten den Platz sowie den Zugang zum Pferdezelt ab, um Schaulustige fernzuhalten. Einige Männer und Frauen in Schutzanzügen bewegten sich vorsichtig zwischen der Fundstelle und der Blutspur hin und her, stellten Schildchen mit Nummern darauf auf, machten weitere Aufnahmen und lasen Gegenstände mit einer Pinzette auf, um sie in Plastikbeuteln verschwinden zu lassen.
 

Buffy, Giles und Xander drängten sich durch die Menge der Schaulustigen hindurch. Ihnen war bewusst, dass sie an der Sperre nicht vorbeikamen, aber sicher konnten sie einen Blick auf den Tatort erhaschen. Mehr erwarteten sie nicht.
 

„Ich hoffe, wir sehen nicht mehr als nichts,“ Xander klang nicht sonderlich erpicht auf Details. „Mir reicht noch immer, was ich in diesem Haus gesehen habe, nachdem ein Wrukola darin gewütet hatte.“
 

„Du hast doch schon Schlimmeres gesehen,“ versuchte Buffy die Situation zu verharmlosen.
 

„Hey.. Dämonenschleim und Dämonenblut.. das ist was anderes.“
 

„Aha,“ grinste Buffy und sah zu Giles. „Und? Das wievielte Opfer war das noch einmal gleich?“
 

„Das siebte,“ sagte Giles. „Dem Muster entsprechend. Für jeden Tag der vergangenen Woche ein Opfer.“
 

„Ein richtig fleißiges Monster,“ nickte Buffy. „Oder sehr hungrig. Aber so weit ich weiß, töten fleißige Heinzelmännchen nicht. Also scheiden sie als Täter aus. Hey.. da drüben ist eine undichte Stelle.“ Buffy zeigte abseits des Pferdezeltes zu einem schmalen Durchgang zwischen Zelt und Wohnwagen. Dabei konnte sie mit Leichtigkeit den strafenden Blick von Giles ignorieren, mit dem er seinen Unmut über Buffys Leichtfertigkeit Ausdruck verlieh.
 

„Andrew hätte seine größte Freude an dem ganzen,“ maulte Xander weiter. „Er fährt voll auf Grissom ab.“
 

„Wen?“ Giles sah irritiert über seine Schulter, als er Buffy folgte.
 

„Nicht so wichtig,“ winkte Xander ab.
 

Keiner der Beamten in den hinteren Bereichen schien Interesse zu zeigen, als Buffy, Giles und Xander einen Bogen schlugen. Trotzdem sah Giles vorsichtig hinter sich, um ganz sicher zu gehen, dass ihnen wirklich niemand folgte. Doch keiner hielt sie auf, als sie durch den schmalen Pass auf die Rückseite des Zeltes gingen.
 

„Wir sollten nicht so...“
 

„Ach das merkt schon keiner, Giles,“ beruhigte Buffy. „Und wenn jemand kommt, erfinden wir schon eine passende Story.“ Sie klopfte Giles beruhigend auf den Rücken, grinste und ging weiter. „Wir sind doch erfahrene Geschichtenerzähler.“
 

„Igitt“, fluchte Xander hinter ihnen plötzlich unvorsichtig laut, als er in etwas trat, das unter seinem Fuß nachgab. Er kam kurz ins Rutschen und seine Sohle verursachte ein leises Quietsch-Geräusch. „Wenn das jetzt Pferdemist ist, dann...,“ Xander hob den Schuh und sah nach unten. Sein Auge fiel auf das dunkelrote Nasse, das unter der Zeltplane hervor gequollen war. Er drehte seinen Fuß und blickte auf eine blutgetränkte Schuhsohle. „Oh Gott....,“ Xander wurde blass. „Ich glaube ich verzichte auf Einzelheiten. Ich gehe da nicht rein.“
 

Giles besaß die Ruhe, sein Taschentuch aus der Hosentasche hervor zu zaubern und reichte es an Xander weiter, der nur sehr widerwillig danach griff, um sich den Schuh zu säubern.
 

„Er hieß Ja’nos.“ Die dunkle, weiche Stimme mit dem harten Akzent, die plötzlich erklang, ließ die drei herumfahren. Sie fühlten sich unendlich ertappt und waren sehr erleichtert, als sie eine Frau mittleren Alters hinter sich stehen sahen, die mit bekümmerten Gesicht an einem der Wohnwägen lehnte. Ihr dunkles, langes Haar fiel ihr offen über die Schultern und als sie sich bewegte, klirrten ihre Armbänder gegeneinander. Die dunklen Augen taxierten einen nach dem anderen und blieben auf Giles ruhen. Für einen Moment hatte Giles ein Déjà Vu, als sein Blick den dunkelbraunen Augen begegnete. Aber es war nicht greifbar und das Gefühl war so schnell vorüber, wie es gekommen war. Diese Augen.. an etwas hatten sie ihn erinnert.
 

„Sie kannten das Opfer?“ Buffy lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, ohne zu bemerken, was eben zwischen Giles und der Fremden passiert war.
 

„Ja. Er war mein Neffe.“
 

„Oh, das... oh.“ Buffy suchte nach den richtigen Worten.
 

„Das tut uns sehr leid,“ sprang Giles ein und seine Stimme klang sanft, aufrichtig.
 

„Wir haben es kommen gesehen,“ versuchte die Frau ihre Trauer zu überspielen. „Karten lügen nie.“
 

„Karten?“, Xander wischte sich ungeschickt den letzten Blutfleck von der Sohle und hielt das Taschentuch in der Hand, völlig überfordert, was er jetzt damit tun sollte. Giles konnte er es wohl kaum zurückgeben. „Eintrittskarten? Pokerblatt...“
 

Giles verdrehte die Augen und kam kurz in die Versuchung der fremden Frau zu erklären, dass der arme Junge leider ein wenig zurückgeblieben sei, als sie schon gelassen eine Erklärung gab: „Tarotkarten.“ Sie sah zurück zu Giles. „Sie glauben sicher nicht an so etwas?“
 

„Oh, haben Sie eine Ahnung, woran wir alles glauben,“ murmelte Xander peinlich berührt über seinen kleinen Patzer. Aber das Taschentuch irritierte ihn zu sehr. Er behielt es jetzt in der Hand, auch wenn es ihn davor ekelte, und beschloss es einfach zu ignorieren.
 

Inzwischen war es Buffy aufgefallen, dass die Frau meist konzentriert ihre Worte an Giles richtete. Irgendwie war die Situation unheimlich, als wären Xander und sie nicht wirklich anwesend.
 

„Und Sie sind?“, unterbrach Buffy diesmal bewusst, um den Blickkontakt der beiden zu unterbinden. Es war nur ein Hauch von Gefahr, den sie zu spüren glaubte, aber sie wollte nichts dem Zufall überlassen. Auch wenn sie damit unhöfflich wirken mochte.
 

„Sina. Die Wahrsagerin.“
 

Giles schüttelte leicht den Kopf und blinzelte, als wäre er von etwas eingefangen gewesen, das ihn wieder frei ließ. „Kennen wir uns?“, fragte er wegen den verwirrenden Gefühlen, die mit der Frau zusammenzuhängen schienen und rieb sich die Schläfe.
 

„Nicht das ich wüsste. Aber ich spüre, nein ‚empfinde’ eine tiefe, unbewusste Verbindung zwischen Ihnen und meinem Volk. Und ihnen,“ sie blickte zu den beiden jungen Erwachsenen.
 

Giles zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, ließ seine Hände in den Hosentaschen verschwinden und wusste nicht so recht, was er mit den Worten anfangen sollte. „Aha.. ehm... ihrem Volk...“
 

„Den Kalderashs.“ Sinas Worte schlugen ein, wie eine Bombe und die Zigeunerin war über das plötzliche, aber unbehagliche Schweigen zwischen den Anwesenden überrascht. Mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.
 

Giles’ Gedanken überschlugen sich. Für wie viele Jahre hatte er nicht mehr daran gedacht? Falsch.. hatte er versucht nicht mehr daran zu denken? Und dann trafen ihn die Erinnerungen so unvorbereitet? Er wagte einen kurzen Blick zu Buffy und Xander, die selbst erschrocken und irritiert wirkten.
 

„Sie sind...uhm... nun ja,“ Giles lachte nervös auf. „Sind Sie zufällig hier?“ Er versuchte einfach über Sinas Worte hinwegzuspielen, als hätte sie überhaupt nichts gesagt.
 

“Glauben Sie an Zufall? Oder Schicksal?“
 

Sinas Worte verwirrten ihn. Er schüttelte den Kopf. „An Vorsehung ja.. aber ansonsten...“
 

„Dann nennen Sie es Vorsehung, dass wir hier her kamen und Sie uns trafen.“
 

„Schön und gut.. könnten wir uns wieder auf ihren toten Neffen konzentrieren?“ Buffy war die Situation sehr unangenehm. All die Jahre hatten sie nie darüber gesprochen, was im Frühjahr und Sommer 1998 alles geschehen war. Mit dieser Frau wurden fast brutal alte Erinnerungen aufgebrochen. Sie vermied es, zu Giles zu sehen, auch wenn sie seinen Blick spürte.
 

„Oh.. ich glaube.. ich habe wohl das Falsche gesagt,“ Sina spürte, dass ihre Worte nicht sehr einfühlsam gewesen waren und diese drei Menschen viel mehr mit ihrem Volk verband, als sie geahnt hatte. Offensichtlich hatte den dreien Janna mehr bedeutet, als die Gerüchte unter ihnen besagten. „Nun... dann sollten wir wirklich wieder auf Jan’os zu sprechen kommen? Aber ich kann Ihnen nicht viel darüber erzählen. Die Karten haben seinen Tod gesehen, nicht wann, nicht wo, nur von einer höheren Macht vorhergesehen. Ich könnte Ihnen die Karten legen. Vielleicht sehe ich etwas Neues.“
 

Giles, noch aufgewühlt von den vorherigen Worten, sah auf. „Ich dachte mir schon, dass Sie uns nichts über Ihren Neffen sagen können, aber könnte ich, wegen gerade...“
 

„Gibt es hier einen Zugang zum Zelt, ohne dass uns die Polizei aufhält,“ fiel ihm Buffy hart ins Wort. Sie fürchtete das, was Giles als Nächstes sagen oder fragen konnte und wollte weg von hier. So schnell es ging.
 

Sina nickte, und sah Giles traurig an, ehe sie wieder zu Buffy blickte. „Wenn ihr um die Ecke geht, und ein paar Schritte weiter lauft, kommt ihr zu der Naht, an der die Zeltplanen verbunden sind. Es ist kein offizieller Durchgang. Wenn ihr die Naht löst, habt ihr ein Schlupfloch und steht dazu noch genau an der Stelle, an der Ja’nos wohl noch immer liegt.“
 

„Danke. Kommt ihr?“ Buffy war wild entschlossen zu gehen. Kein weiteres Nachfragen, kein weiteres Bohren.. nicht am Ende sogar noch Namen nennen, die weh taten.
 

„Buffy vielleicht, sollten wir,“ begann Xander zögernd und erntete einen giftigen Blick. „Okay.. ich komme schon. Giles?“
 

„Ich könnte Ihnen persönlich die Karten legen,“ mischte sich Sina auf einmal wieder ein. „Sie von dem befreien,“ sie machte eine Kreisbewegung Richtung ihrer eigenen Stirn. „Was dahinter vor sich geht. Ich spüre, dass diese Verbindung keine Glückliche war.“
 

„Hören Sie damit auf,“ wehrte Giles abrupt ab und überraschte Buffy und Xander. „Sie raten doch nur und wissen gar nichts.“ Giles war bereit, sie einfach stehen zu lassen, ganz gegen seine Art, um in das Zelt zu gehen. So wie es Buffy vorhatte. Auf einmal waren ihm seine Fragen egal. Nein, er wollte nicht erinnert werden. Und was wusste schon diese Frau? Unglückliche Verbindung? Nein, er hatte Jenny geliebt. Sie beide hatten nur nicht unter guten Sternen gestanden. Von ihrem Volk hatte er nichts gewusst und als er es erfuhr, war es viel zu spät gewesen. Ihn verband mit Sina gar nichts. Allerdings wusste er jetzt, woher das Déjà Vu gekommen war.
 

Er fühlte sich zu nichts verpflichtet, ihr bei was-auch-immer zu helfen. Er hatte ganz andere Probleme und Sorgen...
 

„Aber Ihr Schicksal ist eng mit diesem Wesen verbunden und mit der Vergangenheit. Alles kommt irgendwann wieder an die Oberfläche.“ Sina schien nicht locker lassen zu wollen. „Und das wissen Sie.“
 

“Was wissen SIE?“ Buffy trat zwischen Sina und Giles und lenkte gewaltsam die Aufmerksamkeit zurück auf sich. Das Zelt war kurz vergessen, auch die Angst vor Erinnerungen. „Welches Wesen?“
 

„Vieles, oder auch nichts,“ ignorierte Sina Buffys letzte Frage.
 

Xander verdrehte die Augen. „Sie klingen wie eines dieser alten verdammten Orakeln. Weise aber nichtswissend.“
 

Sina lachte. „Wenn Sie das glauben?“
 

Giles zögerte. Sieben Morde... das waren sieben zu viel in so kurzen Zeitabständen. Und er wollte natürlich Antworten auf all die Andeutungen hören. Auch, wenn er längst wusste, was in Cleveland wütete. „Einverstanden...“
 

„Giles!“ Buffy drehte sich mahnend herum.
 

„Es scheint unsere einzige Chance zu sein,“ versuchte er Buffy zu beruhigen, legte seine Hände auf ihre Schultern und schob sie zu Xander. „Untersucht ihr das Zelt.“
 

„Dann kommen Sie.“ Sina führte ihn durch die Wohnwägen weg von dem Pferdezelt und ließ Buffy und Xander mit besorgten Blicken zurück.
 

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Universitätsgelände Cleveland

Willows Zimmer

selbe Zeit

Dawn stand unschlüssig vor Willows Zimmer in der Chreston-Hall. Hinter dieser Tür befand sich vermutlich die einzige Person, mit der sie im Moment über alles reden konnte, was geschehen war. Ohne Vorhaltungen zu bekommen, und ohne Angst, ihr Geheimnis zu verraten.
 

Als sie schließlich ihre Faust zum Klopfen hob, hatte Dawn keine Ahnung, ob Willow um diese Zeit in einer Vorlesung war, oder vielleicht mit Kennedy beschäftigt, aber sie würde es einfach versuchen müssen. „Sonst muss ich mir wohl ein zurückschreibendes Tagebuch zulegen,“ murmelte Dawn mit Unterton, und dachte an das mehr oder weniger geglückte Gespräch mit Buffy vor einiger Zeit.
 

Zwar hatte ihr Buffy alles abgekauft, was sie ihr über Leroy, Marvin und Shin erzählt hatte, auch wie es mit Andrew gelaufen war, aber irgendwie war es Dawn so vorgekommen, als hätte Buffy etwas geahnt. Sie hatte nicht nachgefragt, wieso Marvin Dawn und Shin angegriffen hatte, noch wollte sie wirklich weitere Details über Dawns Versuche, die drei Dates unter einen Hut zu bekommen, hören, aber ihr nachdenklicher Gesichtsausdruck ließ Dawn davon ausgehen, dass Buffy etwas ahnte. Schließlich musste Buffy zugeben, dass sie überreagiert hatte, als sie Dawn mit Shin vor Marvin rettete. Sie hatte sich sogar bei Dawn entschuldigt, und die Erinnerung lockte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen.
 

Dawn ließ die Faust wieder sinken und drückte ihr Ohr leicht gegen die Holztüre, nur um sicher zu gehen, dass keine Geräusche, die auf bestimmte Tätigkeiten zurückzuführen wären, zu hören waren. Doch offensichtlich schien Willow alleine zu sein. Das Türklopfen hallte durch den ganzen Gang, der ihr nun noch viel leerer vorkam. Geduldig wartete sie darauf, dass Willow sie herein ließ.
 

Es hätte noch Lily gegeben, fuhr ihr durch den Kopf, mit der sie noch einmal hätte reden können. Aber auch wenn Lily inzwischen eine Vertrauensperson für sie darstellte, brauchte sie jetzt jemanden in ihrem Alter.
 

Nach ein paar Sekunden öffnete Willow die Tür, und sah Dawn verwirrt an. „Oh, hi Dawnie, was machst du hier? Solltest du nicht in der Schule sein?“,
 

„Ich... ich habe später Unterricht. Und ich wollte eigentlich mit dir reden. Irgendwie hat niemand wirklich Zeit für mich, und es gibt nun einmal Dinge, die nicht gerade viele Leute etwas angehen,“ antwortete Dawn, und zog dabei eine Augenbraue hoch.
 

„O-kay. Dann komm doch rein in mein kleines, etwas mit Büchern vollgestopftes Reich. Habe ich schon erwähnt, dass es klein ist? Sehr klein?“
 

„Ja hast du, und ich denke, dass sieht nur durch den ganzen Kram hier so eng aus.“ Dawn stolperte fast über einen Lektürestapel, und kämpfte sich danach den Weg in Richtung Bett. Willow war anzusehen, dass sie viel mit den Recherchen und wohl auch mit der Arbeit fürs College zu tun hatte. Von Kennedy war weit und breit keine Spur zu sehen, und Dawn fand, dass Willow vielleicht sogar etwas verzweifelt aussah, da nichts was sie anstrebte, zufriedenstellende Ergebnisse zurücklieferte.
 

„Also, was liegt dir auf dem Herzen? Ich komm’ mir irgendwie grad vor, wie eine Zeitschriften Jugendberaterin auf diesen gewissen Frageseiten,“ grinste Willow.
 

„Eigentlich... so ziemlich alles, was die letzten Wochen betrifft," begann Dawn. "Das heißt wohl eher, was den Hallowe'enball betrifft. Dazu musste Buffy natürlich wieder eine Runde ‚Ich bin die Große Schwester, und du bist ein Nichts’, spielen, und mich vor einem Jungen unmöglich machen.“
 

„Aha,“ Willow erinnerte sich an den Ball und an Dawns Sorge keine Begleitung zu finden. Aber irgendwie hatte sie über den Streit mit Kennedy, den diversen Recherchearbeiten und ihrem Studium gar nicht mehr daran gedacht. „Hm.. ich schätze, du wirst mir gleich alles erzählen?“
 

“Unter anderem,“ seufzte Dawn. „Hast du mitbekommen, mit wem ich zum Ball gegangen bin?“
 

„Tja das ist ne’ gute Frage.. vielleicht mit dem Schul-Sunnyboy, einem Filmfreak, oder jemand ganz anderem?“, riet Willow, und traf damit wohl nicht einmal so weit daneben.
 

„Mit allen dreien,“ korrigierte Dawn, und begann zu erzählen.
 

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Messplatz

Vor dem Pferdezelt

„Denkst du sie becirct ihn und tötet ihn danach?“
 

„Also Xander, deine Phantasie möchte ich nicht geschenkt haben!“
 

„Aber, aber.. es entspricht doch immer einem Muster. Wenn ein Mann aus unserer Gruppe auf eine Frau trifft... die irgendwie.. unheimlich ist.. nimm Ampata, oder mein letztes Abenteuer...“
 

„Du meinst, wenn DU auf eine Frau triffst. Giles ist klug. Er heißt nicht Xander,“ witzelte Buffy und lachte, als Xander beleidigt dreinschaute. „Du weißt, was ich meine,“ fügte sie schnell hinzu.
 

Sie waren an der Stelle angelangt, die Sina beschrieben hatte und Buffy fand schnell eine Möglichkeit die Naht zu lockern... sie riss die Plane einfach auf.
 

„Ja natürlich weiß Giles bestimmt was er tut. Aber man kann nie vorsichtig genug sein. Ihre Anspielungen waren komisch. Entweder hatte ich nur das Gefühl oder diese Sina wusste über Giles und Ms. Calendar Bescheid. Und dass sie auch nicht ganz mit offenen Karten gespielt hat, ist ja nichts neues. Irghs..,“ Xander machte ein besorgtes Gesicht. „Das Wortspiel hat sicher etwas zu bedeuten. Kartenlegen. Tarotkarten und das ausgerechnet von diesem Zigeunerstamm. Giles wird sicher durcheinander sein, wenn sie damit fertig sind.“
 

„Jetzt mach dir mal keine unnötigen Sorgen, um Giles. Er ist alt genug.“ Vorsichtig schob sie die Plane zur Seite.
 

„Ich mach’ mir vielleicht ein paar zu viel, aber du könntest dir überhaupt mal ein paar um ihn machen.“
 

Xanders Worte trafen, und Buffy stoppte kurz in ihrer Bewegung. Doch da sie nicht wollte, dass Xander recht bekam, schwieg sie und steckte ihren Kopf zwischen die Plane. Was wusste Xander schon über sie und Giles? Das war in den letzten Jahren viel zu kompliziert geworden.

Sie blinzelte in die Dunkelheit hinter der Plane und schob sie schließlich ganz zur Seite. „Die Luft scheint rein zu sein,“ ignorierte sie vollkommen Xanders Worte und kroch als erstes hindurch.
 

Im Inneren überwältigte sie der Gestank von Pferd, Pferdemist und Tod. Sie standen beide in einer großen Lache Blut, die zäh geworden war. Fliegen summten laut um sie herum, die sich bei ihrem Mahl gestört fühlten.
 

„Ich mache keinen Schritte weiter,“ unterdrückte Xander einen Brechreiz und ließ Buffy vorgehen. Die Jägerin sah sofort, was sie suchten – ein Bündel Kleider in einer Ecke.
 

„Dann muss ich wohl?“ Sie kniete sich nieder und berührte sehr zögernd den Rücken oder das was einmal ein Rücken gewesen war, bevor irgendetwas ihn völlig zerfetzt hatte. Fleisch, Hautfetzen und Kleiderreste mischten sich und als Buffy daran zog, um die Reste des Mannes herumzudrehen, hörte sie ein nichts Gutes verheißendes, schmatzendes Geräusch. Buffy sprang entsetzt auf, als sie die zerfetzte Kehle sah, die leeren Augenhöhlen, die sie anstarten und die wenigen Reste, die einmal ein Brustkorb gewesen waren. Sie stolperte zurück und presste eine Hand vor den Mund, als ihr Blick weiter über den zerfetzten Körper glitt.
 

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In der Nähe von Clearfield, Pennsylvania

selber Morgen

Ein lauter Schrei hallte durch Luft, als Faith ausholte, und ihr Gegenüber dem Schlag nur mit Müh und Not ausweichen konnte.
 

„Faith, worum hatte ich dich gebeten?“, fragte Robin, drehte dabei den Holzstab, den er in der Hand hielt, und holte dann damit aus.
 

„Dass ich mich auf die Abwehr konzentrieren soll?“, antwortete Faith schnippisch und genervt, während sie sich unter dem Stab wegbückte und anschließend Robin mit einem leichten Fußtritt zu Boden brachte. Sofort sprang sie auf ihn, setzte sich auf sein Becken und drückte ihn an den Schultern zu Boden.
 

“Wächter ausgeschaltet... ist dieser Witz nun endlich vorbei, Mister Wood?“ fragte die Jägerin genervt.
 

Robin lag überrascht mit seinem Rücken auf dem kalten Boden. Da wollte er mit einer seiner Jägerinnen die Abwehr trainieren, und war selbst nicht in der Lage einen solchen Schlag vorherzusehen.
 

„Faith.. du weißt schon, worum es in der Übung ging?“, fragte Robin und lächelte sie dabei außer Atem an. Sie schwitzten beide und irgendwie ging es Robin durch den Kopf, könnte er diese Situation doch dazu benutzen, endlich das Eis zu brechen, das zwischen ihnen herrschte, seit Faith letzte Woche diesen Alptraum hatte.
 

„Ja.. ums passive Kämpfen.. aber was soll der Schrott? Wer kämpft schon nach Lehrbuch? Ich bin ne Jägerin, ich kämpfe nach Gefühl!“
 

„Oh ja.. Gefühle waren viele im Kampf..“, er lächelte sie an, und begann mit seiner rechten Hand nach ihrem Gesicht zu tasten, um ihr einige Haarsträhnen aus dem Blickfeld zu streichen.
 

„Denkst du nicht, es wäre endlich Zeit um..“, fragte er sanft und wollte sich nach oben drücken, um sie zu küssen.
 

“Nein, ist es nicht.. !“, antwortete sie schroff, doch in gewisser Weise hatte sie sich die Frage auch schon gestellt. Sie wollte sich ihm noch nicht vollkommen hingeben.. nicht nach dem Streit, den sie hatten. Nicht, bis er begriff, dass er nicht ihr Wächter sein konnte, dass sie ihn nicht als Wächter brauchte, sondern als Mensch.
 

„Ich sehe in deinen Augen etwas anderes..“, flüsterte Robin weiter, spannte seine Muskeln an, und brachte es zustande, sich nach rechts zu rollen, und Faith somit unter sich zu haben.
 

Er strich ihr wieder die Haare aus dem Gesicht, und diesmal ließ sie ihn gewähren, widerwillig. Er küsste sie, und sofort entbrannte in ihnen wieder die alte Leidenschaft.
 

Plötzlich drehten sie sich, und Faith war wieder oben, doch was machte das schon. Er hatte keine Lust mehr, mit ihr zu streiten, wer nun die Oberhand hatte. Der Streit war vergessen, das Eis gebrochen, und die Leidenschaft wieder gefunden.
 

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Universität

Willows Zimmer

"Na, das ist ja eine wirklich filmreife Geschichte," seufzte Willow. "Und wie weit bist du damit, diesen Knoten der Lachesis aufzulösen?"
 

"Knoten der was?" fragte Dawn. Mit Willow's Göttinnen kannte sie sich nicht übermäßig aus. "Ach so, ja. Mit Shin hab ich schon ansatzweise geredet, auch wenn ich noch nicht so genau weiß, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Mit Leroy werd' ich nie wieder ein Wort reden, und mit Andrew würde ich gerne reden, aber er will ja nicht! Ich hab bei ihm angerufen, hab aber nur Xander erwischt, und er wollte nicht ans Telephon kommen..."
 

"Wundert dich das?" fragte Willow zurück.
 

"Nein, eigentlich nicht." Dawn runzelte die Stirn. "Du meinst damit aber nicht, dass Andrew irgendwie...in mich...oh, du weißt schon, was ich meine..."
 

"Das halte ich für unwahrscheinlich." Willow überlegte, wie sie es Dawn erklären konnte. "Andrew hat dich sehr gern, aber nicht auf diese Weise. Ich weiß zwar nicht, inwieweit ihm das selbst klar ist, aber er ist..." sie suchte nach Worten, und ihre Miene hellte sich auf, als sie ein passendes Beispiel gefunden hatte. "Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als wir Buffy zurückbekommen haben? Gerade das erste halbe Jahr danach?"
 

Dawn verstand nicht wirklich, worauf Willow hinauswollte, und an diese - vielleicht schlimmste - Zeit ihres Lebens, wollte sie eigentlich nicht zurückdenken. "Natürlich erinnere ich mich," murmelte sie trotzig. "Es war grässlich. Buffy hat mir versprochen, dass sie für mich da ist, und sich um mich kümmert. Und doch hatte ich immer das Gefühl, sie ist so weit weg, sie lässt mich nur dann an sich ran, wenn es ihr grad in den Kram passt...."
 

Sie brach ab, und sah Willow erschrocken an. "Ist es das, was du meinst? Dass ich mich genauso verhalte, wie sie damals...aber das kann nicht sein, Will, ich bin nicht so, ich würde niemals..."
 

Anstelle einer Antwort zog Willow nur eine Augenbraue hoch, und Dawn wandte schuldbewusst das Gesicht ab. "Doch," murmelte sie leise, "ganz genauso hab' ich mich verhalten. Ich wollte mich wirklich um ihn kümmern. Mehr oder minder seit dem Videoabend, als er bei mir übernachtet hat, aber eigentlich auch schon davor. Und manchmal hab ich das auch getan, aber ebenso oft hab ich ihn vergessen, oder einfach beiseite geschoben. So wie auf dem Ball. Oder auch schon davor, wenn ich Besseres zu tun hatte, als mich mit ihm abzugeben..."
 

"Dawn, ich meine ja gar nicht, dass du dich 24 Stunden am Tag um ihn kümmern sollst," beruhigte Willow sie. "Es ist klar, dass du auch andere Freunde hast, und andere Dinge, die dir wichtig sind. Du solltest dir nur bewusst sein, was du für ihn darstellst, und dass viele Dinge, die dir nebensächlich erscheinen mögen, für ihn eine ganz andere Bedeutung haben können. Buffy hat dich auch nicht mit böser Absicht zurückgestoßen, es waren vielmehr eine Menge kleiner Dinge, und sie hat oft gar nicht verstanden, warum es dich so verletzt hat...."
 

Dawn seufzte, und vergrub das Gesicht in den Händen. "Wer hätte das gedacht? Klein-Dawnie, als große Schwester! Und sie ist tatsächlich genauso unfähig, wie Buffy!"
 

"Nicht unfähig," verbesserte Willow sanft. "Menschlich."
 

Sie schwiegen für eine Weile, und Dawn fragte sich, woher Willow das alles so genau wissen konnte. Von Xander war sie es gewohnt, dass er Dinge sah, die kein anderer wahrnahm, aber in diesem Fall schien sein inneres Auge irgendwie getrübt zu sein. Er, wie auch Buffy hatten die Gefühle zwischen Andrew und ihr total missverstanden. Aber Willow hatte erkannt, wie es wirklich war, vielleicht sogar besser, als Andrew und sie selbst..
 

"Ich weiß nicht genau, vielleicht war es euer Spiel mit den Fernsehhexen," entgegnete Willow, als Dawn vorsichtig nachfragte. "Andrew hat ja dich und Xander sozusagen als 'große Schwestern' adoptiert, und er kann seine Filmgeschichten manchmal sehr ernst nehmen. Oder es ist genau umgekehrt, er benutzt die Geschichten, weil er etwas nicht in Worten ausdrücken kann, oder möchte...."
 

"Batman und Robin," murmelte Dawn, doch als Willow sie fragend ansah, schüttelte sie den Kopf. "Nicht so wichtig..."
 

"Tatsächlich?" wunderte sich Willow. "Also, ich hätte ja eher auf 'Bonnie und Clyde' getippt, oder so, schließlich wollten sie gefährliche Supergangster sein, und nicht die langweiligen Guten. Aber was soll's, eigentlich war es auch nichts anderes, als Geschichten über Kätzchen und Delphine. Oder Amazonen..."
 

Dawn verstand nicht, was Willow meinte, und sie wollte auch nicht wirklich nachhaken. Die junge Frau schien für einen Moment lang durch sie hindurchzublicken, bevor sich ihre Augen wieder fokussierten. "Hast du eigentlich inzwischen mit Buffy oder Giles wegen deiner Kräfte geredet?"
 

Ein wenig verwirrt über diesen abrupten Themenwechsel stammelte Dawn: "Nein...nur mit Lily.."
 

„Lily? Du hast mit ihr über deine Jägerinnenkräfte geredet?“ fragte Willow verwundert. "Aber nicht mit Buffy, oder Giles?" Auch wenn sie der Wächterin große Sympathien entgegenbrachte, wäre es vielleicht besser gewesen, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.
 

„Wie denn? Er war nicht da und Buffy wollte in der Nacht nicht mit mir reden. Am liebsten hätte ich Buffy einfach gesagt, dass sie mich nicht immer beschützen und die große Schwester spielen soll. Nicht nur, dass es ziemlich nervt, es steht einfach immer so im Drehbuch: Sie hat Recht, ich Unrecht. Da sind ihr jegliche andere Fakten egal.“
 

„Ich denke einfach, jetzt da sie nicht mehr ‚die Jägerin’ ist, kommt sie sich schwächer vor, und hat Angst, dich nicht mehr beschützen zu können", überlegte Willow. "Früher, als sie noch die Einzige war, war es auch einfacher für sie. Jetzt will sie wohl noch weniger als vorher, dass du dich in Gefahr begibst. Buffy will nicht noch einen Verlust verkraften müssen. Außerdem weiß sie nicht, dass du nun auch einen Teil ihrer Kräfte in dir trägst...“
 

„Ich frage mich noch immer, wie ich es ihr sagen soll. Sie könnte doch total sauer reagieren, weil sie dann nicht mal mehr in unserer Familie die einzige Jägerin sein könnte." Ihr Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. "Oder sie hat genug von der Sache, und liefert mich freiwillig irgendwelchen Dämonen aus oder so.“
 

Willow grinste. „Du redest Blödsinn, und das weißt du auch. Ihr werdet schon irgendwie damit klar kommen. Und ich denke, es wäre von Vorteil, wenn du es ihr so bald wie möglich sagst, oder willst du darauf warten, dass Lily es vielleicht Giles erzählt, und dieser dann deiner Schwester? Und ich denke, Buffy ist nicht die einzige Person, mit der du reden solltest...“
 

Dawn ließ einsichtig ihren Kopf hängen. Willow hatte ja recht. Als erstes würde sie Andrew aufsuchen. Ihr Problem war leichter aus der Welt zu schaffen, als Buffy, wie Willow es ausgedrückt hatte, einen erneuten Todesstoß mit der Wahrheit über ihre kleine Schwester zu versetzen.
 

++++
 

Sinas Zelt

etwas später...

Das Innere des Zeltes war dunkel gehalten. Nur ein paar Kerzen, die dazu einen süßlichen Duft verströmten, die elektrisch beleuchtete Kristallkugel auf einem Beistelltischchen und eine schwache Birne über dem Tisch in der Mitte, der mit Seidentüchern bedeckt war, spendeten das ganze Licht. In der Ferne war das Brummen eines Stromgenerators zuhören.
 

Auf dem Tisch vor Giles lagen die ersten beiden Karten, die Sina ihm nach traditioneller Legeart der Zigeuner als Pyramide offenbart hatte. Damit war Giles’ Wissen um Tarot und Legearten erschöpft. Er hatte zwar etwas mehr als ein Jahr lang Kunden die Decks verkauft, sowie diverse Bücher über die Legekunst, aber persönlich musste er sich damit nie ernsthaft befassen. Während Sina nach der dritten Karte griff, schweifte sein Blick über die Karte Die Acht der Kelche und Der König der Schwerter. Sina hatte ihm damit gedeutet, dass er sich in einer Umbruchsphase befand, mit einer dunklen Zukunft. Darüber hinaus wäre er ein intelligenter Mensch, der leider durch seine Kopflastigkeit, dem Sarkasmus und Zynismus auf die Mitmenschen Gefühlskalt wirken konnte. Das war ihm nichts neues.
 

Sina drehte in diesem Augenblick Karte drei herum und ihre Blicke fielen auf die Abbildung von Schwertern.
 

„Die Neun der Schwerter. Sie verrät uns, was Sie hinter Ihrer Gefühlskälte, ihrem Zynismus zu verstecken versuchen.“ Sie räusperte sich. „Soll ich... weitermachen.“ Ihr war nicht entgangen, dass der Mann langsam unruhig wurde, zog aber die falsche Schlüsse. Als Giles schließlich zögerlich nickte, fuhr sie fort. „Sie hatten viele schlaflose Nächte. Ein Ausdruck tiefer Sorge und Bedrückung. Vielleicht wegen eines schlechten Gewissens? Einer Lebenserfahrung existenzieller Bedrohung oder schmerzhafte Verluste. Die Karte zeigt die Ängste langer Nächte, in denen Sie, von Sorgen gequält, wachliegen und sehnsüchtig den Anbruch des neuen Tages erwarten. Dabei lässt diese Karte offen, ob es Gefühle der Schuld sind oder der Angst, die Sie angesichts einer schweren Aufgabe verzagen lässt, oder ob es sich um reale Bedrohungen und Existenzängste handelt.“ Sina sah mit gerunzelter Stirn auf.
 

++++
 

Highway/Interstate

Richtung Cleveland

selber Morgen
 

First I was afraid, I was petrified!

Kept thinkin' I could never live without you by my side

But then I spent so many nights thinking how you did me wrong,

and I grew strong, and I learned how to get along.
 

And so you're back from outerspace,

I just walked in to find you here with that sad look upon your face

I shoulda changed that stupid lock, I shoulda made you leave your key

If I had known for just one second you'd be back to bother me.
 

Die lauten Klänge von Gloria Gaynors „I will survive“ dröhnten aus dem zerbeulten, hellblauen Chevi, der in diesem Moment über die Stadtgrenze von Cleveland raste. Hinein inmitten des Berufsverkehrs. Zäh und quälend rollten die Autos über den Stadthighway. Zur Linken lag der Eriesee auf dem trotz aufgegangener Sonne noch immer eine leichte Nebelschwade hing. Die Dächer der Skyline glänzten unter den morgendlichen Sonnenstrahlen und stachen dem Fahrer empfindlich in die Augen. Er blinzelte gegen das grelle Licht an...
 

....Sommer 2000...

...das grelle Deckenlicht sprang viel zu früh an und die Zellentüren wurde im ganzen Gebäude zeitgleich entriegelt. Wärter rannten in den Fluren umher, Soldaten nahmen mit ihren Waffen Aufstellung und durch die Lautsprecher wurde angewiesen, dass jeder Inhaftierte sofort auf den Flur hinauszutreten hatte.... ...
 

…Cleveland...
 

Go on now go, walk out the door.

Just turn around now, cause you're not welcome anymore.

Weren't you the one who tried to hurt me with goodbye?

You think I'd crumble? You think I'd lay down and die?
 

..Nur wenige Meter weiter begann der Stau. Eine Wagenkolonne rollte in die City. Die Musik nahm an Lautstärke zu, als der Chevi zum Stehen kam. Das Fenster auf der Fahrerseite war halb heruntergedreht und der Fahrer trotzte der morgendlichen Kälte.
 

Oh no not I! I will survive!

Oh, as long as I know how to love, I know I'll stay alive.

I've got all my life to live,

And I've got all my love to give,

I'll survive, I will survive!
 

Ein Helikopter kreiste über dem Stau und trotz Morgensonne hatte er seinen Suchscheinwerfer an. Der Lichtstrahl gleißte über die Frontscheibe des Chevis...
 

....Sommer 2000....

...helles Sonnenlicht brannte in den Augen der Inhaftierten - Dämonen, Halbdämonen und Menschen –, die begleitet von entsicherten Waffen über den Hof getrieben wurden. Dort standen Lastwagen mit geöffneten Heckklappen bereit. Sie wurden hinaufgetrieben und die Anweisung sich zu setzen, wurde ihnen von irgendwo zu gebrüllt. Eine ungemeine Hektik hatte sich breit gemacht. ....
 

....ein einzelner Lastwagen rollte auf eine, kaum noch sichtbare Staubpiste durch die Wüste Nevadas mit unbestimmten Ziel. Als die Fahrspur nicht mehr zu erkennen war, bremste er ab und die Heckklappe wurde geöffnet. Ein Soldat sprang nach draußen, lud durch und hielt die Waffe ins Innere gerichtet. Ein Kamerad stand breitbeinig im Inneren, tippte eine der Personen mit dem Lauf an und zwang ihn aufzustehen. Mit einem Stoß des Kolbens in den Rücken wurde der Häftling nach draußen geworfen, landete im Staub und richtete sich mühsam auf. Als er seinen Kopf hob, blickte das angespannte Gesicht von Ethan Rayne auf den Lauf. Mit erhobenen Händen richtete sich Ethan ganz auf, trat ein paar Schritte weg vom Lastwagen und musste mit ansehen, wie der Soldat wieder aufsprang und der Wagen einfach weiterfuhr. In einer Staubwolke gehüllt stand Ethan alleine da, ohne Pass, ohne Papiere, ohne Geld und ohne Wissen was passiert war. Inmitten der Weite der Wüste und dabei verfluchte er nicht zum ersten Mal jenen Tag, an dem er nach Sunnydale zurückgekehrt war, um Rupert einen kleinen Streich zu spielen......
 

....Cleveland....

....... während um den alten Wagen die Fahrer nervös auf ihre Lenkräder trommelten und die Hupen betätigten, lehnte sich Ethan entspannt nach hinten – ein Lächeln umspielte dabei seine Lippen. Er war endlich am Ziel. Er hatte endlich gefunden, was er seit einem halben Jahr suchte – Ripper - Rupert und seine dämliche Jägerin. Mit beiden hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen. Nicht nur, weil er seit einem halben Jahr vergeblich versuchte, beide an einem Ort anzutreffen, sondern weil er wegen ihnen die Hölle auf Erden durchlebt hatte. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung von den Tests im geheimen Militärgefängnis in der Wüste Nevadas, oder von den Tabletten, mit denen man ihn vollgestopft hatte, bis er davon abhängig wurde. Sicher wusste auch keiner der beiden, wie es war, einfach so ohne Papiere und Geld in der Wüste ausgesetzt zu werden, nur weil sich die Regierung keine ermordeten Inhaftierten erlauben konnte, wo es offiziell überhaupt keine gab. Alleine das Aufsehen darum, hatte ihm und hundert anderen Dämonen sowie Halbdämonen das Leben gerettet. Erklärungen hatte es natürlich keine gegeben. Später, viel später hatte Ethan mühsam herausgefunden, dass die Initiative aufgelöst worden war.
 

Doch das war Vergangenheit und Ethan versuchte, nicht weiter daran zu denken, um sich nicht den Tag zu vermiesen. Wobei.. daran denken würde er bald sehr oft müssen, wenn er seine Rache nahm. Eine späte Rache, aber auch das hatte seine Gründe: Eine lange Therapie, um die Alpträume los zu werden, eine Entziehungskur, um von den Tabletten los zu kommen und viele Monate, um seine magischen Kräfte wieder aufzuladen. An Selbstvertrauen hatte es ihm in der Zeit selbstverständlich nicht gefehlt. Und der Wunsch nach Rache hatte ihn zudem aufrecht gehalten.
 

Die Vorbereitungen hatten auch ihre Zeit gebraucht. Er wollte diesmal nichts dem Zufall überlassen.
 

Es war also nicht weiter tragisch, wenn er seine Gedanken auch weiterhin um den Tag der „Befreiung“ kreisen ließ, um die Strasse, die er endlich nach zwei Tagen fand, um den alten Farmer, der ihn auf seinem Pick-Up bis in die nächste Stadt mitnahm, um die Schwierigkeiten neue Papiere zu beschaffen oder um die Tatsache, dass Sunnydale nicht mehr da war, wo er es als Letztes verlassen hatte...
 

Oh no not I! I will survive!

Oh as long as I know how to love I know I'll stay alive,

I've got all my life to live,

And I've got all my love to give,

I'll survive, I will survive!

I'll survive.
 

++++
 

Messegelände.

Sinas Zelt.

Giles war ein wenig blass geworden, als ihm Sina die Karte gedeutet hatte und räusperte sich umständlich. „Uhm i-ich schätze, das bedeutet nichts Gutes?“ Natürlich tat es das nicht, beantwortet er sich die Frage selbst. Schmerzhafte Verluste? Oh ja... und wie viele. Und dabei dachte Giles nicht nur an die erst kürzlich von Caleb und dem Urbösen getöteten Kollegen. Es gab genug, die schmerzhafter waren, wenn er nur daran ansatzweise zurück dachte. Schlechtes Gewissen – Buffy und die vielen Dinge, die zwischen ihnen standen. Noch immer ungeklärt waren... er seufzte und das war Sina wohl Antwort genug. Sie legte ihre Hand auf das Deck und schüttelte den Kopf.
 

Sie sagte etwas, doch Giles in Gedanken versunken sah nur, wie sich ihre Lippen bewegten. Angst vor der Aufgabe... Bedrohungen... natürlich... er wusste um Vampire, Dämonen und die Last, die auf den Schultern junger Mädchen lag und auf denen ihrer Wächter oder dem was sich jetzt Wächter nennen durfte. Aber vor was sollte er Existenzängste haben? Das er es nicht schaffte, den Rat so aufzubauen, wie er es sich vorstellte? Das er versagte? Nichts hatte, auf was er in späteren Jahren zurückblicken konnte? Außer Einsamkeit, keine Besitztümer oder keine Erben, denen er die spärlichen Besitztümer vermachen konnte? Niemanden, der in seine Fußstapfen trat, um sein angefangenes Werk zu vollenden...
 

Sina wiederholte ihre Worte und Giles sah sie abwesend an. „Uhm.. Entschuldigung.. was haben Sie gesagt?“
 

„Dass ich glaube, was die Karten enthüllen, tut Ihnen nicht gut. Wir sollten aufhören.“
 

„Nein.. Sie... ich glaube, Sie treffen die Wahrheit ganz gut. Ich möchte auch die anderen Karten sehen.“
 

„Gut... es ist Ihre Entscheidung...“
 

Giles nickte bedächtig, aber bestimmt und Sina zog die vierte Karte.
 

+++
 

Vor dem Pferdezelt

„Oh mein Gott,“ keuchte Buffy und rang nach frischer Luft. „So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen.“
 

„Wirklich nicht?“ stöhnte Xander, der blass gegen einen Wohnwagen lehnte. „Ich meine, als Jägerin sieht man doch ziemlich vieles Erschreckendes. Und die Polizei spricht in der Presse von einem brutalen Serienmörder.. da war das doch zu erwarten.“ Xander klang ein wenig mitgenommen, aber auch gereizt.
 

Buffy sah müde zu Xander. Natürlich hatte er recht. Aber sie durfte nie vom Schlimmsten ausgehen, sonst würde sie noch am Ende Angst bekommen. Das stand einer Jägerin nicht besonders gut. Allerdings hatte sie vollstes Verständnis für Xanders Reaktion.
 

„Was um alles in der Welt haben Sie hier zu suchen!“
 

Xander und Buffy richteten sich erschrocken auf und sahen in Richtung der Stimme. Ein Mann Ende zwanzig stand mit wütendem Gesichtsausdruck da und versperrte den Durchgang nach vorne.
 

„Uhm... und was suchen Sie hier,“ versuchte es Buffy mit einem Gegenangriff.
 

„Ich sichere den Tatort und suche Spuren,“ er deutete zu dem Zelt. „Zudem bin ich für das Ganze hier zuständig und verantwortlich. Sie sollten von hier verschwinden, bevor ich noch auf die Idee komme, misstrauisch zu werden.“
 

„Haben’s schon kapiert, Sir,“ Xander versuchte es höflich und machte einen unsicheren Schritt auf den Polizisten in zivil zu. „Wir suchen nur jemanden.“
 

„Aha...,“der misstrauische Ausdruck blieb.
 

Buffy schob Xander nach vorne. „Wir sind schon weg.“ Sie drängte sich an dem dunkelhaarigen Mann vorbei, der mit seinem durchtrainierten Polizistenkörper nur langsam zur Seite wich. Sie sah seine Marke am Gürtel aufblitzen, und hatte es sehr eilig zu verschwinden.
 

„Wir können uns keine Fragen leisten,“ flüsterte sie Xander zu, als sie den Mann hinter sich gelassen hatten, welcher ihnen immer noch nachblickte. „Das hier ist nicht Sunnydale. Ich schätze hier laufen ein paar Dinge anders.“
 

„Okay. Dann lass uns schnell nach Giles suchen und von hier verschwinden,“ schlug Xander vor, und Buffy hatte keine Einwände.
 

++++
 

Sinas Zelt

Zwei weitere Karten waren zu der Pyramide hinzugekommen. Giles war sich allmählich bewusst geworden, dass Sina ihn zum Narren hielt. Sie hatte ihn mit Absicht hierher gelockt. Daran bestand kein Zweifel. Sie versuchte, mit den Karten seine Neugier zu wecken, hatte ihn mit Andeutungen verwirrt und es stellte sich jetzt nur die Frage was sie von ihm in Wirklichkeit wollte.
 

Denn die Karten gaben keine einzige Antwort auf das, was sie versprochen hatte.
 

Trotzdem weilten seine Gedanken bei den Deutungen der Karten. So sehr er sich zur Vorsicht mahnte, so sehr hatte er sich von Sina in ihren Bann ziehen lassen. Karte vier, der Herrscher, hatte ihm verraten, dass seine Ziele durch Beharrlichkeit erreicht wurden, dass er sich durch den Halt an Strukturen, der Kontinuität und Sicherheit im Leben antreiben ließ. Attribute wie Ordnungssinn, Nüchternheit, Disziplin und Verantwortung, waren ihm ebenfalls nicht unbekannt.
 

Die fünfte Karte, der Turm, hatte ihn dagegen wieder nachdenklich gestimmt. Nach Sinas Worten stand er dafür, dass eine gemauerte Sicherheit für ihn zusammengebrochen war. Er würde noch immer unter den Auswirkungen des Schocks leiden, wobei er langsam aber sicher auch erkennen würde, dass die gemauerte Sicherheit in Wahrheit eine Last gewesen sei, von der er nun befreit wäre. War der Rat wirklich in den Jahren zu einer Last geworden?
 

Falls er den Turm mit dem Rat gleichsetzte. Doch würde er sich dann die Mühe machen, ihn wieder aufzubauen?
 

„Dann wollen wir mal sehen, was Karte sechs uns gibt,“ durchbrach Sina seine Gedanken. Vielleicht Antworten auf die Frage was Ihnen die Zukunft bringt, was kommen wird.... hm..“
 

Sina drehte eine Karte mit zwei Kelchen herum. „Die Zwei der Kelche.“ Sie lächelte wissend. „Sie dürfen sich freuen.. wie es scheint, wird ihr Liebesleben bald beflügelt oder aber eine andere, ihnen wichtige Person wird sich mit Ihnen aussöhnen. Die Hauptbetonung dieser Karte liegt zweifellos im persönlichen Bereich, wo sie Flirts, spontane Verliebtheit, ein glückliches Wiedersehen oder den Beginn einer sehr liebevollen Beziehung oder Freundschaft anzeigt.“
 

„Ah.. uhm,“ Giles räusperte sich verlegen. Die Karte versprach natürlich zur Abwechslung einmal nicht nur Schlechtes. Aber Giles wollte nicht allem Glauben schenken, was Sina offenbarte. Eine Bekanntschaft zu machen, fiel nicht schwer, dafür brauchte man keine Karten. „Gut... dann die letzte Karte?“
 

Sina hatte bei Giles Vorschlag genickt und mit einem „Einverstanden“ offenbarte sie die letzte Karte. „Ah ja, der Ritter der Schwerter.“ Sinas Stirn bewölkte sich und Giles sah sie besorgt an. „Die Antwort auf das, was Sie zu Boden zwingt, und was es für Sie bedeutet.“
 

„Wieder etwas Schlechtes?“
 

„Sehr schlecht,“ sinnierte Sina und sah düster auf. „Er steht für eine Atmosphäre von Frost, Schärfe, Arglist, Konflikten und Streitigkeiten. Hin und wieder bedeutete er auch Abkühlung, für ein Umfeld von Klarheit und nüchterner Erkenntnis. Das bedeutet für Sie kühle Distanziertheit, scharfe Auseinandersetzungen, Gerissenheit, zynischer Spott und bittere Ironie. Deshalb ist der Ritter der Schwerter oft ein Vorbote von Trennungen, Zwietracht, messerscharfer Wortgefechte und übler Gemeinheiten.“
 

„Nun, vorausgesetzt, ich glaube diese Dinge, dann kann ich mich über Erfolg, eine neue Beziehung freuen, wobei Betrug und Streiterein das Gefühl von Niederlage vermitteln, während ich meine Ziele erreiche und alten Ballast los geworden bin?“, fasste Giles das Ergebnis zusammen und versuchte, nicht zu zynisch zu klingen.
 

Sina nickte und räumte dabei die Karten zusammen.
 

„Okay... uhm, und was hat das mit dem zu tun, was Sie vorhin andeuteten?“ Eine misstrauische Falte bildete sich auf Giles Stirn.
 

„Oh.. hat es Ihnen denn nicht geholfen über ein paar Dinge nachzudenken, die Sie aus der Welt schaffen könnten, damit es Ihnen wieder etwas besser geht? Gefühlsmäßig?“ Sina schob die Schublade zu und wandte sich Giles zu.
 

Er nickte langsam, rieb sich dann die Stirn und sah zu der Zigeunerin zurück. „Sie hatten allerdings Antworten versprochen!“
 

„Sie haben sie bekommen. Sie müssen sie nur richtig deuten.“
 

„Hören Sie auf mit Ihrem aufgesetzten mystischen Gerede,“ Giles wurde ungeduldig. Sina sah überrascht zu ihm. „Ich bin kein Kunde, von dem Sie sich Geld versprechen. Sie haben mich hierher gelockt. Also?“
 

Sina lachte zu Giles Erstaunen auf. „Sie sind wirklich ein kluger Mann. Und Sie wissen, was Sie wollen. Nun gut... sind Sie bereit für die Sondervorstellung?“
 

„Welche Sondervorstellung...“
 

Sina stand auf und holte ein neues Deck. Giles’ Frage blieb unbeantwortet. Zunächst. Sina nahm wieder Platz und ein stetiges, prasselndes Geräusch von oben, ließ Giles vermuten, dass trotz des guten Wetters am frühen Morgen, der späte Herbstregen eingesetzt hatte.
 

„Ich werde Ihnen jetzt fünf Karten legen. Vier davon stehen für Personen in Ihrem Leben. Personen, die Ihnen sehr am Herzen liegen. Die Karten werden keine Namen nennen können, aber Sie sollten in der Lage sein, ihre Lieben anhand der Attribute zu erkennen.. Und die letzte Karte, die ich aufdecke, wird Ihnen zeigen, was die Verbindung zwischen diesen Personen sein wird, das Schicksal, welches sie bereits geteilt haben, oder noch teilen werden.“
 

„Ich verstehe nicht, was das alles mit dem Monster auf sich hat? Oder mit mir und...“ , Jenny, lag ihm auf der Zunge. Aber er verbot sich ihren Namen auszusprechen. Er wollte nicht wirklich wissen, was Sina über sie wusste. Er wollte Jenny im Gedächtnis behalten und sie nicht durch das Bild der „fremden“ Person namens Janna ersetzen.
 

„Ich lege Ihnen die Karten, damit Sie ein paar Dinge erkennen und die Zukunft in die Hand nehmen können. Falls es nicht schon zu spät ist. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“ Sina hob die Karten fragend in die Höhe. Giles nickte resigniert und Sina nahm die erste Karte vom Stapel. Langsam verwirrte ihn die Situation und er konnte nicht anders, als sich fügen.
 

„Die Kaiserin,“ kommentierte Sina die Karte und legte sie vor Giles ab. „Eine Person in Ihrem Leben, voller Liebe und Hingabe, die aber auch zerstörend auf ihr Leben einwirkte.“ Die zweite Karte folgte. „Der Bube der Stäbe,“ Sina legte ihn neben die Kaiserin. „Jemand ist Ihnen begegnet, als Sie ausbrechen wollten, etwas erleben wollten. Bereit waren für das Abenteuer bereit. Risikofreude spielte eine Rolle.“
 

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Cleveland

Motelanlage „Days Inn“

Etwas später

Der blaue Chevi rollte auf den, vom plötzlichen Regenschauer überfluteten Parkplatz des „Days Inn“. Ethans Augen suchten dabei wachsam das Gelände ab. Seit seinen Erlebnissen war er misstrauischer geworden. Doch der Ort schien perfekt für ihn zu sein. Sein Wagen war von der Strasse aus nicht zu sehen, denn man musste schon am Hauptgebäude herumfahren, um auf den Parkplatz zu gelangen. Zudem war das Motel eines jener Art, bei dem die Preise niedrig waren und das Personal nicht großartig an den Kunden interessiert zu sein schien, so lange das Trinkgeld stimmte.
 

Vor der Moteltüre 16 parkte er, und griff nach dem Schlüssel auf dem Beifahrersitz. Er hatte für einen Monat im Voraus bezahlt und war damit alle Sorgen los. Nachdem Ethan sich vergewissert hatte, dass es nicht mehr regnete, stieg er aus, schloss die Tür auf und betrat wie erwartet, ein kleines, miefiges Zimmer. Das Licht wurde von den vorgezogenen Vorhängen draußen gehalten. Seine Füße gingen über einen viel zu dicken und flauschigen Teppichboden auf ein Bett zu, das schon einige Jahre mitgemacht zu haben schien. Die Tapete war abgeschossen und die Einrichtung ließ die Vermutung zu, dass der Raum irgendwann in den 70er Jahren eingerichtet worden war und nie eine Renovierung erlebt hatte. In der Luft hing schwer der Duft von Reinigungs- und Desinfektionsmittel und die Klimaanlage summte laut.
 

Es war Ethan vollkommen unverständlich, wie man bei diesen Außentemperaturen eine Klimaanlage laufen lassen konnte. Er stellte die Anlage ab, ließ die Vorhänge zugezogen und ging zurück zum Wagen.
 

Er öffnete den Kofferraum, holte einen Koffer und eine kleine Tasche hervor. Als er sein Gepäck im Motelzimmer untergebracht hatte, kam der Chaosbringer zurück, um einige Kartons in das Zimmer zu schleppen. Schachteln, die mit kleinen Plastikbeuteln, Kerzen und Büchern beladen waren. Sobald er alles im Zimmer verstaut hatte, griff er im Freien nach einem Zettel in seiner Hosentasche. Darauf stand eine Kontaktadresse, bei der er Informationen bekommen sollte. Er faltete den Zettel auf und las „Black Pearl“. Eine Bar am Hafen. Ethan lächelte, schloss die Zimmertür ab und stieg wieder in den Wagen.
 

++++
 

Sinas Zelt

„Die Königin der Stäbe,“ Sina offenbarte die dritte. „Jemand mit sehr viel Selbstvertrauen, Stolz und Unabhängigkeit kreuzte ihren Weg. Klug, aber nicht unbedingt bereit, sich unterzuordnen, nicht immer fähig, Kritik anzunehmen. Lebendig und willensstark, unternehmungslustig.“ Sina sah kurz zu Giles. „Die Karte hat auch eine negative Seite.. die Königin steht auch für die Dramenkönigen, weil sie ein Talent zum Schauspielern hat.. Ihnen also etwas vorgaukelte.“ Zum ersten Mal erkannte Giles ein Muster in den drei Karten. Doch der Gedanke verschwand so schnell wie er gekommen war.
 

„Die vorletzte Karte,“ drohte Sina und deckte den Mond auf. „Wechsel und Wandel. Sie lebt in Ihrer Welt, und ist doch nicht von dieser Welt......Und nun die Karte, die offenbart, was alle vier Personen gemeinsam haben. Sind Sie bereit?“
 

Giles nickte kräftig und wappnete sich auf die „sensationelle“ Enthüllung. Das Muster, das er zu erfassen geglaubt hatte, verwehrte den Zugang und Giles begann sich gegen das zu sträuben, was Sina legte und deutete. Sie hatten so ganz andere Sorgen in Cleveland...
 

Sina hob die Karte in die Höhe und drehte sie herum. Sie erstarrte und Giles Blick wanderte zu der Abbildung darauf:
 

Der Tod.
 

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Xanders und Andrews Wohnung

Selber Morgen, etwas später

"Zuerst die gute Nachricht, ich denke nicht, dass er dir noch böse ist. Es gibt allerdings auch eine schlechte - er ist wieder im Schmollmodus, und du wirst etwas Zeit brauchen, um zu ihm durchzukommen."
 

Aufmunternd lächelte Xander Dawn an, und trat beiseite, um sie in die Wohnung zu lassen. Sie wusste nicht so recht, ob sie erleichtert, oder besorgt sein sollte. Immerhin hatte Andrew sich geweigert, ans Telephon zu kommen, als sie vor einigen Tagen endlich den Mut gefunden hatte, anzurufen, und das war ein schlechtes Zeichen. Andererseits, vielleicht hieß es auch nur, dass sie herkommen, und persönlich mit ihm reden sollte. Bei Andrew konnte man das nie so genau sagen, seine Denkweisen waren so kompliziert, wie die eines Mädchens. Mindestens...
 

"Andrew?" Xander öffnete die Tür zum Wohnzimmer. "Wo steckst du? Dawn ist hier!" Er sah sich um, doch von seinem Mitbewohner war keine Spur zu entdecken. Das Zimmer war leer, obwohl noch der Fernseher lief und eine zerknautschte Decke auf dem Sofa lag. Auch ein paar ungeöffnete Chipstüten konnte Dawn erkennen, und auf dem Boden vor dem Fernseher lag der Dinosaurier in seine Einzelteile zerlegt.
 

"Ist er vielleicht draußen?" wunderte sich Dawn mit einem Blick auf die angelehnte Balkontür.
 

"Draußen?" fragte Xander verwundert. "Bei dem Wetter?" Mit ungläubigem Blick riß er die Balkontür auf, und stürmte hinaus. "Andrew, du hast sie doch nicht mehr alle, du holst dir den Tod!"
 

Einen Moment später kam Xander ins Wohnzimmer zurück, und schob einen klatschnassen, zitternden Andrew vor sich her. "Was soll der Blödsinn, verdammt, willst du unbedingt krank werden?" schimpfte er, doch Andrew schien es kaum wahrzunehmen, er blinzelte so verwirrt, als sei er soeben aus einem Traum erwacht. Seine blassen, kältestarren Finger umklammerten irgend etwas, es schien eine Kerze zu sein, aber Xander entwand sie ihm, um ihm kräftig die Hände warm zu reiben. "Dawn, holst du bitte einen Trainingsanzug für ihn aus der Kommode? Unterstes Schubfach!"
 

"Lass mich!" Andrew funkelte Xander an und riss sich von ihm los. "Hör auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln." Er marschierte zur Kommode hinüber, kramte frische Klamotten daraus hervor, und verschwand mit einem letzten wütenden Blick auf Xander in Richtung Badezimmer.
 

"War das nötig?" fragte Dawn leicht vorwurfsvoll. "Musstest du ihn so anschnauzen?"
 

"Dawnie, ich hab Angst, okay?" Xander schloss die Balkontüre, und stellte die heruntergebrannte Kerze auf dem Tisch ab. "Wenn er da draußen hockt, und seine Zwiegespräche mit dem Universum führt, kann er alles um sich herum vergessen. Und wir wohnen schließlich im vierten Stock! Und ich weiß, ich bin nur ein dummer Zimmermann, der keine Ahnung von Religion und höheren geistigen Dingen hat, aber ich bilde mir ein, dass Warren und Jonathan ihn hier drin im warmen Wohnzimmer genauso gut hören können, wie draußen im strömenden Regen!"
 

"Er redet mit Warren und Jonathan?" fragte Dawn verwundert zurück. "Wie denn, ist es eine Art Zauber?"
 

Xander schüttelte den Kopf. "Nein, es ist dasselbe, wie wenn du mit deiner Mom sprichst."
 

"Ach so." Einen Moment lang schweiften ihre Gedanken ab, bevor sie wieder in die Gegenwart zurückkehrten. "Aber dann glaub ich nicht, dass du dir deswegen Sorgen machen musst."
 

"Das ist es ja auch nicht." Xander seufzte. "Was mir Sorgen macht ist, wenn ich versuche, mit ihm zu reden, und nicht an ihn rankomme. So wie heute. Und ja, dann schnauz' ich ihn an. Mir ist es lieber, er ist sauer auf mich, als dass er nichts von der Welt mitbekommt."
 

Dawn senkte den Blick, sie konnte ihr schlechtes Gewissen beinahe körperlich fühlen. Mit ihrem Verhalten hatte sie nicht gerade dazu beigetragen, Andrew zu helfen. Ihn erst einzuladen, und dann sitzen zu lassen war so ziemlich das Gemeinste, was sie ihm hatte antun können. Kein Wunder, dass sie damit böse Erinnerungen heraufbeschwor...
 

"Ich bin ja gar nicht auf dich sauer," sagte Andrew leise von der Tür her. "Ich hab einfach nur einen total schlechten Tag. Und deswegen brauchst du nicht gleich zu glauben, dass ich vom Balkon falle!" Vorwurfsvoll blickte er Xander an, während er ins Zimmer tapste. Er trug jetzt einen warmen Trainingsanzug, einen dicken Wollschal um den Hals, und - seinem Gang nach zu schließen, mehrere Paar Socken übereinander.
 

Im ersten Moment hatte Dawn gehofft, dass er mit dem Nicht-sauer-sein vielleicht sie gemeint hatte, aber das war natürlich ein Trugschluss. Andrew beachtete sie überhaupt nicht, er schlurfte an ihr vorbei zum Fernseher, und begann die Einzelteile des Dinosauriers zusammenzutragen. Dawn sprang auf, um ihm dabei zu helfen.
 

"Ich mach euch Tee," schlug Xander vor, und zog sich auf Zehenspitzen in die Küche zurück.
 

Dawn schnappte sich ein Dinosaurierbein, gerade als Andrew danach greifen wollte. "Los, sag schon, dass ich das gemeinste Mädchen der Welt bin!"
 

Andrew sah sie böse an. "Du kannst dir Platz zwei mit Kennedy teilen!"
 

"Nur Platz zwei? Dann lass mich wenigstens böser als Kennedy sein, okay?" Dawn wollte das Bein in den Rumpf stecken, den Andrew in der Hand hielt, doch er schüttelte den Kopf. "Das gehört da nicht rein! Das ist das Vorderbein!" Er dreht den Rumpf richtig hin. "Jetzt kannst du!"
 

"Es tut mir echt wahnsinnig leid, okay?", versuchte sie sich zu entschuldigen. "Ich hab mich wie ein totaler Idiot benommen! Ich weiß, dass ich dich verletzt habe, aber du musst mir glauben..."
 

"Hol den Schwanz, er liegt unter dem Tisch!"
 

"Okay, okay, ist ja schon gut.....Hier!" Sie befestigte das nächste Stück Dinosaurier, und versuchte es dann ein weiteres Mal: "Darf ich dir wenigstens erklären, was schiefgelaufen ist?"
 

"Nein. Such lieber mit nach den restlichen Beinen! Ich hab keine Ahnung, wo sie gelandet sind!"
 

Wenn's weiter nichts war! Dawn seufzte und begann neben ihm auf dem Teppich herumzukrabbeln. Ein Bein fand sich hinterm Sofa, das andere lag neben dem Fernseher. Das vierte und letzte hatte der Dinosaurier noch nicht gehabt, aber..." Sie lächelte leise....
 

"Es hat nichts mit dir zu tun," sagte Andrew schließlich, und stellte den Dinosaurier aufs Regal zurück. "Das mit dem schlechten Tag, mein ich. Natürlich war das mit dem Ball gemein von dir, aber du brauchst nicht zu glauben, dass du daran schuld bist. Weißt du, es ist längst nicht mehr so schlimm, wie früher, nein...eigentlich sollte ich sagen, es ist alles schon viel besser, aber es ist immer noch schwierig...."
 

"Was genau meinst du?" fragte sie leise. "Geht es um das, was du mir über Batman und Robin erzählt hast?"
 

Andrew schüttelte den Kopf. "Nein, ich grüble jetzt nicht mehr darüber nach, ob Warren mich verlassen hat, oder nicht. Das ist vorbei. Du hast gesagt, ich soll mich an das halten, was ich wirklich glaube, und ich glaube, er wollte mich bei sich haben, und er wäre zu mir zurückgekommen, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte. Xander sagt zwar, das wär’ Selbsttäuschung, aber soll ich denn bis in alle Ewigkeit grübeln, nur weil er eine andere Meinung hat? Oder soll ich ihm vielleicht nach dem Mund reden, und überhaupt keine eigene Meinung haben?"
 

"Nein, natürlich nicht," beeilte sie sich zu sagen. Selbst wenn Andrew vielleicht unrecht hatte, was Warren anging, so war das jetzt nicht mehr wichtig. Manchmal gab es eben keine einzig wahre und richtige Antwort auf eine Frage, und dann musste man irgendwann einen Schlussstrich ziehen, wenn man sich nicht selbst verrückt machen wollte. Und falls Andrew das gelungen war, hatte er ein Problem weniger, das ihn belastete.
 

"Was ist es dann?" fragte sie leise. Sie hob die Kerze auf, die auf dem Tisch stand, und betrachtete sie. "Ist es das, worüber du mit Warren und Jonathan geredet hast?"
 

Er warf einen Blick zur Küche, und vergewisserte sich, dass die Türe geschlossen war. "Ich hab' mit Anya geredet," sagte er schließlich, und Dawn stieß überrascht die Luft aus. "Ich war nicht sehr nett zu ihr. Ich bin sauer auf sie, weil sie das für mich getan hat, weil sie und Xander doch noch soviel vor hatten, und ich....ich weiß ja nicht einmal wozu ich überhaupt noch gut bin...."
 

"Hör auf solchen Unsinn zu reden," unterbrach sie ihn wütend. "Du bist hier, und du lebst, und das ist auch richtig so. Du bist kein blöder Roboter, der nur darauf programmiert ist, eine einzige Person glücklich zu machen, und du hörst nicht auf zu existieren, nur weil diese Person nicht mehr da ist. Du existierst für dich selbst. Und du kannst noch so vieles mit deinem Leben anfangen! Hab ich mich klar ausgedrückt?"
 

"Was ist, wenn Xander glaubt, dass es meine Schuld war?"
 

"Das würde er niemals tun, Andrew! So was darfst du nicht mal von ihm denken!" Dawn's Stimme überschlug sich fast. "Er hat dich bei sich aufgenommen! Er kümmert sich um dich! Er tut alles, damit du dir ein richtiges Leben aufbauen kannst!"
 

"Es war dumm von mir, so was zu denken," murmelte Andrew. "Entschuldige bitte."
 

"Schon klar." Sie lächelte. "Und weil wir gerade beim Entschuldigen sind, es tut mir wirklich, wirklich leid, dass ich dich auf dem Ball hab' sitzen lassen. Ich wollte dir schon die ganze Zeit etwas geben, das ich dir mitgebracht habe!" Sie kramte etwas aus ihrer Tasche hervor. "Hier! Es hat mich siebzehn Packungen Cornflakes gekostet, und Buffy und Giles werden mich dafür umbringen! Also wisse es zu schätzen!"
 

Sie überreichte ihm einen kleinen grünen Dinosaurierkopf mit langem Hals, und Andrew blieb der Mund offen stehen. "Du hast wirklich...?"
 

"Wirklich," bestätigte sie.
 

"Du bist wundervoll!" Er warf sich ihr an den Hals, dass ihr die Luft wegblieb, und rannte dann gleich zu Xander in die Küche, um ihm das Geschenk zu zeigen. Einen Moment später steckte er wieder seinen Kopf ins Wohnzimmer: "Hey, Piper! Wenn du mir noch was von Leo erzählen willst, musst du dich beeilen, denn Prue wird gleich mit dem Tee hier sein!"
 

Dawn seufzte. "Leroy war kein Leo, sondern ein Reinfall. Aber vielleicht hab ich Leo trotzdem getroffen, wer weiß?"
 

Andrew kam wieder angelaufen. "Hey, spann mich nicht auf die Folter, sonst bin ich gleich wieder beleidigt," drohte er.
 

"Mach ich nicht," versicherte sie. "Darf ich jetzt immer noch dein Mond sein?"
 

Er beeilte sich zu nicken, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
 

++++
 

Vor Sinas Zelt

Giles trat aus Sinas Zelt und stellte überrascht fest, dass der Himmel bewölkt war und ein paar Wassertropfen von der Zeltplane abperlten. Es schien tatsächlich geregnet zu haben. Wie lange war er nur in dem Zelt gewesen? Minuten oder Stunden? Wo waren Xander und Buffy geblieben?
 

Die letzte Karte schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Er wollte nicht wissen, ob sie wirklich das bedeutete, was sie darstellte und deshalb hatte Giles es ziemlich eilig gehabt, an die frische Luft zu kommen.
 

Ein tiefer, krächzender Schrei ließ ihn aufblicken. Eine Krähe flog von der Zeltstange auf und verlor eine Feder, die Giles zu Füßen flatterte. Er bückte sich danach und hob die schwarze Feder auf. Sie glänzte vor Feuchtigkeit und hatte dabei etwas Einfaches und Schönes an sich. Etwas an das sich Giles halten konnte. Das dort drinnen war unheimlich gewesen und Sinas entsetztes Gesicht, hatte ihm den meisten Schrecken eingejagt. Der Tod - vier Personen, verbunden durch den Tod. In Gedanken fluchte Giles nicht sonderlich schön auf britisch und verwünschte sich für den Entschluss, Sina in das Zelt gefolgt zu sein. Nun waren seine Gedanken doch abgelenkt und er wusste noch weniger darüber, wieso Sina ihm so bereitwillig die Karten gelegt hatte, wie zuvor.
 

+++
 

Hafen, Dämonenbar

Die „Black Pearl“ schaukelte leicht unter eine Welle, die ein großer Dampfer verursachte, der gerade auslief. Ethan lief um Gleichgewicht kämpfend, über die feuchte Reling und sprang an Board. Er blickte in das Führerhäuschen, konnte aber niemanden entdecken. Kurzentschlossen packte er nach dem runden Griff der Bodenluke und verschwand in die Tiefe. Da es der einzige mögliche Zugang war, hatte er nicht lange gezögert.
 

„Zum Teufel,“ murmelte der Chaosbringer überrascht, als sich vor ihm die Bar erstreckte. Um die Uhrzeit war sie nicht besonders stark besucht, aber selbst die wenigen Gäste machten Ethan sofort klar, was für eine Bar vor ihm lag. „Dämonen,“ murmelte er weiter und hoffte, er wusste was er hier tat. Die Luft war verraucht und abgestanden, aber die Deko hatte etwas, fand Ethan. Schließlich ging er mutig auf die Bar zu und lächelte sein breitestes, schmierigstes Lächeln, das er auf Lager hatte.
 

Der Dämon hinter der Bar, mit seinem Geweih auf dem Kopf und den hängenden Lefzen, der platten Nase, beäugte ihn misstrauisch. Davon ließ sich Ethan jedoch nicht einschüchtern. Die wenigen anwesenden Dämonen blickten neugierig auf, sahen aber gleich wieder zur Seite. Offensichtlich war ein Mensch nichts Neues in dieser Bar. Ein gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass er hier auch wieder lebend herauskam. Außer man sah Menschen hier unten nur, wenn man sie in der Kombüse zubereitete. Wobei.. genauer darüber wollte er jetzt nicht nachdenken.
 

„Ein Bier?“, bellte ihn der Barkeeper an und Ethan zog die Stirn kraus.
 

„Ich schätze Sie zapfen alles, nur keine Guiness?“, dabei zog er sich einen Barhocker heran.
 

„Bier oder nich’?“ Der Dämon war die Ruhe an sich.
 

Ethan seufzte. „Dann eben Bier. Und alles was Sie so über die Jägerin und ihren Wächter wissen.“
 

++++
 

Sinas Zelt

Sina saß am Tisch und ihre Augen blickten noch immer starr zum Ausgang, durch den Giles gerade gegangen war. Eine Gestalt trat hinter ihr aus den Schatten der Stoffbahnen, die das Zelt dekorierten. Lange, schwarze Flügel lagen um den geschmeidigen Körper der Frau, wie ein Mantel und das schmale, asiatische Gesicht hatte einen zufriedenen, menschlichen Ausdruck angenommen.
 

„Du hast deine Sache sehr gut gemacht.“ Die Stimme war überraschend weich.
 

Sina ließ nur ein leises Ächzen hören, drehte sich aber nicht herum. Sie wusste nur zu gut, wer hinter ihr stand.
 

„Das wird ihn eine Weile beschäftigen...“
 

Sina drehte sich nun doch langsam herum und blickte direkt in die Augen der Dämonin. „Unser Handel ist schlicht gewesen. Es war nie die Rede davon, dass ich ein solches Schicksal legen würde, das....“
 

Die Gestalt hob die Hand und brachte damit die Zigeunerin zum Schweigen. „Du wolltest meine Hilfe bei der Suche nach dem Mörder deines Neffen. Ich wollte ein wenig Ablenkung für den Wächter...“, Sina schien sich wieder etwas zu entspannen, als sie vernahm, dass der Deal noch immer zustande kam. Sie stand auf und kehrte der Frau den Rücken. „Ich hätte eine Adresse, an die du dich wenden könntest“... dabei trat die Frau lautlos hinter Sina.
 

Plötzlich plusterte sie ihr Gefieder auf und ihr Gesicht verwandelte sich. Federn sprossen, ein Krähenschnabel fuhr knapp über dem menschlichen Unterkiefer aus der Haut. Sina fuhr herum und ihre Augen nahmen einen panischen Ausdruck an. Doch ehe sie schreien konnte, machte die dämonische Gestalt einen raschen Schritt nach vorne und tötete die Zigeunerin mit einer einzigen, schnellen Bewegung. Ihr Schnabel hatte Sina den Hals von links nach rechts tief aufgeschlitzt. Sinas Körper fiel nach vorne auf den Boden, während ihre Blut und damit auch ihre Lebenskraft die Zeltplane unter ihr tränkte. Die Dämonin verwandelte sich vollständig zurück in eine Krähe, die aus dem Zelt hüpfte und in den Himmel aufstieg.
 

AKT 2
 

Weihnachten 1964

Das Taxi fuhr auf der von Eis und Schnee bedeckten Straße an und zurück blieb ein dunkelhaariger, etwa zehn Jahre alter Junge, der in seinem dunkelblauen Wollmantel mit Schulemblem auf der linken Brustseite, dem Schal in den Schulfarben, der Mütze und den Handschuhen der Kälte zu trotzen versuchte, die ihn seit seiner Ankunft am Bahnhof gepackt hatte. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass er dort unerwartet niemanden angetroffen hatte, der ihn wie gewöhnlich abholte und er eine Stunde lang auf dem Bahnhof herumgestanden hatte.
 

Unschlüssig darüber, was er tun sollte. Zwar waren seine Anweisungen, was er in einem solchen Fall zu tun hatte, ziemlich klar, aber da auch zuhause niemand auf seine telefonische Versuche reagiert hatte, fühlte er sich hilflos. Dazu waren Gefühle der Sorge hinzugekommen, bis ihm die Idee mit dem Taxi gekommen war, in das er sein restliches Taschengeld investieren musste.
 

Jetzt stand er im Gartentor und sah unschlüssig zu dem weiß getünchten Haus mit dem verschneiten Vorgarten, in dem er erst noch in den letzten Ferien bei sommerlichen Temperaturen mit seinen Plastiksoldaten und Kampffliegern Schlachten geflogen war.
 

‚Es gibt sicher eine Erklärung’, beruhigte sich der Junge und ging weiter.
 

Die Sandsteinplatten vor ihm waren stellenweise vereist und rutschig. Er hatte Mühe, mit seinem Gepäck das Gleichgewicht zu wahren und war heilfroh, als er die Treppen erreichte, die zur Haustüre und dem überdachten Vorplatz führten. Drinnen im Warmen stand bestimmt schon eine Tasse heiße Schokolade für ihn bereit und sein Vater oder seine Mutter warteten mit der Erklärung.
 

Mit den Zähnen zog er sich den Wollhandschuh von der rechten Hand und kramte nach dem Hausschlüssel. Er stieß die Tür mit der Schuhspitze auf und zog den Koffer über die Türschwelle.
 

Drinnen war es überraschend kühl und ungewöhnlich ruhig. Von der ungewohnten Atmosphäre stark beeindruckt, unterließ es der Junge nach seinen Eltern zu rufen. Statt dessen stellte er seinen Koffer in der Diele ab, lief über den Flur in das Wohnzimmer, um nach ihnen zu suchen. Kaum war er durch die Tür gegangen, bekam er den zweiten Schock an diesem Tag – in der gewohnten Ecke stand kein Weihnachtsbaum. Aber kein Baum bedeutete kein Weihnachten und das wiederum hieß keine Geschenke.
 

Durcheinander und mit vielen Fragen auf der kleinen Seele, lief er in die Küche. Hier roch es nicht wie gewöhnlich um diese Zeit nach Tee, Keksen oder dem Braten für den Abend. Die Küche war ungemütlich kalt.
 

Wenn niemand hier war, hatten ihn seine Eltern am Ende doch vergessen? Die Panik, die sich bei dem Gedanken breit machte, besiegte die Angst, die Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters gegen all die bekannten Vorschriften – nur zu stören, wenn es sein musste, vorher anzuklopfen, zu warten, bis man ihn hereinrief – aufzureißen.
 

Überrascht stoppte er auf der Schwelle. Sein Vater war doch anwesend und sah missmutig hoch. Der Blick hellte sich schnell auf, als er den Jungen erkannte. Der Junge stellte zwei Dinge fest, die so gut wie unmöglich an seinem Vater waren... nachlässige Kleidung und fehlende Rasur.
 

„Du meine Güte, Rupert... ist heute schon der 24.? Himmel ja,“ sein Vater blickte auf den Kalender an der Wand und rieb sich die Stirn. „Ich habe ganz die Zeit vergessen.“
 

Rupert stand noch immer im Türrahmen und spürte einen dicken Kloß im Hals. Wie konnte man Weihnachten vergessen? Wie konnte man IHN vergessen? Er erwartete keine tröstende Worte oder Umarmung von seinem Vater. Im Gegenteil, es hätte ihn viel mehr irritiert, wenn es die seltene Geste der Zuneigung gegeben hätte, trotzdem fühlte er sich in diesem Moment verloren und hätte gerne einen besseren Grund für das Vergessen gehört.
 

Sein Vater blickte ins Leere und erst nach ein paar Sekunden winkte er Rupert in das Zimmer. „Rupert, es ist etwas passiert. Setz dich bitte.“ Als hätte er das nicht schon geahnt. Die wenigen Schritte zu dem Sessel vor dem Schreibtisch fielen ihm nicht leicht. Vor allem weil die Worte seines Vaters so ernst klangen. Das ungute Gefühl in seinem Magen breitete sich aus. „Deine Mutter und ich... deine Mutter ist vor einer Wochen ausgezogen.“
 

Hatte Rupert den fehlenden Weihnachtsbaum schon als Schock empfunden, so wurde dieser von der ungeschminkten Wahrheit übertroffen. Rupert wollte seinem Vater nicht glauben. Konnte es nicht glauben. „Ausgezogen?“ flüsterte er, als würde er das Wort zum ersten Mal hören. „Du meinst.. sie verbringt Weihnachten nicht mit uns?“
 

Sein Vater schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. „Nicht dieses Jahr. Und ich weiß nicht, ob sie jemals zurückkehren wird.“ Seine Gedanken schweiften ab zu jenen Tag vor zwei Wochen, als sie auf dem Weg in ein Konzert gewesen waren. Sie hatten einen kleinen Umweg gemacht, obwohl seine Frau ihm vorwarf, dass ihm einmal mehr die Arbeit wichtiger war.
 

Dabei war es nichts besonderes gewesen. Er wollte nur etwas überprüfen. Eine Adresse, die man im Rat als Dämonennest gemeldet hatte. Ungefährliche Dämonen – ein Routinevorgang. Doch es war alles anders gekommen. Sie wurden von zwei Dämonen angegriffen und nur der Tatsache, dass er immer eine Waffe bei sich trug, verdankten sie ihr Leben. Das Konzert war ins Wasser gefallen und sie beide hatten den größten Streit ihrer gesamten Ehe gehabt. Eine Woche später war seine Frau dann plötzlich ohne ein weiteres Wort zu verlieren ausgezogen. Aber wie sollte er das dem Jungen erklären, ohne ihm weh zu tun? Was sollte er ihm eines Tages antworten, wenn er wissen wollte, wieso seine Mutter ihn ihm Stich gelassen hatte?
 

Langsam schien der Junge zu begreifen und das Ausmaß der Worte seines Vaters zu verstehen... seine Mutter, die er liebte, die dem Haus Wärme verlieh.. war nicht mehr da. Wer würde ihm jetzt in Zukunft die aufmunternde Briefe ins Internat schicken, wer die Tränen trocknen, wer war für ihn da, wenn er in den Ferien hier zuhause war, während sein Vater ständig unterwegs sein musste? Tränen begannen in seinen Augen zu brennen, die er erfolgreich zurückhielt, da er wusste, dass in den Augen seines Vaters, ein großer, tapferer Junge nicht weinte.
 

“Nun, mein Sohn.. das ist nichts worüber wir verzweifeln müssten. In unserem Leben müssen wir immer wieder Opfer bringen. Auch du wirst das eines Tages erkennen, wenn deine Ausbildung beendet ist.“ Vater setzte ein ernstes Gesicht auf und faltete die Hände über einigen Unterlagen vor sich. Rupert rutschte unangenehm im Sessel hin und her. Er hatte so viele Fragen, aber irgendetwas sagte ihm, dass sein Vater keine beantworten würde. Nicht jetzt. Er hatte bereits vom Thema abgelenkt und zwang den kleinen Jungen die Fragen über seine Mutter, den Grund und ihre Zukunft zurückzustellen, um auf die Worte seines Vaters einzugehen.
 

„Welche Ausbildung?“
 

„Deine Ausbildung zum Wächter.“ Sein Vater sprach die vier Worte aus, als würde davon die Welt abhängen. „Du wirst in Zukunft noch viel mehr lernen müssen, um deinem Erbe, deiner Berufung gerecht zu werden.“
 

„Aber... aber ich möchte doch Kampfpilot werden oder vielleicht Kaufmann,“ sagte Rupert unschuldig und hatte nicht die geringste Vorstellung, was sein Vater meinte.
 

Sein Vater lachte bitter auf. „Ich glaube, daraus wird nichts, mein Sohn. Unsere Familie hat eine lange Tradition in meinem Beruf. Und deine Großmutter und ich werden es ganz sicher nicht dulden, dass unser einziger Erbe anderen Plänen nachgeht. Du siehst.. Verantwortung ist eine sehr harte Sache. Und um Verantwortung wird es ab jetzt immer in deinem Leben gehen...“
 

++++
 

Cleveland. Ratsgebäude.

Gegenwart

Giles blinzelte nervös und unbemerkt. Die Erinnerung hatte ihn ohne Warnung überfallen und völlig aus dem Konzept gebracht.
 

Dabei rechnete er in den letzten Tagen öfters mit Erinnerungen und schlechten Träumen. Seit das Monster in der Stadt war, waren alte Alpträume wieder hoch gekommen, so wie dieser. Weihnachten war von diesem Tag an nie wieder dasselbe Fest gewesen, das er zehn Jahre lang zuvor genossen hatte.
 

Aber nicht nur wegen des Monsters kamen die Gedanken. Den ganzen Stress mit dem Wiederaufbau des Rates hatte er gehörig unterschätzt und es gab stille Momente, in denen er sich fragte wieso er es überhaupt tat. Ob es sich lohnte, ob es ihm jemand danken würde.... In diesen Augenblicken fiel ihm immer wieder die schrecklich langatmige Rede seines Vaters ein, die er damals an ihn gerichtet hatte. Er hätte erklärt, dass es für ihn von jetzt an nur noch wichtig war, zu gehorchen, dass er zu tun hatte, was sein Vater und seine Großmutter für das Beste hielten, dass er Dinge tun musste, die er eigentlich gar nicht tun wollte
 

Internate, eine Fremdsprache nach der anderen, Kampfsporttraining und schließlich die Wächterausbildung. Einen Seufzer konnte Giles gerade noch unterdrücken, als die Gedanken unweigerlich bei seiner Mutter verweilten, die ihn einfach so zurück gelassen hatte, obwohl sie doch wusste, was ihn erwartete. Jahre lang hatte sie an der Seite ihres Mannes gestanden und ihn unterstützt. Sie war ihm die brave Hausfrau gewesen bis ein einschneidendes Erlebnis ihr gesamtes Weltbild und Leben verändert hatte. Aber die Zeiten, als er ihr deswegen Vorwürfe gemacht hatte, waren vorbei...
 

... Giles blickte in die gelangweilten Gesichter vor sich und versuchte sich wieder zu konzentrieren. Was schwer war, angesichts des Themas, das sich um das bestialische Monster drehte und damit unweigerlich um einen Teil seiner Vergangenheit.
 

„Ja, Verantwortung, uhm..,“ versuchte Giles den Faden wieder zu finden. „Eh... wenn es euch also nicht interessiert...“
 

„Doch, doch Giles, fahren Sie nur fort,“ ermutigte Dawn ihn lahm und blickte neben sich zu Andrew. Mit einem Ohr hatte sie gelangweilt Giles Ansprache gelauscht, ohne wirklich zu verstehen, was der Wächter von ihnen wollte. In Gedanken war sie ganz damit beschäftigt, dass sie und Andrew sich wieder versöhnt hatten. Und das war gut so! Sie konnten wieder herumalbern, über die letzten Enterprise-Folgen diskutieren und Captain Archer anhimmeln. Bei dem Gedanken musste sie kichern und hörte Giles entnervt darüber seufzen. Sie mahnte sich zur Ordnung und blickte zurück zu dem Briten. Sie verstand ja, dass er sich Sorgen machte, aber sie alle hatten das Urböse überstanden, da war das hier doch ein Klacks....
 

„Ich glaube ihr versteht nicht.. das Monster dort draußen,“ Giles hatte sich wieder im Griff und sah verärgert die versammelte Gang an. „Es ist gefährlich. Es ist verdammt gefährlich und wenn ihr euch nicht zusammen nehmt, endet einer von euch vielleicht so, wie dieser arme Zigeuner von gestern Morgen.“ Er war lauter geworden, aggressiver und er musste sich selbst zur Ruhe mahnen, als er in Buffys erstauntes Gesicht blickte. „Uhm... ich meine...“
 

„Wir haben Sie schon beim ersten Mal verstanden, Giles,“ beruhigte Kennedy und stand auf. Sie hatte keine Lust den Rest des Tages hier eingesperrt zu verbringen. Es war wohl klüger dem Wächter Recht zu geben, damit die Versammlung schnell ein Ende fand. „Kein Grund auszuflippen. Buffy und ich gehen einfach regelmäßiger auf Patrouille und passen besser auf...“
 

„Ausflippen?“, flüsterte Buffy amüsiert über Kennedys mutige Worte, wurde aber von einem schneidenden „Nein“ von Giles sofort wieder ernst. Der Wächter war Kennedy in den Weg getreten und funkelte die ältere, wenn auch nicht erfahrenere Jägerin an. Die Situation war ungewöhnlich angespannt und keiner aus der Gang konnte sich daran erinnern, Giles in den letzten Monaten so erlebt zu haben. Und dass, obwohl Stress und die Umstände ihn dazu sicher mehr berechtigt hätten, als ein einfacher Dämon, der ein wenig fleißig ans Werk ging.
 

Zu ihrem Glück öffnete sich die Tür und Lily trat ein. „Entschuldigt die Verspätung,“ murmelte sie und setzte sich. „Hat etwas länger gedauert.“ Sie lächelte Giles zu und war bestürzt, als sie seinen angestrengten Gesichtsausdruck sah. Erst jetzt bemerkte sie die gespannte Atmosphäre im Raum. „Ich scheine das Beste verpasst zu haben?“
 

„Giles ist auf hundertachtzig,“ raunte Dawn ihr zu und erntete einen vernichtenden Blick von Giles. Sie zog ihren Kopf ein und schwor sich in den nächsten Minuten nichts mehr zu sagen.
 

Lily nickte Giles aufmunternd zu. Sie wollte nicht noch mehr Öl in das Feuer gießen und ließ ihren Kollegen weiterreden. Einzelheiten erfuhr sie bestimmt später.
 

„Dieses Monster ist nicht nur gefährlich, sondern auch berechnend und aggressiv. Es ist intelligent und schlau. Allerdings wird es von seiner Gier getrieben,“ setzte Giles die Argumentation fort und schloss kurz die Augen, als ihn eine weitere, alte Erinnerung überkam und ...
 

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England 1975

Blaulicht zuckte über die Hauswand und verzerrte die geworfenen Schatten, während der Vollmond den Garten in gespenstiges Licht tauchte. Der junge Giles stand abseits von dem ganzen Treiben und blickte fassungslos den Menschen im Garten zu. Seine Hand.. etwas Warmes, Feuchtes... er wollte nicht nach unten blicken und doch zwang ihn etwas dazu. Blut.. sie waren voller Blut.. sein Hemd.. voller Blut... ihr Blut. Er hörte einen Reisverschluss, der einen Plastiksack schloss und es fröstelte ihn. Dann kamen die Sanitäter mit der Bahre. Sein Blick wanderte von der Bahre mit dem Plastiksack weiter und blieb an der Gestalt seines Vaters hängen, der alt und müde, aber auch anklagend zu ihm herüber sah...
 

Gegenwart

„Giles?“ Buffys besorgte Stimme folgte ein nervöses „Rupert?“ von Lily, das langsam zu dem Briten vordrang.
 

„Was? Oh uhm.. entschuldigt. I-ich war abgelenkt....“
 

“Ach.. und das bei einer Gefahr, die laut Ihnen so gefährlich ist, dass Sie zwei Jägerinnen, die gegen das Urböse gekämpft haben, nicht trauen damit fertig zu werden?“ Buffy klang ein wenig zynisch. Langsam verstand sie wirklich nicht mehr, was mit ihrem ehemaligen Wächter los war. „Und was ist das für ein Monster, wenn Sie darüber schon so gut Bescheid wissen?“
 

„Es ist ein Profil,“ sagte Giles zögernd. „Ich habe noch nichts Konkretes gefunden.“
 

Auf einmal kicherte Andrew unpassend los. „Und alle haben es gesehen?“ platzte es dabei aus ihm heraus.
 

“Ich bin aus der Übung,“ gluckste Dawn.
 

Die plötzliche Stille im Raum machte ihnen beiden bewusst, dass sie von allen angestarrt wurden und wohl etwas zu laut gewesen waren. Andrew lächelte unsicher und Dawn sah nach unten auf ihre Schuhspitzen, in Erwartung einer Zurechtweisung. Schließlich war sie schuld an der Unterbrechung. Aber sie hatte wirklich anderes im Kopf, als sich über einen Dämon den Kopf zu zerbrechen.
 

Da war Shin und die Sache mit Leroy und dem Überfall, gefolgt von ihrer Entscheidung, wann sie wem über sich und ihren neuen Kräften erzählen würde. Zudem hatte Buffy es doch gerade auf den Punkt gebracht – zwei Jägerinnen gegen einen Dämon. Welche Chance sollte das Monster schon haben? Oder sollte sie sich etwas mehr Sorgen machen? Schließlich, sie als geheime Jägerin.. schon alleine bei dem Gedanken, dass sie sich wie eine Geheimagentin betätigen konnte, brachte sie wieder zum kichern.
 

Andrew zog den Kopf ein und blickte nervös zu Giles, dessen Blick unschwer verriet, dass ihm langsam Dawns und Andrews Herumalbern auf die Nerven ging. Seine Chancen, wie es um ihn und seine Eingliederung in die Gruppe stand, konnte er sich an einer Hand ausrechnen. Aber es war einfach zu witzig gewesen, wie Dawn ihm gerade eben davon berichtet hatte, wie sie Mara demonstrieren wollte, wie man Wackelpudding mit den Händen aß, während die halbe Kantine zugesehen hatte und der Pudding überall sonst landete, nur nicht in ihrem Mund.
 

Doch niemand sagte etwas. Schließlich reichten manchmal Blick und schließlich fuhr Giles fort. Ein wenig gereizter.
 

„Ich möchte, dass Dawn nicht alleine nachts unterwegs ist und du und Kennedy, solltet zusammen auf Patrouille gehen.“ Buffy sah entsetzt von Giles zu Kennedy, die selbst nicht begeistert wirkte. Dawn sprang auf.
 

„Hey Giles.. ich bin keine 14 mehr..“
 

„Aber auch keine Jägerin!“ herrschte er sie an. „Und da du und Andrew die Sache wohl nicht ernst genug nehmt, muss man es euch wohl demonstrieren. Es wäre gut, wenn ihr einmal das tun könntet, was ich euch rate. Egal wie alt ihr seid,“ Giles funkelte die Gruppe wütend an, drehte sich dann herum und stürmte einfach aus dem Raum.
 

Alle sahen sich bestürzt und betreten an.
 

„Was war das denn?“ Kennedy ließ sich wieder auf ihren Stuhl zurückfallen.
 

„Was hat Giles?“ Willow sah Buffy und Xander besorgt an.
 

„Keine Ahnung. Er ist so merkwürdig drauf, seit wir gestern Morgen auf dem Festplatz waren,“ gab Buffy zur allgemeinen Erklärung ab und stand auf.
 

„Das ist nicht ganz richtig,“ mischte sich Lily vorsichtig ein. „Er verhält sich ein wenig anders, seit dieses Monster in der Stadt ist.“ Vielleicht war es ganz gut, wenn sie die jungen Erwachsenen mit der Nase auf die Ursache stieß.
 

„Hmm...,“ Buffy sah auf den Boden und auch die anderen wussten nicht, was sie sagen sollten. So richtig war ihnen das gar nicht auf gefallen. „Vielleicht tun wir einfach was er sagt!“
 

„Und das aus Buffys Mund,“ scherzte Xander.
 

„Bis,“ betonte Buffy stark und sah mahnend zu Xander. „Bis wir herausgefunden haben, was mit ihm los ist oder er sich wieder beruhigt hat... ?“
 

++++
 

Clearfield, Pennsylvania

Selber Nachmittag

„Halt an, ich glaube, hier ist es,“ Faith deutete nach vorne auf ein hübsches, gepflegtes Häuschen, das mit seinem frischen, weißen Anstrich, dem kurzen Rasen und dem Volvo in der Einfahrt nicht auf ein Nest Jägerinnen schließen ließ.
 

„Bist du dir sicher,“ Robin fuhr langsamer.
 

„Aber ja, hier steht’s doch,“ Faith wedelte mit ihrem Notizzettel. „Hausnummer 2314.“
 

„Okay,“ Robin trat auf die Bremse. „Hoffentlich ist O’Bailey auch zuhause.“
 

„Wir hätten anrufen sollen,“ ließ Ronah altklug von hinten verlauten.
 

„Überraschungen machen einen Tag doch erst so richtig interessant,“ grinste Faith. „Ich regle das schnell alleine. Er rechnet sicher nicht mit so vielen Leuten.“
 

„Denkst du, du bekommst das hin?“ Robins Worte waren keinesfalls als Kritik gemeint, aber er sah an Faith’ Gesicht sofort, dass sie ihm die Frage übel nahm. „I-ich meine...uhm.. ist schon okay.. bis gleich.“
 

Faith warf ihm einen scharfen Blick zu und sprang durch die geöffnete Türe nach draußen auf den Rasenabschnitt am Straßenrand. Sie hasst es, wenn Robin begann, seinen Wächter gönnerhaft heraushängen zu lassen. Selbst wenn er es nicht so meinte. Er hatte nichts verstanden.
 

Und ja, selbst wenn sie nicht die Diplomatischste war, hatte sie in den letzten Monaten eine Menge dazu gelernt. Da würde sie doch ein verdammtes Buch für Giles entgegennehmen können?
 

++++
 

Cleveland.

Giles Büro

„Was um alles in der Welt ist mir dir los?“ Lily trat in Giles Büro und sah ihn forschend an. Er war blass und wirkte müde. Eben im Konferenzraum, war ihr das nicht so bewusst gewesen. Ihr Blick wanderte missbilligend zu einem leeren Whiskey-Glas und einer Flasche auf seinem Schreibtisch. Giles’ Augen folgte ihrem Blick und er machte ein betretenes Gesicht. Allerdings versuchte er sich nicht mit fadenscheinigen Lügen aus der Situation zu retten. Auch wenn sie ihm peinlich war.
 

Er stellte das Glas in die kleine Spüle im Raum und ließ die halbleere Flasche in seinem Schreibtisch verschwinden.
 

„Was soll ich schon haben?“, fragte er schließlich launisch und beantwortete sich die Frage gleich selbst. „Nichts.“
 

„Nichts? Du fährst deine Freunde da draußen ohne Grund an, bist übermüdet und aggressiv. Du trinkst offensichtlich am helllichten Tag... das letzte Mal habe ich dich vor fast 30 Jahren so erlebt, als deine Mutter... oh, jetzt verstehe ich.“
 

„Das hat damit nichts zu tun,“ er stand auf und ging an Lily vorbei auf den Flur.
 

„Entschuldige, aber ich bin nicht blind. Und was ihr von eurem Fund gestern erzählt habt, lässt manche Schlüsse zu.“
 

Giles blieb stehen und drehte sich zu ihr herum. „I-ich denke nicht, dass es...“
 

„Oh doch, genau das denkst du. Es hat damals genauso angefangen, wie jetzt auch. Du befürchtest, es könnte auch diesmal jemand sterben, der dir wichtig ist. Aber es war damals ein verdammter Zufall. Zweimal wird sich das sicher nicht wiederholen.“
 

„Das weiß man nie mit Bestimmtheit,“ er kam zurück in das Büro, als ihm klar wurde, dass Lily nicht locker lassen würde. „Wieso ist es sonst hier?“
 

“Zufall? Hör auf dich deswegen kaputt zu machen. Das nützt niemanden etwas. Und deine beiden Jägerinnen sind stark genug, um mit diesem Problem fertig zu werden. Uns standen diese Möglichkeiten damals nicht zur Verfügung.“
 

„Vielleicht... vielleicht hast du recht,“ seufzte Giles und starrte vor sich düster hin.
 

„Nein... ich HABE recht,“ lächelte Lily und trat hinter ihn. Ihre Hände lagen plötzlich auf seinem Nacken und nach kurzem Zögern begann sie ihn vorsichtig zu massieren. „Entspann dich.. du bist furchtbar verkrampft.“
 

Giles ließ seinen Kopf kreisen. Die Behandlung tat wirklich gut, aber... es war nicht gut für sie beide. Auch wenn Lily vielleicht keine Hintergedanken hatte. Jetzt war einfach ein schlechter Zeitpunkt. „Ist das ein Wunder?“ Er griff nach hinten und zog ihre Hände weg. Zudem stand noch immer ihr Streit vor einigen Wochen zwischen ihnen.
 

„Eigentlich habe ich mich eher darüber gewundert, dass du nicht schon früher zusammengebrochen bist,“ lächelte Lily enttäuscht über Giles’ Abweisung. „Die Ähnlichkeiten sind frappierend.“ Sie entzog ihm ihre Hände und ging zur Türe.
 

„Warte,“ Giles ging zu seinem Schreibtisch und zog die Schublade auf. Er ignorierte, was Lily gerade gesagt hatte und entnahm der Schublade einen Umschlag.
 

„Was ist das?“ Vom Themenwechsel überrumpelt kam Lily zurück.
 

„Uhm.. eine Entschuldigung,“ Giles reichte ihr den Umschlag. Da er gerade an den Streit gedacht hatte, der sie beide noch immer belastete, wollte er diese Unstimmigkeiten so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Genau genommen musste er sich ja nicht entschuldigen, dachte er trübsinnig, während er Lily ansah. Sie hatte angefangen ihn zu kritisieren, Buffy zu kritisieren... aber kleinlich zu sein, konnte er sich im Moment kaum leisten. Er würde einfach den ersten Schritt machen.
 

„Oh und ich dachte schon an meine Kündigung?“, lachte sie bitter.
 

„Lily bitte,“ stöhnte Giles. „Öffne ihn einfach und schau nach.“
 

Lily verzog ihre Mundwinkel skeptisch und öffnete schließlich den Umschlag. Zwei Karten kamen zum Vorschein. „Konzertkarten?“
 

„Ich dachte, eine Entschuldigung wäre angebracht. Schließlich habe ich dich in diesen ganzen Wiederaufbau mit hineingezogen. Obwohl du nichts anderes tun wolltest, als deine Pferdezucht in Ruhe zu betreiben. Meinungsverschiedenheiten sollten nicht - nun ja.. uhm...“
 

Lily starrte auf die Karten und seufzte. „Eigentlich müsste ich mich bei dir entschuldigen...“
 

„Vergiss es bitte.“
 

„Einverstanden und angenommen,“ Lilys leicht angespannter Gesichtsausdruck wich einem Lächeln. Dann musste sie lachen. „Früher hast du es nicht einmal geschafft, mich ins Kino einzuladen. Ich bin erstaunt. Und erfreut.“
 

„Damals hatte ich nicht einmal Geld, um die Miete zu bezahlen. Allerdings wärst du überrascht, wenn du wüsstest, wie wenig von dem jungen Mann von früher noch existiert.“
 

„Ich bin gerne bereit, es herauszufinden.“ Bei Lilys Worten lächelte Giles verlegen und er wusste für eine Sekunde nicht, was er sagen oder wohin er seinen Blick wenden sollte. Als er wieder zurück zu Lily blickte, lächelte sie ebenfalls und ihre Blicke trafen sich. Viel zu lange hielten sich ihre Augen gefangen. Ehe Giles etwas sagen oder ihr klar machen konnte, dass es besser wäre, wenn sie es nicht herausfände, und alles beim alten blieb, ertönten auf dem Flur Buffys und Willows Stimmen.
 

„Ach da stecken Sie, Giles,“ Buffy warf Lily einen nachdenklichen Blick zu und ging an ihr vorbei in den Raum. Lily zog die Stirn kraus. Sie hatte in den letzten Tagen gespürt, dass Buffys Abneigung gestiegen war. Ganz besonders seit Lilys Rückkehr aus Virginia. Offensichtlich hatte die Jägerin ihre Abwesenheit genutzt, um über ein paar Dinge, Lily betreffend, nachzudenken. Sie konnte sich allerdings nicht erklären, wieso. Außer Rupert hatte mit Buffy über den Streit gesprochen, was sie allerdings bei näherem Nachdenken ausschließen konnte.
 

“Wir machen uns Sorgen,“ fügte Willow hinzu. „O-oder stören wir gerade?“
 

„Oh nein – nur fast,“ brachte Lily Giles etwas in Verlegenheit und nahm ihren Blick nicht von ihm. Er räusperte sich und rieb sich die Schläfe.
 

„Fast?“ Buffy horchte auf und Willow war irritiert.
 

„Es ist nichts...zudem.. mische ich mich etwa in euer Privatleben ein?“, Giles spielte nervös an seiner Brille herum.
 

Buffy grinste ihn ungeniert an. „Soweit ich mich erinnere.. ja und zwar verstärkt in meines. Wenn auch in letzter Zeit stark eingeschränkt. Eine negative Angewohnheit von Wächtern. Aber ich könnte langsam einen gewissen Verdacht bekommen, wenn Sie vorhin nicht so gänzlich neben sich gestanden hätten...“
 

„Es ist nicht so wie du denkst...,“ fiel ihr Giles hastig ins Wort.
 

„Was denke ich denn?“ Buffys Grinsen wurde breiter.
 

Giles verdrehte die Augen und sah hilfesuchend zu Lily. Sie hob die Karten hoch. „Rupert hat mich zu einem Konzert eingeladen...“
 

„Ein Date?“ platzte es aus Willow heraus und Buffy war nun doch erstaunt. Innerlich war sie sogar entsetzt. Was lief hier eigentlich? Waren Giles und Lily nicht verstritten? Und war Giles nicht gerade eben nicht noch.. zu angespannt und zu gereizt gewesen, um in Stimmung für ein Date zu sein?
 

Giles stöhnte und hielt sich eine Hand vor die Augen. Lily war keine Hilfe.
 

„Es wäre nicht das erste,“ gab Lily dem ganzen den Todesstoss. Giles Blick fiel gequält zu Lily.
 

„Konzert?“
 

“Date!”, korrigierte Lily die Jägerin.
 

„Sie und Giles?“, fragte Willow erstaunt. Eigentlich hätte sie es ja wissen müssen. In London waren die Spannungen schon zu spüren gewesen.
 

Lily nickte und Giles Stöhnen ging in ein tiefes, gequältes Geräusch unter, während er nach seiner Brille griff, um sie zu polieren.
 

„Ihr seid darüber erstaunt?“ Lily amüsierte sich bestens über die Situation.
 

„Na ja, Giles und die Frauen...“, setzte Willow vorsichtig an.
 

„Oh, ihr würdet sicher sehr erschüttert sein, wenn ich euch verraten würde, was für ein Frauenheld der jungendliche Rupert war. Schließlich war er es, der mir beibrachte, wie man einen Zungenkuss richtig ...“
 

„Kein weiteres Wort mehr!“ stieß Buffy entsetzt hervor. Jetzt würde sie wieder Tage brauchen, bis sie das Bild von Giles und Sex aus dem Kopf bekam. Dabei.. sie waren inzwischen erwachsen.. sie sollte sich nicht mehr so kindisch aufführen. Schließlich war sie irgendwann auch über die Vorstellung ihrer Mutter und Giles auf einer Motorhaube eines Polizeiwagens hinweggekommen.
 

Willow hingegen grinste bis über beide Ohren.
 

„Schon verstanden.“ Unter einem amüsierten, einen entsetzten und einem aufgebrachten Blick, verließ Lily lachend das Büro und überließ den armen Mann seinen besorgten Freunden.
 

Als Lily gegangen war, standen sich die drei verlegen gegenüber, bis sich Giles endlich räusperte und aufsah. “Nun.. was wolltet ihr von mir?“
 

„Wir machen uns Sorgen.. Sie sehen müde aus,“ erklärte Willow vorsichtig, während Buffy das Waschbecken neben sich inspizierte und anklagend das benutzte Whiskey-Glas hochhob. „Und trinken,“ fügte Willow hastig hinzu.
 

„Keine guten Anzeichen,“ belehrte Buffy. „Sie erinnern sich an einen Vorfall, der sich Eyghon nannte...“
 

Giles winkte ab, setzte seine Brille zurück auf die Nase und sah missmutig zum Fenster hinaus, das den Blick auf einen kleinen Garten freigab. „Das hat damit nichts zu tun.“
 

„Das sagen Sie!“ Buffy legte ihren Kopf leicht zur Seite und sah Giles durchdringend an. „Vielleicht, vielleicht sollten Dawn und ich den Umzug noch um eine Woche verschieben, wenn das jetzt ein schlechter Zeitpunkt ist?“
 

„Auf keinen Fall. Ihr habt schon gepackt und.. nein ihr werdet umziehen. Es hat damit nichts zu tun.“ Erleichterung machte sich auf Buffys Gesicht breit, das sofort in einen panischen Blick umschwenkte. „Meine Güte.. ich habe ganz die Spedition vergessen... sie erwarten einen Anruf von mir.“ Und ehe jemand etwas sagen konnte, war Buffy verschwunden.
 

Wieder senkte sich eine verlegene Stille über den Raum und Willow spielte nervös mit ihren Händen. Sie hatte einen Auftrag von Buffy. Natürlich war ihr nicht wohl dabei. Aber sie hatte es ihrer Freundin versprochen und Versprechen pflegte Willow einzuhalten. Auch wenn das bedeutete, dass sie viel zu neugierige Fragen über den Rat, Lily oder Giles selbst stellen musste. „Also, also...mit was hat es dann zu tun. Ich meine, dass Sie wieder einen auf Mister Geheimnisvoll machen?“
 

Giles zog eine Augenbraue missbilligend in die Höhe und blieb für Willows Gefühl zu lange schweigsam, ehe er den Kopf schüttelte. „Es ist zu kompliziert.“
 

„Dann erklären Sie es mir einfach. Dafür sind wir doch da? Wir haben längst alle begriffen, wie wichtig es für uns ist, wenn wir miteinander reden.“ Willow wurde ungeduldig. Einerseits wollte sie Giles doch nur helfen. So wie er ihr damals nach Taras und Warrens Tod geholfen hatte. Andererseits hatte sie noch immer Buffys Bitte nachzugehen und hier bot sich vielleicht die Gelegenheit. „Ist es der Rat?“
 

„Nein. Es läuft alles bestens,“ konnte Giles mit ruhigem Gewissen zugeben.
 

„Wirklich? Gut...,“ Willow suchte krampfhaft nach einem unverfänglichen Übergang. „Und keine Schwierigkeiten im Sinne von ‚ich habe einen Geist gerufen und bekomme ihn nicht wieder los’?“
 

„Nein, Willow. Wirklich nicht.“
 

„Oh, gut. Uhm... das beruhigt mich, denn diesmal haben wir keinen Angel hier, der als Toter das Gefäß für einen Dämon spielen könnte,“ redete Willow viel zu schnell und viel zu nervös weiter. „Haben Sie etwas übersetzt und herausgefunden, dass uns wieder einmal eine schlimme Katastrophe bevorsteht?“
 

„Auch nicht... uhm, kann es sein, dass deine Fragen einen ganz anderen Hintergrund haben?“
 

„Nein wieso?“, unschuldig blickte Willow auf. „Ich möchte nur als gute Freundin herausfinden, wieso Sie so.. drauf sind. Also ist alles in Ordnung? Keine Wächter, die mit Ihren Vorschlägen nicht einverstanden wären oder Jägerinnen, die auf Ihrer Nase herumtanzen?“
 

„Bis auf Buffy keine,“ lächelte Giles schwach. „Dein Interesse am Fortschritt des Rates war bisher ganz anderer Natur.“
 

„Oh.. ich wollte nur herausfinden, was mit Ihnen los ist,“ wiederholte Willow lahm und wusste, dass Giles ihr das nicht mehr länger abkaufen würde. Aber ihr fiel einfach nichts besseres ein. Ihr Herz pochte wild und sie verwünschte Buffy für ihre Spionageidee. „Dann lass ich Sie lieber mal alleine.“ Sie wollte nicht noch mehr Giles’ Misstrauen wecken und wartete erst gar keine Antwort ab, als sie den Rückzug antrat.
 

++++
 

Clearfield, Pennsylvania

Selbe Zeit

„Ja?“ Die Stimme einer Frau drang gedämpft durch die Türe zu Faith, die nervös auf der Veranda stand und schon geglaubt hatte, dass ihr niemand mehr öffnen würde.
 

„Hier ist Faith. Hier draußen,“ sie sah zum Bus zurück. Vielleicht hatte Robin ja doch recht gehabt und er hätte es besser erledigt. „Ich wollte zu Mr. O’Bailey. Etwas abholen.“
 

Die Türe wurde geöffnet, jedoch stand noch eine geschlossene Fliegengittertüre zwischen Faith und der Frau Ende vierzig, die mit ihren zu einem Pferdeschwanz zurückgebundenen Haaren, den Jeans und der unter der Brust geknoteten Bluse jünger wirkte. Doch ihre Falten um die Augen und der leichte Grauschimmer im Haar täuschten Faith nicht besonders.
 

„Faith..,“ überlegte die Frau, doch dann erhellte sich ihr Gesicht. „Ah ja, die Jägerin, die uns Mister Giles angekündigt hat.“ Faith nickte und die Frau öffnete von ihrer Seite aus das Fliegengitter. „Kommen Sie herein, Miss. Ich bin Lisha O’Bailey. Seine Frau.“
 

„Aha,“ Faith trat ein und war wirklich angenehm überrascht, dass man ihr so viel Reife zugestand, um sie so höflich anzusprechen. Darüber fast schon amüsiert folgte sie Mrs. O’Bailey über einen kleinen, aber hellen und freundlichen Flur in ein einladendes Wohnzimmer, von welchem aus man einen wundervollen Blick in einen zugewachsenen Garten hatte. Ein paar Mädchen waren draußen in Trainingskleidung und übten eine Kampfsportart.
 

„Wenn Sie sich bitte setzen wollen?“ Die Frau zeigte zur Sitzgruppe und deutete dann in den Garten. „Ich hole Kieran. Er ist draußen.“
 

Faith nickte zustimmend und sah der Frau hinterher, die durch eine Schiebetüre ins Freie hinaustrat.
 

++++
 

Cleveland

Ratsgebäude

Buffy legte gerade mit erleichtertem Gesichtsausdruck den Hörer im Konferenzraum auf, als die Türklingel ertönte. Die Termine waren alle bestätigt, und dem Umzug stand nichts mehr im Weg.
 

Mit gerunzelter Stirn sah sie zur Tür. Wer konnte das sein? Jetzt, wo sie den Kopf sowieso mit allem möglichen voll hatte, - der Umzug, ein bestialisches Monster, Giles, der sich merkwürdig verhielt -, da kam ein ungebetener Gast nicht sehr gelegen.
 

Erneut läutete es, als Willow gerade zurückkehrte, mit der Absicht, mit Buffy über ihr Gespräch mit Giles zu reden. Das ungewohnte Geräusch im Gebäude erklang ein drittes Mal und die beiden Freundinnen sahen sich überrascht an. Schließlich siegte die Neugier und Buffy ging nach vorne zum Haupteingang, um nachzusehen. Willow folgte ihr.
 

„Sie?“ Überraschung spiegelte sich in Buffys Gesicht, als sie auf der Türschwelle den jungen Polizisten von gestern Morgen stehen sah.
 

„Detective Delaney,“ überging der Mann Buffys Überraschung diensteifrig und hielt ihr seinen Ausweis unter die Nase. „Patrick Delaney.“
 

„Und?“
 

„Ich hätte ein paar Fragen an Sie?“ Er wollte einen Schritt nach vorne machen, doch Buffy bliebt wo sie war, und zog die Türe etwas zu, damit er nicht ins Innere blicken konnte.
 

“Und?“ Buffys Ruhe blieb oberflächlich bestehen, innerlich machte sich ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen breit und sie mahnte sich zur Vorsicht. Hinter sich hörte sie Willow, aber um dem Polizisten keine weiteren Grundlagen für Fragen zu liefern, sah sie nicht hinter sich.
 

„Ich schätze, das heißt, ich darf nicht eintreten?“ Delaney hob eine Augenbraue und zog sein Notizblock hervor. Buffy schüttelte langsam den Kopf. „Nun... auch recht.. es ist ein herrlich kalter Novembermorgen und meine 30 Dollar Jacke wird mich schon vor einer Erkältung schützen.“ Buffys Miene blieb unverändert. „Ich hätte nur ein paar Fragen wegen gestern Morgen.“
 

„Und?“
 

„Habe nur ich das Gefühl oder ist unsere Unterhaltung recht einseitig?“ Delaney kratzte sich mit dem Kugelschreiber am Kopf.
 

„Fragen Sie schon endlich. Ich habe nicht alle Zeit der Welt.“ Buffy klang unfreundlich, aber das war ihre Absicht. Sie hatte noch so einiges für den Umzug vorzubereiten. Dawn wartete mit den letzten Kartons und sie wollte bis heute Abend alles fertig haben, damit morgen der Umzug reibungslos ablaufen konnte.
 

Unbeeindruckt von ihrer Schroffheit fuhr er fort: „Was hatten Sie dort zu suchen?“
 

„Einen Freund.“
 

„Name?“
 

„Buffy Summers.“
 

„Nein, der Ihres Freundes.“ Ein wenig schien Delaney die Geduld zu verlieren.
 

„Rupert Giles,“ sagte Buffy verärgert darüber, dass sie Delaney unfreiwillig und dummerweise mehr Informationen gegeben hatte, als er wollte. Wobei.. vielleicht wusste er schon längst wer sie war. Sonst wäre er ja nicht hier.
 

„Ihm gehört das Haus hier?“
 

„Ja. Und?“
 

„Was hatte dieser Mister Giles auf dem Jahrmarkt zu schaffen?“
 

„Er ließ sich die Karten legen.“
 

„Von einer Sina? Der Wahrsagerin?“ Buffy nickte. „Da wären wir doch gleich beim Punkt .. es ist merkwürdig, dass so kurz nach Ihrem Auftauchen ein zweiter Mord geschehen ist. Die Kartenlegerin.“
 

Nun war es mit Buffys Ruhe vorbei. Sie sah den Mann fassungslos an und ihr Mund fühlte sich trocken an. Nervös spielte ihre Hand in der Innenseite der Tür am Knauf. Hoffentlich hatte sie mit ihren Antworten nicht Giles in eine Notlage gebracht. Hoffentlich hatte Giles nicht etwas damit zu tun und war deshalb so merkwürdig drauf! „Das... das wussten wir nicht.“
 

„Wir haben es noch nicht für die Presse bekannt gegeben,“ er notierte sich etwas. „Waren Sie mit dieser,“ er blickt auf seinen Notizblock. „Sina bekannt?“
 

„Nein, nein,“ bekräftigte Buffy. „Wir haben sie zufällig kenngelernt.“
 

„Gerade eben sagten Sie noch, Mister Giles wäre dort mit Absicht gewesen.“
 

„Ja, aber was hat das damit zu tun? Wir kannten sie vorher nicht.“
 

„Verstehe.. ist Mister Giles da.“
 

„Nein,“ sagte Buffy eine Spur zu hastig, wie sie am Gesichtsausdruck des Polizisten feststellen konnte.
 

Delaney notierte sich erneut ein paar Dinge und schien nachzudenken. Offensichtlich wechselte er die Taktik, denn seine Fragen gingen in eine neue Richtung. „Und... was tun Sie so den ganzen Tag? Mit diesem großen Gebäude? Es war früher einmal eine kleine Baptistenkirche...“
 

„Ach wirklich?“ Buffy kam in Erklärungsnot. Delaney nickte. „Wir wohnen hier.“
 

„Wir?“
 

„Ich.“
 

„Sie und dieser Mister Giles? Laut Unterlagen sind sie nicht miteinander verwandt. Wie alt sind Sie eigentlich? Anfang zwanzig? Mister Giles ist laut meinen Akten...,“ er warf einen Blick auf seine Notizen.
 

„Auch wenn ich nicht wüsste, was Sie das angeht: Nein, auf keinen Fall!!!" Unterbrach ihn Buffy entsetzt, als sie bemerkte auf was er hinaus wollte. „Wie haben Sie uns überhaupt gefunden?“
 

Der Polizist bedachte sie mit einem recht fragwürdigen Blick, räusperte sich dann jedoch und gab ihr die Erklärung. „Ich habe einen Beamten angewiesen,“ er zeigte zur Strasse. Ein Streifenwagen parkte etwas weiter untern auf der gegenüber liegenden Seite, „Sie zu verfolgen, wenn Sie den Jahrmarkt verlassen.“
 

„Das ist ja die Höhe.. wir haben überhaupt nichts getan. Und wenn Sie etwas anderes von uns denken würden, wären Sie sicher mit einem Durchsuchungsbefehlt oder Haftbefehl oder was-weiß-ich gekommen....“ Langsam wurde Buffy wirklich sauer auf diesen steifen jungen Mann, der sicher nur seinen Job tat und sich dabei an Vorschriften hielt. Aber Buffy war es dank Sunnydale gewohnt, dass sich die Behörden meist aus abartigen Fällen heraushielten. Das hier war Neuland für sie.
 

„Sie schauen zu viele Serien.“
 

“Das ist Andrews Fachgebiet,“ murmelte Buffy geistesabwesend.
 

„Wie...“
 

„Vergessen Sie es.“
 

„Ich denke, für den Anfang habe ich alles,“ murmelte Delaney, steckte seinen Notizblock und Stift wieder ein. „Wir hören sicher noch voneinander.“ Delaney schien trotz seiner steifen und diensteifrigen Haltung sehr erleichtert darüber zu sein, dass ihm Miss Summers nicht gleich den Kopf abgerissen hatte und zog sich eilig zurück.
 

„Ich kann gerne darauf verzichten,“ murmelte Buffy, während sie dem Mann hinterher blickte.
 

Er würde Ärger bedeuten. Da war sich Buffy ganz sicher.
 

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Clearfield, Pennsylvania

Selbe Zeit

Faith war ein wenig durch den Raum gewandert und besah sich die Fotografien auf dem Kaminsims, die beide O’Baileys in glücklichen Zeiten zeigten. Faith kannte nicht viele Wächter und die meisten davon waren unverheiratet gewesen. Aber sicher war das Ehepaar nichts Ungewöhnliches. Schließlich waren die meisten Wächter Sprösslinge aus Wächterfamilien. Trotzdem befremdete es Faith ein wenig.
 

„Faith?“ Die mit einem weichen irischen Akzent untermalte Stimme, ließ sie ertappt herumfahren. Sie wollte nicht neugierig wirken. Aber dazu war es wohl schon zu spät. O’Bailey stand mit einem Lächeln in der Schiebetüre und wischte sich mit einem Handtuch über das Gesicht. Das lichte, graue Haar und die vielen, kleinen Lachfältchen in seinem Gesicht, ließen vermuten, dass er ein Stückchen älter war als Mrs. O’Bailey. „Ich habe gerade die Mädchen etwas trainiert.“ Er seufzte. „Knochenharte Arbeit. In meinem Alter denkt man fast schon an ruhigere Jahre und dann so etwas. Ich glaube das hat kein arbeitender Mensch verdient.“
 

Faith lächelte höflich und schluckte ein paar Bemerkungen herunter, die O’Bailey ziemlich deutlich gemacht hätten, dass er aufhören sollte, zu jammern. Sie und der Rest, einschließlich Giles und Buffy hatten viel Schlimmeres durchgemacht. Und sie hatten vor allem mehr Mädchen zum Trainieren gehabt, die alle keine Jägerinnen waren. Er hatte dagegen einen lockeren Job, musste sie nur formen und in die richtige Bahnen lenken. Ohne sie hätte er wahrscheinlich gar keinen Job mehr.
 

„Das Buch,“ fing sie stattdessen ungeduldig an. Sie wollte hier nicht zu einem Kaffeekränzchen und wenn das Buch so wichtig war, wollte sie es so schnell wie möglich in Giles Händen wissen.
 

„Sicher,“ O’Bailey legte das Handtuch zur Seite und kam in den Raum. „Ganz wie man dich immer beschrieben hatte. Direkt, ungeduldig…“
 

Faith blinzelte erstaunt ehe ihr einfiel, dass sie es hier mit einem „richtigen“ Wächter zu tun hatte. Keinen Jungspund, der seine Ernennung den Umständen verdankte. Der Mann wusste sicher jedes Detail über sie und das gefiel ihr nicht. Ihr Gesichtsausdruck wurde härter.
 

„Na ja, die Zeiten haben sich geändert. Unter anderen Umständen hätte wohl ein Anruf von mir genügt, um dich aus dem Verkehr zu ziehen. Heute,“ O’Bailey zuckte mit den Schultern und ging zu einem Schreibtisch in einer Ecke, „haben andere das Sagen. Meinungen wie meine zählen nicht mehr viel.“ Etwas klirrte leise, als der Wächter einen Schlüssel aus einer Schublade nahm.
 

Faith schwieg. Wenn auch nur mit knirschenden Zähnen. Sobald sie das Buch hatte, würde sie so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ihre innere Wut auf diesen Mann stieg von Sekunde zu Sekunde. Alleine der Gedanke daran, beweisen zu müssen, dass sie längst nicht mehr DIESE Faith war, von der er sprach, bewirkte, dass sich Faith auf geballte Fäuste beschränkte. Ja, sie war noch launisch, auch stürmisch und ungeduldig. Aber die neue Faith in ihr hatte so vieles dazu gelernt – was es bedeutete für andere Verantwortung zu übernehmen. O’Bailey wusste ja nicht, was er da redete.
 

Der Wächter hatte inzwischen ein Bild von der Wand abgenommen und dahinter kam ein Safe zum Vorschein. Der Schlüssel wurde ins Schloss geführt, etwas klickte und O’Bailey öffnete die Türe. „So, da hätten wir es.“ Er nahm ein großes, ledergebundenes Buch heraus. Es schien in bester Verfassung zu sein und Faith stieß erleichtert die Luft aus. „Bitte schön.“ Er reichte es ihr und Faith legte vorsichtig ihre Hände darum.
 

„Leute wie Rupert Giles sind viel zu leichtgläubig,“ fuhr O’Bailey fort und ließ das Buch nicht los. „Hätte er nicht angerufen, hätte ich dich nicht einmal bis auf die Veranda gelassen. Wer einmal daneben tritt, wird es immer wieder tun.“
 

„Wenn Sie meinen,“ murmelte Faith, deren Wut von einer Art Verzweiflung abgelöst worden war. Verzweiflung darüber, dass sie doch nicht so schnell ihrer Vergangenheit entfliehen konnte. Mit Buffys Feindseligkeit oder Ablehnung von Giles’ Seite hätte sie leben können, aber diesem Mann hier hatte sie nie etwas getan. Er sprach nur vom Hörensagen und trotzdem lehnte er sie ab, wobei er sie nicht einmal näher kannte. Aber es tat weh, auch wenn Faith es sich nicht eingestehen wollte. „Uhm, danke,“ fügte sie hinzu, als O’Bailey das Buch endlich los ließ. Sie hielt sich nicht länger auf, murmelte eine Verabschiedung und floh in den Bus. Robin hatte einen fragenden Blick für sie übrig, den sie aber gekonnt ignorierte, das Buch stolz auf den Tisch legte und knapp „Fahr los,“ befehligte.
 

….
 

„Ein nettes Mädchen,“ sagte die Stimme von Lisha O’Bailey über Keirans Schulter hinweg, der mit düsterem Blick hinter der Fliegengittertüre stand und dem weiterfahrenden Bus nachsah.
 

„Die Zukunft wird es beweisen müssen,“ sagte er zu Lishas Verwirrung und starrte auf die Bremslichter, als der Bus an der Kreuzung hielt und nach links abbog.
 

++++
 

Cleveland

Friedhof

In der Nacht

Officer Malone rutschte im Fahrersitz unruhig hin und her. Die blonde junge Frau, die er beschatten sollte, war auf diesem Friedhof verschwunden. Vor einer halben Stunde. Er war sich unsicher darüber, ob er ihr folgen sollte oder nicht.
 

Er warf einen raschen Blick auf die Akte neben sich. „Buffy Summers“ stand handschriftlich darauf und darin befanden sich wenige, bedruckte Blätter. Sie war in L.A. geboren und zur Schule gegangen. Ihre Eltern waren geschieden, ihre Mutter vor drei Jahren verstorben. Eine kleine Schwester befand sich in ihrer Obhut. Von LA. aus waren sie nach Sunnydale gezogen. Einer Stadt, die nicht mehr existierte. Es war ihnen im Revier ein Rätsel, wie sie dem Einsturz entkommen waren.
 

Delaney war misstrauisch geworden und die Befehle waren eindeutig. Nur konnte keiner ahnen, dass die junge Lady nachts auf Friedhöfe ging. Vielleicht gehörte sie zu jenen Gruppen, die schwarze Messen abhielten oder Friedhöfe schändeten.. also genug Gründe auszusteigen, um nach dem Rechten zu sehen. Malone biss in den letzten Donut, dessen Zuckerhaube seine Lippen einstaubte, ohne das es ihn gestört hätte, und stieg mit einer Stablampe in der Hand aus. Er knipste sie ein und schritt auf das Gatter zu.
 

Den großen, unförmigen Schatten, der sich auf der anderen Straßenseite über die Hausfront schob, bemerkte Malone dabei nicht.
 

Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Malone, als er den Friedhof betrat. Es gefiel ihm nicht, aber er musste es wohl „Angst“ nennen. Die Lampe wanderte zwischen den Schatten hindurch, aber er sah niemanden, noch hörte er etwas. Vielleicht ging er doch lieber zurück zum Wagen, meldete sich über Funk und gab den Stand der Dinge durch. Vielleicht durfte er früher Feierabend machen und kam doch noch zu einer Pizza von „Lorenzo“ und zu seiner Aufzeichnung des Footballspiels von gestern.
 

Ein plötzliches Geräusch hinter ihm, ließ ihn herumfahren. Ein Rascheln. Doch da war nichts zu sehen, als er die Lampe in die Richtung schwenkte. Allerdings war es seine Pflicht, genauer nachzusehen. Vielleicht war es nur eine Katze gewesen, beruhigt ihn sein Verstand.
 

Er verließ den gepflasterten und beleuchteten Weg und näherte sich dem Gebüsch, das die Steinmauer auf der Innenseite verdeckte. Er hörte das Rascheln erneut und richtete den Lichtstrahl auf die Äste und Blätter.
 

Eine Katze sprang hervor und Malone atmete erleichtert auf. Er war über vierzig und verhielt sich gerade wie ein verängstigtes Kind. Davon würde er seinen Kollegen bestimmt nichts erzählen. Sie würden sich nur lustig machen.
 

Malone wandte sich herum, um zurück zum Hauptweg zu gehen, als ihn ein großer, massiger Schatten ansprang und unter sich begrub. Sein erschrockener Aufschrei ging in ein gurgelndes Geräusch über, als das Monster seine Kehle zerfetzte und die Nacht einmal mehr von reißendem Stoff und Fleisch erfüllt wurde.
 

++++
 

AKT 3
 

Cleveland, Giles Wohnung

nächster Morgen

“Vorsichtig mit dem Karton,“ rief Buffy besorgt die Treppe nach unten, als Unheil verkündende Geräusche aus dem Flur nach oben drangen.
 

“Und wenn es geht, eine Spur leiser,“ Giles blickte auf seinem Weg in die Küche verstimmt in Buffys Richtung. Buffy lächelte nachsichtig, doch der sorgenvolle Ausdruck wurde damit nicht völlig verscheucht. Giles war unrasiert und recht nachlässig gekleidet. Fast so, als habe er in seinen Sachen geschlafen. Erneut musste sie an die Ereignisse vor fast sechs Jahren denken. Erschreckende Ähnlichkeiten. Einmal mehr dachte sie auch über die Neuigkeiten von gestern nach – die tote Wahrsagerin. Aber sie wollte nicht weiter darüber grübeln, ob Giles damit vielleicht etwas zu tun haben könnte. Das war doch absurd. Giles würde niemals einen Menschen töten.
 

„Wir machen das nicht zum ersten Mal,“ rief Xander fröhlich nach oben und unterbrach Buffys Nachdenken. Das Scheppern, das folgte, rief einen panischen Ausdruck auf Buffys Gesicht. „Ist nichts passiert... war nur ne alte Vase hier unten.“
 

„Weiß, blau?“ tauchte entsetzt Giles neben Buffy auf.
 

„Eh ja,“ rief Andrews Stimme.
 

„Können wir sicher wieder kleben,“ fügte Xander hinzu.
 

„Ming Dynastie,“ flüsterte Giles an der Schwelle zu einer kleinen, männlichen Hysterie. „Kleben...,“ verdrehte er die Augen und bekam von Buffy einen verständnisvollen Blick voller Mitleid zugeworfen, der wohl eher Ausdruck ihrer eigenen Erleichterung darüber war, dass ihrem Kartoninhalt nichts passiert war. Was Giles jedoch nicht auffiel, war der musternde Blick mit dem Buffy an Giles hoch und runter sah. Ja, er hatte ganz sicher gestern Abend zu viel getrunken oder nicht geschlafen.
 

„Der Letzte,“ stöhnte Dawn, die mit Willow einen Karton zur Treppe trug. „Geschafft,“ seufzte Dawn und schob den Karton an den Treppenabsatz. „Das dürfen dann Xander und Andrew nach unten schleppen.“
 

„Eigentlich wüsste ich gerne, für was wir zwei stark Jägerinnen hier haben,“ grinste Willow, sah aber vorwurfsvoll in die Küche, wo sich Kennedy gerade eine Wurstscheibe in den Mund schob, die sie zuvor aus Giles Kühlschrank entführt hatte.
 

„Wir müssen uns erholen,“ erklärte sie mit vollem Mund. „Und stärken. Wir haben gestern Nacht eine doppelte Schicht geschoben.“
 

„Wobei ich mich auch noch an einem Cop vorbeischummeln musste,“ ergänzte Buffy und gähnte unbewusst, bei der Erwähnung „erholen“.
 

„Polizei?“ Giles zog die Augenbrauen zusammen.
 

„Oh, haben wir vergessen, das zu erwähnen? Gestern Mittag war einer der Polizisten hier, der vorgestern am Tatort war. Sie wissen schon? Der uns verscheucht hatte?“, versuchte Buffy Giles Erinnerung aufzufrischen.
 

„Und er war hier?“ Giles war entsetzt und die Vorstellung, dass sie hier öfters Besuch von Polizisten bekommen könnten, gefiel ihm nicht. Sunnydale war groß gewesen, aber die Menschen hatten nie viel Fragen gestellt. Cleveland war ein neuer Spielplatz – sie würden wohl damit anfangen müssen, wieder zu den alten Vorsichtsmassnahmen zurückzukehren.
 

„Ja, und stellte jede Menge unangenehme Fragen,“ beendete Willow die kurze Erklärung.
 

Es gab keinen Grund zur Panik. Hier im Gebäude befand sich nichts, was die Polizei finden könnte, außer einer kleinen Buchsammlung mit einem interessanten Wahlthema. Aber das würde sie sicher noch lange nicht zu Verdächtigen machen und schon gar nicht, wenn sie Alibis hatten. Hatten sie doch? Giles Kopf brummte und das Nachdenken fiel schwer.
 

“Oh...,“ Buffy schimpfte sich selbst einen gedankenlosen Menschen, als ihr einfiel, dass Giles noch gar nichts von dem Mord wusste. „Er sagte uns auch, dass die Wahrsagerin ermordet wurde. Kurz nachdem wir den Jahrmarkt verließen.“
 

„W-was?“ Giles sah sie schockiert an. Seine Gedanken überschlugen sich, wanderten zurück zu der Todeskarte und den Worten der Zigeunerin. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
 

„Er scheint uns im Auge zu haben. Als Verdächtige. Aber so schnell wird er schon nicht wieder hier auftauchen. Dafür war ich zu charmant,“ grinste Buffy.
 

„Ich wäre mir da nicht so sicher.“
 

Alle zuckten zusammen, als die fremde Stimme auf der Treppe erklang. Delaney stand auf der Mitte des Aufganges und wirkte weniger amüsiert.
 

„Oh, wenn man vom Teufel spricht,“ Buffy verdrehte die Augen. „Haben Sie noch immer nicht genug von ihren Columbo-Spielchen? Hören Sie zu, egal was da.. eh wer da draußen umher geht und Leute tötet.. wir haben sicher nichts damit zu tun.“
 

„Sagen das nicht alle?“ Delaney sah sie eindringlich an.
 

„Ich weiß nicht! Ich habe keine große Berufserfahrung als Serienkiller,“ sagte Buffy herausfordernd und in ihren Augen blitzte es gefährlich. „Aber vielleicht haben Sie Lust uns zu sagen, was Sie jetzt schon wieder wollen? Ist Ihnen doch noch eine kluge Frage eingefallen?“
 

„Sie erinnern sich an den Beamten vor Ihrer Tür? Nun, sein Wagen wurde auf dem Parkplatz eines Friedhofes gefunden. Er selbst lag im Gebüsch. Zerfetzt. Ich bezweifle, dass Ihnen etwas dazu einfällt?“ Delaney zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Buffy war schockiert und sie konnte nicht verhindern, dass ihr Gesichtsausdruck sie verriet. Natürlich war sie über das weitere Opfer bestürzt, aber mehr noch war sie darüber überrascht, dass sie den Polizisten nicht abgehängt hatte. Sie hatte sich in falscher Sicherheit gewogen.
 

‚Wir werden vorsichtiger sein müssen,’ dachte sie und schenkte Delaney ein breites Lächeln, mit dem sie hoffte, ihn für sich zu gewinnen. „Bin ich jetzt verhaftet?“
 

+++
 

Motelzimmer

später Nachmittag.

Der Stadtplan von Cleveland lag vor Ethan auf dem Motelboden. Eine rote Stecknadel markierte eine Stelle, die von Ethan zusätzlich eingekreist worden war. Weitere Stecknadeln hatte er verstreut auf der Karte angebracht. Jede stand für einen möglichen Aufenthaltstort von Rupert und seiner Jägerin. Er hatte zwar die Adresse bekommen, aber auch die verwirrende Information, dass die Stadt mehr als eine Jägerin beherbergte. Ihm war zwar bekannt, was in Sunnydale geschehen war, aber nicht die Einzelheiten. Darum wollte Ethan alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und nichts dem Zufall überlassen.
 

Um die Karte herum standen kleine Teelichter. Sie symbolisierten den Kreis, die Grenze, die er mit seinem Zauber aussprechen würde, um alles innerhalb des Kreisradius zu erfassen. Noch brannten sie nicht. Noch war er nicht mit den Vorbereitungen fertig. Er stand auf und griff in einen der Kartons, die auf seinem Bett standen. Ein großes, breites Ritualmesser kam zum Vorschein....
 

+++
 

Buffys und Dawns neue Wohnung

früher Abend

“Das nächste Mal, wenn wir zu einem Verhör müssen, erinnert mich daran meinen Anwalt anzurufen.“ Xander stieß aufgebacht die Türe zu Buffys und Dawns kleiner aber neuer Wohnung auf. Er sah müde und abgekämpft aus. Aber auch aufgebracht und wütend.
 

„Du hast einen Anwalt?“ Buffy klang ungläubig, als sie hinter ihm eintrat und ebenfalls nicht sehr glücklich aussah. Beide hatten keinen Blick für den schönen Sonnenuntergang, dessen tiefrote Farbe durch die Wohnzimmerfenster fiel und der Wohnung einen besonders schönen, warmen Ton verlieh.
 

„Firmenanwalt. Kostet nicht viel, außer einem kleinen Sonderbreitag, der vom Lohn abgezogen wird. Ist eine gute Einrichtung.“ Er ließ den Karton auf den Boden plumpsen. Buffy schob ihre Kiste obendrauf. „Und wie man sieht, kann man das immer mal gebrauchen. Wir wären sicher nicht so lange dort gewesen.“
 

Dawn, Willow und Kennedy schleppten hinter ihnen weitere Kartons und Körbe herein, während Andrew mit zwei Koffern bestückt als letztes in die Wohnung kam.
 

“Genaugenommen haben sie ja nur unsere Alibis überprüft. Und daran kann man nichts rütteln. Und Giles versucht, zusammen mit Lily jetzt mehr über dieses Wesen herauszufinden, damit wir dem Ganzen ein Ende setzen können.“
 

“Selbst wenn.. glaubst du der Polizist lässt uns noch einmal aus den Augen? Der hält uns doch nicht für koscher.“ Xander ließ sich auf die neue Couch der beiden jungen Summers fallen.
 

„Wäre das nicht ein Fall für Prue,“ grinste Dawn und Andrew kicherte.
 

„Das muss ich jetzt nicht verstehen oder?“ Irritiert sah Buffy die beiden an.
 

Xander mischte sich grinsend ein. „Nicht so wichtig.. und überhaupt ich stehe nicht auf männliche Polizisten,“ sagte er todernst in Dawns und Andrews Richtung. „Das sollten Phoebe und Piper aber wissen. Ich bin eine männliche Ausgabe von Prue.“
 

„Ja, aber nur in der Realität. In der Rollenverteilung…“
 

„Hey.. könnten wir uns mal wieder konzentrieren?“ Mischte sich Kennedy genervt ein und unterbrach Andrew. „Ich finde es ja immer wieder toll, wenn ihr euch so großartig versteht, aber hier geht es um Giles!“
 

Betreten schwiegen die drei und beschlossen für sich wenigstens ein paar Minuten still zu sein. Buffy nickte. „Kennedy hat recht,“ ‚und ich glaubte, ich würde niemals diese Worte über die Lippen bringen’. „Bleiben wir beim Thema und hoffen auf die Recherche.“
 

„Hoffentlich findet er etwas. Es macht mich langsam nervös,“ meinte Ken knapp und stellte ihren Korb zu den restlichen Umzugskartons.
 

“Das Monster oder Giles,“ scherzte Dawn und bekam von Buffy einen bösen Blick zugeworfen, der sie zwang nichts mehr weiter dazu zu sagen. ‚Mist.. ich hab es nicht einmal eine halbe Minuten geschafft meine Klappe zu halten,’ seufzte Dawn in Gedanken.
 

„Beides,“ gab Ken unverfroren zu. „Er ist merkwürdig drauf. Das müsst ihr zugeben und ich habe das Gefühl, er weiß mehr, als er uns glauben lässt. Habt ihr ihn schon mal so erlebt?“ Sie sah zwischen den anderen hin und her. Willow nickte langsam und Xander seufzte.
 

„Ja, es gab schon einmal ähnliche Ausfälle,“ gab Buffy zu. „Eyghon. Ein Dämon, den er erschaffen hatte. Also, als er noch jünger war. Mit Freunden. Ich hoffe nur, dass es diesmal etwas anderes ist. Probleme mit dem Rat, mit Jägerinnen...“.
 

„Damals trank er, war unkonzentriert, unzuverlässig,“ zählte Xander die unschönen Erinnerung an diesen Giles von damals auf.
 

„Oh, ich habe ihn gestern auch trinken sehen. Mehr als sonst,“ fügte Dawn hinzu und sah ihre Freunde und dann Buffy besorgt an. „Ich glaube, das ist kein gutes Zeichen?“
 

„Mehr als sonst?“ Verwirrt blickte Xander Dawn an, die aber den Kopf schüttelte. Sie wollte hören, was Buffy plante, um der Sache auf den Grund zu gehen, anstatt über Giles Art mit Stresssituationen umzugehen, zu reden. London war nicht nur ein kultureller Trip gewesen. Sie hatte die Möglichkeit gehabt, viel mehr Seiten von Giles und Willow kennen zu lernen, als ihr vielleicht lieb waren. Wobei.. die von Willow hatte sie ja größtenteils sowieso schon gekannt. Immerhin hatten sie sich lange ein Haus geteilt.
 

„Hm.. das bedeutet, Alarmstufe Rot,“ meinte Buffy düster und sah vor allem ihre beiden besten Freunde ernst an. Sie wussten nur zu gut, was passieren konnte, wenn Giles Dinge vor ihnen verheimlichte.
 

+++
 

Cleveland, unterwegs

nächster Tag, später Nachmittag

Dawn radelte wie eine Wilde über die Straße. Der Wind zerzauste ihr Haar, das unter dem Helm hervorlugte und vor Anstrengung waren ihre Wangen gerötet. Ihr war heiß und die eingebrochene spät herbstliche Kälte spürte sie kaum noch.
 

Shin hatte alle Mühe ihr zu folgen. Ein leiser Verdacht drängte sich ihm auf – Dawn versuchte vor einem Gespräch mit ihm zu fliehen. Schon seit Tagen.
 

“Hey... Dawn.. warte doch,“ keuchte er und schrie gegen den Straßenlärm an. Dawn wurde nicht langsamer und Shin gab sich alle Mühe, bis er völlig außer Atem Dawn erreichte. „Puh.. ich hätte nie gedacht, dass so viel Kraft in dir steckt.“
 

Dawn wandte ihren Kopf und starrte Shin entsetzt an. ‚Er hat es bemerkt...’, aber langsamer machen konnte sie einfach nicht. Shin wollte sicher über die Nacht nach dem Hallowe’enball reden. Was sollte sie ihm sagen? ‚Hey.. meine Schwester ist eine Jägerin? Sie weiß was sie tut? Alles wird gut?’
 

„Können wir mal ne Pause machen und reden?“, schlug Shin vor.
 

Dawn schüttelte den Kopf und trat erneut kräftig in die Pedale. Sie hängte Shin ab, bog in eine Seitenstraße ein und kam ins Schlittern. Das Rad ließ sich nicht mehr steuern und Dawn sah sich dem Asphalt entgegen fliegen, als das Fahrrad zur Seite rutschte und unter einem Pick-Up zum Liegen kam.
 

Dawn spürte ihre Knie hart auf dem Boden aufschlagen, ihre Hände rutschten nach vorne weg und wurden aufgeschürft. Benommen blieb sie im Vierfüßlerstand und starrte den Straßenbelag an. Plötzlich fühlte sie sich von zwei starken Armen in die Höhe gerissen und wurde zur Seite gezogen. Erst jetzt realisierte Dawn den Wagen, der an ihnen vorbeischoss. Er hätte sie überfahren, wäre Shin nicht so geistesgegenwärtig gewesen.
 

“Danke,“ murmelte Dawn und befreite sich aus seinen Händen, die einen überraschend starken Griff hatten. Sie blickte an ihrer Jeans nach unten. Ein Loch prangte auf der rechten Seite und gab den Blick auf ein aufgeschürftes Knie frei. Auch ihre Handflächen sahen übel aus... eine davon blutete sogar.
 

„Du kannst einem einen ganz schönen Schrecken einjagen,“ sagte Shin ernst. Er holte ein Stofftaschentuch aus seiner Tasche hervor, und band es um Dawn’s verletzte Hand. „Wir sollten zurückfahren, damit du die Verletzung fachgerecht versorgen kannst. Wir haben Verbandszeug und Desinfektionsmittel in der Zentrale.“
 

„Mir geht es gut, wirklich,“ versicherte sie. „Machen wir unsere Tour fertig, es ist ja nicht mehr viel. Um meine Hand kümmere ich mich später.“
 

„Okay. Shin wandte sich ab, um über die Straße zu rennen. Er wollte Dawns Rad holen und nachsehen, ob sie damit noch fahren konnte. Wie es schien, war mit dem Drahtesel alles in Ordnung. Er schob das Rad auf die andere Straßenseite zu Dawn rüber. „Scheint nichts abbekommen zu haben. Im Gegensatz zu dir.“
 

„Tut.. tut mir leid,“ murmelte Dawn und langte sich an die Stirn. „Ich wollte nur... nur...,“ fast wäre sie in Tränen ausgebrochen, ohne zu sagen wieso. Shin war ein so netter Junge und sie war zu feige, um mit ihm zu reden. Dabei war er doch nach dem Ball sehr verständnisvoll gewesen und hatte ein Recht darauf Antworten auf seine Fragen zu bekommen.
 

Nur was sollte sie ihm sagen? Meine Schwester ist eine Jägerin? Sie kämpfte gegen Dämonen und Vampire? Alles wird gut?
 

Er würde sie bestimmt für verrückt erklären. Selbst nachdem er mitangesehen hatte, wie sich Marvin vor ihren Augen in einen Dämon verwandelt hatte.
 

„Nicht mit mir reden,“ beendete Shin Dawns Satz mit einem breiten, warmen Lächeln. „Hey, kein Problem. Wahrscheinlich hat dich der Anblick von diesem Typen so erschreckt, dass du damit erst einmal klar kommen musstest. Deine Schwester ist allerdings.. ganz schön tough. Wenn es dir danach ist.. zum Reden.. ich bin jederzeit für dich da.“
 

„Was?“ Dawn sah irritiert zu Shin. Das waren nicht gerade die Worte, die sie erwartet hatte, aber sie halfen alles nicht mehr so verkrampft zu sehen. Shin grinste und Dawn konnte fast ein wenig erleichtert lächeln. Konnte es sein, dass Shin nur versuchte, mutig zu wirken, um Eindruck zu schinden, oder waren ihm manche Gestalten der Nacht schon selbst begegnet? Doch sie würde Shin das ganz bestimmt nicht fragen aus Angst vor entsprechenden Gegenfragen.
 

„Bist du soweit?“ Shin stieg bereits auf sein Fahrrad auf und Dawn folgte ihm.
 

+++
 

Giles Schlafzimmer

in der Nacht

Im dunklen Raum, ohne vorgezogene Vorhänge, half nicht einmal das spärliche Licht des Halbmondes, damit sich Giles orientieren konnte. Er bewegte sich unkontrolliert darin umher und plötzlich zerbrach etwas klirrend auf dem Boden. Giles fluchte laut, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob man ihn in den Nebenräumen hören konnte.
 

Erst da wurde ihm bewusst, dass er nur noch Lily stören konnte. Genau genommen war er sich gar nicht mehr so sicher darüber, ob ihn Buffys und Dawns Auszug tatsächlich so erleichterte, wie er immer geglaubt hatte. Jedenfalls empfand er die Wohnung fast erschreckend ruhig und am späten Nachmittag war sie ihm richtig ausgestorben erschienen.
 

Durch das Zimmer stolpernd, schaffte er es bis zur Türe, ohne sich noch einmal irgendwo empfindlich zu stoßen. Giles fingerte nach dem Lichtschalter. Überrascht stellte er dabei fest, dass er wieder funktionierte. Auch hier erinnerte er sich mit leichter Verzögerung daran, dass Xander erst vor ein paar Wochen hier gewesen war, um ihn zu reparieren.
 

Das Licht flackerte auf und enthüllte ein zerbrochenes Glas. Dessen Inhalt, eine bernsteinfarbene Flüssigkeit, sickerte unaufhaltsam in den Teppichboden. Erneut fluchte Giles, fuhr sich über das Gesicht und sackte müde auf sein Bett zusammen. Die lang verdrängte Vergangenheit hatte ihn einmal mehr eingeholt und auch wenn ihm seine Erfahrungen aus Sunnydale gelehrt hatten, dass es besser sei, mit seinen Freunden über Probleme zu reden, konnte er es nicht. Es war eines mit Buffy über Ethan, Orgien und Fehlern zu reden, als es für weitere Lügen schon zu spät gewesen war, aber es war etwas völlig anderes, mit ihr und den anderen freiwillig über persönliche Dinge zu sprechen, die viel weiter zurück reichten und von denen er nicht einmal genau wusste, ob sie etwas mit ihrem neuesten Fall zu tun hatten.
 

Der einzige Mensch, Lily, der wirklich wusste, was los war, hielt seine Angst für unbegründet. Sie war also auch nicht der richtige Ansprechpartner.
 

Er schloss die Augen und gab sich dem schläfrigen Gefühl seines Körpers hin. Er war so unendlich müde. So erschöpft. Die letzten Nächte hatte der Wächter nicht geschlafen, aus Angst vor den Erinnerungen und Träumen....
 

.... Karten blitzen vor seinen Augen auf und er sah Sinas Gesicht verschwommen vor sich schweben. Dann hoben sich aus den Tarotkarten fünf hervor - Kaiserin, Bube, Königin der Stäbe, der Mond und der Tod - dann stand er plötzlich im Garten seines Elternhauses. Es war dieselbe Erinnerung wie vor einem Tag – es war wieder Nacht, der Vollmond schien und irgendwo plätscherte Wasser....
 

Das war neu, kam ihm kurz in den Sinn, ehe er nach unten blickte... Blut glitzerte im Mondlicht auf seinen Händen. Als er wieder aufsah, in Erwartung des anklagenden Gesichtsausdruckes seines Vaters, sprang ihn ein großer, unförmiger Schatten an.
 

Giles wollte aufschreien, doch plötzlich fühlte er sich aus der Szene gerissen und fand sich wieder inmitten seiner alten Freunde, an jenem Abend, als sie Eyghon beschworen. Sie saßen im Kreis, in ihrer Mitte stand die längst von Giles verdrängte Opferschale und das Feuer brannte bereits in ihr. Er blickte auf seinen Unterarm, auf dem die Tätowierung schwarz und frisch prangte. Neben ihm warf Ethan LSD ein und Thomas stand auf, um sich auf den Schlafzustand vorzubereiten. Deidre verlangte von Ethan die nächste zu sein, als Ethan die Tüte mit dem LSD in die Höhe hob. Philip faste ihr unter den Rock und versprach, dass sie schon noch an die Reihe käme. Sie lachte anzüglich auf. Ein Schatten ließ ihn zur Opferschale blicken – Eyghon, der auf ihn zukam.
 

Sein Schrei erstarb erneut auf seinen Lippen, als er der Szene entrissen wurde. Das Bild vor seinen Augen klärte sich auf und Jennys lebloser Körper auf seinem Bett offenbarte sich ihm. Erneut zerschellte die Champagnerflasche auf dem Boden und das Bild wich der Karte des Mondes....
 

...Giles schreckte hoch. Er war tatsächlich eingeschlafen und hatte die Träume zugelassen. Schweiß stand auf seiner Stirn und er stöhnte unter den Eindrücken und Nachwirkungen des Traumes. Er glaubte zu erfassen, was Sina ihm mit den letzen vier Karten hatte sagen wollen, nur verstand er nicht, wer der Mond in seinem Leben war. Erschöpft stand Giles auf und griff nach der Scotchflasche. Würde es bedeuten, er brachte jemanden in seiner Nähe den Tod oder jemand, der ihm etwas bedeutete, würde sterben?
 

Aus Mangel an einem Glas, setzte er die Falsche einfach an und versuchte die Angst, die Schuldgefühle und die schlechten Gedanken weg zuspülen, ehe er sich zurück zu seinem Bett schleppte und sich so wie er war niederlegte, um doch noch erholsamen Schlaf zu finden...
 

+++
 

Ein Friedhof

selbe Nacht.

Die Nacht war unangenehm kühl und Buffy vermisste nicht zum ersten Mal seit sie nach Cleveland gekommen war, das warme Klima Kaliforniens. Sie war ein Kind der Westküste… lange Sandstrände, Klippen, hohe Wellen und Sonne, aber auch salziger Nebel war ihr nicht unbekannt. Allerdings war er nie so zäh und feucht gewesen wie in dieser Stadt und heute Nacht. Vielleicht lag es auch einfach an der Nähe des Sees. Wäre dies hier Sunnydale gewesen, hätte Buffy darauf getippt, dass heute Nacht etwas Großes passieren würde. Doch sie fühlte für diese Stadt noch nichts; hatte auch kein Gespür für die Gefahren, die nachts über Cleveland einbrachen. Alles war fremd, alles war neu.
 

Und doch sollte es hier einen Höllenschlund geben. Sie seufzte, schlug ihren Kragen hoch und kuschelte sich in ihren Mantel. Der Pflock hing lässig in ihrer rechten Hand an der Seite herunter und Buffys Gedanken schweiften weiter ab.
 

Sie hatten in letzter Zeiten genügend Beweise für einen Höllenschlund gesammelt. Angefangen von der Vampirsekte mit einem Meister bis hin zu einer dämonischen Organisation, von der sie noch nicht wussten, was sie für Ziele hatten. Selbst Hallowe’en war wieder einmal flach gefallen. Nur wussten sie leider nicht, wo der Höllenschlund lag. Aber er existierte. Ihr Blick wanderte zurück zur Friedhofsmauer, darüber hinweg zum Erie-See, der unter der Nebeldecke verborgen lag.
 

“Ich sollte mich besser konzentrieren,“ murmelte Buffy und erinnerte sich Giles Worte über das Monster. Es war erschreckend, wie sehr Giles davor Angst zu haben schien. Hätten sie alle vor Monaten nicht dem Urbösen gegenüber gestanden, wäre Buffy vielleicht nicht so besorgt gewesen. Aber wenn es doch noch etwas gab, dass Giles noch mehr Angst machte, dann sollte sie es ernst nehmen.
 

Sie zwang ihren Blick zurück auf die Grabsteine, spähte in die Nacht und in die Schatten. In Sunnydale hatte es mehr Gruften gegeben und mehr Vampire. Vielleicht hatte sich der Höllenschlund noch nicht herumgesprochen oder seine Aktivitäten waren längst nicht so stark wie in Sunnydale. Es gab selten nachts Beute. Möglicherweise lag es auch an den Jägerinnen...
 

’Was tu ich eigentlich hier,’ Buffy blieb stehen und drehte sich um ihre Achse. Hier war nichts los und die Kühle, der Nebel und die Feuchtigkeit täuschten mit ihrem gespenstischen Anblick nur über eine friedvolle Nacht hinweg. Egal wo das Monster heute zuschlagen würde, es würde nicht hier passieren.
 

Einmal mehr kam ihr der Gedanke, dass Kennedy mit dieser Stadt alleine zurecht kommen würde. Sie musste nicht Nacht für Nacht beweisen, dass sie es noch drauf hatte, dass es sie noch immer interessierte, dass sie.. einfach Buffy war. DIE Jägerin und nicht eine von vielen war. Doch dabei hatte sie sich immer ein anderes Leben gewünscht. Jetzt wo sie es hatte, war es nicht genug. Was wollte sie eigentlich genau? Hatte ihr die Reise nicht die Antworten liefern sollen? Hatte sie nicht genügend Abstand von allem genommen, um mit sich und den Geschehen in Sunnydale ins Reine zu kommen?
 

Sie wusste es nicht. Und so lange sie es nicht wusste, würde sie weiter kämpfen. Denn egal was sie einmal für sich und ihr weiteres Leben beschließen würde, sie würde nicht einfach vergessen können, was für Gefahren hier draußen in der Welt lauerten. Würde sie sich sonst noch im Spiegel anschauen können, wenn sie dem allem den Rücken kehrte, nur weil sie ihres Jobs überdrüssig wurde? Des Kämpfens müde war? Wahrscheinlich nicht. Krisen im Leben galt es zu bewältigen und bis jetzt hatte sie das doch immer ganz gut gepackt. Sie konnte und wollte die Welt nicht im Stich lassen. Auch wenn jetzt über all auf der Welt Hunderte, Tausende Jägerinnen aktiviert waren, die dank ihrer geteilten Kräfte mit dem Bösen aufräumen konnten.
 

‚Ich hätte jetzt wirklich nichts gegen eine gute Prügelei’, stöhnte Buffy innerlich über ihre Gedanken auf. Alleine auf Patrouille zu sein konnte einen ganz schön zusetzen. Die Gedanken ließen sich nicht verbannen, jetzt wo Buffy einmal das Tor zu ihnen aufgestoßen hatte.
 

„Oops....Aua,“ Buffy stolperte nach vorne und prallte mit der Schulter gegen einen alten, zerfallenen Grabstein. Ihr Blick wanderte zurück zum Boden. Eine Wurzel hatte sie zum Stolpern gebracht. „Ich sollte jetzt wirklich besser aufpassen.“
 

Sie stemmte sich in die Höhe und dabei fiel ihr Blick zurück auf den alten Grabstein: ‚Law’. Meine Güte... war das Zufall? Buffy wischte das Moos zur Seite, das sich überall auf dem Grabstein breit gemacht hatte. Nein, da stand tatsächlich ‚Law’. Spike. Die Gruft... jetzt war sie doch da angelangt, vor dem sie sich so viele Monate gefürchtet hatte. Sie war aus Amerika weggegangen und mit Dawn, Giles und Willow nach Europa geflogen. Sie hatten nie darüber gesprochen, was mit Spike passiert war. Wie damals bei Angel hatte sie niemand gefragt oder auf Antworten gedrängt. Und sie hatte wie üblich alles von sich weggeschoben. Es war ihr meist gelungen und zur Ablenkung hatte sie Dawn Europa gezeigt. Nebenbei sammelten sie gleich ein paar Jägerinnen für Giles ein.
 

Als sie weiter reiste, ohne Dawn, war es als Entspannung geplant gewesen. Doch in Wahrheit war sie vor den Erinnerungen geflohen, die aufkamen, wenn sie mit den Menschen zusammen war, die ihr geblieben waren und vor den Entscheidungen, was sie mit ihrem neuen Leben anfing. Sie hatte ihre Last nicht abgelegt, das war ihr bewusst.. sie hatte sie nur verteilt und dafür gesorgt, dass sie nicht mehr alleine alle Probleme mit Vampire und Dämonen lösen musste.
 

Doch am Ende war ihr klar geworden, dass sie lernen musste, mit der Situation, den Verlusten und Zukunftsängsten umzugehen. Es war langsam die Zeit gekommen, sich mit all den Dingen auseinander zusetzen, wenn sie jemals wollte, dass die Ängste und der Schmerz aufhörten.
 

Es gab so vieles, das sie verloren hatte. Erinnerungen, die überall in ihrem Haus verteilt gewesen waren, Bilder, Stofftiere, Briefe, selbst Mr. Gordo und in einer Schmuckschatulle hatte der Ring von Angel gelegen. Es gab die Karten von Riley, bis er aufgehört hatte zu schreiben. Ihre von Xander gezimmerte Waffentruhe, die Jahrbücher ihrer Mutter, Bilder mit ihren Freunden und selbst das überaus kitschige Armbändchen von Xander, das er ihr vor so vielen Jahren geschenkt hatte, um ihr Glück bei den Cheerleaderauswahlen zu wünschen, hatte sie aufgehoben.
 

Dann war da die Stadt selbst, voller Erinnerungen - das Espresso Pump, in dem sie so manche Aussprache geführt hatte, ihr über alles geliebter Treffpunkt das Bronze, das erst renoviert und neu eröffnet hatte, die Friedhöfe, die sie mit Angel, später mit Faith und vor nicht all zu langer Zeit mit Spike gesäubert hatte.. die Liste war unendlich lang und Buffy spürte wie ihr die ersten Tränen in den Augen brannten.
 

Doch die Tränen konnten die Erinnerungen auch nicht wegwaschen. Und gerade in Spikes Fall waren sie besonders bitter. Sonderbarerweise hatte sich dies nicht mit der Zeit geändert, sondern war schlimmer geworden, seit sie Distanz gewonnen hatte und alles klarer überblicken konnte. Spikes letzte Worte waren die Wahrheit gewesen. Sie hatte ihn nicht geliebt, jedenfalls nicht so, wie sie es sich eingeredet hatte und er hatte es gewusst.
 

Im Rückblick war ihr dies jetzt klar, auch wenn ihre eigene Motivation für sie selbst eher schwammig erschien. Vielleicht hatte sie sich selbst etwas vorgemacht, hatte vielleicht selbst geglaubt, etwas für den Vampir zu empfinden. Und eventuell hatte sie ihn sogar lieben wollen, wenn auch nur aus Dankbarkeit für seine Unterstützung. Hatte sie sich selbst dazu zwingen wollen, allein, um wieder gut zu machen, was sie ihm angetan hatte? Und dabei vergessen, wie er mit ihr verfahren war?
 

Ja, es war bitter und es wurde noch schlimmer dadurch, dass sie sich selbst nicht verstand. Wenn sie es schon nicht konnte, wer würde sie dann jemals verstehen?
 

Ein schiefes Lächeln schlich sich auf ihr tränenfeuchtes Gesicht, als ihre Gedanken bei dieser Frage verharrten. Alle, die sie zumindest ansatzweise hatten verstehen können, die ihre Einsamkeit und ihre Unsicherheit, ihre dunklen Seiten nachvollziehen konnten, waren Untote gewesen. Angel, Dracula, Spike....
 

Nicht nur war der Tod ihre Gabe, sie zog Tod und Totes magisch an.
 

Das gleiche galt auch für ihre Freunde.
 

Was ihre Gedanken auf einen weiteren Namen auf der Verlustliste brachte.... Anya. Sie fuhr sich mit der freien Hand über ihr nasses Gesicht und seufzte. Es war verrückt darüber nachzudenken, dass sie noch vor einem Jahr bereit dazu gewesen war, Anya zu töten, weil sie als Rachedämonin zu sehr über die Stränge geschlagen hatte. Sie hatte es nie offen zu gegeben, aber in dem Moment, als Anya für alle Zeiten wieder menschlich wurde, war sie sehr erleichtert gewesen.
 

Jetzt hatte sie deswegen ein schlechtes Gewissen. Anya könnte noch leben, wäre sie nicht menschlich und verletzbar gewesen. Und die Frage was gewesen wäre, wenn Anya nicht als Mensch, sondern als Dämon mitgekämpft hätte, kam erneut auf. Vielleicht war es leichter, damit fertig zu werden, wenn sie sich vorstellte, dass Anya mutig in den Kampf gezogen war und mit Sicherheit genauso mutig ihr Leben gelassen hatte ...
 

Nein, dass war es nicht.. stellte Buffy traurig fest, als sie für einen Moment ihre Gedanken unterbrach und in sich hineinlauschte. Anya war über die Jahre zu einer guten Freundin geworden, auch wenn sie von Zeit zu Zeit nerven konnte und verrückte Ideen hatte. Buffy musste nur an das furchtbare, grüne Kleid denken, in das Anya sie und Willow am Tag ihrer Hochzeit gesteckt hatte. Der Gedanke half Buffy zu lächeln und die Tränen zu trocknen.
 

Ein Geräusch lenkte sie plötzlich ab und sie sah auf. Erneut krachte es nicht unweit vor ihr. Ihre Sinne waren auf einmal geschärft, Gedanken und nostalgische Erinnerungen wurden zur Seite gedrängt. Es schien Arbeit auf sie zuzukommen. Die ersehnte Ablenkung und Prügelei. Sie rannte los.

Vor ihr grub sich ein Vampir aus seinem Grab, ein gewisser Mathew Potter.
 

+++
 

Motelzimmer

selbe Zeit

Ethan beugte sich nach vorne und entzündete schließlich die Kerzen um den Stadtplan herum. Das dunkle Zimmer wurde von einem kleinen warmen Lichtschein erhellt.

Die Schale neben Ethan beinhaltete ein Pulver, nach dem er griff und dass er von seiner Handfläche aus über den Stadtplan blies. Der Staub glitzerte im Kerzenschein und legte sich auf den Plan nieder. Ein paar Staubkörner fielen in die Kerzen und verglühten mit einem Zischen.
 

Plötzlich lag das Ritualmesser in Ethans Hand und er zögerte nicht, sich damit auf dem linken Unterarm drei tiefe Schnitte zu zufügen. Das Blut des Opfers war notwendig. Das Opfer, das Rache wollte. Ethan war zu allem bereit und die Schmerzen, die durch seinen Körper jagten war die Rache allemal wert. Blut tropfte auf den Plan und bildete ein kleines Rinnsaal, das sich zwischen den Falten sammelte und sich mit dem Zauberpulver mischte.
 

Ethan schloss die Augen, hob die Handflächen nach oben und begann den Zauberspruch monoton aufzusagen, wiederholte die Worte emotionsvoller und betonte bei der dritten und letzten Wiederholung jedes Wort. Die Kerzen flackerten und Flammen schossen aus den kleinen Teelichtern unerwartet in die Höhe. Die dunkelrote Flüssigkeit strömte auf zwei Punkte auf der Karte zu und sammelten sich um zwei der Stecknadeln. Um eine, die den Friedhof markierte, wie Ethan las, und um die große, rote Stecknadel, die in der Erie Street steckte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte Ethans Lippen. Selbstzufrieden verzogen sich die Lippen weiter zu einem breiten Grinsen. Er griff nach einer zweiten Schale und entnahm ihr einige getrocknete Kräuter, die er auf die zwei Stellen streute...
 

+++
 

Friedhof

Der Kampf war in vollem Gang. Buffy schlug dem Vampir gerade die Faust gestreckt ins Gesicht. Den Schlag hatte er zwar kommen gesehen, doch die zum Schutz hoch gerissenen Hände, hatten nicht mehr verhindern können, dass seine Nase brach. Er fing sich wieder und schlug blindlings nach der blonden, jungen Frau. Erneut taumelte er unter der Wucht einer Faustkombination gegen Kopf, Brust und Hals. Diesmal stolpert er nach hinten über eine Grabeinfassung und setzte sich hart auf sein Hinterteil.
 

Mit einem Knurren sprang er wieder auf die Füße.
 

‚Wie ein wildes Tier,’ durchfuhr es Buffy und sie gab dem Monster keine Zeit darüber nachzudenken, was hier eigentlich passierte. Sie ließ sich in die Knie fallen und trat ihm aus dieser Position heraus gegen die Kniescheibe. Etwas knirschte, als die Kniescheibe heraussprang und der Vampir flog rücklings auf den Boden. Er hielt sein Knie umklammert und wimmerte.
 

“Frischlinge“, murmelte Buffy wenig begeistert und beschloss die Sache schneller zu beenden, als sie es geplant hatte. Sie griff nach ihrem Pflock, den sie verloren hatte und holte aus. Der Vampir starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Sein Instinkt schien ihm das richtige zu signalisieren. Buffy stand über ihn, als sie sich plötzlich vor seinen Augen einfach in Luft auflöste.
 

Ein überrascht dreinblickender Vampir blieb alleine auf dem Friedhof zurück.
 

+++
 

Irgendwo

Giles fuhr schweißgebadet in die Höhe. ‚Diese verdammten Träume... hören nicht einmal auf, wenn man glaubt, aufgewacht zu sein.’ Irritiert blinzelte er gegen ein grelles, weißes Licht an.
 

„Aufwachen,“ murmelte er und bemerkte erst jetzt, dass er auf dem Boden eines quadratischen, kleinen Raumes lag, statt in seinem Bett. Der Boden, die Wände, die Decke bestanden aus weißen, weichen Platten. Es gab keine Fenster und keine Türe. Nur dieses grelle Licht, das ihn blendet. Mit einem Blick an sich herunter, stellte Giles fest, dass er dieselben Kleider trug, mit denen er sich ins Bett gelegt hatte. Nur seine Brille und die Armbanduhr fehlten. Aber die lagen ja auch auf sein Nachttischchen zuhause in seinem Zimmer... in Sicherheit.
 

Panik zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er um die eigene Achse wirbelte, auf der Suche nach einem Hinweise, wo er war und der ihm die Gewissheit gab, dass er nicht mehr träumte.
 


 

AKT 4
 

Buffys und Dawns Wohnung

nächster Tag. Nachmittag.

Als Dawn von der Schule nach Hause kam und fröhlich nach Buffy rief, erhielt sie keine Antwort. Normalerweise hätte sie sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht, aber da sie schon am Morgen hatte feststellen müssen, das Buffy gestern Nacht nicht nach Hause gekommen war, wurde ihr wirklich mulmig zumute. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck lief sie sofort in Buffys Zimmer. Das Bett war noch immer unbenutzt und der Raum sah genauso ordentlich aus, wie am Morgen.
 

Zurück im Wohnzimmer griff sie sofort nach dem Telefon. Sie tippte eine Nummer ein und hielt den Hörer mit zittriger Hand an ihr Ohr.
 

„Ja?!,“ vernahm sie kurz darauf Willows Stimme. Sie stieß erleichtert die Luft aus. „Willow! Gott sei Dank erreiche ich dich. Hast du Buffy heute schon gesehen? Sie ist noch immer nicht zuhause und es gibt keine Nachricht von ihr.“
 

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College

“Beruhig dich erst einmal Dawnie. Kennedy ist sich sicher, dass Buffy gestern auf Patrouille war. Ein Friedhof in der Nähe des Sees. Sie ist gleich, nachdem du heute Morgen angerufen hast, los gezogen und hat sich dort umgesehen. Sie hat nichts gefunden....
 

Bis auf... ihren Pflock,“ gab Willow schließlich zögernd zu. „Ich habe auch bei Giles angerufen. Lily sagte mir, sie hätte Giles den ganzen Morgen und Nachmittag über noch nicht gesehen. Sein Bett ist allerdings benutzt und sie hat eine ausgeschüttete Flasche Scotch neben dem Bett gefunden.“
 

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Buffys und Dawns Wohnung

„Oh und das soll mich jetzt wie beruhigen?“ rief Dawn panisch aus. „Ich meine, das klingt ganz so wie.. na ja, in einer Stunde geht die Welt unter, aber Hauptsache meine Wäsche ist noch vorher trocken geworden!“ Dawn schluckte und sah sich in der stillen Wohnung um, die noch ziemlich leer von persönlichen Gegenständen war und deshalb kalt und fremd auf sie wirkte.
 

„Entschuldige,“ murmelte sie geknickt. Sie hatte nicht so schroff sein wollen, aber ihre Sorge wuchs. „Was, wenn Buffy dem Monster in die Quere gekommen ist?“
 

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College

“Dann hätte Kennedy Spuren gefunden. Aber sie sagte, es hätte keine Anzeichen eines großen Kampfes gegeben. Zudem verschleppt dieses Wesen seine Opfer nicht so weit. Am besten wir treffen uns alle in ein paar Minuten im Ratsgebäude, sofern Xander und Andrew Zeit haben. Okay?“, Willow hörte von Dawn ein zögerndes Einverstanden und die beiden unterbrachen die Verbindung. Sie musste die anderen erreichen und zwar schnell.
 

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Irgendwo...

Buffy schob sich durch die enge Röhre nach vorne und fluchte, als ihr dabei ein Nagel abbrach. Der zweite, seit sie hier war. Wo auch immer ‚hier’ war. Und eigentlich hätte es hier drinnen stockdunkel sein müssen, aber ein grelles Licht, reflektiert von den weißen Platten in der Röhre, gab ihr mehr Licht zum Sehen, als Buffy lieb war. Denn es brannte in den Augen und machte sie tränen.
 

“Wo auch immer ich hier bin...ich hoffe es ist ein Alptraum,“ murmelte sie und hielt alarmiert inne, als unter ihr etwas nachgab. Mit einem lauten „Rums“ brach die Platte unter ihr durch und sie flog einige Meter tief auf den harten Boden eines dunklen Raumes. Sie fing sich auf den Händen ab, doch ihre Knie schlugen hart auf den Steinboden auf. Sie stöhnte und kam auf die Beine.
 

Der krasse Kontrast zur grellen Röhre, die durch das Viereck über Buffy noch kräftig ihr Licht in den Raum warf, tat Buffy erneut in den Augen weh und sie rieb sie sich.
 

Erst dann konnte sich die Jägerin umsehen. Aber ihre Augen konnten in der Dunkelheit kaum etwas erkennen. „Verdammt nicht schon wieder... ich bin müde...,“ sie rappelte sich auf die Füße. „Und wo zum Teufel bin ich nur? Da hat man nichts anders geplant, als ein paar Vampire zu vermöbeln, um den Frust los zu werden und als Dank landet man in einem ... hmm Labyrinth?“
 

Etwas sirrte plötzlich durch die Luft und raste von vorne direkt auf Buffy zu. Sie hörte und spürte nur den Luftzug. Als sie das gespannte Netz, besetzt mit feinen Klingen als Verursacher erkannte, war es fast zu spät für sie, um auszuweichen...
 

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Irgendwo...im Labyrinth

Giles saß zusammengesunken auf dem Boden, den Rücken gegen eine der weißen Wände gelehnt. Seine Hände ruhten auf seinen angezogenen Knien und seinen Kopf hatte er darauf gebettet.
 

Müde und erschöpft... zwei Zustände, die er seit er ein Kind gewesen war, gewöhnt sein sollte. Selbst die vielen schlaflosen Nächte zuvor, die Ängste und die Panik waren nichts, was ihn so leicht aus der Bahn geworfen hätte. Das Ganze hatte er erst vor Monaten durchgemacht. Jetzt, nachdem er wusste, dass sie selbst dem Urbösen trotzen konnten, hätte er diese Krise überstehen müssen.
 

Aber es war zu persönlich, als das er es von sich schieben konnte. Sein Kopf fuhr in die Höhe und mit geschlossenen Augen lehnte Giles seinen Hinterkopf gegen die Wand. Er hatte den obersten Hemdknopf geöffnet und die Ärmel nach oben geschoben. Ihm war warm von seinen vergeblichen Versuchen einen Ausgang zu finden. Unter den Augen lagen dunkle Schatten und als er sich über das Kinn fuhr, kratzte der Dreitagesbart.
 

Aufgeben war eine Option, die für Giles fast fremd war. Doch diesmal war er nahe dran. Er wusste nicht wie lange er hier schon war, noch kannte er den Grund dafür. Vielleicht suchte man ihn bereits und er würde bald wieder frei sein, aber viel Hoffnung darauf wollte er nicht verschwenden.
 

Ein Geräusch über ihn ließ Giles den Blick müde nach oben richten. Eine der Platten fiel vor seine Füße. Er war zu erschöpft, um aufzuspringen und um sich zu verteidigen, was auch immer da kam. Doch eine Sekunde später tauchte Buffys blonder Schopf in der Öffnung auf.
 

„Giles?“ Ehrliche Erleichterung spiegelte sich in beiden Gesichtern wieder, als sie sich erkannten. „Meine Güte bin ich froh, Sie zu sehen,“ Buffy schob sich aus der schmalen Öffnung und sprang dem Wächter vor die Füße. „Sie sahen auch schon mal besser aus.“
 

Giles sah mit müdem Lächeln zu ihr auf. „Du bist verletzt?“, er deutete auf ihren Kopf. Ihre Stirn wurde von einem langen, tiefen Kratzer überzogen. Buffy tastete danach.
 

”Halb so schlimm. Ich hab dafür die wertvolle Erfahrung gemacht, dass die Fallen hier doch nicht zu unterschätzen sind. Sagen Sie mir lieber, wo wir hier sind.“
 

“Ich weiß es nicht“, sagte Giles resigniert.
 

“Dann eben, wer dahinter steckt.“
 

“Auch das weiß ich nicht.“
 

“Sie sind heute wieder richtig gesprächig,“ grinste Buffy und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie tief in sich so etwas wie Angst empfand.
 

“Sagtest du.. Fallen?“, ignorierte Giles Buffys Kommentar, als ihm jetzt erst der wichtigere Teil von Buffys Geplapper auffiel.
 

„Oh ja. Sagen Sie nur, Sie waren hier sicher?“ Giles nickte. „Na dann machen Sie sich auf etwas gefasst.“
 

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Xanders und Andrews Wohnung

selber Tag, später Nachmittag

"Ich bin froh, dass ihr euch wieder versöhnt habt," Xander griff nach der Fernbedienung, und stellte den Ton ab, da die Werbung begonnen hatte. "Ich glaube, diese Freundschaft tut euch beiden sehr gut." Er hatte mit Absicht das Wort Freundschaft verwendet, damit Andrew nicht sofort widersprach.
 

"Ich bin auch froh," versicherte Andrew, "aber es ist wirklich nicht so, wie du denkst. Dawn und ich sind nur Freunde. Es ist nicht, wie im Kino!"
 

"Ich hab' nichts gesagt!" Grinsend hob Xander die Hände.
 

"Aber gedacht," grinste Andrew zurück.
 

"Gehofft," verbesserte Xander ehrlich, und überlegte, wie er es Andrew erklären konnte. Verdammt, warum hatte die Sache mit dem Ball so danebengehen müssen? Es hätte Andrew so gut getan, wenn es mit ihm, und Dawn geklappt hätte. Und Dawn genauso, denn unter seiner durchgeknallten Oberfläche war Andrew durchaus ein sensibler und einfühlsamer Mensch, der einen anderen Menschen glücklich machen konnte. Es steckte sehr viel mehr in ihm, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
 

Nur, warum war es so schwierig, das herauszuholen? Es hatte so lange gebraucht, bis Andrew Verantwortung für seine Taten übernahm, es hatte so lange gedauert, bis er damit angefangen hatte, sich in der Realität zurechtzufinden. Und nun, da es endlich soweit war, da er endlich ein Stück erwachsener geworden war, blieb er plötzlich stehen, wie ein störrischer kleiner Esel und weigerte sich den nächsten Schritt zu gehen. Gut, es war nicht allein Andrew's Schuld, dass Dawn sich gegen ihn entschieden hatte, da steckte schon auch ein anderer Junge dahinter. Das sagte ihm sein Gefühl, auch wenn Dawn ihm nichts erzählt hatte.
 

Trotzdem hätte Andrew sich mehr Mühe geben können. Selbst wenn es nicht funktioniert hatte, so hätte er sich wenigstens sicher sein können, alles Menschenmögliche getan zu haben. Und aus Fehlern lernte man für das nächste Mal.
 

Aber, so wie es aussah, hatte Andrew gar kein Interesse an einem nächsten Mal. Der Junge wusste überhaupt nicht, was er mit seiner Zukunft anfangen sollte. Eine Zukunft, die Anya mit ihrem Leben.....nein!
 

Es war nicht seine Schuld. Er konnte nichts dafür. Anya hatte ihre Entscheidung selbst getroffen.
 

Xander atmete tief durch, und versuchte, seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Andrew schien irgend etwas gemerkt zu haben, denn er sah Xander erschrocken und verwirrt an:" Was ist los? Was hab ich gemacht?"
 

'Gar nichts hast du gemacht', dachte Xander, 'und genau das ist ja das Schlimme. Sie ist tot, damit du dieses Leben haben kannst, und du bist dir dessen nicht einmal bewusst. Sonst würdest du es endlich nutzen, anstatt es so sinnlos verstreichen zu lassen.'
 

Er rang sich ein Lächeln ab, um Andrew zu beruhigen, und setzte zu einem Erklärungsversuch an: "Erinnerst du dich noch an das, was ich dir über meine Schulzeit erzählt habe?" Als Andrew nickte, fuhr er fort: "Ich war auch ein Science Fiction und Fantasy Freak, und meine Comics und Filme gingen mir über alles. Aber als ich mit Cordelia zusammen war, hat sich etwas Grundlegendes geändert - ich hab einfach mehr in der Wirklichkeit gelebt. Das hieß jetzt nicht, dass ich plötzlich kein Star Trek Fan mehr war, es hatte nur nicht mehr einen so hohen Stellenwert in meinem Leben..."
 

Andrew guckte ihn verständnislos an, und Xander wurde klar, dass er hier nicht weiterkam. "Du wirst es verstehen, wenn du deine erste Freundin hast," seufzte er. "Alle Jungs lieben ihre Spielzeuge, aber wenn sie erst einmal entdeckt haben, dass es auch Mädchen gibt, ändert sich ihr Leben von Grund auf, und nichts ist mehr, wie es war."
 

"Aber ich kenne viele Mädchen," protestierte Andrew. "Und ich bin kein kleiner Junge mehr, der behauptet, sie wären alle doof. Mädchen können alles, was Jungs auch können, und manches sogar noch besser. Das hab' ich immer gewusst! Lara Croft ist cool, und Trinity ist noch viel cooler. Und Tinúvíel hat Beren vor Morgoth gerettet, und She-Ra hat mehr Superkräfte als He-Man, und okay... Janeway mag ich nicht besonders, aber das hat wirklich nichts damit zu tun, dass sie eine Frau..."
 

"Du begreifst es einfach nicht!" Fassungslos schüttelte Xander den Kopf. "Kannst du denn nicht einmal, ein einziges Mal nur, deine dämlichen Filme beiseite lassen, und in der Wirklichkeit leben? Ich rede von realen Mädchen, realen Frauen. Was fühlst du, wenn du Dawn nahe bist? Sie hat dich eine ganze Nacht im Arm gehalten, du musst doch irgendwas dabei empfunden haben?"
 

"Aber ich lebe in der Wirklichkeit!" schrie Andrew zurück, und seine Stimme überschlug sich beinahe. "Ich helf' mit beim Dämonenjagen, und ich mach meinen Job im Pizza Hut, und ich bin nicht rausgeflogen, und du kriegst Miete von mir, auch wenn es weniger ist, als das, was du bezahlst, aber du hast gesagt, dass es okay ist, weil du mehr verdienst, als ich, und weil ich dafür mehr im Haushalt machen soll, und das mach ich auch, ich räum auf, und ich bring den Müll runter, und manchmal koch' ich auch, und du hast vorgestern gesagt, das klappt schon ganz gut, auch wenn ich manchmal die Gewürze durcheinanderbringe, und die Töpfe anbrenne, aber ich schrubb' sie wieder sauber, und ich hab sogar kapiert, wie..."
 

"Andrew! Andrew, hör mir zu!" Xander legte seine Hände auf Andrew's Schultern, und schüttelte ihn leicht, um sich durch den nicht-enden-wollenden Redeschwall Gehör zu verschaffen. Andrew's Stimme klang gefährlich nahe am Schluchzen, und in seinen Augen formten sich erste Tränen. "Andrew, es ist gut, du machst nichts falsch, hörst du? Es ist gut, es ist in Ordnung!" Er wuschelte Andrew durch die Haare, wie einem kleinen Jungen, und dieser schlang plötzlich die Arme um Xander's Hals, und schniefte in seinen Pullover. Xander fühlte sich hoffnungslos überrumpelt, aber er ließ es mit sich geschehen. Andrew würde wohl noch seine Zeit brauchen, um erwachsen zu werden.
 

"Es ist wirklich alles in Ordnung?" fragte Andrew leise, und rieb seine Wange an Xander's Schulter. "Weil, in letzter Zeit, glaub ich manchmal, du wärst auf mich sauer, aber du sagst nichts, und ich weiß nicht, was ich gemacht hab..."
 

Xander zuckte zusammen. Also hatte Andrew es doch bemerkt. Dabei gab er sich solche Mühe, mit diesen Gedanken allein fertig zu werden. Was hätte er dem Jungen auch sagen sollen? Nein, es ist nicht alles in Ordnung, weil du lebst, und sie tot ist, und es eigentlich umgekehrt sein sollte? Weil ich an das Leben denke, das ich mit ihr hätte führen wollen, und das wir nun niemals führen werden? Weil dir ein Leben geschenkt wurde, und du nichts damit anzufangen weißt?
 

"Natürlich ist alles in Ordnung," versuchte er Andrew zu beruhigen. "Du gibst dir wirklich große Mühe mit allem, und ich erkenne das nur zu wenig an, das ist alles."
 

Andrew nickte zufrieden, und murmelte etwas vor sich hin, aber das ging in Xander's Pullover unter. Xander war froh, dass er ihm nicht in die Augen sehen musste, er schämte sich, weil er Andrew belogen hatte, und er schämte sich noch sehr viel mehr, weil diese Lüge überhaupt nötig gewesen war. Warum konnte sein Herz nicht einfach einsehen, was sein Verstand schon längst wusste? Dass die Entscheidungen, die das Schicksal traf, nicht immer fair waren, und dass es sinnlos war, damit zu hadern? Die Überlebenden trugen keine Schuld daran, dass sie überlebt hatten, Andrew nicht, und die anderen nicht, und er selbst auch nicht....
 

Wenn Andrew doch wenigstens verstehen würde, wie kostbar dieses Leben war, und dass man jeden Augenblick davon nutzen musste. Schon so viele Male war er dem Tod nur knapp entronnen, so etwas sollte einen Menschen doch wirklich zum Nachdenken bringen. Aber nein, er musste ja...
 

Schrill und unangenehm durchbrach das Klingeln des Telephons seine Gedanken. Sofort löste Andrew seine Umarmung, und stürmte in den Flur hinaus, als erwarte er, Xander wurde wieder versuchen, ihn zu überholen, und den Apparat als erster zu erreichen.
 

Nur einen Augenblick später tauchte er wieder in der Tür auf, und wedelte mit panischem Gesicht zu Fernseher, und Videorecorder hin, bevor er entgültig im Flur verschwand, um das Gespräch anzunehmen. Seufzend schob Xander eine frische Kassette in das Gerät, und drückte den Aufnahmeknopf.
 

+++
 

Labyrinth

“Moment Giles...“ Sie blieben stehen. Der Raum war spärlich beleuchtet, aber vor den beiden lag, gut erkennbar, ein Steinflur, der in einen anderen Raum zu führen schien. „Hier war ich noch nicht. Aber er wirkt... hell. In den meisten helleren Räumen ist nichts passiert. Zwei, dreimal war es ganz schön knapp. Wer immer sich dieses Labyrinth des Todes ausgedacht hat ist krank.“ Buffy war ein, zwei Schritte weitergegangen, doch Giles blieb stehen, wo er war. „Was ist.. kommen Sie schon.“
 

Giles schüttelte den Kopf und zeigte nach unten auf seine Füße. Buffys Blick folgte seinem Finger. Er stand auf etwas, das eindeutig unter seinem Tritt nach gegeben hatte.
 

“Ein Mechanismus,“ raunte Giles, als befürchtete er, dass seine Stimme alleine die Falle auslösen könnte. „Wenn ich mich bewege, löse ich irgendetwas aus.“
 

“Jede Wette,“ seufzte Buffy frustriert. So langsam ging ihr das Ganze gehörig auf den Wecker. Sie war müde und erschöpft. Sie hatte kein Gefühl mehr für Zeit und vielleicht vermisste man sie noch nicht einmal. Also war auch keine Rettung in Sicht. „Wie wäre es mit...Rennen Sie,“ schlug Buffy vor.
 

„Wir wissen nicht, was es ist,“ der Wächter ließ seinen Blick umher schweifen und auch Buffy suchte die Mauer vor sich mit den Augen ab. Doch von ihrer Position aus, sah Buffy nichts, was ihren Verdacht erregt hätte. Allerdings fiel Giles suchender Blick auf einen Spalt in der Wand neben sich, nur wenige Zentimeter hinter Buffys Position.
 

Buffy wurde plötzlich zur Seite gestoßen, als Giles sich auf sie warf und seinen Fuß von dem Mechanismus nahm. Ein Schwingblatt fuhr aus der gegenüberliegenden Wand, streifte Giles Oberarm, bevor er neben Buffy auf den Boden prallte und in der Wand hinter ihnen verschwand.
 

Entsetzt aber auch erleichtert blickten sich die beiden an.
 

+++
 

Cleveland, Ratsgebäude

etwas später…

“Und Sie haben wirklich nicht die geringste Ahnung?“ fragte Willow nervös, aber auch leicht gereizt, die Wächterin. „Ich meine, Sie haben Giles als letztes gesehen.“
 

„Nein, wenn ich es doch sage? Ich habe Rupert das letzte Mal gesehen... wartet.. uhm.. so gegen halb elf? Er sagte ‚Gute Nacht’ und ging in sein Zimmer. Gegen halb zwölf oder Zwölf hörte ich dann Lärm. Aber nachdem ich ein paar Minuten lang lauschte, wiederholte sich das Geräusch nicht mehr. Also machte ich mir keine weiteren Gedanken.“
 

Lily warf Willow einen irritierten Blick zu, als sie sich langsam Willows Ton bewusst wurde. „Stehe ich jetzt etwa unter Verdacht?“
 

Willow ließ die Frage unbeantwortet. Im Moment wussten sie alle so gut wie nichts, und Willow wollte auch nicht voreilig irgend etwas behaupten. Aber ihr Schweigen wurde von Lily als stumme Zustimmung aufgefasst. Frustriert ließ sich die Engländerin in ihren Stuhl am Konferenztisch sinken. Was um alles in der Welt hätte sie davon, wenn Rupert verschwand? Zu diesem heiklen Zeitpunkt?
 

„So kommen wir nicht weiter,“ gab Kennedy zu bedenken. „Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, dass die beiden zusammen verschwunden sind.“
 

„Möglich...,“ gab Willow zögernd zu. „Aber in den ganzen Jahren haben wir gelernt, dass eben nicht immer alles aus Zufall passiert,“ seufzte sie und blickte sich hilflos um. Wo blieb nur Xander?
 

„Könntest du nicht versuchen, Giles und Buffy mit einem Ortungszauber zu finden?“, schlug Dawn mit ein wenig Hoffnung vor.
 

„Das könnte ich sicher. Ich habe auch vorhin schon daran gedacht.“ Sie klopfte auf ihre Tasche, die vor ihr auf dem Tisch lag. „Und habe die notwendigen Zutaten eingepackt. Ich wollte nur alle Möglichkeiten ausschöpfen.“
 

Dawn wollte gerade erleichtert Willow für ihre Umsicht danken, als die Tür zum Flur aufging. Xander, gefolgt von Andrew, traten in den Raum. Andrew trug noch seine Uniform vom Pizzaservice und wirkte müde, während Xander einige Pizzaschachteln auf seinen Händen in den Raum jonglierte und sie in die Mitte des Tisches absetzte. Willow hatte die beiden zwar zu Hause telefonisch erreicht, aber beide hatten noch Dinge zu erledigen gehabt und stießen erst jetzt zu ihnen.
 

„Okay Leute, unser G-man und unsere Lieblingsjägerin sind also verschwunden? Dann wird das eine lange Nacht. Darum.. Pizza für alle, Dank sei Andrew,“ fasste Xander die Situation rasch zusammen und grinste über seine alte Rolle, als Pizzalieferant und Donutkäufer. Keiner bemerkte Kennedys gekränkten Gesichtsausdruck, als Xander das Wort Lieblingsjägerin verwendet hatte.
 

„Wie ist der Stand?“, fragte Andrew mit einem unterdrückten Gähnen und setzte sich neben Dawn.
 

„Willow will es mit einem Zauber versuchen,“ erklärte sie gespannt..
 

„Oh...,“ Andrew war auf einmal wieder hellwach, hin- und hergerissen zwischen seiner Faszination für Magie und den - alles andere als glücklichen -Erinnerungen, an Willow’s Zauber.
 

„Du stinkst nach Olivenöl und Fett,“ holte ihn Dawns Kommentar aus seinen Gedanken. Er grinste verlegen.
 

„Xander sagte es sei ein Notfall.. keine Zeit für Superman, um zu duschen.“
 

Willow war bereits aufgestanden und entnahm ihrer Tasche Kerzen, Räucherstäbchen, eine Stadtkarte, einige Plastikbeutelchen und eine Schale mit Mörser.
 

„Hey, habt ihr’s schon mitbekommen.. das Monster hat letzte Nacht nicht wieder zugeschlagen. Jedenfalls gab’s weder im Radio, noch in der Glotze was darüber zu hören... Ist doch komisch oder?“, erwähnte Xander, während er sich über die erste Pizza hermachte.
 

„Allerdings,“ murmelte Lily. „Ich hoffe inständig, dass dies alles nichts mit den beiden zu tun hat.“
 

„Wenn es etwas Magisches ist, kann ich das zusätzlich herausfinden,“ erklärte Willow, die auf dem Boden ihre Zauberzutaten anordnete und sich dann niedersetzte. „Wenn nicht, müssen wir weiter einkreisen.“
 

„Würden uns Bücher weiterhelfen?“, wollte Xander wissen.
 

„Unser Bestand ist hier recht klein, aber Rupert hat sicher Standardliteratur da. Irgendwo wird sich etwas über plötzliches Verschwinden finden lassen,“ Lily stand auf und winkte Xander, damit er ihr folgte.
 

„Wir nehmen uns den Laptop vor,“ wandte sich Dawn an Andrew. „Die Suchmaschinen sollen uns die Arbeit abnehmen,“ sie zog den Laptop heran und öffnete den Browser.
 

„Tja, da bleibt mir wohl nur die Rolle als Zuschauerin,“ bemerkte Kennedy leicht gekränkt.
 

„Schatz.. du könntest in der Gegend patrouillieren.. oder such deine Informanten auf. Vielleicht wissen die etwas?“, schlug Willow produktiv vor.
 

„Hey.. gute Idee. Ich verschwinde mal kurz ins Black Pearl!“ Kennedy stand auf und warf Willow eine Kusshand zu. „Du bist die Beste,“ flüsterte sie, dankbar darüber eine Aufgabe bekommen zu haben und sehr froh darüber, dass seit ihrem kleinen Streit alles wieder in Ordnung zu sein schien.
 

+++
 

Im Labyrinth

Müde, erschöpft und verletzt erreichten Buffy und Giles einen neuen Raum. Buffys Kratzer auf der Stirn hatte Gesellschaft bekommen – ein weiterer tiefer Schnitt zierte ihre Wange und ihr Shirt war am Bauch zerschlitzt. Giles’ Hemdsärmel war blutgetränkt, der andere Ärmel fehlte ganz und diente als Abbinde für den verletzten Arm. Buffy hatte versucht die Blutung zu stoppen und es war ihr tatsächlich gelungen.
 

Zu allem Übel begann ihnen das Labyrinth langsam zu zusetzen und ihre Kräfte schienen zu schwinden. Giles hatte die leicht gereizte Stimmung zwischen ihnen mit Besorgnis wahrgenommen. Sie waren schon zu lange hier gewesen, und es wurde Zeit, dass sie den Ausgang oder zumindest das Geheimnis hinter dem Rätsel lüfteten, bevor Dunkelheit, Durst, Hunger und Müdigkeit in Panik umschlugen.
 

An der Schwelle zum Raum blieben sie stehen und ließen ihre Blicke suchend nach Fallen und Auslösern herum schweifen.
 

Keiner von beiden bemerkte den großen, unförmigen Schatten der hinter ihnen über die Wände glitt.
 

“Ich glaube, wir laufen im Kreis,“ murmelte Giles resigniert und deutete auf eine zerstörte Falle – ein Häufchen Holz und Klingen, die Buffy vor nicht all zu langer Zeit erfolgreich ausgeschaltet hatte.
 

“Das ist ja schlimmer als gegen ein Heer Übervampire zu kämpfen,“ seufzte Buffy niedergeschlagen und sank an die Wand gelehnt auf den Boden. „Und ich glaube, ich kann nicht mehr. Ich habe Durst, ich bin müde...“
 

“Da sind wir schon zu zweit,“ versuchte Giles aufmunternd zu lächeln und sank neben Buffy auf den Boden. Sie wandte ihren Kopf und musterte ihn.
 

„Na ja, für Ihren Durst, scheinen Sie ja in den letzten Tagen schon ausreichend gesorgt zu haben,“ sie hatte einen Scherz machen wollen, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Worte ein wenig kalt klangen.
 

Giles sah sie überrascht an und für einen Moment herrschte eine merkwürdige, eisige Atmosphäre zwischen ihnen, die so deutlich ausdrückte, was alles zwischen ihnen stand. Schließlich räusperte sich Giles unsicher und gab beiden damit die Gelegenheit betreten zur Seite zu blicken. Das Schweigen wurde unerträglich. Schließlich war es Buffy, die mutig den nächsten Schritt wagte. „Tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint.“
 

„Doch hast du,“ widersprach ihr Giles sofort und schüttelte den Kopf. „Ich kann verstehen, wenn mein Verhalten euch alle irritiert hat. Aber ich hatte meine Gründe.“
 

„Oh und die können Sie mir natürlich nicht verraten? Ihr Gründe?“, sie sah zu Giles, der erneut den Kopf schüttelte. „Das dachte ich mir. Ist doch immer dasselbe.“
 

„Bitte?“, Giles sah irritiert zu seiner ehemaligen Jägerin.
 

„Sie haben schon verstanden. Sie haben immer irgendwelche Gründe gehabt, um Dinge zu tun. Aber Sie haben sie mir nie genannt oder richtig erklärt. Wieso Sie z.B. auf einmal Sunnydale verlassen mussten, um nach England zurückzukehren, wieso Sie auf einmal beschlossen haben wieder in mein Leben zu treten, um hier in Cleveland den großartigen, großzügigen Wächter zu spielen ...“
 

„Aber so ist das doch nicht,“ begann Giles entsetzt und stoppte im Satz, als ihm bewusst wurde, dass Buffy nichts verstanden hatte.
 

„Wieso sind Sie noch hier? Hier in Cleveland, wo doch in London so großartige Aufgaben auf Sie warten – der Aufbau, das Lenken und Manipulieren von willigeren Jägerinnen, als ich je eine war.“
 

„Wir lenken, aber wir manipulieren nicht,“ wagte Giles zu widersprechen. Er klang, als würde er vorab vor all den noch nicht ausgesprochenen Dingen von Buffy resignieren.
 

„Ach nein, was dann?“, herrschte Buffy ihn aufgebracht an.
 

„Wir beschützen euch,“ Giles versuchte ruhig zu bleiben, aber Buffys plötzlicher Angriff war unerwartet gekommen und tat weh.
 

Buffy musste bitter lachen. „Beschützen? Uns? Ihr Wächter, einer auf zehn Jägerinnen? Vor was beschützen? Sie konnten mich nie beschützen, weder vor dieser unsinnigen Prüfung des Rates, für die ich noch nicht einmal eine offizielle Entschuldigung von Ihnen bekommen habe, noch davor, dass ich mehr als einmal die Zielscheibe für irgend einen größenwahnsinnigen Dämon gespielt habe, noch vor Gegnern wie Glory oder dem Urbösen. Im Grunde sind wir Jägerinnen immer alleine auf uns gestellt. Nicht einmal vor meinen Fehlern haben Sie mich bewahren können.“
 

„Wenn du jemals richtig zugehört oder das eine oder andere auf meine Art gelöst hättest, stünden wir jetzt nicht hier.“ Und damit meinte er ganz sicher nicht das Labyrinth.
 

„Ihr Weg? Ach ja, ich erinnere mich an die Alternative, Dawn zu töten,“ Buffy wurde zynisch.
 

„Dafür warst du bereit, uns alle zu töten,“ setzte ihr Giles entgegen. Doch die Wirkung blieb aus. Buffys Blick blieb hart. Und er verstand immer weniger, wieso sie auf einmal von solchen Dingen sprach. Oder er verstand es doch, und wollte nur nicht näher darüber nachdenken. Letztendlich gab er dem verdammten Labyrinth die Schuld.
 

„So oder so hätten Sie mich nicht vor Glory beschützen können.“
 

„Doch das habe ich,“ Giles sah auf den Boden, als er die Worte leise aber bestimmt aussprach. Er war innerlich noch nicht bereit für das Geständnis, aber vielleicht gab es nie den richtigen Zeitpunkt dafür, auf den er wartete. „Wieso denkst du, haben wir nie wieder etwas von ihr gehört?“
 

„Weil Ben..,“ ja was war er? Sie hatte sich mit Glory geprügelt, bis sie von Ben verdrängt wurde. Einen unschuldigen Menschen zu töten, war ihr nie in den Sinn gekommen, auch wenn er das Böse in sich trug. Glory hätte nur besiegt werden können, wenn sie ihn getötet hätte.. Wenn er.. ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie das Puzzle zusammenfügte. Sie sah Giles an. „Sie...,“ brachte sie heiser hervor und Giles sah erneut zu Boden.
 

„Ich hatte keine andere Wahl,“ flüsterte er.
 

Beide schwiegen. Buffy war über die Offenbarung zu geschockt und Giles hing seinen Gedanken nach, wusste nicht, ob es richtig oder falsch gewesen war, Buffy nach so langer Zeit davon zu erzählen.
 

Dabei gab es noch so vieles, das zwischen ihnen stand und ausgesprochen werden musste, aber keiner schien bereit dafür zu sein, niemand von ihnen wollte manches davon als Fehler zugeben oder sich für Fehler entschuldigen. Und Giles Geständnis machte es da keinem von beiden leichter.
 

Buffy stand plötzlich auf und schüttelte benommen den Kopf. „Sie hätten mir das früher erzählen sollen.“
 

„Wieso hätte ich dir das antun sollen?“, Giles sah zu ihr auf. „Ich hielt es für das Beste, es dir zu verheimlichen. Ich habe es nie jemandem erzählt. Bis jetzt. Es ist sicher nichts, auf das ich stolz wäre. Aber es war notwendig. Ich habe dir die Entscheidung abgenommen, ich habe Glory für dich...“
 

„Hören Sie auf. Ich ertrage es nicht, wenn Sie einen Mord an einem unschuldigen Menschen damit rechtfertigen wollen, dass es wegen mir geschehen ist.“ Buffy war lauter geworden und Giles zuckte unter ihren Worten zusammen.
 

“Das möchte ich gar nicht, Buffy. Ich möchte nur, dass du verstehst, wieso ich manche Dinge, getan habe. Aber wenn du dich dagegen wehrst, sie mit meinen Augen zu sehen, wird mein Versuch es dir zu erklären, fehlschlagen.“
 

„Oh, wenn das alles ist, was Sie von mir verlangen, kann ich das natürlich versuchen,“ sie schloss ihre Augen für einen Augenblick, schüttelte dann den Kopf und sah grimmig zu Giles zurück. „Nein.. es funktioniert nicht... denn es fällt mir schwer, so wie Sie zu sehen, wieso Ben sterben musste, wieso Sie lieber Dawn geopfert hätten, wieso Sie unbedingt Spike töten wollten. Waren Sie eifersüchtig, weil ich mehr auf seinen Rat hörte, als auf Ihren? War es das? Kam deshalb Woods Vorschlag für Sie gelegen? Oder war das auch wieder so eine Sache, die Sie mir zu liebe getan haben?“
 

Giles seufzte und stemmte sich ebenfalls in die Höhe. Er sah Buffy direkt in die Augen und versuchte, zu ergründen, wieso Buffy so verzweifelt versuchte, ihm weh zu tun. Sie hatten gemeinsam so vieles erlebt und durchgestanden, dass es ihm einfach nicht in den Sinn wollte, warum Buffy ihn auf einmal so von sich wegstieß. Als die junge Frau ihren Blick nach dem stummen Duell senkte, wusste er, dass viel mehr dahinter steckte und Buffy ahnte, dass Giles sie ein Stückweit durchschaut hatte.
 

Einen Versuch, sie danach zu fragen, hielt er für den Augenblick für falsch. Sie würde leugnen oder noch bösere Dinge sagen. Allerdings half ihm die Erkenntnis nicht darüber hinweg, dass ihre Worte schmerzhaft gewesen waren.
 

Plötzlich schob sich der große, unförmige Schatten hinter Giles in die Höhe und glitt über die Wand. Buffys Augen weiteten sich. Durch das Ereignis von ihrem Streit abgelenkt, zeigte sie stumm über die Schulter von Giles. Der Wächter fuhr herum und sah gerade noch, wie der Schatten um eine Ecke kroch und verschwand. Ein Schauder lief ihm über den Rücken.
 

Stumm nickte er zum Ausgang des Raumes und ohne weitere Worte zu verlieren, hatten sie es eilig weiterzugehen. Beiden wurden zwei Dinge bewusst.. erstens - sie würden alles in Ruhe noch einmal besprechen müssen, egal wie schmerzhaft es sein würde und zweitens – etwas verfolgte sie.
 

+++
 

Cleveland, Ratsgebäude

selbe Zeit

Willow hatte inzwischen alles für ihren Zauber vorbereitet und es herrschte die übliche, konzentrierte Ruhe im Raum, die sie dafür brauchte. Es störte sie schon lange nicht mehr, dass ihre Freunde außen herum standen und sie anstarrten. Fasziniert oder auch mit Furcht. Sie nutzte schließlich ihre Magie für einen guten Zweck. Der bittere Nachgeschmack, der früher einmal blieb, wenn sie an Magie nur dachte, gehörte der Vergangenheit an. Seit sie ihre Furcht vor ihrer Macht verloren hatte, um gegen das Urböse anzutreten, schreckte sie nicht mehr zurück, Zauberei wieder für ihren Kampf gegen das Böse einzusetzen.
 

Willow streute ein Pulver über die Stadtkarte und murmelte lateinische Worte. Sofort glühten zwei Punkte rot auf, erloschen wieder, glühten an einer anderen Stelle auf, erloschen wieder. Das Spiel wiederholte sich unendlich und Willow spürte etwas, eine andere magische Ebene, die versuchte ihren Zauber zu unterbrechen. Ihr gefiel die negative Schwingung nicht und mit einer raschen Handbewegung unterbrach sie den Zauber. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube das bedeutet, dass die beiden nicht mehr direkt in Cleveland sind und das jemand seine Finger mit im Spiel hat.“
 

„Magie?“, fragte Lily besorgt und Willow nickte kräftig.
 

„Ja, und keine gute. Ich kann den Zauber ausdehnen und versuchen die Quelle zu finden. Irgendein Schutzzauber macht es mir unmöglich den Ort von Buffy und Giles aufzuspüren.“
 

„Tu das,“ riet Lily und Willow griff nach einem weiteren Schälchen mit einem Pulver darin, das sie über die Karte streute. Diesmal verwendete sie einen Zauberspruch auf griechisch und beendete den Vorgang mit einer Handbewegung in der Luft, die ein unsichtbares Zeichen malte. Eine Stelle auf der Landkarte glühte lila auf und das gesamte Gebiet darum flimmerte. „Dort sollten wir suchen,“ riet Willow und sah in die entschlossenen Gesichter ihrer Freunde.
 

++++
 

Labyrinth

Keiner der beiden wagte es die unangenehme, angespannte Stille zwischen ihnen zu unterbrechen, die sich seit dem Streit und dem Entdecken des Schatten ausgebreitet hatte.

Schweigend liefen sie nebeneinander her und suchten in den Räumen, Gängen und Fluren nach Fallen. Inzwischen hatten sie ein Gespür dafür entwickelt und wussten, wann sie Vorsicht walten lassen mussten.
 

Der nächsten Raum, den sie betraten, war dunkel und jederzeit konnte eine Falle mit tödlicher Präzision auf sie zurasen. Doch diesmal war etwas anders. Giles konnte es spüren.. dieses machtvolle Gefühl, die Kontrolle über eine Situation zu haben .. Magie. Der Raum knisterte vor magischer Energie. Buffy schien davon nichts zu bemerken und sie ging mutig über die Schwelle, darauf vorbereitet mit einer schnellen Rolle oder einem Hechtsprung einer Falle zu entgehen.
 

Nach wie vor, war sie als Fallenentschärfter unterwegs, damit Giles, der zwar trainiert war, aber noch lange nicht ihre Reflexe hatte, nicht doch noch am Ende von einem der Schwingblätter oder der Äxte geköpft wurde.
 

Doch diesmal griff Giles nach ihrem Arm und hielt sie zurück. Ärgerlich blickte sie auf seine Hand, die ihren Oberarm umschloss und ließ ihren Blick nach oben zu ihm wandern.
 

“Halt!“ mahnte Giles und zeigte nach vorne. Am anderen Ende des Raumes glomm ein grünlicher Schein auf, der auf sie zu hüpfte.
 

“Schon wieder eine Falle – ich seh’s,“ brummte Buffy wenig überrascht und schüttelte Giles’ Hand ab. „Ich gehe weiter und schaue, was sie vorhat!“
 

„Warte noch einen Moment. Sie kommt mir irgendwoher bekannt vor,“ Giles ging vorsichtig in den Raum, suchte nach den Auslösungsmechanismen, fand aber keine. Je weiter er in den Raum ging, desto mehr erkannte er - es war eine durchsichtige Kugel, die den Durchmesser einer Kristallkugel hatte, umgeben von einem grünen, flackernden Lichtschein. Recht harmlos.
 

Doch Giles wusste, dass sie in den nächsten Sekunden an Tempo zulegen würde. Er wusste nicht, woher sein Wissen kam, aber er war sich bewusst, dass die Kugel den Tod brachte. Wenn die Kugel einmal eine Spur aufgenommen hatte, würde sie nicht vorher aufgeben, bis sie ihr Ziel erreicht und eliminiert hatte.
 

„Wir brauchen etwas, womit wir zuschlagen können.. etwas Ähnliches wie einen Kricketschläger?“ Giles sah zurück zu Buffy.
 

„Kricket? Ich glaube, Baseballschläger wäre jetzt um Längen besser.“
 

„Ich denke kaum, dass wir jetzt Zeit haben, unsere kulturellen Unterschiede auszudiskutieren,“ er sah aus den Augenwinkeln, dass die Kugel die Hälfte des Raumes durchquert hatte und wenige Meter vor ihm stoppte.
 

„Oh, wir könnten es auch mit Quidditch versuchen?“ schlug Buffy scherzend vor und erntete einen sehr säuerlichen Blick. „Nur so eine Idee.“ Sie suchte bereits nach etwas, das sie als Schläger benutzen konnte. „Warten Sie...“, sie ging zurück in den Nachbarraum und blickte sich um.
 

Ihr Blick fiel auf die Fackelhalter. Auch wenn die Fackeln nicht entzündet waren, boten sie die gewünschte Funktion. Sie riss eine davon aus der Halterung und rannte zurück in den Raum. Dort konnte sie gerade noch sehen, wie Giles sich unter der rasend schnellen Kugel hinwegduckte. Offensichtlich hatte die Kugel so etwas wie ein magisches Auge, denn sie hielt inne, als Buffy hereinkam. Sie änderte die Richtung.
 

Buffy riss die Fackel in die Höhe und versuchte nach der Kugel zu schlagen. Der erste Versuch ging ins Leere, aber sie brachte damit die Kugel wenigstens aus ihrer Flugbahn.
 

„Ich hätte auf Mom hören sollen und der Damenmannschaft des Softballteams beitreten sollen, statt mit dem Cheerleading anzufangen,“ seufzte Buffy und konzentrierte sich auf die ins Torkeln geratene Kugel. So schwer konnte es doch gar nicht sein, sie mit dem breiten Holzschläger zu treffen.
 

Die Kugel stieg in die Höhe und fiel auf den Boden. Steinbröckchen spritzten auf und als die Kugel sich wieder in die Höhe schraubte, hinterließ sie ein tiefes Loch im Boden, aus dem Rauch aufstieg.
 

Buffy schluckte. „Das ist wirklich wie Quidditch. Uhm.... Giles, bleiben Sie unten,“ rief sie und suchte mit ihren Augen nach der Kugel. Das Mordinstrument hatte sie bereits wieder anfixiert. Mit festem Griff um die Fackel konzentrierte sich die Jägerin auf die Kugel. Einen Moment lang schien nichts zu geschehen, doch dann raste das Geschoss auf sie zu. Buffy schlug zu, hörte den Aufprall, fühlte die Fackel aus ihrer Hand gerissen, sah aber auch dass die Kugel in tausend Teile zersplitterte. Der grünliche Schimmer erlosch und der Raum lag wieder düster vor ihnen.
 

„Was zur Hölle war das?“ Keuchte Buffy und starrte auf ihr geprelltes Handgelenk.
 

„Ethan,“ flüsterte Giles.
 

„Ich wollte nicht wissen wer, sondern was... ETHAN Rayne?“ Entsetzt sah Buffy zu Giles, der auf die Beine kam und sich den Staub von der Hose klopfte. Angesichts seines desolaten Zustands fand es Buffy witzig genug, um darüber zu lächeln.
 

Giles sah sie ernst an, gefolgt von einem besorgten Nicken. „Diese Kugel... er hat sie zweimal eingesetzt, als ich dabei war. Einmal, um zu demonstrieren, wie viel er drauf hatte und einmal, um.. nun wir waren.. uhm... legen wir den Mantel des Schweigens darüber.“ Er musste Buffy jetzt nicht in aller Einzelheit erklären, was für Dummheiten man machen konnte, wenn man unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stand und sich nachts über einen Friedhof schlich.
 

Buffy nickte verständnisvoll. „Ich kann es mir denken.. Oder nein.. ich versuche es mir erst gar nicht vorzustellen...“
 

Giles schüttelte betrübt den Kopf. „Ethan, also. Und ich dachte er wäre für alle Zeiten in sicherem Gewahrsam.“
 

„Die Initiative besteht nicht mehr,“ erinnerte Buffy ihren ehemaligen Wächter und stieß mit ihrer Fußspitze die Scherben an. An ihnen war nichts mehr Magisches. „Ihre Gefängnisse bestimmt auch nicht mehr.“
 

„Und wieso wartet er dann so lange auf Rache?“, Giles rieb sich die Schläfe.
 

„Hm.. Rache?“, Buffy sah ihn skeptisch an. „Sie denken, es geht ihm um Rache?“
 

Giles nickte. „Gehen wir davon aus, dass seine Freiheitsberaubung keine schöne Folgen mit sich brachte, dann halte ich es für durchaus möglich.“
 

„Denken Sie... er möchte uns damit nur quälen oder möchte er uns.. nun.. tot sehen?“
 

„Ich weiß es nicht.. seine Scherze waren bislang übel, aber immer mit der Option auf einen Ausweg.“
 

„Ich hätte Sie damals als Dämon fast getötet, wo war da Ihre Option?“
 

„Du hast mich erkannt.“
 

„Ja gerade noch rechtzeitig. Von Scherzen würde ich nicht sprechen“.
 

Giles hörte Buffy auf einmal nur noch halbkonzentriert zu, denn sein Blick war auf den Schatten hinter Buffy gefallen, der groß und unförmig über die Wände glitt. Er schluckte und wischte sich über die Stirn.
 

„Was ist?“ Buffy fuhr herum, als würde sie Ethan erwarten, dem sie so einiges zu sagen hatte, aber alles was sie sah, war ein leerer Raum und der sich bewegende Schatten.
 

„Der Schatten...“
 

„Er folgt uns schon eine ganze Weile.“, stimmte Buffy den unausgesprochenen Worten von Giles zu.
 

„Dieser Schatten,“ schluckte Giles hart. „Er gehört dem Wesen, das in Cleveland wütet,“ gestand Giles und zauberte einen ehrlich überraschten Ausdruck auf Buffys Gesicht. „Ich frage mich nur, ob Ethan auch etwas damit zu tun hat.“
 

„Sie wussten die ganze Zeit, was in Cleveland umgeht und haben uns nichts davon gesagt?“, Buffy erholte sich von ihrer Überraschung und bückt sich nach der Fackel. Vielleicht war sie als Waffe noch zu gebrauchen.
 

„Ich war mir nicht sicher... aber jetzt, dieser Schatten gibt mir die Gewissheit.“
 

„Und was hat Ethan damit zu tun?“
 

Giles zuckte mit den Schultern. „Vielleicht weiß er, was ich mit dieser Kreatur verbinde.“
 

Nun war es mit Buffys Geduld zu Ende. „Giles verdammt noch mal.. reden Sie endlich. Ich meine Karltext....Klartext. Diese ständigen Andeutungen machen mich noch ganz krank.“
 

„Du hast ja recht,“ sagte Giles überrascht ruhig und resigniert. „Aber das ist nicht so einfach.“
 

„Dann versuchen Sie es einfach und fangen Sie von vorne an.“
 

+++
 

Cleveland, Motelzimmer

später Abend

Ethans Gesicht war unter der Anspannung und Konzentration wie versteinert. Die Muskeln seines Körpers waren verkrampft und als er die Augen öffnete, geschah es unbewusst und ohne sein Zutun. Fast mechanisch langte er nach einer Schüssel, in welcher sich rote Farbe und ein Pinsel befanden. Mit dem Pinsel in Farbe getaucht, malte er um den Kreis aus Teelichtern Symbole auf den Teppich. Insgesamt brauchte er acht Symbole, dann würde die Kreatur die Jägerin angreifen. Es würde sie in Einzelteile zerlegen, während Ripper dabei zusehen musste.
 

Oh ja... welch wunderbare Vorstellung. Hätte Ethan gekonnt, hätte er zufrieden gegrinst, doch der Zauber hielt ihn selbst im Bann...
 

+++
 

Cleveland, vor dem Motel, Straße

selbe Zeit

“Hier muss es sein,“ Willow deutete zur Frontscheibe hinaus auf die Motelanlage.
 

„Bist du dir sicher,“ fragte Xander nach und lenkte den Van an den Straßenrand.
 

„Nicht alle Frauen sind unfähig, eine Karte zu lesen,“ knurrte Dawn von der Rückbank, während Willow die Stadtkarte zusammenfaltete.
 

„Schon gut,“ gab Xander grinsend zurück und stellte den Motor ab. „Dann lasst uns zusehen, dass wir dort finden, was wir suchen.“
 

+++
 

Labyrinth

„Ich hatte dir doch einmal davon erzählt, dass ich, bevor ich Ethan und seine Freunde kennen lernte, in Oxford studierte.“ Buffy nickte. „Und dass ich dem Druck nicht stand hielt, alles abbrach, und floh,“
 

Giles Hände wanderten in die Hosentaschen. Er war nervös und wollte es verbergen. „Es gab noch einen anderen Grund. Dieses Monster tötete einen Menschen, der mir sehr viel bedeutete, den ich kurz vor der schrecklichen Tat, wieder gefunden hatte...“, er brach ab und atmete durch. Es war nicht leicht mit Buffy darüber zu reden. Nicht weil es Buffy war, nicht nur weil sie ihm erst vor Minuten Dinge an den Kopf geworfen hatte die weh taten, sondern weil sie selten über solche Dinge sprachen.
 

„Ich verstehe...,“ versuchte Buffy, es ihm ein wenig leichter zu machen. „Aber ich sehe noch immer nicht Ethan...“
 

„Ethan versteht es, Wesen zu beschwören. Dieses Monster war sicher nicht all zu schwer für ihn mit Magie zu fangen, hier her zu schicken und mich damit in Angst und Schrecken zu versetzen. Als Auftakt seines Racheplanes...Vielleicht ging er davon aus, dass ich befürchtete, dass wieder jemand aus meinem Umkreis getötet wird. Einfach, um mich leiden zu sehen.“
 

„Okay... das Monster ist also wegen Ethan hier, um Sie zu verängstigen. Scheint ihm ja ganz gut gelungen zu seine. Die letzten Tage über.“
 

„Tut mir leid. Ich hätte mit euch reden sollen. Wie damals. Mit Eyghon.. aber.. aber es ist nicht so einfach...“
 

Buffy hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Ich sagte doch vorhin, Sie behalten alles für sich. Keine Überraschung mehr für mich,“ missmutig starrte Buffy vor sich hin. „Darf ich wetten.. Sie werden mir nicht verraten, wen das Monster getötet hatte?“
 

„Meine Mutter,“ überraschte Giles Buffy mit der ungeschönten Wahrheit und betretenes Schweigen kam auf. „Sie hatte meinen Vater, kurz bevor er mir von meiner beruflichen Zukunft berichtete, verlassen, weil sie mit dem Wahnsinn nicht leben konnte. Oder, besser gesagt, mit der Wahrheit über Vampire, Dämonen und Hexen,“ sprach Giles schließlich leise weiter, als Buffy schwieg. „Wir liefen uns zufällig elf Jahre später über den Weg. Es gab so vieles, dass ich sie hatte fragen wollen,“ Giles räusperte sich, um den Schmerz, der in seiner Stimme lag, zu überspielen. „Und wir hatten so wenig Zeit. Ich lud sie ein, mit mir nach Hause zu fahren, es waren Semesterferien. Als sie hörte, dass nicht nur ich viele Fragen hatte, willigte sie ein.
 

Es war ihr niemand mehr böse. Die Jahre lassen einen Verlust, Wut und Zorn vergessen.“ Er sah bei den Worten zu Buffy und schloss in seine Worte auch Buffy ein und die Dinge, die sie ihm vorgeworfen hatte. Ob sie es verstand, konnte er nicht sagen. Mit vielen Pausen zwischen seinen Worten, fuhr Giles fort. Es fiel ihm schwer weiterzusprechen. „Sie kam eine Woche später an. Spät Abends. Ich wollte sie vom Bahnhof abholen, aber andere Dinge waren wichtiger. Bandproben,“ gab er mit einem verlegenen Lächeln zu.
 

Buffy wusste zwar inzwischen über seine bewegte Jugend Bescheid, aber da sie so selten über seine persönlichen Angelegenheiten sprachen, kam es ihm noch immer einem Geständnis gleich. „Ich verließ mich darauf, dass sie alt genug war, um sich ein Taxi zu nehmen. Sie wusste von den Gefahren in der Nacht und ich vertraute auf ihr Wissen.“ Giles lachte bitter auf. „Wer konnte schon ahnen, dass ein Höllenwesen, ein Mondhund, in unserer Gegend unterwegs war, auf der Suche nach ... nach Nahrung,“ brachte Giles mühsam hervor. Plötzlich lag Buffys Hand auf seinem unverletzten Arm. Die vertraute Berührung war nach all den Worten zwischen ihnen, auf eine Art seltsam, tat aber auch gut.
 

„Sie müssen nicht weitersprechen. Ich kann mir vorstellen, was passiert ist,“ sagte Buffy sanft und zog ihre Hand hastig zurück.
 

Giles schüttelte den Kopf. Jetzt wo er am Erzählen war, wollten die Worte heraus. „Es war grausam.. überall war ihr Blut und ihr Körper war...,“ Giles schloss die Augen und kämpfte gegen die Bilder an, die vor seinem inneren Auge entstanden. Buffy verstand nur zu gut. Sie hatte den übel zugerichteten Körper des Zigeuners noch nicht vergessen. „Ich kniete neben ihr, ich weiß nicht wie lange, aber ich hörte ein Geräusch, irgendwann.
 

Als ich aufsah und mich danach umdrehte, sah ich denselben Schatten wie diesen hier. Er kam näher, aber etwas hielt ihn zurück. Heute weiß ich was es gewesen war. Mein Vater schaltete die Gartenleuchte an, als er nach draußen kam, um nachzusehen, was hinter dem Haus los war. Das Licht hatte das Wesen verscheucht und mich gerettet.“
 

„Sie geben sich die Schuld daran, nicht wahr?“, fragte Buffy vorsichtig und Giles nickte niedergeschlagen. „All die Jahre?“, fügte Buffy fassungslos hinzu.
 

„All die Jahre,“ bestätigte Giles. „Hätte ich sie nicht eingeladen oder hätte ich sie abgeholt...,“ er brach ab und seufzte.
 

„Schicksal, Giles. Dagegen sind wir machtlos. Schließlich konnten Sie nichts für diese Kreatur. Ihre Mutter war zur falschen Zeit am falschen Ort. Wie wahrscheinlich die ganzen Opfer in Cleveland auch. Erinnern Sie sich lieber an die kurze Zeit, die Sie mit ihr gehabt hatten, um einige Dinge zu regeln.“
 

Aus Buffys Mund klang das sogar irgendwie.. überzeugend, fand Giles und gab ihr im Stillen recht. Diese ganzen Schuldgefühle, die er über all die Jahre mit sich geschleppt hatte, hatten ihm vieles in seinem Leben verbaut. Bindungsängste waren die Folge gewesen und ein übertriebener Schutzinstinkt für seine Jägerin. Er wollte nicht noch einmal indirekt schuld am Tod eines Menschen sein, der ihm etwas bedeutete.
 

Doch dann war Jenny in sein Leben getreten. Der Alptraum hatte sich wiederholt. Eine erneute Version davon wollte er nicht noch einmal erleben.
 

„Gut, aber ich verstehe noch immer nicht, woher Ethan davon wusste? Und eh.. Lily, weiß sie davon?“
 

„Ethan hatte ich später in London einmal den Grund genannt, wieso ich aus Oxford weg bin. Das war dumm und naiv von mir gewesen. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich ihn noch nicht gut genug,“ gab Giles ungern zu. „Und Lily... das ist eine andere Geschichte.“
 

“Die Sie mir irgendwann noch erzählen werden,“ drohte ihm Buffy an. Sie war froh, dass sie einen Punkt im Gespräch erreicht hatten, um von den düsteren Erinnerungen weg zu kommen. „Was wir jetzt allerdings nicht wissen, ist, wieso das Wesen uns noch nicht angegriffen hat.“
 

„Wenn Ethan es wirklich kontrolliert, wird er es noch zurückhalten. Licht- und Schattenspiel hin oder her.“
 

„Dann werden wir das eben herausfinden müssen....“
 

+++
 

Motelzimmer

Ethan malte das letzte Symbol und griff nach einer Leine, die vor ihm lag und symbolisch für die Fesseln, die er dem Wesen aufgelegt hatte, stand. Er griff nach dem Ritualmesser und durchschnitt die Leine...
 

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Labyrinth

Giles und Buffy standen in einem neuen Raum. Zu ihren Füßen lag etwas, das vor nicht weniger als einer Sekunde noch eine Falle gewesen war. Der Raum war dunkel und Buffy bückte sich, um aus dem Häufchen Klingen eine kleine Axt herauszusuchen.
 

“Sie warten hier draußen im Licht. Für alle Fälle. Ich geh jetzt da rein und stelle mich der Kreatur. Es wird schon nicht so schlimm werden,“ beruhigte sie Giles, der mit besorgtem Gesichtsausdruck auf der Schwelle stehen blieb. Er hatte keine andere Wahl. Buffy musste kämpfen, wollten sie hier je lebend herauskommen.
 

Buffy ging in die Mitte des Raumes und drehte sich um ihre Achse. Es war still, so still wie die ganze Zeit über. Nichts verriet ihr, wo sich das Wesen aufhielt und da es kein Licht gab, sah sie auch seinen Schatten nicht.
 

„Okay.. Schluss mit Versteckspiel,“ rief sie in den Raum. „Ich erwarte dich hier.. wenn du Hunger hast, hol dir dein Fresschen.“
 

Etwas fauchte hinter ihr, tief und kehlig. Buffy wirbelte herum. Sie sah nicht viel, nur dass die Tür verdunkelt wurde, als sich etwas Großes und Massiges erhob. Ein kräftiger Schlag traf sie an der Schulter und mit einem „Autsch“ fiel sie zur Seite.
 

Dann war auf einmal Licht im Raum. Giles hatte eine Fackel aus dem Nebenraum zu ihr herein geworfen. Sie machte das Dunkel hell genug, damit die Jägerin etwas erkennen konnte, aber wiederum nicht so sehr, dass die Kreatur sich zurückgezogen hätte.
 

Allerdings hätte Buffy gerne auf die Details verzichtet. Das Geschöpf stand auf vier Beinen, war größer als Buffy im Stehen und erinnerte sie von der Statur her an einen Werwolf. Sie war kaum behaart, die Augen glühten rot, das Maul der Kreatur triefte vor eigenem Speichel, der auf den Boden tropfte und Buffy nahm einen verwesten Geruch wahr, der ihr in die Nase stach.
 

Mutig trat sie diesem, von Giles so poetisch als Mondhund bezeichnetem Höllenwesen gegen den gewaltigen Kopf. Ungerührt starrte das Wesen sie aus seinen Augen an, während sie nach hinten fiel. Ihr Knöchel war geprellt. Hier war also eine andere Taktik gefragt. Kaum stand Buffy wieder auf den Füssen, nahm das Monster Anlauf und sprang Buffy an. Sie konnte sich mit einer Seitwärtsrolle aus der Flugbahn des Wesens bringen und rollte sich über die Schulter ab, sah nach dem Mondhund und ließ ihre Axt schwingen.
 

„Du musst dir schon dein Essen verdienen,“ rief sie ihm zu, stemmte sich mit ihren Beinen fest gegen den Boden und erwartete erneut den Sprung, der sofort folgte. Sie duckte sich und ließ das Monster über sich hinwegfliegen. Dabei riss sie ihre Axt nach oben, schlug sie in den Bauch des Tieres und zog kräftig in die entgegengesetzte Richtung. Ein lautes Heulen und Winseln verkündete ihren Erfolg. Das Höllenwesen war doch nicht so unbesiegbar.
 

Buffy wirbelte herum, und starrte in die Dunkelheit außerhalb des Lichtscheins der Fackel. Sie glaubte, es stark genug verletzt zu haben, wurde aber eines Besseren belehrt, als das Monster aus der Dunkelheit auf sie zusprang, sein Maul aufriss und gewaltige Zähne präsentierte. Buffy wurde von den Füßen gerissen, die Axt prellte aus ihrer Hand und schlitterte über den Boden. Sie hatte Mühe, sich mit Händen und Füssen gegen den Körper des Mondhundes zu stemmen, damit seine Zähne ihr weder die Kehle aufreißen, noch sein Kiefer nach ihrem Brustkorb schnappen konnten. Allerdings überraschte sie seine Kraft und ihre Arme begannen, müde zu werden. Das Wesen kam gefährlich mit seinem Gebiss näher. Buffy spannte ihre Muskeln, bis es weh tat, aber sie bekam das Monster keinen Millimeter weiter von sich weg.
 

Plötzlich heulte das Wesen gepeinigt auf und verschwand über ihr. Buffy sprang sofort auf die Füße und sah gerade noch, wie Giles in den Lichtschein zurücksprang. Der Mondhund prallte davor zurück, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen.
 

„BUFFY! Die Axt!“ Giles war ihr die Axt zu. Sie fing sie aus der Luft auf, sah dass das Monster erneut Anlauf auf sie nahm und holte weit, in einer fließenden Bewegung aus. Sie ließ den Mondhund nahe an sich herankommen, machte einen flinken Schritt zur Seite und schlug mit aller Kraft zu. Die Axt drang dem Wesen zwischen den Augen, tief in das Fleisch ein. Buffy spürte einen Widerstand, die Schädeldecke und ließ los. Das Tier prallte im Flug gegen die Wand, orientierungslos vor Schmerz. Was die tiefe Bauchverletzung nicht erreicht hatte, schien der Schlag und der Aufprall geschafft zu haben. Das Wesen blieb winselnd am Boden liegen.
 

„Nimm die Fackel,“ rief ihr Giles zu und Buffy überlegte nicht lange. Sie griff nach dem Stiel, rannte zu dem Wesen, das versuchte nach Buffy zu schnappen, auch wenn es nicht mehr viel sah. Sie hielt ihm die brennende Fackel ins Gesicht, verbrannte ihm das Maul und hielt sich nicht lange mit falschem Mitleid auf, als sie das wenige Fell an seinem Körper in Brand setzte. Erst als sich die Jägerin sicher war, dass diese Ausgeburt der Hölle nicht noch einmal aufstand, ging sie mit Blick auf den Mondhund rückwärts in Richtung Giles.
 

Als sie ihn erreichte, verwandelte sich das Wesen mit einem langgezogenen Heulen in eine gigantische, lebende Fackel. Der Todeskampf währte noch, als rings um sie die Wände ineinander fielen, der Boden erzitterte und das gesamte Labyrinth um sie herum in sich einstürzte. In Erwartung unter den Trümmern begraben zu werden oder in einem Haufen Schutt wieder zu sich zu kommen, sahen sich Buffy und Giles erstaunt und überrascht an, als sie aus den Trümmern verschwanden und sich kurz darauf in einem heruntergekommenen Motelzimmer wieder fanden.
 

„Oops,“ Ethan starrte die beiden Neuankömmlinge an. So war das Ganze nicht geplant gewesen..
 

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Motelzimmer

Ein paar Sekunden später....

“Ethan...,“ spuckte Giles verächtlich den Namen aus. Der Tonfall ließ Ethan erahnen, dass die beiden längst gewusst hatten, wer dahinter steckte. Sie sahen nicht gerade frisch und munter aus, aber leider lebendig. Und zumindest die Jägerin hätte nach seinem Plan heute draufgehen sollen. Für Ripper hatte er anderes geplant.
 

„Hallo Rupert. Lange nicht mehr gesehen.“ Ethan wollte aufstehen, aber noch bevor er sich ganz erhoben hatte, war Buffy an seiner Seite und drückte ihn gewaltsam zurück auf den Boden.
 

„Unten bleiben,“ herrschte sie ihn an.
 

„Aber nun mal ganz langsam,“ beschwichtigte Ethan. „Ihr wollt euch doch nicht an einem unbewaffneten Mann vergreifen?“
 

Giles machte einen wütenden Schritt nach vorne, um Ethan zu zeigen, wie egal ihm dieser Punkt war, als die Türe aufflog und Dawn im Türrahmen stand. Hinter ihr drängten sich Xander, Andrew und Willow in den Raum.
 

„Was... oh, die Kavallerie,“ höhnte Ethan.
 

„Ethan Rayne,“ sagte Xander übelgelaunt. „Ich wollte es ja an der Rezeption nicht glauben, dass sich dieser Schwachkopf tatsächlich unter seinem richtigen Namen eingetragen hat. Noch leichter konnten Sie es uns wirklich nicht machen.“
 

„Nein,“ verfluchte sich Ethan. Immer wieder diese Fehler. Das letzte Mal war es seine Kreditkarte gewesen.
 

„Dumm gelaufen, mein Guter,“ grinste Buffy und stieß ihn mit der Schuhspitze an.
 

In Giles brodelte es. Doch bevor er seinem Ärger Luft machen konnte, hatte er Fragen. Viele Fragen. „Könntet ihr uns für einen Moment alleine lassen,“ sagte Giles in seiner ruhigen Art, die er meist an sich hatte, kurz bevor er ungemütlich wurde. Die Gang sah sich rasch an und auf einmal hatten sie es verdammt eilig, den Raum zu verlassen.
 

Ethan kam langsam auf die Beine. Lange Rituale hatten den Nachteil, dass einem dabei sämtliche Körperteile einschliefen.
 

„Hey, Ripper.. nur mit der Ruhe. Ich meine, wir können das doch alles bereden? In Ruhe. Bei einem Glas Bier? Ich meine... warte doch...nein...,“ weiter kam Ethan nicht, denn Giles’ Faust traf ihn mit voller, wütender Wucht ins Gesicht....
 

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Eine Lagerhalle

Am nächsten Abend.

Weatherby lief unruhig auf und ab. Immer wieder sah er auf seine Armbanduhr und fluchte leise vor sich hin. Unpünktlichkeit ging ihm auf die Nerven.
 

Plötzlich hört er ein leises tick, tock, tick tock. Er sah zum Fenster und entdeckte eine Krähe, die mit ihrem Schnabel gegen die Glasscheibe klopfte. Endlich!
 

Weatherby öffnete das Fenster und die Krähe sprang ins Innere. Plötzlich glomm ein blaues, elektrisierendes Licht auf und umspielte die Krähe. Es wuchs zu einer großen Energiekugel an, welche den Vogel verschluckte. Eine Sekunde später trat aus der Mitte der Kugel die anmutige, asiatische Frau heraus. Allein ihre Flügel waren ihr geblieben, die sie wie einen Umhang um ihren Körper schlug.
 

„Ihr wolltet mich sprechen?“
 

„Allerdings, Samielle,“ fuhr Weatherby die Frau an. „Ich dachte der Auftrag wäre deutlich gewesen?“
 

„Das ist er noch immer.“
 

„Dann erklärt mir, wieso Giles und seine Jägerin bereits wieder im Einsatz sind. Der Wächter hätte für eine Weile abgelenkt werden sollen.“
 

„Ich konnte nicht ahnen, dass mir dieser Chaosbringer mit seinen Racheplänen dazwischen funken würde. Mein Plan war perfekt. Und ich rate euch, daran keine Zweifel zu hegen. Und das nächste Mal, sollte mir mein Auftraggeber die Kritik selbst überbringen.“
 

„Er ist beschäftigt,“ winkte Weatherby ab und zuckte dann mit den Schultern. „Ich dachte, die Wahrsagerin würde ausreichen.“
 

„Sie machte ihren Job hervorragend. Mit dem Rätsel wäre der Wächter lange genug beschäftigt gewesen.“
 

„Was nützen mir Pläne, die perfekt sind, wenn sie nicht funktionieren,“ brummte Weatherby.
 

Die Frau verneigte sich leicht und hielt den Blick gesenkt, als sie wieder sprach. „Ich werde in Zukunft die Pläne besser überdenken.“
 

Sie verbarg das breite höhnische Grinsen, welches sie für diesen... Lakaien übrig hatte, der glaubte, seinen Frust an ihr auslassen zu müssen und zu dürfen.
 

+++
 

Cleveland, Straße

selbe Nacht.

Die Menschenmenge vor dem Konzerthaus löste sich langsam auf, als Giles Lily in den Van half. Im Inneren griff er nach dem Sicherheitsgurt, warf einen Blick in den Rückspiegel und stutzte kurz, als ihm die blau gefärbte Schwellung unter dem rechten Auge entgegenblickte. Der einzige Beweis dafür, dass sich Ethan kurz gegen seine Wut hatte wehren können.
 

Lily blickte zu Giles und sagte ernst: „Ich schätze dein Freund hat mehr abbekommen?“
 

„Nenn ihn nicht Freund,“ knurrte Giles, musste dann aber mit einem sehr zufriedenen Lächeln nicken. Der Scheck, den er dem Motelbesitzer für in die Brüche gegangenes Mobiliar überreicht hatte, hatte nicht wirklich weh getan.
 

„Was hast du eigentlich genau mit Ethan angestellt?“
 

„Außer den letzten Funken Verstand aus ihm herausgeprügelt zu haben? Nichts. Ich habe ihn zum Teufel gejagt.“ Giles lenkte den Wagen auf die Strasse.
 

„Du hättest ihn zur Polizei bringen sollen.“
 

„Ich weiß,“ Giles konzentrierte sich auf das Verkehrsaufkommen vor dem Konzerthaus. „Aber was hätte ich schon der Polizei sagen sollen?“, fügte er resigniert hinzu.
 

++++
 

Cleveland,

unterwegs

Buffy schlenderte nachdenklich durch die Strassen ihres neuen Wohnviertels. Hier herrschte Ruhe und nicht ein einziger Vampir war ihr bis jetzt begegnet. Allerdings auch keine Menschenseele. Das wiederum machte sie stutzig. Aber im Moment schwirrten ihr ganz andere Dinge im Kopf herum.
 

Ein von Sorge gezeichnetes Gesicht zeugte von der Schwere ihrer Gedanken, die sich um das Labyrinth, ihre Worte gegenüber Giles und die Dinge drehten, die er ihr erzählt hatte. Und natürlich um Ethan. Diesen schmierigen kleinen Chaosbringer, der sich an ihnen für seine Verhaftung hatte rächen wollen, in dem er ein gieriges Monster auf ihre Fersen setzte, um Giles psychisch fertig zu machen. Ethan schien gehofft zu haben, ihr damit den Rückhalt zu rauben, um ein leichteres Spiel mit der Jägerin im Labyrinth zu haben.
 

Vielleicht hatte er auch nur einmal mehr ein böses Spiel mit ihnen gespielt, das haarscharf am Tod vorbei gegangen war. Und da das Böse nie gewinnen konnte, so optimistisch war Buffy inzwischen noch immer, war Ethans Plan wie so oft nicht aufgegangen. Das Monster, von dem Giles heute Morgen als Managram gesprochen hatte, war ein ausgestoßener Mondhund gewesen, der vor über 30 Jahren durch Zufall schon einmal Giles Weg auf tragische Weise kreuzte. Eine vom Rudel ausgestoßene Kreatur, die sich normalerweise von Toten ernährten, um mächtiger zu werden.
 

Ethans Monster hatte jedoch vor langer Zeit Gefallen an Frischfleisch gefunden und gierig wie es war, nicht genug bekommen. Zu ihrem Glück hatte es dadurch die sichtbare Blutspur durch Cleveland gezogen. Hätte Giles früher mit ihnen darüber geredet, hätten sie vielleicht gemeinsam Ethan als Drahtzieher entlarven können. Ihnen wäre das Labyrinth und der Streit erspart geblieben.
 

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Ratsgebäude

Der Van bog von der Hauptstrasse in das Wohnviertel ab, in welchem die ehemalige Baptistenkirche stand. Sie hatten beide eine Weile geschwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Giles wusste, dass es nichts bringen würde, wenn er immer wieder versuchte, darüber nachzugrübeln, wieso Buffy in den letzten Wochen zum einen eine Abneigung gegenüber Lily entwickelt hatte und zum anderen, ihn von sich wegstieß.
 

Nicht das er das nicht gewohnt wäre – Buffy hatte immer wieder solche Phasen gehabt, doch gerade jetzt, als er zu glauben schien, alles würde sich fügen, fing es wieder von vorne an. Dabei hätte er sich, seitdem sie den Managram getötet hatten, gut fühlen müssen. Die ausgestoßene Höllenbrut, die vor so vielen Jahren seine Mutter ermordet hatte, weil der Rat es damals nicht für wichtig genug gehalten hatte, alle Wächter und Anwärter über die neue Kreatur im Spiel gegen das Böse zu informieren, war tot.
 

Sie war gerächt. Und doch blieb ein bitterer Nachgeschmack, den er Sinas Mondkarte zu verdanken hatte.
 

Die nordischen Mythen berichten über den Mondhund, dass er zum Zeitpunkt des Weltunterganges den Mond verschlingen würde. Der Mond. Er hatte die ganze Zeit nach einer Erklärung für diese Tarotkarte gesucht. Die anderen waren ihm jetzt endlich klar geworden, sie standen für seine Mutter, Thomas und Jenny. Sina hatte recht gehabt, es waren wichtige Personen aus seinem Leben, die durch die letzte Karte, den Tod miteinander verbunden waren. Sie alle hatten das gleiche Schicksal erlitten.
 

War die vierte Karte am Ende Buffy gewesen, die er vor Ethans Rache beschützt hatte? War die Gefahr damit gebannt? Oder war die vierte Person längst tot, und er war nur nicht fähig gewesen, das Rätsel zu entschlüsseln?
 

Die Attribute, die Sina für den Mond gedeutet hatte, passten nicht auf Buffy. Vielleicht hätte der Mondhund noch jemanden anderen getötet, der ihm etwas bedeutete, wenn sie sich ihm nicht im Labyrinth gestellt hätten. Oder es war nur ein weiterer Hinweis und die Person schwebte Gefahr.
 

„Rupert? Alles in Ordnung?“ Lily legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er drehte ihr seinen Kopf zu und starrte durch sie hindurch. „Rupert! Du fährst gerade am Haus vorbei!“
 

„Oh, was?“, er trat hart auf die Bremse. Sie wurden beide nach vorne geschleudert, und zurück in den Sitz geworfen. „Entschuldige. Ich war gerade...“
 

„Nicht anwesend? Das wäre noch stark untertrieben,“ stöhnte Lily und hielt sich den Kopf, der durch den Ruck unangenehm gegen die Kopfstütze geflogen war und zu dröhnen begann. Ohne weitere Worte legte Giles den Rückwärtsgang ein und setzte zurück in die Auffahrt des Ratsgebäudes.
 

„Du hast an Buffy gedacht oder?“, Giles nickte langsam und stellte den Motor ab. „Hast du ihr... hast du ihr alles über damals erzählt?“
 

„Nicht alles. Manche Dinge behalte ich doch lieber für mich. Buffy ist nicht sehr angetan von meiner Idee den Rat wieder aufzubauen. Es würde ihre Meinung darüber nur stärken, wenn ich ihr davon erzählt hätte, dass der Rat den Managram geheim hielt,“ Giles seufzte frustriert. „Aber es macht sie auch nicht wieder lebendig, wenn ich darüber weiter nachdenke.“
 

Er sah auf die Einfahrt hinaus. „Ich habe auch Buffy nichts von unserer damaligen Verlobung erzählt. Sie mag dich nicht besonders,“ gab er offen zu, da er wusste, dass Lily dies schon längst bemerkt und gespürt hatte. „Ich glaube es hätte ihr den Todesstoss versetzt, wenn ich ihr auch das noch gestanden hätte. Irgendwann wird sie auch das erfahren.“
 

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Erie See

selbe Zeit

Die blonde Jägerin zog ihre Jacke enger um ihren schmalen und schlanken Körper, als ein Wind vom See herüberwehte und eisige Kälte mit sich brachte. Sie war noch immer damit beschäftigt herauszufinden, wie sie sich bei Giles entschuldigen konnte. Schließlich hatte sie nicht alles so gemeint, wie sie es gesagt hatte. Einiges war ihr einfach schon zu lange schwer auf der Seele gelegen und sie hatte es bislang nur nicht laut ausgesprochen, um Giles nicht damit weh zu tun.
 

Der Grund lag viel tiefer, wie sie heute feststellen musste und war doch so viel banaler. Zum Teil ging es ihr nur darum, zu beweisen, dass sie nicht mehr länger von Giles abhängig sein wollte. Selbst Dawn hatte es geschafft, Schule und einen Job zu vereinbaren. Aber sie? Sie wusste noch nicht einmal, wieso sie noch immer gegen das Böse kämpfte, wo sie sich immer ein normales Leben gewünscht hatte, befreit von der schweren Last, die Welt vor dem Bösen zu bewahren.
 

Und da sollte sie einen von Giles bezahlten Job annehmen und sich erneut in Abhängigkeit begeben? Jetzt wo sie den Sprung in eine eigene kleine Wohnung geschafft hatte?
 

Womöglich wollte sie nur Distanz schaffen, verhindern, dass ihr wieder weh getan wurde, wenn sie sich zu sehr an die Anwesenheit von Giles gewöhnt hatte. Ein Ruf aus London und ihr ehemaliger Wächter war wieder fort.
 

Wen hatte sie denn noch, auf den sie sich als Erwachsenen verlassen konnte? Ihre Mutter lag beerdigt unter den Trümmern von Sunnydale, ihr Vater kümmerte sich lieber um Sekretärinnen und seinen Job, hatte nie richtig Zeit am Telefon und die weitläufigen Verwandten kannte sie kaum. Dawn war einfach noch zu jung, um manche Probleme wirklich zu verstehen, Willow und Xander begannen langsam aus ihrem Schatten herauszutreten, um ein eigenes Leben zu führen, wie sie es schon in den letzten beiden Jahren in Sunnydale versucht hatten.
 

Angel war unerreichbar in LA. mit eigenen Problemen beschäftigt und Spike, dem sie das letzte Jahr über so viel Vertrauen entgegen gebracht hatte, der für sie trotz allem da gewesen war, hatte sich am Rand des Höllenschlundes für sie alle geopfert. Vielleicht wäre es keine all zu schlechte Idee, wenn sie einfach Angel anrief, um ihm mitzuteilen, dass sie wieder im Lande war? Sie konnte ihm ihre Probleme erzählen, ein paar Erinnerungen an Spike austauschen... aber das würde ihr Problem mit Giles nicht lösen.
 

Sie wusste, dass Giles einen Verdacht hatte. Schon als er im Labyrinth aufgehört hatte, ihr zu widersprechen, sondern sie reden ließ und dann mit seinem durchdringenden Blick taxiert hatte, war ihr das klar geworden. Aber was würde sie ihm sagen, wenn er irgendwann in den nächsten Wochen nach Antworten verlangte? Wo sie ihm doch solch gemeine Dinge an den Kopf geworfen hatte.. von ihrer Freundschaft sogar als Verpflichtung gesprochen hatte, ihn als kaltblütigen Mörder von Ben sah...
 

Dabei war die Antwort doch so einfach und hatte ihren Ursprung an dem Tag genommen, als sie in LA zwischenlandete, bevor sie nach Cleveland weiterflog.
 

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Ratsgebäude

Wieso und warum es geschah oder wer das richtige Signal setzte, wusste Giles nicht mehr zu sagen, als er auf der Treppe nach oben Lilys Hüfte umschlang, um sie an sich heranzuziehen. Sie wehrte sich nicht einmal besonders, als er sie zögernd küsste.
 

Vielleicht lag es an dem Moment im Wagen, als sie zum ersten Mal, seit sie einander wieder in London begegnet waren, von der „großen“ Sache zwischen ihnen gesprochen hatten. Möglicherweise brauchte er auch einfach nur ein wenig Trost nach allem mit Buffy, jemanden der ihn hielt und Liebe gab, der ihn verstand, der Erinnerungen mit ihm teilte ... und sie.. sie schien es die ganze Zeit über erwartet zu haben...
 

... sie nahmen sich nicht die Zeit für den Weg ins Schlafzimmer und aus dem zögernden Kuss war Leidenschaft geworden, die Jahre lang geschlummert hatte. Vergraben unter einem Panzer der Bitterkeit und Enttäuschung. Er hatte damals seine Zelte abgebrochen, war Hals über Kopf aus Oxford verschwunden und in London untergetaucht. Er hatte Zeit gebraucht, um mit dem erneuten, aber endgültigen Verlust seiner Mutter fertig zu werden.
 

Ihm war nicht mehr nach nächtlichen Studien von Vampiren, Werwölfen und anderen Kreaturen oder dem Okkulten gewesen. Es war für ihn nicht möglich gewesen, etwas weiterzuführen, mit dem er angeblich gegen das Böse auf der Welt vorgehen konnte und dabei nicht einmal seine Mutter hatte beschützen können. Sie war dem zum Opfer gefallen, vor dem sie damals Jahre zuvor geflohen war, als sie die Familie verließ. Es war einfach zu einer Glaubensfrage geworden.
 

Erst später, als er Ethan und den Rest kennen lernte, taute er wieder auf, war bereit für das Leben. Ein wenig zu zügellos, zu freigiebig, als wäre jeder Tag sein letzter gewesen. Lily hatte keinen Platz darin gehabt und als er zu ihr zurückfand, hatte sie das auch selbst erkannt...
 

...seine Smokingjacke flog auf die Küchentheke und Lilys Finger löste seine Fliege. Seine Hände streiften ihre Bluse über die Schultern und verharrten über einer halbkreisförmigen Narbe an ihrem Oberarm.
 

„Die scheint mir neu zu sein,“ sagte er lächelnd und fuhr sanft mit den Fingerspitzen darüber.
 

„Was?“ Lily wurde aus ihren warmen Gedanken gerissen und folge Giles Fingern, die über ihre Narbe strichen. „Oh, du meinst meine Narbe. Ja, die habe ich mir vor ein paar Monaten zugezogen, als ich vom Pferd fiel,“ sie griff nach seiner Hand, zog sie an ihre Lippen, und küsste seine Fingerspitzen. „Nichts ernstes...,“ hauchte sie atemlos, als Giles seine Hand zurück zog, und begann ihren Hals mit leichten Küssen zu bedecken. „Ich bin nur ungeschickt gegen den Zaun geflogen und hab mir einen rostigen Nagel in das Fleisch gebohrt.“
 

„Mhm,“ murmelte Giles und sah zu ihr zurück. „Sie verunstaltet dich nicht gänzlich,“ grinste er und bekam einen Klaps. Doch dann zog Lily Giles am offenen Hemdkragen zu sich herunter und hauchte ein: „Ich erwarte jetzt deine vollste Konzentration...“, bevor ihre Worte in einem langen, leidenschaftlichen Kuss untergingen.
 

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Erie See

selbe Zeit

Buffy stand alleine auf einer Mauer, sah mit traurigem Gesicht hinüber zum Erie-See, ließ die kühle Briese in ihrem Haar spielen und hatte gegen die innere Kälte ihre Arme um ihren Körper geschlungen.
 

Heute Nacht war ihr klar geworden, wie einsam sie wirklich war. All ihre Freunde, die sie über die letzten Jahre durch alle Tiefs und Hochs begleitet hatten, konnten diese Einsamkeit nicht vertreiben. Denn im Gegensatz zu ihr, hatten sie alle Dinge in ihrem Leben erreicht, hatten ein Ziel vor Augen und das beängstigende an der ganzen Sache war, dass sie inzwischen auch alle sehr gut auf sich alleine aufpassen konnten. Noch nie war sie sich so überflüssig vorgekommen, wie in diesem Augenblick...
 

GrrrArghhhh

Folge 8: Checkmate

Länge: ca. 55 Seiten

Autor: Nightfever

Co-Autoren: Yamato, Mel, Cthulhu

Bilderstellung: Chris
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

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Giles (V.O.): Bisher bei Buffy....
 

Buffy kämpft mit einem Dämonen-Ninja, reißt ihm die Maske ab ... lila und grüne Tätowierungen kommen zum Vorschein - 8.01
 

Der Djinn erfüllt Xanders Wunsch nach Karriere - seine attraktive Sekretärin lehnt sich lüstern zu ihm herüber: "Was ich damit meine, Liebling, wenn ich jemanden in einen Sarg lege und begrabe, obwohl er noch nicht tot ist, führt es schlussendlich doch wieder zu dem Ergebnis, dass in dem Grab eine Leiche liegt." - 8.04
 

Kennedy wirft Andrews Schlüsselanhänger in einen Brunnenschacht. - 8.06
 

Kan Hrsing in der Tiefgarage zu Marvin/Iah K'uru: "Es bedarf immer eines Menschen dem man die Sache anhängen kann" - 8.06

Marvin wird von Buffy getötet als er Shin und Dawn angreift - 8.06
 

Sina wird in ihrem Zelt getötet, ihre Mörderin verwandelt sich in eine Krähe und fliegt davon - 8.07
 

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TEASER
 

TOKIO, Oktober 2003

Japanische Firma, Konferenzraum, nachts.

Es herrschte erwartungsvolle Stille in dem kleinen Raum, der mit seiner sterilen Atmosphäre an einen Operationssaal erinnerte. Rund um den gläsernen, rechteckigen Tisch hatten sich acht Personen verteilt, jeweils vier Frauen und vier Männer asiatischer Herkunft. Ihre grauen Anzüge unterstützten die kalte Stimmung und ihre angespannten Gesichter waren zwei weiteren Männern in weißen Kitteln zugewandt, die anhand einiger Tafeln und Gegenständen, augenscheinlich etwas zu erklären hatten.
 

Währenddessen versammelten sich einige schwarz gekleidete Gestalten in Kampfanzügen auf dem flachen Dach des Gebäudes und prüften ein letztes mal die Stabilität ihrer Seile, welche mit Hilfe von Haken am schmalen Rand des Daches befestigt waren. Lautlos warfen sie sich Blicke und Zeichen zu, bis sie sich, wie auf Kommando über den Rand schwangen und sich vorsichtig an der Hauswand entlang abseilten.
 

Niemand der Anwesenden in dem Konferenzraum schien die schwarzen Schatten zu bemerken, die sich von außen immer weiter der gewaltigen Fensterfront näherten, denn zu gespannt blickten sie alle auf die Herren in den Kitteln, die nun begonnen hatten ihr brisantes Material auszupacken und mit knappen Worten etwas dazu sagten. Und selbst wenn auch nur einer in das Glas geschaut hätte, so wäre nichts zu sehen gewesen außer dem eigenen Spiegelbild, da es draußen bereits dunkel war und die Scheiben nur reflektierten was ihnen das Neonlicht des Raumes vorgab.

Ein letztes Mal verständigten sich die Ninjas mit Zeichen als sie die Glasfront erreicht hatten und entschlossene, eindeutig asiatische Augen blitzten kalt durch die Augenschlitze der Masken hinein in das Gebäude, bevor sie Schwung nahmen und durch das Fenster brachen.
 

Innerhalb von Sekunden war das Licht gelöscht und man hörte nur die dumpfen Kampfgeräusche, unterbrochen von dem Knirschen zerbrechender Möbel und einigen Schmerzensschreien.

Eine Tür öffnete sich und blendendes Licht fiel durch den Rahmen, als eine der Frauen im grauen Anzug auch schon hinausstürzte, gefolgt von einigen der schwarz gekleideten Kämpfer.

In ihrer Hand hielt sie ein kleines Reagenzglas mit lilafarbigem Verschluss und hektisch sah sie sich in dem Gang um, bevor sie, so schnell sie konnte, weiter rannte und eine der Türen aufstieß, die zu einem Treppenhaus führte. Sie hörte die Schritte hinter sich und nahm gleich mehrere Stufen auf einmal um nach unten zu gelangen. Ein paar mal stolperte sie beinahe, doch sie hörte ihre Verfolger im Nacken und ihr verzerrtes Gesicht verzog sich zu einem abfälligen Grinsen während sie weiter flüchtete.
 

Endlich war sie im Erdgeschoss angekommen und ein Tritt öffnete ihr die Tür zu der kleinen Eingangshalle, wo sie auch schon abrupt stehen blieb, denn 3 weitere Ninjas hatten sie nun umringt und ganz offensichtlich schon erwartet. Hinter ihr war wieder das Geräusch der schweren Tür zu hören und ohne hinzusehen, wusste sie, dass ihre Verfolger gekommen waren.

Vorsichtig warf sie einen verstohlenen Blick auf das kostbare Glas in ihrer Hand, als sich ihre Gestalt auch schon zu verändern begann.
 

Ihr ganzer Körper schien zu wachsen und die kleinen, zarten Hände, die noch vor wenigen Sekunden das Reagenz hielten, verkrümmten sich zu groben Klauen. Das Gesicht wurde flacher und ein lippenloses Maul bildete sich dort, wo eben noch ein Mund gewesen war. Statt einer Nase prangten nun einige Löcher mitten in der Fratze und ein drittes Auge bildete sich etwas oberhalb der beiden anderen, deren gelbe Farbe und Form an denen von Katzen erinnerten. Sogar die Kleidung verschwand und machte Platz für eine kuttenähnliche Robe.
 

Vorsichtshalber wichen die schwarzen Angreifer einen Schritt zurück, als auch schon ein greller Lichtstrahl aus dem 3. Auge des Dämons einen der schwarzen Krieger zu Boden schleuderte. Durch den Treppengang und aus einem der Aufzüge kamen nun einige Männer hinzu, deren Gestalten sich sofort in die von lippen- und nasenlosen Monstern verwandelten.
 

Die überrumpelten Ninjas sahen sich gezwungen gegen sie anzutreten, da diese sofort angriffen und versuchten einen schützenden Kreis um ihre Anführerin zu ziehen.
 

Endlich schaffte es einer der Angreifer sich bis zu dem weiblichen Dämon durchzukämpfen, als auch schon ein weiteres Funkeln aus ihrem dritten Auge reichte um ihn einige Meter zurückzuschleudern, wobei durch den glühenden Blitz Teile der Maske zerrissen wurden.

Glasige Augen einer toten Asiatin blickten nun anklagend in das Kampfgewühl und während ihr Kopf kraftlos zur Seite fiel, ließ die zerfetzte Maske den Blick frei auf lila und grüne Tattoos, die die Schläfen der Ninjakriegerin zierten, während um sie herum ihre Brüder einen schier aussichtslosen Kampf fochten.
 

Unbeeindruckt verließ der Dämon mit dem Reagenzglas in der Klaue nun die kleine von Kampfschreien erfüllten Halle und während sich ihre Gestalt wieder in die kleine menschliche Japanerin verwandelte, erreichte sie im Schutz der Dunkelheit den dunkelblauen Mercedes auf dem Parkplatz vor dem Gebäude.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, nicht verfolgt zu werden, startete sie den Wagen, um an der nächsten Ecke schon wieder anzuhalten.

Behutsam packte sie das kleine Reagenzglas in ein gut ausgepolstertes Päckchen, welches auf dem Rücksitz bereit gelegen hatte und verklebte sorgfältig die braune Pappe. Eine Weile suchte sie hektisch in dem Handschuhfach herum, bis sie endlich mit einem bösen Lächeln auf den Lippen einen Filzschreiber hervorzog und mit großen Blockbuchstaben eine Adresse auf das Päckchen kritzelte:

Barker Cooperation, Cleveland, USA
 


 

CLEVELAND, Gegenwart

Barker Cooperation Gebäude, mittags.

Für einen Moment verharrte Xander vor dem Gläsernen Gebäude und starrte die 30 Stockwerke hinauf um dann in dem sich spiegelnden Material der Eingangstür noch einmal den korrekten Sitz seiner Krawatte zu überprüfen.
 

Vorsichtig zählte er in Gedanken ein paar Zahlen rückwärts um seine blanken Nerven zu beruhigen, denn es war sein erster Auftrag dieser Art und wenn er es vermasselte, dann sicherlich auch sein letzter.
 

Es galt einen Immobilienblock an die Barker Cooperation zu verkaufen und so sehr es ihn auch freute endlich mit solchen Aufgaben betreut zu werden, so war es doch eine Premiere und die Nervosität entsprechend groß. Seine Firma war nur ein winziger Teil im Getriebe dieses mittleren Imperiums und doch war er sich der Bedeutsamkeit seines ersten Einsatzes durchaus bewusst.
 

Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr machte ihm klar, das er sich beeilen musste und Xander versuchte nun im Spiegel ein paar ‚wichtige’ Gesichtsausdrücke aufzusetzen um sich dann aber doch dafür zu entscheiden, dass das keine Gute Idee war, denn ein Mann im Anzug, der nun aus der großen Tür trat, sah ihn verwundert an.
 

„Guten Morgen!“ Grüßte Xander ihn freundlich, betrat nur schwer durchatmend das Gebäude und schwenkte dabei seine lederne Aktentasche, während er gar nicht mehr bemerkte wie ihm der Unbekannte fragend nachsah.
 

In der gigantisch wirkenden Eingangshalle trat er auch gleich zielsicher auf den Informationsstand zu, wo eine viel zu aufdringlich geschminkte junge Frau mit einem Headset auf dem Kopf gelangweilt immer wieder auf einige Knöpfe drückte und ihren: „Barker Cooperation – Moment ich verbinde“ Spruch aufsagte.
 

„Ich habe einen Termin, wo finde ich Ms. Cronenberg?“ Unterbrach Xander sie kurz und legte ihr mit eingeübtem lockern Schwung aus dem Handgelenk eine seiner wenigen, und nur für diesen Zweck hergestellten Visitenkarten auf die Theke.
 

Die Brünette klimperte kurz mit ihren künstlichen Wimpern, beachtete die Karte nicht weiter und flötete ihm ein ‚21. Stock’ entgegen, um sich dann sofort wieder ihren Telefonaufgaben zu widmen.

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sich der junge Mann ob er die Karte wieder an sich nehmen sollte oder nicht, entschied sich dann aber diese zu opfern und drehte sich zu den Aufzügen herum.

Es dauerte auch nicht lange bis sich eine der vier Türen auch schon mit einem leisen ‚Pling’ öffnete und eine Schar junger Frauen mit Aktenordnern unter den Armen freiließ, so dass er nicht umhin kam der geballten Ladung Weiblichkeit hinterherzublicken und beinahe vor die sich wieder verschließende Aufzugtür stieß.
 

Reiß dich zusammen, schimpfte er sich selbst und suchte nun konzentriert nach dem Druckknopf mit der Nr. 21. Beinahe lautlos und kaum spürbar bewegte sich der Fahrstuhl nach oben und im Spiegel der Rückwand munterte Xander seinem Abbild mit einem „du schaffst das schon“ auf.

Es war ‚die’ Gelegenheit mehr aus seinem Job zu machen. Mehr Einfluss zu haben, Geld zu verdienen… Anya wäre stolz auf ihn gewesen….
 

Das plötzliche Stocken des Fahrstuhls unterbrach seine Gedankengänge und ein Blick auf die Leuchtziffer sagte ihm dass es erst der 6. Stock war. Eine attraktive Blonde mit eindeutig zu engem knielangem Rock unter dem sich weibliche Rundungen provozierend abhoben trat zu ihm in den engen Raum. Die Haarfarbe erinnerte ein wenig an Anya wenn sie grade mal blond war.
 

Wie war eigentlich ihre wirkliche Farbe gewesen? Im Grunde hatte ihn das nie wirklich interessiert… Seufzend versuchte er die aufkommenden schmerzenden Erinnerungen zu verdrängen und holte sich seine Aufgabe wieder zurück ins Gedächtnis.
 

Er musste es schaffen diese Immobilien zu verkaufen, und zwar zu einem akzeptablen Preis. Sein Chef hatte ihm eingebläut wie wichtig der Auftrag war und die Geschäfte waren eh nicht besonders rosig.

Er verstand zwar immer noch nicht warum grade er ausgesucht worden war, aber Xander fragte nicht weiter nach. Jeder hätte sich um den Job gerissen, denn wenn er es schaffte ein positives Ergebnis zu bringen war die nächste Gehaltserhöhung so gut wie sicher…
 

„Hallo? “ Irritiert ließ Xander seinen Blick nun nach oben in das sonnenbankgebräunte Gesicht des Mädchens wandern. “Wollten sie hier heraus?”
 

21. Stock. Wie lange hatte er geträumt? Noch ein wenig verwundert stolperte er hinaus in den durch das kalte Neonlicht beinahe steril wirkenden Büroraum, wo ein geschäftiges Treiben herrschte. Am Ende des Großraumbüros sah man verschlossene Türen mit Namensschildchen und so beschloss er sich bis dahin durchzukämpfen.
 

Eve Cronenberg. Der Name klang schon so streng. Zweifellos war es eine dieser Karrierefrauen. Optisch auf männlich-herb getrimmt, bestimmt schon in den späten Vierzigern, dazu eiskalt und mit Sicherheit unverheiratet...
 

Vor seinem geistigen Auge entwickelte sich die passende Phantasiegestalt dazu und eine Gänsehaut überzog ihn während er sich Schritt für Schritt der Tür mit dem passenden Namenzug näherte.

Graues Kostüm, schwarzes Brillengestell und hochgesteckte aschblonde Haare. Harvard-Universitätsabschluss-Diplom an der Wand und diverse Photos von Nichten, Neffen und der heimischen Katze auf dem Schreibtisch. Dazu ein Portrait des Firmengründers... Vielleicht war doch nicht so eine gute Idee gewesen den Job anzunehmen. Ganz sicher hasste sie Männer wie ihn!
 

Die ersten Schweißperlen rollten seine Stirn entlang als sich die mausgraue Gestalt seiner Einbildung in eine riesige Schlange verwandelte und ihre spitzen Zähne…
 

„Kann ich ihnen helfen?“ Erschrocken wich Xander einen Schritt zurück, denn seine Phantasie hatte Form angenommen.
 

Vor ihm stand tatsächlich eine ältere, streng aussehende Frau mit grau gesträhntem Dutt, Brille und grauem Chanelkostüm.
 

„Ich ähm…“ War es wirklich so hieß in diesem Raum? Nervös fingerte Xander nach einer der Karten und reichte mit feuchten Händen eine davon an die Schlange vor ihm.
 

„Ach sie sind der Termin von Eve. Warten sie bitte, ich melde sie an.“ Erleichtert ließ sich der junge Mann auf eine der Bänke vor der Tür fallen du wischte sich mit dem Ärmel seines teuren Anzugs über die schweißnasse Stirn, misstrauisch beäugt von einer der vielen Bürodamen, die direkt vor ihm an einem Kopierer stand.
 

Gab es überhaupt Männer in diesem Haus?
 

„Kommen sie herein.“ Bat die Schlange ihn nun, nachdem sie aus dem dunklen Loch wieder herausgetreten war um die Beute nun ihrer Herrin zu überlassen.
 

Xander, du solltest mal zum Psychiater, dachte er bei sich. Riss sich zusammen und betrat mit klopfendem Herzen das helle Büro, während sich hinter ihm die Tür wieder schloss.
 

Kein Diplom an der Wand, war das erste was ihm auffiel, dafür verschiedene Drucke diverser Expressionisten. Überhaupt schien er wieder nur an eine Sekretärin geraten zu sein, denn die Frau um die 30, welche grade dabei war einige Akten in dem Regal an der Wand zu verstauen, sah alles andere als nach einem Karrieredrachen aus.
 

Ein runder Tisch auf dem einladend einige Getränke und Akten verteilt lagen war der Mittelpunkt des Raumes und die komplette Fensterfront zeigte einen Ausblick auf die anderen Wolkenkratzer der Umgebung. Abschätzend trat die blonde Schönheit nun auf ihn zu taxierte misstrauisch den jungen Mann vor sich.
 

„Hallo! Ich bin Eve Cronenberg, aber nennen sie mich Eve.“ Damit reichte sie ihm kühl ihre Hand.
 

„Alexander Harris, nennen sie mich Xander.“
 

Ups, hoffentlich war das kein Fehler. Warum gab es kein Handbuch für solche Sachen? Tipps und Tricks für angehende Karrieretypen...
 

Er hatte keine Ahnung ob das so üblich war, aber nun war es zu spät.
 

„Haben sie alles dabei?“ Ihr abschätzender Blick fiel auf seine lederne Mappe und Xander brachte ein vorsichtiges Nicken zustande ohne seine Augen, oder besser gesagt sein Auge von der schönen Frau vor ihm zu nehmen, die ihm merkwürdigerweise sehr bekannt vorkam. Immer noch hielt er ihre Hand als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel… Das war die gleiche Frau aus seinem Karrierewunsch des Dschinns und mit einem Ruck entzog er seine Hand um sich misstrauisch umzusehen.
 

„Dschinn?“ Seine Nackenhaare stellten sich hoch und wieder überkam ihm das Verlangen sich zu zwicken. War das alles noch der gleiche böse Wunschtraum? Oder handelte es sich um einen Zufall?

Die blonde Frau vor ihm blinzelte ein wenig verwirrt und betrachtete Xander mit einem Blick aus Misstrauen und Nachsicht.
 

„Was meinten sie bitte?“
 

Erschrocken fuhr er zusammen und schüttelte die wirren Gedanken aus seinem Kopf. „Ähm … Dschinn…ja… Gin… Ginger Ale… Ich frage mich ob sie auch zufälligerweise auch Ginger Ale dabei haben?“ Und deutete demonstrativ auf die sorgfältig aufgestellten Getränke.
 

„Nein, aber ich lasse Ihnen gerne etwas…“
 

„Nein, nicht nötig, vielen Dank.“ Endlich fühlte Xander, dass er sich wieder unter Kontrolle hatte und schenkte der entzückenden Blonden ein strahlendes Lächeln.
 

„Dann nehmen sie doch bitte Platz….Xander.“ Lächelte sie nun gekünstelt zurück und winkte einladend mit der Hand zu dem Tisch herüber. „Die Herren Smith und Jones kommen auch jeden Moment dazu.“
 

Ok, warten wir mal auf Kid und Hannibal, dachte er noch belustigt über diese besonders 'ausgefallenen' Nachnamen, konzentrierte sich dann aber wieder auf seine Aufgabe und packte mit feuchten Händen die ersten Unterlagen auf die glänzende Tischplatte…
 


 


 

Opening Credits
 

AKT 1
 

Buffy und Dawns Wohnung, früher Nachmittag

Dawns Zimmer

Behutsam rollte der Teenager das riesige Poster aus und starrte einen Augenblick lang verwirrt auf das große männliche Gesicht, welches ihr von dem glänzenden Papier entgegenlächelte.
 

"Na, wie findest du ihn?“ Erwartungsvoll war Andrew auf dem Bett - zur Zeit die einzige Sitzgelegenheit im Raum, denn das Zimmer war noch nicht vollständig eingerichtet - ein Stück zu ihr hingerutscht, und lauerte nun gespannt auf die Reaktion des Mädchens.
 

"Oh...ja… wundervoll! Danke, Andrew. Er ist…“
 

"Captain Archer,“ unterbrach der blonde Junge sie mit einem hingebungsvollem Seufzer um gleich darauf schmachtend die Augen zu verdrehen, und auf die noch kahlen Wände des Zimmers zu blicken. "Wo hängen wir ihn denn auf? Direkt über dem Bett? Oder lieber an der Tür?“
 

Gespannt wartet er auf Antwort, doch Dawn biss sich auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach. 'Am liebsten auf der Rückseite vom Schrank', dachte sie bei sich, wusste aber, dass sie ihn verletzen würde, wenn sie den Gedanken laut aussprach. "Ich glaube, die Tür ist der beste Platz für ihn,“ stimmte sie Andrew zu, dessen Augen nun aufstrahlten.
 

'Zumindest kann ich dann immer noch eine Jacke darüber hängen, wenn unerwartet einer meiner Freunde auftauchen sollte…', überlegte sie, doch im gleichen Augenblick plagte sie wieder ihr schlechtes Gewissen, so undankbar ihm gegenüber zu sein.
 

Worüber machte sie sich eigentlich Sorgen? Sam, Josh, und Mara würden garantiert nicht schlechter von ihr denken, wenn sie zugab, dass sie Enterprise Fan war, und was oberflächliche Schönlinge a la Leroy anging, die gehörten nun endgültig der Vergangenheit an.
 

"Stimmt, lieber Tür..." überlegte Andrew. Plötzlich nahm sein Gesicht einen schelmischen Ausdruck an. "Oder lieber doch Bett, dann kannst du deinen Freund damit eifersüchtig machen!" Vorsichtshalber rückte er ein Stück von Dawn weg, als befürchte er, sie werde ihn kitzeln, oder mit Kissen bombardieren.
 

Doch Dawn verdrehte nur die Augen, und grinste dann ebenso schelmisch zurück. "Aber natürlich, klar! Und dann erzähl' ich ihm, dass er total uncool ist, und dass - wie hieß der Kerl noch mal - Lex Luthor ein viel besserer Supergangster ist, als er, und dass er mir gefälligst ' ne Raumstation zum Geburtstag schenken soll, wenn ich aufhören soll, zu schmollen..."
 

Sie duckte sich mit atemberaubendem Reflex unter einem Kissen hinweg, welches soeben angeflogen kam. "Wach auf, Andrew, Shin ist viel zu reif und erwachsen, als dass man ihn ärgern, oder überhaupt aus der Ruhe bringen könnte. Er ist...was? Was ist los?" fragte sie leicht genervt, als Andrew, anstatt den Beleidigten zu spielen, wie sie eigentlich erwartet hatte, in ein Kichern ausbrach.
 

"Du gibst es also endlich zu?" fragte Andrew, der sich kaum beruhigen konnte. "Dass Shin dein Freund ist, meine ich?"
 

Dawn wurde rot. "Ich gebe überhaupt nichts zu," protestierte sie. "Wir waren nur auf dem Halloween Ball...."
 

"...wo ihr euch beinahe geküsst habt," unterbrach Andrew.
 

"...und einmal nach der Arbeit zusammen essen." setzte Dawn den Satz fort.
 

"...wo ihr euch tatsächlich geküsst habt," stellte Andrew amüsiert fest.
 

"Küsschen," verbesserte Dawn. "Es war nur ein Küsschen, nichts weiter, und wenn du nicht bald aufhörst, mich zu ärgern, erzähl' ich dir gar nichts mehr," drohte sie, was Andrew aber nicht im mindesten beeindruckte. "Erstens ärgerst du mich noch viel mehr, und zweitens ist es deine eigene Schuld, wenn du dich ärgern lässt, du musst halt auch so 'reif und erwachsen' werden, dass es dir nichts mehr ausmacht," grinste er zurück. "Und drittens wollte ich nicht einfach eine Raumstation, sondern einen Todesstern, das ist ein Riesenunterschied! So einen zum Zusammenbauen, du weißt schon, die gibt es als Modell, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen, ihn fertig zu bauen, weil Buffy unser Versteck gefunden hat, und wir weg mussten und so weiter." Er verzog traurig das Gesicht.
 

"Aber es war eh nur ein alter mit dem Neue-Hoffnung-Design, und ich wollte den aus 'Rückkehr der Jedi Ritter'", fügte er hinzu, um sich wieder aufzumuntern.
 

"Ist ja gut," seufzte Dawn. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine von Andrew's Sci-Fi Debatten. Eigentlich wollte sie viel lieber weiter über Shin reden, selbst auf die Gefahr hin, damit aufgezogen zu werden. Es gab nicht all zu viele Leute, die sich ihre Ausführungen über Shin bis ins kleinste Detail anhören konnten, ohne irgendwann gelangweilt abzuschalten. Aber dieselbe unerschöpfliche Geduld, die Andrew ihr abverlangte, wenn er von seinen Lieblingsserien schwärmte, legte er selbst auch an den Tag, wenn sie mit ihren Schwärmereien von Shin anfing.
 

Doch es gab etwas anderes, das sie ihm sagen wollte, und sie hatte es schon viel zu lange vor sich her geschoben.
 

Schon lange hatte sie überlegt, wie sie es Andrew beibringen sollte. Natürlich gab es unzählige Beispiele und Anregungen aus allen möglichen Filmen und Serien, die sie verwenden konnte, aber das machte es auch nicht einfacher.
 

Und obwohl sie Andrew mittlerweile ziemlich gut kannte, hatte sie nicht die geringste Vorstellung davon, wie er reagieren würde. Vielleicht fand er es ja spannend, und abenteuerlich, oder aber er würde sich Sorgen um sie machen. Vielleicht konnte er auch Buffy und Giles gegenüber nicht die Klappe halten, aber nein - das war eher unwahrscheinlich. Im Laufe der letzten Wochen und Monate hatte Andrew ihr so vieles anvertraut, das er noch niemand anderem von den Scoobies erzählt hatte, er war also durchaus in der Lage, Geheimnisse zu bewahren.
 

Sie musste schon ziemlich lange geschwiegen haben, denn Andrew sah sie erwartungsvoll an. "Was gibt es denn?"
 

Sie holte tief Luft: "Andrew, es gibt da etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe. Etwas über mich!"
 

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Barker Cooperation Gebäude,

früher Nachmittag

Die Typen sahen aus als wenn sie einem ‚Men in Black’ Film entsprungen, allein die Sonnenbrillen fehlten den, mit finsteren Mienen ausgestatteten Herren, deren Mimik wohl keinerlei Gefühlsregung zuließ.
 

Xander wurde sichtlich unwohl nach dem Eintreten der Gestalten und ein ungutes Gefühl baute sich in ihm auf. Nach der kurzen und knappen Vorstellung setzen sich die Männer beinahe synchron hin und griffen ebenso gleichzeitig nach den vor sich liegenden Akten, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Dazu sahen sie sich in Körperbau uns Haarfarbe auch noch verblüffend ähnlich.

Seine Frage nach ihren Neutralisatoren herunterschluckend legte sich sein Blick wieder auf Eve, die immer noch das gleiche künstliche Lächeln hatte wie zu Beginn ihrer Begegnung.
 

Sie hält mich für einen Idioten, schoss es Xander durch den Kopf und sein Kragen wurde wieder deutlich enger.

„Nun, ich habe mir die Architektenpläne angesehen. Der Komplex wäre also für Wohnungen und Büros gleichermaßen ausgerichtet, allerdings ist die Lage ja nicht besonders günstig, ich frage mich ob...“
 

„Ja, aber dafür sind die Baukosten extrem niedrig gehalten. Man sollte bedenken, dass es sich um ein Neubaugebiet handelt. Jegliche Infrastruktur ist ja noch im Aufbau. In der Gegend ist ein Einkaufszentrum geplant, Schulen, Kindergärten, Highwayanbindung…“

Unterbrach Xander die Blonde und schluckte den Rest von dem herunter was er sagen wollte.
 

Himmel noch mal, man spielte seine Trümpfe nicht sofort aus und er predigte alles herunter. Jetzt hatte er beinahe alles an Vorzügen in einem Satz erzählt, dabei hatte er sich doch so gut einstudiert um in kleinen ‚Häppchen’ den kompletten Block so schmackhaft wie möglich zu gestalten.
 

Ein wenig perplex zog seine Verhandlungspartnerin ihre perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe um sich gleich wieder ein amüsiertes Lächeln aufzusetzen. „Oh, ich bin sicher, dass diese Überlegungen von der Chefetage in Erwägung gezogen wurden.“
 

Xander unterdrückte den aufkeimenden Wunsch mit seiner Stirn auf die Tischplatte zu knallen und schluckte sein Stöhnen herunter. Irritiert sah er zu wie die beiden Männer in den schwarzen Anzügen nun wieder im Gleichklang nach den bereitgestellten Getränken griffen und auch seine Hand zuckte nach vorne um sich eine der kleinen Mineralwasserflaschen zu nehmen.

Sein Hals war trocken und er fühlte förmlich wie Eve ihn weiterhin belustigt für einen kompletten Vollidioten hielt.
 

„Vielleicht gehen wir zunächst einmal gemeinsam die Baukostenplanung durch...Xander.“ Sie sprach seinen Namen so sanft aus, wie man zu einem kleinen Kind sprach, dem man die Hausaufgaben zum x-ten Mal erklärte und das männliche Duo schlug synchron die Akten auf…
 

Kostenaufstellung, wo war die Aufstellung?
 

Xander wühlte fahrig in seinen Unterlagen herum und wischte mit einem eleganten Zug erst einmal die Hälfte der losen Blätter hinunter auf das gebohnerte Parkett, wo sie fröhlich in verschiedene Richtungen unter den Tisch rutschten.
 

„T’schuldigung“ Seufzte er gequält auf und sank auf die Knie um mit hochrotem Kopf die Papiere wieder einzusammeln. Unter der sicheren Platte des Konferenztisches lockerte er zunächst den würgenden Knoten seiner Krawatte und schickte ein Stoßgebot gegen Himmel, das dieser Tag schnell enden würde, oder das wenigstens sich der Boden öffnete um ihn in die verdiente Hölle zu saugen.
 

Alles war besser als sich hier weiterhin zum Affen zu machen.
 

Der blonde Schopf von Eve tauchte nun ebenfalls unterhalb der Tischkante auf und sie ließ eine reihe weißer Zähne blitzen während sie ihn überfreundlich ihre Hilfe anbot.
 

Auch das noch.
 

„Nein danke“ krächzte er gequält auf und grabschte nach dem letzten losen Blatt um sich ruckartig wieder aufzurichten, nicht ohne schmerzhaft mit dem Hinterkopf an die Kante der Tischplatte zu stoßen.

Nachdem er sich wieder gesetzt hatte fühlte er vorsichtig nach der wachsenden Beule an seinem Schädel und biss sich auf die Lippen damit kein Schmerzlaut aus der Kehle nach außen drang.
 

„Alles in Ordnung?“ Eves fürsorgliche Stimme drang an sein Ohr und ohne sie anzusehen nickte Xander nur bejahend um sofort wieder die Suche nach der Kostenaufstellung zu beginnen, währen Smith und Jones immer noch regungslos zu ihm herüberstarrten, allerdings glaubte Xander nun ein amüsiertes Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben

… natürlich synchron…
 

Erleichtert und triumphierend hielt er endlich die gesuchte Akte in der Hand und begann, dem spöttischen Blick der blonden Frau immer noch ausweichend, ablenkend die einzelnen Posten zu erörtern…
 

Nach einer weiteren Stunde fühlte er nur noch sein weißes Hemd unangenehm auf seinem Rücken kleben und den dringenden Wunsch sich in Alkohol zu ertränken.
 

Sein Jackett hang inzwischen auf seiner Stuhllehne und auch seine Krawatte baumelte locker vor dem geöffneten obersten Hemdknopf. Allein Smith und Jones, die schweigsamen Beobachter, schienen in keinster Weise gestresst zu sein, sondern kritzelten nur gleichzeitig immer wieder kleine Notizen auf ihre Akten.
 

Sogar Eve wirkte jetzt angespannt und hatte sich inzwischen direkt neben Xander gesetzt, der ihr anhand einiger Daten nun die Prognosen für die Entwicklung des Stadtviertels erklärte.
 

Ihr Parfum kitzelte ihn provozierend in die Nase und er vermied es tapfer seiner Sitznachbarin in den Ausschnitt ihrer Bluse zu schauen wenn sie sich grade wieder über eine der Aufstellungen beugte. So langsam sehnte er sich den Drachen seiner Phantasie zurück den er erwartet hatte, denn die attraktive Ausstrahlung von dieser Cronenberg brachte ihn ganz schön aus dem Konzept in seinen Bemühungen als vollwertiger Verhandlungspartner dazustehen.
 

Gott sei Dank waren ihm keine weiteren Missgeschicke mehr passiert, außer das er mehrmals einige Fachausdrücke nicht verstanden hatte, die er aber gut überspielen konnte, indem der einfach ein anderes Thema anschnitt.

Eve zog ihren Stuhl noch ein wenig näher an ihn heran und Xander hoffte inbrünstig das sein Deo nicht versagte, denn kalte Schweißbäche liefen in Rinnsalen seine Wirbelsäule hinunter, als ihre Schulter unbeabsichtigt die seine traf.
 

„Das sind doch alles Spekulationen Xander, wir…“ Das leise Klopfen an der Tür unterbrach ihren Redeschwall und die graue Maus, die Xander angemeldet hatte lugte vorsichtig um die Ecke.

„Eve, Telefon, es geht um ‚sie wissen schon’“ räusperte sie sich unterwürfig und war auch nicht verwundert als die Anzugträger gleichzeitig aufsprangen und ‚Wir kümmern uns darum’ meldeten.

Eve nickte nur zustimmend und steckte ihren Kopf wieder herunter zu Xander wobei ihr Atmen seinen feuchten Nacken streifte und er knirschend die Zähne aufeinander rieb.

Es durchzuckte ihn beinahe wie einen Stromschlag als sie auch noch ihre Hand auf seine Schulter legte.
 

„Sollen wir eine kurze Pause machen? Ich lasse Kaffee aufsetzen wenn sie möchten.“ Im letzten Augenblick verkniff er sich die Frage nach einem kalten Bier und nickte nur ergeben während er ihr mit seinem Blick folgte.
 

Es war das erste Mal das er sich von einer Frau so angezogen fühlte seit… nein… der Schmerz der Erinnerung durchzuckte ihn und vor seinem geistigen Auge folgte ein Ablauf seiner bisherigen Missgriffe in Punkto Frauen ab. Außerdem sollte dieses Prachtweib nach seinem tollen Einstieg hier mit Sicherheit nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen.

Er schätzte sie gut 10 Jahre älter als sich, aber das störte ihn nicht im Geringsten. Anya war, wenn man es genau nahm weit über 1000 Jahre älter gewesen und wenn…. er nicht augenblicklich aus diesem Zimmer kam würde er bestimmt etwas Dummes sagen.
 

„Ich muss hier raus.“
 

„Bitte?“ Eve zwinkerte ungläubig in Xanders Richtung und legte ihren Kopf ein wenig schräg, als ob sie nicht ganz verstanden hätte.
 

„Ähm.. Toilette… Wo kann ich mich kurz mal ein wenig frisch machen?“
 

„Aus der Tür hinaus und dann links…“ Weiter kam sie nicht, als der junge Mann auch schon an ihr vorbei aus dem Raum stürmte.
 

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Irgendwo in Cleveland,

nachmittags

Buffy blinzelte in die Sonne, die sich vorwitzig zwischen den Gebäuden hervorgestohlen hatte und die Jägerin musste ihre flache Hand an die Stirn legen um nicht geblendet zu werden, während sie suchend in die schmale Gasse spähte.

Außer jeder Menge Unrat, der um die vereinzelten Mülltonnen lag und ein paar Katzen, welche sich lautstark um vergammelte Essenreste stritten, war aber nichts zu entdecken.
 

Seufzend steckte sie ihre Fäuste wieder in die Hosentaschen und kickte gelangweilt eine Blechdose vor sich her, die scheppernd über die recht menschenleere Straße rollte. Eigentlich war es eine Schnapsidee gewesen auf Streife zu gehen, aber nur dumm in der Wohnung herumzuhocken hatte auch keinen Spaß gemacht, also hatte sie gehofft in der nicht grade vertrauenswürdigen Hafengegend ein paar tagaktive Dämonen zu erwischen.
 

Seit über einer Stunde lief sie nun durch das Viertel, in dem es nichts, aber auch gar nichts Außergewöhnliches gab, wenn man von ein paar wenigen wirklich gut gemachten Graffitis absah, welche die Häuserwände zierten.
 

Hin und wieder begegnete sie einigen Jugendlichen, dessen anzügliche Kommentare sie einfach ignorierte, oder wurde von Obdachlosen um ein paar Cents angebettelt. Missmutig beförderte sie die Dose mit einem gezielten Kick in den nächsten Vorgarten und entschloss sich nach Hause zu gehen, als ein dumpfer Schrei ihre Aufmerksamkeit forderte.
 

Der blonde Schopf ruckte hoch und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie die Straße herunter rannte, um auch gleich in die nächste Gasse einzubiegen aus der sie den Laut vermutet hatte.
 

Ein einziger Blick genügte um die Situation richtig zu erfassen, denn ein unbekannter Mann lag im Dreck des Hinterhofs, während vier Andere heftig auf den schon Kampfunfähigen einprügelten.
 

Ok, ein Überfall ist besser als gar keine Arbeit, schoss es ihr durch den Kopf, als sie den ihr am nächsten stehenden Schläger auch schon am Kragen und gegen die Hauswand geschleudert hatte, wo er benommen liegen bleib.
 

„’N Mädchen!“ höhnte einer der Drei Übrigen kichernd, während er von dem Opfer abließ, das nur noch schützend seine Arme um den Kopf verschränkt hatte und eine Blutspur auf dem dreckigen Boden verriet, das es bereits schwerer verletzt war.
 

Der Moment der Unachtsamkeit kostete sie einen schmerzhaften Kinnhaken und die drei jungen Männer umkreisten nun sie statt den Verletzten, der wimmernd versuchte auf die Beine zu kommen.
 

Blitzschnell hatte sie einem weiteren Angreifer die Beine weggezogen und dem nächsten mit einem gezielten Schlag der Faust die Nase gebrochen, welche er sich nun mit beiden Händen festhielt und Blut zwischen den Fingern hervorquoll.
 

Die übrig Gebliebenen stellten sich allerdings als härtere Gegner heraus und Buffy hatte alle Hände und Beine voll zu tun sie sich auf Distanz zu halten. Endlich gelang es ihr den Einen in den Schwitzkasten zu nehmen, als dieser sich mit einem Mal zu verändern begann. Die Nase bildete sich zurück und ließ nur einige Löcher übrig, während sich der Mund zu einem lippenlosen Maul vergrößerte aus dem ein furchtbarer Gestank strömte und aus den Ärmeln klauenartige Hände wuchsen.
 

„Was haben wir denn da? So was wie dich hab ich doch schon mal gesehen?“ Kicherte Buffy und ruckte einmal seinen Kopf so weit nach rechts bis sie es brechen hörte und der Körper des Dämons schlaff zu Boden sank.
 

Zwei der Angreifer machten sich nun schnellstens davon und nur derjenige, den sie anfangs an die Wand geschleudert hatte starrte mit entsetzt aufgerissen Augen auf die Leiche des Dämons. Ein einziger Griff der Jägerin genügte um den jungen Mann in die Höhe zu ziehen und an die Hauswand zu nageln. „W.. W.. Was ist das?“ Sein zitternder Finger deutete auf das Monster auf der schmutzigen Erde und sein fassungsloser Blick suchte nach einer plausiblen Erklärung.
 

„Nun, ich hatte eigentlich gedacht, dass du mir das erklären kannst.“ Hoffte Buffy und drückte ihn noch ein wenig fester an die Betonwand, so dass nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten. „Ich hab keine Ahnung, ehrlich. Das war ein Job! Mike und ich sollten dem Typ da eine Lektion erteilen.“ Die Stimme des Jungen, der kaum dem Teenager Alter entwachsen war, heulte gequält auf und immer noch brachte er es nicht fertig seinen Blick von der Leiche zu lösen.
 

„Das ist ein Trick, oder? Mike hat gleich gesagt, dass diese Typen nicht echt sind, aber es brachte `ne Menge Geld. Oh mein Gott, was ist das?“ Echte Verzweifelung sprach aus seiner Stimme und Buffy lockerte ihren Griff etwas, als sie sich zu dem Verletzten umdrehte, der sich nun stöhnend aufrichtete um gleich wieder auf die Knie zu fallen.
 

Buffy ließ den Jungen los, der sich auch gleich aus dem Staub machte und half dem Opfer sich wieder hin zu legen.

„Bleiben sie ruhig, ich hole Hilfe.“ Flüsterte sie ihm beruhigend zu und zog ihr Handy aus der Tasche um den Rettungsdienst zu rufen, während sie dem letzten der Angreifer nachsah, der stolpernd aus der Gasse verschwand.
 

++++
 

Barker Cooperation Gebäude,

nachmittags

Die Tür fiel mit einem Klicken hinter ihm ins Schloss und erleichtert lehnte sich Xander für eine Sekunde gegen den Rahmen, bemerkte aber sofort den misstrauischen Blick der grauen Schlange, die mit einer leeren Glaskanne wohl grade auf dem Weg war Kaffee zu kochen.
 

„Die Toiletten sind hier gleich die 2. Tür links den Gang entlang.“
 

Hatte sie etwa gelauscht? Xander nickte nur dankbar und hastete gleich weiter. Was er nun brauchte war eine kalte Ladung Wasser im Gesicht und einen Urlaub auf Hawaii.
 

Seltsamerweise war das große Büro nun fast menschenleer und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die meisten wohl schon Feierabend gemacht hatten.

War er wirklich schon so lange hier? Nachdenklich öffnete er den vermeintlich richtigen Zugang und fand sich in einem Flur wieder, in dem weitere Türen links und rechts abzweigten und vor allem eine ins Auge stach, dessen Rahmen mit einem gelben Absperrband verklebt war. Der Name auf dem Türschild war schon entfernt worden, aber man konnte noch deutlich die helleren Schatten erkennen, wo die Buchstaben eingefügt waren: Michael Voorhees
 

Mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem weiteren Blick über seine Schulter, welcher ihm bestätigte, das er wirklich allein war, richtete er wieder sein Augenmerk auf das schlecht verklebte Polizeisperrband und lächelte als er mit einem einzigen vorsichtigen Handgriff die Tür zu dem Büro öffnen konnte ohne die Folie auch nur anzukratzen.

Die Neugier übermannte ihn nun aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen und eine kleine Stimme wollte unbedingt herausbekommen was denn Schlimmes bei einer so ehrenwerten Gesellschaft wie die Barker Cooperation passiert sein konnte.
 

Behutsam schlüpfte Xander nun durch das Band hinein in das kleine Büro, welches sich kaum von den Klischees unterschied die man im Fernsehen sah. Ein fensterloses Loch mit einer Plastikpflanze, ein einsamer Bürotisch mit einem Laptop und ein, für so ein Büro altmodisch wirkendem Telefon. Einzelne Bilder standen auf dem Schreibtisch und eine aufgezogene Schublade zeugte noch davon, das hier alles durchsucht worden war, sogar der Papierkorb aus Drahtgeflecht, lag noch umgestülpt auf dem Boden und der spärliche Inhalt war auf dem Teppichboden verteilt.
 

Das Modell des Schreibtisches kam ihm bekannt vor, denn solche hatte er als Schreiner in Sunnydale manchmal herstellen müssen und nachdem er ergebnislos versucht hatte den Laptop einzuschalten kam ihm eine Idee.
 

In manchen dieser Tische waren, auf besonderen Wunsch der Kunden, kleine Geheimfächer eingebaut worden und tatsächlich fand er auch schon nach kurzem Suchen oberhalb der Schublade eine kaum mit den Fingerspitzen spürbare Verriegelung.

Mit einem breiten Lächeln drückte Xander diese nun etwas und er konnte mit den Händen in das kleine Fach tasten, wo er auch eine, nur in Papier verpackte CD fand, als er auch schon von Geräuschen aufgeschreckt wurde.
 

Himmel, wie sollte er erklären was er hier machte? Außerdem wartete Eve sicher schon auf ihn und genauso vorsichtig wie er hineingekommen war, verließ er mit der CD in seiner Hosentasche das Büro wieder. Kaum hatte er den sich einige Schritte entfernt als er auch schon mit einem Mann zusammenstieß, der ihn freundlich, aber sehr bestimmt fragte was er denn suchte. Offensichtlich war er wohl einer der höheren Angestellten, denn sein Anzug, das perfekt zurückgekämmte graumelierte Haar und auch die teure Armbanduhr ließen darauf schließen.
 

„Ich, ich … hab mich verlaufen.“ Eine bessere Ausrede fiel ihm nicht ein und unsicher verzog Xander seine Lippen zu etwas, was wohl ein freundliches Lächeln darstellen sollte. „Ich wollte auf die … doch dann war da keine… und ich bin wohl falsch abgebogen... und jetzt muss ich dringend zurück zu meinem Meeting…“ Ein eisiger Schauer überzog Xanders Rücken als er in die kalten Augen seines Gegenübers blickte und alle seine Alarmsirenen im inneren schrillten los, wurden aber abgeschüttelt und unterdrückt als ihm die rettende Ablenkung einfiel.
 

„Sie können mir nicht zufälligerweise sagen wo das Büro von Eve Cronenberg ist?“ Die misstrauisch verzogene Stirnfalte des Mannes vor ihm vergrößerte sich, doch schon zeigte er dem jungen Mann vor ihm eine blenden weiße Zahnreihe, was Xander wieder zusammenzucken ließ, da er im gleichen Augenblick das Gefühl hatte wie eine Maus in der Fall zu sitzen.
 

„Aber gerne, ich war sowieso auf dem Weg dorthin.“ Der Arm des Mannes vor ihm in dem blendet sitzendem Designeranzug wies ihm den Weg den Gang wieder herunter und Xander fragte sich ob der Unbekannte ihm seine faule Ausrede überhaupt abgekauft hatte, aber letztendlich zuckte er mit den Schultern und fühlte lächelnd nach seine ‚Beute’ in der Hosentasche.
 

Eve schien schon auf ihn gewartet zu haben und zuckte sichtlich zusammen als sie sah mit wem Xander da im Schlepptau das Büro betrat. Sofort sprang sie auf und man sah direkt wie ihr Gesicht eine spur blasser wurde und sie ihre straffe Haltung veränderte. „Oh.“ Hauchte sie erschrocken auf und beeilte sich Augenblicklich Xander ihrem Chef vorzustellen …
 

Aha, dachte Xander schmunzelnd bei sich als er seinem Wegweiser freundlich die kalte Hand schüttelte.

Gibt es doch etwas wovor sogar Karrierefrauen Angst haben… und nachdem sich dieser Mr. Romero wieder entfernt hatte, nahmen sie sofort ihre Verhandlungen wieder auf, doch spürte Xander immer noch die kalte Atmosphäre die Romero in dem Raum hinterlassen hatte
 

++++
 

Ratsgebäude,

abends

" Moment....ich habe das jetzt richtig verstanden? Dämonen, die sich als Menschen tarnen können und normale Menschen terrorisieren gemeinsam die Umgebung?" Giles' Gesichtsausdruck zeigte leichte Verwirrung. In einem Anflug von Schadenfreude genoss Buffy diesen Gesichtsausdruck, zeigte er doch, dass Giles nun wirklich nicht der allwissende Wächter war, der zu sein er doch gern vorgab...zumindest ihr und ihren Freunden gegenüber.

Doch gleich darauf schob sie den Gedanken erschrocken zur Seite. Jetzt war nicht unbedingt die Zeit, über ihr Verhältnis zu Giles nachzudenken, es gab Dämonen aufzuhalten.
 

" Eigentlich wusste der arme Kerl gar nicht, was los war. Die Dämonen haben ihn wohl angeheuert. Er wusste nicht, worauf er sich einließ."
 

"Na ja, immerhin hat er sich auf einen Überfall eingelassen. Das reicht doch schon....." murmelte Lily, bevor sie den Stapel staubiger Bücher auf den Tisch stellte.
 

Buffy und Giles saßen am Tisch, der den Hauptraum in der neuen Wächterzentrale dominierte.
 

Die Jägerin würdigte Lily nur eines kurzen Blickes, es entging ihr allerdings nicht, dass Giles' Blick länger auf Lily verweilte als selbst unter Bekannten normal war.

Der Gedanke ließ Buffy innerlich schaudern. Nicht nur, dass Giles einfach zu....ja, zu alt war...nein, es war auch der Umstand, dass er sich mit einer Wächterin angefreundet hatte....in der Vergangenheit wohl auch mit ihr intim gewesen war....deren Ansichten und Ziele Buffy noch immer nicht klar waren.

Und Buffy hätte nicht lang als Jägerin überlebt, hätte sie nicht schnell gelernt, dass in so einem Fall äußerste Vorsicht geboten war.
 

Aber was sollte sie dagegen unternehmen? Giles darauf ansprechen? Das war nach ihren letzten Gesprächen nicht gerade die ideale Lösung. Dazu kam noch, dass sie sich zunehmend fragte, wie sie und ihr ehemaliger Wächter überhaupt noch zueinander standen.

Es war auf jeden Fall kaum zu übersehen, dass sie sich in den letzten Monaten - eigentlich schon den letzten Jahren - sehr voneinander entfernt hatten. Und mittlerweile schien diese Tendenz ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben.
 

"Gut, aber das hilft uns nicht weiter. Wir sollten erst einmal herausfinden, was für einen Nutzen sie davon haben, Menschen auf Raubzüge mitzunehmen." Noch während er dies gesagt hatte, hatte Giles sich bereits ein Buch gegriffen und wischte gewissenhaft den Staub vom ledernen Einband.
 

Lily nickte bedächtig. Sie hatte sich Buffy gegenüber hingesetzt und blickte nachdenklich drein. " Waren diese Gestaltwandler schwach? Es wäre ja möglich, dass sie Menschen einfach als Verstärkung dabeihaben wollten."
 

Buffy schüttelte bestimmt den Kopf. "Auf keinen Fall. Die Dämonen hätten das ganze auch allein durchziehen können. Sie waren auf jeden Fall stärker als ein Mensch - oder ein durchschnittlicher Vampir."
 

Giles runzelte die Stirn und Buffy konnte regelrecht sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete.

Allerdings war nur ein Teil seiner Aufmerksamkeit tatsächlich bei dem derzeitigen Dämonenproblem. Ein nicht unbeträchtlicher Teil seines Denkens galt Lily.

Und auch wenn er sich bemühte, in Buffys Gegenwart nichts davon zu zeigen, so erfüllte ihn der Gedanke an die neue Verbindung, die zwischen ihm und seiner Kollegin entstanden war, mit einer Wärme, die er lange Zeit vermisst hatte.
 

Es tat fast zu gut, um sicher zu sein. Vielleicht war es ein Resultat seiner langen Arbeit als Wächter und der Erfahrungen, die er und auch Buffy und ihre Freunde gemacht hatten, dass sich immer noch nagende Zweifel in seine Gedanken schlichen. War es wirklich eine gute Idee, sich auf eine engere Beziehung einzulassen? In seiner Position, mit seiner Verantwortung?
 

Es waren keine einfachen und insbesondere keine bequemen Fragen. Aber waren seine Probleme je einfach und bequem zu lösen gewesen?
 

Der Wächter betrachtete erneut Lily und ließ seinen Blick dann zu Buffy schweifen. So kompliziert diese Geschichte mit Lily auch sein mochte, Buffys Haltung stellte ihn vor noch größere Fragen. Warum benahm sie sich so ihm gegenüber? Er hatte doch nichts falsch gemacht. Sein Interesse galt nach wie vor ihrem Wohl und dem der Menschen um ihn herum. Warum sah sie das bloß nicht? Es musste doch möglich sein, diese Schale zu knacken, die sie um sich herum gebaut hatte. Es war ihm doch schon früher gelungen, ihre Probleme beim Namen zu nennen.
 

Oder hatte er sich diese Chance ein für allemal verspielt?
 

"In ihrer menschlichen Gestalt unterschieden sie sich nicht von Menschen?" fragte er, um sich wieder auf das eigentliche Problem besinnen zu können.
 

"Ich hab' keinen Unterschied sehen können, bis sie sich verwandelt haben."

Lily runzelte die Stirn. Es war offensichtlich, dass sie zu einem Schluss kam, der ihr selbst nicht behagte. " Aber das würde bedeuten, dass jeder einer von ihnen sein könnte."
 

Buffy grübelte für einen Moment darüber nach, bevor sie erwiderte: "Das hängt davon ab, ob sie jede Gestalt annehmen können oder nur eine, die nicht schon existiert. Giles, haben Sie schon etwas?"
 

So plötzlich angesprochen, fuhr der Wächter leicht über seinem Buch zusammen, besann sich aber schnell wieder. Hatte er seine Gedanken schon wieder schweifen lassen?

Es wurde wirklich höchste Zeit, dass manche Dinge klarer wurden.
 

"Gestaltwandelnde Dämonen gibt es leider mehr als uns lieb ist. Von Vampiren, die sich als Menschen tarnen können bis zum klassischen Doppelgänger, der jede Gestalt annehmen kann. Und dann haben wir noch bestimmte feenartige Kreaturen, die...." Plötzlich stoppte er, als ein schrecklicher Gedanke ihn durchzuckte. Wenn diese Wesen jede menschliche Gestalt annehmen konnten...und wenn Buffy sich so sonderbar verhielt...der Gedanke ließ alles in ihm sich zusammenziehen. Es war nicht möglich...es konnte nicht möglich sein...es durfte nicht möglich sein!
 

Buffy war verwirrt. Was hatte Giles denn jetzt schon wieder? Sein Verhalten hatte sich zunehmend verändert, seit Lily dazugekommen war. Und wenn diese Wesen jede menschliche Gestalt annehmen konnten.... Dann war eines von ihnen vielleicht bereits hier...in diesem Raum.
 

Sie starrte Lily an und diese blickte ruhig zurück, vielleicht ein leises Fragen in ihrem Blick.

So saßen sie mindestens fünf Minuten, jeder mit sich selbst und der kleinsten Bewegung der beiden anderen beschäftigt.
 

Schließlich aber stand Buffy auf. "Sie wissen ja, ich bin nicht so eine Spezialistin auf dem Gebiet der Recherche. Vielleicht sollten Sie das erstmal übernehmen. Wenn’s zuviel wird, können Sie Willow fragen. Ich habe leider noch zu tun. Nehmen Sie's mir bitte nicht übel, wenn ich Sie jetzt allein lasse." Mit einem mehr gezwungenen als echten Lächeln marschierte sie auf die Tür zu.
 

Giles stand halb auf, wollte sie zurückrufen, sie um Verzeihung bitten...doch wofür? Für einen Gedanken? Seine Geste verwandelte sich erstaunlich schnell in eine fast wegwerfende Handbewegung, als sie die Tür hinter sich schloss.
 

++++
 

Barker Cooperation Gebäude,

selber Abend

Die Sonne versank hinter der Skyline Clevelands und wehmütig schaute Xander Harris durch das große Fenster den letzten Sonnenstrahlen hinterher. Den ganzen Nachmittag hatten Eve und er mit Statistiken und Aufstellungen verbracht und immer noch war kein Konsens erzielt worden. Sein Haar war nun wirr geworden weil er wer weiß wie oft seine Hände darin vergraben hatte und auch Smith und Jones waren ein paar Mal auf und wieder abgetaucht, was er aber nur am Rande mitbekommen hatte, da Eve ihn völlig in Beschlag genommen hatte.
 

Immerhin standen seine Chancen ziemlich gut, denn trotz der zähen Verhandlungen war es ihm gelungen gute Überzeugungsarbeit zu leisten und zumindest hatte er noch keine Absage bekommen, statt dessen schlug Eve ihm nun vor, die ganze weitere Arbeit auf morgen zu verschieben und mit letzter Kraft brachte er ein Nicken zustande und schlug seine Hand vor den Mund um ein Gähnen zu verbergen, während er seine wild über den Tisch verstreuten Unterlagen wieder zu einem korrekten Stapel einsammelte und in seiner Ledermappe verstaute. Auch Eve schien nicht mehr so fit zu sein, denn eine Haarsträhne hatte sich aus ihrer Frisur gelöst, welche sie nun immer wieder pustend aus dem Gesicht blies um auch ihre Akten wieder zu ordnen.
 

„Ihr Kugelschreiber.“ Xander nahm den Stift mit der bekannten Barker Coop.-Signatur hoch und hielt ihn höflich der blonden Frau entgegen, doch die schüttelte nur lächelnd den Kopf.
 

„Behalten sie ihn.“ Flüsterte sie und sah zu wie Xander den Stift in der Innentasche seiner Jacke verschwinden ließ.
 

Das Büro war bereits verlassen als sie aus der Tür in Richtung der Fahrstühle traten und galant ließ er ihr den vortritt als sich die Türen surrend öffneten. Jetzt hieß es nur noch die Augenblicke aushalten die der Aufzug bis in die Tiefgarage brauchte, dachte er erleichtert und Xander hatte bereits das Gefühl einen Gesichtskrampf zu bekommen wenn er weiter zu Eve herüberlächeln musste um die peinlichen Augenblicke des Schweigens zu überbrücken.
 

Die Sekunden verstrichen quälend langsam und Xander hatte das Gefühl die blinkenden Anzeigen der Nummern über der Tür des Fahrstuhls bräuchten Ewigkeiten um endlich anzuzeigen das sie wenigstens ein weiteres Stockwerk tiefer gekommen waren, als auch schon das Licht zu flackern begann und der Aufzug mit einem Ruck zustehen kam.
 

„Das auch noch.“ Entfuhr es ihm gequält und es dauerte einige weitere Sekunden bis sich endlich die Notbeleuchtung einschaltete.
 

Eve hatte begonnen den Notrufknopf zu drücken, doch es kam kein Ton aus der Gegensprechanlage und seufzend suchte nun ihr Blick hilfesuchend den von Xander, der begonnen hatte seine Fingerspritzen durch den Türspalt zu quetschen um so vielleicht die Türen ein wenig Auseinanderzubekommen.
 

„Was nun?“ Ihre Stimme klang ein wenig nervös und obwohl Xander es eigentlich recht interessant fand mit einer attraktiven Frau in einem Fahrstuhl festzusitzen, so überkam ihn doch auch gleichzeitig ein ungutes Gefühl.
 

„Haben sie ihr Handy dabei?“ Fragte er hoffnungsvoll, doch Eve schüttelte nur den Kopf und zischte ein gequältes „In den Aufzügen gibt es kein Netz“, während er langsam vor Anstrengung einen roten Kopf bekam, doch es gelang ihm endlich seine Finger so weit in den Spalt zu quetschen dass er mehr Druck auf die Türen ausüben konnte, sie endlich nachgaben und mit einem Surren zu einem halben Meter breiten Spalt Auseinanderfuhren.
 

Mit einem triumphierenden Grinsen verzog er seinen Kopf hinüber zu Eve, doch die starrte nur mit weit aufgerissen Augen zu dem Ausgang herüber. „Na wer sagt’s denn?“ Immer noch wartete Xander auf ein Wort des Lobes, doch stattdessen sah er nur wie sich das Gesicht von Eve in eine Grimasse verzog und sie ihren Mund zu einem entsetzten Schrei öffnete. Jetzt endlich drehte sich auch Xander wieder um und wich erschrocken einen Schritt zurück in den Fahrstuhl hinein.
 

Akt II
 

Barker Cooperation Gebäude,

nur wenige Sekunden später...

Das merkwürdige Geschöpf, was man nur bruchstückhaft durch den Spalt der Aufzugtüren erkennen konnte, wirkte wie aus einem schlechten Alienfilm entsprungen. Es war über zwei Meter groß, wobei es auf einer Art Tier zu sitzen schien, dessen Kopf mit viel Phantasie an den eines Seepferdchens erinnerte, wenn nicht diese messerähnlichen Spitzen aus dem verformten Kopf geragt wären. Sein Körper war beinahe skelettiert, außerdem war es nicht besonders groß, so dass es ein sehr groteskes Bild war. Auch die Figur, die darauf saß, war alles andere als vertrauenswürdig. Da wo sich der Mund befinden sollte, war ein großes rundes Loch mit kurzen, haiähnlichen Zähnen und anstatt einer Nase waren oberhalb des Mauls kleine Vertiefungen zu erkennen. Statt einer Hand hatte es rasiermesserscharfe Greifzangen wie ein gigantisches Insekt und eine davon machte sich grade daran das innere der Kabine zu erkunden.
 

Endlich hatte Xander sich einigermaßen gefasst und trat immer wieder gegen die Klaue des Dämons, bis jener sie vorerst zurückzog und die beiden Insassen nun geistesgegenwärtig versuchten die Türen wieder zu schließen.
 

Gemeinsam gelang es ihnen den Spalt so weit zu schließen, das der Dämon es nicht mehr schaffte seine riesigen Zangen hindurchzuquetschen, doch stattdessen näherte sich der furchterregende Kopf dem Spalt, als wenn er nachsehen wollte wer ihm da Paroli bot.
 

Mit letzter Kraftanstrengung schoben Eve und Xander an den Türen, doch nun hatte das Monster seinen Schädel so weit hinein geschoben das er wie ein Puffer wirkte. „Haben sie eine Waffe?“ Hoffnungsvoll schielte Xander zu der blonden Frau hinüber, der das Entsetzen immer noch im Gesicht geschrieben stand, doch er bekam keine Antwort, was er auf ihren Schockzustand schob.
 

Mit der Schulter warf er sich nun weiter gegen die Tür, fingerte in seiner Jackentasche nach dem Kugelschreiber und stieß mit aller Kraft in das Gesicht des Dämons. Er hatte ein Auge erwischen wollen, doch auch der Treffer unterhalb verfehlte seine Wirkung nicht und die Aufzugtüren schlossen sich nachdem der Schädel verschwunden war und nur ein lautstarkes Brüllen und Klopfen anzeigte, dass da ein Monster auf der anderen Seite stinksauer war.
 

„Raus hier!“ Brüllte Xander Eve an, doch die schien immer noch zu geschockt zu sein, denn sie starrte auf die geschlossenen Türen ohne auch nur ein Wort zu sagen. „Wir müssen hier heraus.“ Jetzt hatte Xander sie an die Schulter gefasst und endlich schien sie zu begreifen, denn er hatte mit seinem Finger nach oben zu der Deckenklappe gezeigt. Das Metall der Türen schien sich mehr und mehr unter den Schlägen des Dämons zu verformen und viel Zeit hatten sie sicherlich nicht mehr bis es dem Monster gelang wieder einzudringen.
 

Es kostete Xander einige Mühe Eve so hoch zu heben dass sie die Deckenluke öffnen konnte und sie sich hindurchschieben konnte, doch noch eine größere Kraftanstrengung war es, sich selber mit Hilfe der Frau hochzuhangeln und ächzend schob er seinen Oberkörper durch die Luke.
 

Im Geiste schwor er sich ab sofort mehr Sport zu betreiben, aber viel Zeit zum Ausruhen gab es nicht, denn das Knirschen von Metall zeigte an, das der Dämon es beinahe geschafft hatte. Es gelang ihnen die Türen über ihnen zu öffnen und über das dunkle Treppenhaus die Stockwerke hinunter bis in die Tiefgarage zu rennen, wo sie hinter sich die Tür zuschlugen und sich erst einmal schwer atmend dagegen lehnten.
 

„Was war das?“ Eve hatte während der Aktion kein Wort gesagt und so war Xander für einen kurzen Augenblick beinahe erschrocken als sie endlich ihre Sprache wieder gefunden hatte. „Ich weiß es nicht.“ Er wusste es wirklich nicht, aber konnte er ihr sagen, dass diese Welt nur so wimmelte von Dämonen, Vampiren, Hexen und Phantasiegestalten?
 

Der Strom schien in dem ganzen Gebäude ausgefallen zu sein, denn auch in der großen Halle der unterirdischen Garage war nur ein dämmriges Notlicht und so schwiegen sie noch eine Weile an der Tür gelehnt, vorsichtig lauschend und endlich schienen sie zu begreifen das sie nicht verfolgt wurden. „Vielleicht haben wir uns das nur eingebildet…“ Xander spürte das sie nicht mit ihm, sondern mit sich selbst sprach und während er sie vorsichtig am Arm gefasst bis zu ihrem Wagen begleitete überlegte er sich die richtigen Worte. Vielleicht war es gut so dass sie glaubte es wäre nur eine Halluzination gewesen… „Ja, sicher. In engen Räumen wird die Luft schnell knapp und das Kohlenmonoxid lässt einen Dinge sehen…“
 

Die Erklärung war mehr als lahm, das wusste er, denn sie hatten sich ja nur Minuten in dem Aufzug aufgehalten, doch schien es Eve zu genügen, denn sie atmete erleichtert auf. „Ja, das wird es gewesen sein, aber trotzdem danke.“ Flüsterte sie und öffnete die automatische Verriegelung ihres Rovers.
 

Xander wartete noch bis sie eingestiegen und losgefahren war, er stand auch noch eine Weile da und starrte den roten Rücklichtern hinterher bis er ganz sicher war das nichts mehr passieren konnte und machte sich dann auf ebenfalls die Garage zu verlassen, denn sein Wagen stand draußen vor dem Gebäude.
 

Nachdenklich fühlte er nach der CD in seiner Hosentasche und sah sich ein paar Mal unsicher in dem diffusen Dunkel um, denn immer wieder hatte das Gefühl das ihn jemand beobachtete, doch war nie etwas zu entdecken und als er endlich aus der Auffahrt ins Freie trat, ging hinter ihm auch die Beleuchtung wieder an und man hörte das Summen der Belüftungsanlage….
 

++++
 

New York, State. Nächster Morgen.

Irgendwo auf einer Straße

„Was ist los? Wieso fährst du langsamer,“ Faith kam aus dem hinteren Busteil nach vorne zu Robin und rubbelte sich die Haare trocken. Das kleine, eingebaute Bad war zwar verdammt eng, aber noch immer eine gute Alternative zu kalten Bachflüssen. „Wir sind spät dran. Du weißt, wir haben Vi und Ronah versprochen sie pünktlich am Motel abzuholen.“
 

„Ich weiß.. aber sag das denen dort,“ der Bus kam zum Stillstand. Faith sah, was Robin meinte: Ein Stau. Mitten auf einer ruhigen Interstate durch das Hinterland. Eine Kurve verwehrte ihnen den Blick auf den Grund des Stopps.
 

„Ein Stau?“ Faith setzte sich hinter ihn und ließ ihren Kopf hängen, während sie sich die Haare bürstete.
 

„Ach ich mag es wirklich, wenn mein Mädchen klug ist,“ grinste Robin über die Schulter und bekam einen harten Stoß in den Rücken. „Entschuldige,“ grinste er weiter und stellte den Motor ab. „Das hat weh getan,“ merkte er entrüstet an, bekam aber von Faith kein Mitleid.
 

„Ich wüsste gerne den Grund dafür,“ sorgenvoll blickte Faith durch die Scheibe. Die Kolonne stand und nichts bewegte sich.
 

„Ein Unfall, denke ich. Es wird sich sicher in ein paar Minuten auflösen.“
 

...ein paar Minuten später.

Die Wagenkolonne hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und der Bus passierte die Kreuzung. Vor ihnen lag eine Straßensperre. Polizeiautos, die quer über die Strasse geparkt standen, ließen nur eine schmale Fahrspur frei. Die Cops kontrollierten auf beiden Straßenseiten Wagen für Wagen. Einige wurden durch gewunken, andere angehalten...
 

„Eine Straßensperre?“ Faith Stimme überschlug sich ungewohnt panisch
 

„Ja, aber was...“, Wood sah sie irritiert an.
 

„Wenn ich nicht am Krater von Sunnydale für tot erklärt wurde, werde ich sicher steckbrieflich gesucht.. schon vergessen?“
 

„Nein, natürlich nicht. Aber jetzt beruhig dich doch erst einmal. Wir wissen doch noch gar nicht, nach was sie suchen. Angel hat dir einen gefälschten Pass besorgt... das wird schon schief gehen.“
 

„Eben. Und mit was für einem tollen Namen.. oh wir sind an der Reihe...“. Ein Beamter trat vor und hob die Hand. Robin trat auf die Bremse und ließ die Tür beim Einstieg aufgleiten.
 

++++
 

Ratsgebäude,

selbe Zeit

“Es, es, es war... gigantisch,“ übertrieb Xander unverschämt maßlos, während er es genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit von Giles, Lily, Buffy und Willow zu haben.
 

„Gigantisch groß oder eher gigantisch stark?“, fragte Buffy neckend nach und grinste Xander breit an.
 

„Beides,“ beteuerte Xander mit ernster Miene, dem man während der Berichterstattung über sein Abenteuer des vergangenen Tages den Schrecken hatte ansehen können, dem ihm das Monster versetzt hatte. „Jedenfalls weiß ich jetzt, wie die Helden jedes Mal leiden müssen, wenn sie versuchen durch diverse Lüftungsschächte, Fahrstühle oder Gänge zu fliehen.“ Xander griff nach der CD in seiner Hosentasche und zog sie hervor. „Und es dann erst in der letzter Minute schaffen.“
 

„Wir sind Helden,“ erinnerte Willow überzeugt und lächelte verschmitzt. Ja, das waren sie. Tag für Tag in allen Situationen. Nur so richtig bewusst war es ihnen nie. Kurz herrschte nachdenkliches Schweigen im Raum, ehe sich Giles mit einem Räuspern die Aufmerksamkeit stahl.
 

„Also wenn ich es richtig verstanden habe, wurdest du und diese Frau von einem riesigen Wesen, Monster oder Dämon angegriffen. Es war nicht vorher ein Mensch und hat sich auch nicht in einen Dämon vor euren Augen verwandelt. Der Grund für den Überfall ist dir genauso unerklärlich wie uns.. und du hast diese CD?“
 

„Genau,“ grinste Xander, der ehrlich erleichtert war, dass Giles nicht wie üblich sofort die Antwort und Lösung parat hatte, er, Xander, dafür etwas in Besitz hatte, das vielleicht wertvoll für sie war. Er wedelte mit der CD herum, die noch immer in der einfachen Papierhülle steckte. „Ich war so neugierig und habe sie mir zuhause mal angesehen. Aber leider ist da nichts drauf, was ich hätte entziffern können. Ich glaub das ist ein Code oder so?“ Er reichte Willow die CD, die ihren Laptop bereits betriebsbereit vor sich stehen hatte. Willow legte die entpackte CD ein und öffnete sie. Gespannte Gesichter blickten in ihre Richtung. Doch Willow erkannte sofort, dass sie genau wie Xander nicht viel entziffern konnte. Wobei das noch stark untertrieben war. Genaugenommen konnte sie damit gar nichts anfangen.
 

„Ich bin mir nicht sicher... Giles, Lily?“ Willow drehte den Laptop den beiden Wächtern zu und erhoffte sich Antworten. „Sieht eher aus wie etwas dämonisches.“
 

Giles rückte an seiner Brille herum und fühlte sich nicht sehr sicher darin, Willow zu zustimmen. Er sah fragend zu Lily, die konzentriert über die Zeilen flog, als würde sie etwas darin erkennen. Doch schließlich schüttelte auch sie den Kopf und Giles zuckte mit den Schultern.
 

„Dämonische Zeichen,“ sagte Lily dann doch überraschend. „Aber ich könnte nicht sagen, ob es sich um eine Sprache handelt, um Symbole oder um einen Code.“
 

„Na prima.. dann holt Andrew,“ schlug Buffy optimistisch vor. „Er konnte doch schon einmal dämonischen Text übersetzen?“
 

„Er muss arbeiten,“ erklärte Xander enttäuscht. „Zudem hatte er es gestern Abend schon versucht. Fehlanzeige.“
 

„Dann bleiben uns nicht viele Möglichkeiten,“ sagte Buffy grimmig. „Xander... wie hieß der Typ, aus dessen Zimmer du diese CD hast?“
 

„Michael Voorhees und das Büro war mit einem Polizeiband abgesperrt. Irgendwas ist da ziemlich faul dran.“
 

„Willow? Klemm dich hinter den Code oder was auch immer das ist. Such am besten im Netz alles mögliche über diesen Kerl heraus und über die Barker Cooperation. Und du Xander hältst heute die Augen offen, wenn du zur Firma gehst. Wäre doch gelacht, wenn wir dort keine Leichen im Keller finden würden. Giles, Lily...,“ sie sah zu den beiden Wächtern. „Sie beide sollten mehr über unsere Gestaltenwandler herausfinden und ich.. ich versuche wenn Dawn von der Schule nachhause kommt mit Kennedy zusammen die Stadt vor den Dämonen zu beschützen.“
 

„Kennedy schläft noch,“ murmelte Willow über ihre Tasten hinweg, während sie bereits in Suchmasken verschiedene Begriffe eingab und sich in einem Extrafenster als Hacker versuchte, um auch die Polizeiakten von Cleveland ein wenig durchzuforsten. „Sie hatte gestern Nacht ne’lange Patrouille.“
 

„Wer nicht,“ murmelte Buffy und nickte. „Dann eben, wenn sie fit ist. Zwei Jägerinnen sind im Moment wohl wirklich von Nöten.“
 

„Oh,“ Willow sah aus ihrer angespannten Konzentration auf. „So viel zum Thema Leichen im Keller. Ich bin hier auf einen Zeitungsartikel gestoßen, in dem von Voorhees die Rede ist. Er wurde vor etwa einem Monat bei einem Raubüberfall getötet. Wartet einen Moment...,“ Willow wechselte zum Polizeisystem über und gab den Namen mit einer wagen Zeitangabe ein. Kurz darauf hatte sie die notwendigen Eintragungen auf dem Bildschirm. „Merkwürdig.. er wurde im firmeneigenen Parkhaus überfallen, zusammengeschlagen und mit einem Genickbruch getötet. Die Polizei spricht von einem Raubüberfall. Einer der Verdächtigen konnte verhaftet werden, der zweite Täter ist auf der Flucht. Ah.. es gibt ein Phantombild.. einen Moment,“ sie war auf eine Sicherheitsabfrage gestoßen und inzwischen standen Xander und Buffy neugierig hinter ihr und verfolgten ihre Aktivitäten auf dem Monitor.
 

“Nun, dass muss nicht unbedingt etwas mit den Ereignissen von Gestern zu tun haben,“ gab Giles zu bedenken. „Und schon gar nicht mit dieser geheimnisvollen CD.“
 

„Nein, aber welcher geldgierige Junkie würde einen Mann mit einem Genickbruch töten? Messer sind schneller und verlässlicher,“ warf Buffy ein. „So etwas tun eher Vampire oder starke Dämonen. Da ist etwas nicht ganz koscher.“
 

„Mistding,“ schimpfte Willow, als ihr erster Versuch schief ging. „Entschuldigt,“ sie tippte weiter auf ihrer Tastatur herum. „Ah.. aber jetzt... bitte schön,“ sie gab etwas ein, der Zugang wurde bestätigt und ein Phantombild baute sich auf.
 

„Hey Moment... den kenne ich doch,“ Buffy beugte sich etwas weiter nach vorne. „Das ist der Kerl, der Dawn und ihren Kollegen an Halloween angegriffen hatte.“
 

„Dieser Iah K'uru Dämon?“, wunderte sich Giles. Buffy nickte. „Was hat der mit einem Barker-Angestellten zu schaffen?“ Giles nahm die Brille ab und sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an.
 

„Ich hab’ da eine böse Vorahnung...,“ sagte Buffy ernst. „Der Überfall letzt am Hafen.. das war auch ein Duo. Ein Mensch und ein Iah K'uru Dämon. Jedenfalls hat sich nur einer davon verwandelt und wenn diese Dämonen immer so zu Werke gehen, weiß ich zumindest, wieso dieser Typ,“ sie zeigte auf dem Monitor. „Noch frei herumlief.“
 

„Aber natürlich,“ Giles Stirn zog sich kraus und er rieb sich an den Schläfen. „Einen Raubüberfall oder eine Schlägerei vorzutäuschen, ist das beste, was man in Cleveland tun kann, um kein großes Aufsehen zu erwecken. So etwas kommt in einer Stadt wie Cleveland häufig vor. Nur eine weiter Zahl in der Statistik. Niemand stellt große Fragen. Wenn es Zeugen gebe, würde die Polizei nach Menschen fahnden, nicht nach Dämonen. Die Frage ist nur, wieso sich diese Dämonen solche Mühe geben. Suchen sie ihre Opfer zufällig aus? Steckt ein Plan dahinter? Was hatte das mit dem Überfall auf Xander gestern zu tun?“
 

„Ich schätze, dass sind alles Fragen, auf die uns unsere Bücher keine klaren Antworten geben können,“ seufzte Lily.
 

Plötzlich klingelte ein Handy los und unterbrach die Gedankengänge. Xander, Willow, Lily und Buffy griffen zeitgleich nach ihrem Handy und starrten auf das Display. Giles schüttelte sichtlich amüsiert und ohne Verständnis den Kopf darüber.
 

„Es ist meines,“ gab Xander Entwarnung und nahm ab. „Ja?“ Es war Eve am anderen Ende, die ihm erklärte, dass sie sich heute nicht, wie vereinbart, in der Firma treffen könnten.
 

„Defekte Leitungen,“ erklärte sie Xander. „Deswegen gab es gestern Abend auch Probleme mit dem Licht und den Fahrstühlen. Unser Reparaturteam kümmert sich bereits um alles. Aber Sie verstehen bestimmt, dass der Lärm und die vielen Menschen im Moment ein konzentriertes Arbeiten unmöglich machen?“
 

Xander gab mit erhobener Hand seinen Freunden ein Zeichen, dass es einen Moment dauern konnte und wandte sich von ihnen ab, um ein paar Schritte in den hinteren Teil des Raumes zu gehen. „Ja sicher, natürlich. Aber wo sollen wir uns dann treffen?“ Xander kam das alles sehr merkwürdig vor. Defekte Leitungen erklärten nämlich nicht das Monster, das sie gejagt hatte.
 

„Die Barker Cooperation hat einen Konferenzraum in einem Hotel gemietet. Dort haben wir mehr Ruhe.“
 

„Hm..,“ Xander wusste nicht, was er davon halten sollte. Das Gebäude von „BC“ war so riesig, dass sich doch sicher ein ruhiges, billiges Plätzchen finden ließ, um zu arbeiten? Oder hatte Eve etwa etwas ganz anderes im Sinn? Etwas, das einen Sektkübel, durchsichtige Spitzenhemdchen und ein großes, breites Bett einschloss? Himmel, Mann, reiß dich zusammen, ermahnte sich Xander selbst und grinste, während seine Hand mit dem Handy darin feucht wurde. „Ja... uhm... okay.“
 

„Ein bisschen überraschend, ich weiß,“ entschuldigte sich Eve mit einer zuckersüßen Stimme und gab Xander die Adresse des Hotels durch.
 

„Kein Problem. Bis später dann,“ er drückte das Gespräch nach der Verabschiedung weg und rieb sich nachdenklich die Stirn. Er wusste noch immer nicht, ob er Eve für umwerfend verführerisch oder gemein gefährlich halten sollte. Und dann diese Aktion mit dem Konferenzraum in diesem Hotel... sein Verstand, jedenfalls der Teil der nicht an das Sexabenteuer in einer noblen Hotelsuite dachte, ermahnte ihn zur Vorsicht und er beschloss Eve näher unter die Lupe zunehmen. Schaden konnte es bestimmt nichts. Nicht bei seiner Erfahrung mit Frauen. Und jetzt, da er wusste, dass so gut wie jeder um sie herum ein Dämon sein konnte, der sich als Mensch tarnte, war erst recht Vorsicht groß zu schreiben. Er drehte sich wieder zu seinen Freunden herum.
 

„Tut mir leid Leute, die Arbeit ruft. Gebt mir unbedingt bescheid, falls ihr noch mehr herausfindet.“
 

Xander verließ das Wächterhaus und überließ seine Freunde den Rätseln. Willow tippte wild auf ihrer Tastatur herum und fluchte leise.
 

„Ich schätze das geht noch eine Weile,“ Buffy trat zu Giles und Lily. „Vielleicht geh ich jetzt schon los und seh’ mich mal auf der Strasse um.“
 

Giles wollte ihr gerade zupflichten, als es an der Tür läutete. Noch immer ein recht unvertrautes Geräusch in diesem Haus. „Ich gehe schon,“ sagte Giles und trat, von Buffy schweigend begleitet, die am Gehen war, auf den Flur hinaus. Als er die Tür öffnete blickten sie beide in die Gesichter zweier junger Männer, die etwas unschlüssig wirkend da standen und ihm erleichtert entgegen blickten.
 

“Ja bitte?“
 

„Mister Giles?“ fragte der größere der beiden.
 

„Ja.. und wer sind sie?“
 

„Oh.. mein Name ist Theodore Baldwin und das hier ist Isaac Callagher. Wir sind uhm.. wir haben letzte Woche telefoniert.“
 

„Natürlich! Entschuldigen sie,“ Giles lächelte und reichte den beiden Männern die Hand. „Die beiden jungen Wächter. Ich habe völlig vergessen, dass sie heute vorbeikommen wollten.“ Giles hatte ganz andere Dinge im Kopf, als die Probleme zweier unerfahrener Wächter, die mit ihren Jägerinnen nicht klar kamen, aber das war nun einmal seine vorrangige Arbeit.. sich um den Rat zu kümmern und deshalb bat der die beiden Männer mit einem freundlichen Lächeln einzutreten und ihm zu folgen. Buffy blieb für einen Moment in der offenen Türe stehen und sah nachdenklich den drei Männern nach, ehe sie sich einen Ruck gab und ging.
 

++++
 

New York State, etwas später

Straßensperre

“Milli Rogers?“ Der Polizist sah skeptisch auf den Pass, dann zurück zu Faith, die versuchte so unschuldig wie möglich zu lächeln.
 

„Stört Sie etwas an meinem Namen?“ Faith wusste, dass sie freundlicher sein sollte und wich Robins warnenden Blick aus. Ihr Rolle als Milli Rogers, dem naiven Ding aus dem Südwesten, waren sie wie oft schon durchgegangen? Sie hatte ja von Anfang an gewusst, dass ihr das nicht liegen würde.
 

„Nein... nur uhm....,“ wieder sah der Cop das Foto an, auf dem die Passbesitzerin kurzes, rotes Haar trug.
 

„Oh... ich habe mir meine Haare inzwischen nicht wieder gefärbt und sie mir ein wenig wachsen lassen,“ grinste Faith und drehte ihren Kopf ein wenig, damit ihr Gesicht etwas aus dem Tageslicht kam und der Polizist ihr endlich Glauben schenkte. Tatsächlich reichte er ihr den Pass zurück. Der misstrauische Ausdruck blieb. „Finden Sie nicht, dass mir das viel besser steht?“ Sie nahm sich vor Angel einmal genauer zu befragen, woher der Pass kam. Falls sie Angel je wieder sah.
 

„Eh sicher, ja.... und Ihr Pass, Sir?“
 

Robin nickte und griff nach vorne auf die Ablage, wo er den Pass bereit gehalten hatte. Der Cop griff danach, warf einen Blick darauf und nickte. „Nun gut, Mister Wood... Miss Rogers... wohin geht die Reise?“ Er warf einen neugierigen Blick nach hinten in den Bus.
 

„Wir sind auf dem Weg nach Ohio. Freunde besuchen. Millis Verwandte. Wir sind verlobt. Und wollen das feiern.“ Log Robin unverschämt gelassen.
 

Faith trat, um Robins Worte zu unterstreichen hinter ihn, legte ihre Arme um seinen Hals und lächelte so nett wie möglich. „Er ist ja so romantisch.“
 

„Aha...,“ der Cop schien kein weiteres Interesse daran zu haben, was Millli und Robin vorhatten, sondern warf einen kurzen Blick durch den Bus. „Netten Bus haben Sie da.. würde es Sie stören, wenn ich kurz einen Blick nach hinten werfe?“
 

Faith wollte auffahren, doch Robin hielt sie am Arm zurück und schüttelte rasch den Kopf. „Nein.. tun Sie nur was Sie nicht lassen können. Was ist hier eigentlich los?“ versuchte Robin ein wenig den Polizisten abzulenken, während Faith das Interesse verlor und dem jungen Cop auf der Strasse absichtlich einen aufreizenden Blick schenkte, bevor sie sich gelangweilt, aber innerlich doch amüsiert, abwandte. Sie schien es noch immer drauf zu haben. Robin hin oder her.
 

„Nichts ernstes. Wir fahnden nur nach jemandem. Interne Sache,“ gab der Mann wenig geschwätzig von sich und kam wieder nach vorne. „Gab ein paar nächtliche Übergriffe, Überfälle mit Todesfolge. Sie haben Schlafstätten für mehr als zwei Personen... sie scheinen nicht immer alleine zu reisen?“
 

Faith wurde wieder hellhörig. Die Sicherheit in der sie sich gewogen hatte, war verflogen. Um nicht nervös auf und ab zu gehen, nahm sie in der Sitzreihe platz. ‚Verdammt’ ... daran hatten sie natürlich nicht gedacht. Gott sei Dank lag nirgends etwas verdächtiges herum.. wie ein Morgenstern oder eine Armbrust...
 

“Uagh,“ kam es erstickt über Faith’ Lippen und sowohl Robin als auch der Polizist sahen sie alarmiert an. Als Faith Hinterteil die Sitzbank berührt hatte, war sie auf etwas gefährlich Spitzes zu sitzen gekommen. Ihre Hand ertastete einen Pflock und obwohl sie vor Schmerz lieber laut aufgeschrieen hätte, zwang sie sich zu lächeln, damit der Cop nicht noch misstrauischer wurde. „Kopfschmerzen,“ keuchte sie statt dessen, froh, dass der Pflock unbemerkt geblieben war. Auch wenn ihr dafür der Hintern noch eine Weile schmerzen würde.
 

„Milli leidet unter Migräne,“ sprang Robin ein. „Und hat zudem eine große Familie. Stammen alle aus Texas,“ Robin gingen langsam die Ideen aus, aber hielt tapfer gegen die Fragen an. Auch wenn er nicht wusste, was mit Faith los war. „Wir sammeln unterwegs noch die eine oder andere Kusine ein, die am Fest teilnehmen wird. Da ist jedes Bett gut.“
 

„Hm...,“ der Cop schien nicht wirklich überzeugt, aber es gab in dem Bus nichts, was verdächtig war oder wo man eine Bande Diebe, Mörder und Räuber verstecken konnte. Egal wie merkwürdig die beiden waren. „Na gut... nur noch eine Frage... Ihr Bus...nicht gerade eine sehr alltägliche Lackierung.“
 

„Sie wissen doch wie das so läuft.. alte Modelle werden aus staatlichen Einrichtungen ausrangiert... Leute mit wenig Geld kaufen den Schrott auf,“ stotterte Robin zusammen. „Steckt viel Zeit und Arbeit drin. Nur fehlt’s für eine Umlackierung.“
 

Der Cop nickte, als wüsste er von was Robin sprach und tippte sich an seine Schirmmütze. „Dann passen Sie mal schön auf Ihr Schmuckstück auf und weiterhin noch eine gute Reise.“ Mit diesen Worten verließ er den Bus und winkte sie durch die Straßensperre.
 

Faith zog den Pflock unter sich hervor und hielt ihn Robin anklagend unter die Nase, während sie sich mit der freien Hand die schmerzende Pohälfte rieb. Robin lachte auf und ließ den Motor wieder anspringen.
 

++++
 

Ratsgebäude,

Mittag

“Kommen sie beide gut nachhause,“ Giles schüttelte Baldwin und Callagher die Hände, die sich daraufhin verabschiedeten und den Konferenzraum verließen. Lily und Giles blieben alleine zurück. Für einen Moment war nur das leise, aber stetige Rauschen von Willows verlassenem Laptop zuhören, die eine kurze Pause gemacht hatte, um sich etwas zu Essen zu besorgen.
 

“Da siehst du mal, was alles passiert, wenn man beginnt Altbewährtes über Bord zu werfen,“ unterbrach schließlich Lily das Schweigen. Giles schüttelte missbilligend den Kopf und öffnete ein Fenster. Er hatte Kopfschmerzen und schob es eher der schlechten Luft im Raum zu - diese Klimaanlagen waren die Hölle - als der Tatsache, dass ihm die vielen kleinen und vor allem unnötigen Probleme junger Wächter langsam zu nerven begannen.
 

„Was können wir sonst tun? Sicher sind die meisten Wächter noch zu jung für ihre Aufgaben und den meist nicht viel jüngeren Jägerinnen in Autorität unterlegen. Aber wir haben nicht mehr so viele Leute, wie wir brauchen könnten.“ Giles setzte sich an den Tisch und sah etwas frustriert zu Lily auf. „Und die Schwierigkeiten der beiden eben sind mir nichts Neues. Ich bekomme viel Berichte dieser Art zugeschickt.“
 

„Das weiß ich doch,“ seufzte Lily, dann sah sie ihn lange und nachdenklich an, als wäre sie sich über ihre nächsten Worte nicht sicher. Schließlich gab sie sich einen Ruck. „Hast du dir nicht manchmal schon die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, wieder alles rückgängig zu machen? Wie leicht wieder alles wäre, wenn es nur eine Jägerin gebe?“ Lily trat hinter Giles und legte ihn sanft die Hände auf die Schultern, als wollte sie dafür sorgen, dass ihre Worte ihn nicht zu sehr aufbrausen ließen.
 

Giles ließ sich jedoch ihre Frage kurz durch den Kopf gehen, ehe er ihr antwortete. „Sicher habe ich das,“ seufzte er leise. „Aber die Konsequenzen für den Kampf gegen das Böse wären viel zu viele. Wir haben endlich die reale Chance etwas auszurichten und egal welcher Bösewicht das Ende der Welt plant... es kann mit einer Armee an Jägerinnen abgewendet werden.“
 

„Da magst du recht haben,“ Lily begann Giles verspannte Schultern zu massieren. Sie genossen beide für einen Moment die alte neu erblühte Intimität und hingen dabei ihren Gedanken nach.
 

„Vielleicht sollten wir etwas im Auswahlverfahren ändern,“ begann Lily auf ein neues. „Damit wir den Wächtern, die noch nicht so weit sind ein wenig mehr Zeit verschaffen, um sie besser auszubilden?“
 

„Und wie genau sollte das gehen? Wir haben nicht die Zeit. Wir entdecken in einer Woche mehr Jägerinnen, als das wir mit Wächtern nachkämen. Ich möchte nicht das Leben eines der Mädchen dadurch riskieren, das wir ihren Wächter erst noch lang auf seine Aufgabe vorbereiten.“
 

„Aber irgendwann haben wir sie alle gefunden und dann ist auch wieder die Zeit da, um sich Zeit für die Regeln zu nehmen.“ Lily löste sich von Giles und sah zum Fenster hinaus. Eine Krähe landete auf einen der beiden Bäume im Garten und begann ihr Gefieder zu putzen.
 

„Wieso beschleicht mich auf einmal das Gefühl, dass dir unsere Situation nicht gefällt? Würdest du es wirklich gerne rückgängig machen? Buffy oder Faith wieder alleine dem Wahnsinn aussetzen?“ Giles stand auf und trat zu Lily hinüber.
 

„Nein.. nein das meine ich nicht.. ich meine nur... ach vergiss es einfach. Es war nur so ein Gedanke.“
 

Giles sah Lily aufmerksam an, bis die Wächterin ihren Blick abwandte. Ihre Fragen und Zweifel waren sicher berechtigt und es hatte eine Zeit gegeben, in der ihn ähnliches geplagt hatte. Aber im Gegensatz zu Lily wusste Giles, was es bedeutete mit einer Jägerin alleine zu versuchen das Böse aufzuhalten. Da nahm er im Moment lieber all die kleinen Probleme im Kauf, die sie hatten. Lily räusperte sich verlegen und mit der Frage nach Tee versuchte sie abzulenken, bevor Giles noch mehr unangenehme Gegenfragen stellen konnte. „Hättest du auch Lust auf einen Tee? Oder ... oder auf etwas anderes?“ Fügte sie gedehnt hinzu und sah zur Hintertüre die nach oben führte.
 

Giles lächelte amüsiert und während durch das offene Fenster eine herbstlich kühle Briese hereinwehten, legten Lily und Giles ihre Unstimmigkeiten fürs erste auf Eis, um nach oben zu gehen.
 

Willow trat mit düsterem Gesichtsausdruck in den Raum. Sie war zurückgekehrt und hatte das Gespräch zwischen Giles und Lily verfolgt. Es hatte ihr nicht gefallen. Nein, überhaupt nicht. Sie verstand auf einmal Buffys Sorgen besser, die sie ihr vor etwa einem Monat anvertraut hatte und nahm sich vor, ein wenig ernster Lily und Giles im Auge zu behalten. Aber Buffy würde sie davon zunächst nichts berichten. Es war besser sich erst einen Überblick über das weitere Vorgehen im Rat zu verschaffen, bevor sie allen von Lilys Ansichten erzählen würde.
 

Sie packte ihre Tüte vom Supermarkt auf den Konferenztisch und zuckte zusammen, als die Krähe vom Baum auf den äußeren Fenstersims mit einem tiefen Krächzen flatterte. ‚Mistvieh,’ dachte sie eher über sich und ihre Schreckhaftigkeit verärgert. Dann fiel ihr Blick auf den Laptop. Sie hatte plötzlich eine Idee, wie sie vielleicht den Inhalt knacken konnte. Sie nahm die CD-ROM aus dem Laufwerk und legte sie vorsichtig neben sich ab. Dann griff Willow nach ihrer Tasche und suchte in ihrer herum. „Wenn ich dich jetzt nicht dabei habe...oh...,“ sie sah auf zur Türe. Die CD-ROM, die sie suchte, hatte Willow vor ein paar Wochen Lily ausgeliehen, die das sich darauf befindende Verzeichnis verschiedener Dämonensprachen ein wenig überarbeiten wollte. Wahrscheinlich lag die CD-ROM noch in Giles Büro.
 

Willow verließ den Raum und warf der Krähe einen misstrauischen Blick zu, die ihren Kopf schräg legte und Willow mit ihren Augen zu verfolgen schien. Willow war die Situation zu unheimlich, um den Vogel zu verscheuchen. Er würde sicher schlau genug sein, um nicht in den Raum zu fliegen.
 

Kaum war Willow gegangen sprang die Krähe vom Sims nach innen auf den Boden. Ihr Krächzen war vom Boden aus zu hören, während das Rascheln von sich plusternden Gefieder den Raum erfüllte. Dann war es auf einmal wieder still im Raum und hinter dem Tisch erhob sich plötzlich die Gestalt von Samillie, der asiatischen Schönheit, die sich hinter der Krähe zu verstecken schien.
 

Sie ging um den Tisch herum, bis sie Willows Laptop erreichte. Ihr Blick fiel auf die CD-ROM daneben. Die Frau streckte ihre Hand nach der Scheibe aus, als wollte sie danach greifen, doch sie berührte sie nur sanft mit ihren Fingerspitzen. Ein pulsierendes, orange farbiges Licht glomm zwischen ihren Fingerspitzen und der Scheibe auf und erlosch wieder als sie ihre Hand zurückzog.
 

++++
 

Hotel, Konferenzraum,

Mittag

Die Unterlagen waren schon ausgepackt und lagen auf dem Holztisch als Xander zum wiederholten Male auf die Uhr blickte. Es war erst eine Minute vergangen seitdem er das letzte Mal aus dem Fenster geschaut hatte und er lächelte grimmig, denn Eve schien sich zu verspäten. Seine Enttäuschung darüber, dass sich das nette, lauschige Liebesnest seiner Fantasie doch nur ein normales Konferenzzimmer war, hielt sich in Grenzen, denn immer wenn er mit Hilfe seiner Einbildungskraft mit Eve darin ‚zur Sache’ kam, verwandelte sie sich in ein Menschenfressendes Monster … Was immer auch hinter allem stecken sollte, er war gewillt es herauszufinden und seine Nervosität wuchs. Die Verhandlungen waren jetzt zweitrangig geworden, auch wenn er diese immer noch zum Abschluss bringen wollte, so war ihm der Ausgang letztendlich egal geworden.
 

Als sie endlich mit Smith und Jones auftauchte, waren weitere zehn Minuten vergangen und nach der kurzen Begrüßung bei der kein Wort über die Vorfälle verloren wurde, begannen sie gleich ihre Besprechung wieder bei dem Punkt aufzunehmen bei dem sie am Vortag aufgehört hatten.
 

Nachdenklich musterte Xander seine Verhandlungspartnerin und bemerkte auch die dunklen Augenringe. Sie schien also schlecht geschlafen zu haben… Ob sie wirklich eine von diesen Kreaturen war? Auf ihn wirkte sie eher wie ein Mensch der krampfhaft ein furchtbares Geschehen verdrängte und unkonzentriert überflog er eines der Blätter die sie ihm gereicht hatte, wo einige Kostentabellen aufgelistet waren.
 

Smith und Jones sahen genauso aus wie Tags zuvor und sie schienen auch die gleichen Anzüge zu tragen. Schweigend wie immer verfolgten sie scheinbar aufmerksam die Verhandlungen weiter und kritzelten wieder Notizen auf die gezückten Blöcke. Das einzige was ins Auge stach, war der rote Kratzer auf der Wange von Jones, der wie eine schlecht verheilte Narbe aussah und Xander bemerkte auch nicht das böse Funkeln in seinen Augen wenn sein Blick auf ihn fiel….
 


 

AKT III
 

Cleveland Rides Zentrale

“Hier, fang!“
 

Fast hätte sie Shin unvorbereitet erwischt. Aber auch nur fast, denn er fischte den Fahrradschlüssel in letzter Sekunde aus der Luft, bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte. “Das nächste Mal warte ich, bis du mit dem Rücken zu mir stehst,“ drohte sie spielerisch.
 

Shin grinste nur, sperrte sein Rad ab, und wandte sich dann ihr zu. “Willst du gleich nach Hause, oder hast du noch Lust, was zu machen?“
 

Bedauernd schüttelte Dawn den Kopf. “Heute hab‘ ich noch was vor – tut mir leid!“ Sie überlegte, wie sie Shin am besten von ihrer Verabredung mit Andrew erzählen sollte, ohne das dieser es in den falschen Hals bekam. Sie wollten heute Abend ins Planetarium gehen, hoffentlich dachte Shin dann nicht...
 

Vincent und Gregory rissen sie aus ihren Gedanken. Die beiden Jungen hatten schon eine Weile am Eingang herumgetrödelt, offensichtlich warteten sie darauf, dass sich die Zentrale leerte. Wollten sie wieder etwas von Shin?
 

Misstrauisch beobachtete Dawn, wie die zwei Schlägertypen näher kamen. Ihrer Meinung nach, hatte Shin einen Fehler gemacht, als er Trust wegen des Vorfalls nicht Bescheid gegeben hatte. Mit Sicherheit würde es wieder Ärger geben, die beiden warteten nur auf die richtige Gelegenheit.
 

“Nicht viel los, im Moment.“ Wieder einmal war Shin die Ruhe selbst. “Aber wartet erst mal die Weihnachtszeit ab, da verschickt die halbe Welt Päckchen.“
 

“Na, solang‘ wir die Überstunden bezahlt kriegen...“ Vincent zuckte die Schultern. “Mir soll’s recht sein.“
 

Dawn traute ihren Ohren nicht. War das Konversation, was die da betrieben? Mit Sicherheit steckte irgendeine Teufelei dahinter, Shin sollte sich besser vorsehen.
 

“Nee, Trust ist nicht geizig damit,“ fuhr Shin fort, “das Einzige, was er absolut nicht durchgehen lässt ist, wenn wir bei den Fahrten trödeln. Da wird er fuchsteufelswild...“
 

‘Jungs,‘ dachte Dawn fassungslos, als Shin und die anderen weiterredeten, als ob nichts gewesen wäre. Erst schlagen sie sich fast, und jetzt das...da sollte noch jemand schlau draus werden!
 

“Hey, Dawn! Hallo, Shin!“
 

Andrew war aufgetaucht, und Dawn fiel es siedendheiß ein, dass sie Shin noch gar nichts von ihrer Verabredung erzählt hatte. Jetzt würde er es garantiert missverstehen.
 

“Uhm...Andrew kennst du noch, oder?“ fragte sie verlegen. “Wir wollten....uhm!“
 

“Ins Planetarium,“ setzte Andrew den Satz fort. “Die haben da nen ganz neuen Projektor mit 3D Effekten, und ein Soundsystem, das...“
 

Shin grinste in sich hinein, als Andrew anfing, über technische Details zu reden. Wie es schien, war dieser Junge zu beschäftigt, seine Aufmerksamkeit einem Planetariumsprojektor zu widmen, um zu merken, mit was für einem zauberhaften Mädchen er da eigentlich ausging.
 

“Wir sehen uns dann morgen,“ meinte Dawn immer noch ein wenig verlegen, als sie mit Andrew die Zentrale verließ. Shin blickte ihr noch hinterher, bis ihr wippender Pferdeschwanz hinter der Eingangstür verschwunden war.
 

“Er ist älter als du,“ meinte Gregory abschätzend. “Die Mädchen stehen auf ältere Jungs.“
 

“Sag mal...“ fragte Vincent plötzlich, “hast du Ärger mit ‘nem Kerl namens Marvin? Von der Lincoln High School?“
 

“Inzwischen geklärt,“ gab Shin zurück. Dass Marvin erstens ein Iah Kuru Dämon, und zweitens Geschichte war, behielt er natürlich für sich.
 

“Solltest dich vorsehen.“ Vincent sah Shin nicht an, als er weitersprach. “Der Typ hat uns damals ne schöne Stange geboten, dass wir... dir ‘ne Lektion erteilen. Der hat’s echt auf dich abgesehen...“ er brach ab, und wandte den Blick Gregory zu, welcher ihn erschrocken ansah. “Na ja, wir sollten dann mal.... sehen uns morgen!“
 

Und ohne ein weiteres Wort stapften die beiden in Richtung Tür davon. Nachdenklich blickte Shin ihnen hinterher, ein leises Lächeln umspielte seine Lippen....
 

++++
 

New York State

Wald, Nachts.

„Ich sollte daran denken, dass ich Robin in den Arsch trete, wenn ich mir hier etwas abfriere,“ schimpfte Faith frustriert in die Nacht hinaus, während sie durch das Dickicht spähte. Unter ihr stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Seitenstreifen ein Streifenwagen geparkt. Die Fahrertüre stand offen und weit und breit war niemand zu sehen. Vielleicht hatte ja Robin doch recht, dachte Faith und zog ihre dünne, aber schicke Lederjacke enger um ihren wohlgeformten Körper und leckte sich über die Lippen, die spröde von der Kälte waren. Auch wenn sie noch immer der Meinung war, dass sie hätten weiterfahren sollen, nachdem sie Ronah und Vi eingesammelt hatten. Stattdessen waren sie in der Gegend geblieben, weil Robin der Meinung war, etwas wäre nicht ganz „koscher“.
 

Faith verließ ihren sicheren Ort und schlitterte den Hang hinunter. Ein Blick in das Innere des Wagens gab ihr keinen Aufschluss darüber, was hier passiert war. Besorgt und alarmiert wollte sie um die Rückseite herum gehen, als sie stutzte – eine Schleifspur war zu erkennen. Die Jägerin folgte ihr vom Wagen weg und zog ihren Pflock, als die Spur in den Straßengraben führte. Sie sprang nach unten und lauschte in die Stille des Waldes. Ein Ast knackte, Laub raschelte... Faith Atem ging schneller, ihr Herz pochte wild gegen die Brust und sie spürte das Adrenalin in ihrem Körper steigen. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt und ihre Sinne achteten auf jedes Geräusch, als sie weiter ging.
 

Die Schleifspur war hier unten im Dunkeln nicht mehr zu sehen und sie folgte ihrem Instinkt. Als vor ihr ein Heckengürtel auftauchte, war sich Faith kurz ihres Instinktes nicht mehr sicher, weil sie nirgends einen Durchgang entdecken konnte. Sie jagte gerne alleine, aber sie hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn Robin sie in Gruppen los geschickt hätte. Statt dessen suchte jede von ihnen eine andere Stelle ab, die im Radius der Straßensperre vom heutigen Tag lag.
 

Ein plötzliches Rascheln in den Hecken machte Faith stutzig, aber ehe sie reagieren konnte, rannte sie gegen einen Körper, der groß und massig vor ihr stand. Als die Jägerin aufsah, blickte sie in das Gesicht des Cops vom Morgen, der ein paar Fragen zu viel für ihren Geschmack gestellt hatte. Er wirkte genau so überrascht wie sie.
 

„Wie.. Milli.. richtig?“ Sie nickt gezwungen. Er konnte sich noch an sie erinnern. Das war kein gutes Zeichen. „Was machen Sie denn noch hier?“
 

„Hm... Sie sollten vielleicht nicht so viele Fragen stellen?“ Ihr Blick fiel auf den Kragen des Mannes und entdeckte dort einen Blutstropfen. Den Pflock, den sie hinter ihrem Rücken versteckte, umgriff sie ein wenig fester.
 

Er lachte. „Es ist nicht sicher in der Gegend. Nicht mehr.“
 

„Ja, so etwas dachte ich mir auch. Was ist passiert?“ Sie zeigte zurück zur Strasse.
 

„Irgendein Scherzkeks hat die Wache angerufen und behauptet hier draußen etwas Verdächtiges gesehen zu haben. Natürlich war da nichts. Aber vorsichtshalber habe ich mich umgesehen.. nur...,“ er rieb sich über die Stirn. „Glaube ich irgendetwas vergessen zu haben...“, ein nachdenklicher Blick machte sich in seinem Gesicht breit. „Ich bin ausgestiegen, habe mich nach der Stablampe gebückt...und dann... weiß ich nichts mehr.“
 

“Ich kann Ihrem Gedächtnis bestimmt auf die Sprünge helfen.“ Noch ehe der Cop etwas sagen konnte, hatte ihn Faith gepackt, an sich gezogen und den Kragen zur Seite gezerrt. Die Blutflecken hatten von Anfang an Misstrauen in ihr geweckt. Jetzt hatte sie die Gewissheit - zwei hässliche, tiefe Bisswunden zierten den Hals des Mannes. Offensichtlich hatte man ihn am Wagen überfallen und sie war dazwischen gekommen... hier mussten noch die Täter sein. „Essen auf Rädern,“ murmelte Faith gefolgt von einem: „Shit.. Vampire.“
 

„Was...?“
 

Faith nahm sich keine Zeit für Erklärungen und stieß den Polizisten zur Seite, als sie spürte, dass sie nicht mehr alleine waren – ein Ring Vampire hatte sich aus der Dunkelheit des Dickichts ums sie herum gebildet. Faith blickte in die vampirisierten Gesichter und verfluchte Robin und seine Schnapsideen, die er den ganzen Tag lang hatte.
 

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Hotel, Konferenzraum,

selbe Zeit

Er hatte es geschafft! Es war wirklich geschehen!

Immer noch starrte Xander beinahe ungläubig auf das wertvolle Papier in der Hand, welches ihm bestätigte das seine Firma den Komplex an die Barker Cooperation verkauft hatte und ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit machte sich in ihm breit.
 

Wie hatte er es nur vollbracht die zähe Verhandlung zu überstehen?
 

Beinahe übersah er die gestreckte Hand von Eve, die ihm zu seinem Erfolg gratulierte und immer noch zwinkerte Xander ungläubig als er nach ihr griff und die Glückwünsche entgegen nahm. Für einen Moment musste er an Anya denken und wie stolz sie auf ihn gewesen wäre, doch wie immer verdrängte er den schmerzhaften Gedanken wieder in eine entfernte Ecke seines Kopfes.
 

Smith und Jones waren schon fort und er fragte sich wann sie überhaupt verschwunden waren, denn er konnte sich kaum daran erinnern dass sie sich verabschiedet hatten, aber das war in Anbetracht der Situation auch völlig nebensächlich.
 

Erleichternd lachend kramten Eve und Xander wieder ihre Unterlagen zusammen, wobei Xander besonders behutsam mit dem kostbaren Papier umging, welches für ihn der schriftliche Beweis darüber war, das es wirklich vorbei war und er den Vertrag abgeschlossen hatte. Sie waren fast fertig, da durchdrang das durchdringende Piepen eines Handys die aufgeräumte Stimmung und Eve entschuldigte sich kurz um mit dem Telefon auf den Flur zu gehen.
 

„Ja?“ Anhand der Nummer auf dem Display war ihr sofort klar um wen es sich bei dem Anrufer handelte und ihre Stimme hatte einen unterwürfigen Ton angenommen… „Ja, der Vertrag ist abgeschlossen Mr. Romero, genauso wie sie gesagt haben, Sir.“ Wieder wartete sie eine Weile und lauschte angespannt in den Hörer. „Aber natürlich, wie sie wünschen.“ Damit beendete sie das Gespräch und starrte noch einen Moment stirnrunzelnd auf den kleinen Kasten in ihrer Hand, doch dann drehte sie sich wieder seufzend herum um das Besprechungszimmer zu betreten. Nun, wenn der Chef meinte sie sollte ihn noch hinhalten bis er sich wieder meldete, dann würde sie das auch tun…
 

Xander war fertig und zog sich grade seine Jacke an als Eve wieder hereinkam und ein strahlendes Lächeln aufgesetzt hatte. „Das war mein Boss“ erklärte sie freundlich und schob das Handy zurück in ihre Handtasche. „Ich habe für heute frei bekommen und frage mich ob wir nicht auf unseren Erfolg anstoßen sollten? Was halten sie von einem Imbiss im Blue Rider? Natürlich auf Kosten der Barker Cooperartion, sozusagen als Dankeschön für den guten Abschluss?“ Überrumpelt zog Xander scharf die Luft ein und verkniff sich ein breites Grinsen. Die ganze Zeit hatte er überlegt wie er Eve im Auge behalten konnte um mehr herauszubekommen und jetzt wurde ihm diese Möglichkeit praktisch auf dem Silbertablett serviert. „Aber gerne.“ Erwiderte er höflich lächelnd und hielt ihr galant den angewinkelten Arm entgegen.
 

Das lief alles viel besser als er erwartet hatte…
 

++++
 

New York State, Waldstück ,

ein paar Minuten später...

Faith taumelte unter dem Schlag eines breitschultrigen Rockers zurück, fiel gegen eine blonde Vampir-Frau und wurde von ihr zurück in den Kreis gestoßen. Die Vampire ließen sich Zeit und Faith stellte ihre Intelligenz nicht weiter in Frage. Sie schienen sich hier zu einer kleinen Band zusammengerauft zu haben und machten die Gegend unsicher. Offensichtlich hatten sie nicht einmal mehr Respekt vor den Gesetzeshütern.
 

Faith versuchte alle im Auge zu behalten und bereitete sich auf alle Möglichkeiten vor.
 

Drei Vampire brachen aus dem Kreis aus und griffen sie an. Faith empfing den ersten mit einem Kick gegen die Brust, der ihn zurückwarf, noch bevor er mit seiner Nagel besetzten Latte hatte ausholen können. Den zweiten konnte sie mit einer im Sprung ausgeführten Drehung gegen die Körperseite aus dem Gleichgewicht bringen. Der dritte jedoch hatte ihre Ablenkung genutzt und stieß ihr das Schlagende eines Baseballschlägers von hinten in die Niere. Faith stöhnte auf, griff sich an den Rücken und wirbelte herum. Doch der Schmerz war stark genug, um sie in die Knie zu zwingen. Sie keuchte und ehe sie sich wieder fing, schlug ihr der Angreifer den Schläger gegen den Kopf. Sie fiel zur Seite, rollte sich aber sofort aus der Reichweite des Vampirs. Sein nachgesetzter Tritt ging ins Leere, keine fünf Zentimeter neben Faith Kopf. Sie sprang in die Höhe, fühlte sich schwindlig und versuchte das taube Gefühl in ihrem Kopf abzuschütteln. Dann sorgte sie dafür, dass das höhnische Grinsen des Vampirs zu einer Fratze wurde, als sie ihm mit voller Wucht zwischen die Beine trat. Der Vampir sackte nach vorne über, keuchend und nach Luft ringend, während Faith ihm den Pflock durch den Rücken stieß. Mit einem lauten Knall löste sich der Vampir in Staub auf.
 

„Okay... möchte noch jemand von mir bedient werden?“
 

Vampir eins und zwei hatte sich inzwischen zusammengetan und griffen sie gleichzeitig an. Faith lächelte.. noch einfacher konnte sie es ihr wirklich nicht machen. Sie sprang zur Seite, rollte sich über die Schulter ab und war somit hinter die Vampire gekommen. Ehe die Mitstreiter ihren Leuten eine Warnung zurufen konnten, hatte Faith einen der beiden gepfählt und gleichzeitig dem anderen in die Kniekehle getreten. Er knickte ein und Faiths Arm schlang sich um den Hals des Vampirs. Sie hatte ihn fest ihm Griff, zog ihn an sich, auch wenn er sich tapfer wehrte. Letztendlich drang Faith Pflock in sein Herz ein. Staub regnete auf sie nieder.
 

Drei waren erledigt und Faith blickte siegesbewusst um sich. Die Vampire zeigten sich nicht beeindruckt und der Kreis zog sich zusammen. Faith wusste, dass sie gegen die kleine Übermacht keine guten Chancen hatte. Aber da musste sie jetzt durch. Sie wartete nicht ab, bis erneute Angreifer auf sie zustürmten, sondern suchte sich ihre Opfer selbst aus. Allerdings wusste Faith, dass sie keine Zeit hatte, alle zu pfählen. Sie musste sich darauf konzentrieren, zu entkommen. Sie warf einen kurzen hilflosen Blick auf den Polizisten, über den sich drei Vampire her machten. Für ihn würde sie nicht mehr viel tun können.
 

Sie riss sich los, stürmte auf die blonde Vampir-Frau zu, trat ihr gegen die Kniescheibe, schlug ihr die Handkante ins Genick und beförderte einen weiteren Vampir mit einem Schlag auf den Kehlkopf ins Reich der Träume. Sie setzte dazu an ihn zu pfählen, als sie von hinten an den Oberarmen gepackt wurde. Sie trat wütend mit den Füssen in die Luft, als man sie in die Höhe zerrte und sie sich von zwei Vampiren als gefangen genommen betrachten musste.
 

“Probleme?“ Robins Stimme! Faith wandte ihren Kopf und sah ihren Wächter und Geliebten außerhalb des Kreises mit Ronah und Vi stehen. Abgesehen davon, dass sie noch immer über seine Ideen sauer war, war sie ganz froh alle zu sehen. Vor allem ihn und die beiden Waffen, die er links und rechts in den Händen hielt.. zwei Streitäxte.
 

“WO WART IHR NUR SO LANGE?“ Viel mehr Zeit zum Reden und zum Erklären hatten sie nicht, denn die Vampire hatten die Ankömmlinge bemerkt und ein Teil wandte sich den dreien zu. Robin hielt sich nicht lange auf, sondern schlug sich eine Bresche durch die Angreifer, während Faith zur Seite geschleift wurde. Robin war schnell bei ihr, schlug einem der Vampire den Kopf mit der Axt ab und pfählte den anderen mit dem Holzgriff. Faith flog zu Boden.
 

„Ich bin beeindruckt,“ lächelte sie erleichtert. Gleichzeitig war ihr es ungemein peinlich, Robin gegenüber so viel Schwäche zu zeigen. Sie war stark, sie kannte keine Angst oder Furcht und konnte doch nicht verhindern, dass ihre Knie leicht zitterten, als sie sich von Robins helfender Hand in die Höhe ziehen ließ.
 

„Gern geschehen. Und hier.“ Er reichte ihr die Axt. „Machen wir sie fertig?“
 

“Aber auf jeden Fall,“ und damit stürzten sich Faith und Robin zurück in die Schlacht, bei der Vi und Ronah bereits alle Hände voll zu tun hatten.
 

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Irgendwo in Cleveland

Da hatte Willow ja was Schönes mit ihrer Warnung vor menschlich aussehenden Dämonen angerichtet…Sie war noch am Schlafen gewesen als der Anruf kam und danach hatte sie sich sofort aufgemacht, um erneut auf Patroullie zu gehen, trotz aller Warnungen die ihr ihre Freundin mit auf den Weg geben wollte.
 

Jetzt starrte sie den Zeitungsverkäufer schon seit einer Minute durchdringend an, als wenn die komische Gestalt sich gleich in einen Dämon verwandeln würde… Woher soll man denn auch erkennen wer einer von diesen Monstern ist und wer nicht? Zugegeben, der Mann sah wirklich nicht vertrauenswürdig aus, schäbig, und unrasiert, dazu roch er noch als wenn er der eifrigste Kunde des hinter seinem Zeitungsstand liegenden Spirituosenladens wäre.

Kennedy gelang es endlich ihren fragenden Blick von der Figur abzuwenden, denn dieser grinste sie schon genauso lange merkwürdig an.

Sicher fühlte er sich geschmeichelt.

Eine Gänsehaut überzog ihre Arme und zornig wischte sie sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie entschlossen weiterging.
 

Nur ein paar Querstraßen weiter wurde sie auch schon wieder aus ihren Gedanken aufgeschreckt, da vor ihr, aus einer Art Einfahrt ein klagendes Gejammer, gemischt mit einem dumpfen Knurren zu hören war.
 

"Ich wollte das nicht, bitte glaub mir, bitte tu mir nichts!“
 

Das Klagen des jungen Mannes hallte in ihren Ohren wieder und ohne zu zögern, rannte Kennedy los, bog um die Ecke und griff das seltsam aussehende, schleimige Wesen an, welches mit seinen Glibberarmen nach dem armen Jungen packte. Ihre geballte Faust verschwand nahezu in der wabernden Masse, die einen Kopf darstellen sollte und prallte zurück als wenn sie gegen eine Gummiwand geschlagen hätte.
 

„Uh….“ Ihr ärgerliches Stöhnen war nicht auf den weichen Schlag gemünzt, sondern auf den jungen Mann, der nun auf ihren Rücken eintrommelte. „Lass sie sofort los!“ Brüllte er die überraschte Jägerin an, der nichts anderes übrig blieb als erschrocken zurückzuweichen.

Ein paar Mal schob sie abwehrend seine trommelnden Fäuste weg und hörte ein leises Klirren als wenn irgendetwas auf den Boden gefallen wäre, aber sie konnte sich nicht darauf konzentrieren, denn das schleimige Wesen begann nun verzückt mit einer Mädchenstimme auf den Jungen einzureden.
 

„Oh George, du hast mich gerettet, das hätte ich nie gedacht! Du bist so tapfer…“ Kennedy schloss ihre Augen als sich der männliche Teenager zu dem Glibbermonster umdrehte und es zärtlich in den Arm nahm.
 

„Jessica, ich liebe dich doch, egal wie du aussiehst…“ Säuselte es in ihren Ohren und Kennedy schluckte eine abwertende Bemerkung herunter. Zu ihrem Glück entfernten sich die Beiden schnell, so dass sie nicht auch noch andere Liebesbezeugung mit anhören oder schlimmer noch: mit ansehen musste. Kopfschüttelnd sah sie dem turtelnden Liebespaar noch zu wie es um die Häuserecke verschwand, dann wollte sie auch gehen, doch ihr Schuh stieß an etwas Klimperndes. Überrascht stellte sie fest, dass es die gleiche Art Schlüsselanhänger wie von Andrew war, doch kaum hatte sie das kleine Raumschiff aufgehoben, löste es sich auch schon in kleine Staubpartikel auf….
 

++++
 

Auf der Strasse vor dem „Blue Rider“

abends
 

“Um ehrlich zu sein... es macht mir ein bisschen Angst.“
 

Sie ließen sich langsam zusammen mit dem Besucherstrom hinaustreiben und Dawn atmete tief die frische Luft ein, denn im Planetarium war es durch die Zuschauermenge doch ein wenig warm und stickig geworden. Ihre Hand hielt den Ärmel von Andrew fest, der in der Menge sonst verloren gegangen wäre und es dauerte ein paar Minuten bis sie endlich frei auf der Straße standen.
 

“Aber warum denn? Weil ich jetzt stärker bin, als du?“ lachte Dawn. Sie boxte ihn neckisch in den Arm. “Dazu brauch ich ganz bestimmt keine Jägerinnenkräfte!“
 

Aber Andrew blieb ernst, und ging nicht auf den Witz ein. “Na ja, weißt du...“ überlegte er, “es ist so...Anakin Skywalker-mäßig. Zuerst ein normaler – wenn auch nerviger Junge, dann kommen die Jedi-Kräfte, und schwups – ist er plötzlich Darth Vader, und will die Welt beherrschen. Und so was geht nie gut aus...“
 

“Halt, Auszeit!“ Dawn formte mit den Händen das T-Zeichen, und hielt es Andrew unter die Nase. “Ich bin immer noch dieselbe, wie vorher! Nix mit Weltherrschaft und komischen Atemgeräten. Und jetzt, nach Buffy’s großer Nummer bin ich nicht mal übermäßig auserwählt! Ich bin nur eine Jägerin von Hunderten, das ist alles!“
 

“Trotzdem.“ Immer noch ein wenig nervös, trat Andrew von einem Fuß auf den anderen. “Macht macht komische Dinge mit den Menschen. Sie verändern sich....“
 

“Richtig, ihnen wachsen Hörner und Haare und sie laufen nachts jaulend durch den Park,“ kicherte Dawn. “Nee – warte, das waren die Rockmusiker! Ach komm schon, Andrew,“ versuchte sie ihn aufzumuntern, “ich bin wirklich kein Neuling in dieser Sache. Als Ex-Energieball und Jägerinnenschwester hab ich schon alle Arten von kosmischer Kräften live erlebt und, du kannst mir glauben, ich weiß auch, was damit alles schieflaufen kann. Die Sache mit Faith, selbst wenn ich damals erst zwölf, und außerdem gar nicht wirklich dabei war – und dann die Sache mit Willow...“
 

Beide schwiegen für einen Moment, als sie weiter die Straße entlang gingen und hingen ihren Gedanken nach. Die Vergangenheit hatten sie schon zu oft durchgekaut, als dass es dazu noch viel Neues zu sagen gäbe, aber trotzdem, manche Dinge kamen immer wieder hoch.
 

“Etwas verstehe ich aber immer noch nicht, “ überlegte Andrew, und sein Gesicht hatte einen grüblerischen Ausdruck angenommen. “Warum hat Tara Willow ausgerechnet dann im Stich gelassen, als sie diese ganzen Probleme mit der Magie hatte? Ich meine, warum ist sie nicht bei ihr geblieben, und hat ihr geholfen?“
 

“Sie hat sie nicht im Stich gelassen!“ protestierte Dawn heftig. Das Mädchen überlegte eine Weile, während sie gemeinsam weitergingen. “Weißt du, manchmal muss man einen Menschen verlassen, obwohl man ihn liebt. Oder gerade weil.“
 

“Aber das ergibt doch keinen Sinn!“
 

“Natürlich ergibt das Sinn!“ Dawn war selber erstaunt über ihre Einsicht, denn sie konnte sich nur allzu gut erinnern, wie sehr auch sie damals unter der Trennung der beiden Hexen gelitten hatte. Ein Seufzer entflog ihren Lippen und sie betrachtete Andrew, der, seine Hände tief in den Taschen vergraben, angestrengt über ihre Worte nachdachte.
 

“Ich verstehe es nicht,“ wiederholte er schließlich hilflos. “Ich verstehe es einfach nicht.“
 

“Na dann wird’s aber Zeit!“ Dawn erschrak, als sie bemerkte, wie scharf ihre Stimme geklungen hatte, aber sie würde jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Seinen Freunden sagte man die Wahrheit, selbst wenn sie unangenehm war. “Hör mal, ich will hier bestimmt nicht die Expertin rauskehren, aber langsam sollten dir echt mal ein paar Dinge klar werden! Liebe heißt nicht, jemandem wie ein kleiner Hund hinterherzulaufen, und zu allem ja und amen zu sagen. Das ist kindische Schwärmerei, nichts weiter!“
 

Sie blieb stehen und sah Andrew eindringlich an. “Gerade, wenn man jemanden liebt, muss man auch in der Lage sein, sich ihm entgegenzustellen! Eigene Entscheidungen zu treffen! Und nicht tatenlos dabei zusehen, wie der andere mit dem Kopf voran in die Katastrophe stürzt, und dabei weiß Gott wie viele Menschen mitreißt!“
 

Andrew senkte den Kopf, und für einen Moment glaubte sie, er sei wieder beleidigt. Seine Augen glänzten verdächtig, aber er heulte nicht los, und beschwerte sich auch nicht, dass sie ihn angefahren hatte. Als er den Blick wieder hob, und ihr in den Augen sah, brachte er ein mühsames kleines Lächeln zustande. “Du musst wirklich eine Jägerin sein, du redest schon genau, wie Buffy!“
 

“Okay, wenn die Welt das nächste Mal untergeht, halt‘ ich die Predigt,“ schlug sie vor, und der Gedanke daran, dass Buffy immer noch nicht Bescheid wusste, versetzte ihr einen leisen Stich. Andrew dagegen schien sich wieder gefangen zu haben, auch wenn sie sicher war, dass er ihre Worte so bald nicht vergessen würde.
 

“Hoffen wir bloß, dass bis dahin noch viel Zeit ist...“ weiter kam Andrew nicht, denn sein Blick fiel durch das niedrige Fenster einer neuen Künstlerbar und Dawn konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie sah, was er da entdeckt hatte. Durch das getönte Glas sah man etwas verzerrt, Xander an einem der vielen kleinen Tische sitzen, ganz offensichtlich schwer in ein Gespräch mit einer äußerst attraktiven blonden Frau vertieft.
 

“Das ist das Blue Rider, ein nagelneuer Trendladen, sieh dir mal die ganzen Bilder an den Wänden an,“ flüsterte Dawn ihrem Freund zu, doch der hatte nur Augen für seinen Wohngemeinschaftspartner und dessen Begleitung. “Die sieht gut aus, nicht wahr?“ kicherte das Mädchen, und versuchte Andrew von dem Fenster weg zu ziehen. Auf keinen Fall wollte sie, dass Xander sah, wie sich zwei junge Leute die Nasen an der Scheibe platt drückten.
 

“Meinst du, das ist was Ernstes?“ Seine Stimme schwankte zwischen Entsetzen und Trauer hin und her und sein Atem ließ das kleine Fenster beschlagen.
 

“Oh, ich hoffe doch!“ Neugierig beäugte Dawn die blonde Schönheit. “Wenn er selbst eine Freundin hat, dann hört er vielleicht endlich mit seinen albernen Versuchen auf, uns miteinander zu verkuppeln.“
 

“Meinst du wirklich?“ fragte Andrew hoffnungsvoll. “Das wär natürlich gut, jedes Mal, wenn ich versuche, es ihm zu erklären, fängt er wieder an, mich zuzutexten. Darüber, dass ich verantwortungsbewusst werden, und eine Freundin haben, und weniger Star Trek gucken soll.“ Er zog die Stirn in Falten. “Vielleicht ist Xander ja in Wirklichkeit auch eine Jägerin, oder er ist nur zu lange mit Buffy zusammengewesen...“
 

“Ich weiß auch nicht, was eine Freundin und weniger Star Trek mit Verantwortungsbewusstsein zu tun haben sollen.“ Dawn zuckte mit den Schultern. “Ich denke eher, es geht um was ganz anderes. Weil... es war doch immer Xander’s größter Wunsch, mit Anya ein glückliches und einigermaßen normales Leben zu führen. Und jetzt, wo dieser Traum zerstört wurde, will er irgendwie, dass du dieses Leben führst...an seiner Stelle sozusagen.“
 

“Wie kommst du denn auf die Idee?“ Andrew blickte weiter in den Raum, wo die blonde Frau gerade über irgendetwas was Xander gesagt hatte, lachte. “Ach so, du meinst, so wie Buffy immer das normale Leben für dich wollte, das sie selbst niemals haben konnte.“
 

“Ganz genau.“ Dawn nickte. “Aber bei mir hat es nicht funktioniert, wie du siehst, und bei dir wird es das auch nicht. “
 

Sie lächelte. “Aus dir wird nie ein normaler Mensch werden, der mit Ehefrau und fünf Kindern vor der Glotze hockt, und sich statt Star Trek die Sportschau ansieht. Und das ist auch ganz gut so.“
 

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn spontan auf die Wange.
 

“Prima. Erst anschnauzen, dann abbusseln!“ Andrew rollte mit den Augen. “Warum kommen mir diese Methoden nur so wahnsinnig bekannt vor?“
 

“Hey!“ protestierte Dawn. “Es gibt einige Leute, mit denen möchte ich bitte nicht verglichen werden, okay?“
 

Andrew blickte zurück zum Fenster, wo Xander und die Schönheit in Blond mit ihren Gläsern anstießen. “Okay, vielleicht hast du recht, was Xander angeht,“ wechselte er das Thema, “aber ich meine, wäre das fair Anya gegenüber, wenn er so einfach...ich meine, egal wo sie jetzt ist, sie müsste doch fürchterlich eifersüchtig sein...“
 

“Hey, es ist doch O. K. wenn Xander sich wieder mit anderen Frauen trifft, vielleicht ist das ja auch nur eine Arbeitskollegin,“ lenkte Dawn ein. “Außerdem kann man doch nicht sein Leben lang hinter jemandem her trauern! Irgendwann muss man sich doch auf die Suche nach jemand neuem machen...“ sie brach ab, als sie den Ausdruck auf Andrew’s Gesicht bemerkte, und fügte hinzu: “Anya hätte es auch so gesehen, da bin ich mir sicher.“
 

Wieder versuchte sie ihn weiterzuziehen, doch Andrew stand wie angewurzelt. Endlich huschte so etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht und er rückte ein wenig von dem Glas ab, denn auch er wollte nicht unbedingt gesehen werden und Xanders Blick war ein wenig in ihre Richtung gewandert.
 

“Genug gepredigt für heute,“ lachte Dawn aufmunternd, und endlich löste sich Andrew von seinem Platz und sie gingen langsam weiter. “Lass uns über die letzte Enterprise Folge reden!“ raunte das Mädchen ihm zu und hakte sich mit einem Augenzwinkern bei ihm ein.
 

++++
 

Blue Rider

selbe Zeit

Mit viel Glück hatten sie noch einen Tisch im Blue Rider ergattert und eine Hand von ihm lag immer noch auf der ledernen Aktenmappe mit dem wertvollen Dokument.
 

Xander war es mehr als feierlich zumute und für einige Augenblicke hatte er sogar vergessen, dass er Eve ursprünglich im Auge behalten sollte und genoss einfach das nette Beisammensein mit einer schönen Frau. „Also ich finde es wirklich nett hier, meinen sie nicht auch? Wenn man bedenkt wie der Laden vorher ausgesehen hat, da haben sich die neuen Eigentümer wirklich mühe gegeben.“ Eve betrachtete immer noch die Drucke an der Wand hinter Xander, der nur zustimmend nickte und sich innerlich fragte, wie man mit solchen abstrakten Gekritzel tatsächlich Geld verdienen konnte.
 

„Nun, ja, sehr …. interessant. Aber ich lebe noch nicht so lange in Cleveland, daher weiß ich nicht wie es hier früher aussah.“
 

„Wo kommen sie denn ursprünglich her?“
 

„Sunnydale, Kalifornien,“ antwortet er ihr und musterte das hübsche Gesicht, ob er ihr damit irgendeine Reaktion hervorzaubern konnte, doch ihre Miene zeigte nur ehrliches Interesse.
 

„Oh, das ist ja sehr interessant, war es nicht ein Schock aus dem sonnigen Kalifornien ins kalte Ohio umzuziehen? Was hat sie hier her getrieben? Beruf? Familie?“ Ihre Finger umschlossen das Weinglas mit perfekt manikürten Fingern und vorsichtig hob sie es an, denn instinktiv hatte sie gemerkt dass ihm ihre Frage unangenehm war.

„Auf unseren guten Abschluss.“ Prostete sie Xander zu und der erwiderte die Geste mit seinem Glas.
 

Nachdem sie sich eine Weile über das Wetter unterhalten hatten, nestelte Eve auf einmal in ihrer Handtasche herum und Xander zuckte nervös zurück. Holte sie jetzt eine Pistole oder ein Messer heraus? Hatte er sich doch getäuscht? Doch statt einer Waffe klappte sie nur ihren Taschenspiegel auf und kontrollierte kurz ihr Make up. Ihr entging das erleichterte Gesicht ihres Tischpartners nicht und lächelte ihm zu. „Das war ihre erste Verkaufsverhandlung, oder?“
 

„Sagen sie es ruhig, ich hab mich benommen wie der letzte Idiot.“ Seufzte er laut und wartete auf ihre Bestätigung, aber sie lachte nur laut auf.

Für einem Moment glaubte Xander sich plötzlich seltsam beobachtet, aber ein Blick über die Schulter zeigte ihm nur andere Paare, die essend oder trinkend an den Tischen um sie herum saßen und sie nicht weiter beachteten.
 

„Oh nein, das war es nicht, sie waren wirklich wundervoll.“ Überrascht blinzelte Xander und traute seinen Ohren kaum.
 

Ob sie wirklich die Verhandlungen meinte, oder den Vorfall im Aufzug? Sie hatte ihn mit keinem Wort mehr erwähnt und wieder keimten Zweifel in ihm hoch ob sie nicht doch irgendwie mit dieser Dämonen-Sache zusammenhing. Geschickt war sie jeder Anspielung ausgewichen und Xander ärgerte sich schon das sie so wenig über sich verriet.
 

Endlich war auch ihr Essen gekommen und misstrauisch betrachtet Xander den undefinierbaren mit einem Salatblatt und einem Stück Orange verzierten Happen, der ihm auf einem viel zu großen Teller serviert wurde. Dummerweise hatte er einfach das gleiche ausländisch klingende Essen genommen, das Eve bestellt hatte und er bereute nun zutiefst nicht einfach ins nächste Pizza Hut gegangen zu sein, da kannte er sich wenigstens aus.
 

„Das Huhn ist einfach delikat hier.“ Flüsterte Eve ihm verzückt zu während sie ihre Servierte entfaltete und Xander es ihr nachmachte. Gut das er gewartet und nicht dem ersten Impuls nachgegeben hatte sich das Tuch in den Kragen zu stopfen. „Einfach fantastisch finden sie nicht? Später am Abend treten auch Künstler auf, oder Gruppen spielen Musik, ich kann es ihnen nur empfehlen.“ Hielt Eve das Gespräch aufrecht, während sie begann mit ihrer Gabel etwas von der Masse, was laut ihrer Aussage Huhn sein sollte, aufspießte.
 

Zu Xanders Überraschung schmeckte es gar nicht so schlecht, war aber für seine Belange viel zu wenig, doch er verkniff sich eine abwertende Bemerkung, sondern lobte die gute Küche. Sie waren kaum fertig als auch schon Eves Handy wieder sein durchdringendes Piepen erschallen ließ und sie entschuldigte sich mehrmals, drückte aber hektisch den Annahmeknopf, als sie auf das Display sah.
 

Xander verstand nichts von dem Gespräch, bemerkte aber ihren angespannten Gesichtsausdruck und auch ihre Stimme hatte wieder diesen devoten Ausdruck bekommen. „Aber sicher Sir. Ja…ja…..Nein, das macht nichts, ich werde sofort kommen.“ Damit schien das Gespräch auch schon beendet zu sein und Eve sah sich suchend nach dem Kellner um. „Ich muss doch noch einmal ins Büro. Mein Chef braucht dringend noch eine Kopie der Unterlagen, macht es ihnen viel aus mich noch einmal zu begleiten? Es tut mir ja so leid, aber…“
 

„Nein, das geht schon in Ordnung, ich fahr sie.“ Xander verstand zwar nicht so ganz warum das so dringend war, aber er wollte ihr auch nicht die Bitte ausschlagen. Vielleicht gelang es ihm ja so, doch noch mehr über Eve herauszubekommen.
 

AKT IV
 


 

Barker Cooperation Gebäude,

etwas später

Ein kalter Schauer überfiel Xander, als er mit Eve das menschleere Gebäude der Barker Cooperation betrat und seine Nackenhaare stellten sich auf, während sie an den Aufzügen vorbei, zum Treppenhaus gingen.
 

Ohne Worte schienen sich beide einig, dass es wohl besser wäre auf den Fahrstuhl zu verzichten und zu Xanders Erleichterung war es auch nur ein Stockwerk, das sie bewältigen mussten. Auch Eve schien merkwürdig befangen und unsicher sah sie zu ihm herüber, während sie dem Echo ihrer Schritte lauschten die durch das Treppenhaus schallten. Die Atmosphäre war auch so mehr als unheimlich, als sie den Aufgang wieder verließen, denn nur eine schwache Notbeleuchtung erhellte die leeren Gänge und warf seltsame Schatten auf die Wände.
 

„Hier ist es.“ Flüsterte Eve und es waren ihre ersten Worte seit dem sie in das Hochhaus gekommen waren und zeigte auf eine Tür am Ende des Ganges. Erleichtert betraten sie das große Büro und Eve fingerte nach dem Lichtschalter, der den Raum sofort taghell machte und sofort die unheimliche Stimmung verschwinden ließ. „Seltsam, er wollte doch auf uns warten.“ Wunderte sie sich und setzte sich erleichtert seufzend auf einen der beiden Drehstühle vor dem großen Schreibtisch, der mitten im Raum stand.
 

„Ich denke wir warten einen Moment.“ Meinte Xander unsicher und sah auf seine Armbanduhr. Sein Gefühl sagte ihm ganz deutlich dass etwas nicht in Ordnung war und er versuchte aus der großen Fensterfront nach draußen zu blicken, doch er sah nur sein eigenes Abbild in dem spiegelnden Glas, als er auch in der Reflektion sah wie die Tür aufgerissen und wieder zu geworfen wurde. Blitzschnell hatte Xander sich umgedreht und starrte nun zusammen mit Eve erschrocken auf Smith, der einen sehr verstörten Eindruck machte, was nicht zuletzt durch sein lautes Kreischen verursacht wurde.
 

„Hilfe, helfen sie mir, es ist hinter mir her!“ Schrie er, sah sich hektisch um und verschwand hinter dem Schreibtisch um Deckung zu suchen. Eve war aufgesprungen und instinktiv zu Xander gelaufen, als auch schon ein Poltern erklang und die Tür mit einem gezielten Schlag aus den Angeln kippte.
 

„Oh nein….“ Xander traute seinen Augen kaum, als er sah wie Jones auf dem skelettierten Reittier sitzend, siegessicher, langsam in das Büro kam. Seine Gestalt schien sich zu verändern, beinahe so als wenn er aus Wachs wäre, zerschmolz zu einer neuen, alptraumhaften Figur und das böse Funkeln der nun glühenden Augen verstärkte sich. Arme wurden zu Greifzangen und da wo sich einst Mund und Nase befanden, waren nur noch ein rundes, zahnbewehrtes Maul und kleine Löcher.
 

„Oh mein Gott.“ Hauchte Eve neben ihm entsetzt auf und man hörte Smith unter dem Schreibtisch leise wimmern. Zielsicher, aber langsam lenkte das Monster nun auf Xander zu, der immer noch, beinah erstarrt auf den Dämon vor ihm sah. Natürlich! Der Kratzer auf seiner Wange! Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Es war die Narbe von dem Stich mit dem Kugelschreiber gewesen und jetzt wollte das Mistvieh Rache…
 

Eve war inzwischen hinter seinem Rücken verschwunden und im letzten Augenblick wich Xander der krabbenähnlichen Greifzange aus, die einstmals ein Arm gewesen war, fingerte geistesgegenwärtig nach der fast mannshohen Palme, die neben ihm in einem Blumentopf stand, riss sie mit einem kräftigen ruck heraus und drosch auf die Zangen ein, welche nach ihm griffen.
 

„Raus hier!“ brüllte er Eve hinter sich zu und sie schien sofort zu reagieren und schlüpfte an dem Monster vorbei Richtung Tür. So langsam ließ das Gewächs seine Blätter und Xander hatte nur noch den Stiel der Pflanze in der Hand, als auch Smith unter dem Tisch nun zu begreifen schien, dass er eine Fluchtmöglichkeit bekam. So schnell er konnte, krabbelte er hervor und stieß dabei Eve zur Seite die immer noch mit entsetzt aufgerissen Augen im Rahmen stand und auf das blickte, was mal Jones gewesen war. Ein paar Mal hätten die Zangen Xander beinahe schon erwischt, denn ein Ärmel seines Anzugs war bereits zerrissen und eine blutige Schramme verlief quer auf seinem Oberarm, aber immer noch prügelte er mit den spärlichen Überresten der Palme auf das Untier ein.
 

Endlich ging ein Ruck durch Eve hindurch und sie begann, aus dem Regal neben dem Türrahmen, Aktenordner, Bücher und Bilderrahmen zu ziehen und nach dem Monster zu werfen. Ein paar Mal traf sie das Reittier, doch der letzte Wurf mit einer metallenen Figur klatschte an den Schädel seines Reiters und mit einem zischenden Geräusch drehte sich der Dämon kurz zu ihr um. Das war die Gelegenheit für Xander unter den Greifzangen und dem schnappenden Mauls des Reituntersatzes durchzutauchen und wütend brüllend drehte sich das Monster herum, um ihn noch zu packen, was ihm aber nicht gelang. Xander war bereits an dem Dämon vorbei und schwerfällig wendete sich das Tier mitsamt Reiter um die Verfolgung aufzunehmen, da schob ihm Xander geistesgegenwärtig einen der Drehstühle direkt für die knöchernen Hufe, so dass es stolperte und quiekend zu Boden ging.
 

Ohne auch nur nachzudenken, packte Xander Eve am Arm und zog sie rennend den Gang entlang hinter sich her, als er auch schon sah wie Smith hinter einer der vielen Türen verschwand und sie ihm einfach folgten. Der Raum war dunkel und schwer atmend ließen sie sich gegen die Tür fallen, welche sie schnell hinter sich geschlossen hatten.
 

„Wir sollten etwas davor stellen, dann kann es nicht herein.“ Quiekte aus dem Dunkel die Stimme von Smith, doch Xander zog nur Eve nach unten zu sich auf den Boden und zischte ein „Schhhhhhhhhhh….“ Zu Smith herüber, der augenblicklich verstummte. Von draußen erklang eine Art Hufgetrappel, das den Gang auf und abklapperte und in dem dunklen Raum, trauten sich die drei Flüchtlinge kaum zu atmen. Doch endlich schien sich das Stampfen zu entfernen, bis nur noch Stille war…
 

Es dauerte noch einige Minuten bis sie sich so weit beruhigt hatten um nach einem Lichtschalter zu suchen und grell flammte das helle Neonlicht auf, während Eve immer noch mit einem Ohr an dem Türblatt lauschte, in Erwartung das sie jeden Augenblick aufgehen könnte und das Monster über sie herfallen würde.
 

Sie befanden sich in einem kleineren Vorzimmer und am anderen Ende befand sich eine weitere Tür auf die Xander nun sachte zusteuerte. „Wo führt die hin?“ Flüsterte er Eve zu, doch die zuckte nur ratlos mit den Schultern.
 

„Zu einem Konferenzraum, von da kommt man in die Kaffeeküche und von der aus kann man in einen anderen Flur.“ Smith schien sich wieder einigermaßen gefangen zu haben und nur sein Unterkiefer zitterte noch vor Erregung. Xander wollte lauschen, doch er hörte kaum etwas, da sein Herz viel zu laut klopfte und sein Atem pfeifend ging, also drückte er ganz vorsichtig die Klinke herunter, als ihm das Türblatt auch schon entgegenkam und heftig an sein Kinn stieß. Er taumelte ein wenig zurück und sah in das entsetzte Gesicht von Eves Sekretärin. Sie schien immer noch das gleiche graue Kostüm zu tragen auch ihr Dutt war noch genauso stramm wie Xander ihn in Erinnerung hatte und wieder schüttelte es ihn bei ihrem schlangenähnlichen Anblick, was aber auch an seinem schmerzenden Kinn liegen konnte, das er sich nun rieb.
 

Er wollte grade danach fragen was sie hier suchte, als sie auch schon zu Eve herübersah und ein erschrockenes Krächzen aus ihrem Hals kam, während sie mit erhobenen zitternden Finger auf ihre Chefin zeigte. „Da… die ist eine von denen!“ Schrie sie los und Xander drehte sich fragend zu Eve herum, die immer noch an der anderen Tür stand und fassungslos herübersah…
 

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Ratsgebäude,

selbe Zeit

Willow saß noch immer mit hoch konzentriertem Gesichtsausdruck vor ihrem Laptop und durchforstete geduldig die Dämonendatenbank, die sie am Nachmittag aus Giles Büro geholt hatte. Bis jetzt war sie auf nichts gestoßen, das ihnen weiterhalf.

Giles und Lily waren beide vor längerer Zeit recht gut gelaunt zurückgekehrt und die gute Laune hielt noch immer an, obwohl sie seit gut zwei Stunden ohne das geringste Ergebnis in Büchern schmökerten. Willow irritierte das zwar, aber sie verschwendete keinen weiteren Gedanken dafür, um sich auf ihr Problem weiterkonzentrieren zu können.

Buffy war von einer erfolglosen Patrouille zurückgekehrt und half ihnen mit der Suche nach Informationen, in dem sie einige Ausdrucke von Willow durchging. Als sich die Tür zum Raum öffnete, war jeder der Anwesenden für die kleine Ablenkung dankbar. Es war Kennedy, die später als Buffy von ihrem Patrouillengang zurückkehrte.
 

„Wie sieht es bei euch hier aus?“, erschöpft ließ sich Kennedy neben Willow in einen Stuhl sinken. „Also ich habe nichts entdeckt, die Patrouille hätte ich mir wirklich ersparen können.“
 

“Bei uns sieht es nicht viel anders aus,“ sagte Willow kleinlaut und ließ ihr Laufwerk aufgehen, um die CD herauszuholen. „Egal wo wir suchen – Fehlanzeige.“ Sie griff nach der Scheibe, die ihnen Xander am Morgen übergeben hatte und legte sie noch einmal ein. Sie wusste nicht wieso sie das tat, aber Willow hatte das Gefühl irgendetwas neues ausprobieren zu müssen. Auch wenn sie nur zu gut wusste, dass sich an dem Zustand der CD-ROM nicht viel geändert hatte. „Zwei, drei dämonische Sprachen sehen ähnlich aus wie das, was wir auf der CD haben, ich prüf das mal.“ Sie klickte die CD-ROM an und plötzlich begannen über ihren Monitor Zahlen- und Buchstabenketten zu laufen. Völlig perplex starrte sie auf den Laptop, während die anderen sich weiter unterhielten.
 

„Nun, jede Spur ist besser als gar keine,“ Lily legte ihr Buch zur Seite, streifte Giles neben sich mit einem liebevollen Blick und sah zu den beiden Jägerinnen. „So lange wir nicht wissen, wieso diese Dämonen in dieser Stadt sind, solltet ihr die Augen sehr gut aufhalten.“
 

„Tun wir irgendetwas anderes?“, fragte Buffy unfreundlich zurück und nur dank Willows plötzlichem Aufschrei wurde aus der patzigen Bemerkung kein Streit.
 

„ICH GLAUB’ ES NICHT,“ Willows Stimme überschlug sich. „Und ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe.. aber, aber, aber schaut...der Text.. ich, wir können ihn lesen. Dabei hab ich nur die CD eingelegt...da war keine Hexerei oder so dabei,“ schob sie vorsichtig hinterher.
 

„Das ist doch fantastisch,“ lobte Kennedy und Buffy stieß erleichtert die Luft aus, ehe sie ein „Gott sei Dank“, hinterher schob.
 

Giles stand auf und trat hinter Willow, auf deren Monitor noch immer eine Kette von Zahlen, Buchstaben und Zeichen durchlief, bis der Curser das Ende des Bildschirms erreichte und der Buchstabensalat verschwand. Willow drehte den Laptop etwas, damit auch die anderen sahen, was sich tat.: Vor ihnen nahm das Zeichen form an, das sie bereits vor Wochen schon einmal gesehen hatten.. ein lila farbiger Hintergrund und ein weißes Zeichen in Form eines Krummstabes. Sie sahen sich überrascht an und Willow klickte mutig auf das Logo. Die CD-ROM wurde im Laufwerk gelesen und kurz darauf befand sich Willow in einem Menü, das als Inhaltsverzeichnis zu dienen schien.
 

„So viel zu Mo’s ‚Fehlalarm’,“ sagte Buffy mit kritischem Blick auf Kennedy, die unschuldig mit den Schultern zuckte. Sie konnte schließlich nichts für ihre Informanten. „Und ich glaube, das sind ein paar Informationen zu viel,“ stöhnte Buffy.
 

Giles schob seine Brille nach oben, um besser auf dem Monitor lesen zu können. „Das wird sicher ein paar Tage dauern, bis wir es ausgewertet haben.“
 

„Fasst doch einfach das Wesentliche zusammen,“ schlug Lily vor. „Für den Gesamtüberblick?“
 

„Wenn das so einfach wäre,“ seufzte Willow und klickte sich über den ersten Link in eine Übersicht. „Gut.. einen Moment,“ sie und Giles überflogen langsam den Text. Es war eine kleine Einführung, die sich fast wie ein Werbetext las. „Scheint zur Anwerbung zu dienen?“ sagte Willow mit fragendem Blick zu Giles.
 

Der Wächter nickte. „Hier geht es offensichtlich um einen Dämonenclan, der sich HtoGrom nennt,“ er sah kurz fragend zu Lily, die jedoch den Kopf schüttelte. Ihr war der Name fremd. „Ich glaube, ich habe einmal etwas über ihn gelesen. Er ist sehr alt und seine Gründung geht viele Jahrhunderte zurück. Leider bin ich mir nicht ganz sicher darüber, wo ich das gelesen habe. Das liegt ebenfalls einige Jahre zurück,“ resignierte Giles.
 

“Na ja, vielleicht steckt ja alles, was wir brauchen hier in der CD. Wenn ich das hier richtig interpretiere wollen sie Einfluss und Macht erlangen. Und sie werben mit freien Stellen in großen Wirtschaftsbereichen, Firmen, Konzerne.. alles dabei,“ Willow klickte einen Unterlink an. „Oh... Firmen, die überall auf der Welt verstreut sind.“
 

„Hm,“ Giles rückte seine Brille zu recht. „Langsam ergibt das Ganze ein Bild. Dieser Clan scheint freie Stellen mit seinen Leuten, die sich als Mensch tarnen können, zu besetzten. Sie arbeiten sich hoch und dann schlagen sie zu – sie übernehmen die Firma und damit ein Stück mehr Macht.“
 

„Aber das erklärt nicht den Überfall am Hafen oder die Sache mit Xanders Kollege,“ gab Buffy zu bedenken.
 

„Es ergibt einen Sinn, wenn dieser Voorhees im Besitz dieser CD-ROM war und mit einer Veröffentlichung drohte, oder so dumm war und die Dämonen damit erpresst hatte,“ überlegte Giles. „Und es ist auch gut möglich, dass sich dieser Clan nicht immer ganz legaler Mittel bedient, um Fuß in einer Firma zu fassen, wie zum Beispiel unliebsame Menschen aus dem Weg zu räumen oder einzuschüchtern.“
 

Willows erleichtertes Seufzen unterbrach Giles Überlegungen. Irritiert blickten alle zu der Hexe. „Ich habe gerade herausgefunden, dass diese Dämonen immer nur dieselbe Gestalt annehmen können. Das heißt wohl... wir können uns entspannen. Keiner von uns oder den wir kennen ist einer von ihnen.“ Es war kurz unangenehm still im Raum, als jedem der Anwesenden klar wurde, dass sie wohl alle schon denselben Gedanken hatten, den Willow gerade laut ausgesprochen hatte und mit den Informationen als unsinnig entlarvte.
 

„Sie scheinen viel Zeit zu haben,“ bemerkte Willow schließlich. „Ich meine wenn sie versuchen sich auf legalem Weg hochzuarbeiten.“
 

„Oder dumm,“ wandte Lily ein. „Oder einfach nicht ganz so mächtig wie wir befürchten. Ich bezweifle, dass ein Dämonenclan mit einer Armee von Dämonen so lange warten würde, um wirtschaftlichen Einfluss zu erlangen. Sie würden sich nehmen, was sie wollen.“
 

„Durchaus richtig,“ Giles deutete Willow mit dem Finger einen Link anzuklicken, der sein Interesse geweckt hat. „Aber wenn sie einfach nur sehr schlau und gerissen sind? Eine langsame, schleichende Übernahme erweckt kein Aufsehen. Und niemand von uns weiß, wie viele Firmen, die wir kennen, schon Jahre lang in ihrem Besitz sind.“
 

Buffy starrte die Pepsi-Dose in ihrer Hand entsetzt an und schluckte die Flüssigkeit hart hinunter. „Igitt... es würde aber zu mindest manche Geschmacksverirrung erklären,“ sie grinste. „Cola mit Vanille-Geschmack, Mars mit weißer Schokolade, Fett freie Chips...,“ zählte sie nicht ganz ernst auf und erntete von Giles einen langen Blick, der sie zwar verstummen ließ, aber ihr nicht das Grinsen nahm.
 

„Es würde mich allerdings interessieren, wer welche Rolle in dieser Gruppierung spielt,“ Giles überflog bereits den Text auf dem Monitor. „Hm...sieh an.“
 

Alle warteten gespannt, bis Giles weitersprach, doch der Wächter las geduldig für sich und schüttelte dann den Kopf. „Sehr interessant,“ murmelte er ein weiteres Mal mit gerunzelter Stirn und sah kurz zu den anderen. An ihren Gesichtern las er deutlich ab, dass sie ungeduldig auf Einzelheiten warteten. Verlegen lächelnd räusperte sich Giles und begann. „Hier haben wir den Beweis, dass der Clan durchaus als gefährlich und intelligent einzuschätzen ist. Sie haben ihre innere Struktur wie ein Schachspiel organisiert. Sie reden von „Bauern“ - unsere Iah K’urus - die dem Clan nur für das Grobe zu dienen scheinen. Für die Schmutzarbeit. Es gibt noch ein paar andere, die aber im Moment nicht wirklich erwähnt werden. Sie werden hier als höhere Figuren bezeichnet, die sich auf magischem Weg weiterentwickeln. Kannst du gerade mal...,“ er zeigte auf eine unterstrichene Stelle für Willow, die darauf klickte. Doch dahinter verbarg sich leider keine weiteren Ausführungen über diese höhere Figuren.
 

Giles stieß enttäuscht die Luft durch die Nase aus. „Fehlanzeige. Keine weiteren Informationen,“ erklärte er den anderen. „Aber ein paar nette Bilder von den anderen „Figuren im Spiel“. Kannst du sie ausdrucken?“ Willow nickte und kam sofort Giles Bitte nach. Auf dem Monitor war das Bild jenes Dämons zu sehen, der Xander als „wilder Reiter“ in der Firma begegnet war. „Hier haben wir ein Exemplar, das auf der CD als schnell und guter Kämpfer bezeichnet wird. Sie nennen ihn selbst „Springer“. Darunter ist ein Dämon zu sehen, der „Turm“, der mich mit seinen breiten Schultern und seiner Grobschlächtigkeit an einen Riesen erinnert. Er wird als kräftig, aber schwerfällig bezeichnet. Oh und hier haben wir die „Läufer“,“ Willow war für Giles weiter nach unten gescrollt und reichte die Ausdrucke inzwischen herum.
 

„Der sieht wirklich nett aus mit seinen drei Augen,“ Willow betrachtete sich das Abbild eines der Läufer. „Ich glaube die Information darunter.. die mit ‚können Magie anwenden’, klingt nicht so gut?“
 

„Wenn wir wenigstens wüssten wie viel Magie sie beherrschen... aber dazu steht hier leider auch nichts.“ Giles deutete auf den Dämon unter dem „Königin“ stand. „Das hier beunruhigt mich mehr.“ Giles räusperte sich, um den anderen den Text vorzulesen: „’Jedes ‚Spiel’ wird von einer Königin geführt, die kämpfen und Magie verwenden kann.’ Sie scheint die mächtigste Figur zu sein und es gibt mehrere von ihr. Möglicherweise ist sie jene Person, die bereits in einer Firma die höchste Stellung erlangt hat und allen anderen Anweisungen geben darf.“
 

„Also ich bin ja wahrlich kein Schachexperte,“ meldete sich Buffy zu Wort. „Aber gehört zu einem Spiel nicht auch ein König?“
 

„Das haben wir gleich..,“ Willow scrollte weiter. „Hier... hm... es gibt ihn tatsächlich. Aber nur ein einziges Mal. Nicht so wie die Königin. Er steht über allen und über allem. Aber natürlich fehlen auch hier nähere Informationen.“
 

„Na ja, wir können nicht alles haben,“ grinste Kennedy. „Und was wir haben ist doch schon eine ganze Menge.“
 

„Ich glaube ich habe hier etwas, dass uns gar nicht gefallen wird,“ unterbrach Willow Kennedy. „Hier ist ein Bericht verzeichnet, der von einer Firma in Tokio berichtet. Der Clan wollte ihn übernehmen, aber hm...,“ Willow runzelte die Stirn. „Ich verstehe das nicht ganz.. etwas oder jemand hat die Übernahme durch sein Eingreifen verhindert. Es wird hier als „Stahl“ bezeichnet.“ Willow sah auf. „Vielleicht ist das ein Entschlüsselungsfehler?“
 

„Oder die Dämonen sind aufzuhalten in dem man Waffen aus Metal vorzugsweise aus Stahl einsetzt,“ schlug Buffy vor.
 

„Was in der Tat nichts ungewöhnliches wäre,“ bestätigte Giles Buffys Worte. „Viele Dämonen sind durch bestimmte Gegenstände zu töten oder zu besiegen.“
 

„Spitze, dann haben wir doch schon einmal etwas gegen sie in der Hand,“ triumphierte Kennedy.
 

„Was durchaus gut ist,“ nickt Willow. „Hier ist nämlich auch eine Liste von Firmen dabei, die der Clan übernehmen möchte...oh...,“ Willow wurde blass, als ihr Blick auf ‚Barker Cooperation’/Cleveland fiel.
 

„Was ist denn?“ Buffy stand auf und sah über Willows Schulter, die in Sorge um Xander nur mit dem Finger auf die besagte Stelle auf dem Monitor deuten konnte.
 

„Verdammt,“ Buffy sah zu den anderen. „Barker Cooperation.“ Bestürzte Gesichter sahen Buffy an als sie langsam realisierte, dass Xander in Gefahr war. Vielleicht war sein heutiger Termin schon der Tag der großen Übernahme. Sie mussten etwas tun.
 

++++
 

Barker Cooperation Gebäude

Verwirrt sah Xander zu Eve herüber, deren Hand erschrocken an ihren Hals gefahren war als wenn sie nicht begreifen könnte was da grade geschah.
 

„Das ist ein Monster, tötet sie!“ Keifte die graue Schlange hinter ihm auf, hielt nun abwehrend ihre Arme vor ihr Gesicht, als wenn sie sich vor einem grauenhaften Anblick schützen müsse und Eve tastete sich ängstlich an der Wand entlang.
 

Auch Smith hatte einen gehässigen Gesichtsausdruck bekommen, als er zu ihr herübersah.
 

„Bleib weg von mir!“ Kreischte es hinter dem immer noch bestürztem Xander auf und die Sekretärin begann ruckend eine kleine Schublade aus einem Metallschrank zu ziehen um damit nach Eve zu werfen. Ihre Kraft schien jedoch nicht so weit zu reichen, da sie direkt vor Eves Füße fiel und ihren Inhalt über den Boden verteilte. Endlich ging ein Ruck durch Xander, der die Situation aber immer noch nicht ganz durchblickte.
 

„Halt, warten sie“ Schrie er die ältere Frau an und stoppte damit einen weiteren Versuch mit Schubladen nach Eve zu werfen, doch nun kam ihm Smith in die Quere.
 

„Wir sollten sie schnappen, bevor sie sich auch verwandelt.“ Geiferte er los und griff nach einem Brieföffner, der auf dem kleinen Schreibtisch des Vorraums lag. Blitzschnell war Xander bei ihm und verhinderte erst einmal dass er sich damit auf Eve stürzte, welche inzwischen beinahe die andere Tür erreicht hatte, wo die Angestellte schon wieder begann eine der Laden aus dem Schrank zu nesteln.
 

„Verdammt noch mal, halt!“ Brüllte Xander wieder, stieß Smith zur Seite und entwand im letzten Augenblick der grauen Schlange ihr Wurfinstrument.
 

Eve hatte es endlich geschafft an ihrer Sekretärin vorbei in den dahinter liegenden Raum zu entkommen, während Xander sich abmühte die erregten Gemüter von Smith und der Frau zu beruhigen.

„Wartet, welchen Beweis haben sie das sie wirklich ein Dämon ist?“ Fragte er laut und ließ dabei keinen der Beiden aus dem Blick, die sich fragend ansahen. Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass Eve nun außer Reichweite in dem Dunkel des anliegenden Konferenzraums verschwunden war und die Tür wie in Zeitlupe hinter ihr ins Schloss fiel.
 

Aufatmend hob er nun seine Hände, so dass die anderen gewarnt waren, nicht voreilig zu handeln, als auch schon sein Handy in der Tasche eine lustige Melodie von sich gab. Seine Hände bewegten sich auf und ab und deuteten den Beiden sich erst einmal zu beruhigen und zog dann, als er sah dass sie keine Anstalten machten Eve zu folgen, das kleine Gerät aus der Tasche um das lästige Klingeln abzustellen. Die Nummer auf dem erleuchteten Display reichte allerdings um festzustellen dass es Willow war, die da am anderen Ende der Leitung versuchte ihn zu erreichen und mit einem weiteren warnenden Blick zu der Sekretärin und Smith, nahm er das Gespräch an…
 

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Ratsgebäude

Willow hörte es in der Leitung klicken und zu ihrer großen Erleichterung vernahm sie Xanders Stimme, die allerdings leicht gehetzt klang.
 

„Xander?“, fragte sie vorsichtshalber nach und wartete unruhig.
 

„Willow? Was ist denn los?“, er hätte fast ein wenig hysterisch gekichert. Ausgerechnet er in dieser Situation fragte Willow, ob etwas passiert sei.
 

„Wo bist du?“ Willow sah ihre Freunde besorgt an. Sie hofften alle, dass die Warnung nicht zu spät kam.
 

„In der Firma...“
 

„Dann solltest du sehr vorsichtig sein. Wir haben eine Menge über unsere Dämonenfreunde herausgefunden. Dank deiner CD. Es am Telefon zu erklären würde zu lange dauern, aber du bis dort auf jeden Fall in Gefahr... Xander?“ Willow hielt überrascht inne, als Xander am anderen Ende nun tatsächlich etwas hysterisch auflachte.
 

„Es ist nichts,“ beruhigte sich Xander. „Es ist nur so.. ich BIN bereits in Gefahr. Hier ist die Hölle los.“
 

„Dann oh, dann eh... mach, dass du von dort verschwindest.“ Die anderen hörten alarmiert auf. „Erinnerst du dich noch an diese Iah K’uru Dämonen? Sie gehören zu einem Clan, der plant deine Firma zu übernehmen und zwar mit allen Mitteln.“ Willow spielte kurz mit dem Gedanken Xander doch noch das eine oder andere näher zu erklären, ließ es aber in Anbetracht der knappen Zeit dann sein.
 

Hinter Willow traten in diesem Moment Andrew und Dawn gut gelaunt in den Raum ein. Als sie jedoch die angespannten Gesichter sahen und Willows Worte vernahmen, blieben sie erschrocken stehen und hörten zu.
 

„Dann schätze ich, dass sie gerade dabei sind... hör zu Willow ich kann nicht länger reden... ich muss mich um ein paar.. Dinge kümmern...“
 

„Versuch einfach abzuhauen,“ riet Willow und kam sich dabei recht nutzlos vor. Plötzlich vernahm sie eine in ihrem Ohr recht schmerzhafte Störung in der Leitung, dann war die Verbindung unterbrochen. „Xander? Xander hörst du mich noch? Mist,“ Willow sah bestürzt zu ihren Freunden. „Ich schätze unsere Warnung kam zu spät. Xander ist in Schwierigkeiten.“
 

„Was ist mit Xander?“ Dawn löste sich von Andrews Seite und trat an den Tisch.
 

„Wir haben endlich ein paar Dinge herausgefunden,“ sagte Buffy und stand auf. „Per Recherche. Xander leider auch, aber wohl eher in der Praxis. Wir sollten aufbrechen und Xander suchen gehen. Wir erklären euch später alles.“
 

„Später?“ Andrew sah bestürzt drein. „Es geht um Xander, wir kommen mit.“
 

„Wir sollten...,“ unsicher sah Giles von Buffy zu Dawn und zurück. Es wäre besser, wenn Dawn nicht mitkäme. Schließlich wussten sie noch immer nichts von der Größe des Clans noch wie mächtig er sein würde, „...genügend Waffen mit nehmen.“ Er stand auf, um den Wandschrank zu öffnen, hinter dem sich seine Waffensammlung verbarg.
 

„Es sollte für uns ja kein Problem sein,“ grinste Dawn und ging zu Giles hinüber, um sich eine Waffe zu holen.
 

„Dawn warte,“ Buffy folgte ihrer Schwester. „Es ist zu gefährlich für dich. Wir wissen zwar jetzt mit wem wir es zu tun haben, aber im Grunde wissen wir nicht, wie stark oder mächtig der Gegner wirklich ist.“ Buffy schob Dawn sanft zur Seite und griff nach dem Schwert, nachdem Dawn eben selbst hatte greifen wollen.
 

Der Teenager machte ein böses Gesicht. „Eh... entschuldige, aber ich habe bereits gegen das unvorstellbare Grauen gekämpft,“ sagte sie theatralisch. „Das Urböse? Da war ich euch gut genug....“
 

„Da hatten wir auch nichts mehr zu verlieren,“ kam Giles Buffy zur Hilfe. „Jetzt sind die Verhältnisse wieder anders. Wir haben wieder eine Wahl. Es ist das Beste, wenn du auf Buffy hörst.“
 

Dawn verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust und öffnete den Mund, als Lily plötzlich neben ihr stand und sie sanft am Arm berührte. Lily gab ihr mit einem Nicken zu verstehen ihr zu folgen. Während Giles, Buffy, Kennedy, Andrew und Willow nach den passenden Waffen suchten, räusperte sich Lily leise. Vorsichtig ihre Worte wählend, versuchte sie Dawn davon zu überzeugen, mit ihr hier zu bleiben. „Es ist besser wenn du den Rat der beiden beherzigst. Ich habe schon so oft miterlebt, wie untrainierte Jägerinnen sterben mussten, weil sie eine Gefahr unterschätzten oder sich einfach für unbesiegbar hielten. Dabei waren sie einfach noch nicht reif genug oder zu untrainiert. Wenn du mitkommst, musst du dich verstellen, weil die anderen nichts von dir wissen und damit erhöht sich dein Risiko. Verstehst du das?“
 

Dawns Gesicht blieb unverändert missgelaunt verzogen, aber sie nickte langsam. Lilys Worte waren einleuchtend, wenn auch nur schwer einsehbar. Aber eine Diskussion würde ihr wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen, vielleicht nur Xander unnötig in noch mehr Gefahr bringen, weil sie alle aufhielt.
 

Als Lily sah, dass ihre Worte bei Dawn Wirkung erzielten, sagte sie etwas lauter, damit die anderen sie hören konnte: „Gut, dann bleibst du also hier bei mir und hilfst mir noch etwas bei den Recherchen,“ Lily versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln und Dawn seufzte resigniert.
 

Mit dem Schwert und einem Dolch in der Hand war Buffy vom Schrank weggetreten und hatte misstrauisch zu Lily und Dawn geblickt. Was tat die Wächterin da? Hatte sie nicht andere Sorgen, als sich in ihre erzieherischen Angelegenheiten einzumischen? War das jetzt selbstlose Hilfe gewesen oder nur ein Versuch Buffy in Bezug auf ihre Sicht über Lily zu beeinflussen? Aber egal was es gewesen war, Buffy kam nicht umhin Lily im Stillen dafür zu danken. Schließlich waren ihre Worte wohl überzeugender gewesen, als Buffys. Und so blieb ihnen eine längere Diskussion erspart. Aber laut zugeben würde es Buffy natürlich nicht. Daher beschränkte sie sich auf eine düstere Miene und nickte Lily kurz dankend zu.
 

Dawn sah ein wenig wehleidig Buffy, Willow, Giles, Kennedy und Andrew hinterher, als die Gruppe endlich aufbrach.
 

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Barker Cooperation Gebäude,

Konferenzraum

Ganz behutsam öffnete er die Tür und rief leise nach Eve, doch konnte er in dem Dunkel des Raumes nichts erkennen und auch das Licht, das hinter ihm durch den Rahmen fiel, zeichnete nur seinen eigenen Schatten auf das Parkett des kleinen Saales.

Vorsichtig griff er nach links und rechts um an der Wand nach einem Schalter zu suchen, aber da war nichts und so blieb ihm nicht anderes übrig, als wieder, diesmal etwas lauter, nach ihr zu rufen.

Ein leises Geräusch ließ ihn die Klinke loslassen und ganz sanft fiel hinter ihm die Tür wieder ins schloss, während er sich immer noch bemühte in dem Dunkel etwas zu erkennen. Direkt vor ihm hörte er wieder ein leises Geraschel und ganz langsam tastete er sich vorwärts bis er an eine Tischkante stieß. Behutsam ging er etwas weiter, als er etwas von unten hörte und er sich lauschend herunter beugte.
 

„Eve?“ Fragte er ein weiteres Mal und tastete vorsichtig mit seinen Händen unter den Tisch, als er auch schon einen Gegenstand an seinem Kopf vorbeifliegen hörte.
 

„Geh weg!“ Ihre Stimme klang panisch, ganz und gar nicht nach einem Dämon und ein erleichtertes Seufzen entrang sich seiner Kehle.
 

„Eve, ich bin es, Xander, ich will ihnen doch nur helfen.“ Redete er beruhigend in die Finsternis hinein, in der Hoffnung sie würde noch einen Laut von sich geben.
 

„Xander?“ Hörte er ihr hoffnungsvolles Flüstern direkt vor sich und seine Hand bewegte sich vorwärts.
 

„Ja, keine Angst, es ist alles in Ordnung ich bin keins von den Monstern.“ Redete er auf sie ein und suchte tastend unter dem Tisch nach ihr. Er hörte ihren Atem und seine Fingerspitzen berührten ihre Hände, als auch schon das Licht aufflammte und er sich wieder einmal den Schädel an der Tischkante rammte, weil er seinen Kopf erschrocken hochgereckt hatte. „Aua!“ Brummelnd rieb er sich seinen malträtierten Scheitel und richtete sich auf, aber der Schmerz verging ihm in anbetracht dessen was er sah…
 

In dem großen Raum, der nun hell erleuchtet war, waren sie nicht allein, denn am anderen Ende des langen Tisches standen Romero, Jones, eine kleine asiatische Frau mit blauschwarzen Haaren und immer noch kamen fremde Personen hinzu. Hinter ihm, an der Tür die zu dem Vorraum führte, stand Smith höhnisch grinsend im Rahmen und sah zu wie Xander sich argwöhnisch umsah. Auch Eve krabbelte nun unter ihrem Versteck unter dem Tisch hervor und ließ sich von Xander auf die Beine helfen.
 

„Was bedeutet das?“ Unsicher sah Eve sich um und ließ dabei Xanders Hände nicht los, obwohl sie schon längst aufrecht stand.
 

„Nichts Gutes, befürchte ich.“ Seufzte er als Antwort, als sich auch schon auf der Stirn Romeros und der Asiatin jeweils ein drittes Auge öffnete. Er versuchte noch den Kopf zu wenden um nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen, aber da hatte sich Eve auch schon von ihm losgerissen, stolperte in Richtung von Smith, der sie mit einer leichten Bewegung einfach abfing und schmerzhaft am Handgelenk festhielt.
 

Xander wollte ihr zur Hilfe eilen, doch im gleichen Moment schossen aus den zusätzlichen Augen der beiden Dämonen bläuliche Strahlen, die ihm jede Bewegung unmöglich machten. Wie gelähmt von dem Bannstrahl musste er mit ansehen wie sich alle Anwesenden am Tisch verteilten. Romero und die Asiatin saßen sich gegenüber, das dritte Auge immer noch lähmend auf Xander gerichtet, dann Jones und eine ihm fremde Frau mit braunen Haaren. Smith hatte sich ebenfalls gesetzt und Eve an einen jungen Mann weitergegeben der sie, obwohl sie sich heftig wehrte, eisern festhielt. Noch eine weitere Frau hatte sich an den Tisch gesetzt, offensichtlich das weibliche Pendant zu dem jungen Mann der Eve gefangen hielt.
 

Schweißperlen rannten über Xanders Stirn, aber er war zu keiner Bewegung in der Lage, nur sein Verstand arbeitete fieberhaft und bettelte nach einer Möglichkeit sich aus dem Bann zu befreien.
 

Er konnte nicht sehen was hinter ihm geschah, aber er wusste das noch jemand den Raum betreten haben musste, denn alle hatten sich von ihren Plätzen erhoben und da er wenigstens in der Lage war sein Auge zu bewegen, sah er auch nach kurzer Zeit das die graue Schlange hereingekommen war und ihren Platz an der Stirnseite des Tisches einnahm. Diese alte Ziege schien doch tatsächlich die Anführerin des Haufens zu sein, schoss es ihm durch den Kopf, doch konnte er seine Überraschung nicht zeigen.

Die Rede die sie nun an ihre Untergebenen hielt konnte er nicht verstehen, denn es bestand aus krächzenden Zisch und Klicklauten, aber es musste wohl sehr erheiternd sein, da sie hin und wieder in ein höhnisches Gelächter verfielen. Zu seiner Lähmung schien Xander auch jegliches Zeitgefühl zu verlieren und als er wieder auf Eve schaute, stand sie nur noch apathisch da, hatte ihre Abwehr aufgegeben und starrte blass und verängstigt in die Runde. Eine Hand des jungen unbekannten Mannes lag immer noch warnend auf ihrer Schulter, aber jeder Kampfgeist schien aus ihr gewichen.
 

„Und nun zu dir“ Die Alte sprach ihre ersten Worte zu Xander, dem allmählich alle Extremitäten kribbelten wie Nadelstiche weil er immer noch regungslos dastehen musste. „Du bist genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen mein Freund.“ Höhnte sie und ihr faltiges Gesicht verzog sich zu einem fiesen Grinsen. „Schade dass der Vertrag nicht so gelaufen ist wie du es dir vorgestellt hast, aber so etwas kann ein Mensch auch nur schlecht ertragen. Hast du nicht ein gestörtes Verhältnis zu starken Frauen?“ Ein Wink mit ihrem Kopf reichte und Smith stand auf um die paar Schritte zu ihm herüber zu gehen.
 

„Aber, aber… muss man denn gleich zur Waffe greifen und durchdrehen?“ Ein kalter schmaler Gegenstand wurde Xander in die Hand gedrückt und er rollte sein Auge herunter, aber er wusste auch so dass es der Brieföffner war, den Smith aus dem Nebenraum mitgenommen hatte.
 

Endlich schien es Xander und Eve zu dämmern was hier passieren sollte und ihre Augen füllten sich mit Tränen, als man sie langsam auf Xander zuschob. „Ein grauenhafter Vorfall…. Erst erstichst du in einem Anfall von Wahnsinn deine Verhandlungspartnerin und dann springst du vom Dach des Hauses….Ich sehe die traurige Schlagzeile schon vor mir.“ Die kalte Stimme dröhnte in Xanders Ohren und er empfand die gleiche Panik, die in Eves Gesicht zu sehen war….
 

++++
 

Barker Cooperation Gebäude,

kurz darauf

Das Metall des Brieföffners in seiner rechten Hand war kalt und doch hatte er keinen Einfluss darauf. Xander konnte nur tatenlos mit ansehen wie Smith an seiner Stelle seinen Arm anhob und der fremde junge Mann, die sich wehrende Eve unaufhaltsam zu ihm herüberzog.
 

Wie in Zeitlupe sah sein fieberhaft arbeitender Verstand das nur noch wenige Zentimeter sie trennten, als auch schon ein ohrenbetäubendes Klirren erklang und er sich plötzlich wieder bewegen konnte. Ohne nachzudenken, rammte er den Brieföffner in den Arm von Smith, der laut aufheulte und sofort sein Äußeres zu verändern begann. Im Augenwinkel erkannte er dass Kennedy mit Jones kämpfte, der seine Wandlung schon so gut wie abgeschlossen hatte und auf seinem Reittier saß. Irgendwie schien das Tier mit zu der Metamorphose zu gehören, aber darüber konnte er sich keine Gedanken machen, da Smith nach ihm schlug und Xander ausweichen musste.
 

Der Dämon vor ihm wuchs in die Höhe und anders als bei Jones hatte er noch normale Arme, allerdings dick wie Autoreifen und gigantische Klauen. Überhaupt war seine Statur auf den zigfachen Umfang gewachsen und seine Haut schien aus einer Art Panzer zu bestehen, nur das Maul und die Nasenlöcher waren allen Dämonen gleich. Überhaupt schienen nun alle in ihre dämonische Gestalt gewechselt zu haben und jetzt endlich hatte er auch mitbekommen, dass außer Kennedy auch Andrew, Buffy, Willow und Giles ihm zur Hilfe geeilt waren.
 

Im Augenwinkel hatte Buffy erfasst das die Iah K’urus mit den drei Augen Xander aus ihrem Bannstrahl entlassen hatten und sich den neuen Angreifern zuwandten, doch sie suchte zielsicher nach dem vermeintlichen Anführer. Mit sicherem Instinkt lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Frau am Kopfende des Tisches, deren Umwandlung noch nicht ganz abgeschlossen war.
 

Es war eine gute Idee von ihr gewesen den Fensterputzeraufzug zu benutzen, gleich das einzig beleuchtete Fenster des Gebäudes anzusteuern und kampffreudig leckte sie sich über die Lippen, während sie mit einer kurzen Handbewegung das Schwert aus der Halterung an ihrer Hüfte zog.
 

Um sie herum tobte ein erbitterter Kampf und sogar Willow hatte alle Hände voll zu tun und das in doppelter Hinsicht, da die beiden, die vorher mit ihrem Auge Xander festgehalten hatten, anfingen aus ihrer Stirn leuchtende Strahlen zu schießen, welche die Hexe mit Hilfe von Magie aus ihren Händen abwehrte und zurückschleuderte.
 

Die Frau vor ihr hatte nur noch entfernt Ähnlichkeit mit ihrer menschlichen Gestalt, denn sie schien um fast einen Meter gewachsen zu sein, genau wie ihre mit riesigen Greifklauen bewehrten Arme und Buffy musste mit einem Satz nach hinten ausweichen, da diese nach ihr griffen und sie um ein Haar erwischt hätten. Auf ihrer Stirn schien ebenfalls so was wie ein weiteres Auge zu entstehen und Buffy hieb mit ihrem Schwert so fest sie konnte auf den Dämon ein, doch schien sie eine eisenharte Panzerung zu haben, denn ihre Waffe kratze nicht einmal an dem Monster, so dass sie wieder unter den mächtigen Hieben seiner Klauen untertauchen musste.
 

Das muss diese Königin sein … schoss es Buffy durch den Kopf, wurde aber leicht abgelenkt, da direkt neben ihr einer der anderen Dämonen röchelnd zu Boden ging. Sie sah noch zu wie Kennedy ihr Messer wieder aus dessen Rücken zog, aber sie hatte keine Zeit ihr zu gratulieren, da die Königin sich nicht mehr ihr widmete, sondern sich einen vermeintlich schwächeren Gegner ausgesucht hatte.
 

Hinter dem mächtigen Iah K’uru sah sie Andrews entgeistertes Gesicht aufblitzen, der seinen abgebrochenen Dolch in der Hand hochhielt. Vermutlich hatte er versucht mit diesen den Dämon zu erledigen, was aber kläglich gescheitert war.

Mit voller Wucht knallte sie die Breitseite ihres Schwerts auf den Schädel der Königin um wieder ihre Aufmerksamkeit zu erringen, doch leider hatte dies einen ähnlichen Erfolg wie bei Andrew, denn der Stahl brach unter der Wucht.
 

Gut, zumindest hatte sie wieder das Interesse des Dämons, dessen magisches Auge nun voll entwickelt war und strafend von der Stirn auf sie herunterblickte. Im letzten Augenblick entkam sie dem tödlichen Strahl, indem sie unter dem Tisch tauchte. Dort zückte sie ihren Dolch, wartete bis der runde Schädel der Königin unterhalb der Tischkante auftauchte und schleuderte die Waffe zielsicher in das magische Auge … „Schachmatt!“ Zischte sie höhnisch und sah zu wie der Dämon kreischend und sich windend sein dämonisches Leben aushauchte.
 

Xander hielt Eve immer noch schützend hinter seinem Rücken verdeckt als der massige Dämon vor ihm wie ein Baum zu Boden ging. Der tödliche Strahl der Königin hatte ihn getroffen da Buffy ausgewichen war und damit schien auch der letzte der Dämonen erledigt zu sein, denn zumindest stand keiner mehr von ihnen. „Einer ist entwischt.“ Rief Andrew und zeigte auf die Tür, die aus den Angeln gerissen war, doch Giles winkte nur erschöpft ab, keiner schien noch die Kraft zu haben die Verfolgung aufzunehmen.
 

„Wo ist Buffy?“ Willow schien als erste zu bemerken das ihre Freundin fehlte, doch da hörten sie schon erleichtert ihre Stimme, während sie unter dem Tisch hervorkam.
 

„Hier! Sind alle ok?“ Fragend sah sie sich um und atmete erleichtert auf. Giles hatte sich auf einen der Stühle fallen lassen, Kennedy wischte sich Reste des Dämonenbluts aus dem Gesicht, Willow untersuchte neugierig die Reste eines der Iah K’urus und Andrew schielte misstrauisch immer noch zu der Tür, durch die der letzte der Dämonen geflüchtet war. Auch Xander schien alles gut überstanden zu haben, denn er hielt diese Frau in den Armen und flüsterte beruhigend auf sie ein … sie hatten es alle geschafft…
 

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Unten in der Tiefgarage verwandelte sich die Gestalt des Dämons wieder in Romero, während er leicht verletzt und humpelnd durch die dunklen Gänge eilte. Endlich erreichte er den rettenden Wagen und zog das kleine Reagenzglas mit dem lila Verschluss aus seiner Tasche um es dann sicher im Handschuhfach zu verstauen. Er gönnte sich keine Pause, auch wenn sein gebrochener Arm ihm höllisch schmerzte, startete er den Mercedes und verließ mit quietschenden Reifen das Gewölbe…
 

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Videoarcade,

ein Tag später

Wie hatte sie ihn nur so abblitzen lassen können! Ihn, den Baseballstar der Schule! Den begehrtesten Typen von allen, sportlich, gutaussehend, und ungeheuer charmant! Und wer war sie? Eine Neue, ein Niemand! Er hatte ihr die Hand gereicht, und sie hatte ihm ins Gesicht gespuckt. Jawohl, ins Gesicht gespuckt, anders konnte man das nicht mehr nennen! Hatte ihn vor allen seinen Freunden blamiert...
 

Wütend haute Leroy auf die Knöpfe, und Kitana warf einen weiteren Fächer auf Sub-Zero. Nachts, wenn man kein Baseball spielen konnte, waren diese Prügelspiele immer noch die beste Möglichkeit, seinen Frust loszuwerden. Obwohl der Halloween Ball nun schon einige Zeit zurücklag, kamen die Gedanken daran immer wieder hoch. Vor allen Dingen, weil er Dawn jeden Tag in der Schule sehen musste...
 

Verdammt! Jetzt hatte Sub-Zero ihn mit seinem Eisstrahl erwischt, dieses Spiel war so gut wie gelaufen. Hastig kramte er in den Taschen seiner Jeans herum, und suchte nach einer weiteren Quarter. Aber wie es schien, hatte er die letzte schon verbraucht, musste also wieder zum Wechselautomaten hinüberlaufen. Na toll!
 

Genervt blickte er auf den Countdown, und wartete auf das unvermeidliche 'Game Over', als plötzlich ein Klacken zu hören war, und eine Vierteldollarmünze eingeworfen wurde. Leroy blickte kurz auf, um sich dann wieder beruhigt dem Spiel zuzuwenden. Neben ihm stand ein dunkelhaariger Typ um die zwanzig, irgendein Kumpel von einem Kumpel von George aus dem Cross Country Team, den er zwar schon ein paar Mal gesehen, dessen Namen er aber wieder vergessen hatte. Auch egal.
 

"Danke, Mann." Leroy rückte etwas zur Seite, und stellte die zwei Spieler Option ein. Kitana nahm den Kampf wieder auf, diesmal gegen Scorpion. Verflucht, warum hatte Dawn ihm überhaupt zugesagt, wenn sie schon mit einem anderen Kerl auf den Ball ging? Hatte sie nur mit ihm gespielt, oder war das Ganze eine Retourkutsche wegen der Sache mit dem Grand March?
 

"Das sind Frauen, was?" kommentierte sein Spielpartner, als Kitana mit einem eleganten Sprung Scorpion's fliegendem Haken auswich. "Tolle Beine, perfekte Figur, und das allerbeste ist..."
 

"Yeah," murmelte Leroy abwesend. Gut, er war nicht gerade nett zu ihr gewesen, das war schon richtig. Aber musste sie deshalb gleich mit diesem Schlitzauge rummachen?
 

"...das allerbeste ist, sie tun auf Knopfdruck genau das, was man von ihnen will! Kein Theater, kein Rumgezicke, keine Spielchen!"
 

Er lehnte sich seitlich zu Leroy hinüber, und hauchte ihm verschwörerisch ins Ohr: "Da wünscht man sich doch glatt, die realen Frauen wär'n genauso, nicht wahr?"
 

"Yeah," wiederholte Leroy, und fühlte, wie die Wut wieder in ihm hochstieg. Es war nicht seine Schuld gewesen. Dawn war eine blöde Ziege, nichts weiter! "Nichts als Ärger hat man mit den Frauen," fügte er hinzu, und der andere Junge nickte zustimmend. "Kannst du laut sagen!"
 

Wütend haute Leroy auf die Knöpfe. "Ich wünschte, diese blöde Kuh würde an ihrer verdammten Arroganz ersticken! Ich wünschte, sie hätte zwei Fuß große Pickel im Gesicht, und kein Kerl würde sie je wieder ansehen! Ich wünschte, der Teufel käme persönlich vorbei, und würde ihr das alberne Grinsen vom Gesicht reißen. Ich wünschte..."
 

"Das ist ja alles wirklich cool," jammerte sein Gesprächspartner, "aber kannst du es nicht dann wünschen, wenn ich mich NICHT auf das Spiel konzentrieren muss?"
 

"Huh?" fragte Leroy, und der andere Junge nutzte seine Verwirrung, um Kitana mit Scorpion's Feueratem den Rest zu geben. Dann warf er einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den Bildschirm, und wandte sich Leroy zu. "Hier, nimm!"
 

"Was ist das?" Verwundert sah Leroy auf den kleinen metallenen Gegenstand, den er soeben in die Hand gedrückt bekam. Es schien ein Schlüsselanhänger zu sein, derselbe Anhänger, den der Typ an seiner Jeans trug
 

"Sieh es einfach als Glücksbringer!" entgegnete sein Gesprächspartner, und Leroy war zu beschäftigt, das kleine Raumschiff in seiner Hand zu betrachten, um das hinterhältige Glitzern in den schwarzen Augen des jungen Mannes zu bemerken. "Und jetzt, Bastian Balthasar Bux, lass deinen Wünschen freien Lauf!"
 

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Xander und Andrews Wohnung,

selbe Zeit

Xanders wütendes Schnauben hallte durch das Badezimmer, während er sich ein Handtuch um die Hüften schlang und aus der Nasszelle stürmte. „Wehe das ist nicht wichtig.“ Brummelte er vor sich hin und suchte nun unter dem Sammelsurium an leeren Chipstüten und einiger Wäschestücke auf dem Sofa nach seinem Handy, dessen durchdringendes fröhliches Dudeln ihn aus der Dusche geholt hatte.
 

Endlich rutschte es aus der Hose, die schon seit dem Vortag immer noch herumlag und fiel ein kleines Stück zu Boden, wobei es dann verstummte. „Das war ja klar.“ Fauchte Xander genervt und sah erst einmal nach ob der Anrufer am anderen Ende aufgelegt, oder das Teil etwa das zeitliche gesegnet hatte.
 

Es war alles in Ordnung. Das Display zeigte einen Anruf in Abwesenheit und nicht besonders gut gelaunt legte er das Handy nun greifbar auf den Tisch, wollte sich wieder ins Bad begeben als die Melodie von neuem begann.
 

Entweder ist mal wieder mittelschwerer Weltuntergang oder Andrew will fragen ob er etwas zu essen mitbringen soll, mutmaßte Xander seufzend und drückte ungehalten den Annahmeknopf, denn egal welche der beiden Alternativen es auch war, heute wollte er einfach seine Ruhe haben.
 

„Harris!“ Brüllte er laut und beabsichtigt in den Hörer, denn egal, wer es auch war, sollte wissen dass er störte.
 

„Hallo Xander, ich hoffe ich störe nicht.“ Das war eindeutig Eves Stimme und seine grimmige Miene bekam augenblicklich einen milden Ausdruck, während er sich umständlich mit einer Hand das Tuch fester um die Hüften knotete.
 

„Aber überhaupt nicht.“ Log er höflich und setzte sich, da er ahnte dass es vielleicht ein längeres Gespräch werden konnte.
 

„Ich wollte mich noch einmal bedanken für das was sie für mich getan haben und fragen ob…“ ihre Stimme klang etwas verzerrt und ihr schien es schwer zu fallen über die Geschehnisse zu sprechen.
 

„Hey, schon gut, so was mach ich doch fast täglich.“ Lachte er in das Telefon und zog einen zerknüllten Socken unter sich weg, der unangenehm gedrückt hatte. Am anderen ende der Leitung entstand eine Pause und Xander begann das kleine Gerät zu schütteln, Vielleicht hatte es doch mehr abbekommen bei dem kleinen Sturz, aber da hörte er schon wieder ihre Stimme.
 

„Ich sag es am besten direkt: Wollen sie nicht bei mir in der Firma anfangen? Wir können fähige Leute gebrauchen und jetzt wo ich Leiterin der Barker Cooperation geworden bin, dachte ich mir ….“ Sie schien wieder ins Stocken gekommen zu sein und in seinem Kopf schwirrten die Gedanken herum.
 

Ganz offensichtlich hatte sie Romeros Stelle bekommen…fähige Leute…..fühlte er sich wirklich bereit für einen solchen Job?
 

„Hallo? Xander?“ Eve brachte ihn wieder zurück in die Realität und er suchte nach den richtigen Worten.
 

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“ antwortete Xander ehrlich und nagte nachdenklich an seiner Unterlippe.
 

Vor ein paar Tagen noch wäre dieses Angebot ein erfüllter Wunschtraum gewesen, aber nun?
 

„Natürlich haben sie Bedenkzeit“ beeilte sich die Stimme in der Leitung zu erklären. „wir können das ja vielleicht mal in ruhe besprechen?“
 

War das eine unterschwellige Einladung zu einem Date? Oder wollte sie wirklich nur ein ‚normales’ geschäftliches Gespräch?
 

„Ich dachte da an das Blue Rider, wir wurden ja leider unterbrochen und…“
 

Ein Date, grinste Xander in sich hinein, als es auch schon kräftig an der Tür klingelte.
 

So ein Mist, auch das noch!
 

„Eve, es hat geklingelt, ich rufe sie gleich zurück!“ Entschuldigte er sich, froh über die Bedenkzeit die ihm nun eingeräumt war und Eve kam noch dazu ihm ein ‚ok’ zu antworten, als er auch schon aufgelegt hatte. Wieder schellte es, diesmal unterstützt mit einem lautstarken Klopfen.
 

„Ich komme ja schon!“ Rief Xander, rückte sein Handtuch wieder zurecht, riss die Haustür auf und blickte den kleinen dunkelhaarigen dicken Mann direkt vor ihn fragend an. Der schien ein wenig zu stutzen als er den halbnackten Mann vor sich sah, setzte dann aber ein wichtiges Gesicht auf.
 

„Mr. Alexander Lavelle Harris?“ Vergewisserte er sich auch wirklich den Richtigen vor sich zu haben und war erleichtert als dieser heftig nickte. „Mein Name ist Myers, von der Wolfram & Hart Anwaltskanzlei in Los Angeles. Es war gar nicht so leicht sie ausfindig zu machen, wissen sie das?“ Dieser Mr. Myers erwartet wohl eine Zustimmung, aber die bekam er nicht, denn der junge Mann schaute ihn nun eher misstrauisch an.
 

„Ich bin Testamentsvollstrecker!“ beeilte er sich nun hinterher zusetzten. Das öffnete ihm normalerweise jede Tür, doch auch jetzt kam noch keine Reaktion von Xander.
 

„Darf ich eintreten?“ Myers musste wohl doch etwas deutlicher werden, diese jungen Leute von heute kannten einfach kein Benehmen.
 

Immer noch sprachlos öffnete Xander nun die Tür etwas weiter und ließ den Anwalt in die kleine Wohnung. Der sah sich mit einem angewidertem Gesichtsausdruck um und suchte einen geeigneten Sitzplatz, doch das Sofa sah nicht besonders einladend aus, und es würde eh nicht so lange dauern, als entschloss er sicherheitshalber stehen zu bleiben.
 

„Ist Onkel Rory gestorben?“ Fragte Xander nun ungehalten, wobei er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte dass er auch nur einen Cent vererben würde, höchstens eine Sammlung verschiedener Brandyflaschen. Alfred Myers hatte nicht Entferntesten eine Ahnung, wer dieser Onkel Rory war, aber er begann nun wichtigtuerisch in seinen Unterlagen zu suchen.
 

„Ich bin seinerzeit als Testamentsvollstrecker von Ms. Anya Christina Emanuella Jenkins, beauftragt worden im Falle ihres Ablebens…. Ist ihnen nicht gut?“ Das Gesicht des jungen Mannes vor ihm war leichenblass geworden und seine Hand suchte Halt an der Sofalehne. „Vielleicht setzten sie sich besser.“ Riet ihm Alfred Myers. In den Jahren seiner Berufserfahrung kannte er derartige Reaktionen und fuhr einfach fort. „Ich bin beauftragt ihnen ein Aktienpaket im Wert von 20.000 Dollar zu überschreiben, aber dazu muss ich Ihnen sagen…“ Dem jungen Mann vor ihm schien es wirklich nicht gut zu gehen, denn er war rücklings auf das Sofa gefallen und hielt sich den Kopf.
 

„Vielleicht holen sie sich besser ein Glas Wasser.“ Auf keinen Fall wollte der Anwalt sich um einen Bewusstlosen kümmern müssen. Zumindest war dieser Harris noch ansprechbar, denn er schüttelte kreidebleich seinen Kopf hin und her. „Leider dauerte es wie gesagt bis wir sie ausfindig machen konnten, daher haben wir die Aktien ruhen lassen, inzwischen sind sie allerdings in ihrem Wert gefallen, so dass nun abzüglich meiner Kosten und Spesen ein Restbetrag von 2154 Dollar und 66 Cent übrigbleibt. Myers interpretierte das Stöhnen des jungen Mannes als Enttäuschung und erklärte wiederholt das sie lange nach Xander gesucht hatten und inzwischen keine Handlungsmöglichkeiten gehabt hatte, die fallenden Wertpapiere zu retten.
 

Da dieser Harris immer noch nicht fähig zu sein schien ihm eine Antwort zu geben, entschloss sich der Anwalt so schnell wie möglich zu verschwinden, mit etwas Glück würde er am Flughafen einen schnellen Rückflug nach L.A. bekommen und zu seiner Frau und den drei Kindern zurückkehren können. „Nun ja Mr. Harris, ich leg ihnen die Unterlagen hier hin.“ Beeilte er sich, suchte einen Moment lang ein freies Fleckchen auf dem Tisch und platzierte dann sorgfältig die Aktenmappe auf einem Stapel Zeitschriften. „Ach ja, dort finden sie auch einen persönlichen Brief von Ms. Jenkins.“ Fügte er noch hinzu und verließ mit einem kurzen Abschiedsgruss das Apartment.
 

Wie in Trance hörte Xander die Worte des Anwalts, war aber immer noch zu keinem weiteren Wort fähig, außer zuzusehen wie dieser Myers aus der Tür verschwand um dann mit zitternden Händen nach der Mappe zu greifen. Zunächst fand er dort nur einige Unterlagen über ein Depotkonto und einige Auflistungen der Kurse des vergangenen halben Jahres, dazu eine Spesenrechnung und einen einfachen Testamentvordruck indem ihm Anya ihre Vermögenswerte hinterließ.
 

Endlich, ganz hinten, fand er in einer Klarsichthülle einen kleinen weißen unbeschrifteten Umschlag und es dauerte noch ein paar Minuten bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er ihn beherzt aufriss. Zunächst konnte er die Zeilen auf dem sorgfältig gefalteten Papier gar nicht erkennen und in seinem Hinterkopf zuckten Episoden durch seinen Geist. Kurze, oft unwichtige Abschnitte ihres Lebens bis zu dem Moment wo er von Andrew erfuhr, dass er sie niemals wieder sehen würde… Wie sehr hatte er doch alles verdrängt, sich in Arbeit geworfen, jede noch so schmerzende Erinnerung aus seinen Gedanken verbannt und doch war sie immer da gewesen, schon durch Andrews Anwesenheit.
 

Endlich kam ein wenig Klarheit in seinen Kopf und die Buchstaben auf dem Papier verwandelten sich in Worte, Sätze … handgeschrieben von jemandem, der schon längst tot war, einem Teil seines Lebens, und den er in diesem Augenblick mehr vermisste als zuzugeben er bereit war.
 

Mein lieber Xander
 

Es ist schon merkwürdig einen Brief zu schreiben, von dem man weiß dass er gelesen wird, wenn man tot ist. Vielleicht wirst du ihn ja auch nie zu lesen bekommen weil du es auch nicht überlebt hast oder dieser komische Knilch von Anwalt liest heimlich die Post von toten Leuten oder die Welt ist untergegangen und niemand wird jemals von dem hier erfahren.
 

Ich sitze hier und schreibe, weil ich befürchte dass meine Zeit abgelaufen ist und was mich am meisten ängstigt, ist, dass es mir nichts ausmacht. Nicht weil ich schon soviel Jahrhunderte erlebt habe, es ist nur das Gefühl als wenn ich in die Zukunft sehe und da kein Platz mehr für mich ist.

Nein, ich bereue nichts, nicht meine Zeit als Rachedämon und auch nicht, dass ich nicht geflohen bin wie alle anderen als es Zeit dafür war. Das Einzige was ich bereue, ist, dass ich dir nie sagen konnte wie dankbar ich dir bin.
 

Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, du weißt dass ich nichts für solche Gefühlsduseleien übrig habe, sondern bemitleide mich lieber dass ich nicht einmal fähig war meinem besten Freund zu sagen wie dankbar ich ihm bin. Du hast mir gezeigt was es heißt zu leben, warst immer für mich da, genau wie für deine Freunde, obwohl ich das oft nicht verstanden habe. Das was du mir gezeigt hast war mehr als einfach nur sein menschliches Dasein zu ertragen. Du hast mir beigebracht die Freuden zu erkennen die man als Mensch haben kann. Liebe, Freundschaft, Lachen und aus der schlimmsten Erfahrung noch etwas Positives ziehen…eben die Art von Leben die du führst und hoffentlich auch immer noch tust. Du hast nie an deine eigenen Konsequenzen gedacht, sogar als du mich vor dem Altar hast stehen lassen war deine größte Sorge dass du mich nicht hättest glücklich machen können, das weiß ich inzwischen und auch wenn ich es dir noch nicht verziehen habe, versteh ich dich nun.
 

Trotzdem hast du immer jeden Moment deines Lebens genossen, in jeder Situation. Sei es, wenn du wieder mal aus einer brenzligen Lage entkommen bist oder auch nur wenn dein Footballteam gewonnen hat.
 

Nur durch dich habe ich endlich gelernt das Leben an sich zu genießen, diese kleine Abfolge unbedeutender Ereignisse wie einen Sonnenaufgang erleben, Sex zu haben oder ein paar Dollar zu sparen. Hoffentlich bin ich nicht einfach nur so gestorben weil mich ein Bus überfahren hat oder weil ich einen von den neuen Anwärterinnen die Cornflakes weggegessen habe. Ein wenig Sinn hinter meinem Ableben wäre schon nicht schlecht als Abgang.
 

So, das war es eigentlich auch schon, obwohl es noch viel mehr zu sagen gäbe.

Herrje, was schreibt man am Ende eines solchen Briefes? Auf Wiedersehen? Bye-bye? Leb wohl? Ja, ich glaube das passt am Besten, so antiquiert es sich auch anhört.
 

Lebe wohl, vor allem ‚lebe’, für mich und deine Freunde, betrink dich wenn dir danach ist mach weiter da wo du aufgehört hast, triff Entscheidungen die du bereust, aber ändere dich nicht.

Du warst mein ‚Leben’ und es war ein gutes Leben.
 

Anya
 

P.S. sollte noch Jemand überlebt haben, dann grüß von mir.
 

PP.S. Fahr jetzt bloß nicht nach Vegas und gib das schöne Geld mit vollen Händen aus!
 

Der letzte Buchstabe verschwamm etwas, da sich eine einzelne Träne über Xanders Wange nach unten gebahnt hatte und die Tinte verwischte. Wütend fuhr er sich die verräterische Spur aus dem Gesicht und las noch einmal von vorne und dann noch einmal, bis die Trauer aus seiner Miene verschwand und einem flüchtigen Lächeln wich.
 

Gedanken schossen durch seinen Kopf, verwirrend und beruhigend zugleich, bis er aufstand und mit einem kräftigen Ruck eine Schublade aufzuziehen. Das Handtuch war längst gefallen, aber es gab ja eh niemanden der ihm zusah während er den Inhalt durchwühlte. Ganz unten fand er endlich den schmalen Bilderrahmen mit Anyas Foto und vorsichtig strich seine Hand über das staubige Glas bis es ganz sauber war, um es dann aufzustellen.
 

Einige Minuten später kam er angezogen aus seinem Zimmer zurück und sah wieder flüchtig lächelnd auf das Bild. Es tat immer noch weh an sie zu denken, aber der Schmerz war erträglich geworden. Der Brief lag noch offen auf dem überfüllten Tisch und behutsam faltete er das Papier wieder zusammen, dann griff er zum Telefonhörer und wählte Eves Nummer…
 

GrrrrArrgh

Folge 9: Mine to Give

Länge: ca. 60 Seiten

Autor: Yamato

Co-Autoren: HopelezZ, Stefan, Mel

Bilderstellung: Chris (buffy-online) ;Spacebeagle; Portraits (hexenart.de)

Songs:“Double Trouble“ (American Pokémon Soundtrack) Copyright Shuki Levy & Haim Saban, “Fortunate“ (Common Rotation) Copyright Common Rotation,
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

+++
 

Der Magier (Voice Over): “Einer kam Ueber sie, und alles was nach dem Feuersturm zurück blieb, war reine Erde.” - 8.03
 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Faith vor einem Dorf, als plötzlich eine Feuersäule aus der Erde schießt. Reiter brechen daraus hervor. - 8.03

Die vier Reiter galoppieren auf Buffy zu, und verschwinden im nächsten Moment in gleißendem Licht. - 8.01

Giles und Lily küssen sich leidenschaftlich. Er zieht ihr die Bluse aus, streicht mit dem Finger über die halbkreisförmige Narbe an ihrem Oberarm. - 8.07

Eve begrüßt einen leicht nervösen Xander in ihrem Büro. "Hallo! Ich bin Eve Cronenberg, aber nennen sie mich Eve." - 8.08
 

Willow (V.O.): "Ich habe getan, was sonst niemand tun kann." - 6.04

Überblende - Willow plant Buffy's Wiedererweckung: "Sie ist keines natürlichen Todes gestorben. Sie wurde von mystischer Energie getötet!" - Tara: "Das heißt, wir können es versuchen." - 6.01
 

Giles (V.O.): "Oh, es gibt noch andere auf der Welt, die tun können, was du getan hast. Du willst ihnen nur nicht begegnen!" - 6.04

Überblende - D'Hoffryn erscheint in einem Feuerwirbel: "Ms. Rosenberg, wie schön, dich zu sehen. Neue Frisur?" - 7.06
 

Willow (V.O.): "Okay, aber das sind die Bösen! Ich bin keine von den Bösen!" - 6.04

Überblende - Dark Willow mit wehendem schwarzen Haar, glühenden Augen, umringt von Energieblitzen - 6.20
 

Dawn (V.O.): "Liebe heißt nicht, jemandem wie ein kleiner Hund hinterherzulaufen, und zu allem ja und amen zu sagen." - 8.08

Überblende: Mit Begeisterung sieht Andrew zu, wie Warren Buffy verprügelt, als wäre es ein Videospiel: "Mach sie fertig! Töte sie!" - 6.19
 

Dawn (V.O.): "Gerade, wenn man jemanden liebt, muss man auch in der Lage sein, sich ihm entgegenzustellen! Eigene Entscheidungen zu treffen!" - 8.08

Überblende: Verzweifelt sagt Kennedy Willow die Meinung: "Es gibt einfach immer etwas Wichtigeres als mich. Weißt du, wie leid ich es bin, immer hinten anzustehen? Du hast immer noch für jeden anderen Zeit gefunden, für Dawn, Buffy, doch für deine Freundin? Es kommt mir schon so vor als würdest du mich manchmal nur als lästigen Zeitvertreib sehen!" - 8.06
 

Dawn (V.O.): "Und nicht tatenlos dabei zusehen, wie der andere mit dem Kopf voran in die Katastrophe stürzt, und dabei weiß Gott wie viele Menschen mitreißt!“ - 8.08

Überblende: Anya erscheint im Gefängnis bei Andrew und Jonathan: "Warren hat auf Buffy und Tara geschossen! Buffy lebt, Tara ist tot. Und als mächtigste Wicca der westlichen Hemisphäre hat Willow sich gerächt! Sie hat ihn in Stücke gerissen, und sein Blut im ganzen Wald verspritzt! Jetzt kommt sie hier her, und ihr beide seid als nächste dran!" - Andrew bricht in Tränen aus: "Oh mein Gott....Warren..." - 6.21
 

Andrew (V.O.): "Ich weiß jetzt, was du bist!" - 7.13

Überblende - Das Urböse (in Warren's Gestalt) und Andrew stehen sich in der Dunkelheit gegenüber - 7.07
 

Andrew (V.O.): "Deine Versprechungen von weißen Stränden, und tanzenden Schnauzern, und dass wir Göttern werden, ziehen bei mir nicht mehr!" - 7.13

Überblende - Warren, Andrew, und Jonathan singen mit weißer Toga bekleidet auf einer himmlischen Wiese, während im Hintergrund ein Einhorn vorbeistiefelt: "Wir sind Götter! Götter sind wir!" - 7.16
 

Andrew (V.O.): "Wegen dir hab' ich Dinge getan! Dinge, die ich niemals wieder gut machen kann! Niemals!" - 7.13

Überblende - Andrew und Buffy am Siegel, sie hält den Dolch an seine Kehle, als er weinend zusammenbricht: "Weil ich auf Warren gehört hab'! Weil ich so getan hab', als würd' ich glauben, er wär's wirklich! Aber ich wusste, er war's nicht!" - 7.16
 

Andrew (V.O.): "Er hat mich verlassen! Wie konnte er mir das nur antun! Er hat mir versprochen, dass wir immer zusammensein werden, aber er hat mich nur benutzt! Er hat niemals Liebe empfunden für... unsere genialen Pläne!" - 6.19

Überblende: Warren fliegt mit dem Jet-Pack davon. Andrew will hinterher fliegen und kracht mit dem Kopf gegen das Dach. - 6.19
 

Dawn (V.O.): "Ich bin nicht darauf angewiesen, mit dir über diese blöde Bühne zu laufen! Lass mich in Ruhe!" - 8.06

Überblende: Leroy bekommt von einem Fremden einen Schlüsselanhänger, und ein seltsames Angebot: "Und jetzt, Bastian Balthasar Bux, lass deinen Wünschen freien Lauf!" - 8.08
 

Willow (V.O.): "Oh Gott! Aber ich wollte das nicht!" - 4.09

Überblende: Eine Folge von schnellen Bilder zeigt Dark Willow in Action. Sie schleudert Buffy ins eine Eck, Giles ins andere und demoliert die MagicBox. Sie jagt Warren durch den Wald und reißt ihm die Haut vom Leib. Sie beschwört den Tempel der Proserpexa. Sie stößt den ohrenbetäubenden Körperfresser-Schrei aus, und es gibt eine gewaltige Explosion. - 6.20-22
 

Der Bildschirm wird dunkel.
 

D' Hoffryn (V.O.): "Aber du hast es getan! - 4.09
 


 

Teaser
 

Sunnydale, November 2001

Keller von Warren’s Elternhaus

Dunkelheit. Völlige Stille im Versteck der Verbrecherkönige von Sunnydale. Nur das leise Rauschen der Computerventilatoren ist zu hören, und ab und zu fiept oder blinkt mal irgendwas aus irgendeiner Ecke.
 

Da, ein Trommelschlag! Und ein einzelner Scheinwerferstrahl fällt von der Decke herab, und erleuchtet den Oberfinsterling Warren, (na, von Erleuchten kann wohl kaum die Rede sein) der locker-lässig in schwarzen Klamotten, und mit 200-Dollar-Sonnenbrille auf der Nase in der Mitte des Raums steht. Auf den nächsten Trommelschlag wirft er sich in Pose, nimmt die Brille ab, und grinst sein superfieses Gangstergrinsen mitten in die Kamera.
 

Warren:

“Ich bin hier der Boss, und ich will die Macht über Sunnydale! Also kriecht aus euren Schlammlöchern, ihr luschigen Uruk-Hai, und schaltet endlich mal auf Warpgeschwindigkeit!”
 

Als die Musik einsetzt, fallen weitere Scheinwerferstrahlen quer durchs Versteck. Die Kamera schwenkt hin und her, zeigt uns ein paar Star Wars Figuren auf den Regalen, die fröhlich im Takt Hüften und Lichtschwerter schwingen, und zoomt zurück zu Warren. Er fängt an zu singen, und irgendwann so zwanzig Sekunden später, beginnt Pro 7 endlich damit, unpassende Untertitel einzublenden und den Refrain ganz zu vergessen....
 

Warren:

“Prepare for trouble!“
 

Andrew (natürlich auch schwarzgekleidet und sonnenbebrillt) hüpft wie ein Geißbock ins Bild, landet rechts vor Warren, und zeigt mit dem Finger in die Kamera.
 

Andrew:

“ Make it double!“
 

Jonathan (gleiches Outfit) kommt ins Bild getaumelt, landet links vor Warren, und verliert beinahe die Sonnenbrille, die er gerade noch rechtzeitig festhalten kann.
 

Jonathan:

“Make it triple!“
 

Warren drängelt sich in der Mitte zwischen den beiden durch, damit er wieder ganz vorn steht.
 

Warren:

“Start to wriggle!”
 

Andrew und Jonathan nehmen synchron ihre Sonnenbrillen ab, und versuchen genauso fies zu grinsen wie Warren, während alle drei fingerschnippend und mit den Armen wedelnd auf die Kamera zuschlendern.
 

Jonathan:

(wirft Dollarnoten in der Luft herum)

“We'll be the richest rogues of all time!”
 

Andrew:

(hebt zwei futuristisch aussehende Supersoaker hoch)

“Creators of a grand design!”
 

Jonathan springt auf den Bohnensack-Sessel, der ihnen im Weg steht, und schaut hochnäsig auf die anderen beiden runter.
 

Jonathan:

“I’ll be the king!”
 

Andrew springt neben Jonathan auf den Sessel und setzt ihm Ohrenschützer mit zwei großen Prinzessin-Leia-Haarschnecken auf.
 

Andrew:

“Nope, you're the queen!”
 

Warren ruckelt am Sessel herum, so dass Andrew und Jonathan das Gleichgewicht verlieren, und wild durcheinander purzeln. Dann steigt er breitbeinig, und betont gleichgültig über die andern beiden drüber, um wieder ganz vorn zu stehen, und stemmt die Hände in die Hüften.
 

Warren:

“I am the master ... of crime!”
 

Andrew und Jonathan rappeln sich wieder vom Boden hoch, und alle drei wirbeln in dramatischer Geste einmal um die eigene Achse, um - ziemlich genau den Weg zurückzuschlendern, den sie gerade gekommen sind. (Allzu groß ist der Keller in Warren’s Mom’s Haus leider nicht.) Die Kamera fährt um die Jungs herum, um sie wieder von vorne zu zeigen, und kracht scheppernd gegen das Regal.
 

Warren:

“Prepare for trouble!”
 

Andrew:

“Make it double!”
 

Jonathan:

“Make it triple!”
 

Warren:

“Start to jiggle!”
 

Es regnet DVDs - wir sehen diverse Star Trek Titel, an uns vorbeizischen, und alles, was die Fantasy/Horror/Sci-Fi Szene so zu bieten hat, angefangen von alten Romero Zombie Filmen, über Star Wars und Dune, bis hin zu Harry Potter. Zuletzt zeigt uns das Bild Cruel Intentions bevor die Kamera wieder auf das Imperium der Obertrottel zurückschwenkt.
 

Warren grinst über den Rand einer Zeitung namens The Lone Gunman
 

Warren:

“To protect the world from devastation!”
 

Jonathan spreizt Mittel- und Ringfinger für den vulkanischen Gruß.
 

Jonathan:

“To unite all peoples within our nation!”
 

Andrew trägt einen Plastikbogen und rattert auf einem komischen Brett die Kellertreppe runter.
 

Andrew:

(holterdipolter)

“To-de-nou-ounce-the-e-vils-of-truth-n-love!”
 

Warren wedelt theatralisch mit der Hand, und schießt tatsächlich einen Klebefaden nach oben.
 

Warren:

“To extend our reach to the stars above!”
 

Andrew und Jonathan schieben sich von links und rechts vor ihn, um wieder im Bild zu sein. Die Kamera zoomt in die Nahe, direkt auf ihre Gesichter.
 

Andrew:

“Crime Lords... “
 

Jonathan:

“....of Sunnydale!“
 

Warren packt sie beide am Kragen und schiebt ihre Köpfe auseinander, um seinen eigenen zwischendurch zu stecken.
 

Warren:

“Team Trio blast off at the speed of light!“
 

Andrew versucht seinen Kopf vor Warren’s zu schieben. Die beiden schubsen einander hin und her, da jeder vorne stehen will.
 

Andrew:

“Surrender now or prepare to fight!”
 

Jonathan schiebt seinen Kopf vor die beiden anderen - und knallt prompt mit der Nase gegen die Kamera.
 

Jonathan:

“That's right - ouch!”
 

Refrain. (der, wo Pro7 die Untertitel vergisst!) Kameraschnitt zurück in die Totale. Und bei den Jungs wird getanzt - irgendwas in Richtung, Schritt links -Schritt rechts, Arm hoch - Arm runter.... (so Boygroup Style halt, na man kennt das ja) Die Sonnenbrillen ein paar Mal dramatisch aufgesetzt, und wieder abgesetzt, dem imaginären Publikum Kussmündchen und -händchen zugeworfen, und Platzwechsel, damit auch jeder mal in der Mitte stehen darf.
 

Alle drei:

“Team Trio's rockin'!

Talkin' trouble, walkin' trouble

Triple trouble, big trouble's gonna come your way!”
 

Die Actionfiguren auf den Regalen übernehmen den Backroundtanz. Lichtschwert hoch - Lichtschwert runter. Die Alien Queen fegt Darth Maul mit ihren Tentakeln vom Regal. Ein Wächter der Maschinenstadt, der gerade dabei ist, rhythmisch einen Neo und eine Trinity in der Luft herumzuwedeln, kriegt ihn auf die Plastikrübe. Wütend wirft er mit der Trinity nach der Alien Queen.
 

Alle drei:

”Team Trio's evil!

Mighty evil, just believe me

Triple evil, big evil's gonna come your way!”
 

Aus nicht näher bekannten Gründen marschiert eine kleine Evangelion Unit 02 vorne vorbei. Die Jungs hüpfen hastig zur Seite, um nicht draufzutreten.
 

Alle drei:

”We're gonna conquer Sunnydale!”
 

Die Troika lässt ihre fiese Oberschurkenlache ertönen (die, an der noch gearbeitet werden muss, eine andere haben sie ja nicht): “Murharharharhar...”
 

Frauenstimme von oben: “Warren, du hast schon wieder vergessen, den Müll rauszutragen!”

Warren (ruft zurück) : “Mach ich gleich, Mom!” Jonathan und Andrew kichern, und er wirft den beiden einen wütenden Blick zu.
 

Andrew hüpft auf die Stufe zum höher gelegenen Teil des Kellers und balanciert darauf herum. Warren springt mit einem Satz hinter Andrew, packt ihn bei den Handgelenken, und breitet ihm die Arme aus.
 

Warren:

“Prepare for trouble!”
 

Andrew lehnt sich daran nach vorne, ein seliges Lächeln auf dem Gesicht. Von irgendwoher kommt plötzlich Wind, und lässt Haare und Klamotten der beiden Jungs flattern. (na, nicht von irgendwoher, wir hören ganz deutlich das Rattern der Windmaschine)
 

Andrew:

“Make it double!”
 

Jonathan wetzt zum Kühlschrank rüber, holt einen Eiswürfel aus dem Gefrierfach, und hält ihn drohend in die Kamera. Sofort geht ein Ruck durch den ganzen Keller, wie ein mittleres Erdbeben, und ein lautes Krachen und Quietschen übertönt den Song. Aus den Regalen fallen noch mehr DVDs, und der Maschinenstadt Wächter kriegt diesmal den Obi-wan auf die Rübe.
 

Jonathan:

“Make it triple!”
 

Warren lacht Jonathan aus, welcher ihm wütend die Zunge herausstreckt, und beleidigt aus dem Bild stolziert. Als Warren gerade nicht hinsieht, wirft er ihm den Eiswürfel in den Kragen. Vor Schreck lässt Warren Andrew los, den es natürlich volle Kanne auf die Fresse haut.
 

Warren:

“Start to giggle!”
 

Andrew und Jonathan marschieren mit Zeigestäben in den Händen von links und rechts auf das Blackboard zu, als wollten sie dem Publikum erklären, welche großartigen Dinge die Troika für die Zukunft geplant hat. Andrew hält sich den Kopf. Jonathan stolpert beinahe über die noch immer umherirrende EVA Unit 2.
 

Andrew:

“We're the Trio and we fight for what's wrong!”
 

Jonathan:

“For mayhem and madness and free cable porn!”
 

Andrew setzt sich einen aus Alufolie gefalteten Hut auf den Kopf, und betrachtet sein Spiegelbild in einem dunklen Computerbildschirm.
 

Andrew:

“I'm so gorgeous!”
 

Jonathan springt zwei Meter hoch in die Luft - und bleibt dort im Lotussitz hocken, während die Kamera auf Zeitlupe schaltet, und ihn langsam umkreist.
 

Jonathan:

(Zeitlupe)

“I'm aaalwaaays theee maaan!”
 

Warren flackt in der Ecke in einem Bohnensack Sessel, Zigarre in der einen Hand, Weinglas in der anderen. Er verzieht die Lippen zu einem wissenden Lächeln, während er langsam mit den Fingerspitzen am Stiel des Glases entlang streicht.
 

Warren:

“You're just the players in my master plan!”
 

Warren springt auf, Jonathan landet auf dem Boden, und Andrew ist endlich seinen dämlichen Hut losgeworden, als die drei Oberfinsterlinge von drei Seiten zur Mitte des Kellers marschieren, (wohlgemerkt im Flamingo-Gang, damit sie nicht auf die DVDs treten) armeschwingend durcheinander durch laufen, und schließlich als Gangsterpolonaise einmal quer durch den Raum stapfen. Sofort bilden die Actionfiguren auch eine Polonaise und stapfen hinterher.
 

Alle drei:

“Team Trio's rockin'!

Talkin' trouble, walkin' trouble

Triple trouble, big trouble's gonna come your way!”
 

Die Polonaise teilt sich, und die drei stehen wieder vor der Kamera, während ihre Spielfiguren fröhlich um sie herummarschieren. Selbst die Computer und einige undefinierbare technische Spielzeuge haben angefangen im Takt zu fiepen, und zu blinken. Die Jungs schieben ihre Sonnebrillen hoch, und verfallen in eine Art Kampfsport Kata, die allerdings nicht sehr mystisch aussieht. Die Kamera wandert kurz übers Blackboard, wo die Buchstaben auch herumwackeln, dann Schnitt in die Nahe, auf die Gesichter der drei.
 

Alle drei:

”Team Trio's evil!

Mighty evil, just believe me

Triple evil, big evil's gonna come your way!”
 

Sie werfen sich in die Endpose, eine ziemlich wackelige Angelegenheit mit ausgestreckten Armen und Beinen, bis einer (Warren ist es diesmal) ausrutscht, und die anderen mit zu Boden reißt. Jeder versucht in dem Gewirr aus Armen und Beinen seine eigenen wiederzufinden, als die Kamera langsam zurückzoomt, und das Chaos aus der Vogelperspektive überblickt. Bevor die Musik verklingt, heben alle drei die Köpfe, grinsen, und machen das V-Zeichen.
 

Alle drei:

”We're gonna conquer Sunnydale!”
 

+++
 

Cleveland, November 2003

Donnerstagnacht

Xander's und Andrew's Wohnung
 

Er schrak hoch... ein leises Klacken, und im nächsten Moment konnte er hören, wie eine Tür geöffnet wurde. War Xander endlich nach Hause gekommen?
 

Aber nein, das war nur in der Glotze. Es war Mulder, der nach Hause gekommen war, er hatte gerade seine Wohnungstür aufgeschlossen. Gleich würde er den Zettel vom Boden aufheben, aus dem Hinterhalt von Krycek überfallen werden, und glauben, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Nur, dass Krycek gar nicht vorhatte, ihn umzubringen, aber das wusste Mulder zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
 

"Sie lassen nach, Mulder, ich kann Sie schon mit einer Hand fertig machen!"
 

"Brauchen Sie die nicht, um sich selber fertig zu machen? Aber wenn dies meine letzten Worte sein sollen, fällt mir sicher was Besseres ein!"
 

Andrew überlegte, ob noch genug Zeit war, in die Küche zu wetzen, und sich ein Glas Milch zu holen, oder ob er dann das Wichtigste verpassen würde. Bis er sich daran erinnerte, dass er die Folge ja auf DVD hatte. Also konnte ihm überhaupt nichts passieren.
 

"Ich bin nicht hier, um Sie umzubringen, Mulder! Ich bin hier, um Ihnen zu helfen!"
 

Er sprintete los, aber kaum war er in der Küche angelangt, fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass dies Cleveland war, und seine DVD Sammlung auf dem Grund des Höllenschlundes ruhte. Und für alle seine Lieblingsserien und Filme von damals hatte das Geld nicht mehr gereicht. Abgesehen davon, war schon wieder soviel Neues rausgekommen, man kam überhaupt nicht mehr hinterher...
 

Er stockte. Warren und Jonathan würden nie den dritten Teil von Matrix sehen. Und die Rückkehr des Königs auch nicht...
 

Gab es im Himmel Kinos? Buffy hatte nie was davon erwähnt, und sie musste es schließlich wissen. Aber wenn es keine Kinos gab, war es dann überhaupt noch ein Himmel?
 

“Ich wurde von einem Mann geschickt, der genau wie ich weiß, dass der Widerstand in unserer Reichweite liegt.“
 

Krycek’s Gesicht war jetzt nur noch wenige Zoll von Mulder’s entfernt, und kam immer näher. Andrew hielt vor Spannung den Atem an.
 

Das Bild flackerte und verschwand. So ein Mist aber auch, jetzt hatte er es verpasst! Dass so was auch immer genau zum falschen Zeitpunkt passieren musste!
 

Andrew ging auf der Fernbedienung die Programme durch, doch mit jedem weiteren Knopfdruck bekam er nichts als Rauschen, und noch mehr Schnee auf den Fernseher. Oh bitte nicht kaputt sein! Xander würde ausflippen!
 

Er ging an das Gerät heran, und schlug mit der flachen Hand drauf. In den Filmen funktionierte das immer, und wirklich, in all dem Flackern kam ein Bild zurück. Ein sehr unscharfes Bild, aber zumindest ein Bild.
 

Ein Gesicht. Umrahmt von langen schwarzen Haaren. Rotglühende Augen. Ein kaltes Lächeln.
 

Und eine Hand, die ohne jede Vorwarnung aus dem Bildschirm schoss, und seine Kehle packte.
 

Er schrak hoch, schweißgebadet.... ein leises Klacken, und im nächsten Moment konnte er hören, wie eine Tür geöffnet wurde. War Xander endlich nach Hause gekommen?
 

+++
 

Wohnung von Buffy und Dawn,

nächster Tag

"Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Hörer, und es ist ein frostiger Morgen hier in Cleveland, das Thermometer verkündet 30 Grad Fahrenheit, und wird, laut Vorhersage, auch den Rest des Tages nicht über 40 klettern. Autofahrer aufgepasst, heute Nacht ist der erste Schnee des Jahres gefallen, wir haben ganze dreieinhalb Zoll in der Innenstadt, und in einigen Vororten sollen es sogar vier sein. Aber keine Sorge, Leute, wir werden euch schon einheizen! Hier sind Common Rotation mit 'Fortunate'!"
 

I guess I'm fortunate

For you to be on my mind
 

I guess I'm fortunate

For you to be so kind
 

Mühsam langte Dawn nach dem Radiowecker auf ihrem Nachtkästchen. Wo war das verdammte Ding nur! Freitage waren echt das Schlimmste! Das letzte Mal früh aufstehen, bevor man endlich seine Ruhe hatte!
 

Ihre Hand tastete gerade zwischen ihrem Federmäppchen und einer Keksdose herum, als sie mit dem Kopf gegen etwas Weiches stieß. Sie spürte Fell an ihrem Gesicht.
 

Sie stieß einen Schreckenslaut aus, fuhr hoch, und sprang mit einem Satz aus dem Bett. Jetzt war sie hellwach, und wagte kaum, sich umzusehen, etwas lag da auf ihrem Kopfkissen. Etwas, was da definitiv nicht hingehörte!
 

Sie fuhr herum, und starrte misstrauisch auf das Bett hinunter. Das Ding auf ihrem Kopfkissen war eine Art Fellknäuel, und was das Schlimmste war, das Knäuel bewegte sich. Ein winziges Pfötchen wurde herausgestreckt, ein langer buschiger Schweif hob sich, und unter alledem war auch noch ein Kopf versteckt.
 

Zwei leuchtend blaue Kulleraugen guckten Dawn verschlafen und hoffnungslos verwirrt entgegen. "Chii?"
 


 

Opening Credits
 


 

AKT I
 

Wohnung von Buffy und Dawn,

einige Minuten später

"Ich hab keine Ahnung, was es ist! Es war ganz plötzlich da!"
 

"Ein Dämon?" Vorsichtig, mit erhobenem Schwert näherte Buffy sich Dawn's Bett. Von dem kleinen Tier war nichts zu erkennen, lediglich die Mulde auf dem Kopfkissen, wo es gelegen hatte, war sichtbar. Buffy betastete die Stelle mit der Hand, sie war noch warm.
 

"Sieh mal!" Dawn deutete auf den Fußboden. Dort lag jetzt ihre Keksdose, der Inhalt über den Teppich verstreut.
 

"Chii!" fiepte es plötzlich von oben, und die Schwestern hoben erschrocken die Köpfe. Auf dem Schrank saß das Fellknäuel, und hielt nach Eichhörnchenart einen Keks zwischen den Vorderpfötchen, an dem es eifrig knabberte.
 

Es ließ den Keks fallen, und sprang mit einem Satz vom Schrank auf den Schreibtisch hinunter, wo es neugierig begann, Dawn's Stifte und Schulhefte zu untersuchen.
 

"Besonders dämonisch sieht es ja nicht aus." Buffy ließ das Schwert sinken, und streckte vorsichtig eine Hand aus. Sofort kam das Tierchen angelaufen, und begann daran zu schnüffeln.
 

"Nein, eigentlich ist es richtig niedlich." Auch Dawn kam jetzt näher, und berührte vorsichtig das Fell des Wesens. "Solange es sich nicht plötzlich in einen Gremlin verwandelt!"
 

Ein langgezogenes "Chiiiii..." kam zur Antwort, gefolgt von einem leisen Schnurren.
 

"Mal sehen, vielleicht digitiert es." Kurzerhand hob Buffy das seltsame Geschöpf hoch, um es genauer zu betrachten. Von Größe und Körperbau war es einem Kätzchen nicht unähnlich, aber der buschige Schweif erinnerte eher an einen Fuchs oder ein Eichhörnchen. Seine großen Ohren, die ständig am Umknicken waren, schienen dagegen hasenartig zu sein.
 

Und das Merkwürdigste von allem waren die riesengroßen blauen Augen, und der verträumte Ausdruck darin, mit dem es die Welt um sich herum betrachtete. Es guckte auf die Schreibtischplatte, um den Blick mit einem unschuldigen Augenaufschlag wieder zu heben.
 

“Auf alle Fälle sollten wir sofort zur Ratszentrale fahren, und allen Bescheid geben!“ Buffy’s Stimme klang ernst. “Wir müssen herausfinden, womit wir es hier zu tun haben!“
 

“Okay, mach das,“ Dawn stockte. “Aber ich müsste eigentlich zur Schule...“
 

Sie hob ihre Schultasche hoch, räumte mit Schwung die Hefte hinein, machte ein paar schnelle Schritte in Richtung der Tür und ... blieb unschlüssig im Raum stehen.
 

Buffy lächelte breit. “Machen wir doch einfach mal eine Ausnahme!“
 

+++
 

Wohnung von Andrew und Xander

selbe Zeit

"Ich hab noch nie in meinem ganzen Leben soviel Schnee gesehen!"
 

In Jacke und Stiefeln kam Andrew zur Tür hereingestapft, klatschnass und knallrot im Gesicht. "Das ist Wahnsinn, da draußen!" Er schüttelte sich, und kleine Schneebatzen fielen von seiner Kleidung und seinen Haaren, um sich strategisch in der Wohnung zu verteilen.
 

"Vorsicht," wehrte Xander lachend ab. Er stand im Flur vor dem Spiegel und begutachtete sich in einem seiner neuen Anzüge. Konnte man sich damit blicken lassen? Passte die Krawatte wirklich dazu, oder hätte er sie doch lieber auf das Jackett abstimmen sollen, und nicht auf das Hemd?
 

“Du siehst richtig gut aus!“ Bewundernd ging Andrew um Xander herum, dieser nahm rasch Reißaus vor der Nässe und den Schneebatzen. “Danke, aber bitte tu mir den Gefallen, und setz nicht die Wohnung unter Wasser, während ich weg bin!“
 

“Sind doch nur zwei Tage bis Sonntag...“
 

“Mehr als genug Zeit für dich, um die Wohnung in ein Chaos zu verwandeln! Für die Küche hat gerade mal eine halbe Stunde ausgereicht!“
 

“Ach das...“ Verlegen blickte Andrew zu Boden, um den Blick mit einem unschuldigen Augenaufschlag wieder zu heben. “Sind doch nur Cornflakes! Und die hätten wir eh nicht alle essen können!“
 

“Ist ja gut.“ Xander seufzte. “Ich verlass mich einfach darauf, dass du alles wieder saubermachst, okay? Ich weiß ja, wie wichtig dir dieser Dinosaurier ist!“
 

“Und dir ist er nicht wichtig?“ fragte Andrew enttäuscht zurück, und seine Stimme klang weinerlich. “Es ist unser Dinosaurier! Und er hat noch immer kein rechtes Hinterbein!“
 

“Natürlich ist er mir wichtig!“ Im Kopf ging Xander noch einmal den Inhalt seines Köfferchens durch, ob er auch wirklich alles Wichtige gepackt hatte. Deo, Rasierzeugs, Klamotten, frische Unterwäsche.... Auf diesem Fortbildungsseminar wollte er sich keinesfalls blamieren, am allerwenigsten vor Eve. Deshalb hatte er auch gestern Abend schon gepackt, obwohl heute noch den ganzen Tag Zeit gewesen wäre. Sein Zug ging erst abends, er würde...
 

“Du hörst mir überhaupt nicht zu,“ beschwerte sich Andrew, und seine Wimpern begannen verdächtig zu zittern.
 

“Doch, natürlich...“ Angestrengt überlegte Xander, was der Junge als letztes gesagt hatte, kam aber nicht drauf. “Hör zu, es tut mir leid...“
 

Andrew ließ ihn nicht ausreden. “Du hörst mir nicht mehr zu, wenn ich mit dir rede, du hast keine Zeit mehr, mit mir zu fernsehen, und das Wochenende, wo wir auf die B5/X-Files Con gehen wollten, lässt du mich alleine daheim rumhocken, weil du mit dieser Tussi auf irgendwelchen Seminaren rumrennen musst! Na toll!“
 

“Eve ist keine Tussi,“ unterbrach Xander ärgerlich. “Sie ist eine sehr intelligente und gebildete Frau! Urteile nicht über Menschen, die du nicht kennst!“
 

“Tut mir leid!“ entschuldigte sich Andrew sofort, begleitet von einem weiteren Unschuldsblick aus seinen großen blauen Augen. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. “Wetten, ich kenn sie doch? Lass mich raten...vorige Woche bist du mit ihr im Blue Rider gewesen...“
 

“Woher..?“ Xander stieß überrascht die Luft aus. “Hast du mir nachspioniert?“ fragte er entrüstet.
 

“Niemals!“ Empört schüttelte Andrew den Kopf. “Dawn und ich haben euch zufällig gesehen, das war alles! Und wir wussten auch gar nicht, dass es Eve aus deiner Firma ist. Wir haben nur überlegt, was zwischen dir und ihr...na, du weißt schon!“ Er kicherte hinter vorgehaltener Hand.
 

“Andrew, was immer ihr euch da zusammenspinnt, vergesst es am besten schnell wieder,“ wehrte Xander ab. “Eve ist meine Vorgesetzte, jetzt wo ich bei der BC arbeite. Das ist alles. Und es ist ein verantwortungsvoller Job, deswegen muss ich dieses Wochenende am Seminar teilnehmen. Du kriegst deine Convention ein anderes Mal, das ist fest versprochen. Es gibt noch so viele dieses Jahr...nächstes Jahr,“ verbesserte er sich, schließlich hatten sie schon fast Dezember.
 

“Was ist, wenn ich wieder meine Depressionen kriege, und diesmal wirklich vom Balkon falle?“ fragte Andrew trotzig. Anklagend sah er Xander an. Er spielte sogar mit dem Gedanken ein paar Kullertränen zu vergießen, entschied aber dann, dass es zu dick aufgetragen sei. Trotzdem - ein schlechtes Gewissen würde er seinem Wohngemeinschaftspartner mit Sicherheit noch einreden können, bevor sich dieser auf und davon machte.
 

“Dann wäre es schade um die ganzen schönen Schneeburgen, die du unten auf dem Rasen gebaut hast,“ versuchte Xander zu scherzen, aber es klang sehr dünn. “Die würdest du doch nicht kaputtmachen wollen, oder?“
 

Natürlich war die Sache mit der Convention seine Schuld, das sah er ja auch ein. Sie hatten die Karten bereits übers Internet reserviert gehabt, als die Sache mit dem neuen Job, und dem Seminar dazwischen gekommen war. Und Andrew hatte sich das Wochenende extra dafür frei genommen. Kein Wunder, dass er schmollte, es würde auch sicher noch eine Weile andauern. Aber im Moment konnte er ihm nicht helfen...
 

“Kannst du nicht etwas mit Dawn ausmachen?“ schlug Xander vor. “Oder vielleicht kannst du Giles und Lily helfen, sie arbeiten doch an diesen Übersetzungsprogrammen für Dämonensprachen?“
 

Strike! Xander hatte definitiv ein schlechtes Gewissen. Andrew schlug rasch die Augen nieder, um seinen triumphierenden Blick zu verbergen, und setzte wieder seine weinerlichste Miene auf. “Dawn hat schon was vor,“ murmelte er mit trauriger Stimme, und hielt sich gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund, bevor er herausplappern konnte, dass Dawn morgen mit Shin verabredet war. Das sollte er schließlich für sich behalten. „Und Giles und Lily... da wär’ ich irgendwie im Weg! Das kommt mir im Moment so vor....ich weiß auch nicht, warum.“ Er zuckte mit den Schultern.
 

“Blödsinn,“ versuchte Xander ihn zu beruhigen. “Jetzt sieh‘ nicht immer alles so negativ!“
 

“Tue ich doch gar nicht!“ protestierte Andrew. “Sonntag wird cool, da geh ich mit Dawn ins Einkaufszentrum! Wir wollten schon mal wegen Weihnachtsgeschenken schauen...“
 

“Na also!“ Xander’s Stimme klang betont fröhlich. “Das wird bestimmt witzig,“ setzte er nach, brach aber dann ab, damit Andrew ihn nicht schon wieder irgendwelcher Verkuppelungsversuche beschuldigte. Es war in Ordnung so. Es war alles gut. Andrew sollte sein Leben gestalten, wie er wollte, er, Xander würde ihm ganz bestimmt nicht mehr dreinreden.
 

Es war nicht Andrew’s Schuld. Er konnte nichts dafür....
 

Schrill und unangenehm durchdrang das Klingeln des Telephons seine Gedanken.
 

+++
 

Willow’s College Zimmer,

selbe Zeit

Das Zwitschern der Vögel und Sonnenstrahlen, die sich den Weg durch die leicht zugezogenen Vorhänge bahnten, ließen Willow aus der Traumwelt wieder in die Realität erwachen.
 

Sie konnte den regelmäßigen und friedlichen Atem ihrer Freundin hören, die einen Arm um Willow’s Taille gelegt hatte, und wie ein wunderschöner Engel neben ihr lag.
 

Der Engel ihrer Träume, auch wenn es vor kurzem noch zwischen den beiden gekriselt hatte.

Willow richtete sich auf, versuchte Kennedy nicht zu wecken, doch diese öffnete im nächsten Moment die Augen.
 

”Morgen Süße“, murmelte sie, Willow beugte sich zu der Braunhaarigen, und küsste sie zärtlich. Kennedy drehte sich auf den Rücken, und sah verträumt in Willow’s Augen. ”Wir könnten jeden Tag so aufwachen...“
 

”Ich weiß.. wir könnten.“, entgegnete Willow mit einem gezwungenem Lächeln. ”Aber es geht leider nicht. Hab’ ich’s dir nicht schon oft genug erklärt?“
 

”Nicht oft genug,“ grinste Kennedy, zog ihre Lieblingshüterin zu sich herunter, und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.
 

”E-Es geht einfach nicht. Außerdem hab’ ich schon so viel um die Ohren, und wenn ich zu dir ziehen würde, wäre mein Wohnsitz noch weiter vom Campus entfernt, und dann wären wir auch nicht öfter zusammen. Akzeptier es doch endlich, Ken.“ antwortete Willow bestimmt, entzog sich der Umarmung der Jägerin, und erntete einen etwas enttäuschten Blick, den sie schon so oft in letzter Zeit gesehen hatte. Zu oft.
 

”Als wüsste ich nicht, dass du wohl so schnell nicht nachgeben willst... ich finde es nur schade das du nicht auch so mit mir zusammen sein willst, es ist ja nicht so, dass wir jede freie Minute miteinander verbringen würden.“
 

”Habe ich freie Minuten? Du vielleicht schon, aber du hast auch nichts mit dem College zu tun, nichts mit dem Grundaufbau des Rates, und nichts als Hüterin.“
 

”Ich weiß doch.. aber...aber.. mit Tara konntest du zusammen wohnen, ja?“
 

”Das ist irgendwie etwas total anderes.“, entgegnete Willow aufgebracht. Was hatte der Vergleich mit Tara hier zu suchen? Ja, Tara war ihre alte Freundin, sie waren seelenverwandt, doch Kennedy war nun ihr Beziehungspartner, und, und... und was?
 

”Was ist bitte genau anders? Vielleicht waren damals andere Umstände, andere Dinge mit denen du beschäftigt warst, mit denen ihr beschäftigt wart. Doch anscheinend haben wir zwei nicht wirklich etwas.“
 

”W-Wie meinst du dass? Wir haben viel.. wir haben uns.. reicht das nicht um zusammen zu sein?“
 

”Uns... es ist einfach so, dass ‚uns’ etwas fehlt. Merkst du das nicht auch? Wenn ich nur wüsste was... würdest du nie gern die Zeit zurückdrehen, und einfach diese Momente genießen, die wir zusammen erlebt haben? Es kommt mir so vor, als wäre einfach alles nur noch Zwang... Reine Formsache...verstehst du was ich meine?“
 

”Ich würde es gerne verstehen...“, flüsterte die Rothaarige, und sah auf den Boden, als würde sie nach einer Antwort suchen, die alles erklären konnte, all das was sie fühlte, und alles was die Zeit zurückdrehen könnte. Dahin, wo alles noch so war wie am Anfang... aufbauende Gefühle, neue Erfahrungen. Sie vermisste es einfach. Sie vermisste Abende, wie die, als sie sich endlich fallen lassen konnte, Kennedy vertraute.
 

Doch sie vertraute Kennedy ... mehr denn je. Doch ob es umgekehrt auch so war?
 

”Ich...frage mich nur, wie es mit uns weitergehen soll, Will’. Wie ich es aushalten soll, dass anderes wichtiger ist, als ich. Es kommt mir so vor, als würdest du alles andere lieber tun als mit mir zusammen zu sein. Ich sehe es manchmal fast so, als würdest du es absichtlich machen. Ich weiß das ist absurd...aber...aber..“...die Jägerin versuchte alles in Worte zu fassen, was ihr manchmal schwer gelang, obwohl sie schon immer selbstsicher war.. so lange und weit sie denken konnte...oder denken wollte.
 

Vielleicht war es ein Fehler.. ein Fehler wie vor kurzer Zeit, als sie alles rausgelassen hatte. Doch es kam ihr vor, als würde sie Willow etwas vorlügen, und als würde sie ihre Freundin gleichzeitig, jeden Tag, jede Stunde, vielleicht einfach auch jede Sekunde ein kleines bisschen mehr verlieren... Immer weiter von ihr entfernt sein.
 

Sie hatte Angst. Angst, Willow nicht mehr halten zu können wenn sie sich noch weiter von ihr absondern würde.
 

Sie zu verlieren...oder dass einfach einmal die Drachenschnur reißen könnte.
 

”Aber...?“, fragte Willow leise. Sie war schon immer auf alles vorbereitet. Auf den Weltuntergang, auf den Tod, oder einfach jeden zu verlieren der ihr wichtig war...
 

Doch sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie sich auf Kennedys Worte vorbereiten könnte. Worte, die sich in Willow’s Inneres bissen, sie so beeinflussten, dass ihre Gefühlswelt einfach immer umschwenken könnte.
 

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, oder einfach mittendrin. Mittendrin im Chaos ihrer Empfindungen, und leider immer Angst. Angst dass es vorbei sein könnte, dass es vielleicht schon lange vorbei war, oder dass es nur noch seine Zeit dauerte, bis es wieder vorbei sein könnte.
 

”Ich halte es nicht mehr aus...“, antwortete Kennedy mit Tränen in den Augen. Mittlerweile saß sie Willow gegenüber, hatte sich einige Zentimeter von ihr entfernt. Saß genauso da, wie Tage zuvor auf dem feuchten Boden, erinnerte sich an die grauen Wolken die vorbeizogen und sie aus irgendeinem Grund so sicher daran erinnerten, wie es in ihr aussah.
 

“Meinst du, dass es vorbei ist, dass… du willst dass wir nicht mehr zusammen sind? Dass du nichts mehr für mich empfindest?“, entgegnete Willow, sie versuchte, mit ihrer normalen Stimme zu antworten, ohne dass Kennedy auffiel, wie verletzend sich diese Worte doch anhörten, eine Gänsehaut hinterließen, und ganz langsam und grausam in ihrem Kopf hallten, doch sie schaffte es nicht.
 

“Ich...weiß es nicht...”, antwortete die Jägerin, sah Willow in die Augen, die sie durchdringend anfunkelten.
 

Willow wollte in diesem Moment einfach nur eines... sich festhalten, in den Arm genommen werden, und eine Stimme in ihrem Hinterkopf hören, dass alles wieder gut werden würde.
 

Doch diese Stimme wäre die von Tara gewesen. Tara... nicht Kennedy. Sie wusste nicht wieso ihre Gedanken sich in letzter Zeit immer wieder an ihrer alten Freundin festkrallten, Halt suchten, und danach verlangten nie wieder von Kennedy bemerkt zu werden. Etwas fehlte.. etwas sehr Wichtiges..
 

”Ich weiß nicht, ob es besser wäre, wenn...“, murmelte die Jägerin.
 

“Wenn was? Wenn wir uns nicht mehr sehen würden?“
 

”Das.. habe ich nicht gesagt.“, antwortete Kennedy mit einem misstrauischen Blick.
 

”Vielleicht denkst du es aber?“
 

”Nein dass tue ich nicht. Ich frage mich nur, ob du nicht schon längst jegliches Interesse an mir verloren hast...obwohl... vielleicht hattest du nie eines.“
 

”Möglicherweise hatte ich das wirklich nicht.“ entgegnete Willow bissig, ohne dass sie nachdachte. Es war nicht nur Angst die sie führte. Sie war gleichzeitig so voller Zorn. Zorn auf Kennedy, oder einfach nur auf sich selbst. Sie war so dumm... wieso konnte sie nicht einfach nur still sein, und Kennedy diesmal Wärme zeigen, wie sie es umgekehrt schon so oft getan hatte? Ihr zeigen, dass sie sie doch eigentlich abgrundtief liebte...liebte..?...
 

Kennedy schluckte. War alles nur ein lustiges Spiel gewesen? Ein Spiel, in dem sie die falsche Karte zog, den schwarzen Peter bekam, und es nun verloren hatte?
 

”Wenn dass so ist, dann...“, die Jägerin kämpfte mit den Tränen, sie war so voller Wut, warum war sie nur so dumm gewesen? Es war für Willow doch bestimmt nur ein Zeitvertreib gewesen... sie konnte doch jeden oder jede haben, die sie wollte. Warum hatte sie nicht vorher schon bemerkt, dass es eigentlich nicht wirklich Gefühle waren. Sie hätte sich gerne eingeredet, dass es doch von ihrer Seite aus auch nur Spaß war.. Spaß, den sie noch nie kannte. Spaß mit ihrer Freundin, mit ihrer großen Liebe...
 

”Geh’ ich vielleicht besser Willow.“, antwortete Kennedy kurz und knapp, emotionslos. Sie hatte nur Furcht davor, dass Willow in ihre Seele blicken könnte, spüren, wie es gerade in ihr aussah.
 

”V-Vielleicht tust du das..“, sagte Willow, ’und ich laufe dir hinterher, versuche dich festzuhalten, dich nicht weglaufen zu lassen, und dich nie wieder loszulassen...’, dachte Willow den Satz zuende, doch im ersten Augenblick konnte sie sich keinen Millimeter bewegen.
 

Es kam Kennedy so vor, als wäre ein bestimmter Teil ihres Herzens gerade in seine Einzelteile gebrochen, in den Mülleimer geworfen worden, und würde nie wieder ans Tageslicht gelangen.
 

Als die Tür ins Schloss fiel, und die Sonnenstrahlen des zu Tode betrübten, und grauen Vormittags aufhörten zu strahlen, fühlte sich Willow wie eine Hülle. Nicht fähig auch nur eine Träne zu vergießen.
 

Vielleicht wäre es besser, wenn sie Kennedy nachlaufen würde, sich endlich bewegte, und versuchte, alles wieder ins Reine zu bringen.
 

Ihre Schritte führten sie zur Türklinge, drückten sie langsam herunter. Nicht sicher ob es im Moment das Richtige war, oder ob sie ihre Freundin diesmal so leicht finden würde.
 

Das Klingeln des Telephons erfüllte den Raum, unterbrach Willow’s Gedanken, und verjagte das Gezwitscher der Vögel.
 

Ob das Schicksal ist, fragte sich die Hüterin, verharrte für einen Moment vor der Tür. Wenn es nicht wichtig gewesen wäre, würde das Läuten sicher bereits nach dem fünften Mal verstummen...
 

Es war Buffy...Die Jägerin Nummer 1 bevor Kennedy kam, trotzdem konnte sie ihre Freundin nie von diesem Platz verdrängen, dass wusste sie.
 

Ob Kennedy auch deswegen eifersüchtig war? Aber dass war im Moment egal.
 

Ein Scooby Meeting war angesagt, und vielleicht würde es gut tun an etwas anderes zu denken, als die neue Auseinandersetzung mit ihrer Freundin...sie fragte sich, ob sie Kennedy noch so nennen konnte, es überhaupt durfte?
 

Willow hoffte dass sich ihre Gedanken wie von selbst ordnen würden, selbstständig eine Lösung parat hätten, und das strahlende Blau des Himmels zurückbringen würden, das an diesem Morgen von einem hässlichen Grauton verdrängt wurde...
 


 

+++
 

Ratszentrale

selbe Zeit

Im dämmrigen Licht des Konferenzraumes standen Giles und Lily gebeugt über eine geöffnete Seekiste und starrten schweigend den Gegenstand darin an. Rot und silbern funkelte die Waffe in den wenigen Lichtstrahlen, die sich durch die rasch vorgezogenen Vorhänge ihren Weg in das Innere des Raumes bahnten. Giles hatte sie vor ein paar Minuten geschlossen, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen.
 

Die einzige Bewegung im Raum war für einen Moment die Staubflocken, die in den Lichtstrahlen tanzten.
 

Schließlich war es Lily, die das andächtige Schweigen brach: “Du kannst mir sagen was du willst... sie sieht für mich immer noch wie eine Axt aus.“
 

Giles lächelte nachsichtig, fast amüsiert und griff mit der Linken nach dem Stiel. “Das ändert nichts daran, dass es als Sense bezeichnet wird,“ murmelte er andächtig, während sein Blick über die Waffe glitt. “Wieso musste mich eigentlich erst Willow daran erinnern, dass wir sie hier bei uns haben sollten,“ er hob sie aus der Kiste und wischte mit der freien Hand Holzwolle zur Seite.
 

“Weil du nicht immer an alles denken kannst?“, scherzte Lily und erntete einen vernichtenden Blick. Sie musste grinsen, ehe sie zur Seite blickte. =84Und vergiss nicht, der Rat musste sie erst untersuchen.“
 

“Ja, aber was hat es uns gebracht? Die Waffe war zu lange von uns fort und ihr Geheimnis ist uns noch immer ein Rätsel.“ Er hob sie etwas hoch, um ihr Gewicht zu testen. „Alles was wir wissen, ist, dass sie von den Hüterinnen für den Kampf gegen das Urböse vorgesehen war und von ihnen versteckt wurde, bis die Jägerin kam, der dieser Kampf vorherbestimmt war. Wie die Sense heißt, welche Macht noch in ihr schlummert ist uns vollkommen unbekannt.“
 

Lily nickte zu Giles Worten und streckte ihre Hand aus, um die Sense behutsam zu berühren. “Du hast vergessen, dass euch damit gelungen ist, das Urböse zu besiegen.“
 

“Auszutricksen,“ verbesserte Giles und konzentrierte sich auf das Gefühl der Schwere in seinen Händen und hoffte ein wenig die Macht zu spüren, die diese Waffe in Buffy’s Händen ausgestrahlt hatte. Aber da war nichts. Nur kaltes Metal. „Wir haben es nicht besiegt, nur zurückgedrängt und seine Helfershelfer vernichtet.“ Und eine ganze Stadt, fuhr es ihm bedrückt durch den Kopf.
 

Lily lächelte etwas angespannt, als Giles die Sense zurück in die Kiste legte. Etwas zögernd sprach sie ihren Gedanken laut aus: “Mit ihr könnte man ... nun uh... man könnte mit ihr ganz leicht alles rückgängig machen und alles wäre wieder beim Alten. Kein unnötiger Stress, keine unausgebildete, junge Wächter....“
 

Nachdenklich sah Giles von der Sense zu Lily auf. “Verlockend...in der Tat,“ sagte er nachdenklich und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann fuhr er ernster und überzeugend fort: “Aber ich glaube so wie es im Moment ist, ist es am besten. Wir sind viele, wir haben eine Chance gegen jede Art des Bösen. Und zudem - so lange wir nicht wissen, welche Macht in der Sense schlummert - setzte ich Willow nicht noch einmal dieser Magie aus.“
 

“Es war ja nur eine unschuldige Idee,“ lächelte Lily unsicher und warf der Axt einen schwer deutbaren Blick zu. „Eine Idee, die uns vielleicht ein paar graue Haare erspart hätte.“
 

“Wenn es nur das alleine wäre,“ seufzte Giles und schloss den Deckel der Kiste.
 

Ein Klopfen unterbrach seinen Gedankengang. Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet, und gab den Blick auf zwei grinsende Mädchengesichter frei.
 

“Raten Sie mal, was wir Ihnen mitgebracht haben.“
 


 

+++
 

Ratszentrale

einige Zeit später

"Vielleicht ist es mit einer Affenart aus der Mûd-dazahK Dimension verwandt, ich habe einmal eine Abbildung davon gesehen.."
 

"Chii! Chii! Chii!"
 

"Ich bitte dich, Rupert, das ist niemals ein Mûd-dazahK Äffchen. Es stammt mit Sicherheit von den Dragnesi-Hörnchen ab."
 

"Chiiiii? ChiChiiiiiiiiii?"
 

"Es hat Hunger!" Buffy nahm das Tierchen hoch, welches sofort heftig mit den Beinen zu strampeln begann, und sich zu befreien versuchte. Dabei fiepte es kläglich, und guckte die Jägerin aus riesengroßen traurigen Augen an.
 

"Es will nicht fressen, es will spielen, merkst du das denn gar nicht?" Vorwurfsvoll nahm Dawn ihrer Schwester das kleine Wesen ab, und setzte es auf den Boden, wo es sofort fröhlich herumzuhoppeln begann. Dawn warf mit Keksstückchen, und das Tier hopste in die Luft, um sie mit den Pfötchen zu erhaschen. Dann rannte es wie der Blitz am Tischbein hoch, und stieß Giles‘ Teetasse um. Verwirrt schüttelte es sein nasses Fell, und warf dem Wächter einen schuldbewussten Blick zu.
 

“Ich geh‘ rüber in die Küche, und hole einen Lumpen,“ schlug Dawn verlegen vor. Sie wollte das Tierchen hochheben, aber Buffy hielt ihre Hände fest. “Nein! Es bleibt hier! Du kannst dich doch überhaupt nicht richtig darum kümmern!“
 

“Ich?“ schrie Dawn beinahe zurück. “Du bist doch diejenige, die nicht mal gewusst hat, dass es spielen will, und nicht fressen! Außerdem war es in meinem Zimmer. Es ist meins!“
 

“Dawn,“ unterbrach Buffy, “du bist nicht alt genug, um...“
 

“Ich will mich ja nicht einmischen,“ unterbrach Giles den beginnenden Streit der beiden Schwestern, “aber sollten wir nicht zunächst klären, um was für ein Tier es sich handelt, und woher es überhaupt kommt, bevor wir hier über Besitz reden?“
 

Er verstand absolut nicht, warum die Mädchen sich wegen dieses Geschöpfes so kindisch benahmen. Gut, auch er musste zugeben, dass es äußerst putzig war, aber das war noch lange kein Grund, um zu...
 

“Es geht ihm nicht gut,“ schrie Dawn plötzlich. “Es braucht Medizin!“
 

Und wirklich, das Tierchen lag auf der Seite, und wimmerte leise. Buffy stürzte wie wild zu der Kiste, die weiter hinten auf dem Konferenztisch stand, und riss sie auf, als hoffe sie dort eine geeignete Medizin zu finden.
 

Doch stattdessen leuchtete ihr eine rotsilberne Waffe entgegen. Die Waffe der Jägerin...
 

Etwas Haariges flog an ihr vorbei, und landete neben der Kiste. Buffy fuhr herum, und sah, dass sich am Bauchfell des Tieres winzige Fellkügelchen gebildet hatten, die - eines nach dem anderen - abgeworfen wurden, und wie kleine Flauschebällchen durch die Luft segelten. Lily fing eines davon auf, mehr aus Reflex, als aus irgendeinem anderen Grund, und es lag bebend in ihren Händen. Ein Pfötchen wurde ausgestreckt, ein rosa Näschen erschien unter all dem Fell, und begann neugierig an Lily’s Fingern zu schnüffeln.
 

Fassungslos blickte Giles sich um. Es mochten jetzt sieben oder acht Tierchen sein, klein, wuschelig, in den verschiedensten Farben von hell, über rotbraun bis schwarz. Ein weißes, und ein geschecktes, die aneinandergekuschelt auf dem Tisch lagen, putzten sich gegenseitig das Fell, während ein drittes, fuchsfarbenes in die Kiste mit der Sense kletterte. Das dunkle auf Lily‘s Armen hatte währenddessen unter ihren langen Haaren Zuflucht gefunden, und rieb selig schnurrend das Köpfchen an ihrem Hals. Das schneeweiße Muttertier, welches sich nur in der Fellfarbe von seinen Sprösslingen unterschied, hatte sich wieder aufgerappelt, und schleckte mit zwei anderen an der Teepfütze.
 

“Wir sollten....wir müssten..“ versuchte der Wächter seine Fassung wieder zu gewinnen, und sich durch das laute Fiepen der Tierchen Gehör zu verschaffen. Aber niemand hörte ihm zu. Die drei Frauen waren viel zu sehr beschäftigt, mit winzigen Pfötchen zu spielen, wuschelige Köpfchen zu kraulen und kleine hungrige Münder mit Keksstückchen voll zu stopfen. “Chii.... chii...chiiiii!“ quietschte und gluckste es aus allen Ecken und Enden des Konferenzraumes.
 

Er zuckte zusammen, als ihn etwas Weiches am Bein berührte. Eins der Tierchen kletterte an seiner Hose hinauf, gefolgt von einem zweiten, welches versuchte, dem ersten ein Stück Keks streitig zu machen.
 

Es hatte Hunger! Das arme kleine Ding hatte Hunger! Er würde sofort etwas zu essen besorgen müssen...
 

+++
 

Vor der Ratszentrale

einige Zeit später

“Dawn klang ja richtig dringend am Telephon!“ Xander schob sein Tagesköfferchen unter den Rücksitz, bevor er ausstieg, und den Wagen absperrte. Da sie nicht wussten, was eigentlich los war, und wie viel Zeit das Treffen in Anspruch nehmen würde, hatte er den Koffer vorsichtshalber gleich mitgenommen. So konnten sie notfalls ohne einen Zwischenstop zu Hause gleich zum Bahnhof weiterfahren.
 

Er reichte Andrew die Autoschlüssel. "Willst du mich nachher zum Bahnhof bringen? Dann kannst du den Wagen anschließend wieder nach Hause fahren!"
 

"Klar!" Andrew's Miene hellte sich auf, er fuhr doch so gern Auto. "Sag mal, Dawn klang doch nicht so, als ob was Schlimmes passiert wäre, oder?"
 

“Nein, eher fröhlich und aufgekratzt, als ob was Besonderes los sei, aber sie wollte nichts sagen,“ überlegte Xander. “Ich hab mich schon gefragt, ob vielleicht jemand von uns Geburtstag hat, oder so, aber mir fällt keiner ein, und außerdem, bei Überraschungsparties darf ja nur das Geburtstagskind nichts erfahren...“
 

“Was schaust du mich so an?“ fragte Andrew zurück. “Ich hab‘ erst im März, und da ich jetzt keiner von den Bösen mehr bin, und die Welt auch nicht untergeht, werdet ihr das dieses Jahr hoffentlich nicht vergessen!“
 

“Bestimmt nicht,“ versicherte Xander. “Wir feiern eine richtig coole Party, und vielleicht findet in dem Zeitraum sogar eine Con statt. Wir werden gleich mal nachsehen, wenn ich wieder da bin....hey, Will!“
 

Willow stand am Fuß des schmalen Weges, der zum Hintereingang von Giles und Lily hinaufführte, und schüttelte sich den Schnee von den Schuhen. Sie musste soeben angekommen sein. Xander blickte sich nach Kennedy um, aber von der dunkelhaarigen Jägerin war nichts zu sehen. Und Willow’s Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte.
 

“Ich...ich geh schon mal vor,“ schlug Andrew zaghaft vor, “ich kann ja Bescheid geben, falls...“ er brach ab, und huschte Richtung Tür davon.
 

Xander trat auf seine Freundin zu, ihr Gesicht wirkte müde und traurig. Abgekämpft. Eine Verzweiflung jenseits von Tränen. Und dennoch glaubte er darin so etwas, wie einen Hoffnungsschimmer zu erkennen, als ihr Blick auf ihn fiel, und ihr niedergedrückter Geist realisierte, wer da vor ihr stand.
 

Willow holte tief Luft. Es würde schwer sein, sehr schwer, über die Dinge zu reden, die zwischen ihr und Kennedy vorgefallen waren, die Erinnerung allein war ein scharfes Schwert in ihrer Brust, wie viel mehr würde es sie schmerzen, es herauszuziehen? Und doch, bei Xander würde es nicht viele Worte brauchen. Er verstand sie besser, als jeder andere Mensch auf dieser Welt.
 

“Kennedy hat..“ brachte sie mühsam heraus, “nein, ich meine, ich hab...“
 

Ein erschrockener Quietschlaut unterbrach Willow’s verzweifelten Versuch, das Geschehene in Worte zu fassen, und da kam Andrew auch schon angerannt, Panik in seinem Gesicht. “Tribbles!“ schrie er. “Tribbles überfallen unseren Planeten!“
 


 

AKT 2
 


 

Ratszentrale

einige Minuten später

“Ich weiß ja nicht, aber sehen die nicht eher... wie Pokémon aus?” fragte Xander und betrachtete hoffnungslos verwirrt das Schauspiel, dass sich ihnen bot. Mindestens vierzig wuschelige Fellknäuel mit Büschelschweifen und Schlappohren wuselten im Konferenzraum umher, spielten, fiepten, aßen, kuschelten, oder tranken aus diversen Untertassen, die Giles soeben mit Milch füllte, und auf dem Tisch abstellte. Er hatte einen verzückten Ausdruck auf dem Gesicht, und summte geistesabwesend vor sich hin.
 

Lily, Buffy und Dawn erging es nicht besser. Alle drei waren so mit den Tierchen beschäftigt, dass sie die Neuankömmlinge gar nicht bemerkten.
 

“Sie überfallen unseren Planeten,” wiederholte Andrew verzweifelt, und wich ängstlich zurück, als eins der Tierchen nahe an seinem Fuß vorbeirannte.
 

“Sie sehen nicht gefährlich aus, aber irgendwas stimmt nicht mit ihnen...” Xander wollte eines der Tierchen aufheben, doch Willow hielt ihn zurück. “Berühr’ sie besser nicht,” warnte sie, doch es war schon zu spät. Das kleine haselnussbraune Wesen war bereits hochgesprungen und kletterte fröhlich an Xander’s Ärmel hinauf.
 

“Kinjiru!” rief Willow und machte eine abwehrende Handbewegung, doch der Zauber zeigte nicht die geringste Wirkung. Das Tierchen lief durch den Energieblitz hindurch, und schmiegte sich glücklich schnurrend an Xander’s Gesicht. Als der junge Mann sich wieder seinen Freunden zuwandte, hatte er denselben verzückten, geistesabwesenden Gesichtsausdruck, wie Buffy und die anderen. “Es will gestreichelt werden,” säuselte er. “Es will, dass ich es streichle!”
 

“Chii!” bestätigte das Tierchen. Willow und Andrew wichen erschrocken zurück.
 

“Der Zauber überträgt sich durch Berührung,” stellte die Hexe fest, und zog die Stirn in Falten. “Was immer wir tun, wir dürfen sie auf keinen Fall anfassen!”
 

“Leichter gesagt, als getan!” Misstrauisch blickte Andrew sich um. “Und was sollen wir deiner Meinung nach tun? Wir müssen die anderen irgendwie da raus holen.”
 

Willow antwortete nicht sofort. Sie nahm ihre Konzentration zusammen, und formte etwas in der Luft, es sah wie eine leuchtende Seifenblase aus. Erschrocken, und fasziniert zugleich beobachtete Andrew, wie die Blase durch die Luft auf eines der Tierchen zuschwebte. “Du willst ihnen doch nicht etwa...weh tun,” fragte er ängstlich. “Ich meine, auch wenn sie böse Pokémon sind, oder Ryookis, sie sind doch so klein, und süß...”
 

“Ich versuche nur, sie einzufangen,” beruhigte ihn Willow, aber das Tierchen lief durch die Leuchtblase hindurch, als sei sie überhaupt nicht vorhanden. “Vermutlich sind diese Wesen aus einer der vielen Dämonendimensionen gekommen, und wir müssen einfach nur einen Weg finden, sie dorthin zurückzubringen.
 

Sie wandte sich Andrew zu. “Aber es ist wirklich merkwürdig, dass sie solche Macht besitzen. Es ist, als würde meine Magie für sie überhaupt nicht existieren. Kaum ein Dämon könnte so mächtig sein, ich verstehe es absolut nicht. Selbst eine Höllengöttin wie Glory...”
 

Wieder zog sie nachdenklich die Stirn in Falten, und schloss kurzerhand die Tür zum Konferenzraum. “Es bringt nichts, hier herumzustehen, und Sprüche auszuprobieren. Wir müssen zuerst herausfinden, was für Kreaturen das sind, und welche Kräfte sie haben.”
 

Draußen auf dem Flur begann das Telephon zu klingeln.
 

“Und wie sollen wir das ohne Bücher machen?” fragte Andrew. “Die ganze Bibliothek kannst du ja wohl kaum wegschweben lassen, und wenn wir auch nur einen Schritt da reinmachen, können wir für den Rest unseres Lebens Tamagotchiwärter spielen!”
 

“Schon mal was von einem Computer gehört?” fragte Willow.
 

+++
 

Im Bus

selbe Zeit

Sie hatten eine lange Fahrt hinter sich, die nicht nur Faith selbst die Kräfte geraubt hatte. Auch Ronah und Vi schienen geschlaucht, und hatten sich auf ihre Betten gelegt, um Kräfte zu sammeln. Faith drehte sich kurz im Sitzen um, und ließ ihren prüfenden Blick durch den mehr oder weniger aufgeräumten Bus schweifen. Alles war in Ordnung. Sie musste kurz lächeln, und richtete den Blick dann wieder auf die Straße.
 

Die ersten Häuschen tauchten am Straßenrand auf, und einige Schilder kündigten die Nähe ihres Zielorts an. Robin saß neben ihr, und konzentrierte sich auf das Fahren. Auch er wirkte müde und schlapp, wie sie alle.
 

Bisher hatte sie das noch nicht wirklich bedacht, aber während der letzten Monate waren sie im Dauereinsatz gewesen. Sie hatten für den Rat rund um die Uhr Aufträge erledigt, und das sah man allen von ihnen an.
 

Ronah sprach noch immer ab und zu von Silent Hill, und auch Faith musste sich wohl oder übel eingestehen, dass ihr die Geschehnisse in der Stadt absolut nicht aus dem Kopf gehen wollten. Tiefe Ringe machten sich unter ihren Augen bemerkbar, da sie seit einigen Wochen von Träumen verfolgt wurde. Natürlich hatte sie auch früher Träume, wie jeder andere Mensch auch, und sehr oft kamen auch Vampire in diesen Träumen vor, vor einigen Jahren hatte sie sogar davon geträumt, nach dem großen Kampf gegen Buffy in ihrem Zimmer zu stehen, und mit ihr das Bett zu machen. Faith musste sich plötzlich ein Grinsen verkneifen, als sie an die Absurdität dieses Traumes dachte. Doch die Träume in letzter Zeit waren anders, sie waren intensiver.
 

Robin räusperte sich kurz neben ihr, sah sie kurz an, schien es sich dann wieder anders zu überlegen und starrte wieder auf die Straße.
 

“Was ist los?“ fragte sie leise, sah ihn dabei aber nicht an.
 

”Hmm.. mir ist nur gerade eine Frage durch den Kopf geschossen. Bist du dir eigentlich bewusst, was wir gerade tun? Wo wir hin fahren?“
 

Faith verstand zu erst den Sinn seiner Frage nicht. Natürlich wusste sie, wohin sie fuhren. Sie waren auf dem Weg nach Cleveland, und waren kurz davor, auf Buffy und ihre Mannschaft zu treffen. Plötzlich schoss es Faith ganz kalt durch den Körper. Buffy. Sie trafen auf Buffy und die restlichen Scoobies. Wussten sie eigentlich schon, was sie danach machen würden, wenn sie die Bücher abgegeben hatten? Machen sie sich gleich danach wieder auf die Fahrt? Blieben sie in Cleveland? Was hatte sich dort in letzter Zeit eigentlich abgespielt? Hatte Buffy den Tod von Spike schon verarbeitet? Buffy.. war Faith in der Lage, wieder der blonden Jägerin des Kommando zu übergeben?
 

Unbehagen machte sich in ihr breit. War sie wirklich bereit dazu? Musste sie dazu überhaupt bereit sein? Faith erhob sich von dem Stuhl, der leicht versetzt hinter dem Fahrerstuhl saß, und trat neben Robin.
 

”Was denkst du?“ fragte sie nur, und legte ihm dabei eine Hand auf die rechte Schulter.
 

“Ich denke nur daran, endlich mal einen Tag lang auszuschlafen, und einem anderen Wächter das Training unserer zwei Jungjägerinnen zu übergeben.. zumindest für eine kurze Zeit.“
 

”Du meinst.. Urlaub?“ fragte Faith und musste dabei lächeln. Urlaub? Was für ein abstrakter Begriff für eine Jägerin. Urlaub ist ein Luxus, den sich eine Jägerin bisher nicht leisten konnte.. aber das war auch der Knast, und den hatte sie sich auch geleistet. Die Regeln hatten sich geändert, auch Buffy hatte in Europa Urlaub gemacht.
 

”Nein.. ein verlängertes Wochenende.. zu zweit.. am Erie See. Vielleicht könnten wir uns ein kleines Boot mieten und eine Runde drehen, und mittags machen wir dann ein Picknick.. oder so..“ Robins Augen begannen zu strahlen, und er lächelte Faith kurz an.
 

”Na ja.. vielleicht!“ antwortete sie nur kurz, drehte sich wieder um und ging zu dem kleinen Kühlschrank, der irgendwie immer halbleer zu sein schien. Sie nahm sich eine Flasche Mineral heraus, und trank kurz, bevor sie sich gegen die Wand sinken ließ, und langsam zu Boden rutschte.
 

Vi und Ronah dösten in ihren Betten, während Faith von Zweifel gepackt wurde. Würde Giles ihr Ronah und Vi wegnehmen? Würde der Rat die beiden vielleicht als ausgebildet ansehen, und in eines der Krisengebiete schicken, in denen ausgebildete Jägerinnen so dringend gebraucht wurden? Das würde sie keinesfalls zulassen. Um keinen Preis würde sie ihre kleine Familie wieder hergeben, dessen war sie sich sicher.
 

“Faith, könntest du mal bei Giles anrufen! Ich würde gerne einen Treffpunkt ausmachen, nicht dass wir uns irgendwie verpassen!“
 

Faith reagierte erst einige Sekunden später, schüttelte kurz den Kopf, strich sich ihre Haare aus dem Gesicht und griff nach dem Handy.
 

”Es läutet!“ schrie sie zu Robin hinüber, während sie die Flasche Wasser wieder in den Kühlschrank stellte, und sich dann wieder auf den Weg nach vor machte.
 

”Es nimmt keiner ab.“ sagte sie verwundert, legte aber noch nicht auf. Robin drehte kurz den Kopf in ihre Richtung und sah sie besorgt an.
 

”Um diese Zeit sollte eigentlich jemand erreichbar sein..“ merkte er an, und konzentrierte sich wieder auf den Highway.
 

”Da geb ich dir Recht!“ Faith legte auf, und warf das Handy auf einen der Stühle. ”Gib Gas, Robin, ich denke, habe das Gefühl, dass es vielleicht Schwierigkeiten geben könnte!“
 

Robin nickte kurz, und nachdem sich Faith wieder gesetzt hatte, beschleunigte er auf die Höchstgeschwindigkeit. .
 


 

+++
 

Universitätswohnheim

einige Zeit später

“Hiermit haben wir Zugriff auf den Computer in Giles‘ Arbeitszimmer,“ erklärte Willow, als sie ihren Laptop hochfuhr. “Wie du ja weißt, besitzen wir einen Großteil unseres Wissens über Dämonen nicht mehr nur in Buchform...“
 

Andrew nickte, und sah sich vorsichtig um. In Willow’s College Zimmer war er noch nie zuvor gewesen, und es schüchterte ihn ein. Er wusste nicht, was beklemmender war, die Tatsache, dass er sich zum aller ersten Mal allein mit Willow in einem Raum befand, oder dass dieser Raum ausgerechnet ihr Zuhause war.
 

Zum Glück erwartete die Hexe nicht, dass er mit ihr redete. Sie erklärte ihm, was er tun sollte, nämlich die Dateien über Dämonen durchforschen, während sie selbst noch mal einen Zauber versuchen wollte. Es war ihr gelungen, ein Haar von einem der Tierchen mitzunehmen, und sie wollte es mit Magie analysieren.
 

Er konnte hören, wie sie hinter ihm im Zimmer umherging, und alles für den Zauber vorbereitete, und es war ihm unmöglich, sich auf die Worte vor ihm auf dem Bildschirm zu konzentrieren. Nicht aus Angst, er wusste, dass sie sich nicht plötzlich in Darth Rosenberg verwandeln, und ihn zu einem Jawa Burger verarbeiten würde. Das waren Dinge, die in die Vergangenheit, und in seine Alpträume gehörten.
 

Nein, Angst war es nicht. Oft hatte er sich gefragt, ob es Wut, oder der Wunsch nach Vergeltung sein konnten, aber auch das hatte sich in Grenzen gehalten. Er hatte nie wirklich den Wunsch verspürt, ihr etwas anzutun, noch nicht einmal in seiner Phantasie, in den Geschichten, die keine Alpträume waren, sondern ein Happy-End hatten.
 

Manchmal tat sie ihm leid. Sie hatte den Menschen verloren, den sie am meisten auf der Welt geliebt hatte, und das wurde nie wieder gut. Mit der Zeit tat es weniger weh, und auch nicht mehr so oft, aber es würde niemals ganz aufhören. Es war wie der Stich einer Nazgûl Klinge, eine Wunde die nicht vollständig verheilen konnte. An manchen Tagen merkte man gar nicht, dass sie da war, und an anderen spürte man sie ganz deutlich.
 

Und manchmal beneidete er sie. Sie war keine durchgeknallte Schwarzmagierin mehr, sie war jetzt eine mächtige und weise Hüterin geworden. Wie die Hohepriesterin von Avalon, oder die Zauberin von Grayskull. Und sie hatte eine neue Liebe gefunden, sich ein neues Leben aufgebaut. Wo jemand soviel Stärke hernehmen konnte, war ihm schleierhaft. Buffy besaß diese Stärke auch. Und Xander. Sie kriegten alles wieder auf die Reihe. Egal, was geschehen sein mochte...
 

“Xander sagt, du hast früher mit ihm Star Trek angeschaut.“ Irgendwie war ihm die lange Stille jetzt doch unangenehm und beklemmend vorgekommen, und er verspürte den Wunsch mit ihr zu reden. Nicht wirklich reden, nicht so, dass sie sich gegenseitig anschreien, oder zu weinen anfangen würden, aber zumindest Wörter verwenden.
 

Sie antwortete nicht sofort, es musste sie erschreckt haben, dass er sie so plötzlich angesprochen hatte. Wie es schien, war auch sie in den letzten Minuten tief in Gedanken versunken gewesen. Siedendheiß fiel ihm ein, dass es auch für sie eine unangenehme Situation sein musste, sie ging ihm zwar nicht aktiv aus dem Weg, so wie er es tat, aber mit ihm hier in ihrem Zimmer zu sitzen, war sicher nicht ihre bevorzugte Planung für heute Nachmittag gewesen.
 

“Ja, von den Classics und Next Generation hab‘ ich fast jede Folge gesehen, und auch einiges von DS9,“ antwortete Willow schließlich. “Später hat es mich dann nicht mehr so sehr interessiert, von Voyager und Enterprise kenne ich fast gar nichts.
 

“Hast du die DS9 Folge gesehen, wo Jadzia‘s Ex-Frau aufgetaucht ist?“ Andrew öffnete die nächste Datei am Computer, und betrachtete die Bilder verschiedener Rwasundi Dämonenarten.
 

“Leider nein,“ bedauerte Willow, “aber ich hab‘ davon gehört. Einer der ersten richtigen Küsse zwischen zwei Frauen in einer amerikanischen TV-Serie, wenn nicht sogar der erste. Ganz genau weiß ich es nicht.“
 

“Babylon 5 wär‘ beinah früher gewesen,“ erklärte Andrew, “da gab es ‘ne Romanze zwischen Talia und Iwanova. Aber JMS hat den Kuss dann doch geschnitten, wahrscheinlich war es ihm zu gewagt.“
 

“Tatsächlich?“ wunderte sich Willow. “Alles, was er gebraucht hätte, wäre eine dumme Ausrede dafür. So wie dieser Pseudo-Kuss im Xena Finale. Xena braucht Wasser aus dieser komischen Quelle, und Gabrielle verabreicht es ihr mit dem Mund. Das war vielleicht peinlich!“
 

“Fast so peinlich, wie Chris Carter’s offizielle Erklärung für den Mulder/Krycek Kuss in X-Files,“ grinste Andrew. „Das war irgendwie, weil es ein russischer Brauch ist, jemanden zu küssen, bevor er in den Kampf gegen die Aliens zieht....frag mich nicht...“
 

“Hast du die Sentinel-Folge gesehen, wo Jim Blair auf die Stirn geküsst hat?“
 

“Auf die Stirn ist jetzt keine große Sache mehr, nicht seit Frodo mit Sam, und Aragorn mit Boromir...“
 

Sie schwiegen beide einen Moment lang, und blickten sich entsetzt an, als könnten sie gar nicht begreifen, was sie hier eigentlich taten. “Wir...reden...“ sagte Andrew schließlich ein wenig hilflos.
 

“Und mit... Wörtern...“ fügte Willow ebenso hilflos hinzu.
 

“Das sollten wir nicht tun,“ erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund, “ich meine, natürlich sollten wir es tun, aber nicht jetzt. Wir haben immer noch nicht rausgefunden, mit welchen Dämonen wir es zu tun haben....“
 

“Ich glaube immer noch nicht, dass es Dämonen sind!“ Andrew schloss die Rwasundi Datei. “Ich meine, welcher Dämon ist schon eine Kreuzung aus diversen Anime-Viechern, und hat denselben Effekt, wie ein Tribble. Würd‘ mich gar nicht wundern, wenn die Fellknäuel sich auch noch durch Wasser vermehren, so wie die Gremlins. Das klingt alles eher so, als hätte sich ein durchgeknallter Geek diese ‘Dämonen‘ ausgedacht.“
 

“Du bringst mich da auf eine Idee...“ Für einen Moment klang Willow’s Stimme sehr nachdenklich, dann sprang sie plötzlich auf, und begann neue Zauberutensilien zusammenzusuchen. Einige Minuten später sah Andrew zu, wie sich aus einem violetten Pulver ein Grundriss der Ratszentrale formte. Mit kleinen Lichtern darin. Eines der Lichter strahlte heller, als die anderen vier.
 

“Andrew, kennst du zufällig jemanden, der einen Groll gegen Dawn haben könnte?“
 

+++
 

Ratszentrale

einige Zeit später

‘Hoffentlich stecken sie nicht in Schwierigkeiten...‘
 

Mit quietschenden Reifen kam der Schulbus zum Stehen. Robin war so schnell gefahren, wie er es im Stadtgebiet wagen konnte, ohne Schwierigkeiten mit der Polizei, oder den rutschigen Straßen riskieren zu wollen. Sie selbst hatte Ronah und Vi aufgeweckt, und ihnen in knappen Worten die Lage geschildert. Alles was sie in der Hand hatte, waren ihre vergeblichen Versuche bei Giles, oder dem Rest der Scooby Gang anzurufen.
 

Und ihr schlechtes Gefühl. Mit etwas Phantasie könnte man es Jägerinneninstinkt nennen, dachte sie grimmig.
 

Dies also war das Wächterhaus. Die Ratszentrale. Ein kleines zweistöckiges Backsteinhäuschen mit abgetrenntem oberem und unterem Teil. In diesem unscheinbaren Gebäude sollte über ihre Zukunft entschieden werden. Und die Zukunft von Ronah und Vi.
 

‘Nur über meine Leiche‘, dachte Faith entschlossen, als sie rasch ein paar Pflöcke in den Gürtel schob, ihre Armbrust lud, und als erste aus dem Bus sprang. ‘Über meinen Kopf wird hier gar nichts entschieden.‘
 

Misstrauisch betrachtete sie die Ratszentrale. Verlassen konnte sie nicht sein, denn eine ganze Reihe von Fußspuren führte durch den frischen Schnee zur Eingangstür, und nur zwei Paar von ihnen wieder davon weg. Es mussten also ziemlich viele Leute im Haus sein. Warum also, hatte niemand auf das Telephon geantwortet?
 

“Seht mal!“ Vi deutete auf den Boden unter dem Fenster. Auch hier waren jede Menge Spuren erkennen, allerdings schienen sie nicht von Menschen zu stammen. Es waren Abdrücke vieler kleinen Pfötchen, etwa die Größe von zu klein geratenen Katzen. Waren Giles und die anderen von Katzen überfallen worden?
 

"Haltet euch nicht zu dicht hinter mir! Im Türeingang sind wir angreifbar!" In knappen Worten gab sie die Anweisungen, und machte sich nicht die Mühe, sie zu erklären. Die anderen nickten, sie verstanden auch ohne Worte.
 

Vorsichtig näherten sie sich dem Eingang, ihre Waffen bereit, ihre Körper angespannt. Was würden sie dort drinnen vorfinden? Kamen sie am Ende zu spät?
 

Besser sie wussten es jetzt, als später! Entschlossen trat Faith nach vorne, und zerschmetterte die Tür mit einem Kick.
 

"Chiiiiiiiiiii!" plärrte es fröhlich. Robin, und die Jägerinnen fuhren herum.
 

"Ach, bist du niedlich! Was für ein putziger kleiner Kerl!" Vi ließ ihren Pflock fallen, um das winzige Fellbüschel aufzuheben, welches sofort sein rosa Näschen zwischen ihre Finger schob. "Vorsicht!" warnte Robin, doch im nächsten Moment war ein zweites Tierchen auf seine Schulter gesprungen, und sein Gesichtsausdruck wurde der eines staunenden kleinen Jungen. "Willst du hinterm Ohr gekrault werden, mein Kleiner? Ja, das gefällt dir..."
 

"Bleibt mir bloß vom Leib, ihr widerlichen kleinen Ratten!" schrie Faith und griff nach dem Messer in ihrem Gürtel. Entsetzt blickte sie durch den Vorraum ins Konferenzzimmer, alles war voll mit diesen Tieren. Es mussten über hundert von ihnen sein.
 

Und zwischen ihnen stand....
 

"B., kannst du mich hören?" Buffy reagierte zunächst nicht im Geringsten, sie drehte sich im Kreis herum, dass die langen blonden Haare flogen, und ließ die vor Vergnügen kreischenden Tierchen auf einer Axt Karussell fahren. Auf Faith' erneuten Ruf ließ sie vor Schreck die Axt los, diese sauste durch die Luft und bohrte sich neben der zweiten Jägerin in den Türrahmen. Erschrocken sprang Faith zurück, stieß gegen Ronah, die genau hinter ihr stand, und riß das andere Mädchen mit zu Boden.
 

"Ich hab doch gesagt, nicht zu dicht hinter mir!" Mit einem Sprung war Faith wieder auf den Beinen, doch Ronah reagierte kaum. Mit verzücktem Gesichtsausdruck rollte sie einen kleinen Schneeball am Boden herum, während zwei kleine Fellknäuel darum herum wuselten.
 

"Verschwindet!" schrie Faith die Tierchen an. Diese blickten erschrocken zu ihr hoch, mit großen blauen =E4ngstlichen Kulleraugen. Faith wurde bewusst, dass sie noch immer das Messer in der Hand hielt, und sie hielt es den Geschöpfen drohend entgegen.
 

"Chichiii!" Wimmernd klammerten sich die Tierchen aneinander, und ließen Kullertränchen aus den riesigen Augen in den Schnee tropfen.
 

"Verdammt noch mal," fluchte Faith und ließ den Dolch sinken. "Warum könnt ihr blöden Viecher nicht einfach genauso hässlich und schleimig aussehen, wie alle anderen Dämonen?"
 

+++
 

Lincoln West High School

selbe Zeit

"Solche Hexenkunststückchen sind für uns nichts Neues!" Willow schlug die Autotür zu, und lief mit energischen Schritten über den Vorhof der Lincoln West High. "Wir hatten es schon mit diversen Liebeszaubern, Woodoo Puppen, und brennenden Cheerleadern zu tun. Was man in so einem Fall tun muss, ist die verantwortliche Hexe, oder den Hexer zu finden. Manchmal kann man die Leute davon überzeugen, vernünftig zu sein, und den Zauber einfach wieder aufzuheben." Sie blieb stehen und blickte sich um. "In anderen Fällen muss man ihre Grimoire stehlen, und es selbst tun."
 

"Du kannst also nicht einfach zum Wächterhaus zurückgehen, und den Zauber rückgängig machen?" wollte Andrew wissen.
 

Bedauernd schüttelte Willow den Kopf. "Nein, in diesem Fall nicht. Wenn ich wüsste, um was für einen Zauber es sich handelt, dann ja, aber so muss ich ihn auch zuerst nachlesen," erklärte sie. "In den verschiedenen Hexenkulturen gibt es Tausende von Sprüchen, und man kann sie teilweise auch wieder kombinieren und neue erschaffen, deshalb will ich lieber kein Risiko eingehen. Alles, was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass Dawn das Ziel dieses Zaubers ist. Sie ist der Mittelpunkt!"
 

"Die Turnhalle liegt auf der anderen Seite der Schule!" Andrew deutete nach hinten. "Baseball gibt's ja keins im Winter, aber Leroy und die anderen spielen Softball in der Halle, damit sie in Übung bleiben."
 

Sie umrundeten das Gebäude. "Aber irgendwie macht er überhaupt nicht den Eindruck, als ob er zaubern kann, oder sich überhaupt mit so was auskennt. Okay, er ist definitiv sauer auf Dawn, er hetzt in der Schule gegen sie, seit der Sache mit dem Ball. Aber ob er an so was ran kann, wie Magie..?"
 

"Vielleicht gibt es eine Hexe an der Schule, und er hat sie um Hilfe gebeten," überlegte Willow. "Irgendein Hokuspokus um Dawn eins auszuwischen..."
 

"Vielleicht Trisha," schlug Andrew vor. "Sie ist definitiv fies genug, um eine Hexe zu sein...uhm...Entschuldigung..." Er brach ab, als er Willow's Gesichtsausdruck bemerkte.
 

Willow runzelte die Stirn. Warum nur hielten alle Leute Hexen automatisch für böse? Gut, Andrew hatte einen plausiblen Grund dafür, aber selbst das war kein Grund, um alle Hexen über einen Kamm zu scheren. Und es war ja nicht nur er...
 

Schon im Gang hörten sie Lärm, in der Sporthalle war eine Gruppe Jungen bereits dabei, sich warm zu machen. Einige joggten, andere machten Sit-ups, oder Liegestütze. Andrew erkannte Leroy sofort, Dawn's ehemaliger Schwarm stand an einer Bank am Rand, und machte Dehnungsübungen für die Beine.
 

"Hi," begann Willow. "Ich bin Willow, und das ist Andrew. Wir...uhm.. sind Freunde von Dawn, und wir würden gerne kurz mit dir reden!"
 

Misstrauisch blickte Leroy auf. "Was gibt es denn?" wollte er wissen. "Hat sie euch hergeschickt?"
 

"Nicht direkt..." Willow versuchte die richtigen Worte zu finden, die Wahrheit konnte sie ihm ja wohl kaum auf die Nase binden. "Sie hat erzählt, dass es ein paar Probleme gibt."
 

"Allerdings." Leroy's Gesichtsausdruck verfinsterte sich. "Aber diese Probleme gehen nur Dawn und mich etwas an!"
 

'Und Trisha und Stephen und George aus dem Cross Country Team, und alle, bei denen du dich sonst noch über sie ausgeheult hast', fügte Andrew in Gedanken hinzu, aber er sprach es nicht laut aus. Sie waren schließlich nicht hier, um einen Streit anzuzetteln.
 

Leroy griff in seine Sporttasche, die neben ihm auf der Bank stand, und wühlte darin herum. Als er eine Trinkflasche, und ein Handtuch herausnahm, fiel etwas zu Boden, etwas Kleines, Silbernes. Andrew erstarrte. Es war ein Schlüsselanhänger in Form eines Raumschiffes. Ein imperialer Star Destroyer!
 

"Wo hast du das her?" fragte er fassungslos. "Hast du auch beim Rival Kingdom bestellt?"
 

"Beim was?" fragte der andere Junge verwirrt zurück. "Nein, den hab' ich geschenkt bekommen. Von einem Typen, den ich gar nicht wirklich kenne, das war 'ne komische Sache..."
 

Willow stieß einen leisen Seufzer aus. Musste Andrew denn immer und überall von seinem Filmkrempel anfangen. Wen interessierte denn jetzt dieser dumme Anhänger?
 

"Was für eine komische Sache?" fragte Andrew neugierig. "Hat er zu dir gesagt, 'er gehört mir, und ich schenke ihn, wem ich will, wie mein Herz'?"
 

"Huh?" Leroy wurde zusehends verwirrter. "Nein, er hat gesagt, dass es ein Glücksbringer ist, und dass ich mir was wünschen soll."
 

Ein Wunsch! Willow fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich, sie hatten es hier mit einem Rachewunsch zu tun. Leroy hatte von einem Rachedämon einen Talisman bekommen, und war dazu gebracht worden, einen Wunsch gegen Dawn zu äußern. Kein Wunder, dass ihre Magie nichts ausrichten konnte. Nur der Dämon, der den Wunsch erfüllt hatte, konnte ihn auch wieder rückgängig machen.
 

Es war alles ganz simpel! Warum nur, war sie nicht gleich draufgekommen?
 

Da gab es einige Gründe. Erstens, Leroy hatte von einem Typen gesprochen, und Rachedämonen waren normalerweise Frauen. Zweitens, welcher Rachedämon würde wohl ein Raumschiff aus einem Science Fiction Film als Talisman benutzen? Üblicherweise waren es alte, mystische Amulette, mit einer besonderen Bedeutung. Anya hatte ein Herz benutzt, als Symbol für die gebrochenen Herzen der Frauen, die sie rächen wollte. Halfrek dagegen hatte ein Amulett getragen. Die Geschichte dazu kannte Willow nicht, aber mit Sicherheit steckte auch da etwas dahinter.
 

Der normale Vorgang bei einem solchen Rachewunsch war, dass der Dämon eine Art Kopie seines Talismans an denjenigen verschenkte, der den Wunsch äußern sollte. Nur bei sehr alten und mächtigen Dämonen war dies nicht mehr notwendig, Halfrek hatte darauf verzichten können, und auch Anya, nachdem sie zum zweiten Mal in D'Hoffryn's Dienste getreten war.
 

Die Frage, die jetzt noch offen blieb war, warum Andrew auch einen solchen Talisman besessen hatte. Hatte er am Ende einen Rachewunsch geäußert? War dieser Wunsch der Grund gewesen, warum er einen solchen Narren an dem Anhänger gefressen, und bei seinem Verlust geweint hatte?
 

Ein leises Misstrauen stieg in ihr hoch. Sie hatten nie hundertprozentig geklärt, warum sie damals in einer Art Parallelwelt gelandet war, als sie nach Sunnydale zurückgekehrt war. Natürlich hatte sie geglaubt, sie wäre selbst daran schuld gewesen, aber falls Andrew sich tatsächlich an jemandem gerächt hatte...sie stand mit Sicherheit ganz oben auf der Liste.
 

Aber jetzt war keine Zeit, um darüber nachzugrübeln. Erst mussten sie diesen Dämon finden, und dafür sorgen, dass der Wunsch aufgehoben wurde.
 

"Was war das für ein Typ?" fragte Willow. "Und wo hast du ihn getroffen?"
 

"Ich dachte, wir wollten über Dawn reden?" Leroy bückte sich, um den Anhänger wieder aufzuheben. "Na jedenfalls hab' ich den Kerl ein paar Mal im Quaker's Quest gesehen, das ist 'ne Spielhalle am Hafen, und auch mal im Kinopalast, wo sie diese Movie Specials zeigen, so Filmnächte und so weiter. Aber ich hab keine Ahnung, wie er heißt, George aus dem Cross Country Team hat ihn mitgebracht. Er ist nicht auf unserer Schule, ist, glaub' ich, auch ein paar Jahre älter. Ach, keine Ahnung!" Er zuckte mit den Schultern.
 

Der Coach erschien in der Halle und blies in seine Trillerpfeife. Sofort hielten die Jungen in ihren Übungen inne, und versammelten sich um ihren Trainer.
 

"Ich muss dann mal.." Mit einem Kopfnicken deutete Leroy zu den anderen hinüber.
 

"Schon okay." Willow wollte ihn nicht weiter aufhalten, offensichtlich gab es nicht viel, was er ihnen sagen konnte. Dass sie jetzt wussten, womit sie es zu tun hatten, machte die Suche sehr viel einfacher, und auch die Orte, die er genannt hatte, waren zumindest mal ein Anhaltspunkt.
 

Leroy legte den Schlüsselanhänger neben seine Tasche auf die Bank, und wollte sich schon abwenden, als ihm plötzlich etwas einzufallen schien. "Ich glaub', es ist einen Monat her, dass ich ihn zum erstenmal gesehen hab. Ja, das war kurz nachdem Jessica mit George Schluss gemacht hatte. Sie war George's Freundin, ein Cheerleader..."
 

"War?" Bei Willow schrillten sofort alle Alarmglocken.
 

"Sie ist ganz plötzlich verschwunden, keiner weiß da was Genaues. Von zu Hause abgehauen, oder so. Aber ich muss jetzt wirklich..." Er nickte ihnen noch einmal zu, und lief dann zu den anderen Jungen hinüber, die inzwischen einer Rede des Coachs lauschten.
 

Willow hob den silbernen Anhänger hoch, und betrachtete ihn. Er fühlte sich ganz leicht an, so als ob er gar nicht aus Metall wäre.
 

Und dann schien er auf merkwürdige Weise verschwommen, durchsichtig, oder ganz einfach unwirklicher zu werden. Er löste sich buchstäblich in Willow's Händen auf.
 

"Keine Panik," sagte sie zu Andrew, welcher fassungslos auf ihre nun leeren Hände starrte. "Es war nur eine Kopie, die halten nicht ewig. Der Dämon hat das Original."
 

Im selben Atemzug wurde ihr bewusst, wie lächerlich ihre Verdächtigungen gegenüber Andrew gewesen waren. Andrew hatte seinen Schlüsselanhänger schon besessen, als er voriges Jahr aus Mexiko zurückgekehrt war, und in all der Zeit hatte der Anhänger sich nicht aufgelöst. Außerdem hatte er vorhin sogar den Laden genannt, in dem man solche Anhänger bekommen konnte. Er hatte ihn bestimmt nicht von dem Rachedämon bekommen.
 

"Das Quaker's Quest kenn' ich," überlegte Andrew, "ich war noch nicht drin, aber ich kenn die Homepage, und ich weiß, wo es liegt. Da ist alles so teuer..." Er verzog das Gesicht.
 

"Versuchen wir's noch mal mit einem Zauber," überlegte Willow. "Jetzt da wir wissen, dass es um einen Rachedämon geht, wird es nicht wirklich schwer sein, seine Position festzustellen."
 

Fassungslos schüttelte sie den Kopf "Wer hätte das gedacht, ein männlicher Rachedämon?"
 

+++
 

Videospielarcade am Hafen

einige Zeit später

Schon von der Straße aus, konnte Andrew den Lärm aus dem Quaker's Quest hören. Die Musik, das Lachen und Rufen der Leute, und das Geballer aus den Spielautomaten.
 

Zum Erstaunen beider, hatte Willow's Zauber nicht nur einen, sondern sogar zwei männliche Rachedämonen in Cleveland ausfindig gemacht. Einer befand sich in einem Coffee Shop im Erie Park, der andere hier, in diesem Gebäude. Aber wie in aller Welt sollte er ihn erkennen? Dämonen liefen normalerweise nicht mit gruseligen Fratzen in der Öffentlichkeit herum, wenn sie die Fähigkeit hatten, sich als Menschen zu tarnen.
 

"Darf ich deinen Ausweis sehen?" fragte das schwarzhaarige Mädchen am Eingang. Andrew nickte, und kramte seinen Führerschein hervor. Sie warf einen Blick darauf, und drückte anschließend einen Stempel auf seine Hand. "Ein paar Monate noch, dann hast du's geschafft," lächelte sie, und ihr Pferdeschwanz wippte über ihrer Schulter, als sie den Kopf zur Seite neigte. Am liebsten hätte Andrew ihr erzählt, dass er schon ganze vier Mal in seinem Leben Alkohol getrunken hatte, einmal sogar echten Champagner. Er war schließlich ein Oberfinsterling gewesen!
 

Früher. In einem anderen Leben.
 

Alles hier drin wirkte vertraut, auch wenn er noch nie hier gewesen war. Er hatte schon so viele Video Arcaden von innen gesehen, eigentlich hatte er einen Großteil seiner Jugend in diesen Spielhallen verbracht. Einige Zeit lang ging er durch die Reihen der Flipper, und Spielautomate, und ließ die Atmosphäre auf sich wirken, die Geräusche, die tanzenden Lichter, die Gerüche nach frischem Achselschweiß, vermischt mit diversen Deos und After Shaves. Es waren fast nur Jungen hier. Manche Dinge änderten sich wirklich nie.
 

Streetfighter II. Dass das heute noch gespielt wurde, wo es inzwischen soviel Neues gab? Damals hatten sie es geliebt, und sich wilde Schlachten geliefert, besonders er und Jonathan, weil sie auf dem gleichen Level waren. Warren hatte sich darüber lustig gemacht, dass keiner von ihnen jemals an seinen High Score herankommen würde. Andrew für seinen Teil hatte es immer wieder versucht.
 

Und dann blieb Andrew fast das Herz stehen.
 

Der Junge am Spielautomaten schien Andrew nicht zu bemerken, als er näher herantrat, er saß mit dem Rücken zu ihm, sein dunkler Haarschopf über den Bildschirm gebeugt. Seine linke Hand hielt mit sicherem, ein wenig zu hartem Griff den Joystick umfasst, während die Fingerspitzen der rechten spielerisch über die bunten Knöpfe glitten.
 

Aus seinem bloßen Nacken stieg der frische Duft seiner Haare empor, und vermischte sich mit dem Inferno an Gerüchen um sie beide herum. Sein Gesicht lag im Schatten, doch aus dem dunklen Spiegel des Bildschirms blickten ihm zwei glitzernde schwarze Augen entgegen.
 

Der Junge wandte sich um, und sein kalter Blick traf ihn bis ins Mark.
 

"Willkommen in Bruchtal, Mr. Anderson!"
 


 

AKT 3
 

Videospielarcade am Hafen

selbe Zeit

Er war es nicht. Dessen konnte Andrew sich sicher sein. Dieser Typ sah aus wie Warren, er benahm sich wie Warren, ja er roch sogar wie Warren, aber es war nicht Warren. Warren war tot. Das hier war das Urböse, und er würde bestimmt kein zweites Mal auf die gleiche Masche reinfallen! Nie wieder!
 

"Wie es scheint, bist du überrascht, mich zu sehen, Mr. Anderson!" Das Wesen, das vorgab, Warren zu sein, verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. "Und genau das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Ich hab' dich erwartet!"
 

"Was willst du von mir?" zischte Andrew zurück. Merkwürdigerweise verspürte er keine Furcht, nur grenzenlose Wut. Nach all den schrecklichen Dingen, die das Urböse und seine Handlanger ihnen angetan hatte, kam es so einfach hierher, und kramte seine alten dämlichen Tricks hervor.
 

Schön. Sie hatten es ausgetrickst, aber nicht besiegt. Sie hatten damit gerechnet, dass es eines Tages wiederkommen würde. Mit neuen Intrigen, neuen Eroberungsplänen. Aber warum in aller Welt hockte es an einem Spielautomaten und spielte Streetfighter II? Hatte es nichts Besseres zu tun?
 

"Ach, das weißt du immer noch nicht?" Warren schnaubte verächtlich. "Verwendest immer noch alle deine Muskeln, bis auf den, auf welchen es wirklich ankommt!"
 

Er erhob sich von seinem Stuhl und baute sich vor Andrew auf. "Ich will das, was alle Männer mit Macht wollen. Noch mehr Macht!"
 

"Halt die Klappe!" schrie Andrew zurück. "Ich hab' keinen Bock mehr auf deine Spielchen! Wir haben dich einmal besiegt, und werden es wieder tun. Wir werden dem prähistorischen Bösen zeigen, wie man die Dinge in New York erledigt, wir haben keine Angst vor deinen Marshmellowmännchen! Und falls du's vergessen hast, ich bin jetzt einer von den Guten! Ich kämpfe Seite an Seite mit der Jägerin! Du hast keine Macht mehr über mich!"
 

Für einen Moment war es ganz still. Fassungslos, und mit offenem Mund starrte Warren ihn an.
 

Dann begann er schallend zu lachen. Andrew starrte böse zurück, aber das schien das Urböse nicht im Mindesten zu beeindrucken. "Manche Dinge ändern sich nie," gluckste er, und versuchte verzweifelt die Fassung wieder zu gewinnen. "Rauch steigt auf aus dem Schicksalsberg, Gandalf der Graue reitet nach Isengard, und Andrew labert den größten Mist der Galaxis!"
 

Er öffnete den Reißverschluss seiner Lederjacke, und begann in der Innentasche herumzukramen. Andrew konnte sehen, dass er darunter ein Godzilla T-Shirt anhatte, so ein ähnliches Shirt hatte er früher schon gehabt. "Also, kleiner Hund, ich hab' nen Job für dich! überbring' diese Nachricht deiner Jägerin, und sag ihr, wenn sie sich nicht blicken lässt, dann darf ihre Schwester bis in alle Ewigkeiten Digiritter spielen! Ich hab' lange genug auf meine Rache gewartet!"
 

Als er einen Umschlag aus der Jackentasche zog, klirrte es leise. Er trug den Schlüsselanhänger an der Gürtelschlaufe seiner Jeans, und Andrew wusste, dass dem Urbösen ein Fehler unterlaufen war. Der echte Warren hätte den Anhänger niemals so offen rumgetragen, er hatte ihn lieber in irgendeine Tasche gesteckt. Das doofe Urböse hatte keine Ahnung! Nicht die Geringste!
 

"Ich hab' meinen gar nicht mehr," erklärte er trotzig. "Hab' das Ding irgendwann weggeworfen, weil es so albern war!"
 

Die blanke Wut trat in Warren's nachtschwarze Augen und brachte sie zum Funkeln. Zum aller ersten Mal ließ er die Maske überlegener Gleichgültigkeit fallen. Mit eiskaltem, ja geradezu hasserfülltem Blick starrte er Andrew an, welcher erschrocken einen Schritt zurückwich. "Willst du dabei zusehen, wie ich deine heißgeliebte Jägerin zu Hackfleisch verarbeite? Willst du das, du mieser kleiner Verräter?"
 

Mit grausamer Präzision amte er Andrew's Stimme nach: "Die Jägerin ist ja so cool! Und sooooo sexy! Und wie ihre Haare glänzen!"
 

"Hör auf!" rief Andrew mit erstickter Stimme, und schluckte heftig. Er biss sich heftig auf die Lippen, diesmal würde er sich nicht unterkriegen lassen. "Verschwinde, und komm nie wieder!"
 

"Gefangen im Netz, mein Ssschatz!" Mit verächtlicher Geste warf Warren ihm den Brief vor die Füße. "Und bald wirst du gefressen!"
 

Und ohne jedes weitere Wort hob er die Arme, und verschwand in einem Wirbel aus tosendem Feuer.
 

+++
 

Erie Park,

selbe Zeit

Willow wusste nicht, ob sie laufen sollte, ob sie alles daran setzen sollte, den Dämon zu finden. Es kam ihr so vor, als würden alle Gedanken, die nicht mit ihrer Freundin zu tun hatten, einfach in der Reihe nach hinten verdrängt.
 

Schneeflocken tanzten zwischen den kahlen Bäumen hindurch, und landeten sanft auf der blendend weißen Fläche. Sie sah Kennedy's Lächeln vor ihren Augen, Kennedy mit Tränen ringend, die Jägerin, wie sie Willow anfunkelte, sie so tief in ihrem Herzen berührte, und sie gleichzeitig so verletzte, auch nur mit dem, was sie dachte oder nicht dachte. Einfach nur mit ihrer Anwesenheit.
 

Sie hatte bereits den größten Teil des Parks hinter sich gelassen, bald musste das kleine Café vor ihr auftauchen, wo sich der Dämon befand. Ob es derjenige war, der Dawn verhext hatte? Oder vielleicht hatte Andrew den schon längst gefunden. Sie war es leid, dass solche Monster immer im falschen Moment dazwischen kommen mussten. Sie war es leid, einen Schritt nach dem anderen in die falsche Richtung gehen zu müssen.
 

Sie könnte sich umdrehen, anfangen zu laufen, und atemlos vor ihrer Freundin stehen bleiben, ihr in die Augen sehen, und versuchen das, was sie angerichtet hatte wieder gut zu machen. Sie einfach nur in den Arm nehmen, und all den Schmerz den sie ausgelöst hatte, einfach so vergehen lassen, Kennedy dieses eine Mal beschützen, stark für sie sein.
 

Doch wahrscheinlich wollte Kennedy nicht umarmt werden, möglicherweise hatte Willow ihre letzte Chance vertan und Kennedy brauchte sie nicht mehr, wollte sie, oder den Schmerz den sie ihr zufügte, einfach nicht weiter ertragen.
 

Wieso blieb sie nicht stehen? Wieso konnte sie einfach nicht aufhören, an ihre Traumfrau zu denken, und die Tränen, die sanft wie Schneeflocken, ihre Wangen berührten, mit ihrem Ärmel wegwischen?
 

Sie hatte es ruiniert. Einfach alles. War es denn wirklich so schwer, Kennedy diesen Wunsch zu erfüllen, und mit ihr zusammen zu sein? Willow erkannte endlich, dass sie zwar körperlich da war, doch bei jedem Kuss, oder einfach nur jedes Mal, wenn Kennedy ihr in die Augen sah, war sie weit weg. Das Leuchten in ihren Augen war verschwunden, wurde nun durch Tränen weggewaschen, und sie sah so verletzlich und doch so stark aus.
 

Stark... sie war nie stark. Das hatten immer andere für sie übernommen. In diesem Moment wusste sie nicht, ob sie es bereute, Dark Willow gewesen zu sein, sie wusste nicht, ob es nicht doch richtig gewesen war, ein einziges Mal andere beherrschen zu können, endlich aus dem Schatten anderer zu treten.
 

Wünschte sie sich das? Wünschte sie sich, dass Kennedy in ihrem Schatten lebte? Im Schatten der großen Hüterin, die ranghöher als Kennedy, und sogar als Giles war. Wieso war es so schwer, einfach zu akzeptieren, dass es für sie besser war, im Hintergrund zu bleiben.
 

Hätte sie einfach nur aufgehört, den Rat mit aufzubauen, Giles zu unterstützen, und preiszugeben, dass sie nicht nur Kräfte einer durchgedrehten Hexe, sondern auch die einer Hüterin in sich trug. Doch selbst jetzt kam sie sich so nutzlos vor. Für was war sie nun gut, außer vor ihrem Laptop zu sitzen, das weltweite Netz nach Informationen zu durchstöbern, und Kennedy zu verletzen? Sie einfach im Stich zu lassen?
 

Vielleicht wäre es besser, wenn einfach allem ein Ende gesetzt wurde. Möglicherweise wäre es gar nicht so verkehrt, endlich diesen Hass den sie auf sich selbst aufgebaut hatte, herauszulassen, dieser Wut Ausdruck zu verleihen.
 

Sie kam sich so kalt vor, doch vielleicht war der Grund dafür auch dieser eisige Wind, der sich langsam in ihre Kleider schlich, und sie an die Gänsehaut erinnerte, die sie vor kurzem hatte, und jedes Mal irgendwie in Verbindung mit Kennedy brachte. Doch das war eine andere Art von Gänsehaut gewesen.
 

...Kennedy, während sie langsam ihren Hals entlang wanderte, mit ihrem Zungenpiercing ihre Körperstellen umspielte, und sich ihr die Nackenhärchen aufstellten, genauso wie sie es im Moment taten, wenn sie an heute Morgen dachte, und Kennedys warmen Atem auf ihrer Haut...
 

Sie war am Ende des Weges angelangt. Vor ihr lag ein kleines freundliches Parkcafé in europäischem Stil, mit blankgeputzten Fenstern und Vorhängen in den Farben der Trikolore.
 

Und an einem der Tische am Fenster saß D'Hoffryn, lächelte und winkte ihr zu.
 


 

+++
 

Videospielarcade am Hafen

einige Zeit später
 

'Jägerin! Alles was einen Anfang hat, muss auch ein Ende haben!
 

Heute Abend, wenn der Mond den Horizont berührt, erwarte ich dich zu unserem letzten Kampf! Speere werden zerbrechen, und Schilde zerbersten! Dies ist ein Schwert-Tag, ein Blut-Tag, ehe die Sonne erwacht!
 

In dieser Nacht wirst du deinem Schicksal begegnen, deiner Vernichtung, deiner Nemesis!'
 

Noch immer fassungslos starrte Andrew auf den Brief in seinen Händen. Sein ganzer Körper fühlte sich vollkommen taub an. So wie nach der Sache mit seinem Blinddarm, als er aus der Narkose aufgewacht war. So wie an dem Tag, als seine Tante ihm und Tucker von dem Autounfall erzählt hatte, den es in Wirklichkeit gar nicht gab, aber irgendwas musste man den Kindern ja sagen, oder nicht? So wie an dem Tag, als sie Sunnydale verlassen hatten, und nach Mexiko getrampt waren....
 

Dann, langsam, ganz langsam, begann es in ihm wehzutun. Es war wie eine Erschütterung, die sich langsam fortsetzte. Kleine rhythmische Erdbeben, wie Godzilla, oder der Marshmellowmann sie auslösten, wenn sie mit Karacho durch die Straßen stapften. Es schüttelte ihn, er musste sich am Automaten festhalten, um nicht umzukippen, und der Schmerz breitete sich wie Gift über seinen ganzen Körper aus.
 

Jedes Mal, wenn es gerade besser geworden war. Jedes Mal, wenn er mühsam angefangen hatte, die Bruchstücke seines bisherigen Lebens zusammen zu sammeln, und daraus etwas Neues zu bauen. Jedes Mal, wenn er wieder ein bisschen Mut gefasst hatte, und glaubte, dass es voran ging...
 

Gut, Mexiko war grässlich gewesen, aber nach einer Weile ließ es sich ertragen. Nach einer Weile schlief er auch mal wieder eine Nacht durch, ohne zu weinen, und irgendwann fing er auch wieder an, sich mit Jonathan zu kabbeln, und über seine dummen Witze zu lachen. Sie waren nicht das Duo geworden, aber sie unterstützten sich gegenseitig, gaben einander Halt. Auch wenn es ohne Warren nie wieder so sein konnte wie früher, so war es doch zumindest ein Trost.
 

Und dann war das Urböse gekommen, und hatte alles kaputtgemacht. Und es war allein seine Schuld gewesen, er hatte es zugelassen. Weil er auf dieses Wesen gehört hatte. Er hatte genau gewusst, das es nicht Warren war, aber er hatte es geglaubt. Weil er es glauben wollte.
 

Wieder zurück in Sunnydale - das war noch schlimmer, als Mexiko. Sich endlich die Wahrheit einzugestehen. Er war auf die Lügenmärchen eines Phantoms hereingefallen, und er hatte seinen besten Freund getötet. Seinen einzigen Freund. Er war jetzt ganz alleine, und in Buffy's Haus waren alle gemein zu ihm, weil sie ihn für einen Bösewicht, und einen Trottel hielten. Aber auf Dauer konnten Buffy und ihre Freunde zu niemandem gemein sein, und wenn sie ihn auch immer noch für einen Trottel hielten, waren sie irgendwann netter zu ihm. Buffy schnauzte ihn nicht mehr so oft an. Dawn und Anya gaben ihm keine Ohrfeigen mehr, und Xander ließ ihn sogar seine Comicsammlung lesen.
 

Er hatte es sich endlich eingestanden: Dieses Geschöpf war nicht Warren! Warren würde niemals zu ihm zurückkehren!
 

Nur, dass er es doch getan hatte, und diesmal war es nicht das Urböse. Diesmal konnte man ihn sogar anfassen! Er hatte nicht nur wie Warren ausgesehen, und nach Warren gerochen, sondern sich auch wie Warren angefühlt. Ganz genau wie Warren! Für einige wenige Augenblicke hatte er es geglaubt, hatte sich einfach der Illusion hingegeben. Doch es war nur ein dummer Zauber gewesen, und wieder einmal war ihm klar geworden, wie sinnlos es war, zu hoffen...
 

Es stimmte nicht, dass er sich kein neues Leben aufgebaut hatte. Er hatte einen Job, eine Wohnung, und mehr Freunde als jemals zuvor. Erst jetzt, jetzt, wo er Angst hatte, das alles würde schon wieder in die Brüche gehen, wurde es ihm vollkommen klar.
 

Das Urböse konnte ihn nicht mehr manipulieren, und das wusste es. Aber es konnte ihn immer noch quälen, und das wusste es auch. Und es wusste verdammt genau, wie...
 

Er schnappte nach Luft, wie ein Fisch an Land, er konnte förmlich spüren, wie die Tränen sich ihren Weg nach oben bahnten. Richtige Tränen. Nicht die Kullertränchen, mit denen er Xander dazu kriegte, nach seiner Pfeife zu tanzen. Die Tränen, die das Gesicht knallrot machten, und den Kopf so heiß, als hätte man Fieber!
 

Die Buchstaben auf dem Brief verschwammen vor seinen Augen.
 

Ein Schwert-Tag. Ja, das würde es werden, wenn das Urböse wieder angriff. Ein Blut-Tag! Wie wollte es überhaupt gegen Buffy kämpfen, wenn es doch nichts anfassen konnte? War es inzwischen noch mächtiger geworden?
 

Ehe die Sonne erwacht? Verdammt, wieso ging das Urböse ins Kino, und guckte sich die Rückkehr des Königs an?
 

Das hatte es natürlich nicht getan. Es gab ja nur die Dinge wieder, die Warren wusste....
 

Warren hatte diesen Film nie gesehen. Nicht vor seinem Tod.
 

Vor Schreck vergaß Andrew sogar zu weinen. Vielleicht war das Urböse gar nicht Warren gewesen, als es den Brief geschrieben hatte, nein, es war zu diesem Zeitpunkt jemand anderer gewesen, der den Film gesehen hatte, was aber nicht sein konnte, weil es Warren's Handschrift war, also war es jemand anderer gewesen, als es sich den Brief überlegt hatte, und hatte ihn dann in Warren's Gestalt geschrieben, oder es war die ganze Zeit Warren gewesen, und hatte sich zufällig daran erinnert, dass diese Worte auch im Buch standen, auch wenn Warren ganz sicher nicht alle drei Bände...auswendig...kein Mensch konnte....
 

Oh. Mein. Gott.
 

Es konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein.
 

Dies war ein Traum, und er würde jeden Moment aufwachen.
 

Der Brief entglitt seinen Händen, und flatterte zu Boden. Er war mit der beschriebenen Seite nach unten gelandet, und Andrew konnte sehen, dass auch auf der Rückseite etwas geschrieben stand. Es war eine Adresse, die Adresse eines kleinen Sportflughafens am Stadtrand. Es musste der Ort sein, an dem...er... sich mit Buffy treffen wollte, um gegen sie zu kämpfen.
 

Dieser Kampf durfte niemals stattfinden! Buffy würde diesen Brief niemals bekommen, soviel war sicher. Er knüllte das Blatt zusammen, und warf es in den nächsten Mülleimer!
 

Nur gut, dass Cleveland einigermaßen gute Busverbindungen hatte. Er musste sofort zu diesem Flughafen, und Warren zur Vernunft bringen. Und er musste herausfinden, was geschehen war. Wieso er wieder da war.
 

Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte er aus der Spielhalle. Das schwarzhaarige Mädchen am Eingang blickte ihm verdutzt hinterher.
 

Dann holte sie das zerknitterte Blatt aus dem Mülleimer, strich es glatt, und verschwand in einem Flammenwirbel.
 

+++
 

Erie Park

selbe Zeit

Kennedy wanderte ziellos durch den Park. Sie war nicht fähig vom verblassten Asphaltboden aufzusehen, auf dem sich winzige Schneeflocken langsam auflösten. Sie beobachtete die verschiedensten Pärchen, die händchenhaltend durch den Park schlenderten, und die Welt um sich vergaßen.
 

Das alles tat so unglaublich weh. Sie konnte sich nicht einmal mehr an ihren letzten Kuss erinnern, an den letzten Augenblick in dem sich ihre Lippen berührten, und beide neben dem beruhigendem Atem der anderen einschliefen. Kennedy hatte einfach verdrängt, dass es zwischen den beiden nicht immer all zu rosig gelaufen war. War? Hieß das, dass es nun schon ein Zeitpunkt der Vergangenheit war?
 

Sie wollte es einfach nicht wahr haben. Es kam ihr wie gestern vor, als sie in Willow‘s Augen dieses Strahlen sehen konnte, soviel Wärme und leichte Schüchternheit, als die beiden sich an den ersten Tagen ihrer Begegnung – mehr oder weniger – langsam, näher gekommen waren.
 

Doch im Moment sah es leider so aus, als würde bald keine Sonne mehr scheinen, die dunkle Nacht würde über ihre Beziehung hereinbrechen. Und der Windhauch, der ihr im Moment durch die Haare wehte, würde bald den letzten Funken Glut ihrer Liebe zum Erlöschen bringen.
 

Kennedy wusste nicht, ob sie Willow die Schuld geben sollte, oder ob sie die Verantwortung dafür trug, dass sich ihre Freundin immer mehr zurückzog. Wieso sollte die Frau ihrer Träume sie eigentlich auch nur ansehen? Oder sie gar küssen? Vielleicht war sie es gar nicht wert einfach nur von ihr beachtet zu werden.
 

So sehr sie sich auch manchmal einredete stark zu sein, es gab einfach Momente, in denen sie es nicht aushielt, gegen ihre Tränen anzukämpfen. Kennedy hatte keine Ahnung, ob sie Willow dafür hassen sollte. Doch so sehr sie sie dafür hasste, war sie sich dennoch bewusst, dass sie ihr Leben auch nur für ein Lächeln von Willow geben würde.
 

Eines dieser Lächeln, wie die der frisch verliebten Paare, die sich anstrahlten, einander langsam erforschten, und eine wundervolle Zeit miteinander verbrachten. Dennoch sah der Park so kahl aus, genau wie diese graue Parkbank, auf die sich Kennedy setzte. Vielleicht war es besser hier sitzen zu bleiben, alles an einem vorbeiziehen zu lassen.
 

Wenn sie nur nicht mehr an Willow‘s Geruch dachte, und sich nicht daran erinnerte wie sanft sich ihre Haut anfühlte, würde alles besser werden. Doch wie sollten diese Gedanken verbannt werden, wenn man jede einzelne Sekunde nur von Momenten träumt, in denen alles perfekt ist?
 

Leider war es das nie von alleine. Hatte sie sich selbst belogen? Am liebsten würde sie alles hinschmeißen, weit fort laufen, und nie wieder stehen bleiben, sich einfach nicht ihren Gefühlen und Ängsten stellen, doch dafür war es zu spät.
 

Sie war eine Jägerin, hatte schon einmal gegen das Böse bestanden, und würde es bald wieder tun, da könnte ihr doch Willow nichts antun? Auch wenn diese mächtige Kräfte besaß, hatte das nichts damit zu tun, wie sehr sie Kennedy manchmal verunsicherte.
 

Kennedy‘s Augen brannten, der Wind trocknete ihre Tränen, die sie einfach nicht mehr zurückhalten konnte. Sie fühlte sich einfach so leer. Hatte sie nun schlussendlich alles verloren? Das einzige was ihr noch blieb waren ihre Jägerinnenkräfte, die sie nicht ganz und gar nutzlos machten. Sie hatte versucht, sich mit den Scoobys gut zu verstehen, Buffy‘s Stellung für sich zu vertreten, doch sobald das Original auf die Bühne zurückkehrte, war alles wie früher.
 

Für was wurde sie noch gebraucht? Anscheinend gehörte nun selbst Willow‘s Beziehung mit ihr der Vergangenheit an, und jemand müsste nur noch das entgültig letzte Wort sprechen. Sie hatte Angst davor, vielleicht würde es schlimmer sein, als ertragen zu müssen, dass sie nicht Willows Nummer Eins war. Sie einfach nicht an erster Stelle stand.
 

Einzelne Haare klebten an ihrem Gesicht, bedeckten ihre roten Wangen. Sie versuchte mit ihren Gedanken abzuschweifen, Willow in ihr gleichgültig werden zu lassen. Doch es ging nicht besonders einfach. Willow war die Erste und Einzige die sie wirklich liebte, auch wenn sie manchmal ihren Gefühlen nicht so sehr Ausdruck verleihen konnte. Wäre doch möglich, dass ihre Freundin nicht einmal wusste, wie viel sie Kennedy bedeutete?
 

Ob Willow in ihrer Beziehung nur etwas Unverpflichtendes gesehen hatte? Vielleicht nur mit ihr zusammengekommen war, weil es sich gerade so ergeben hatte, sie eigentlich aber auch so nur mit ihr befreundet gewesen sein konnte? Doch für Freundschaft war es zu spät. Sie würde es nicht schaffen, Willow‘s Gesicht zu sehen, ihre Lippen...und diese nicht küssen zu dürfen.
 

Sollte sie Willow‘s Vergangenheit hassen? Tief im Inneren ihrer Freundin war noch so klar zu erkennen, dass sie sich Tara zurückwünschte. Und das nach allem was geschehen war. Willow konnte ohne sie leben, sie brauchte Kennedy nicht. Doch umgekehrt sah es einfach so aus, dass die Rothaarige ihre Luft zum Atmen war, ihre Sonne, die am Morgen aufging, und jeden Schatten verdrängte. Leider war Kennedy in diesen Augenblicken selbst der Schatten...
 

Vielleicht war es einfach zu spät. Möglicherweise hätte jemand von ihnen früher reagieren sollen, doch wie hätte das geschehen sollen, wenn Kennedy auch so schwer an Willow selbst herankam?
 

Es kam ihr vor, als würde die Kälte in ihr Inneres gelangen, sie langsam auffressen. Es war kalt. Sehr kalt. Sie konnte ihren eigenen Atem sehen, als sie langsam ein und aus atmete. Es würde sie nur noch mehr zerstören, wenn sie immer nur an ihre Freundin dachte. Kennedy wollte nicht wahr haben, dass Willow sie vielleicht nur benutzte, ihren Spaß mit ihr getrieben hatte. Sie wollte alles hinter sich lassen.
 

Sie stand auf, warf einen Blick zurück auf den Weg von dem sie gekommen war, wollte sich wieder umdrehen. Kennedy erkannte etwas Weißes auf dem nassen Boden. Ein Briefumschlag? Vielleicht hatte ihn jemand verloren, doch mitten hier im Park?
 

Sie ging ein paar Schritte darauf zu. Bestimmt war es ein Liebesbrief, den sich die Pärchen hier gegenseitig zusteckten, und sich damit die heile Welt vormachten, wie sie selbst es einst getan hatte. Doch wieso war er bereits geöffnet? Die Jägerin hob ihn hoch, musterte den leicht durchnässten Umschlag, und überflog die Zeilen. Man erkannte sofort, dass es sich hier nicht um Liebes-Geflüster handelte, sondern um eine Herausforderung. An die Jägerin.
 

Ein Anfang...ein Ende. War heute wirklich der passende Tag für einen Schlussstrich? Dennoch hörte sich das Ganze ziemlich angeberisch an. Vielleicht sollte sie endlich ihrer Wut freien Lauf lassen, auch wenn es nicht gerade die Person betraf die ihr Leben in letzter Zeit einfach zu sehr beeinflusste. Was konnte sie schon verlieren?
 

Kennedy schob das Blatt Papier zurück in den Umschlag, steckte diesen in ihre Jackentasche, und lief so schnell sie konnte an den kargen Bäumen vorbei.
 

Aus dem Park, und weg von diesen Gedanken und Problemen. Vielleicht war es das alleinig Richtige. Auch wenn sie immer noch ein erdrückendes Gefühl in ihrem Kopf empfand, dass einfach nicht nach geben wollte. Sie würde das einzige tun, was sie noch tun konnte. Jägerin sein, und das ohne Rücksicht auf Verluste...
 


 

+++
 

Café im Erie Park

selbe Zeit

"Setz dich doch, meine Liebe." Einladend deutete D'Hoffryn auf den Platz ihm gegenüber.
 

Willow war es vollkommen schleierhaft, wie ein Dämon mit Hörnern auf dem Kopf am helllichten Tag in einem Café sitzen, und Torte essen konnte, ohne dass sich auch nur ein Mensch darüber wunderte. Sie konnte es sich nicht anders erklären, als dass D'Hoffryn eine Art Illusionszauber über sich gelegt hatte, damit seine Umgebung ihn als gewöhnlichen Menschen wahrnahm.
 

Aber das war jetzt auch unwichtig. Falls der oberste Rachedämon nicht selbst etwas mit Dawn's Verwünschung zu tun hatte, so wusste er mit Sicherheit, wer dafür verantwortlich war. Natürlich konnte sie nicht wissen, ob er ihr freiwillig etwas sagen würde. Bei D'Hoffryn wusste man nie, er war unheimlich schwer einzuschätzen. Nur unterschätzen, das durfte man den Herrscher von Arashmaharr auf keinen Fall.
 

"Ich würde dich gern zu einem Stück Kuchen einladen, falls du nicht gerade fastest." D'Hoffryn's Lächeln konnte wieder mal kein Wässerchen trüben. Welche Masche war das doch gleich, freundlicher alter Opa, oder sensibler Frauenversteher?
 

"Ich wüsste nicht, warum ich es nötig haben sollte, zu fasten," entgegnete Willow spitz, aber sie nahm doch am Tisch Platz. Natürlich, ohne ihr Gegenüber auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.
 

"Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht zu nahe treten." D' Hoffryn winkte der Kellnerin, und wandte sich dann wieder Willow zu. "Ich muss zugeben, dass ich mich nicht übermäßig gut mit euren Bräuchen und Geboten auskenne. Ich weiß auch gar nicht, was heutzutage davon noch aktuell ist. Vieles hat sich ja im Laufe der Jahrhunderte verändert."
 

"Was für Bräuche meinst du?" Willow wurde von Minute zu Minute verwirrter. Wovon redete D'Hoffryn überhaupt? Von den Hexenbräuchen?
 

"Es ist natürlich in Ordnung, falls du nicht darüber sprechen willst," erklärte der Dämon verständnisvoll. "Keine Sorge, dein kleines Geheimnis ist bei mir sicher."
 

"Du weißt, wer ich bin?" Willow durchfuhr es siedendheiß. Konnten die Dämonen eine Hüterin ebenso spüren, wie eine Jägerin? Das hatte sie nicht gewusst!
 

"Solche gewaltigen Kräfte können nicht verborgen bleiben," meinte D'Hoffryn fast entschuldigend, "allerdings für die meisten Magiekenner bist du eine sehr mächtige Hexe, und das war's. Und da man ja im letzten Jahrtausend von euch Hüterinnen nicht viel gehört hat, können ohnehin nur sehr alte und mächtige Dämonen etwas mit diesem Begriff anfangen. Die letzte, mit der ich persönlich gesprochen habe, das war...warte mal...eine Ägypterin. Nein, ich glaube, Babylonierin..."
 

Fassungslos blickte die Hexe ihn an. Bluffte er nur, oder hatte er wirklich Kontakt mit Hüterinnen gehabt. D'Hoffryn war sehr sehr alt, mindestens ein paar tausend Jahre, also war es durchaus möglich, dass er die Zeit der Hüterinnen noch miterlebt hatte. Und ihr Ende.
 

Andererseits konnte er ihr alles mögliche erzählen, sie hatte keine Möglichkeit, es nachzuprüfen. Selbst in den ältesten Aufzeichnungen des Rats hatte sie nichts darüber gefunden, und sie forschte nun schon seit einem halben Jahr...
 

Aber, selbst wenn sie ihm nicht vertrauen konnte, so hatte er sie doch auf eine Idee gebracht. Es war ein Fehler gewesen, ihre Suche nur auf das Material des Rats zu beschränken, auch wenn die Quellen sehr umfassend waren. Neben D'Hoffryn gab es sicher noch andere Geschöpfe, die so alt waren, und die Vergangenheit miterlebt hatten.
 

Zugegeben, die meisten nicht gerade freundlich genug, um mit ihnen ein gesittetes Gespräch führen zu können.
 

"Erzähl mir von ihr." Willow bemühte sich, ihre Stimme möglichst neutral zu halten. "Von dieser Hüterin. Von den Hüterinnen."
 

"Wie mir scheint, weißt du gar nicht, worauf du dich da eingelassen hast." Bedauernd verzog D'Hoffryn das Gesicht. "Der Rat wird leichtes Spiel mit dir haben, wenn du dich nicht genauer über deine Rechte und Aufgaben informierst...was möchtest du?"
 

Die Kellnerin war an ihren Tisch herangetreten, um ihre Bestellung aufzunehmen.
 

"Was?" fragte Willow nun vollkommen durcheinander. Was meinte D'Hoffryn mit dem Rat? Glaubte er, es würde ein Problem geben?
 

"Nur einen Tee, bitte!" Willow wollte die Kellnerin möglichst schnell wieder abwimmeln. Sie musste sich eingestehen, dass sie schon oft darüber nachgegrübelt hatte... wie würde ihr Verhältnis zum Rat aussehen? Sollte sie den Wächtern Befehle geben? Waren die überhaupt bereit, Befehle von einem Mädchen anzunehmen, das so einfach auftauchte, und behauptete über ihnen zu stehen?
 

Für den Moment zögerten sie die ganze Sache noch hinaus. Giles, Lily und auch sie selbst. Aber auf ewig würde das nicht funktionieren, irgendwann musste sie Farbe bekennen. 'Mein Coming out', dachte sie bei sich. 'Schon wieder.'
 

"Bist du sicher?" fragte D'Hoffryn. "Hier gibt es so leckere Kuchen, hast du schon die Sachertorte gesehen. Nach original-österreichischem Rezept, eine echte Delikatesse!"
 

"Nein, danke." Willow war absolut nicht nach Kuchen zumute. Sie wollte wissen, was D'Hoffryn wusste. Kein Ausweichen und keine dummen Anspielungen mehr! "Wir haben über die Hüterinnen, und den Rat gesprochen," erinnerte sie ihn.
 

"Ach ja, der Rat." D'Hoffryn's Miene verfinsterte sich. "Meiner bescheidenen Meinung nach, handelt es sich hierbei um einen typisch männlichen Versuch, die intuitiven weiblichen Kräfte und Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten."
 

"Es gibt auch Frauen im Rat," erinnerte Willow ihn.
 

"Angepasste Frauen gab es in jeder Gesellschaft." Der Dämon nippte an seiner Kaffeetasse. "Ich spreche von den Methoden, nicht von den Personen. Macht nach Regeln, Vorschriften, Zahlen. Die Welt in Schubladen. Was man nicht kennt, wird gefürchtet. Was man nicht versteht, wird vernichtet..."
 

Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, und lehnte sich dann verschwörerisch nach vorne. "Kein Mann wird jemals das kreative Potential einer Frau erreichen können. Wenn Frauen Krieg führen, dann rennen sie nicht einfach los, und ballern wild in der Gegend herum, nein, sie sind ungleich subtiler, einfallsreicher und vor allen Dingen, sie nehmen sich Zeit. Viel Zeit. Ihre Wut, und ihr Hass können Jahrhunderte überdauern."
 

"Wenn du so begeistert, von den Methoden der Frauen bist, warum hast du dann auf einmal männliche Rachedämonen?" wollte Willow misstrauisch wissen.
 

"Ach das." D'Hoffryn winkte ab. "Ein Versuch, nichts weiter. Hat sich bis jetzt nicht wirklich gelohnt, aber wer weiß? Man sollte sich niemals zu schnell ein Urteil fällen."
 

Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. "Keine Frau sollte jemals unter der Kontrolle von Männern und ihren primitiven Gesetzen stehen. Es ist eine Verschwendung ihrer Fähigkeiten..."
 

"Worauf willst du hinaus?" fragte Willow zurück. "Glaubst du, dass ich meine Fähigkeiten beim Rat der Wächter verschwende?"
 

"Glaubst du es denn?" D'Hoffryn lächelte geheimnisvoll.
 

+++
 

Vor der Ratszentrale

etwas später

Jägerin sein, und ihre Wut, ihre Verzweiflung rauslassen. Am liebsten wäre sie sofort losgerannt, aber es wäre doch sinnvoll, eine Waffe mitzunehmen. Sie wusste ja nicht einmal, um was für einen Dämon es sich handelte, und wie man ihn bekämpfen konnte. Besser war es, auf alles vorbereitet zu sein..
 

"Chii?"
 

Ein leises Fiepen riss Kennedy aus ihren Gedanken. Vor ihr im Schnee hockte das niedlichste kleine Geschöpf, das sie jemals gesehen hatte, und versteckte sein Gesicht hinter riesigen flauschigen Ohren.
 

Kennedy kniete sich hin, und streckte die Hand aus. "Na komm her, mein Kleiner!"
 

Zwei große blaue Kulleraugen linsten vorsichtig unter dem wuscheligen Fell hervor, und guckten die Jägerin neugierig an.
 

"Jetzt sei nicht so schüchtern," seufzte sie, und tatsächlich, ganz langsam schien das Tierchen seine Scheu zu verlieren. Es quietschte vergnügt, und kam auf sie zugetappst.
 

Kennedy wandte den Kopf zur Seite, während sie sich eine widerspenstige Haarsträhne zurückstrich - und dann sah sie etwas, das sie alles andere vergessen ließ. Im Rahmen der offenen Eingangstür zur Ratszentrale steckte eine Waffe. Nicht irgendeine Waffe. Die Waffe der Jägerin.
 

Sie stand auf, lief durch den Schnee und zog die rotsilberne Sense aus dem Holz. Kein Zweifel, sie war es. Diese Waffe gehörte ihr, das uralte Wissen durchströmte ihren Körper, als sie sie mühelos durch die Luft gleiten ließ.
 

Was für ein glücklicher Zufall! Jetzt musste sie sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, wie sie gegen den Dämon kämpfen konnte, jetzt konnte sie gegen jeden Dämon kämpfen. Eine ganze Arme der Turok-Han hatte diese Waffe bereits zu spüren bekommen, und dieser Dämon würde es auch. Schon bald.
 

+++
 

Café im Erie Park

etwas später

Die Kellnerin brachte Willow's Tee, und die Hexe nahm sich einen Moment Zeit, über D'Hoffryn's Worte nachzudenken. Sicher hatte er irgendwo recht, der Rat war als eine Art männliche Kontrollinstanz geschaffen worden. Sie hatten die Regeln festgelegt. Nur ein Mädchen, eine von vielen, in denen die Kraft schlummerte, durfte sie auch ausüben. Bei all den anderen musste die Kraft schlafen. Ein Paradebeispiel für die männliche Angst vor weiblichen Fähigkeiten.
 

Aber das war nur die eine Seite der Medaille. Diese Regeln waren geändert worden, und auch der Rat hatte nun eine andere Funktion. Er sollte das tun, was seine moralisch höherstehenden Mitglieder schon immer getan hatten, ausbilden, unterstützen, zur Seite stehen. Diese Ideale zu verwirklichen, war Giles' großer Traum gewesen, als er mit dem Wiederaufbau begann.
 

Und sie selbst unterstützte diese Ideale ebenfalls. Und deshalb war es auch keine Zeitverschwendung. In verzweifelten Momenten mochte sie vielleicht so denken, aber jeder hatte Augenblicke, in denen er die Welt in Frage stellte.
 

Sie stellte die Tasse wieder ab. "D'Hoffryn, falls das wieder einer deiner Überredungsversuche sein sollte, kannst du es ebenso gut sein lassen. Aus mir wird nie und nimmer ein Rachedämon, und das weißt du auch. Ich habe meine dunkle Seite überwunden. Vor langer Zeit schon."
 

"Wenn man dich so ansieht, könnte man das wirklich glauben." D'Hoffryn ließ das letzte Stück Kuchen auf der Zunge vergehen, und sah seine Gesprächspartnerin an. "Brav, schüchtern, unauffällig - oh, nein! Du kannst vielleicht deine Freunde täuschen, aber nicht mich. Ich spüre die Dunkelheit in dir, ich spüre sie wieder und wieder. Sie ist noch da. Du hast sie nur schlafen gelegt."
 

"Aber natürlich ist sie noch da, was erwartest du denn?" fragte Willow entgeistert. "Meinst du, ich hüpfe den ganzen Tag lachend und singend in der Gegend herum, bin glücklich und hab' alle lieb? Das Leben ist kein Disney Film!"
 

Er lächelte. "Erinnerst du dich, was ich dir vorhin über weibliche Macht, und männliche Kontrolle erzählt habe? Genau das meine ich. Yin und Yang. Die helle strahlende männliche Kraft der Regeln beherrscht die dunkle mystische weibliche Macht des Chaos..."
 

"Das ist eine sehr vereinfachende Sichtweise," unterbrach Willow, und kippte ihren restlichen Tee hinunter. Was sollten alle diese Halbwahrheiten? Damit würde er nichts bei ihr ereichen. "Glaubst du wirklich, dass du einfach hier aufkreuzt, mit mir bei Tee und Kuchen philosophierst, und dann lass' ich mein Leben hinter mir, und komm zu dir in deine Dimension der Finsternis geflogen?"
 

"Ein wunderbarer Gedanke," sagte D'Hoffryn beeindruckt. "Und er hätte mir jede Menge Stress erspart."
 

"Sollte das dein großartiger Plan sein?" fragte Willow eisig zurück. "Diese dumme Geschichte mit diesem Rachewunsch, und den wildgewordenen Critters war nur ein Vorwand, um mich hier herzulocken?"
 

"Ich wollte mich einfach noch mal mit dir unterhalten." D'Hoffryn legte einen Geldschein auf den Tisch. "Natürlich hab' ich nicht wirklich geglaubt, dass es funktionieren würde, aber nennen wir's einfach einen letzten Versuch." Er lächelte breit. "Ich bin eben ein unverbesserlicher Optimist."
 

Willow erhob sich. "Ich möchte, dass du dafür sorgst, dass dieser Rachewunsch aufgehoben wird, und meine Freunde wieder normal werden."
 

"Aber sicher," versprach D'Hoffryn. "Wenn du nur noch ein wenig Geduld haben würdest, meine Liebe, mein Rachedämon ist gerade sehr beschäftigt."
 

Er ließ eine Handvoll Münzen mit seltsamen Symbolen auf den Tisch fallen. "Meinst du, das reicht als Trinkgeld?"
 

"Und was hat dein Dämon so Wichtiges zu tun?" fragte Willow, und griff nach ihrer Jacke. "Noch mehr Leute verwünschen?"
 

"Ist es nicht seltsam?" D'Hoffryn's Hände schoben die Münzen auf dem Tisch hin und her. "Jedes Mal, wenn ich Warren begegne, ist er gerade dabei, deine Freundin zu töten."
 

+++
 

Flughafen, außerhalb der Stadt

selbe Zeit

"Willkommen zurück, Mr. Anderson, wir haben Sie vermisst. Gefällt dir, was ich aus diesem Ort gemacht habe?"
 

Andrew rang nach Luft, er war die letzte halbe Meile von der Busstation gelaufen. Es war inzwischen dunkel geworden, eine eisige sternenklare Winternacht, und er dachte wehmütig an seine Handschuhe, die die Kletterpartie über den Stacheldrahtzaun nicht überlebt hatten. Na ja, zumindest waren seine Hände heil geblieben, bis auf einen kleinen Kratzer, aber der tat nicht so weh.
 

Zu allem Überfluss hatte er auch noch seine Mütze verloren, als er auf dem Flughafengelände herumgerannt war. Und es war natürlich keine Zeit gewesen, sie zu suchen.
 

Da es ziemlich dunkel war, hatte er zunächst nicht viel erkennen können, aber irgendwann hatte er unter all dem Schnee eine geräumte Startbahn gefunden. Er war ihr gefolgt, bis irgendwann die düsteren, schattenhaften Umrisse der Flughafengebäude vor ihm auftauchten. Seltsam und unwirklich wuchsen sie aus dem Boden, wie in einem Computerspiel mit schlechter Grafik.
 

Er stand jetzt auf dem riesigen, mit Steinplatten bedeckten Vorplatz der Start- und Landebahnen. Flugzeuge waren keine zu sehen, wahrscheinlich befanden sie sich um diese Zeit in der Halle. Überall stank es fürchterlich nach Benzin.
 

Dann war ihm die dunkle Gestalt aufgefallen, die den Platz umrundete, und dabei etwas aus einem Kanister auf den Boden schüttete. Bei dem schlechten Licht war nicht viel zu erkennen, aber er kannte die Art, wie Warren sich bewegte. Und als Warren sprach, war es derselbe theatralische Tonfall, den er immer hatte, wenn er versuchte, dramatisch zu wirken.
 

"Bi-bist du's wirklich?" fragte Andrew mit bebender Stimme und machte einen zaghaften Schritt vorwärts. Alles war so unwirklich, so nebelhaft. Was, wenn er nur träumte? Was, wenn er in Wirklichkeit immer noch daheim auf dem Sofa lag, und das alles überhaupt nicht passierte.
 

"Du bist wirklich Warren? Du bist nicht tot?"
 

Warren lachte auf, es war ein falsches Lachen, welches grässlich aus der Ferne widerhallte. "Die Dunkelheit nahm mich," flüsterte er geheimnisvoll. "Und ich wandelte außerhalb von Gedanken und Zeit. Über mir kreisten die Sterne und jeder Tag war so lang, wie ein Lebensalter der Erde..."
 

"Aber es war nicht das Ende," setzte Andrew den Satz fort. "Ich fühlte wieder Leben in mir. Ich wurde zurück...zurück..," er überlegte angestrengt.
 

"Zurückgeschickt, bis meine Aufgabe beendet ist, so heißt es!" fuhr Warren ihn an. "Du kannst dir auch überhaupt nichts merken, Matschbirne!"
 

"Was für eine Aufgabe?" fragte Andrew verwirrt.
 

"Überhaupt keine, du dämlicher Vollidiot! Das war ein Zitat!" Warren ließ den leeren Benzinkanister los, und kickte ihn beiseite.
 

Andrew zuckte zusammen. Er war es gewohnt, dass Warren ihn beschimpfte, aber es waren weniger die Worte, die ihn trafen, als dieser grausame Tonfall. "Wieso tust du das?" fragte er verletzt. "Warum bist du so gemein zu mir? Ist es wegen dem, was ich im Quaker's Quest gesagt habe? Das war nicht so gemeint, das wollte ich nicht, wirklich nicht! Bitte, du musst mir glauben, ich hab‘ nicht gewusst..."
 

Warren reagierte nicht im Mindesten auf ihn, sondern blickte sich prüfend um. "Ich wollte Wolkenkratzer, und strömenden Regen, aber dann ist mir noch rechtzeitig eingefallen, dass ich nicht fliegen kann. Und deine heißgeliebte Jägerin auch nicht!"
 

Er wollte an Andrew vorbeigehen, aber Andrew stellte sich ihm in den Weg. "Ich hab nicht gewusst, dass du es wirklich bist, sonst hätte ich niemals solche Sachen zu dir gesagt. Ich hab' gedacht, du bist...uhm... ein ganz ganz böses Wesen, was aussieht wie du, aber nicht du bist...ist, verstehst du?"
 

"Aber klar doch. Das Beste an mir ist, dass es so viele von mir gibt!" Warren wandte sich ab, ging zu einem großen Rucksack hinüber, und begann darin herumzukramen.
 

"Was ist das?" fragte Andrew, als Warren eine Lampe in der Hand hielt.
 

"Blaues Licht!" Warren legte die Lampe zurück und kramte weiter.
 

"Und was macht es?" fragte Andrew weiter.
 

"Es leuchtet blau!" Warren schien endlich gefunden zu haben, was er suchte, ein Katana, das aussah, wie aus einem Samuraifilm. Als er seine Lederjacke auszog, konnte Andrew sehen, dass er nicht mehr das Godzilla T-Shirt darunter trug, sondern ein ärmelloses schwarzes Oberteil mit einem chinesischen Drachen darauf. Er sah ein bisschen aus wie Jet-Li, oder Jackie Chan in seinen jungen Jahren, fand Andrew, besonders, als er das Schwert ein paar Mal durch Luft schwang, und dabei seine Armmuskeln anspannte.
 

Am liebsten wäre er einfach nur stehen geblieben, und hätte Warren weiter angesehen, aber jetzt war wirklich nicht die richtige Zeit, um an Filme zu denken.
 

Er lief ihm hinterher, und fasste ihn am Arm. Sein Blick fiel auf eine halbrunde Narbe an Warren's Oberarm, die hatte er früher nicht gehabt. Wie von Schnabel eines Vogels. War Warren in einer Hitchcock Dimension gewesen?
 

Warren zuckte zusammen, und riss sich heftig los. "Hör endlich auf zu nerven!" fauchte er. "Ich hab' jetzt keine Zeit für deine dummen Geschichten! Ich werde jetzt gegen die Jägerin kämpfen, und diesmal werd' ich sie fertig machen!"
 

"Du hast alle Zeit der Welt," sagte Andrew bestimmt, "denn Buffy wird nicht kommen. Ich hab' den Brief weggeworfen, als mir klar wurde, dass es wirklich du bist. Es wird keinen Kampf geben, begreif das doch! Der Film ist vorbei, und der Endkampf ist abgesagt!"
 

"Da wär ich mir nicht so sicher," durchbrach eine Stimme die Dunkelheit.
 

Beide Jungen fuhren herum. Vor ihnen stand Kennedy, in ihren Händen die Sense, welche im fahlen Licht unheilvoll glitzerte.
 


 

AKT 4
 

Flughafen, außerhalb der Stadt

selbe Zeit

"Ich kenne dein Gesicht!" Warren suchte nach einem Bild, einer Erinnerung, einem Gedanken, der irgendwo verborgen lag, aber er fand nichts, das sich einordnen ließ.
 

"Du bist der Mann, der Willow's Freundin ermordet hat," stellte Kennedy fest. "Ich weiß zwar nicht, durch welche Teufelei du wieder hier bist, aber eins ist sicher, ich werde sie beenden!" Sie hob die Sense, und trat auf Warren zu.
 

"Also sind wir uns schon mal begegnet?" fragte Warren lauernd, und ließ das Schwert kreisen.
 

"Uhm...Auszeit? Auszeit!" Andrew hüpfte zwischen die beiden und machte das T-Zeichen. Niemand beachtete ihn.
 

"Könnte man so sagen." Kennedy ging um Andrew herum, bis sie wieder vor ihrem Gegner stand. "Nur, dass du damals nicht du warst."
 

"Lass mich raten..." Warren's Stimme triefte vor Ironie. "Ich war ein ganz ganz böses Wesen, das aussieht, wie ich, aber nicht ich ist!"
 

"Nein, du warst jemand anderer, aber das ist eine lange Geschichte!"
 

"Klasse." Warren rollte die Augen. "Noch mehr von mir! Wenn das so weitergeht, kann ich wirklich die Matrix übernehmen!"
 

"Uhm, Kennedy?" Andrew stellte sich der Jägerin in den Weg. "Das war ein Unfall, das mit Tara. Ich weiß, das macht es nicht weniger schlimm, aber es war trotzdem kein Mord, und außerdem, Willow hat ihn dafür schon umgebracht..."
 

"Wollen wir langsam mal anfangen?" fragte Warren betont gelangweilt. Er klemmte sich das Schwert unter den Arm, und kramte ein Päckchen Streichhölzer aus seiner Gürteltasche hervor. "Sonst kann ich ja noch 'ne Kippe rauchen!" Es zischte leise, als er eines der Hölzer anzündete.
 

"Aber du rauchst doch überhaupt nicht," wunderte sich Andrew.
 

"Stimmt." Ohne jede Vorwarnung ließ Warren das brennende Hölzchen zu Boden fallen. "Fire walk with me!"
 

+++
 

Café im Erie Park

selbe Zeit

Tara? Was hatte Tara mit alledem zu tun? Ja, Warren hatte sie getötet, aber wieso...
 

Kennedy! Es war ein unmissverständliches Ziehen in ihrem Innersten, ein plötzlicher rasender, unerklärlicher Schmerz, doch er hatte nichts mit D'Hoffryn's Worten zu tun. Es war Wissen, Wissen so alt wie die Welt...das Wissen der Hüterin.
 

Kennedy war in Gefahr! Ihre Kennedy war in tödlicher Gefahr, und ihre Angst wuchs mit jedem Augenblick. Die Welt verschwand um sie herum, verschwand in einem Wirbel aus bunten Farben, löste sich buchstäblich in Nichts auf, das einzige, was blieb....
 

...war die Angst.
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Riesige Flammen schossen gen Himmel, als die Benzinspur sich mit rasender Geschwindigkeit entzündete. Die Feuersbrunst jagte um sie herum, nahm wild flackernde Konturen an und kesselte sie vollkommen ein. Kleinere Benzinspuren dazwischen fingen ebenfalls Feuer, formten ein glühendes Muster auf dem Boden, ein tödliches Labyrinth.
 

Andrew stieß einen Angstschrei aus, und vergrub das Gesicht in den Armen. Heißes hatte ihm schon immer Panik eingejagt, und offenes Feuer mochte er nur auf gewisse Distanz. Und schon gar nicht, wenn es so groß war, und überall.
 

"Andrew." Das war Warren's Stimme, sie klang ganz nah. "Der Eingang ist dort hinten, jetzt hau endlich ab, und lass uns kämpfen!"
 

"Nein!" Andrew schüttelte heftig den Kopf, und zwang sich, die Arme runterzunehmen, damit er Warren ins Gesicht sehen konnte. "Du musst sofort mit diesem Unsinn aufhören!" Er schniefte, und rieb sich die Augen. "Du hast mir ja noch nicht einmal gesagt, wie es überhaupt sein kann, dass du wieder hier bist...oh Gott, ich kann's immer noch nicht glauben!"
 

Er versuchte, Warren zu umarmen, aber dieser stieß ihn grob zur Seite. "Fass. Mich. Nicht. An. Merk dir das ein für allemal! Und dein Rumgeschleime kannst du dir sonst wohin stecken, das zieht bei mir nicht mehr! Nie. Mehr. Lauf zu deiner verdammten Buffy, und sag' ihr, dass sie als nächste dran ist, sobald ich mit dieser Zicke hier fertig bin..."
 

"Das werden wir noch sehen!" Ein rotsilberner Blitz zuckte aus den Flammen, gefolgt von Kennedy. Warren sprang einen Schritt zurück, und riss das Katana hoch.
 

"Sie ist NICHT meine Buffy," schrie Andrew. "Und du wirst nicht gegen sie kämpfen.. gegen sie nicht, und auch nicht gegen Kennedy! Ich weiß zwar nicht, was du bist, aber du bist kein Mensch mehr, und das heißt, sie wird dich umbringen!"
 

"Allerdings, das werd' ich, und jetzt verschwinde hier, Andrew!" Kennedy jagte auf Warren zu, und Andrew spürte das kalte Zischen, als die Sense erneut die Luft durchschnitt. Warren's Arm schnellte nach vorne, um den Schlag zu parieren. Mit voller Wucht klirrten die Waffen aufeinander, und ihr heftiger Aufprall warf die Kämpfenden einen Schritt zurück. Kennedy hatte ihr Gleichgewicht als erste wieder, konnte diesen Vorteil aber nicht ausnutzen, da Andrew erneut im Weg stand.
 

Wütend stieß sie die Luft aus, sie konnte gar nicht begreifen, wie jemand so dämlich sein konnte. Andrew befand sich hier in höchster Gefahr, bei all der Hitze, und dem Rauch konnte es leicht passieren, dass mal jemand daneben schlug, und ihn erwischte. Merkte dieser Trottel das denn überhaupt nicht? Warum brachte er sich nicht schleunigst in Sicherheit!
 

"Sie wird mich umbringen, ach ja?" Warren's Stimme triefte vor Hohn. "Da hab' ich Neuigkeiten für dich, kleiner Ewok! Ich bin jetzt ein Dämon! Ein sehr sehr mächtiger Dämon! Ich habe Kräfte, von denen sie nicht mal träumen kann!"
 

Flammen umzüngelten seinen Körper, und er verwandelte sich in seine wahre Gestalt. Andrew wusste, wie Anya ausgesehen hatte, aber Kennedy hatte Rachedämonen bisher nur auf Bildern gesehen, und schrak zurück. Entschlossen umklammerte sie ihre Waffe. Von diesem rotschwarzen, mit Adern übersäten Monster würde sie sich bestimmt keine Angst einjagen lassen. Sie nicht!
 

"Falls du dich wunderst, wofür das gut sein soll...." Warren hob sein Schwert, und Andrew stieß einen entsetzten Schrei aus, als er sich die Klinge über den Arm zog. "Waffen können uns nicht wirklich etwas anhaben!" Ein paar Tropfen Blut rannen aus der Wunde, bevor sie sich wieder schloss.
 

"Diese hier kann!" Kennedy schubste Andrew aus dem Weg, und ließ die Sense auf Warren niedersausen. "Bring dein hübsches Gesicht zu meiner Axt!"
 

+++
 

Irgendwo

selbe Zeit

"Lass mich raus! Lass mich sofort hier raus!"

Verzweifelt irrte Willow in der Dunkelheit umher. Wo hatte D'Hoffryn sie hingebracht, und was hatte er mit ihr vor? Sie musste sofort zu Kennedy, ihre Freundin warnen, ihr helfen.
 

Sie hob die Hände, um die Göttin um ein Licht zu bitten, damit sie in dieser Schwärze sehen konnte, doch da wurde es schon heller um sie. Sie befand sich im Inneren einer Kuppelhalle, doch schien diese Kuppel keine feste Form zu haben, denn sie ließ sich nicht berühren. Wann immer sie die Hände nach ihnen ausstreckte, wichen die Wände vor ihr zurück, entzogen sich ihr.
 

Es waren rote Wände, und sie schienen aus Flammen zu bestehen. Doch Willow konnte das Zischen der Flammen nicht hören, und auch den brenzligen Geruch des Feuers nicht wahrnehmen.
 

Gestalten bewegten sich in den Flammen, aber sie konnte nichts Genaueres erkennen, das Bild war zu unklar. Feuerwände wechselten sich ab, mit Schneefeldern, und einem sternenklaren Nachthimmel. Es war wie ein Film, der an allen Seiten um sie herum lief.
 

Kennedy! Das dort draußen war Kennedy! Sie hatte es eher gefühlt, als wirklich gesehen, aber das reichte aus, um es zu wissen.
 

"Willkommen, meine Liebe." D'Hoffryn's Stimme schien von überall her zu kommen. "Ich hoffe, es gefällt dir hier in meinem magischen Raum. Du wirst alles sehen können, was draußen geschieht, sobald du dich ein wenig daran gewöhnt hast.
 

"Was sehen?" rief Willow und ihre Stimme zitterte. "Was soll ich sehen?"
 

"Oh, das Spielbrett ist schon aufgestellt," sagte der Dämon zufrieden. "Und die Figuren bewegen sich."
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Warren sprang zur Seite, doch er konnte nicht verhindern, dass die rotsilberne Sense seine Schulter streifte. Es war lediglich ein Kratzer, aber diese Verletzung schloss sich nicht, würde nicht auf magische Weise heilen. Kennedy fühlte, wie Triumph in ihr hochstieg, sie hatte tatsächlich eine Chance, dieses verdammte Scheusal zu besiegen, das ihrer Willow das Herz rausgerissen hatte.
 

Willow's Gesicht stieg vor ihrem inneren Auge auf, ihre Verzweiflung, ihre Tränen. Sie hatte so sehr leiden müssen....
 

Andrew schrie auf, und versuchte Kennedy festzuhalten. Die Jägerin schüttelte ihn mühelos ab, aber sie gestand sich ein, dass sie diesem dummen kleinen Jungen am liebsten eine geknallt hätte. Warum konnte er nicht einfach verschwinden, und sie kämpfen lassen!
 

"Bitte, du darfst ihm nichts tun," flehte Andrew. "Bitte, tu meinem Freund nicht weh!"
 

Kennedy schnaubte wütend. Andrew begriff überhaupt nichts, er war immer nur im Weg. Wie sollte er auch verstehen, was Willow angetan worden war, er lebte doch nur in seiner Filmwelt. Er hatte keine Ahnung von den Dingen, die wirklich zählten.
 

"Freund?" fauchte Warren. "Das war einmal! Vor langer langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis!"
 

"Warum verstehst du das denn nicht?" Andrew's Stimme überschlug sich vor lauter Verzweiflung. "Ich will nicht, dass du stirbst! Du kannst nicht zu mir zurückkommen, und dann einfach wieder verschwinden! Nicht schon wieder! Das geht nicht, das ertrage ich nicht!" Er umklammerte Warren's Arm, aber dieser wandte sich ab. "Das erste Mal hat es dich auch nicht interessiert," murmelte er düster.
 

"Was meinst du damit?" Andrew's Augen weiteten sich vor Entsetzen, aber anstatt zu antworten, stieß Warren ihn beiseite, und stürzte sich mit dem Schwert auf Kennedy. Mit einem grazilen Sprung wich die Jägerin aus, und hechtete zur Seite.
 

"Ich werd' sie fertig machen!" Warren's Augen funkelten vor Zorn, als die Waffen wieder und wieder aneinander klirrten. "Und weißt du, warum ich mir dessen so sicher sein kann? Nicht wegen meiner neuen Kräfte, oh nein!"
 

Er streckte die Hand aus, und deutete mit dem Finger auf Andrew. "Du bist der Grund. Weil du hier bist, und mir die Ohren vollheulst, damit ich dich wieder in die Gang aufnehme. Und das würdest du niemals tun, wenn du dir nicht ganz sicher sein könntest, dass ich gewinne!"
 

"Was soll das heißen, Andrew?" schrie Kennedy. "Stehst du etwa auf seiner Seite? Du miese kleine Ratte! Und wir haben dir alle vertraut!"
 

Warren lachte, und nutzte Kennedy's Verwirrung aus, um sie mit einer Serie von schnellen harten Schlägen weiter nach hinten zu treiben, mitten in die nächste Flammenwand. "Andrew ist die perfekte Mischung aus Wurmschwanz, und Schlangenzunge, hast du das noch nicht gemerkt? Er sucht sich immer jemanden, der groß und stark ist, und schleimt sich dann bei ihm ein."
 

Haarscharf zischte das Katana an Kennedy's Kopf vorbei. "Bis ihm der Jemand dann irgendwann nicht mehr gut genug ist, weil Klein-Uke jemand anderen gefunden hat, der noch größer und stärker ist.."
 

Das Schwert traf Kennedy an der Seite, und sie zuckte zusammen, als es ihre Haut ritzte: "Hast du meine netten kleinen Tierchen nicht gesehen, Jägerin? Sie können genau fünf Dinge tun, und das sind Spielen, Schlafen, Fressen, Schmusen und Quengeln! Und wenn ihnen was nicht passt, dann fahren sie ihre riesengroßen ach-so-blauen Manga-Glubschaugen aus, tun furchtbar niedlich, und meinen, dass die ganze Welt nach ihrer Pfeife tanzt..."
 

Warren und Kennedy waren jetzt hinter der Flammenwand verschwunden, aber Andrew konnte noch immer Warren's Stimme hören "Und dann erzählen sie dir den ganzen Tag dumme Geschichten, die sie auch nur in irgendeinem grottigen Film gehört haben. 'Du bist ja so cool, Warren!' 'Du bist ein Genie, Warren!' 'Du bist ein viel besserer Bösewicht, als Lex Luthor, Warren, du würdest Superman besiegen!..."
 

"Hör auf, hör auf, hör auf!" schrie Andrew. Er konnte gar nichts mehr sehen, vor lauter Rauch, und Tränen, Tränen reichten gar nicht aus, um diesen Schmerz ausdrücken. Da hatte er sich wieder und wieder gefragt, ob Warren ihn im Stich gelassen hatte, oder ob er ihm vielleicht doch wenigstens ein kleines bisschen wichtig gewesen war, nur sich jetzt der schrecklichen, grausamen Wahrheit stellen zu müssen...
 

Warren hasste ihn.
 

+++
 

Kuppelhalle

selbe Zeit

"Warren?" fragte Willow entsetzt. "Das ist Warren? Aber wie..?"

"Ich bitte dich." D'Hoffryn's Stimme klang amüsiert. "Du kennst doch die Regeln, hast du nicht oft genug damit herumgespielt? Du weißt genau, wo man sie ein wenig beugen, oder sogar brechen kann..."
 

Natürlich wusste sie das. Wenn jemand durch eine übernatürliche Kraft starb, bestand zumindest theoretisch die Möglichkeit, diese Person zurückzubringen. Das hieß, wenn man große Macht besaß, und keine Skrupel hatte, gegen die Gesetze der Natur vorzugehen.
 

So, wie sie selbst einmal gewesen war.
 

"Er schien mir ziemlich gut geeignet zu sein," D'Hoffryn lachte. "In gewisser Weise ist er das genaue Gegenteil meiner Anyanka, er macht die Frauen für alles Übel der Welt verantwortlich, und erfüllt die Rachewünsche von Männern, die in irgendeiner Form von Frauen enttäuscht wurden. Aber, wenn ich ganz ehrlich bin..." er pausierte kurz, und schien zu überlegen "... hab' ich ihn mir eigentlich nur deshalb geholt, weil er mich so sehr an dich erinnert hat...."
 

"An mich?" Willow war nicht wirklich überrascht, sie konnte sich gut vorstellen, was der Dämon meinte.
 

Zugegeben, es ist ein sehr viel stilvollerer Amoklauf, die Erde zu zerstören, als mit einer Knarre herumzuballern, und du hattest mit Sicherheit auch die besseren Manipulationstricks, was gewisse Ex-Freundinnen angeht, aber dich konnte ich ja leider nicht haben..."
 

Seine Stimme wurde ernst. "Bis heute!"
 

Bevor Willow einen klaren Gedanken fassen konnte, spürte sie plötzlich einen heftigen Schmerz an der Seite. Mit Erschrecken sah sie, dass sich dort eine kleine Wunde befand, und sie hatte keine Ahnung, wie das passiert sein konnte. War etwas hier in der Kuppel? Etwas Unsichtbares?
 

Sie musste schleunigst hier raus. Das war Kennedy dort draußen, und sie kämpfte gegen Warren!
 

Und endlich begriff sie...
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Kennedy hustete, als der Rauch in ihre Lungen drang, doch sie war entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie musste jetzt stark sein. Für Willow. Um wieder in ihre wunderschönen Augen blicken zu können, ihr sagen zu können, dass sie ihr nie wieder wehtun wollte. Willow hatte genug gelitten, sie musste wieder bei ihr sein, mit ihr zusammensein...sie durfte jetzt nicht sterben! Sie durfte nicht sterben!
 

Mit einem Schrei riss sie die Sense hoch. In den letzten Minuten hatte sie mühsam versucht, Warren's Schläge abzublocken, damit war es jetzt vorbei. Sie musste einen Augenblick Atem schöpfen, und dann wieder in die Offensive gehen.
 

"Ich will, dass du mir auf der Stelle sagst, was los ist! Ich will wissen, warum du solche gemeinen Sachen über mich sagst!"
 

Zum ersten Mal war sie froh, als Andrew auftauchte, sein Gejammer würde Warren lange genug ablenken, damit sie sich zurückziehen konnte. Es war lange her, dass sie zum letzten Mal mit dieser Waffe gekämpft hatte, sie musste sich erst wieder an das volle Potential der Sense gewöhnen. Bis jetzt hatte sie sie hauptsächlich wie eine Axt, oder ein Langschwert eingesetzt, doch es war auch eine Stichwaffe, ähnlich einem Kurzschwert. Sie vereinte mehrere Waffen in sich, das war es ja, was sie so ungeheuer praktisch machte...
 

"Hmh...mal sehen..." Warren tat so, als müsse er überlegen. "Vielleicht, weil sie wahr sind? Vielleicht, weil du ein widerlicher kleiner Mistkerl bist, und ich lange genug auf deine Lügengeschichten reingefallen bin...ja, heul nur, Andrew-chan, das konntest du doch immer am besten, nicht wahr? Heul mir was vor!"
 

Das hätte er am liebsten getan. Sich auf den Boden geworfen, und geweint, bis keine Tränen mehr da waren. Es war wie in einem Alptraum, einem furchtbaren Alptraum, Warren war zurückgekommen, aber nur, um ihn zu quälen, und das Schlimmste daran war, dass er es absolut nicht verstand.
 

Bei Jonathan hätte er es verstanden, schließlich war er für seinen Tod verantwortlich. Aber Warren? Was hatte er Warren jemals getan?
 

"Ich bin kein Mistkerl!" Dass ihm die Tränen runterliefen, konnte er nicht verhindern, aber er würde ihnen nicht nachgeben. "Und ich hab' dich niemals belogen. Alles, was ich zu dir gesagt hab', war ehrlich. Du warst mein Lex Luthor. Und mein Dr. No. Und mein Batman, selbst wenn Batman einer von den Guten ist, und das keinen Sinn ergibt, aber für mich gab es Sinn. Du warst einfach alles für mich..."
 

"Bis diese verdammte Buffy mich zu Brei geschlagen hat, und dann war ich dir nicht mehr gut genug!" schrie Warren. "Du hast zugesehen, wie sie mich fertig gemacht hat, und dann hast du beschlossen, die Seiten zu wechseln, war es nicht so?"
 

"Nein," schluchzte Andrew. Er verstand immer weniger, wie kam Warren nur auf solche Ideen? "Das ist so was von überhaupt gar nicht wahr! Ich wollte immer nur bei dir sein! Aber du bist einfach weggeflogen, und hast mich zurückgelassen. Du hast mir versprochen, dass wir immer zusammensein werden, und dann bist du einfach weggeflogen..."
 

"Du blöder Trottel hattest ein Jet-Pack auf deinem Rücken!" Warren's Stimme überschlug sich fast. "Ich hab' die ganze Nacht auf dich gewartet, die ganze Nacht bin ich im Van gehockt, und hab' gewartet, aber du bist nicht gekommen. Weil ich dir scheißegal war, und alle unsere Pläne dazu! Aber du bist eh nur ein feiger Mitläufer, und damals hab‘ ich das endlich begriffen. Es war alles ihre Schuld, und dieses verdammte Miststück soll mir dafür büßen!"
 

"Du bist wahnsinnig, komplett wahnsinnig!" Verzweifelt versuchte Andrew einen Sinn in Warren's Worten zu erkennen. "Du hast...du hast wirklich geglaubt, ich wär abgehauen...weil Buffy dich besiegt hat...und du hast eine Knarre gekauft, um sie zu...oh mein Gott!"
 

"Gott kann dir auch nicht mehr helfen," zischte Warren. Er setzte Andrew das Schwert auf die Brust.
 

"Wenn du mich töten willst, dann tu's doch!" Trotzig reckte Andrew das Kinn. "Aber nicht, bevor ich dir gesagt habe, was damals wirklich passiert ist!"
 

+++
 

Kuppelhalle

selbe Zeit

"Ist es nicht wundervoll," seufzte D'Hoffryn. "So viele arme Seelen, und alle miteinander haben keine Ahnung. Möchtest du eine Wette abschließen, welcher der drei zuerst stirbt, meine Liebe?"
 

Einen schrecklichen Augenblick lang war sie starr vor Schreck, als sie das ganze Ausmaß von D'Hoffryn's teuflischem Plan begriff. Kennedy sollte sterben, genau wie Tara, sollte sie durch Warren's Hand sterben, und sie selbst sollte dabei zusehen. Hilflos. Unfähig in den Kampf einzugreifen, und ihre geliebte Freundin zu beschützen.
 

Sie würde es nicht zulassen! Nein, sie konnte es nicht zulassen. Sie sammelte Kraft in sich, alle Kraft, die Körper und Geist ihr zur Verfügung stellen konnten, um die Mauern ihres Gefängnisses zu durchbrechen.
 

"Es ist nicht genug," flüsterte D'Hoffryn's Stimme, "es ist nicht genug Kraft, um hier herauszukommen. Aber du kannst es trotzdem schaffen, wenn du dich selbst aufgibst! Lass ab von den Fesseln der Kontrolle, den primitiven moralischen Gesetzen, die deine Macht gefangen halten. Lass die Dunkelheit frei, sie hat so lange darauf gewartet! Lass einfach los! Lass es geschehen, Willow, werde wieder du selbst ...werde wieder du selbst..
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Wo war er nur? Kennedy schloss die Augen, und durchschritt eine weitere Flammenwand. Der Rauch biss ihr in die Nase, ihre Wunde schmerzte, und sie hatte vollkommen die Orientierung verloren.
 

Warren lauerte hier irgendwo in der Dunkelheit. Aber wo?
 

War das ein Schatten gewesen? Diese leisen Geräusche, die das Knistern der Flammen übertönten, waren das Stimmen? Sie glaubte, Worte zu vernehmen.
 

"Du bist gegen das Dach geknallt? Das Dach vom Kassenhäuschen? Das ist die blödeste Ausrede, die ich je gehört hab', und von dir hab' ich schon einiges an blöden Ausreden gehört! Waren es nicht die Aliens, oder wenigstens irgendeine Verschwörung?"
 

Das war Warren's Stimme gewesen. Er und Andrew unterhielten sich miteinander....
 

"Es ist aber wahr," versicherte Andrew. "Erst im Knast haben Jonathan und ich dann von Anya erfahren, dass du...oh, es war so schrecklich, Warren, ich hab' dich so sehr vermisst, jede Nacht hab' ich geweint! Ich hätte dich nie im Stich gelassen, wie kannst du das von mir denken! Ich wäre bis zum Ende mit dir gegangen..."
 

Also doch! Andrew stand tatsächlich auf Warren's Seite...
 

"Bis in die Feuer von Mordor hinein," sagte Warren gelangweilt. "Und ich bin nicht durch Feuer und Tod gegangen, um mir deine dummen Lügengeschichten anzuhören. Behalte deine gespaltene Zunge hinter deinen Zähnen..."
 

Jemanden aus dem Hinterhalt anzugreifen, war nicht ihre Art, selbst wenn es so ein mieser Kerl war, wie Warren. Also trat sie ins Licht des Feuerscheins, damit er sie sehen konnte, aber er bemerkte sie nicht. Er sah immer noch Andrew an, der jetzt direkt vor ihm stand.
 

"Bitte, du musst mir glauben!" Andrew streckte die Arme nach Warren aus. "Ich würde lieber ein einziges Leben mit dir verbringen, als alle Zeitalter der Welt allein."
 

Warren stieß Andrew beiseite, in diesem Moment hatte er Kennedy gesehen, die nur wenige Fuß von ihnen entfernt stand, ihre Waffe zum Schlag erhoben. Mit einem Schlag hätte er auch gerechnet, aber sie stieß zu, wie mit einem Kurzschwert, und sein Paradeversuch ging ins Leere. Als er fühlte, wie die scharfe Spitze seine Bauchdecke durchdrang, gelang es ihm gerade noch rechtzeitig, sich weg zu teleportieren.
 

Die Wunde war nicht tief, doch sie schmerzte höllisch, und dieser Schmerz machte ihn rasend. Damals hatte eine Jägerin ihn besiegt, doch das würde ihm nie wieder passieren...nie wieder würde er wie ein Trottel dastehen. Und schon gar nicht vor Andrew.
 

Verdammt, was war auf einmal mit dieser Jägerin los? Vorhin hatte er sie doch fast schon gehabt, aber jetzt kämpfte sie wie Xena, ihre seltsame Waffe kreiste, schlug, stieß...in Sekundenbruchteilen wechselte sie von einer Taktik in die andere. So schnell konnte er gar nicht parieren, sich gar nicht wegteleportieren.
 

Einmal stolperte er beinahe über Andrew, der sich mühsam vom Boden aufrappelte, und irgend etwas schrie, etwas, das ziemlich verzweifelt klang. Der kleine Ewok hatte nicht die Wahrheit gesagt, dessen war er sich jetzt sicher. Andrew hatte Geschichten erfunden, und ums Haar wäre er wieder darauf hereingefallen. Gegens Dach geknallt. Lächerlich, so blöd konnte nicht mal Andrew sein. Seine Worte waren Gift. Und das würde er ihm auch sagen.
 

Später, wenn die Jägerin tot war.
 

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Kuppelhalle

selbe Zeit

"Kannst du es fühlen, Willow?" D'Hoffryn's riesenhaftes Gesicht war über ihr aufgetaucht, es war, als säße sie in einer Glasmurmel, und sähe über sich das Gesicht des Kindes, welches die Murmel in der Hand hielt. Oh ja, sie konnte es fühlen, die Angst, den Schmerz, und die Verzweiflung! All diese Gefühle, die sie in die Dunkelheit gestürzt hatten, sie waren ein Teil von ihr, und würden es immer bleiben. Sie hatte das akzeptiert, sie versuchte nicht, sie zu leugnen.
 

Diese Gefühle waren notwendig. Ebenso, wie Liebe, Hoffnung, und innerer Friede.
 

'Werde wieder du selbst' hatte D'Hoffryn zu ihr gesagt. Wer war sie? Willow, die Studentin, die Freundin, die Geliebte, die Hexe, die Hüterin. Alles Gesichter von ihr, und eines davon, das der Hüterin, war ein uraltes Gesicht. Alle diese Gesichter waren sie, und D'Hoffryn, der sie nur als Dark Willow sehen wollte, verstand nicht das Geringste davon.
 

Er war auch das erste, was sie aus ihren Gedanken ausschloss. Es fiel ihr leicht, sein Lachen, seine spöttischen Bemerkungen konnten sie nicht treffen, trotz ihrer Angst. Sie sah das rotsilberne Licht der Sense, und fühlte die Kräfte, die diese magische Waffe in ihr erweckt hatte. Dass die Sense ihr so nahe war, war eine glückliche Begebenheit, und half dabei, ihre Kräfte einzusetzen.
 

Die Angst um Kennedy blieb, und doch fühlte sie noch etwas anderes. Zuversicht. Ihre Kennedy war stark, sie war eine tapfere, und geschickte Kriegerin. Sie würde nicht sterben.
 

"Oh doch, das wird sie!" D'Hoffryn's Stimme gellte durch ihre Gedanken, wütend und mächtig. Blitze zuckten aus seinen Fingern, über die Wände der magischen Kuppel hinweg, und hüllten Warren in eine feurige Energie. "Es wird Zeit, das Gleichgewicht der Kräfte ein wenig zu verschieben!"
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Was für eine Macht! was für eine gewaltige Macht. Das letzte Mal, als er etwas Derartiges verspürt hatte, war zugleich das einzige Mal gewesen, die Kugeln von Nezzla'khan hatte ihn mit dieser Power vollgepumpt. Aber diesmal waren es keine Kugeln! Diesmal konnte ihm niemand die Macht wieder nehmen.
 

Er ließ das Katana fallen, das brauchte er jetzt nicht mehr. Seine Hände griffen in die nächste Flammenwand, er konnte er das Feuer berühren, halten, formen. Ein Feuerball, um ihn nach der Jägerin zu werfen!
 

Und einen zweiten! Und einen dritten!
 

Das Mädchen wusste nicht, wie ihr geschah, der Schwung holte sie von den Beinen. Ein paar hilflose Versuche aufzustehen, machte sie noch, aber sie hatte keine Chance, als es Flammen auf sie herabregnete, vollkommen hilflos lag sie vor ihm am Boden. Es war ein Triumph, wie er schöner nicht sein konnte.
 

Warren lächelte böse. "Oh mein Gott, ich hab' Kenny getötet!"
 

Er hob das Feuer ein weiteres Mal, diesmal zielte er direkt auf ihren Hals. Dies würde der letzte Feuerball sein...
 

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Kuppelhalle

selbe Zeit

"Kennedyyyy!"

Sie durfte jetzt nicht nachlassen. Die Wände der Kuppel zitterten bereits, bald würden sie brechen. Die Kräfte ihres Körpers, ihrer Seele, und ihres Geistes vereinigten sich mit den Kräften der Erde, und dem uralten Wissen der Hüterinnen. Die Macht der Sense war wie ein Band, ein mächtiges rotsilbernes Band, das diese Energien miteinander verknüpfte.
 

"Auch diese Kraft wird dich nicht retten!" D'Hoffryn's Stimme schien überall zu sein. "Dich nicht, und sie auch nicht!"
 

Erste Risse zeigten sich, wie Spinnweben schienen sie die Wirklichkeit zu durchziehen. Gleich, gleich hatte sie es geschafft...
 

Willow schickte alle Gebete in ihrem Herzen hinauf zur großen Göttin, dass sie nicht zu spät kommen möge.
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

In diesem Moment spürte er einen heftigen Stoß im Rücken, und das Feuer in seinen Händen erstarb. Er wusste, dass es Andrew war, der ihn beiseite schubsen wollte, es war Andrew's Geruch in seiner Nase, Andrew's warmer Atem in seinem Nacken, und Andrew's Arm, der sich um seine Schultern schlang.
 

Er wollte sich zu ihm umdrehen, und ihm sagen, dass dies ein lachhafter Versuch sei, und niemals funktionieren könne, doch zu seiner Überraschung knickten die Beine unter ihm ein, und die Welt um ihn herum schien auf seltsame Weise zu verschwimmen.
 

Der Boden kam rasend schnell näher, aber er spürte keinen Aufprall, etwas hatte ihn abgefangen, ihn festgehalten, doch er wusste nicht, was mit ihm geschah, es war wie ein Nebel in seinem Kopf. "Es tut mir leid, Warren, es tut mir so leid," schluchzte Andrew's Stimme ganz nahe an seinem Gesicht.
 

Dann löste sich der Nebel, und ein rasender Schmerz breitete sich in seinem gesamten Körper aus. Der kleine Kratzer am Bauch war nichts dagegen gewesen, seine Lunge schien wie in Feuer getaucht, und er bekam keine Luft mehr.
 

Das letzte Mal, als er solche Schmerzen empfunden hatte...
 

...war er gestorben.
 

"Du bist nicht tot." Andrew's Stimme war das einzig Fassbare in dieser sich auflösenden Welt. "Du kannst nicht tot sein. Du kannst es nicht sein. Du kannst nicht tot sein, weil ich dich...ich meine, so ein Schwert bringt einen Rachedämon nicht um."
 

Und es wurde dunkel...
 

...aber nur für einen Moment lang. Eine weitere Welle des Schmerzes durchfuhr seinen Körper, als Andrew das Schwert aus seinem Rücken zog, dort wo er es hineingestoßen hatte.
 

"Du musst dich wegteleportieren, Warren," flüsterte Andrew. "Jetzt gleich, sofort! Ich kann versuchen, dir ein bisschen Zeit zu geben, aber ich kann nicht viel ausrichten. Gleich wird etwas passieren..."
 

"Ich weiß nicht, ob ich die Kraft..." Jedes einzelne Wort ließ seine Lunge explodieren, aber er versuchte es weiter. "Ich bin froh, dass du..."
 

"...hier bei mir bist," setzte Andrew den Satz fort, als ihm die Stimme versagte. "Hier am Ende aller Dinge..."
 

Die Erde bebte. Blitze zucken durch die Luft, die restlichen Flammen um sie herum erloschen, als der Wind über sie fegte. Etwas Gewaltiges, etwas Mächtiges, etwas Uraltes durchbrach die Grenzen der Wirklichkeit, und nahm Gestalt an.
 

In seinen Alpträumen war sie manchmal ein Mensch gewesen, und manchmal ein Dämon, doch dieses Wesen war weder Mensch noch Dämon. Sie war von dieser Welt, und war es doch nicht, voll Macht und schrecklicher Schönheit.
 

Sie kam näher, und er sah ihr Gesicht, alt und jung zugleich, umrahmt von langem schneeweißem Haar.
 

Aber das Gesicht verschwand, als ein Schatten auf ihn fiel.
 

+++
 

Flughafen,

selbe Zeit

Mühsam hob Kennedy den Kopf, einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Es war ein Gesicht, das sie als erstes sah, als sie erschöpft die Augen öffnete, das Gesicht ihrer geliebten Willow, und doch schien es prächtiger und strahlender zu sein, als je zuvor, das Gesicht einer Göttin aus den alten Legenden.
 

Sie wusste, nun würde alles gut werden.
 

Willow's Hand ergriff Kennedy's, sie zog ihre Freundin vom Boden hoch, und diese fühlte, wie sie von neuer Kraft durchströmt wurde. Hand in Hand gingen sie weiter, vorbei an Andrew, der sich schützend vor den halb bewusstlosen Warren stellte, das blutige Schwert zur Abwehr erhoben.
 

In seinem Gesicht mischte sich Furcht mit Entschlossenheit, er hatte panische Angst vor dieser neuen gruseligen und wunderschönen Willow, aber er würde nicht aus dem Weg gehen. Er würde Warren beschützen, egal was auch geschah.
 

"Vorsicht, Kennedy." Willow's Stimme war klar, ihre Augen wachsam. "Die Gefahr ist noch nicht vorüber."
 

"Oh nein, das ist sie gewiss nicht!" D'Hoffryn erschien in einem Wirbel aus Flammen, "Ich stehe zu dem, was ich dir gesagt habe, du verschwendest deine Kräfte mit diesem Wächterrat, und deine Aufgabe kann sowohl dich, als auch sie das Leben kosten. Schreckliche Dinge stehen euch bevor, Dinge auf die ich keinen Einfluss habe...deine Freundin wird schon sehr bald mehr darüber erfahren..."
 

"D'Hoffryn," unterbrach ihn Willow, "lass dir eines gesagt sein. Du verstehst nichts, aber auch gar nichts von Frauen..."
 

"Und du nichts von Magie, meine Liebe. Sonst wüsstest du, wie einfach es ist, Informationen ohne jede Spur verschwinden zu lassen, ganz gleich ob Schrift oder menschliche Erinnerungen. Und du glaubst immer noch, Magie sei dazu da, große Dinge zu bewegen, und das ist ein Irrtum. Sie bewegt kleine Dinge, ganz kleine Dinge. Winzig. Und doch so tödlich!"
 

Er lachte, und war verschwunden, ehe eine der beiden Frauen reagieren konnte. Misstrauisch starrte Kennedy auf die Stelle, wo er soeben noch gestanden hatte, aber er kehrte nicht zurück.
 

"Geh' besser ein Stück zur Seite," forderte Willow Andrew auf, der jetzt neben Warren auf dem Boden saß, und leise auf ihn einredete. Andrew schüttelte heftig den Kopf, und rückte noch dichter an seinen Freund heran.
 

"Du bist wirklich nicht abgehauen," murmelte Warren fassungslos. "du hast mich nicht im Stich gelassen. Wieso check' ich alles immer erst, wenn es zu spät ist?"
 

Eine Energiekugel formte sich zwischen Willow's Fingern, und beide Jungen schreckten zusammen, als die Kugel auf sie zuschwebte. Ängstlich schlossen sie die Augen, und pressten die Hände im vulkanischen Gruß aneinander.
 

Es klirrte leise, als Warren's Schlüsselanhänger in zwei Teile zerbrach. Seine Tage als Rächer betrogener Männer gehörten der Vergangenheit an, ebenso wie die Tribbleplage im Wächterhaus.
 

"Komm nie wieder auch nur in die Nähe meiner Freunde, Warren." Willow's Tonfall war deutlich anzuhören, wie ernst es ihr damit war. "Wenn du am Leben bleiben willst, dann verschwinde von hier!"
 

Warren schien diese Drohung wörtlich zu nehmen, er drückte Andrew eine Hälfte des Anhängers in die Hand, und verschwand in einem Feuerwirbel. Wie es schien, besaß er immer noch einen Teil seiner dämonischen Kräfte, ob das nun mit seiner Auferstehung zusammenhing, oder mit der Energie, die D'Hoffryn ihm gegeben hatte, wusste sie nicht. Andrew blickte erschöpft und erleichtert auf die Stelle, wo sein Freund verschwunden war.
 

Willow fühlte, wie sie müde wurde, langsam klangen ihre Kräfte wieder ab. Die Energie zog sich zurück, ihr Haar färbte sich rot, und sie war wieder nur Willow, die ganz normale Willow, der man ihr Geheimnis nicht ansah. "Gehen wir nach Hause, Ken," seufzte sie erschöpft. "Wir haben noch einiges an Erklärungen vor uns."
 

"Ja, geh'n wir nach Hause," stimmte Kennedy ihr zu. Als ihr Blick den Boden streifte, sah sie dort etwas glitzern, eine goldene Münze mit seltsamer Prägung. Ob D'Hoffryn die hier vergessen hatte?
 

Sie bückte sich, und hob sie auf.
 

+++
 

Ratszentrale

einige Zeit später

"Meinen Zug kann ich wohl vergessen!" Mit einem Seufzer stützte Xander den Kopf in die Hände.
 

"Vielleicht gibt es die Möglichkeit einen billigen Last Minute Flug zu bekommen," schlug Lily vor. "Ich werde gleich mal beim Flughafen anrufen." Sie drückte Giles das Buch in die Hand, in dem sie gerade etwas nachgeschlagen hatte, und verschwand im Flur.
 

"Hab' ich die Viecher wirklich auf der Sense Karussell fahren lassen?" fragte Buffy entsetzt, und Faith nickte grinsend. 'Was für ein interessanter erster Tag in Cleveland' dachte sie halb ernst, halb scherzhaft bei sich.
 

"Und dann haben wir diese seltsamen Münzen mitgenommen," erklärte Willow. "D'Hoffryn hatte sie benutzt, um mich in diese Kuppel einzuschließen, aber er hat wohl nicht mehr geschafft, sie mitzunehmen. Oder er hat sie mit Absicht da gelassen.
 

Sie hatte das Erklären übernommen, da Andrew und Kennedy praktisch nicht ansprechbar waren. Andrew lag zusammengerollt in einer Ecke, hatte den Kopf in Dawn's Schoß gelegt, und weigerte sich, mit irgend jemandem zu sprechen.
 

Kennedy saß in einem Sessel, und starrte nachdenklich vor sich hin. Es waren nicht nur D'Hoffryn's Worte, die sie beschäftigten, sondern vor allem noch etwas anderes. Etwas, wovon sie Willow noch nichts erzählt hatte, und auch den anderen nicht. Etwas, das sie mit eigenen Augen gesehen hatte, worüber sie aber jetzt eigentlich nicht nachdenken wollte.
 

Weil es heute einfach alles zuviel war. Und weil sie nicht wissen konnte, ob es sich wieder nur um einen von D'Hoffryn's Tricks handelte.
 

Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihre Gedanken zurückwanderten, zurück zu dem Moment, an dem sie die erste Münze berührt hatte.
 

Und alles um sie herum, hatte sich plötzlich aufgelöst....
 

+++
 

Irgendwann

Irgendwo

Der Wind streifte über die weiße Fläche, die sich fast ins Unendliche streckte. Vor wenigen Minuten hatte hier noch ein Schneegestöber gestürmt, doch es war vorbei, und bis auf die eisige Kälte und den kühlen Wind, der trotzdem noch über die Ebene strich, war die Luft klar, und rein. Die Wolken lichteten sich langsam, und gaben einen strahlend blauen Himmel frei, der sich am Horizont perfekt an den schneebedeckten Erdboden anschloss.
 

Als gerade die letzten Wolken vom Himmel verschwanden, und die freundlichen Sonnenstrahlen endlich wieder die schnee- und eisbedeckte Weite berührten, ließ sie ihre Finger durch die kalte, weiße Masse gleiten, schloss diese dann, stand auf und öffnete die Hand dann wieder. Ein kleiner Schneeball lag auf ihrer Handfläche, und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie an die verregneten Winter in England dachte.
 

Kennedy, deren langen, dunklen Haare im Wind wehten, schritt barfuss weiter durch die Eiswüste. Ihr trainierter Körper wurde nur von einem eleganten, leichten Kleid aus blauer Seide bedeckt, welches für diese Gegend eigentlich viel zu kalt gewesen wäre.
 

Langsam streifte sie weiter durch den Schnee, und hinterließ kleine Fußspuren, die jedem Verfolger verraten würden, wohin sie gelaufen war. Doch sie lief nicht, und hier gab es keine Verfolger. Hier konnte sie einfach gedankenverloren entspannen, dessen war sie sich sicher. Kennedy wurde von einem Gefühl der Entspannung und Wohltuung erfüllt, und zufrieden schloss sie die Augen, um die frische Luft zu genießen, die durch ihre Lungen strömte.
 

In diesem Moment tropfte etwas Warmes auf ihren rechten Fuß, und bevor sie noch die Augen öffnete, sagten ihr ihre Jägerinneninstinkte, dass es sich um Blut handelte. Im nächsten Moment, als sie ihre Augenlider anhob, musste sie einen Aufschrei unterdrückten. Eine Blutspur zog sich durch den weißen Schnee, und endete bei einem Körper, der einige hundert Fuß entfernt auf einer kleinen Anhöhe lag. Ohne weiter nachzudenken, begann sie auf den Körper zuzulaufen, doch um so schneller sie lief, desto schneller wurde ihr auch bewusst, dass die Entfernung doch größer war, als vorher angenommen. Ein lauter Aufschrei durchschnitt die Stille der Eiswüste, und Kennedy musste ihre Hände gegen ihre Ohren pressen, um ihr Trommelfell vor einem permanenten Schaden zu schützen.
 

Als der Schrei endete, der von dem Körper kam, dessen war sich Kennedy sicher, begann sich dieser plötzlich zu bewegen, und ein schmerzverzerrtes Gesicht drehte sich in ihre Richtung.
 

Als Kennedy die Person erkannte, verließ sie die Kraft in ihren Füßen und sie fiel auf den Schneeboden. Tränen schossen ihr ins Gesicht, als sie tief schluckte, um all ihre Kraft für einen Schrei zu sammeln.
 

”WILLOW!?“ kam es endlich aus ihrem Mund, doch es war zu spät. Direkt neben dem Körper öffnete sich plötzlich eine Spalte, und Willow rutschte hilflos hinein. Ein weiterer Schrei löste Kennedy’s Starre, und gab ihr neue Kraft, mit der sie sich zu dem immer größer werdenden Loch schleppte, und hilflos in die Tiefe starrte, in die gerade ihre große Liebe gestürzt war. ”WILLOW?!“ schrie sie noch einmal, doch als Antwort bekam sie nur einen lauten Donnerknall.
 

Die Sonne war verschwunden, und schwarze Wolken bedeckten den Himmel. Der Boden unter Kennedy’s Füßen begann zu beben, und plötzlich gab es ein lautes Krachen, das aus dem dunklen, tiefen Loch kam. Kennedy wurde auf einmal von einem starken Windstoß erfasst, der sie durch die Luft trug und erst einige Meter von dem Loch entfernt wieder auf dem kalten Schneeboden absetzte. Sie konnte ihren Augen nicht glauben, als plötzlich ein riesiges Etwas aus dem Loch aufstieg. Es war ein mächtiges Pferd, und als der Reiter sie erblickte, ertönte plötzlich D’Hoffryn’s Stimme in ihrem Kopf.
 

“Einer kam über sie, und alles was nach dem Eissturm zurück blieb, war …” doch den Rest konnte sie nicht mehr hören, da ihr eigener Schrei die Stimme übertönte, als der Reiter einen schwertähnlichen Gegenstand aus Eis durch ihre Rippen stieß…
 


 

+++
 

Ratszentrale

einige Zeit später

War es das, was D'Hoffryn gemeint hatte, als er von den schrecklichen Dingen sprach, die kommen würden, und damit, dass sie bald mehr darüber wissen würde? Oder war das reine Spekulation.
 

Kennedy sah zu, wie sich einer nach dem anderen verabschiedete. Lily wollte Xander zum Flughafen bringen, Andrew würde mit Xander's Auto nach Hause fahren, Buffy und Dawn verabschiedeten sich ebenfalls, und Giles begann Gästebetten für Faith, Robin, Ronah und Vi vorzubereiten.
 

"Wär es dir lieber, wenn ich doch hier bleiben würde?" bot Xander Andrew an. "Wenn es dir nicht gut geht...ich könnte Eve auch sagen, dass etwas passiert ist, und ich nicht kommen kann."
 

Andrew schüttelte den Kopf. "Nein, mir geht es gut. Fahr du nur auf dein Seminar! Und es tut mir leid, dass ich mich wegen der Con so aufgeführt hab'."
 

"Schon in Ordnung." Xander lächelte. "Falls irgendetwas sein sollte, falls Warren dich bedroht, oder so, gibst du sofort Buffy oder Giles Bescheid. Du musst keine Angst haben."
 

"Hab ich nicht," versicherte Andrew eine Spur zu hastig. "Ich...ich muss mich nur ein bisschen ausruhen, das ist alles.
 

+++
 

Willow’s College Zimmer

Einige Zeit später

Kennedy‘s Herz schlug wie wild, doch im Gegensatz dazu wurde es gleichzeitig von dieser Stille erdrückt. Wenn sie nur wüsste, was sie sagen sollte.
 

Willow und sie waren zusammen vom Scooby Meeting weggegangen. Gemeinsam? Eher hatten sie solange darauf gewartet, bis eine der beiden endlich das Haus verließ, um eine Konfrontation zu vermeiden. Oder auch um nicht - so wie jetzt - ein Stück nebeneinander zu gehen, und sich nicht sicher zu sein ob man sich verabschieden sollte, wenn sich die Straßenwege trennten.
 

Es war kindisch, dachte Willow. Am liebsten würde sie Kennedy alles sagen. Ihr sagen, welche Angst sie um sie ausgestanden hatte, ihr sagen, dass sie nicht ohne sie leben konnte, sie liebte...mehr als sie jemals gedacht hatte, und sich nicht sicher war, ob eine Steigerung überhaupt möglich war.
 

Die Jägerin wusste nicht, ob es richtig war, jetzt damit anzufangen zu diskutieren, zu besprechen, ob alles noch einen Sinn ergab. Am liebsten würde sie gerade ihre Gedanken realisieren. Ihre Gedanken... die sie dazu bringen würden, vor Willow stehen zu bleiben, sie zu küssen... sie an die Wand zu drücken, und alles um sich herum zu vergessen... im nächsten Augenblick einfach ihren Hals zu küssen, Willow's Atem zu hören, der ihren eigenen übertönte...
 

Ein Hupen holte sie zurück in die Realität, doch es war gerade so unglaublich, einfach nur an Willow's Geschmack zu denken, Dinge die passiert waren und die wieder passieren sollten. Auch wenn sie Willow nur ein kleines Lächeln schenkte, als sie in die andere Richtung ging, musste sie sie wieder sehen, heute Nacht versuchen, alles wieder ins Lot zu bringen.
 

Es durfte nicht zu spät sein. Willow hoffte, dass es nie zu spät sein konnte, als sie Kennedy hinterhersah, als sich dieses warme und gleichzeitig stechende Gefühl in ihrer Magengegend ausbreitete, und sie sich danach sehnte, ihrer Freundin wieder so nah zu sein, wie sie es einmal war. Sich vielleicht sogar irgendwie neu verliebte, nicht fassen konnte, dass es noch stärker sein konnte, als damals, als sie es das erste Mal gefühlt hatte. Damals, als das Licht im Bronze sich in den Augen beider gespiegelt hatte...
 

”Willow..“, Kennedy stand vor ihrer Freundin. Es gab so viel, das sie in diesem Moment bereden konnten, doch vielleicht war es besser einen einzigen Moment, oder vielleicht eine ganze Nacht lang, keine Worte zu sprechen, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
 

Die roten Kerzen in Kennedy's Zimmer erleuchteten den Raum, ließen Willows Augen noch mehr funkeln, als sie es so schon taten, erfüllten beide Augenpaare mit zusätzlicher Wärme.
 

Vor ein paar Minuten war Kennedy damit beschäftigt gewesen, die richtigen Worte zu finden, um endlich den Hörer aufzuheben, und Willow zu sagen, dass es ihr leid tat. Sie hoffte, dass Willow ihre Entschuldigung annahm, und sie vielleicht zu ihr kommen würde.
 

Die Rothaarige war selten bei Kennedy, doch das wollte sie verdrängen. Es war immer sie, die auf ihre Freundin zuging, doch es war Zeit, all das für einen Augenblick zu vergessen.
 

Es hatte sich erledigt, als Willow an die Tür klopfte, fast atemlos davor stand, ihre Hände auf die Hüften gepresst, als wäre sie stundenlang gelaufen. Sie ließ Kennedy keine Zeit, auch nur ein Wort zu sagen, drängte sich durch die Tür, blieb stehen. Sie starrte die Lichter an, die vom Boden aus, den Raum romantisch erhellten, sah in Kennedy's Augen, und fühlte wie sich langsam der Kloß in ihrem Hals löste.
 

”Ken’...“, Willow sah sie lächelnd an, Kennedy konnte Willow noch immer die Tränen ansehen, die sie heute vergossen haben musste, und auch wie sich neue Tränen der Freude bildeten.
 

Die Jägerin war selbst so verletzlich, doch in der Gegenwart ihrer großen Liebe fühlte sie sich stark, aber sie konnte keine Sekunde mehr vergehen lassen, in der sie Willow nicht in ihre Arme schloss, sie küsste und ihr zeigte wie viel sie ihr bedeutete.
 

Willow sah wunderschön aus, als sie in diesem Kerzenmeer stand, das ihr Lächeln erhellte, und Kennedy gab ihr ein unglaubliches Gefühl, einfach nur mit ihrer Anwesenheit.
 

”Irgendwie ist nichts besser als dieser Augenblick, in dem ich merke, dass ich noch nie jemanden so geliebt habe wie dich, und ich es wohl für immer tun werde...“, flüsterte Kennedy, als sie langsam einen Schritt auf die Rothaarige zu ging, und zärtlich Willows Lippen mit zwei Fingern nachfuhr. Sie hatte Angst, dass sich Willow anders entschieden hatte. Nur hierher gekommen war, um die Geschehnisse zwischen den beiden zu bereinigen, und eine Schlusslinie zu ziehen.
 

Gleichzeitig waren ihre Lippen so sanft, schmeckten so gut, Kennedy würde es nicht aushalten, sie nie wieder küssen zu dürfen. Ein Kuss würde alles perfekt machen, und die Brünette noch abhängiger nach Willow‘s Zunge, die ihre eigene zärtlich umspielte.
 

Willow war unfähig, ein Wort zu sagen...sie wollte einfach in ihrer Freundin versinken, sie nie mehr los lassen. Es war so wunderschön, einfach nur hier zu stehen. Kennedy‘s Duft zu riechen, und sich besser denn je zu fühlen. Auf eine ganz andere Weise, als vor langer Zeit mit Tara, doch darüber wollte sie nicht nachdenken, sondern es einfach nur weiter genießen.
 

”Ich glaube, ich bin verloren ohne dich“, entgegnete Willow, bevor sie Kennedy küsste, nie wieder von ihren weichen Lippen entfernt sein wollte. =94Ich liebe dich.“,...flüsterte die Hüterin, nachdem sie ihren Kopf an Kennedy‘s Hals geschmiegt hatte, ihr leicht fruchtiges Duschgel riechen konnte, das sie nur zu sehr an schöne Stunden erinnerte. Stunden, in denen sie jeden Millimeter ihrer Haut erkundet hatte. Für einen kurzen Augenblick verharrten sie so. Kennedy hatte Angst, dass Willow ihren Herzschlag hören konnte.
 

Sie fühlte sich unbeschreiblich. Es gab gerade so viel, was sie bedenken konnte, soviel was in ihrer - manchmal mehr und manchmal weniger - Beziehung geschehen war, oder noch geschehen würde, doch wieso sollte man nicht einfach einmal daran glauben, dass keine Rücksicht auf Verluste genommen werden sollte? Es war endlich Zeit, sich einfach fallen zu lassen, und sich den Gefühlen hinzugeben.
 

“Ich liebe dich auch...“, antwortete Kennedy, spielte mit Willow‘s Haar, das durch das Licht leicht golden schimmerte, ”auch wenn es Augenblicke gibt, in denen diese Liebe Schmerz bedeutet...aber sagen wir mal, dass ich nichts gegen Masochismus habe..." grinste sie.
 

”Mmh, stört es dich, wenn ich deine neue sexuelle Neigung nicht sofort berücksichtige, oder soll ich schnell ein paar Handschellen herzaubern?“, entgegnete Willow in unschuldigem Tonfall.
 

”Ich würde wohl auch gern mit etwas anderem vorlieb nehmen... aber das mit den Handschellen können wir gern einmal probiern’, dann bist du mir schutzlos ausgeliefert...“, flüsterte Kennedy, als sie mit ihren Händen Willow's Rücken entlangstrich, ihre Freundin kurz massierte. Ihre Berührungen wurden leichter, als Willow‘s Zunge ihren Hals entlang wanderte...sanfte Küsse hinterließ, und die Brünette einen leichten Seufzer ausstieß. ”Ich denke, das bin ich sowieso...du bringst mich um den Verstand...“ hauchte Willow.
 

Kennedy's Gedanken wanderten ab, erinnerten sich an die Stunden davor, als beide die Straßen entlanggingen, und sich langsam das Verlangen nach ihrer Freundin steigerte. Doch diesmal roch sie Willow‘s mildes Deo, das sich wunderbar mit ihrem Geruch mixte, und sie wollte nur noch eines...Willow unter ihr, Ken’s Zungenpiercing das langsam über ihre Haut wanderte, ihren Hals entlang, über ihr Schlüsselbein streifte, und ihre Hände, die den Körper ihrer Freundin erkundeten... mehr wollten.
 

Es war einfach so perfekt...Kennedy‘s Bett, in dem sie so selten lag, der leichte Duft von Rosenblättern, Kennedy‘s zarte Berührungen, die hoffentlich bald an Intensität zunehmen würden, und leise Musik die die Stimmung noch etwas anhob. Einfach nichts konnte in diesem Moment etwas so gut machen, wie die sanften Hände von Kennedy die über Willow's Bauch streiften, und Kennedy's Lippen die den Körper ihrer Geliebten mit Küssen bedeckten...
 


 

+++
 

Xander's und Andrew's Apartment

selbe Zeit

Ein Lichtstrahl fiel von draußen in den dunklen Flur, als Andrew die Wohnungstür aufdrückte, und lenkte seinen Blick auf einen weißen Zettel, der mitten auf dem Boden lag. Andrew bückte sich nicht danach, er wusste schon was drauf stand. 'Things are looking up' auf der einen, und Wiekamp Air Force Base auf der anderen Seite.
 

Die fünfte X-Files Staffel war eh' die letzte wirklich gute gewesen, ab der sechsten ging es rapide bergab.
 

Er konnte den Gedanken gar nicht zuende denken, als er auch schon gepackt, und zu Boden geworfen wurde. "Sie lassen nach, Mulder, ich kann Sie schon mit einer Hand fertig machen!"
 

Er überlegte angestrengt. "Ich muss jetzt irgendwas Perverses über deine Hand sagen, aber...ich hab's vergessen..."
 

"Es heißt: 'Brauchen Sie die nicht, um sich selber fertigzumachen, was ist daran so schwierig? Und dann erzähl' ich dir von den Aliens, an die du nicht glaubst, weil das die Folge ist, wo Scully an Aliens glaubt...aber wenn du meinst, können wir das ganze Zwischendrin-Gelaber auch einfach weglassen..."
 

"Oh ja, bitte!" Andrew wandte den Kopf zur Seite.
 

"Das ist die falsche Seite!"
 

"Wirklich?"
 

"Ja, und eigentlich sind wir irgendwie verkehrt herum, aber das liegt daran, dass deine Wohnung verkehrt herum ist, bei Mulder zeigt der Fernseher in die andere Richtung.
 

"Also ist es die richtige Seite?"
 

"Na, ja so rum betrachtet..."
 

"Es ist alles so kompliziert," murmelte Andrew leise. "Du bist wirklich hier, und du bist nicht das Urböse, und eigentlich versteh' ich es immer noch nicht. Und ich weiß nicht, was wir machen sollen, und wie das jetzt alles weitergehen soll, jetzt wo ich doch einer von den Guten bin, und kein Oberfinsterling mehr, und irgendwie ist das alles so kompliziert, und das hab' ich schon mal gesagt, und können wir das alles nicht einfach weglassen?"
 

Hilflos blickte er Warren an. "Können wir jetzt nicht einfach nur Star Trek gucken?"
 

"Bist du sicher?" Ein nachdenklicher Ausdruck war in Warren's schwarze Augen getreten. "Nettes buntes anständiges Star Trek?"
 

"B5? Nur, wenn ich nicht auf die Fortsetzung warten muss!"
 

"Star Wars?"
 

"Hm...Lichtschwertkampf...Ninja Turtles?"
 

"Nein, bloß keine Pizza, ich kann den Geschmack echt nicht mehr ab! Matrix mit viel viel Zeitlupe?"
 

"Hitchhiker's Guide. Wir haben auch Handtücher da."
 

"Irgendwas mit Weltall."
 

"Hm...Weltall ...es gibt keine Bienen im Weltall"
 

"Nope. Keine Bienen im Weltall."
 


 

GrrrrArgh

Folge 10: Virus

Länge: ca. 45 Seiten

Autor: Steffi

Co-Autoren: HopelezZ, Yamato, lion

Bilderstellung: Chris (buffy-online)
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

TEASER
 

Einkaufszentrum,

früher Morgen

Das Licht der aufgehenden Sonne brach sich in den Fenstern der Glaskuppel, die die Besucher des Einkaufszentrums zu bewachen schien. Die mit goldenen Kugeln verzierten Weihnachtsgestecke und die leise Melodie von "Jingle Bells" welche aus den Boxen an den Säulen drang, verbreiteten einen Hauch von Weihnachtsstimmung. Auch wenn das Gedränge von Menschen so rein gar nichts Weihnachtliches an sich hatte.
 

Ein kleiner Junge drückte sich vor dem Schaufenster von Toys’R’Us die Nase platt, sah seinen Vater an, der neben ihm stand, und deutete mit flehentlichem Blick auf ein rotes Feuerwehrauto.
 

Dawn musste über diese Szene schmunzeln. Manche Dinge änderten sich wirklich nie.
 

Heftiges Fußgetrappel riss sie aus ihren Gedanken, und im nächsten Moment kam Andrew um die Ecke gestürmt. "Entschuldigung," keuchte er, "hab' verschlafen. Wartest du schon lange?"
 

"Lange genug, dass du mir 'ne Cola spendieren darfst," grinste Dawn, doch sie entschied sich dafür, Andrew die kleine Verspätung nicht weiter nachzutragen. Sie hatten noch den ganzen Sonntag Zeit, um durch die Läden zu bummeln, und potentielle Weihnachtsgeschenke in Augenschein zu nehmen.
 

"Kein Problem!" lachte Andrew, und irgendwie schien sein Lächeln heute strahlender zu sein, als sonst, und in seinen Augen lag dieser ganz besondere Glanz. "Du siehst heute so anders aus," stellte das Mädchen fest, und musterte ihn neugierig, doch seine Klamotten wirkten wie immer, lediglich das Godzilla T-Shirt kannte sie noch nicht. "Neue Frisur?" versuchte sie es vorsichtig.
 

Andrew guckte sie verwirrt an, und brach dann in ein Kichern aus. "Selbe, wie immer. Höchstens etwas durcheinander, weil ich mich so beeilt hab." Er versuchte, mit den Fingern seine verwuschelten Haare zu ordnen, doch es misslang gründlich. "Uhm, ich bin letzte Nacht vor der Glotze.... ich meine, wonach wollen wir als erstes suchen?"
 

Andrews Frage entlockte Dawn einen lauten Seufzer. „Nach einem Geschenk für Buffy“ erklärte sie. „Man sollte meinen, dass es einfach ist für die eigene Schwester ein passendes Geschenk zu finden“ fügte sie murmelnd hinzu und warf einen Blick in die Schaufenster, an denen sie vorbei gingen. Ein Schuhgeschäft, eine Boutique, eine Parfümerie…nirgendwo hatte Dawn das passende Geschenk für ihre Schwester gesehen.
 

„Zu dumm, dass es nicht ein Geschäft für Jägerinnenzubehör gibt!“ ertönte plötzlich eine Stimme hinter Andrew und Dawn. Die beiden drehten sich um und blickten in Xanders grinsendes Gesicht.
 

„Du auch hier?“ fragte Dawn überrascht, doch keineswegs unerfreut. "Wie lief's auf deiner Fortbildung?"
 

"Ziemlich stressig, aber das hab' ich auch nicht anders erwartet. So läuft's doch immer bei den mächtigen Drei, Prue geht schuften, während Piper und Phoebe sich mit Leo und Cole amüsieren," fuhr Xander grinsend fort, und ihm entging völlig, dass Dawn knallrot im Gesicht wurde, und Andrew erschrocken die Luft einsog. "Na, und als ich heute morgen zurückkam, dachte ich, ich stell meinen Koffer ins Schließfach, und schau mal zu euch ins Einkaufszentrum rein. Also hier bin ich. Harris. Xander Harris, mit der Lizenz zum Einkaufen!" verkündete er, und senkte seine Stimme, um James Bond ähnlicher zu klingen.
 

"Und Dalton ist trotzdem ein viel coolerer Bond als Connery," murmelte Andrew trotzig vor sich hin.
 

„Gut. Wir könnten wirklich Verstärkung gebrauchen“ seufzte Dawn und sah sich hilflos in dem riesigen Einkaufszentrum um. Ein Geschäft reihte sich an das andere und nirgends schien sich ein passendes Geschenk für Buffy finden zu lassen.
 

„Vampire?“ flüsterte Xander besorgt.
 

„Geschenke,“ gluckste Andrew und warf Dawn einen neckischen Seitenblick zu.
 

„Da seht mal!!“ rief er plötzlich aufgeregt. Sie hatten die Ebene einmal umrundet, und steuerten wieder auf den Toys’R’Us zu, in den Dawn vorher den Vater und das Kind hatte verschwinden sehen. Dawn verzog amüsiert die Mundwinkel.
 

„Uhm…Andrew, ich denke, aus dem Barbie-Puppen-Alter ist Buffy raus!“ warf Xander ein, doch Andrew hörte nicht auf ihn, sondern stürmte geradezu in den Laden. Als Dawn und Xander ihn - mehr, oder weniger verwirrt -eingeholt hatten, fanden sie ihn vor einem Regal, in dem haufenweise Plastiklichtschwerter lagen. Er hatte sich eine Darth Maul Gummimaske übergestülpt, und hielt eines der Schwerter in der Hand. "Stell dich, Obi-wan!"
 

„Die gute Seite der Macht wird triumphieren!“ grinste Xander, nahm sich auch eins und ehe es sich Dawn versah, war ein Schwertkampf zwischen den beiden jungen Männern entbrannt, der sich auch nicht durch Dawn beenden ließ. Andrew hielt das Schwert in die Höhe um einen Schlag von Xander abzuwehren und amte die Geräusche der Lichtschwerter nach.
 

Dawn beschränkte sich darauf, mit den Augen zu rollen, doch in diesem Moment bog eine Verkäuferin um die Ecke, und sah die drei stirnrunzelnd an. Xander schenkte ihr ein charmantes, wenn auch ein wenig verlegenes Lächeln, und hielt Andrew's Schwert fest, um die Spielzeuge wieder ins Regal zurückzulegen.
 

"Die nehm' ich mit!" Andrew's hochroter Kopf tauchte unter der Gummimaske auf, und seine Augen leuchteten wie die eines kleines Kindes unterm Weihnachtsbaum. "Und das da auch!"
 

Er griff nach einem Polizisten Set, welches am Rande des Regals hing. Auf dem Pappkarton waren ein Polizeiabzeichen, ein Gürtel mit Spielzeugpistole, und ein paar Handschellen befestigt, allesamt aus Plastik, und unglaublich kitschig, das schien ihn aber nicht im mindesten zu stören. "Der Cop fesselt den Superschurken, und durchsucht ihn dann nach Waffen," erklärte er Xander, "es sei denn natürlich, der Superschurke ist stärker, und überwältigt den Cop. Bei einem guten Film weiß man nie, wie er ausgeht!"
 

"Und ich hatte gehofft, du wirst endlich mal erwachsen," stöhnte Xander. "Wenn ich Handschellen sehe, dann denk ich nicht an Cops und Superschurken."
 

Dawn nahm währenddessen die Gummimaske in die Hand und beäugte sie kritisch "Unter so einem Ding bekommt man doch kaum Luft!"
 

Anstatt einer Antwort kicherte Andrew nur, schnappte sich seine Spielzeuge und marschierte in Richtung Kasse davon. "Hey!" rief Xander ihm noch hinterher, "was ist eigentlich mit deinen Haaren passiert?"
 

"Schauen wir doch schon mal ins Schmuckgeschäft nach nebenan," schlug Dawn vor, "vielleicht finden wir ja dort etwas für Buffy."
 

+++
 

Kanalisationsschacht,

selber Morgen

Wasser plätscherte entlang des engen Abwasserkanals von Cleveland. Das einzig begehbare – falls denn tatsächlich mal ein Mensch hierher kommen sollte – war der kleine Asphaltweg, der gerade mal ein paar Zentimeter breit war.
 

Doch die große, dünne, vermummte Gestalt schien sich nicht daran zu stören. Der Atem des Unbekannten war schwer, fast als hätte er einen Dauerlauf zurücklegen müssen um hierher zu gelangen.
 

Die Gestalt zog unter ihrer Robe ein kleines Fläschchen heraus, in dem sich kleine insektenähnliche Tiere befanden, die viel Ähnlichkeit mit kleinen Larven hatten. Auch wenn das Gesicht unter der Kapuze der Robe verborgen blieb, blitzten weiße Zähne darunter hervor. Dann öffnete der Fremde die Flasche und ließ die Tierchen – unzählig viele – in das Wasser. Einen Augenblick betrachtete die Gestalt in Kapuze das Treiben und ging dann den Weg zurück, den sie gekommen war.
 

+++
 

Einkaufszentrum,

etwas später

,Vier Wochen bis Weihnachten!´ stöhnte Dawn in Gedanken und stocherte frustriert darüber, dass sie noch immer kein Geschenk für Buffy gefunden hatte, in ihrer Hühnernudelsuppe herum. Sie blickte sich um, so gegen Mittag wurde es im Einkaufszentrum richtig voll. Auch das kleine Café, indem sie es sich gemütlich gemacht hatten, war inzwischen überfüllt, ein Wunder, dass sie noch einen Tisch gefunden hatten. Xander hockte bereits neben ihr, während Andrew mit einem Milchshake in der Hand auf die beiden zusteuerte. Statt sich zu setzen, blieb er jedoch unschlüssig vor seinem Platz stehen, und trat von einem Fuß auf den anderen.
 

"Was ist denn los?" fragte Dawn verwundert.
 

"Ich...na ja, ich wollte mit euch über was reden..."
 

"Setz dich doch erstmal hin," versuchte Xander ihn zu beruhigen, "und dann erzähl uns was los ist."
 

Andrew schüttelte den Kopf. "Ich bin grad nicht in Sitzstimmung," erklärte er fast entschuldigend, und nahm einen Schluck von seinem Shake, als müsse er sich Mut antrinken. "Also...hm, wie fange ich das jetzt an?"
 

"Du hast die Wohnung in Brand gesteckt, während ich auf Fortbildung war?" scherzte Xander.
 

"Du bist schwanger?" setzte Dawn noch einen drauf.
 

Andrew holte tief Luft. "Ich hab überlegt, mir einen neuen Job zu suchen."
 

Dawn und Xander sahen überrascht auf. "Das wäre super, vielleicht schaffst du es dann endlich, etwas beiseite zu legen," freute sich Xander. "An was für einen Job hattest du denn gedacht?"
 

Andrews Augen begannen zu strahlen. „Im Games In!“ schwärmte er.
 

"Games was?" fragte Dawn verwirrt.
 

Xander rollte mit den Augen. „Games In. Der Comic und Rollenspielladen, in dem wir vorhin waren, als du Klamotten anprobiert hast. Der Besitzer sucht ab nächstem Jahr einen neuen Angestellten.“
 

„Ich weiß nicht, ob ich mich bewerben soll!“ gestand Andrew und warf Dawn einen unsicheren Blick zu. Tief in ihrem Inneren war Dawn eher skeptisch. War ein Job in einem Comicladen wirklich das Richtige? Andrew würde sich noch mehr in seine Welt aus Filmen und Geschichten zurückziehen.
 

Dawn schüttelte mit dem Kopf, um diesen Gedanken beiseite zu schieben. Sie hätte sich von Buffy auch Unterstützung für ihren Job beim Fahrradkurier erhofft und stattdessen nur Skepsis geerntet. Abgesehen davon, warum sollte Andrew nicht versuchen, mit seinem Hobby Geld zu verdienen? Ein Job, der Spaß machte, und von dem man Ahnung hatte, war doch das beste, was einem passieren konnte! Schlussendlich hatte Dawn sich dazu entschieden, Andrew zu unterstützen. Auch wenn sie sich einen kleinen Rest Skepsis bewahrte.
 

„Ich finde du solltest dich da bewerben, Andrew!“ sagte Dawn und berührte ihren Freund kurz am Arm.
 

„Meinst du wirklich?“ fragte Andrew überrascht. Seine Augen strahlten vor Freude wie bei einem kleinen Jungen, der unter dem Weihnachtsbaum gerade das tollste Videospiel aller Zeiten entdeckt hatte.
 

„Es gibt keinen, der geeigneter für diesen Job wäre als du. Ich meine, wer kennt sich denn schon besser mit Batman aus, und wer kennt alle Folgen von Babylon 5?“ fragte Dawn und lächelte aufmunternd. Andrews strahlender Blick wechselte von Dawn zu Xander.
 

„Hol dir den Job, Andy!” nickte Xander Andrew zu. Zuerst sah Andrew seine Freunde noch ein wenig unentschlossen an, doch dann fasste er sich ein Herz, stand auf und ging beherzten Schrittes an den Schaufenstern vorbei. Einen Moment später war er hinter der nächsten Ecke verschwunden.
 

Gedankenverloren blickte Xander ihm nach. Es war wieder einer dieser Momente, in denen er nicht wusste, was er von dem Jungen halten sollte. War Andrew nun auf dem Weg erwachsen zu werden, oder flüchtete er sich wieder in seine kindliche Welt zurück? Jedes Mal wenn Xander glaubte, Anzeichen in die eine, oder andere Richtung zu entdecken, passierte wieder etwas komplett anderes, das alle seine Vorahnungen wieder ins Gegenteil umkehrte. Und das ging jetzt schon die ganze Zeit so...es machte ihn wahnsinnig.
 

„Ich muss sagen: Du überraschst mich jedes Mal“ wandte er sich schließlich an Dawn, die ihm gegenüber saß. Das Mädchen zog verwundert eine Augenbraue hoch.
 

„Ach ja?“ grinste sie.
 

Xander nickte. „Du bist skeptisch wegen des Jobs und du hast Zweifel, dass unser Filmfreak Andrew solch einer Verantwortung gewachsen ist und trotzdem hast du ihn ermutigt!“ lächelte er.
 

„Woher?...“ setzte Dawn überrascht an, doch Xander unterbrach sie mit erhobener Hand.
 

„Nenn es Intuition!“ lächelte er, wandte seinen Blick von Dawn ab und wieder der endlos scheinenden Straße aus Schaufenstern und anderen Geschäften zu.
 

Opening Credits
 

AKT 1
 

Buffys und Dawns Wohnung,

zwei Tage später

Die Sonne schien hell durch die Fenster zu Dawns Zimmer. Der Radiowecker links neben ihr auf dem Nachttisch zeigte 09:00 Uhr an. Eigentlich müsste sie aufstehen, doch ihr ganzer Körper fühlte sich schlapp an und jedes Glied zentnerschwer.
 

„Gott! Ich wünschte…“ weiter kam Dawn nicht, denn plötzlich wurde die Tür geöffnet und Buffys Kopf kam dahinter zum Vorschein.
 

„Morgen, Schlafmütze! Du solltest schon längst aufgestanden sein!“ lächelte die Jägerin.
 

„Geht nicht. Ich fühle mich zu schwach um aufzustehen. Können wir denen von der Schule nicht einfach sagen ich wäre tot?“ fragte Dawn mit schwacher Stimme. Buffy zog besorgt die Stirn kraus, setzte sich an das Bett ihrer Schwester und fühlte ihre Stirn.
 

„Mein Gott, Dawn! Du glühst ja!“ stellte sie erschrocken fest.
 

Dawn winkte ab. „Mach dir keine Sorgen! Das ist sicher nur eine stinknormale Grippe!“
 

„Mag sein, aber du solltest trotzdem zu einem Arzt gehen!“
 

Dawn versuchte sich aufzurichten, was ihr nur mit Mühe und unter erheblicher Anstrengung gelang. „Mach dir keine Sorgen, Buffy! In ein paar Tagen bin ich wieder fit!!“ Buffy sah ihre Schwester an. Vielleicht machte sie sich wirklich zu viele Sorgen, vielleicht sah sie Gefahren, wo gar keine waren. Buffy schüttelte über sich selbst den Kopf und lächelte über ihre Überbesorgnis.
 

„Na gut, aber ich muss jetzt zu Giles. Gruppensitzung. Meinst du, du kommst ohne mich klar?“ fragte Buffy besorgt.
 

„Buffy ich habe eine Grippe und liege nicht im Sterben!“ schmunzelte Dawn über die Besorgnis ihrer älteren Schwester.
 

„Gut, aber wenn du was brauchst, rufst du an, okay?“
 

„Okay. Oh und richte den Anderen schöne Grüße aus!“
 

++++
 

Ratsgebäude,

etwas später

In gleichmäßigem Takt schlug ein Ast gegen das Fenster von Giles Wohnzimmer. Faith seufzte und blickte neben sich. Robin sah ein wenig müde aus und Ronah und Vi stritten sich schon wieder darum wer den besseren Schlag hatte und wer auf Streife letzte Nacht mehr Vampire vernichtet hatte. Die dunkelhaarige Jägerin schmunzelte. Buffy und Dawn mit ihren geschwisterlichen Auseinandersetzungen waren nichts gegen die beiden Jägerinnen.
 

„Können wir nicht ohne Buffy mit der Besprechung anfangen?“ fragte Faith seufzend, während sie mit dem Kragen ihrer Jacke spielte. Giles, der seit einer Stunde damit beschäftigt war die Lichterkette zu entknäulen, rollte entnervt mit den Augen.
 

„Nein können wir nicht,“ murmelte er und widmete sich wieder seiner Beschäftigung. Bis auf ein wenig Lametta und zehn roten Kugeln, die von den Ästen baumelten, war der Baum doch noch ziemlich kahl.
 

Gerade als Faith etwas erwidern wollte, hörte man Schritte die Treppe hinunter poltern. Es war Buffy, die ihre Freunde mit einem freundlichen „Morgen, Leute!“ grüßte.
 

„Na das wurde auch langsam Zeit“ bemerkte Faith leise und erntete von Giles einen bösen Blick dafür. „Wie dem auch sei! B. ist da! Können wir jetzt anfangen. Robin und ich…“ Sie grinste Robin zu, der neben ihr stand und einen Arm um sie gelegt hatte. Er grinste.
 

„Müssen wir nicht noch auf Xander und Andrew warten?“ fragte Buffy und sah sich suchend in dem Zimmer um, so als würden die beiden Jungs sich vor ihr verstecken.
 

„Die Beiden sind krank!“ erklärte Willow. „Die Grippe wahrscheinlich!“
 

„Muss wohl eine Epidemie rumgehen. Dawn ist auch krank!“ erzählte die blonde Jägerin und setzte sich endlich neben Kennedy auf den letzten freien Platz auf das Sofa.
 

„Also sofern die Grippe die Menschen nicht in Monster verwandelt….Könnten wir dann mit der Besprechung anfangen!!“ drängelte Faith, wobei sie sich an Robin lehnte.
 

„Ja…...“ Giles machte eine bedeutungsvolle Pause, die er nutzte um sich auf einen Stuhl zu setzen und seine Brille zu recht zu rücken. „ in letzter Zeit ist es ziemlich ruhig gewesen.“ Er rückte seine Brille ein wenig zurecht und wandte sich dann bewusst an die vier Jägerinnen.
 

„Ist doch eine frohe Botschaft? Keine Todesboten, keine Toten. Also können wir in Ruhe Weihnachen feiern, oder? “ warf Kennedy ein.
 

„Nein. Das deutet darauf hin, dass der Höllenschlund was ausbrütet“ merkte Buffy an und wechselte mit Willow einen besorgten Blick.
 

„Üblicherweise“ seufzte Giles und setzte seine Brille ab um seinen Nasenrücken zu massieren.
 

„Meinen sie uns steht was bevor?“ fragte Robin besorgt, worauf er nur ein Nicken von Giles erntete. Seine Miene war düster geworden, genau wie die von Buffy und Faith.
 

„Also sollten wir heute Nacht verstärkt patroullieren?“ fragte Faith unsicher, obwohl sie die Antwort nur zu genau kannte. Als der Wächter sie nur mit einem Blick bedachte, seufzte sie. „Sieht aus als müssten wir unseren Abend zu zweit auf ein andermal verschieben, Schatz!“
 

Robin nickte verständnisvoll und doch konnte Faith in seinem Gesicht deutlich lesen, dass auch er lieber mit ihr einen schönen Abend verbracht hätte. Merkwürdig, dachte Faith, früher gab es für sie so was nicht. Einen ruhigen Abend mit dem Freund. Wie das klang! Ihr Freund.
 

„Ist es okay, wenn ich etwas später zu euch stoße?...Ich möchte noch mal kurz nach Dawn sehen?“ wollte Buffy an ihre Kolleginnen gewandt wissen.
 

++++
 

Friedhof,

nachts

Es war spürbar kälter geworden in Cleveland. Der Wind heulte über die Grabsteine hinweg, die sich wie bedrohliche Gestalten vor Faith, Vi, Ronah und Kennedy auftaten. Obwohl sie schon hunderte Male auf Patroullie gewesen war, jagte die gespenstische Stille Kennedy einen Schauer über den Rücken. Nicht einmal das Zirpen von Grillen war zu hören, oder das Summen eines Automotors, von der nahe am Friedhof gelegenen Straße.
 

„Gespenstisch!“ kommentierte Kennedy leise.
 

„Ja“ stimmte Faith neben ihr gedehnt zu, nur um sich dann an Vi und Ronah zu wenden. „Am besten wir teilen uns auf. Ich will das hinter mich bringen. Vi, Ronah ihr geht da lang“ Faith deutete nach Osten. „Ken wir gehen in die Richtung“ und damit deutete Faith geradeaus.
 

Vi und Ronah lächelten nervös und taten was Faith von ihnen verlangt hatte, während Kennedy der älteren Jägerin folgte. Kennedy war nervös und versuchte krampfhaft sich nichts anmerken zu lassen.
 

„Mir gefällt das nicht!“ murmelte Faith, deren Blick wachsam auf die Grabsteine und Bäume vor ihnen gerichtet war.
 

„Ach dir auch nicht?!“ erwiderte Kennedy. Ihre Stimme klang merkwürdig verbittert. Ja verdammt!!! Sie hatte Angst. Große Angst. Seit Wochen schon machten die Vampire sich rar und überhaupt hatte sie schon so ein merkwürdiges Gefühl seitdem sie das Haus von Giles verlassen hatten. Irgendwas war heute anders als sonst. Nicht nur der Umstand, dass sie heute mit gleich so vielen Jägerinnen unterwegs war. Da war noch etwas. Nur konnte Kennedy im Augenblick nicht sagen was es war. Instinkt?

„Wir sollten wieder zu Giles gehen, Faith! Ich habe bei der ganzen Sache ein ziemlich mieses Gefühl!“ Kennedy klang so leise, dass sie sich im ersten Moment nicht sicher war, ob Faith sie überhaupt verstanden hatte. Doch, dass die erfahrenere Jägerin sich zu ihr umdrehte, bewies, dass sie es doch gehört hatte.
 

„Und sagen ihm was? Hör zu mir gefällt das Ganze auch nicht, aber wenn es uns hilft herauszufinden, was hier eigentlich gespielt wird….“ Faith zuckte mit den Schultern und sah wieder nach vorne, weil sie glaubte ein Geräusch gehört zu haben, doch es war nur ein Ast. „Außerdem wird B. sicher auch gleich hier sein!“ seufzte sie.
 

Plötzlich zerschnitt ein gellender Schrei die Nacht und ließ Kennedy und Faith erschrocken zusammen fahren. „Was war das?“ fragte Kennedy nervös.
 

„Vi!!“ rief Faith und sprintete in die Richtung, aus der sie den Schrei gehört hatten. Fünf Vampire hatten Vi und Ronah umzingelt. Einer der Blutsauger hatte Vi zu Boden gedrückt, die verzweifelt ihn abzuschütteln versuchte. „Hilf Ronah!“ befahl Faith Kennedy und rannte dann zu Vi um ihr zu Hilfe zu eilen. Die Lippen des Blutsaugers waren nur noch ein paar Millimeter von ihrer Halsschlagader entfernt. Panik machte sich in Faith breit während sie auf die Beiden zu sprintete. Was wenn sie es nicht rechtzeitig schaffte, wenn der Vampir Vi hier vor ihren Augen tötete.
 

Doch was dann geschah ließ Faith mitten auf dem Weg stehen bleiben. Der Vampir verzog angewidert sein Gesicht und ließ von Vi ab. An seinen Mundwinkeln waren ein paar Tropfen Blut. Aber Vi war noch am Leben. Der Vampir hatte von ihr abgelassen!! Er schien sich geradezu vor Vi zu ekeln. Faith erwachte aus ihrer Erstarrung und trabte die letzten Schritte auf Vi zu und pfählte den immer noch perplexen Vampir, der gar nicht auf die zweite Jägerin geachtet hatte. Noch während er zu Staub zerfiel, half sie Vi aufzustehen.
 

„Alles okay?“ fragte Faith.
 

„Ich denke schon. Hast du das gerade mitgekriegt?“ schnaufte Vi atemlos.
 

„Hi! Was ist denn hier los?“ fragte eine Stimme hinter Faith, die zu Buffy gehörte. Faith sah über ihre Schulter und stellte fest, dass sie mit Hilfe von Kennedy und Ronah die anderen Vampire vernichtet hatte. Offenbar war Faith zu sehr mit dem Vampir und Vi beschäftigt gewesen um die blonde Jägerin zu bemerken.
 

„Buffy!“ antwortete sie schwach.
 

„Du nennst mich bei meinem Namen? Was ist los? Geht die Welt unter?“ fragte Buffy scherzhaft, lachte aber nicht. Denn nach dem Gesichtsausdruck der beiden Jägerinnen zu schließen war etwas passiert. Um Ronah und Kennedy zu schützen, hatte sie gar nicht auf das Geschehen weiter vorne geachtet.
 

„Der Vampir vorhin…“ Vi schluckte schwer. „der wollte mein Blut nicht trinken!“ vollendete sie ihren Satz langsam. Kennedy, Buffy und Ronah trauten ihren Ohren nicht als sie das hörten.
 

„Ich dachte Jägerinnenblut ist der Renner unter Vampiren!“ warf Kennedy ein und erhielt nur ein zustimmendes Kopfnicken von Buffy und Faith zur Antwort.
 

++++
 

Ratsgebäude,

nächster Morgen

Die Scoobies hatten sich im Besprechungsraum eingefunden. Alle bis auf Dawn, Xander und Andrew deren Zustand sich immer noch nicht gebessert hatte.
 

„Wenn wir wenigstens wüssten, wonach wir suchen. Nach etwas, das in den nächsten Tagen passieren soll?!“ seufzte Ronah und klappte frustriert ihr Buch zu.
 

„Zum Beispiel nach einer Antwort auf die Frage warum sich der Vampir letzte Nacht vor meinen Blut geekelt hat!“ antwortete Vi und klappte Ronahs Buch wieder auf.

Ronah sah nachdenklich aus dem Fenster. Die Sonne war schon aufgegangen und ließ die gefrorenen Scheiben der parkenden Autos glänzen. Es war deutlich kälter geworden. Genauso wie schon letzte Nacht. Dass der Vampir Vi verschont hatte, war schon ziemlich gruselig gewesen, aber musste das gleich auf eine apokalyptische Bedrohung schließen? Ronah stützte ihren Kopf in die linke Hand und sah zu Vi herüber.
 

„Vielleicht hast du was falsches gegessen?“ überlegte sie und grinste.
 

„Ach ja und was?! Knoblauch für den richtigen Blutgeschmack!!“ giftete Vi.
 

Ronah zuckte mit den Schultern und beließ es nur bei einem Grinsen, hatte aber nicht mehr die Chance etwas zu erwidern, weil Lily, Giles und Faith den Raum betraten. Schlagartig verstummen auch die Gespräche zwischen Kennedy, Willow und Buffy. Die beiden Jägerinnen hatten Willow von dem Vorfall der letzten Nacht erzählt, während Faith alleine mit Giles und Lily hatte reden wollen. Erstaunlich, dachte Buffy, wie Faith sich doch verändert hatte.
 

„Und der Vampir hat von Vi abgelassen sagst du?!“ wollte Giles wissen und blinzelte ungläubig mit den Augen.
 

„Ja. Unsere Vi hat noch mal richtig Glück gehabt!“ lächelte die dunkelhaarige Jägerin.
 

„Seltsam!“ der Wächter setzte seine Brille ab, legte sie neben Ronah auf den runden Tisch und massierte sein Nasenbein mit den Fingern. Die letzten Tage, die er mit Recherche verbracht hatte, forderten ihren Tribut. Er wusste noch immer nicht was genau es mit Buffys Reitern auf sich hatte und gerade jetzt mussten Xander, Dawn und Andrew krank werden.
 

„Wenn der Vampir Vi nicht verschont hätte, wäre Faith ganz schön aufgeschmissen gewesen“ frotzelte Ronah und fing sich einen wütenden Blick von Faith ein.
 

„Das stimmt nicht. Ich hatte alles unter Kontrolle!“ zischte sie so scharf, dass Ronah in ihrem Stuhl ein wenig zurücksank.
 

„Leute!“ sagte Vi leise, fiel vom Stuhl herunter und zu Boden. Die Freunde sprangen schockiert von ihren Plätzen auf.
 

„Vi! Hey komm schon du musst aufwachen!“ rief Buffy, die schnell zu der Jägerin geeilt war und mit der Hand ihre Stirn fühlte. Sie war heiß. „Sie hat Fieber!“ sagte sie an Giles gerichtet.

Angst ergriff von ihr Besitz. Vi hatte Fieber. Genau wie Xander, Andrew und Dawn. War es möglich, dass die Drei dasselbe – was immer es war- hatten wie Vi?
 

In Buffys Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was, wenn Dawn und die Anderen nicht nur eine einfache Grippe hatten, sondern etwas anderes? Etwas Höllenschlundmäßiges?

Buffy sah noch immer ihren Wächter an und hörte Kennedy schon gar nicht mehr, die vorschlug Vi in Dawns früheres Zimmer zu bringen, sie spürte auch nicht wie ihr die bewusstlose Vi von Kennedy und Ronah abgenommen wurde.
 

„Buffy?“ fragte Giles sanft und legte sanft seine Hand auf ihre Schulter. Die Jägerin zuckte zusammen, blinzelte und entwand sich sofort wieder Giles Griff.
 

„Was ist denn los, B.?“ fragte Faith besorgt. Buffy stand auf.
 

„Nichts. Ich habe mich nur gefragt, ob Vi vielleicht dasselbe hat wie Dawn, Xander und Andrew und ob es vielleicht nicht nur eine einfache Grippe ist“ antwortete sie leise.
 

„Der Gedanke ist mir auch gerade durch den Kopf gegangen!“ gestand Giles mit düsterer Miene.
 

„Wenn der Vampir Vi´s Blut verschmäht hat, dann müssen wir vielleicht da anfangen zu suchen?“ warf Willow ein.
 

„Im Radio haben sie vorhin etwas von noch mehr Erkrankten gebracht. Ich wollte es euch sagen bevor Vi zusammengebrochen ist. Der gleiche Krankheitsverlauf wie bei Dawn, Andrew, Xander und Vi. Inzwischen sollen an die dreißig Krankheitsfälle im Krankenhaus von Cleveland eingeliefert worden sein!“ erklärte Lily.
 

„Faith und ich sehen uns im Krankenhaus um. Vielleicht kann uns ein Arzt erklären was für eine Krankheit das ist“ entschied Buffy. Faith nickte ernst.
 

„Gut. Wir bleiben hier und….ähm recherchieren weiter!“ erwiderte Giles.
 

++++
 

Krankenhaus von Cleveland,

Vormittag

Die Isolierstation des Krankenhauses platzte aus allen Nähten. Ständig brachten Schwestern in weißen Anzügen und Masken neue Erkrankte herein. Buffy und Faith konnten sie durch eine Glasscheibe in der Wand hindurch sehen. Sie sahen schlimmer aus als Vi und die Anderen. Einige hatten rote, dicke Punkte im Gesicht, anderen tropften dicke Schweißperlen von der Stirn.
 

„Haben die alle, dasselbe wie unsere Freunde?“ fragte Faith besorgt und ohne den Blick von den vielen, kranken Menschen abzuwenden. Ein Patient ganz nah bei Faith fing plötzlich an Blut zu spucken. Die Jägerinnen drehten sich weg.
 

„Sieht so aus. Jetzt müssen wir noch einen Facharzt für Virusinfektionen finden!“ seufzte Buffy und sah sich auf dem schier endlos erscheinenden Gang des Krankenhauses um. Schwestern und Ärzte eilten hektisch umher und schienen von den beiden Frauen gar keine Notiz zu nehmen. Die Meisten stellten so finstere Mienen zur Schau, dass Buffy und Faith sich gar nicht trauten sie anzusprechen. Ein Arzt, der aus dem Raum kam, in dem sich die Erkrankten befanden, erregte Buffys Aufmerksamkeit. „Entschuldigen sie?“ fragte sie zaghaft. Der Arzt sah auf. Er trug eine Brille mit dünnem Gestell, sein Haar wies schon erste graue Ansätze auf. Buffy schätzte ihn auf ungefähr 43 – 45 Jahre. Er lächelte Buffy freundlich an.
 

„Dr. Albertsson wie kann ich ihnen helfen Miss…äh“ Der Blick des Arztes pendelte fragend zwischen Buffy und Faith hin und her.
 

„Summers. Buffy Summers und das ist F....Au!!" machte Buffy als sie von Faith einen unsanften Stoß in die Rippen erhielt. Da fiel es ihr wieder ein. Faith war ja nach wie vor für die Behörden eine gesuchte Verbrecherin. "Ähm...Ich meine Milli Rogers, eine Freundin von mir."

Der Arzt nickte und kräuselte die Stirn so als wolle er sich diese beiden Namen gut einprägen. „Wir wüssten gerne mehr über diese….ähm Grippewelle. Halb Cleveland scheint sich ja angesteckt zu haben.“ Während Buffy mit dem Finger auf das Plexiglas deutete, hinter dem man es husten und keuchen hören konnte, huschten ihre Gedanken kurz zu Dawn und ihren Freunden.
 

„Es ist wirklich…“ Dr. Albertsson setzte seine Brille ab, steckte sie in die Brusttasche seines weißen Kittels und suchte nach passenden Worten. „ungewöhnlich.“
 

„Was meinen sie?“ fragte Faith unfreundlicher als sie beabsichtigt hatte. Doch der Mediziner verzog keine Miene. Wahrscheinlich hatte er den Unterton in ihrer Stimme ignoriert.
 

„Nun einerseits weisen unsere Patienten Symptome einer normalen Grippe auf. Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, aber mit der Zeit beginnt sich die Krankheit in eine völlig andere Richtung zu entwickeln. Sie verläuft bei jedem Patienten verschieden. Die Einen haben Blut im Stuhl, die anderen werden Gelb im Gesicht und andere weisen rote Flecken am ganzen Körper auf. Es ist als…..“ Dr. Albertsson machte eine dramatische Pause, in der er seufzte und einen besorgten Blick zu dem Krankenzimmer war. „..würden sich viele Krankheiten miteinander vereinen. Und jeden Tag kommen neue Infektionen hinzu. Wir stehen vor einer Epidemie!“
 

Buffy und Faith wechselten einen alarmierten wie verzweifelten Blick. Wieder schossen der blonden Jägerin die Gedanken an Dawn, Vi, Andrew und Xander durch den Kopf. Buffy hatte Angst vor der Antwort auf die nächste Frage, aber sie musste sie trotzdem stellen. „Wissen sie schon wie man es bekämpfen kann?“
 

Dr. Albertsson lachte bitter auf. „Na sie machen mir Spaß. Bisher sind drei Tage vergangen seit der erste Krankheitsfall bei uns eingeliefert wurde. Wir wissen ja nicht mal was die Erkrankung auslöst oder wie man sich anstecken kann. Deshalb haben wir die Infizierten vorsichtshalber unter Quarantäne gestellt! Bisher gibt es noch keine Toten, aber ich bin mir sicher, dass jede einzelne Infektion zum Tod führt, weil kein Körper einer so hohen Anzahl von verschiedenen Krankheitsviren, die zum Teil allein schon tödlich sind, standhalten kann. Was wir dringend brauchen ist ein Gegenmittel!“ Buffys Blick glitt nur noch an Dr. Albertsson vorbei, während seine Worte in ihrem Kopf wiederhallten und ihr Kopfschmerzen verursachten.
 

„Danke!“ sagte sie. Ihre Stimme klang so als sei sie gar nicht richtig hier. Ihr Körper ja, aber ihr Geist war immer noch bei dem was der Mediziner ihnen gerade eben erklärt hatte, was er Buffy gezeigt hatte. Kein Dämon oder Monster hatte Dawn, Xander und den Anderen das zugefügt. Obwohl Buffy als Jägerin außergewöhnliche Kräfte besaß hatte sie ihrer Mutter damals nicht helfen können. Sie war letztendlich gestorben. Riley hatte es treffend formuliert. „Buffy. Menschen werden krank. Da hilft auch kein Zauber!“ Tränen der Wut und Verzweiflung rannen der Jägerin über die Wangen. Wie sollte sie es mit einem Virus aufnehmen? Konnte sie das überhaupt? Musste sie das Leben ihrer Schwester und ihrer Freunde in die Hände der Ärzte legen?

Plötzlich hielt es Buffy keine Sekunde länger mehr in diesem Krankenhaus. Der Geruch nach Desinfektionsmittel und Medikamenten drohte ihr die Luft zum atmen zu nehmen. Ohne auf Faith zu achten stürmte die blonde Jägerin auf die beiden Glastüren, über denen das Schild „Ausgang“ stand, zu.
 

„Hey B.! Warte!“ rief Faith und folgte ihr aus dem Krankenhaus. Draußen holte sie Buffy ein und zwang sie zum Stehen bleiben. Buffy rang um Fassung und drehte sich zu Faith um. Jetzt wirkte sie wieder ruhig und beherrscht. Faith musste ja nicht mitkriegen, dass die Sache mit dem Virus Buffy zu schaffen machte.
 

„Was war eben los?!“ fuhr Faith ihre blonde „Kollegin“ unbeherrscht an.
 

„Ich habe keine Ahnung wovon du redest!“ wehrte Buffy ab und drängte sich an Faith vorbei. Doch die dunkelhaarige Jägerin ließ nicht locker.
 

„Für wie blöd hältst du mich eigentlich, B.?!“ zischte Faith, die Buffy nach ein paar Schritten eingeholt hatte und nun neben ihr herging. Es war gar nicht so leicht mit Buffy mitzuhalten, da die blonde Jägerin ein Tempo vorlegte als sei der Teufel persönlich hinter ihr her. „Ich weiß doch, dass du irgendwas hast. Du hast so merkwürdig reagiert als uns Dr. Albertsson von dieser Krankheit erzählt hat!“ setzte Faith wütend über die abwehrende Haltung von Buffy nach.
 

„Das…“ Buffy sah Faith an, zögerte und fügte vorsichtig hinzu: „geht dich nichts an. Los. Wir wissen genug also sollten wir von hier verschwinden!“ Diesmal hielt Faith sie am Arm fest und zwang Buffy so stehen zu bleiben und sie anzusehen.
 

„Ich will wissen was dein Problem ist. Vorher gehen wir nirgendwo hin!“ entschied Faith und funkelte Buffy entschlossen an.
 

„Lass mich los, Faith. Ich warne dich. Tu das nicht.“ Drohte Buffy.
 

Faith hielt es für klüger nachzugeben. Abgesehen davon war keine Zeit sich mit ihr zu streiten. Es gab wichtigere Probleme zu lösen.
 

„Wir sollten gehen“ entschied die blonde Jägerin, machte sich von Faith los und ging schnellen Schrittes weiter. Bloß weg, bevor sie ausgerechnet mit Faith doch noch anfing über ihre Gefühle zu reden.
 

„Findest du es eigentlich nicht auch merkwürdig, dass wir es mit einem Virus zu tun haben, das es in der Form noch nicht gegeben hat?“
 

„Worauf willst du hinaus?“ fragte Buffy verwirrt, von Faiths Geistesblitz. Anscheinend hatte sie sich damit abgefunden, dass sie, Buffy, nicht über ihr Gefühlsleben sprechen wollte.
 

„Die ganze Sache stinkt für mich verdammt nach Höllenschlund wenn du mich fragst“ murmelte die andere Jägerin und zog eine finstere Miene, während Buffy nachdenklich vor sich hin starrte. Faiths Vermutung war gar nicht mal so abwegig. Die Sorge um Dawn und ihre Freunde hatte ihr noch gar keine Zeit gelassen über diese Möglichkeit nachzudenken.
 

„Du hast Recht!!“ sagte Buffy schließlich von der Richtigkeit von Faiths Theorie überzeugt. „Hör zu wir treffen uns nachher bei Giles. Ich werde nach Hause fahren und Dawn holen. Ich fühle mich irgendwie nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie mit so einer schweren Krankheit alleine zuhause ist.“
 

„Okay ich hoffe du reißt mir für diese Frage jetzt nicht den Kopf ab, B. Aber Dawn könnte doch ansteckend sein, oder?“
 

Buffy kaute auf ihrer Unterlippe. Der Einwand war berechtigt, aber blieb ihr eine andere Wahl? Wenn Dawn ohnmächtig werden sollte oder Hilfe brauchte, war niemand da um sich um sie zu kümmern. „Mit Vi hatten wir auch Kontakt und haben uns bis jetzt nicht angesteckt. Und falls doch ist jetzt ohnehin zu spät.“ Die Überzeugung in Buffys Stimme ließ Faith nicht weiter widersprechen und so vereinbarten die Jägerinnen, dass Faith Giles und die anderen Scoobies von den neuesten Kenntnissen ins Bild setzte, während Buffy ihre Schwester ins Ratsgebäude bringen sollte.
 

++++
 

Xanders und Andrews Wohnung,

Mittags, selber Tag

"Ein neues, geheimnisvolles Virus breitet sich derzeit wie ein Lauffeuer hier in Cleveland aus. Mediziner und Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel. Tagtäglich werden mehr Opfer des heimtückischen Virus in das Krankenhaus hinter mir eingeliefert. Auf Anfragen von Journalisten antworten die Ärzte mit „Kein Kommentar“. Auch das Gesundheitsministerium und der Innenminister schweigen sich aus. Nur der Bürgermeister von Cleveland war bereit für ein kurzes Statement. „Wissenschaftler und Ärzte stehen vor einem Rätsel ein Virus mit derartigen Symptomen gab es in der Geschichte der Medizin noch nie. Ich kann alle Bürger von Cleveland nur bitten jetzt Ruhe zu bewahren und sich - falls sie Symptome bei sich oder anderen bemerken - im Krankenhaus zu melden. Vielen Dank.“ So weit der Bürgermeister zur aktuellen Lage in Cleveland. Wir werden sie natürlich über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halten. Ich bin Olivia Rice für Kanal 9 und gebe ab ins Studio.“
 

Xander schaltete den Fernseher leiser, als die Reporterin verschwunden war und zwei Experten über die Situation zu diskutieren begannen. Er war auch so schon nervös genug. Man brauchte kein Genie sein, um zu erraten, dass ihn das gleiche Virus erwischt hatte, wie all die Leute von denen Olivia Soundso von Kanal Sowieso gerade eben noch gesprochen hatte.
 

Er hörte, wie jemand neben ihm laut hustete und schnäuzte. Aus seinen Gedanken gerissen, blinzelte er mit den Augen und warf einen Blick neben sich. Andrew lag zusammengerollt auf seiner Couch, das Gesicht in seinem Spiderman Taschentuch vergraben. Dieser Anblick ließ in Xander Mitleid keimen und erinnerte ihn gleichzeitig an seine eigene Angst. "Andrew?“ fragte er zaghaft und erweckte so die Aufmerksamkeit des blonden, jungen Mannes, der ihn aus, von der Erkältung geschwollenen Augen, nun ansah. "Alles okay?“ setzte Xander nach und noch während er die Frage stellte, wusste er wie blöd sie gewesen war.
 

"Nein.“ Andrew's Stimme klang düster und hoffnungslos. "Wir werden sterben. Wir werden vollkommen sinnlos an einer Krankheit sterben."
 

Xander hievte sich aus seinem Sessel, was ihn angesichts des hohen Fiebers an Kraft kostete. Aber er wollte überzeugend auf Andrew wirken, ihm Hoffnung geben. "Das werden wir nicht!“ sagte er bestimmt und unterstrich seine Aussage mit einer Miene, die überzeugt aussehen sollte, auch wenn es ihm nicht ganz gelang.
 

Andrew schüttelte trotzig mit dem Kopf. "Doch. Du hast doch den Fernsehbericht gesehen!“
 

"Das muss gar nichts heißen…", versuchte Xander es weiter, und setzte sich zu Andrew auf die Couch. "Es gab schon öfter schwierige Situationen für uns und die haben wir alle gemeistert.“
 

"Wenn…“ Andrew hustete heftig, "…wenn wir es mit dem Urbösen oder der Zahnfee von Darkness Falls zu tun hätten, würd' ich dir sofort recht geben, aber hier geht es nun mal um ein Virus! Wie in Outbreak, oder Resident Evil, oder 28 Days Later. Superkräfte können da nichts ausrichten!“
 

So sehr Xander es auch ängstigte. Es steckte ein Körnchen Wahrheit in Andrew's Aussage. "Wenn du jetzt nicht aufhörst, hier rumzujammern, bringe ich dich selber um!“ fauchte er, die Angst hatte sich wie ein bleierner Mantel über ihn gelegt. Andrew schnappte beleidigt nach Luft, doch Zeit für eine Diskussion blieb nicht, denn Xander war ans Telefon gegangen und wählte eine Nummer. Der blonde Junge, der noch immer auf der Couch lag, zog die Stirn kraus. "Wen rufst du an?“ fragte er.
 

"Giles? Hier ist Xander.“
 

+++++
 

Giles Wohnung

"Ah…Hallo, Xander!“ Giles wurde es unbehaglich zumute. Irgendwie ließ ihn das Gefühl nicht los, dass Xander wegen dem Virus anrief. Sollte er ihm die Wahrheit sagen? Oder war es besser, ihn nicht in Aufregung zu versetzen? Falls er wirklich an dem Virus erkrankt war.

Xanders Apartment
 

"Uhm…Andrew und ich haben es in den Nachrichten gesehen. Ist es wahr? Ein Virus?“ Xander schluckte, warf Andrew einen Blick zu und wartete gebannt darauf, dass Giles eine Antwort gab. Doch erst mal tat sich gar nichts. Xander glaubte sogar, zu hören wie der Wächter seine Brille putzte, und wider Willen musste er grinsen.
 

Giles Wohnung
 

Giles haderte mit sich und entschied sich dann doch dafür Xander von Vi und Dawn zu erzählen. Was nützte es, wenn er ihm eine Lüge erzählte oder nur Halbwahrheiten von sich gab? "Ja, ich fürchte, das ist es. Dawn ist krank geworden und Vi hat plötzlich hohes Fieber bekommen. Letzte Nacht a-als sie mit Faith und den anderen auf Patroullie war, hat ein Vampir ihr Blut verschmäht.“
 

Xanders Apartment
 

"Merkwürdig“ murmelte Xander und wippte nervös auf seinen Fußballen herum. Das, was Giles ihm da erzählt hatte, trug nicht gerade dazu bei, seine Sorge zu mildern. Dabei hatte er gehofft, ein Anruf bei Giles würde ihn ein wenig beruhigen. "Wie schlimm ist es?...Ich meine, falls wir von dem Virus betroffen sind, Giles…“
 

Giles Wohnung
 

"Wir versuchen gerade herauszufinden was die Ursache ist. Buffy und Faith sind im Krankenhaus und suchen nach Informationen.“
 

Xanders Apartment
 

"Was ist, wenn die Krankheit weiter….also, wenn Buffy nicht herauskriegt, was es ist, und die Ärzte…“ Seine Stimme zitterte ein wenig, und das erstaunte Xander mehr als alles andere. Seit Anya gestorben war, hatte sich er mehr als einmal gewünscht, bei ihr zu sein und nun, da eine gefährliche Krankheit in der Stadt wütete, mit der er wahrscheinlich infiziert war, wünschte er sich nichts weiter als am Leben zu bleiben.
 

Giles Wohnung
 

"Mach dir darüber keine Gedanken. Buffy und Faith finden sicher schnell heraus, was es ist und bis jetzt ist ja nicht gesagt, dass das Virus, nun ja….“ Giles verstummte. Verlegenes Schweigen trat ein. Bis es dem Wächter zu unangenehm wurde. "Hör zu, ich werde Willow und Kennedy zu euch schicken, um euch abzuholen. In eurem Zustand ist es nicht klug, euch allein zu lassen."
 

Xanders Apartment
 

"Ist gut. Bis dann!“ antwortete Xander wie automatisch und legte den Hörer zurück auf die Gabel. "Und was ist? Was hat er gesagt?“ fragte Andrew ungeduldig und setzte sich ein wenig auf.
 

"Vi und Dawn haben wohl dieselbe Krankheit wie wir und die anderen. Buffy und Faith sind im Krankenhaus und versuchen herauszufinden, ob wir es…du weißt schon…mit was Übernatürlichem zu tun haben!“
 

"Verstehe. So wie Superman und das grüne Kryptonit!“ erwiderte Andrew sanft. "Tut mir leid, wenn ich dir vorhin Angst gemacht hab', das wollte ich nicht." Tränen hatten sich in seinen Augen gebildet und Xander bekam das Gefühl, etwas sagen zu müssen, um sich für seine harten Worte von vorhin zu entschuldigen.
 

"Buffy wird es schon schaffen, Andrew! Niemand wird sterben. Nicht du, nicht ich, nicht Dawn oder Vi, okay?“ erklärte er bestimmt und wuschelte durch Andrew's Haare wie bei einem kleinen Jungen. Andrew zwang sich zu einem Lächeln, und nickte dann. "Natürlich nicht. Es war meine Schuld, ich hätte so etwas nicht sagen dürfen."
 

"Nein, niemand ist schuld! Also, Giles meinte, er schickt Willow und Kennedy her, um uns abzuholen. Vielleicht können wir helfen!“ rief Xander munter.
 

++++
 

Buffys und Dawns Wohnung

selber Tag

Dawns Fieberthermometer zeigte 40 Grad an. Ein besorgtes Stirnrunzeln zeichnete sich auf Buffys Stirn ab. Das Fieber war gestiegen und Buffy fragte sich wie viel Zeit ihrer Schwester noch blieb, bis es wirklich bedrohlich wurde. 40 Grad an sich war ja schon eine hohe Temperatur. Es war ein Wunder, dass Dawn überhaupt noch ansprechbar war und realisierte was um sie herum geschah. Offensichtlich realisierte der Teenager so gut, dass ihm Buffys Sorgenfalten nicht entgingen.
 

„Was ist los?“ fragte Dawn deshalb in einem Tonfall, der klar machte, dass sie sich mit ausweichenden Antworten nicht abspeisen lassen würde.
 

Buffy zuckte bei dem Klang von Dawns Stimme zusammen als sei sie gerade aus einem Tagtraum gerissen worden. „Nichts.“ Erklärte die Jägerin bestimmt und legte das Fieberthermometer auf Dawns Nachttisch, der sich direkt neben dem Bett befand. „Du hast Fieber…..Ich muss zurück zu Giles, aber ich will dich nicht alleine lassen.“
 

„Ich komm schon klar“ versicherte Dawn und schmunzelte sogar ein wenig. Buffys Miene hingegen blieb ernst. Fast sogar schon ängstlich. Dawn war verunsichert. „Du hast Angst!“ stellte das Mädchen deshalb fest.
 

Buffy wich dem Blick ihrer Schwester aus. Sie konnte Dawn nicht sagen, dass ein dämonisches Virus vermutlich für den ganzen Spuk hier verantwortlich war. „Ich will eben nicht, dass du alleine bist, wenn du krank bist. Das ist alles! Darf man sich jetzt nicht mal mehr Sorgen um seine kleine Schwester machen?“ erwiderte die Jägerin gespielt entrüstet.
 

„Ich bin größer als du und außerdem nicht dumm. Du verschweigst mir was, Buffy. Los raus damit!“ erwiderte Dawn und funkelte ihre Schwester an.
 

„Na schön.“ Gab Buffy sich geschlagen. „Wir glauben, dass ein dämonisches Virus hinter der ganzen Sache steckt. Faith und ich waren im Krankenhaus. Die Quarantänestation war völlig überbelegt und der Arzt, mit dem wir gesprochen haben, meinte, dass es solch eine seltsame Krankheit in der Geschichte noch nie gegeben hat.“ Den letzten Satz hatte Buffy nur noch geflüstert. Dawn starrte ihre Schwester fassungslos an, unfähig zu glauben was sie da soeben erfahren hatte. Erkenntnis spiegelte sich in ihren Augen wider.
 

„Es ist tödlich nicht wahr?“ fragte sie und wagte nicht Buffy anzusehen, wozu sie schließlich aber gezwungen war, da die nichts weiter konnte als stumm mit dem Kopf zu nicken.
 

„Zieh dich an. Ich bringe dich zu Giles und den Anderen!“ entschied Buffy, stand auf und verließ das Zimmer. Als sie die Tür zu Dawns Zimmer geschlossen hatte, lehnte die Jägerin sich verzweifelt gegen die Tür, schloss die Augen und versuchte die aufkeimenden Tränen zu unterdrücken. Buffy wollte stark sein. Für Dawn. Für Xander. Für Andrew und für Vi.
 

++++
 

Ratsgebäude

Giles Wohnung, Nachmittag

Hektisches Klopfen an der Türe zwang Giles dazu sich von dem Buch, in dem er gerade stöberte, zu lösen und aufzusehen. Ronah, Lily und Robin blätterten ebenfalls in Büchern doch keiner schien sich an dem wilden Klopfen an der Tür zu stören.
 

„Ja springt nicht alle gleich auf, weil es an der Tür klopft. Der Brite macht schon auf!“ murmelte Giles verärgert und machte sich daran dem ungeduldigen Besucher zu öffnen. Auf seinem Weg zur Tür hämmerte jemand hektisch dagegen. „Ja doch! Ich bin ja schließlich nicht taub!“ schimpfte der Wächter und machte die Tür einfach auf.
 

„Die Tür war nicht abgesperrt?“ fragte Faith verdutzt.
 

„Nein, Faith. Das ist sie nie“ erklärte Giles in betont verständnisvollem Tonfall, ehe er ein murmelndes: „und manchmal bedauere ich das zutiefst!“ hinzufügte.
 

„Das habe ich gehört!“ entrüstet faltete Faith die Arme vor ihrer Brust zusammen und fixierte Giles, den sie nun völlig aus dem Konzept gebracht hatte.
 

Der Wächter runzelte die Stirn, während er verzweifelt nach einer Möglichkeit suchte um sich aus dieser peinlichen Situation zu befreien. „W-Wo ist Buffy?“ stotterte er deshalb. .
 

„Wie wäre es, wenn ich zuerst reinkomme?“ erwiderte Faith grinsend darüber, dass sie es geschafft hatte, Giles zu verunsichern, und trat ein ohne darauf zu warten, dass der Wächter sie hereinbat.
 

Für einen kurzen Moment schien Giles verlegen über seine Unhöflichkeit gegenüber Faith zu sein und gerade als er den Mund öffnen und sich entschuldigen wollte, klopfte Faith ihm freundschaftlich auf die Schulter und meinte: „Ach vergessen sie´s. Sind die anderen im Konferenzraum?“
 

„Sie…ähm…recherchieren!“ bestätigte Giles mit einem vorsichtigen lächeln. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sich die dunkelhaarige Jägerin auf den Weg in den Konferenzraum. Giles folgte ihr. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sich die dunkelhaarige Jägerin auf den Weg in den Konferenzraum, der nicht nur den Treffen mit Mitgliedern des Rates diente, sondern zum größten Teil auch für „Scoobie-Treffen“ – wie Xander die Treffen bei Giles zur Recherche oder Besprechung des neuesten Falles immer bezeichnete. Giles folgte Faith.
 

„Hallo, Leute!“ begrüßte sie Ronah und Lily, während Robin einen kurzen Kuss auf den Mund bekam. „Ist das der klägliche Überrest der Gang?“ fragte Faith und sah sich suchend nach Kennedy und Willow um.
 

„Sie holen Xander und Andrew“ erklärte Ronah ohne von dem Buch von ihr aufzusehen.
 

„Gut. Fein. Also Buffy sieht mal nach der Kleinen und kommt dann her. Wir waren im Krankenhaus.“

Giles wechselte einen besorgten Blick mit Lily, ehe er sich neben sie setzte und Faith fixierte. Auch Ronah hatte ihren Blick nun doch gehoben und Faith zugewandt.
 

Unbehaglich zumute wegen all der Aufmerksamkeit, die sie nicht gewohnt war, räusperte Faith sich und musterte ihre Freunde nacheinander kurz. „Es sieht übel aus. Der Arzt, mit dem wir gesprochen haben, sagte etwas von einem Virus…ziemlich üble Sache…jedenfalls….zuerst sieht alles nach einer ganz normalen Grippe aus, aber nach einiger Zeit gehen die Symptome auf einmal in eine ganz andere Richtung. Bei jedem anders Gelbe Flecken auf der Haut und so weiter…“ Die dunkelhaarige Jägerin seufzte als sie ihren Monolog beendet hatte und nahm neben Robin Platz, auf dessen Gesicht sich nun Sorgenfalten abzeichneten. Faith nahm seine Hand und drückte sie kurz, was ihr zugleich selbst Kraft gab.
 

„Davon habe ich gehört…“ warf Lily gedehnt ein. Alle Blicke hefteten sich auf sie. Die Wächterin lächelte. „Der Rat warnt schon seit Ewigkeiten vor einem dämonischen Parasiten, der eines Tages zu einer Bedrohung für die Menschheit werden könnte, aber irgendwie scheint keiner diese Warnung ernst zu nehmen.“ Bei dem letzten Satz konnte es sich Lily nicht verkneifen Giles einen kurzen Blick zuzuwerfen, der den sarkastischen Unterton in ihrer Stimme noch untermalte.
 

„Ich bitte dich, Lily. Von einer Übertragung auf Menschen gibt es keinerlei Berichte!“ erwiderte Giles mit Nachdruck.
 

„Könnte mich mal jemand aufklären?“ warf Faith ungeduldig ein.
 

„Über das Virus ist nicht viel bekannt. Es gibt winzig kleine, dämonische Parasiten. Genannt Parzyloten. Wer sich mit dem Erreger infiziert hat….nun ja…stirbt über kurz oder lang“ erklärte die Wächterin und auf Faiths bestürzten Blick hin, beeilte sie sich noch hinzuzufügen: „aber bis jetzt wissen wir ja noch nicht mal, ob es sich wirklich um das Virus von einem Parzyloten handelt.“
 

Kurz entschlossen schnappte sich Faith ein Buch, das verstreut mit vielen anderen Büchern auf dem Tisch lag und erklärte: „Tja, dann finden wir das eben heraus.“
 

++++
 

Ratsgebäude, Giles Wohnung,

später Nachmittag

Giles hatte die Tür geöffnet und erschrocken feststellen müssen, dass es Buffy war, die die sichtlich schwache Dawn stützte. Ein Arm des Teenagers hing kraftlos über Buffys Schulter, während der Andere scheinbar nutzlos von der Seite wegbaumelte. Kurzerhand schlug Giles vor Dawn nach oben zu Vi zu bringen und packte mit an. Dabei kostete es ihn mehr Kraft als Buffy, die schließlich Jägerinnenkräfte vorzuweisen hatte.
 

Nach einer Weile gelang es ihnen doch. Dawn wimmerte leise als ihr Körper mit der Notpritsche in Berührung kam, auf der Buffy lange Zeit geschlafen hatte und die Giles extra für Dawn aufgestellt hatte. Buffy deckte sie zu und bedeutete Giles mit einer Handbewegung ihr in den Konferenzraum zu folgen.
 

„Hi, Leute!“ grüßte sie müde.
 

„Wie geht es Dawn?“ fragte Ronah und blickte besorgt zu der blonden Jägerin auf. Statt einer Antwort schlang Buffy ihre Arme um sich als sei ihr schrecklich kalt.
 

„Wir haben zwar ein bisschen rausgefunden, aber ich fürchte ansonsten stecken wir in einer Sackgasse, B.“ berichtete Faith mitfühlend. Am liebsten hätte sie Buffy einen Gegner präsentiert, gegen den sie kämpfen konnte. Aber alles was sie hatten, war die Vermutung von Lily, dass es sich um einen Parasiten dämonischer Art handeln könnte.
 

„Ja. Lily hat von einem Par- irgendwas erzählt“ pflichtete Ronah bei. Buffys Blick richtete sich auf Lily.
 

„Parzyloten. Und alles was ich aufgestellt habe, waren Vermutungen. Bis jetzt haben wir keinen Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um einen Parzyloten-Parasit handelt“ gab die Wächterin zu Bedenken. „Es gibt da einen Spezialisten. Professor Hamill. Er…er hat dem Rat oft geholfen, wenn es um Virusinfektionen besonderer Art ging.“
 

„Na klasse!! Da hätten wir uns das Lesen sparen können“ maulte Ronah worauf sie sich einen strafenden Blick von Faith, Robin und Giles einhandelte. Die Jägerin sank daraufhin ein wenig im Stuhl ein.

Lily sah Buffy an als erwarte sie von ihr eine Anweisung, irgendwas.
 

„Worauf warten sie noch? Nehmen sie mit ihm Kontakt auf!“
 

Kaum hatte Buffy fertig gesprochen, tauchten Kennedy, Willow, Xander und Andrew im Konferenzraum auf. Die Jungs wirkten blass und erschöpft. Xander musste sich sogar von Willow stützen lassen, während Kennedy hinter Andrew stand um ihn auffangen zu können, falls er in Ohnmacht fallen sollte.
 

„Hey!“ begrüßte Buffy ihren besten Freund. Sie umarmten sich. Es tat gut Buffy im Arm zu halten, spendete Trost und Zuversicht.
 

„Zuerst Syphilis und jetzt das……Ich sollte mich zuhause verkriechen und gar nicht mehr rauskommen!“ Xander lächelte Buffy schwach an, was sie erwiderte.
 

„Na ja du ziehst dämonische Krankheiten eben an“ sagte sie.
 

„Und Frauen“ korrigierte Xander mit einem wehmütigen Ausdruck im Gesicht.
 

Giles räusperte sich und erklärte, er werde Willow und Kennedy zeigen wo sie Andrew und Xander hinbringen können.
 

++++
 

Giles Wohnung,

zwei Stunden später

„Hier ist Olivia Rice für Kanal 9 mit den neuesten Entwicklungen über das Virus, dass sich derzeit wie ein Lauffeuer in Cleveland ausbreitet. Die Behörden befürchten eine Ansteckung weit über die Stadt hinaus und haben Quarantäne angeordnet. Niemand darf die Stadt verlassen oder sie betreten. Wie uns der zuständige Arzt, Dr. Albertsson vor knapp einer halben Stunde mitteilte, sind nun schon zwei Menschen an den Folgen des Virus gestorben. Er betonte aber ausdrücklich, dass die Krankheit nicht gezwungener Maßen tödlich enden muss. Bei den Verstorbenen handelt es sich um einen 16-Jährigen und eine 49 Jahre alte Frau. Wir werden sie auf dem Laufenden halten. Ich bin Olivia Rice für Kanal 9 und damit zurück ins Studio.“
 

Werbung wurde eingeblendet und Giles schaltete ab. Stündlich berichtete das Fernsehen über die neueste Entwicklung in Sachen Virus. Doch mit jeder Stunde, die verging wurden die Nachrichten schlimmer. Und sie waren der Lösung noch immer keinen Schritt näher.
 

„Die Zeit rennt uns davon!“ sagte Buffy besorgt.
 

„Ja. Wenn wir nicht bald herausfinden wie wir das Virus aufhalten können….nun…dann…“ Giles wagte den Satz nicht zu beenden und ein Blick in die Gesichter der Anderen bestätigte ihm, dass er das auch nicht brauchte. Ihnen allen war klar wie ernst die Situation war.
 

Lily betrat das Wohnzimmer, in dem die Clique saß und die Nachrichten verfolgt hatte. Die Gesichter und all die Hoffnung, die sie in die Neuigkeiten legten, die Lily ihnen brachte, bereiteten der Wächterin Unbehagen. „Ich habe gerade mit einem Spezialisten aus Houston telefoniert, Professor Hamill. Er hat versprochen mit dem nächsten Flug zu kommen…“
 

„Aber niemand darf die Stadt betreten“ unterbrach Kennedy und deutete auf den schwarzen Fernsehbildschirm.
 

Lily war ein wenig gekränkt über die Unterbrechung und machte sich auch keine Mühe, dass vor der Jägerin zu verbergen. Demonstrativ räusperte Lily sich. „Ja. Dazu wäre ich gleich gekommen. Rupert würdest du deine Kontakte spielen lassen?“
 

„Natürlich.“ Antwortete er und war schon aus dem Zimmer verschwunden.
 

„Kontakte?“ fragte Faith.
 

„Nicht nur Wächter arbeiten für den Rat, sondern auch Angestellte in Behörden oder Politiker. Damit wir in Fällen wie diesen reagieren können.“ Erklärte Lily.
 

Buffy tauschte mit Willow einen Blick. Mit Unbehagen erinnerte sich die Jägerin daran wie der Rat ihr gedroht hatte Giles außer Landes zu schaffen, indem sie ihm die Greencard abspenstig machten. Damals hatte Buffy nur an leere Drohungen von Travers geglaubt, aber nun wo Lily erzählte in welchen Bereichen überall Wächter saßen…..

Die Macht, die der Rat besaß war für die Jägerin ein weiteres Indiz dafür, dass sie dem Rat der Wächter nicht trauen konnte. Giles vielleicht, aber der ganzen Institution?
 

Ungeduldiges Klingeln unterbrach Buffys Gedankengang. Giles war vermutlich gerade dabei mit einem seiner Kontakte zu telefonieren. Also entschied die blonde Jägerin selbst zu öffnen. Willow und die Anderen folgten ihr. An der Tür standen drei bewaffnete Soldaten und drei Männer, die in weißen Schutzanzügen steckten.
 

„Hier sollen sich vier Infizierte aufhalten. Wir haben den Befehl sie in Quarantäne zu bringen also lassen sie uns rein!“ verlangte der GI in ziemlich rüdem Ton.
 

„Das verstehe ich nicht. Von uns hat sich doch keiner angesteckt“ gab Buffy zu bedenken und gab den Blick auf ihre Freunde frei wie um zu beweisen, dass sich tatsächlich keiner mehr infiziert hatte. Die ganze Situation behagte der Jägerin nicht und so beschloss sie die GI´s erst mal nicht rein zu lassen.
 

„Tut mir leid, Ma’am, aber Befehl ist Befehl.“ Der GI hob das Gewehr, das er vor sich hertrug etwas höher um Buffy zu demonstrieren, dass er bereit war Gewalt anzuwenden sollte sie versuchen das Vorhaben der Soldaten zu verhindern. Die Jägerin gab sich geschlagen, auch wenn es ihr wehtat ihre Schwester und ihre Freunde ausgerechnet in die Obhut des Militärs zu geben.
 

„Danke.“ Sagte der GI als er erkannt hatte, dass Buffy bereit war nachzugeben. „Gehen sie und holen sie die Erkrankten. Wo befinden sie sich?“ wandte sich der Soldat an Buffy.
 

„Oben“ erwiderte sie leise, abwesend. Der GI nickte den Männern in den weißen Anzügen zu. Er und seine Kollegen setzten einen Mundschutz auf. Faith aber stellte sich den Männern in den Weg. Einen grimmigen Ausdruck im Gesicht und fest dazu entschlossen Gewalt anzuwenden. Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf Faith.
 

„Lass es!“ warnte Buffy die andere Jägerin.
 

„Du lässt das einfach zu?! Sie wollen deine Schwester von hier wegschaffen!!“ blaffte Faith sie an.
 

„Lass. Sie. Ins. Haus.“ Befahl die Jägerin in so ruhigem Ton wie möglich. Faith gab nach. Die Soldaten ließen ihre Waffen sinken und beobachteten misstrauisch wie die Männer – Buffy vermutete, dass es sich um Ärzte handelte – ins Haus gingen.
 

„Von wem stammt der Befehl?“ wollte sie wissen.
 

„Oh…Agent Finn, Ma’am. Er hat uns autorisiert sie mit zum Militärstützpunkt mitzunehmen, wenn sie mit ihm sprechen wollen.“
 


 

AKT 2
 

Auf Clevelands Straßen,

Abend

Es dämmerte bereits als Buffy, Kennedy, Faith und Willow sich zu dem Stützpunkt des Militärs machten. Buffy hatte zugestimmt mit zum Militärstützpunkt zu fahren. Aus mehreren Gründen. Zum einen lag ihre letzte Begegnung mit Riley nun schon zwei Jahre zurück und zum anderen konnte er ihr vielleicht helfen diesen Wahnsinn zu beenden. Schon oft hatten Buffy und Riley sich auch nach ihrer Trennung geholfen. Buffy hatte Riley geholfen dieses Dämonennest auszuheben, er hatte der Jägerin grünes Licht gegeben Spikes Chip entfernen zu lassen.
 

Buffy zog eine Grimasse der Gedanke an Spike war einfach zu schmerzhaft. Abgesehen davon hatte sie jetzt keine Zeit sich um ihn Gedanken zu machen, wenn in der ganzen Stadt das Chaos wütete. Ein Blick aus den schmutzigen Scheiben des LKWs machte das nur zu deutlich. Überall standen Autos Schlange. Ihre Fahrer hupten in Panik, die Menschen versuchten die Stadt zu verlassen. Buffy wusste, dass es keiner von ihnen bis über die Stadtgrenze hinaus schaffen würde. Und das beunruhigte die Jägerin mehr als alles andere. Menschen in Panik neigten dazu durchzudrehen. Buffy wusste nicht wie weit das Militär gehen würde, aber es brauchte nur eine Fehlentscheidung um die Situation eskalieren zu lassen. Und dann würden Buffy und ihre Freunde es wesentlich schwerer haben gegen das Virus vorzugehen, soviel war klar.
 

„Wir sind gleich da!“ raunte einer der bewaffneten Männer Buffy vom Beifahrersitz aus zu. Die Jägerin beobachtete wie der erste Wagen ihres Konvois ein paar Meter weiter vorne durch ein Metalltor fuhr, das sich elektrisch öffnete und dann wieder schloss. Das Militär musste schon seit längerer Zeit einen Stützpunkt hier in Cleveland haben. Ähnlich wie die Initiative, dachte Buffy. Ihre Mine verfinstere sich als sie sich an die Geheimorganisation der Regierung erinnerte.
 

Der Wagen fuhr jetzt langsam an das Tor und der GI murmelte etwas in die Gegensprechanlage. Dann öffnete das Metalltor sich und sie fuhren durch.
 

„Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache, B.“ murmelte Faith, Buffy zu. Die blonde Jägerin nickte. Sie wusste, dass Faiths Instinkte ihr dasselbe sagten wie Buffy. „Sei vorsichtig!!“
 

Der erste Wagen des drei Lastwägen umfassenden Konvois fuhr gleich auf eine große Halle zu. Musste mal eine Art Sporthalle gewesen sein, schoss es Buffy durch den Kopf. Dawn, Xander, Andrew und Vi befanden sich im ersten Wagen. Die Soldaten brachten sie vermutlich sofort dorthin, wo sich alle anderen Erkrankten befanden.
 

Der LKW, indem sich Buffy und Faith befanden, steuerte, zusammen mit dem Wagen, indem Kennedy und Willow mitfuhren, ein langes Gebäude an. Buffy und Faith wurden von den beiden Soldaten, die mit ihnen gefahren waren ziemlich rüde zum aussteigen aufgefordert. Willow und Kennedy kamen auf sie zu.
 

„Alles in Ordnung?“ fragte Kennedy ohne dabei ihre misstrauischen Blicke von den Soldaten zu nehmen.
 

„Ja. Also? Wo ist Agent Finn?“ blaffte Buffy einen der Soldaten an, worauf der nickte und ihnen somit zu verstehen gab, dass sie ihm folgen sollten
 

Riley stand über eine Landkarte gebeugt mit dem Rücken zur Tür. Die Ausbreitung des Virus bereitete ihm zunehmend sorgen. Auch das Pentagon und das Gesundheitsministerium äußerten wachsende Besorgnis. Irgendwie ließ den Soldaten das Gefühl nicht los, dass sie es mit einem übernatürlichen Übel zu tun hatten. Das war nur einer der Gründe auf einer langen Liste gewesen, weshalb er Buffy hatte sprechen wollen.
 

„Hi, Riley!“ sagte eine Stimme vorsichtig. Riley drehte sich um. Es war Buffy, die hinter ihm in der Tür stand. Gefolgt von Willow und zwei jungen Frauen, die Riley im Augenblick nicht zuordnen konnte. Zumindest eine der braunhaarigen Frauen schien Riley von irgendwoher zu kennen, konnte sich aber nicht erinnern.
 

„Buffy schön dich zu sehen“ rief der Soldat.
 

„Ist `ne ganze Weile her!“ stellte Buffy leise, fast flüsternd fest.
 

„Ja“ nickte Riley, wobei er die blonde Jägerin lange ansah.
 

„Hi, Leute!“ grüßte auch Sam und zerstörte somit den trauten Moment des Wiedersehens.
 

„Was ist hier eigentlich los?“ fragte Buffy ein wenig verärgert über die Aktion ihres Ex-Freundes. Es schien als habe sie nur darauf gewartet endlich ihre Wut raus zu lassen. Faith fand es gut, dass ihre Freundin endlich einmal nicht so tat, als sei ihr alles egal und bereit war Leute in ihre Schranken zu verweisen
 

„Buffy…“
 

„Nein, Riley. Alles was du sagst ändert nichts an dem was du getan hast. Wie konntest du Dawn und die Anderen einfach wegholen?! Das ist…..“ unterbracht die blonde Jägerin ihren Ex-Freund. Riley war zu weit gegangen. Das wusste er. Aber ihm war nichts anderes übrig geblieben. Er konnte bei Xander und den Anderen keine Ausnahme machen, nur weil er mit ihnen befreundet war.
 

„Versuch es wenigstens zu verstehen!“ versuchte Riley Buffy verzweifelt zu erklären.
 

„Traust du mir nicht zu, dass ich das Problem in den Griff kriege, oder woran liegt es?!“ fragte Buffy und verschränkte enttäuscht die Arme vor ihrer Brust. Das war nicht mehr der Riley, den sie einmal gekannt hatte, und in den sie einmal verliebt gewesen war.
 

++++
 

Ratsgebäude,

selber Abend

Giles postierte eine Tasse mit frisch gekochtem Tee vor Lily. Sie hatten sich von Ronah und Robin, die noch immer im Konferenzraum saßen und Informationen über das Virus suchten, in die Küche abgeseilt.

Eine Weile saßen die beiden Wächter schweigend nebeneinander. In Anbetracht der Situation empfand Giles die Stille sogar als angenehm, zugleich aber auch als störend, peinlich.
 

„Bist du dir sicher, dass wir es mit dem Parzyloten-Virus zu tun haben, Lily? Ich meine das ist so…..unwahrscheinlich“ schaffte Giles es schließlich doch die Stille zu durchbrechen.

Lily schnaubte entrüstet darüber, dass Rupert scheinbar an ihrer Kompetenz zweifelte. „Was soll die Frage?“ wollte sie deshalb schroff wissen.
 

„Denk nicht ich würde nicht…“ Giles brach ab und setzte seine Brille und legte sie vor sich auf den Tisch. Würde er sagen er würde nicht an Lilys Theorie zweifeln, hätte Giles lügen müssen. Giles war wütend auf sich selbst. Hätte er das Thema Virus bloß nicht angesprochen. So hatte er sich in eine unmögliche Situation hinein manövriert. „Es tut mir leid, Lily.“ Brachte er schließlich heraus, wagte es aber trotzdem nicht seine Freundin anzusehen.
 

„Schon gut, Rupert. Wir sind alle gestresst. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja ich bin mir sogar ziemlich sicher. Die Symptome der Erkrankten sprechen deutlich dafür. Und außerdem ist das Ganze sehr plötzlich gekommen.“ Lily legte ihre Hand sanft auf Giles` Arm. Ihre Berührung ließ den Wächter überrascht aufsehen. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Lily ihm auf halbem Wege entgegen kam und einlenkte. Vielmehr hatte er einen Streit erwartet. Giles schmunzelte. Sie küssten sich kurz.
 

„Wieso hat sich eigentlich Dawn mit diesem Virus infiziert?“ fragte Lily plötzlich.
 

Verblüfft über diesen plötzlichen Themenwechsel kräuselte Giles die Stirn und setzte seine Brille wieder auf. „I-Ich verstehe nicht“ stammelte er.
 

„Ich muss dir was gestehen. Ich habe, bevor ich mit meiner Arbeit in Cleveland angefangen habe, Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass Dawn einmal ein Schlüssel war oder immer noch ist. Wenn dieses Virus übernatürlichen Ursprungs ist, müsste sie doch immun sein, oder nicht? Ich meine Dawn hat doch als Schlüssel sicher übernatürliche Fähigkeiten, oder?“
 

„Nun. Glory wollte damals Dawns Kräfte nutzen um die Tore zwischen den Dimensionen zu öffnen. Ihr Plan ist fehlgeschlagen und ich bin mir nicht sicher, ob Dawn noch immer die Macht hätte Tore zu öffnen.“ Lily war plötzlich ganz nachdenklich geworden. „Warum willst du das wissen?“ fragte Giles mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Mich hat diese Geschichte mit Dawn einfach fasziniert. Diese Mönche haben ja eine Menge Magie angewandt nur um sie zu schützen. Sie haben sogar euer aller Gedächtnis manipuliert.“
 

„Ja.“ Antwortete Giles gedehnt und abwesend. Die Entdeckung von Dawn als Schlüssel und speziell Buffys Tod gehörten nicht unbedingt zu den Dingen, über die er gerne sprach. Das Jahr, in dem Glory und Dawn in das Leben der Scoobies getreten waren, gehörten insgesamt zu der schmerzhaftesten Zeit, die sie je erlebt hatten. Joyce war gestorben, Buffy hatte Liebeskummer wegen Riley und dann kam die Erkenntnis hinzu, dass Dawn gar nicht Buffys Schwester war. Ganz zu schweigen von dem Streit, den Giles und Buffy gehabt hatten, bevor sie gestorben war.
 

„Es muss schrecklich für Buffy gewesen sein zu erfahren, dass die Erinnerungen an ihre Schwester gar nicht echt waren. Nur erfunden“ seufzte Lily. Giles legte seine Hand auf ihre, lächelte, und nickte.
 

„Allerdings. Auch für Dawn. Sie hat sich damals eine Verletzung zugefügt und all ihre Tagebücher verbrannt. Es hat Buffy viel Mühe gekostet Dawn davon zu überzeugen, dass sie sie –trotz ihrer Herkunft – als ihre Schwester angesehen hat.“
 

++++
 

Militärstützpunkt,

später Abend

Riley seufzte hörbar aus. Seine Versuche seine Entscheidung vor Buffy und ihren Freunden zu rechtfertigen, waren gescheitert. Entweder konnte oder wollte Buffy nicht verstehen, worum es Riley ging.
 

„Versuch doch wenigstens mich zu verstehen. Ich hatte keine Wahl! Unsere Aufgabe ist es nun mal die Menschen vor einer Bedrohung zu schützen. Xander und die Anderen könnten ansteckend sein!“ versuchte er es verzweifelt.
 

„Du liegst falsch, Riley. Es ist MEIN Job die Menschen vor einer Bedrohung zu schützen. Ich bin die….“ Nach einem Blick zu Faith und Kennedy räusperte Buffy sich und korrigierte „eine Jägerin. Ich mache das schon seit Jahren. Das hier ist eine übernatürliche Bedrohung!“
 

„Ach hast du diese Bedrohung auch wirklich im Griff! Sieh dich um, Buffy! Fast die ganze Stadt hat es erwischt!!! Ich weiß von einem Fall in einem kleinen Dorf nahe Kapstadt. Dort hat es auch so angefangen wie hier. Die Behörden dachten auch sie hätten alles im Griff. Und soll ich dir was verraten?“ Riley hatte sich aufgebracht vor Buffy gestellt. Ihre Nasenspitzen waren nur Millimeter voneinander entfernt. Er wartete auf eine Antwort und als er keine bekam, entschied er sich einfach weiter zu reden. „Das Dorf -2.000 Menschen- war innerhalb von ein paar Tagen vollständig ausgelöscht. Unsere Leute mussten alles niederbrennen um eine Ausbreitung zu verhindern. Frauen, Kinder…..Denk darüber nach, Buffy. Willst du das Leben der Menschen in Cleveland gefährden, weil du Angst hast um deine Freunde?!“
 

„Die meisten der Freunde, die du in dieses Zelt gesperrt hast, hast du mal gemocht, Riley!!“ erwiderte Buffy enttäuscht.
 

Riley seufzte. Er kannte Buffy gut genug um zu wissen, dass er sie von ihrer Meinung nicht abbringen konnte. Sie dachte immer noch er hätte einen Fehler gemacht, Riley sah das nicht so. Aber er hatte Verständnis für seine Ex-Freundin. Sie machte sich Sorgen um die Menschen, die sie liebte und zu wissen, dass sie mit hundert anderen Menschen in diesem Zelt lagen, aber keine Ahnung zu haben, wie es ihnen ging, musste für sie wie eine persönliche Hölle sein. Riley beschloss Buffy ein wenig entgegen zu kommen. „Hör zu wir stehen auf derselben Seite. Ich werde nicht zulassen, dass ihnen was geschieht. Das verspreche ich.“
 

„Wenn wir wirklich auf derselben Seite stehen, dann solltest du Dawn, Xander, Andrew und Vi gehen lassen!“ mischte sich Faith ein und stellte sich neben die blonde Jägerin. Faiths Körperhaltung ließ Buffy ahnen, dass ihre Kollegin bereit war die Freilassung ihrer Freunde mit Gewalt zu erzwingen, wenn es nötig war. Riley schien einen Moment über eine Antwort nachzudenken. „Das geht nicht!“ entschied er schließlich.
 

Faith machte einen Schritt auf den Soldaten zu, doch Buffy schaffte es rechtzeitig dazwischen zu gehen, bevor die Situation eskalieren könnte und Faith sich vielleicht auch noch in Schwierigkeiten brachte. „Faith!“ mahnte die blonde Jägerin ihre Freundin.
 

„Moment mal. Faith? Richtig sie sind doch die Jägerin, die….“ Riley beendete den Satz nicht. Betretenes Schweigen trat ein. Riley und Faith vermieden jeglichen Augenkontakt. „Was ist denn jetzt los?“ wandte sich Kennedy leise an Willow.
 

„Nun ja…Das also…ist etwas kompliziert, Schatz.“ Versuchte die Hexe es vorsichtig.
 

„Also mich würde auch brennend interessieren was hier los ist!“ sagte Sam und stemmte ihre Hände in die Hüften. Eifersucht flackerte in ihr auf, denn irgendwie spürte Sam, dass irgendeine Art von Verbindung zwischen Faith und ihrem Mann bestand.
 

„Riley und ich haben miteinander geschlafen. Als ich in Buffys Körper!“ platzte es aus Faith heraus, worauf sie einen mahnenden Blick von Buffy und einen wütenden von Riley erntete.
 

„Was?!“ fragte Sam verwirrt. Eigentlich aber wollte sie keine Erklärung hören. Weder von Riley, noch von Buffy oder Faith. Sam war überfordert und entschied sich dafür erst mal den Rückzug anzutreten und über die ganze Sache nachzudenken. Sie brauchte Zeit.
 

Wütend stapfte Sam von dannen.
 

„Schatz warte!!“ rief ihr Riley hinterher. Es war zwecklos. Sam hatte schon die Tür hinter sich zugeschlagen und war weg. Wieder trat Stille ein.
 

„Hey! Du warst echt gut im Bett!“ lobte Faith. Schweigen.
 

„Danke!“ erwiderte Riley ohne den Blick von der Tür abzuwenden. Dann räusperte er sich um wieder an Fassung zu gewinnen. Mit Sam würde er später reden. Das was im Augenblick geschah war wichtiger als alles andere. „Zurück zum Thema: Wenn wir dieses Virus aufhalten wollen, müssen wir zusammenarbeiten. Wirst du uns helfen, Buffy, oder nicht?“ Buffy wusste, dass Riley von ihr sofort eine Antwort wollte. Sie war misstrauisch was das Militär und Riley betraf. Sie kannte die Pläne der Army nicht und sie wusste nicht auf wessen Seite sich Riley schlagen würde, wenn es hart auf hart kommen sollte. Aber sie wusste auch, dass sie im Kampf gegen das Virus auf das Militär angewiesen war. Denn die Army hatte Mittel und Wege Buffy ihre Arbeit verteufelt schwer zu machen. „In Ordnung. Ich bin dabei! Aber das heißt nicht, dass ich euch traue!“
 

Riley lächelte und nickte. Er wusste, dass Buffy dem Militär selbst dann nicht trauen würde, wenn die Zusammenarbeit gut verlaufen sollte.
 

++++
 

Wächterhaus,

nächster Morgen

Es war eine lange Nacht für Buffy gewesen, in der sie aus Sorge um Dawn und die Anderen kein Auge zu getan hatte, und dann war da ja auch noch die Tatsache, dass noch nicht mal feststand, ob es sich um das von Lily genannte Parzyloten-Virus handelte. Buffy war gerade im Ratsgebäude angekommen und saß nun mit Willow, Kennedy, Faith, Robin, Ronah, Giles und Lily im Konferenzraum. Der verbliebene Rest der Clique sah so unausgeschlafen und besorgt aus wie Buffy.
 

„Was rausgekriegt?“ wagte die Jägerin es trotzdem zu versuchen.
 

„Nicht viel“, meldete sich Willow zu Wort. „Wir haben es tatsächlich mit einem Parzyloten zu tun. Er ist ein Parasit und breitet sich über das Grundwasser aus…Das ist bisher alles was wir wissen. Kennedy und ich werden in die Kloake steigen und eine Grundwasserprobe nehmen. Vielleicht verrät es uns mehr über das Virus.“ Willows Stimme klang ein wenig nach verzweifelter Hoffnung. Kennedy legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter, wofür die Hexe sie dankbar anlächelte.
 

Alle schwiegen. Keiner traute sich etwas zu sagen. Und was hätte es auch schon zu sagen gegeben. Jeder war sich darüber im Klaren, dass die Lage ernst war, jetzt, da das Militär in der Stadt war. Auch wenn Riley zugesichert hatte, ihnen zu helfen.
 

„Also……ich denke wir sollten den Fernseher anschalten. Vielleicht bringen sie etwas in den Nachrichten“ räusperte Giles sich, dem die Stille im Raum unangenehm geworden war. Faith und Buffy tauschten einen niedergeschlagenen Blick und folgten dem Wächter dann gemeinsam mit dem Rest in das obere Stockwerk, wo sich der Fernseher befand.
 

„Guten Morgen! Ich bin Olivia Rice von Kanal 9 und ich stehe hier vor einer Grenze.“ Olivia deutete hinter sich. Die Kamera schwenkte zu Soldaten hinüber die Barrieren mit Stacheldrahtzäunen errichteten. Verzweifelte Menschen, die versuchten per Auto oder zu Fuß die Stadt zu verlassen, wurden von den GI´s zurück gedrängt.
 

Buffy ließ die Szene schwer schlucken. Sie blickte neben sich abwechselnd zu Giles, Willow und Faith, die mit versteinerten Minen auf den Bildschirm starrten.
 

„Das Militär hat die Stadtgrenzen nun hermetisch abgeriegelt, da es immer noch Menschen gibt, die versuchen die Stadt – trotz des Verbots – zu verlassen. Unterdessen sprechen Bürgerrechtler von Verletzung des Freiheitsrechts. Das war´s für den Moment!! Ich bin Olivia Rice für Kanal 9.“
 

Giles trat ins Bild und schaltete den Fernseher aus. Hätte ich den Fernseher doch bloß nicht eingeschaltet, dachte er grimmig, dann setzte der Wächter die Brille ab um sie mit seinem Taschentuch zu reinigen. Stumm entschied sich die Gruppe wieder nach unten in den Konferenzraum zu gehen.
 

„Faith ich denke wir sollten Mo einen kleinen Besuch abstatten. Vielleicht kann er uns erklären wer hinter der ganzen Sache steckt“ schlug Buffy schließlich vor
 

„Mo?“ wiederholte Faith verwirrt.
 

„Kennedys Informant“ erklärte Giles abwesend.
 

„Geht klar“ stimmte die dunkelhaarige Jägerin ohne zu zögern zu.
 

„Ronah und ich suchen nach Impfmöglichkeiten. Vielleicht haben wir ja was übersehen“ schaltete sich Robin ein.
 

„Wir suchen? Heißt das wir müssen wieder Bücher lesen?! Ich bin schon ganz wirr im Kopf!“ maulte Ronah, der es so ganz und gar nicht passte, dass sie als Jägerin, eine Kriegerin, die ganze Zeit nur lesen musste. Lieber wäre sie mit Buffy und Faith zu Mo gegangen oder hätte Kennedy und Willow dabei geholfen die Grundwasserprobe zu beschaffen.
 

„Wenn du jeden Morgen schön brav dein Müsli isst, nehmen wir dich vielleicht auch mal mit“ neckte Faith.
 

„Tja also ich schätze jetzt, da es so viele Jägerinnen gibt, macht es nichts, wenn ich eine töte!“ giftete Ronah.
 

„Leute hört auf!“ ging Buffy so laut dazwischen, dass Ronah und sogar Faith zusammenzuckten. „Die Lage ist ernst, schon vergessen?! Wir können uns solche Scherze nicht erlauben.“
 

„Bleib locker, B. Das war doch nur Spaß!“ beruhigte Faith ihre Freundin.
 

„Ja und genau solche Dinge sorgen dafür, dass ihr den Blick fürs Wesentliche verliert. Du solltest das eigentlich wissen, Faith!“ Ein vorwurfsvoller Unterton hatte sich in Buffys Stimme gelegt.
 

Faith reagierte beleidigt. „Na schön. Gehen wir“ sagte sie schnippisch, küsste Robin kurz und stapfte dann Richtung Haustür. Buffy wusste, dass sie ein wenig zu hart zu Faith gewesen war und eilte ihr nach.
 

++++
 

Militärstützpunkt,

selber Morgen

Sonnenlicht stach durch die Fenster in Rileys und Sams Zimmer. Sam, die noch immer im Bett lag, zog eine Grimasse, da sie geblendet wurde.
 

„Schatz könntest du die Gardinen zuziehen?“ bat sie und sah neben sich. Die andere Hälfte des Bettes war leer. Sam war nervös. Den Streit wegen

Faith hatten sie doch schon gestern Abend beigelegt. Riley hatte ihr klar gemacht, dass das alles nichts mit dem zu tun hatte, was zwischen Riley und Sam bestand. Faith bedeutete Riley nichts. Aber wohin wollte Riley dann so früh am Morgen ohne seine Frau, seine Kollegin, zu wecken?

Noch bevor Sam sich weitere Sorgen über den Verbleib ihres Mannes machen konnte, öffnete sich die Tür und Riley kam herein. Er hatte ein Handy in der Hand und war gerade am telefonieren. Allerdings machte er ein alles andere als glückliches Gesicht. Alarmiert setzte Sam sich auf, zog sich etwas über und schloss die Vorhänge selbst.
 

„In Ordnung verstehe…..Gut bis dann, Colonel!“ sagte Riley und drückte die „Auflegen“-Taste seines Handys.
 

„Riley was ist los?“ fragte Sam besorgt. Riley mied ihren Blick.
 

„Nichts“ murmelte er.
 

„Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt um Verstecken zu spielen, Finn!! Sag mir was der Colonel wollte!“ blaffte Sam ihn an.
 

„Der Colonel ist auf dem Weg hierher. Er ist nicht mehr weit entfernt. Er…Sam wir haben den Befehl alle Infizierten zu töten.“ Jetzt da er es ausgesprochen hatte, fühlte Riley sich erleichtert. Auch wenn das seine Aufgabe nicht leichter machte, oder er nicht weniger mit seinem Gewissen hadern musste. Durfte er überhaupt die Anweisungen des Colonels in Frage stellen? Hatte man ihm in der Initiative nicht beigebracht den Befehl auszuführen und keine Fragen zu stellen?
 

„Das kann nicht sein!“ hauchte Sam bestürzt. „So was würde er…so was kann er gar nicht von dir verlangen!“ Sie war aufgestanden und sah ihn verzweifelt an, sah wie es in ihm arbeitete, wie er mit sich kämpfte.
 

„So ist es aber. Das Gesundheitsministerium hat Angst, dass sich die Krankheit auf Amerika und die ganze Welt ausbreitet“ antwortete Riley hölzern. Er war überrascht wie klar und simpel sich alles aus seinem Mund aus anhörte. Als wäre das nichts weiter als ein paar Dämonen zu vernichten und die Welt damit ein Stück sicherer zu machen. Aber die Erkrankten waren keine Dämonen. Es waren Unschuldige. Bei dem Gedanken an Xander und Dawn drehte sich Riley der Magen um, aber er musste es Buffy sagen. So schnell wie möglich. „Ich muss mit Buffy reden“ sagte er und sah seine Frau an. In ihrem Blick lag so viel Tröstliches und Wärme, während sie sanft über Rileys Arm strich. Er lächelte scheu.
 

„Sie wird es nicht verstehen“ hauchte Sam.
 

„Wie könnte sie auch?! Ihre Freunde und ihre Schwester….“ Riley vollendete den Satz nicht, sah nur zu Boden. Er fühlte sich schmutzig und gleichzeitig war er wütend darüber, dass Colonel Ricks ihn die Drecksarbeit machen ließ.
 


 

++++
 

Ratsgebäude,

kurze Zeit später

Am liebsten hätte Riley sich davor gedrückt Buffy von dem Befehl des Colonels zu erzählen. Aber dafür war es jetzt zu spät. Er hatte alles erzählt und die Scoobies hatten genauso reagiert wie er es befürchtet hatte. Mit Entsetzen, wofür der Soldat Verständnis hatte. Dennoch hatte Riley als Soldat eine Aufgabe zu erfüllen. So wenig wie er den Befehl des Colonels auch leiden konnte, oder ausführen wollte.
 

„Buffy ich habe meine Befehle und ich…“ Riley sah kurz auf und seine Ex-Freundin an. Ihr Blick ließ ihn verstummen und wegsehen. Er konnte es nicht ertragen wie sie ihn ansah. Wütend und auch angewidert davon, dass er es auch nur in Erwägung ziehen konnte das zu tun was sein Vorgesetzter von ihm verlangte.
 

„Soll das heißen, dass du…“ Buffy schluckte und nutzte die kurze Pause um ein wenig von ihrer aufgestauten Wut herunter zu kommen. Ein Blick zu den anderen genügte und sie wusste, dass nur ein Wort von ihr reichte damit Faith oder Kennedy auf Riley losgingen. Es erstaunte sie nicht so sehr, dass irgendein Offizier vom Militär zu so einem Befehl fähig war. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es eben so war, vielmehr war Buffy darüber enttäuscht, dass Riley den Befehl nicht anzweifelte oder einen Vorschlag machte wie sie das verhindern konnten. „willst du Xander, Dawn und die anderen etwa ans Messer liefern?!“ hauchte die blonde Jägerin entsetzt. Dabei fürchtete sie sich vor der Antwort und Rileys beschämter Blick reichte für diese Antwort.
 

„Bist du völlig übergeschnappt?!“ schrie Buffy ihren Ex-Freund plötzlich an.
 

„Also ich finde, dass Agent Finn gar nicht so Unrecht hat“ schaltete sich Lily völlig überraschend ein. Alle Blicke glitten zu der Wächterin. Teils wütend, oder wie Giles überrascht und entsetzt. Insgeheim sah sich Buffy endlich in ihrem Verdacht bestätigt. Jeder Mensch, der ein Herz hatte, würde nicht mal daran denken so etwas zu tun. „Überlegt doch mal! Wir haben hier hunderttausende von Erkrankten, die höchstwahrscheinlich sterben werden. Weiß Gott wie viele könnten sich noch infizieren. Wir stehen hier praktisch vor einem Unheil, dass die ganze Menschheit auslöschen könnte. Agent Finn und das Militär versuchen doch nur Menschenleben zu retten!“
 

Buffy wollte etwas sagen doch ihre Kehle fühlte sich an wie ausgetrocknet.
 

Giles fühlte sich ein wenig, so als hätte ihn ein Schlag mitten in den Magen getroffen und er jeden Moment vor Schmerz zusammenbrechen würde. Solch einen Vorschlag hätte er von Lily am allerwenigsten erwartet. „Was ist….“ Giles räusperte sich um an Fassung zu gewinnen, was ihm schwer fiel. „Was ist mit dem Experten, den du bis eben noch so voller Optimismus angekündigt hast.“ Er klang ruhiger und gelassener als er es war.
 

„Ich habe die ganze Zeit meinen Mund gehalten, was mir ohnehin schon schwer gefallen ist, aber ich finde das geht jetzt eindeutig zu weit! Wir reden hier nicht von irgendwelchen Monstern wir reden hier von unschuldigen Menschen, die nur unglücklicherweise an einem schlimmen Virus erkrankt sind. Wer hat dem Militär eigentlich einen Freibrief dafür gegeben über Leben und Tod zu entscheiden. Oder ihnen?!“ Kennedy wies verärgert auf Lily.
 

„Kennedy hat Recht. Buffy wird einen Weg finden das Ganze zu beenden. Und wir werden ihr dabei helfen so gut wir können. So ist es immer gewesen!“ unterstützte Willow Kennedy und damit auch Buffy, in deren Augen sich Tränen der Rührung sammelten. Hoffentlich würde sie die Hoffnungen, die in sie gesetzt wurden nicht enttäuschen.
 

„Buffy es fällt mir ganz bestimmt nicht leicht das zu tun. Aber……so ist das nun mal, wenn man die Menschheit beschützen will. Opfer gehören dazu und das wissen wir beide“ sagte Riley sanft.
 

Die Jägerin schluckte. Sie blickte jeden Einzelnen im Raum an ehe sie entschlossen erwiderte: „Mag sein. Aber ich bin nicht bereit meine Schwester und meine Freunde zu opfern! Ich bin nicht umsonst für sie gestorben. Sie verlässt sich auf mich; die Anderen….“ Buffy deutete auf Willow, Ronah, Faith, Giles, Kennedy und Robin und fuhr fort: „ebenfalls. Ich habe die Welt so oft gerettet und ich habe schon so oft so viele Opfer gebracht, Riley. Ich werde nicht zulassen, das Unschuldige sterben müssen nur weil irgend so ein durch geknallter Dämon versucht die Welt zu zerstören! Wir suchen und finden einen anderen Weg.“ Riley wollte etwas erwidern doch Buffy schnitt ihm mit einer wilden Handbewegung das Wort ab. „Wir haben unterschiedliche Prioritäten. Du musst dich entscheiden was du für richtig oder falsch hältst, Riley.“
 


 

AKT 3
 

Militärstützpunkt,

Mittagszeit

Colonel Ricks hatte den Stützpunkt vor ca. einer halben Stunde erreicht und sofort nach Riley und Sam verlangt. Nun saßen Riley und seine Frau vor dem Schreibtisch des Colonels. Riley hielt Sams Hand und fühlte sich sichtlich unwohl. Es war klar warum der Colonel ihn hatte sprechen wollen. Es ging darum, dass die Infizierten getötet werden sollten.
 

„Der Gesundheitsminister will, dass möglichst niemand von dem erfährt was wir vorhaben. Alles soll möglichst unauffällig sein. Deshalb hat er mir das hier gegeben“ Ricks platzierte ein kleines Fläschchen mit weißem, zähflüssigem Inhalt vor Riley und Sam. Riley nahm es in die Hand, sah sich den Inhalt genauer an, und reichte es dann an Sam weiter, die die Flüssigkeit ebenfalls einer genaueren Betrachtung unterzog.
 

„Was ist das?“ wollte Riley wissen. Colonel Ricks lächelte süffisant, lehnte sich in seinem schwarzen Ledersessel etwas zurück und strich sich über seinen durchtrainierten Bauch. Für einen Mann, der schon Mitte Fünfzig war, war Colonel Ricks erstaunlich gut in Form, bemerkte Riley nebenbei.
 

„Gift“ erklärte der Offizier schlicht, so als rede er über eine ganz normale Sache. Riley begann sich zu fragen, ob es ihm überhaupt was ausmachte, dass er tausende von Menschen töten musste.
 

„Es wird den Infizierten mit Hilfe einer Spritze injiziert. Macht keinen Lärm, erregt kein Aufsehen. Es ist nahezu perfekt. Wir haben von diesem Serum selbstverständlich mehr.“
 

Das Ehepaar Finn tauschte einen ernsten Blick. Riley wusste, dass seiner Ehefrau ähnlich unbehaglich zumute war wie ihm. Nach außen hin, dass wusste Riley, durfte er die Befehle seiner Vorgesetzten und schon gar nicht des Gesundheitsministeriums in Frage stellen, doch wenn der Colonel wüsste was für ein Orkan in Riley tobte…..
 

„Sir?“ Riley stand auf. Ricks folgte Rileys Bewegungen mit seinen Augen. Überrascht und neugierig darauf, was der Soldat von ihm wollte. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das Richtige tun, Sir.“ Gestand er schließlich, atmete durch, weil es nun ausgesprochen war. Keiner konnte nun mehr behaupten Riley hätte keine Zweifel geäußert.
 

Er war überrascht, dass Ricks keineswegs wütend reagierte. Er lächelte sogar. Riley wechselte einen besorgten Blick mit Sam, weil er nicht wusste wie er dieses Lächeln deuten sollte. Folgte gleich ein Wutausbruch? Würde Ricks gleich ein paar Soldaten rufen und ihn unter Arrest stellen?
 

Sam legte ihrem Mann beruhigend eine Hand auf den Arm und brachte ihn so dazu sich wieder zu setzen.
 

„Ich bin schon lange Soldat, Finn. Und in meiner Laufbahn bekam ich oft Befehle, die mir nicht behagten, das können sie mir glauben. Aber letztendlich steht hier das Leben von vielen Amerikanern auf dem Spiel, Finn. Unser Job ist es unser Land zu beschützen. Also tun wir das wozu wir hier sind, wozu wir ausgebildet wurden. Am besten sie tun das, was man ihnen befohlen hat und stellen keine Fragen.“
 

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Ratszentrale,

eine Stunde später

Die anderen waren alle mit irgendetwas beschäftigt, nur Giles und Lily befanden sich im Raum und hüllten sich in ein unbehagliches Schweigen.
 

Lilys Worte hatten Giles verwundert, er fragte sich, wie sie so einen unmenschlichen Befehl befürworten konnte, und so sehr er auch darauf zu sprechen kommen wollte, wusste er einfach nicht, wie er anfangen sollte.
 

„Denkst du sie haben schon angefangen mit den ersten Infizierten?“ setzte er schließlich an, doch es klang etwas mehr von einem Vorwurf mit, als er es beabsichtigt hatte.
 

„Ich weiß es nicht, doch je später sie beginnen, desto höher ist das Risiko, es wäre nur eine unnötige Zeitverschwendung!“, es waren nicht einmal die harten Worte selbst, die Giles am meisten erschreckten, es war der absolut kühle Tonfall, in dem sie ihre Meinung aussprach.
 

Langsam begriff Giles, dass sie es wirklich aus Überzeugung unterstützte: „Grund Gütiger, Lily, du kannst es doch nicht richtig finden, es spricht gegen all das wofür wir stehen!“
 

„Und was soll das sein?“
 

„Wir retten Menschen!“
 

„Ich denke, dass du da einem Irrtum unterliegst Rupert,“ setzte Lily an: „Wir haben es nie darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des Rates nicht. Es war höchstens ein Nebeneffekt unserer Arbeit, unsere eigentlichen Ziele sind höher, wir bewahren die gesamte Menschheit vor dem Untergang, Jahr um Jahr, Tag um Tag. Wenn wir dabei Opfer bringen müssen, dann müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es unvermeidlich ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss!“
 

Giles starrte sie an, seine Verblüffung wich langsam dem Unglauben: „Wir alle müssen Opfer bringen in diesem Kampf, glaub mir, keiner weiß das besser als ich, doch was du befürwortest ist Wahnsinn! Man kann nicht auf Verdacht hin tausende Menschen töten!“
 

„Wenn man heute ein paar Menschen tötet, die sowieso sterbenskrank sind, dann wird es in fünfzig Jahren keinen mehr interessieren ob sie vielleicht hätten gerettet werden können, wenn aber eine neue Pest den Erdball überzieht und Milliarden sterben müssen, dann werden die Menschen sich in fünfzig Jahren fragen, warum all das Leid nicht aufgehalten werden konnte. Es gibt weit wichtigere Dinge als das Leben von Einzelnen – meinetwegen auch von Tausenden!“, den letzten Teil fügte sie hinzu, bevor er ihr wiedersprechen konnte.
 

„Du weißt noch nicht einmal, ob es etwas bringen würde!“, warf Giles ein, ihre Antwort folgte unmittelbar: „Mag sein, doch wir opfern lieber einen Menschen zu viel, als einen zu wenig, denn wenn wir in einem wichtigen Moment zögern, weil wir es so gewohnt sind, dann kann das unseren Untergang bedeuten!“
 

Wieder herrschte eisiges Schweigen zwischen den beiden, Giles versuchte seine Gedanken zu sortieren, ihm war nie vorher in den Sinn gekommen, dass seine Kollegin, seine Freundin und engste Vertraute eine derart radikale Ansicht vertreten könnte.
 

Lily hatte gehofft, dass wenigstens Giles sie hier unterstützen oder wenigstens verstehen würde, doch scheinbar hatte er überhaupt kein Verständnis mehr, für Prinzipien, die sich Jahrhunderte lang bewehrt hatten und den Rat bei seiner schwierigen Aufgabe immer zusammen gehalten hatten. Offensichtlich legte er wirklich keinen Wert mehr auf irgend eine Art von alten Traditionen, die Zeit müsste zeigen, ob sich seine Ansicht als haltbar erweisen würde, ob der neue Rat bestehen könnte.
 

„Wir können es uns einfach auf kurz oder lang nicht leisten, auf Moral und Ethik zu vertrauen, damit ist in dieser Welt noch keiner ans Ziel gekommen auch der Rat der Wächter nicht, und das weißt du so gut wie ich!“, versuchte sie ihn erneut zu überzeugen.
 

„Jedes mal, wenn wir einen Menschen für die höhere Sache opfern greifen wir in das Schicksal, den natürlichen Lauf der Dinge ein! Kannst du sagen, was die Menschen , die du bereitwillig opfern würdest, oder auch ihre Kinder, in hundert Jahren bewirkt hätten?“, warf Giles ein.
 

„Ja, das ist wohl wahr, doch haben wir je was anderes gemacht als in das Schicksal einzugreifen? Haben die Schattenmänner etwas anderes gemacht, als sie die erste Jägerin erschufen? Sie lieferten dieses unschuldige Mädchen einem Dämonen aus, und das ist es worauf unser Rat seit jeher beruht!“, nach einer kurzen Atempause verbesserte sie sich, „Beruht hat! Eine Jägerin, eine Unschuldige, die wir dazu zwingen, gegen das Böse zu kämpfen, ihr Leben aufzugeben und sich mit Kräften anzulegen, denen sie nicht im mindesten gewachsen ist, ist das besser, als eine Seuche zu stoppen, ist es ein kleinerer Eingriff ins Schicksal? Ich denke Nein! Und trotzdem ist es das einzig richtige, ich denke zumindest da stimmen wir über ein!“
 

„Früher war es so, doch heute liegt die Last nicht mehr auf der Schulter einer einzigen!“, erinnerte Giles sie.
 

„Und heute sind wir nicht mehr bereit das zu unternehmen, was unternommen werden muss, weil keiner mehr die Verantwortung tragen will!“
 

„Ich trage die Verantwortung für den Rat!“, stellte Giles sie richtig.
 

„Ja, das tust du!“, erwiderte sie bissig und ohne groß darüber nachzudenken. Der Wächter bemühte sich den versteckten Vorwurf zu überhören: „Willst du damit sagen, dass es früher besser war?“ „Das hast du gesagt, nicht ich!“
 

„Du wärst also bereit alles zu tun, um unserem Ziel dienlich zu sein?“, stellte Giles fest. „Alles, unsere Pflicht verlangt es!“, bestätigte Lily.
 

Giles Augen waren starr auf seine Freundin gerichtet, er versuchte zu verstehen, was in ihrem Kopf vorgehen könnte, was sie zu diesen Einsichten gebracht haben könnte, doch er konnte es beim besten Willen nicht nachvollziehen: „Ich dachte wirklich, ich würde dich kennen, Lily!“ „Und ich dachte, unsere Prioritäten wären dir eindeutig klar.“
 

+++
 

Militärzelt,

zur gleichen Zeit

"Hey, du weißt schon, dass dein Schiff kaputt ist, oder?"
 

Erschrocken ließ Andrew das Kettchen los, und versteckte sein halbes Raumschiff wieder unter dem Oberteil seines Schlafanzugs. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Vi aufgewacht war, in den letzten paar Stunden war das rothaarige Mädchen reglos in dem Feldbett neben ihm gelegen. Auch Xander schien zu schlafen, aber nur auf den ersten Blick. Seine Augen waren offen, und er starrte düster vor sich hin.
 

Dawn war wach, er konnte sie reden hören. Sie lag ein paar Betten weiter, und tröstete zwei kleine Mädchen, die leise vor sich hinweinten. Ihre Worte konnte er nicht verstehen, wohl aber den beruhigenden Singsang ihrer Stimme, der so ganz anders war, als alle anderen Geräusche um sie herum. Husten, Schnäuzen, rasselnder Atem. Die trappelnden Füße von Krankenschwestern, und Pflegern in Schutzanzügen. Aufgeregte Stimmen, besorgte Stimmen, schluchzende Stimmen, Stimmen, welche die Luft durchdrangen, wie der stickige Geruch vieler vieler Menschen.
 

"Natürlich ist es kaputt," krächzte er, und wandte sich seiner Bettnachbarin zu. "Es gehörte zur Flotte von Admiral Daala, und die hat alles zu Schrott gefahren, was das Imperium noch übrig hatte. Am dämlichsten war immer noch das Kapitel, wo sie Luke's Jedi Akademie angreifen wollte..."
 

"Erzähl's mir von vorne," schlug Vi mit schwacher Stimme vor, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Oder vielleicht hast du's ja schon erzählt. Früher in Sunnydale, als wir alle auf das Ende gewartet haben, und du uns die ganze Nacht Geschichten erzählt hast, wenn wir nicht schlafen konnten..."
 

Ihr Blick wurde seltsam gläsern, und ihre Augen schienen jeden Focus zu verlieren. "Du hast uns vom Ehrencodex der Jedi Ritter erzählt, weißt du noch? Darüber, dass es keinen Tod gibt, weil alle Lebewesen eins mit der Macht werden..." Ihre Stimme brach ab, ihr Kopf war auf die Seite gefallen.
 

Einen schrecklichen Augenblick lang durchfuhr es Andrew eiskalt, doch dann sah er zu seiner Erleichterung, dass die Haarsträhne in Vi's Gesicht rhythmisch flatterte - sie schlief nur. Mit einem Seufzer ließ er sich zurück in die Kissen fallen. Ob Buffy und die anderen schon etwas herausgefunden hatten? Mehr als hoffen konnten sie nicht...
 

"Wir werden nicht sterben," sagte Andrew mit fester Stimme, doch er wusste nicht, ob Vi ihn hören konnte. "Buffy wird einen Weg finden!"
 

"Sie sollte sich aber beeilen!" Hart und klar durchbrach Xander's Stimme die Geräuschkulisse um sie herum. "Erst wird das Zelt immer voller, und jetzt... jetzt wird es immer leerer! Was glaubt ihr denn, was hier geschieht?"
 

Andrew versuchte zu antworten, aber er brachte keinen Ton heraus. Vielleicht wollte er die Antwort einfach nicht aussprechen, die doch so offensichtlich war.
 

"Dieses Virus kann kein Zufall sein!" fuhr Xander fort. "Es ist ein Plan, ein teuflischer Plan, und irgendein Dämon steckt dahinter. Ein Dämon, der zu feige ist, uns von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen. Deshalb hat er diesen Weg gewählt, um uns auszulöschen, und einen Haufen unschuldiger Menschen gleich mit!"
 

"Wenn es ein Plan war, dann hat er nicht funktioniert," murmelte Andrew. "Von den Jägerinnen haben sich...hat sich nur Vi angesteckt. Und wir sind nicht unbedingt interessant für Dämonen...ich meine, nicht auf diese Art." Er schloss für einen Moment die Augen, da sich alles um ihn herum zu drehen schien. "Aber ich weiß nicht, irgendwie scheint mir das alles ein bisschen weit hergeholt. Welcher Dämon kommt auf so eine durchgeknallte Idee? Das ist ja wie in einem schlechten Film!"
 

"Allerdings!" Xander versuchte, sich aufzusetzen, und fiel einen Moment später kraftlos auf sein Lager zurück. "Und welchen Dämon kennen wir, der auf durchgeknallte Ideen kommt, zu viele schlechte Filme gesehen hat, und einen wahnsinnigen Hass auf die Jägerinnen schiebt?"
 

"Was für eine faszinierende Diagnose, Dr. Harris." Andrew zog eine Augenbraue hoch. "Es ist die Star Trek Pest."
 

"Mach dich nur drüber lustig!" Von Andrew hatte Xander nichts anderes erwartet, der Junge war blind wie ein Maulwurf, wenn es um seinen ehemaligen Verbrecherkumpan ging. Trotzdem fühlte er Wut in sich aufsteigen, wurde dieser verrückte kleine Freak denn niemals klug? "Es ändert nichts an den Tatsachen," entgegnete er kühl. "Du hast die Krankeit als erster von uns bekommen, ein paar Tage, nachdem Warren hier aufgekreuzt ist. Dawn und ich waren Sonntag mit dir im Einkaufszentrum, wir haben uns bei dir angesteckt. Und dann..."
 

"Willst du ein schriftliches Geständnis?" fragte Andrew zurück, und seine Stimme triefte vor Ironie. "Wir bösen bösen Filmfreaks haben mit unserem sündigen Lebenswandel Gottes Zorn über die Menschheit hereingebracht..."
 

Xander hätte ihn angeschrieen, wenn er gekonnt hätte, aber er brachte nur ein mühsames, kaum verständliches Krächzen heraus. "Es ist hoffnungslos mit dir, du kleiner Trottel! Du wirst nie begreifen...du bringst uns alle in Gefahr...mit deiner Dummheit..." Seine Stimme ging in einen Hustenanfall über, der seinen ganzen Körper schüttelte. Schmerz durchzuckte seine Lunge, als habe er einen ganzen Haufen rostiger Nägel verschluckt.
 

Rostige Nägel...
 

Rostige Nägel aus einem alten Schrank. Wieder und immer wieder. Aber sein Kopf wurde nicht klar, das Fieber pochte in seinen Schläfen. Warum, verdammt, warum? Es war einfach nicht fair! Es war nicht...
 

Und alles versank in Dunkelheit...
 

Andrew lauschte Xander's Atem, der jetzt ebenso gleichmäßig ging, wie der von Vi auf der anderen Seite. Er versuchte zu begreifen, was soeben geschehen war, aber sein schmerzender Kopf konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was genau warf Xander ihm hier eigentlich vor? Was sollte er getan haben? Sollte er an dem Virus schuld sein? Oder Warren? Oder ging es überhaupt nicht um das Virus, sondern um die Sache mit Tara?
 

Oder ging es um etwas völlig anderes, und er hatte noch nicht einmal angefangen, zu begreifen, wo Xander's Problem lag?
 

++++
 

Hafen,

Black Pearl

"Noch immer scheinen Ärzte und Wissenschaftler vollkommen ratlos zu sein, aber trügt dieser Schein vielleicht? Begleiten Sie mich nach der Werbung in das hochmoderne Forschungslabor des St. Catherine Krankenhauses, wo seit zwei Tagen fieberhaft nach einem Gegenmittel gesucht wird. Das war Ihre Olivia Rice für Kanal 9. Bleiben Sie dran!"
 

Ein Gegenmittel? Was glaubten diese Menschen eigentlich, was sie waren? Schmutzige niedere Lebewesen! Nicht viel besser, als ein Virus...
 

Trotzdem war auch der zweite Testlauf eine ziemliche Enttäuschung gewesen. Das Virus verbreitete sich längst nicht so schnell, wie geplant, und zu viele Menschen waren dagegen immun. Der König würde nicht mit dem Ergebnis zufrieden sein.
 

Aber ein Gutes hatte die Sache immerhin. Mit Sicherheit hatte die Bedrohung die Jägerinnen aus ihren Löchern gejagt, und falls sein alter Freund Bartholomew tatsächlich alle seine gutgemeinten Ratschläge in den Wind geschossen haben sollte...nun, dann würde er es bald wissen. Und die passenden Gegenmaßnahmen ergreifen können.
 

Er verzog die Lippen zu einem messerdünnen Lächeln, und lenkte den Blick seines rechten Auges zurück zur Bar. Bartholomew kannte ihn nicht in seiner menschlichen Hülle. Ihn nicht, und auch nicht die wenigen Bauern, die ihm noch geblieben waren. Somit war es ihnen ein Leichtes, sein kleines Piratenschiff unter konstanter Beobachtung zu halten.
 

In den letzten Wochen hatte sich nicht wirklich viel getan. Zweimal war die brünette Jägerin hier gewesen, aber nur, um mit 'Mo', wie sie ihn nannte, einen zu trinken, und sich zu unterhalten. Sie hatten dabei lediglich über Belangloses gesprochen, und weder seinen Clan, noch die Barker Cooperation erwähnt. Noch hatte er keine Beweise. Aber bald...
 

Sein zweites Auge war zumeist auf die Tür gerichtet, und beobachtete gelassen die vielen verschiedenen Dämonen, die dort ein- und ausgingen. Wann immer ein weibliches, menschlich aussehendes Wesen die Bar betrat, schaltete sich sein drittes Auge ein. Es konnte Lippen lesen, und somit alles verstehen, was die möglichen Jägerinnen besprachen.
 

Bei dem schwarzhaarigen Mädchen mit dem Pferdeschwanz über der linken Schulter, sagte ihm sein Instinkt, dass es sich nicht um eine Jägerin handelte, aber es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen. Wegen der Atmosphäre war diese Person bestimmt nicht hier, denn sie ging ohne Umschweife auf den bärtigen Dämon zu, und fragte mit leicht herablassender Stimme: "Spreche ich mit Zaddik Bartholomew, hierzulande bekannt als Mo?"
 

"Derselbe." Ein belustigtes Funkeln war in Mo's Augen getreten. "Was kann ich für dich tun?"
 

"Lord D'Hoffryn schickt mich," erklärte das Mädchen, und zog ein Bild aus ihrer Handtasche. "Er lässt fragen, ob du, oder einer deiner Leute in den letzten Tagen diesen Mann gesehen haben?"
 

"Hm." Nachdenklich betrachtete Mo das Bild, doch dann zuckte er bedauernd mit den Schultern. "Leider nein. Ich kann mich aber erkundigen, falls du möchtest. Handelt es sich bei dem jungen Mann um einen Rachedämon?"
 

"Ex-Rachedämon," entgegnete das Mädchen spitz. "Er gehört nicht mehr zu uns, da seine Kraftquelle zerstört wurde. Unglücklicherweise hat Lord D'Hoffryn ihm kurz zuvor etwas von seiner persönlichen Energie gegeben. Und jetzt möchte er diese Energie verständlicherweise zurückhaben, ehe sie verbraucht ist..."
 

"Ich verstehe." Mo nickte langsam. "Und wenn diese Energie verbraucht ist, dann wird sich der Dämon wieder in einen Menschen zurückverwandeln, oder nicht? So läuft das doch bei euch Rachedämonen, wenn ich mich recht entsinne?"
 

"So ungefähr." Das Mädchen kramte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche hervor, und begann ihren Lippenstift nachzuziehen. "Ein Rachedämon, der seine Kräfte verliert, verwandelt sich üblicherweise in das, was er früher war. Und in den meisten Fällen ist das ein Mensch." Sie schloss die Tasche mit einem lauten Klick, und verzog die Lippen zu einem Grinsen. "In seinem ist es allerdings ein Haufen Asche. Schönen Tag noch, Zaddik Bartholomew, genannt Mo!"
 

Sie drehte sich auf dem Absatz herum, und stolzierte in Richtung Tür davon.
 

Interessant, was man hier so für Neuigkeiten erfuhr. Kan Hsirg drückte den Stummel seiner letzten Zigarette aus, und zündete sich eine neue an.
 

Als die Rachedämonin an ihm vorbeigehen wollte, brachen Klauen aus seinen menschlichen Fingern hervor, und packten sie am Handgelenk. "Er hat gelogen," sagte der Iah K'uru gleichmütig, noch bevor die junge Frau gegen die grobe Behandlung protestieren konnte. "Der Mann, den du suchst, war vor drei Tagen hier."
 

"Das war mir klar." Angewidert blickte sie auf seine Klaue. "Warum sonst hätte er sich so intensiv nach ihm erkundigt?"
 

"Wie es scheint, ist unser Freund Mo kein besonders guter Lügner." Kan Hsirg ließ das Mädchen los, und sein Blick schoss zur Tür hinüber, welche soeben heftig aufgestoßen wurde. Na endlich! Die blonde Jägerin, und dazu noch eine dunkelhaarige, die er nicht kannte, kamen hereingestürmt, und schienen beide ziemlich aufgebracht zu sein.
 

Gedankenverloren spielte er mit dem lilafarbigen Verschluss seines Reagenzglases. Hoffentlich schwebten viele viele ihrer Freunde in Lebensgefahr.
 

"Was weißt du darüber?" fragte die Rachedämonin neugierig, und setzte sich neben ihm auf die Bank. "Haben die beiden miteinander gesprochen? Hast du gehört, was?"
 

"Möglicherweise," entgegnete Kan Hsirg knapp, ohne den Blick seines anderen Auges von der Bar zu nehmen. Die beiden jungen Frauen redeten jetzt heftigst auf Mo ein, es war nur eine Frage der Zeit, wann eine von ihnen die Geduld verlieren würde. Er tippte auf die Dunkle, sie schien ihm temperamentvoller zu sein, als die Blonde.
 

"Aha." Das Mädchen setzte eine Geschäftsmiene auf. "Welche Währung wünscht der Herr denn? Goldmünzen, Knochen, Kätzchen, oder soll ich einen Scheck ausstellen?"
 

Seine Intuition hatte ihn nicht getäuscht. Das dunkelhaarige Mädchen hatte Mo am Kragen gepackt, und drückte ihn gegen die Wand, während das blonde verzweifelt versuchte, ihre Mitstreiterin zu beruhigen. Das konnte interessant werden, er hatte noch nie einen Kampf zwischen zwei Jägerinnen verfolgt. Vielleicht würde es jetzt dazu kommen.
 

"Ich würde die Angelegenheit gern mit Lord D'Hoffryn persönlich besprechen." Kan Hsirg stieß enttäuscht den Atem, und den Rauch seiner Zigarette aus, als sich die Situation zwischen den beiden Jägerinnen entspannte. Er hatte sich schon so sehr auf einen Kampf gefreut. "Natürlich könnte ich ihm dabei behilflich sein, seinen entlaufenen Rachedämon wieder einzufangen. Vielleicht möchte er sich als Gegenleistung... an meinem Kampf beteiligen."
 

"Huh?" Die Dämonin war hoffnungslos verwirrt "Was für ein Kampf? Wer soll denn überhaupt kämpfen?"
 

Die Blonde hatte jetzt begonnen, Mo eine Rede zu halten. Äußerst eindrucksvoll und sehr emotional. Sie schien wirklich gut im Redenhalten zu sein, aber vielleicht tat sie das ein wenig zu oft. Die Dunkle rollte jedenfalls mit den Augen, und hatte einen gelangweilten Ausdruck auf dem Gesicht.
 

"Um ehrlich zu sein, hab' ich mich noch nicht entschieden." Kan Hsirg zuckte mit den Schultern. Waren das Tränen in Mo's Augen, oder bildete er sich das nur ein? Der bärtige Dämon schien jedenfalls sehr bewegt zu sein. Vielleicht hätte das blonde Mädchen Politikerin werden sollen, anstatt Jägerin?
 

"Einen Augenblick Geduld, bitte." Diesen Teil des Gesprächs wollte er sich jetzt anhören, und um das dritte Auge einzusetzen, brauchte er seine volle Konzentration.
 

"Du hast recht, Buffy," sagte Mo mit tonloser Stimme. "Vielleicht bin ich ein Feigling, vielleicht lasse ich dich und deine Freunde im Stich. Aber es geht hier nicht um mich. Auch ich habe Freunde, und eine Familie, und wenn ich jetzt rede, bringe ich sie alle in Gefahr."
 

"Darum kümmern wir uns natürlich," versicherte die Blonde. "Wenn du uns hilfst, hast du unser Wort, dass wir auch dir helfen. Sollte jemand also dich, deine Freunde, oder Familie bedrohen, gibst du uns Bescheid, und wir sind sofort da. Ist das ein Angebot?"
 

"Ist es die Aufgabe einer Jägerin, Dämonen zu beschützen?" fragte Mo skeptisch.
 

"Die Aufgabe einer Jägerin ist es, jeden zu beschützen, der ihre Hilfe braucht!" Ein entschlossener Ausdruck war in ihr schmales Gesicht getreten.
 

"Hey, sie ist die Moralische von uns beiden." Die Dunkelhaarige grinste. "Aber, wenn's darum geht, ein paar fiese Dämonen zu verprügeln, bin ich dabei. Und Kennedy ist eh 'ne Freundin von dir, die hilft dir sowieso. Also...der Schutz von drei Jägerinnen sollte dir doch was wert sein!"
 

"Nun gut." Mo holte tief Luft. "Ich schätze, ihr hattet schon mit dem HtoGrom Clan zu tun, oder? Eine Vereinigung von Iah K'uru Dämonen?"
 

"Kann man wohl sagen." Die hellen Augen der jungen Frau verengten sich. "Hässliche Schachfiguren - tarnen sich als Menschen - übernehmen Firmen! War die Antwort richtig, oder soll ich den Publikumsjoker ausspielen?"
 

"Das ist noch nicht alles, was es über sie zu wissen gibt." Nervös flog Mo's Blick hin und her, und Kan Hsirg schloss für einen Moment das dritte Auge, um sich nicht zu verraten. "Ihr eigentlicher Plan ist es nicht, über die Menschen zu herrschen, sondern sie auszurotten. Dieses Virus wurde von ihnen in Japan entwickelt, in einer Firma, die irgend etwas mit Biochemie zu tun hatte. Die Iah K'uru hatten die Firma bereits vollständig übernommen, doch dann wurden sie von einer Familie von Dämonenjägern besiegt. Irgendwie muss es ihnen aber gelungen sein, das Virus in Sicherheit zu bringen, und wie es scheint, haben sie sich Cleveland ausgesucht, um es zu testen..."
 

Kan Hsirg, Läufer des HtoGrom Clan hatte genug gehört. Er schloss das dritte Auge, und wandte sich an die Rachedämonin, die ihn erwartungsvoll ansah. "Sagte ich vorhin Kampf? Ich habe mich unklar ausgedrückt. Ich meine natürlich... Krieg."
 

"Krieg?" fragte das Mädchen fasziniert. "So ein richtiger Krieg mit Knall-Bumm-Peng, und gallonenweise Blut?"
 

Ihre Augen begannen zu strahlen. "Wie geil!"
 

++++
 

Ratsgebäude,

zur selben Zeit

Es hatte Willow und Kennedy nicht allzu viel Mühe gemacht die Grundwasserprobe zu beschaffen. Die Hüterin saß in der Küche über ein Mikroskop gebeugt. Die Viren, die sie sehen konnte, verwirrten Willow. Sie runzelte die Stirn, rieb sich die Augen, als sei sie einer optischen Täuschung auf den Leim gegangen und blickte wieder durch die Linse.
 

„Stimmt was nicht?“
 

Willow zuckte zusammen. Giles und der verbliebene Rest der Scoobies stand im Türrahmen und warf der Hüterin einen besorgten Blick zu.

„I-Ich bin mir nicht sicher“ sagte Willow und deutete auf das Mikroskop, während Giles seine Brille absetzte um ebenfalls einen Blick durch die Linse zu werfen. „Es sind mehrere Viren. So wie ich das in diesen medizinischen Büchern verstanden habe, müsste eine Art von Viren im Mikroskop zu sehen sein, aber das….“ Die Hüterin schüttelte verwirrt mit dem Kopf. Zudem hatte sie keine Ahnung was das zu bedeuten hatte.
 

„Der Spezialist, von dem ich euch erzählt habe, ist jetzt auf dem Weg ins Krankenhaus“ meldete sich Lily vorsichtig zu Wort. Willow und Giles wechselten einen Blick. Einen Versuch war es zumindest Wert, denn offensichtlich steckten sie in einer Sackgasse und Buffy und Faith waren noch nicht zurück.
 

„Wir sollten nehmen was wir kriegen können. Dawn, Xander und all die anderen Kranken haben nicht mehr viel Zeit“ seufzte Giles kraftlos.
 

„Schon komisch“ überlegte Robin. Er lehnte lässig im Rahmen, das Kinn andächtig gereckt. Alle Blicke richteten sich auf ihn. „ich meine, dass Dawn, Xander, Andrew und Vi sich infiziert haben, aber wir nicht. Zumindest Buffy, Willow, Kennedy und Ronah hatten doch mit ihnen Kontakt.“
 

„Kluger Einwand“ merkte Ronah an und wunderte sich gleichzeitig darüber, dass vorher noch keiner einen Gedanken daran verschwendet hatte. Vermutlich waren sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen sich um Xander und die Anderen Sorgen zu machen.
 

„Was ist bei uns anders, als bei den Anderen?“ fragte Kennedy sich laut.
 

„Ihr solltet ins Krankenhaus fahren und versuchen eine Lösung zu finden. Vielleicht lässt sich mit diesem Dr. Albertsson und Lilys Spezialisten ja ein Impfstoff entwickeln“ rief Giles aufgeregt. Sie waren der Lösung ziemlich nahe. Das fühlte er. Vielleicht war die Lage doch nicht so aussichtslos wie sie zwischenzeitlich geglaubt hatten. Giles hoffte, dass sein Optimismus berechtigt war. Überhaupt war es fraglich, ob Dawn, Xander, Andrew und Vi noch am Leben waren. Giles räusperte sich. Daran wollte…..Daran DURFTE er gar nicht denken.
 

„Und was machen sie inzwischen?“ fragte Robin.
 

„Ich bleibe hier. Falls Buffy und Faith auftauchen“ erwiderte Giles. Die Gruppe wandte sich zum gehen um und im Stillen wünschte Giles der Gruppe viel Erfolg.
 

++++
 

Auf den Straßen von Cleveland,

Nachmittag

Am liebsten hätte Buffy sofort das Versteck des Hto-Grom-Clans aufgesucht und jeden Dämon einzeln verprügelt. Zu viel aufgestaute Wut hatte sich in ihrem Bauch angesammelt. Sie war schlecht gelaunt und das geschäftige Treiben auf den Straßen wirkte noch nervenaufreibender auf die blonde Jägerin als sonst. Nur Faith zeigte sich keineswegs nervös oder gestresst. Buffy fragte sich, ob die andere Jägerin tatsächlich so ruhig war, oder ob sie nur versuchte ihre Fassade aufrecht zu erhalten. Machte Faith sich auch Sorgen um Dawn, Xander, Andrew und Vi?
 

„Ich werde Giles vom Handy aus anrufen. Wen wir zuerst zu ihm gehen, verlieren wir zuviel Zeit“ entschied Buffy und blickte zu Faith um festzustellen, ob sie Einwände erhob. Faith nickte. Die beiden Jägerinnen suchten sich eine Gasse, in der es ein wenig ruhiger war als auf der Hauptstraße, so dass Buffy verstehen konnte was ihr Wächter sagte.

Es dauerte ein wenig bis jemand den Hörer abnahm.
 

Ratsgebäude

„Hallo?“ sagte Giles müde in den Hörer. Eigentlich war er froh über diesen Anruf, denn jetzt wo die Anderen weg waren, drohte ihn die Müdigkeit zu übermannen. Kein Mitglied der Scoobies hatte in den letzten Tagen besonders viel geschlafen.
 

Irgendwo in Cleveland

„Giles?“ fragte Buffy.
 

Ratsgebäude

Als der Wächter Buffys Stimme hörte, war er wieder hellwach. Wieso kam sie nicht her? War ihnen was zugestoßen als sie sich bei Mo Informationen geholt hatten? „Ist alles in Ordnung?“ hörte sich Giles fragen.
 

Irgendwo in Cleveland

„Uns geht es gut.“ Die Jägerin zögerte. „Haben Kennedy und Willow was rausgekriegt?“
 

Ratsgebäude

Giles runzelte die Stirn. „Das was Willow da gefunden hat…..Nun es wäre möglich, dass sich das Virus a-aus mehreren Viren zusammensetzt. Sie sind gerade im Krankenhaus und bitten einen Spezialisten zu klären mit was wir es zu tun haben und wieso wir uns nicht infiziert haben.“
 

Irgendwo in Cleveland

Buffy öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Das hörte sich ja fast so an als gäbe es eine Möglichkeit die Krankheit zu umgehen, hoffentlich sogar zu heilen. „Sie meinen…..Dass wir immun gegen die Krankheit sind?“
 

Ratsgebäude

„I-Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass Dr. Albertsson und Lilys Spezialist herausfinden warum es nur einen Teil der Bevölkerung erwischt hat“ antwortete Giles ehrlich. Pause. Auch am anderen Ende der Leitung regte sich nichts. Diese Neuigkeit wollte erst mal verdaut werden.

„Habt ihr was bei Mo herausgefunden?“ fragte er schließlich.
 

Irgendwo in Cleveland

„Mo…..richtig…..Sie haben doch vor kurzem von einem Dämonen-Clan erzählt…ähm…..irgendwas mit Hot?“ Buffy hätte sich für ihre Schwierigkeiten mit dämonischen Namen ohrfeigen können. Nach acht Jahren, die sie schon die Jägerin war, konnte man doch erwarten, dass sie solche Namen wie den des Clans zumindest aussprechen konnte.
 

Ratsgebäude

Giles schmunzelte. „Hto-Grom. Was ist mit ihnen? Stecken sie hinter all dem?“
 

Irgendwo in Cleveland

Buffy bejahte die Frage ihres Wächters und fügte hinzu: „Den Dämonen fällt auch nichts vernünftiges mehr ein.“ Sie und Giles lachten gekünstelt. Faith drängte zur Eile. „Ich muss Schluss machen, Giles. Sagen sie den Anderen sie sollen sich beeilen bevor Riley…..bevor das Militär Dawn und die Anderen umbringen lässt. Ich kümmere mich um die Dämonen“ Nachdem Giles sich von Buffy verabschiedet hatte, drückte die Jägerin den Auflegen-Knopf ihres Handys.
 

„Ich hoffe du hast mit „du“ auch mich gemeint, B.“ sagte Faith und grinste schelmisch ob der Aussicht auf einen actionreichen Kampf.
 

„Nein“ sagte Buffy ernst. Faiths Mine verdüsterte sich. „Faith du musst zu Riley gehen. Das Militär will die Kranken töten. Sag ihm er soll seinen Vorgesetzten hinhalten, solange es geht. Willow und die Anderen sind schon dabei ein Gegenmittel zu entwickeln.“
 

„Andere wollen auch ihren Spaß!“ grummelte die dunkelhaarige Jägerin.
 

„Wenn du Riley nicht davon abhältst, dann könnten meine Schwester und meine Freunde draufgehen! Ich habe dich noch nie um was gebeten, Faith.“
 

„Verdammt! Na gut ich mach´s.“
 

„Pass auf dich auf!“ riet Buffy und ging die Straße entlang, an deren Ende sich der Gullideckel befand, der in die Kanalisation führte.
 

AKT 4
 

Militärstützpunkt,

selber Nachmittag

Die sturen GI´s am Eingang des Militärstützpunktes hatten sie zuerst nicht reinlassen wollen. Oberste Sicherheitsstufe lautete die Begründung. Nach einer langen Diskussion hatte Faith sie davon überzeugen können Riley anzurufen. Auf seinen Befehl hin, ließen die GI´s Faith das Militärgelände betreten. Jetzt hoffte die Jägerin, dass sie Riley davon abhalten konnte, einen schrecklichen Fehler zu begehen. Die Infizierten zu töten.

Ein GI war zu Faiths Bewachung mitgeschickt worden. Sie fühlte seinen misstrauischen Blick in ihrem Nacken und hätte ihn am liebsten gebeten zurück zu gehen und sie allein zu Riley gehen zu lassen. Das hätte aber nur wieder zu einer Diskussion geführt, die Faith gar nicht erst anfangen wollte und so vielleicht Gefahr lief noch mehr Zeit zu verlieren.
 

„F…“ Die Jägerin unterbrach Riley indem sie den Finger auf ihren Mund legte. „Danke. Das wär´s dann, Soldat!“ räusperte Riley sich, nachdem er die Jägerin verwirrt angesehen hatte. Der GI salutierte, verließ das Büro und schloss die Tür.
 

„Ich werde noch immer wegen Mordes gesucht. Angel hat mir einen gefälschten Pass besorgt. Ich bin Milli Rogers alles klar?“ Sehr begeistert klang Faith nicht, als sie den Namen Milli Rogers aussprach. Riley glaubte sogar Faith murmeln zu hören, dass sie darüber noch mal mit Angel sprechen wollte.
 

Riley entschloss sich Faiths Gemurmel zu ignorieren und ging lieber gleich zum geschäftlichen über. „Weswegen bist du hier? Habt ihr was rausgefunden?“ fragte er.
 

„Wie man´s nimmt. Ein Dämonenclan steckt hinter der ganzen Sache. Buffy knöpft sich die Dämonen vor und der Rest der Gang ist im Krankenhaus um festzustellen, ob man einen Impfstoff oder ein Gegenmittel für das Virus finden kann….Na ja bis auf Giles. Der sitzt wie üblich über seinen verstaubten Büchern.“
 

Eine innere Unruhe erfasste Riley. „Wie groß ist die Chance, dass sie ein Heilmittel finden?“ fragte er und versuchte dabei ruhig zu klingen.
 

„Keine Ahnung.“ Gestand Faith achselzuckend. „Giles meint ziemlich groß. Ich weiß nur eins, Riley, ihr dürft nicht anfangen die Infizierten zu töten. Ich bin mir sicher, dass die Anderen nicht mehr lange brauchen!“ Es beunruhigte die Jägerin, dass Rileys Blick sich plötzlich von ihr abwandte, an ihr vorbei ging. War es etwa schon zu spät?
 

„Colonel Ricks hat schon angefangen die ersten Drei töten zu lassen“ erklärte Riley stockend. Sein Blick war wieder auf Faith gerichtet, die ihn schockiert ansah.
 

„Mir ist scheißegal was du tun musst, Riley, aber halt diesen Colonel irgendwie hin“ befahl sie.
 

„Ach und wie soll ich das anstellen?!“ Riley klang gereizt. Würden die Dinge anders liegen, hätte Faith sich auf einen Streit eingelassen, aber die Lage war genauso ernst wie sie befürchtet hatte.
 

„Du bist von uns der Soldat. Lass dir was einfallen!“ Die Jägerin war schon wieder auf dem Weg zu gehen.
 

„Und wo willst du hin?“ fragte Riley und machte einen Schritt auf sie zu.
 

„Buffy helfen.“ War Faiths knappe Antwort, dann verließ sie das Büro.
 

+++
 

Krankenhaus Cleveland,

selber Nachmittag

Seit die Soldaten alle Infizierten in Quarantänezelte gebracht hatte, war es leer geworden. Die wenigen Menschen, die nicht mit dem Virus infiziert waren, verließen erst gar nicht das Haus aus Angst sich auch anzustecken.
 

Willow hasste diesen Geruch aus Desinfektionsmitteln und Medikamenten. Dr. Albertsson und Dr. Hammill, Lilys Spezialist hatten die Hexe und ihre Freunde glücklicherweise nicht allzu lange warten lassen. Die beiden Ärzte waren ganz aufgeregt als Willow ihnen von dem berichtete was sie unter dem Mikroskop entdeckt hatte.
 

„Wir haben uns gefragt, warum wir uns nicht mit dem Virus infiziert haben“ meldete sich Robin zu Wort.
 

„Kluge Frage“ nickte Dr. Albertsson. Die Frage hatte er sich auch schon gestellt. „Sie müssen etwas in sich haben, das gegen die Viren immun ist. Dazu müssten wir uns die Viren-Kultur aber erst mal ansehen. Ms. Rosenberg?“
 

Willow nickte und holte aus ihrer Tasche ein kleines Reagenzfläschchen heraus, in dem sich ein Teil der Grundwasserprobe befand. Dr. Albertsson bedeutete der Gruppe ihm in sein Labor zu folgen. Dr. Albertsson legte ein kleines Stück Glas auf den des Mikroskops, träufelte die Grundwasserprobe darauf und runzelte nach einigen Minuten, in denen er das Virus beobachtet hatte, verwirrt mit der Stirn. „Dr. Hammill sehen sie sich das an!“ forderte er seinen Kollegen auf.
 

Dr. Hammill trat ans Mikroskop nur um wenig später mit demselben fragenden Stirnrunzeln zu seinem Kollegen zu blicken.
 

„Was ist?“ fragte Kennedy ungeduldig.
 

„Nun dieses Virus setzt sich zu einem kleinen Teil aus tropischen Viren wie Cholera oder Typhus zusammen. Aber ein ganz entscheidender Anteil sind Grippeviren!“ erklärte Dr. Albertsson verblüfft.
 

„Ich habe mich vor kurzem gegen Grippe impfen lassen“ fiel Robin ein.
 

„Ja ich mich auch“ pflichtete Ronah bei. Willow und Kennedy nickten nur bestätigend und auch Lily, die sich ein wenig im Abseits gehalten hatte, nickte.
 

„Wissen sie was das heißt?!“ fragte Dr. Hammill aufgeregt. Die Scoobies reagierten mit nervösen Blicken und fragendem Stirnrunzeln auf diese Frage. Aber offensichtlich war es etwas positives, denn die Ärzte gerieten nicht in Panik. „Das bedeutet, dass wir das Virus besiegen können. Es ist so simpel…..“ rief Dr. Hammill.
 

„Ich finde sie sollten langsam mal erklären was eigentlich los ist!“ sagte Kennedy ärgerlich.
 

„Wir haben es hier mit einem Anteil an Grippeviren zu tun. Wenn wir es schaffen den Impfstoff so zu ändern, dass er die Viren nicht bloß verhindert sondern bekämpft, hätten wir ein Gegenmittel.“
 

„Ich steig immer noch nicht durch“ flüsterte Ronah Kennedy zu.
 

„Gut. Und ich dachte schon ich wäre die Einzige, die schwer von Begriff ist“ erwiderte Kennedy.
 

„Sie wollen die Grippeviren also mit einem einfachen Grippemittel bekämpfen? Und was ist mit den Cholera- und Typhusviren?“ fragte Willow.
 

„Sie versteht es besser als ich“ kommentierte Ronah stirnrunzelnd.
 

„Nein sie verstehen das nicht. Wir wollen ein Mittel entwickeln, dass sowohl Grippe-, als auch Cholera und Typhusviren sucht und bekämpft. Das wäre dann so als würde der Körper ein Heer von Superhelden entwickeln um die Viren abzuwehren“ erklärte Dr. Albertsson.
 

Endlich realisierten die Freunde, dass sie es geschafft hatten. Sie hatten etwas gefunden, dass dem Parzyloten-Virus die Stirn bieten konnte. Erleichtert und glücklich fielen sich Kennedy und Willow in die Arme, während Ronah und Robin strahlten. Lily hingegen wirkte unglücklich. Nicht weil der ganze Horror nun bald ein Ende finden würde, sondern weil jetzt genug Zeit war um sich mit Rupert und Buffy auseinander zu setzen. Lily wusste, dass ihre Reaktion auf den Befehl des Colonels einem Vertrauensbruch gleich kam, ein Vertrauensbruch soweit es Rupert betraf. Bei Buffy hatte Lily schon lange das Gefühl gehabt, dass sie ihr nicht traute. Und jetzt würde die Wächterin auch keine Chance mehr bekommen Buffys Vertrauen zu gewinnen.
 

„Ich werde die notwendigen Schritte sofort veranlassen!“ verkündete Dr. Albertsson und verließ eilig das Labor.
 

„Und ich rufe Riley an, damit der verhindert, dass das Militär doch noch Menschen umbringt“ sagte Willow und machte sich ebenfalls daran das Labor zu verlassen.
 

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Kanalisation Cleveland,

später Nachmittag

Buffy hatte nicht mit der Stärke und der großen Anzahl der Dämonen gerechnet, die dem Clan angehörten. Einer der Mitglieder presste den Körper der Jägerin mit dem Stiel seiner Axt gegen die Wand, während die anderen mit Messern hinter ihm standen und auf jede Bewegung der Jägerin achteten. Buffy sah kurz nach unten um ein Ziel zu finden, dass der Dämon nicht schützte. Sie entschied sich kurzerhand für einen Tritt zwischen seine Beine. Der Dämon zuckte kurz zusammen, war dabei aber so unachtsam die Axt ein wenig zu senken. Das gab Buffy die Gelegenheit dem Dämon die Waffe abzunehmen und ihn mit einer fließenden Bewegung zu köpfen. Die restlichen Clan-Mitglieder stürzten sich sofort auf die Jägerin.
 

Den Schlag von zwei Clan-Mitgliedern konnte Buffy abwehren, doch der Dritte erwischte sie am Kopf. Buffy taumelte und ging zu Boden. Sie grunzte leicht vor Schmerz als sie hart auf dem Boden aufschlug.
 

Der Dämon war schon wieder dabei auf die blonde Jägerin loszugehen, als er plötzlich von jemandem weggeschleudert wurde. Buffy sah auf. Es war Faith, die eine Streitaxt in der Hand hielt und grimmig lächelte.
 

„Gott ich war noch nie so froh dich zu sehen“ stöhnte Buffy erleichtert. Gerade als Faith antworten wollte, wurde sie von einem Dämon gepackt und mit einem wuchtigen Wurf gegen die Wand geschleudert, während die zwei anderen Dämonen Buffy wieder zu Boden schlugen.
 

Buffy nutzte es, dass sie auf dem Boden lag, indem sie den Dämonen die Füße unter dem Boden wegzog, holte sich die Axt, die sie verloren hatte und wollte ihre Gegner köpfen.
 

Plötzlich schoss der Fuß des Einen unerwartet hervor und traf Buffy mitten im Gesicht. Die Jägerin verlor kurzzeitig das Gleichgewicht und als sie sich wieder gefangen hatte und mit einem Schlag kontern wollte, waren die Dämonen weg.

„Sie sind getürmt!“ erklärte Faith, während sie ihre Lederhose vom Staub säuberte. Buffy nickte und fragte sich wohin die Mitglieder des Clans wohl verschwinden würden. Würden sie es noch mal mit Mitgliedern des HtoGroms aufnehmen müssen?
 

++++
 

Ratsgebäude,

zwei Tage später, Mittag

„Leute ich kann euch gar nicht sagen wie hungrig ich bin!“ rief Xander und rieb sich in freudiger Erwartung die Hände.
 

„Du bist doch immer hungrig!“ lachte Vi und machte eine wegwerfende Handbewegung.
 

„Es ist ja auch lecker. Wo lernen Briten so gut kochen?“ fragte Xander. Die Frage hatte Giles gegolten, der mit einer weißen Schürze bekleidet ins Esszimmer kam.
 

„Auf diese Frage werde ich nicht antworten. Und wenn du so weiter isst, bleibt bald nichts mehr für uns,“ antwortete Giles mit einem leichten Schmunzeln. Es war eine gute Idee gewesen seine Freunde zum Essen einzuladen. Nach den ganzen Strapazen um das Virus hatten sie es sich mehr als verdient. Außerdem entging er so einer Auseinandersetzung mit Lily. Er würde mit ihr reden. So bald wie möglich. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
 

Zuallererst wollte er sich daran erfreuen, dass es Andrew, Xander, Vi und Dawn wieder besser ging. Genau wie den meisten Menschen, die infiziert waren. Dr. Albertsson und Dr. Hammill hatten veranlasst, dass mehr Mengen des neuen Impfstoffs produziert wurden und in alle möglichen Länder verschickt wurden um so einen Vorfall in Zukunft zu vermeiden.
 

„Ja genau! Es gibt noch andere, die was abbekommen wollen!“ murrte Andrew und griff nach der Schüssel mit den Kartoffeln bevor Xander sie sich schnappen konnte. Giles lächelte. Es war nur schade, dass Willow keine Zeit gehabt hatte. Aber Giles hatte Verständnis durch das Virus hatte sie im College bestimmt eine Menge an Stoff versäumt, den sie nun nachholen musste.
 

++++
 

Xander und Andrews Wohnung

später

"Wollen wir morgen ins Kino? Oder fühlst du dich noch nicht wieder fit genug?"
 

Xander hatte den Kulturteil der Zeitung aufgeschlagen, und fuhr suchend mit dem Finger durchs Kinoprogramm. Abgesehen von einer verbrauchten Packung Kleenex, und ein paar einsamen Niesern dann und wann, war von der Erkrankung nichts mehr zu spüren. Fieber und Kopfschmerzen waren vollkommen verschwunden, und morgen, so hatte der Arzt ihm bescheinigt, durfte er wieder in die Firma gehen.
 

Er legte die Zeitung beiseite. Es würde so gut tun, diesen Alptraum hinter sich zu lassen, und wieder ins Alltagsleben zurückzukehren.
 

"Ich kann leider nicht." Andrew erschien im Türrahmen, ein Berg frischer Wäsche auf seinen Armen, und das Bügelbrett hinter sich herziehend. "Muss morgen arbeiten."
 

"Tatsächlich?" wunderte sich Xander. Er sprang auf, um Andrew mit der Wäsche zu helfen, doch dieser hatte schon das Sofa erreicht. "Ich dachte, du hättest Frühschicht. So steht's zumindest bei dir im Plan."
 

"Doppelschicht," verbesserte Andrew, ohne Xander dabei anzusehen. Er lud die Klamotten ab, und begann sie zu sortieren. "Ich... uhm hab' einiges nachzuholen, immerhin hab ich über eine Woche gefehlt."
 

"Du solltest es lieber langsam angehen lassen..." Xander schenkte Andrew ein zuversichtliches Lächeln, doch sein Wohngemeinschaftspartner hielt den Blick weiter auf die T-Shirts gerichtet, die er gerade zusammenfaltete. "Und mach dir keine Sorgen wegen der Miete."
 

"Schon klar, aber ich kann meinen Anteil für diesen Monat schon bezahlen. Wir müssen halt noch ein bißchen warten, bis mein nächster Scheck da ist!" Andrew lächelte kurz, und trug die T-Shirts zur Kommode hinüber. Xander hatte das Gefühl, dass seine Stimme ein wenig förmlich klang, und das war meist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte.
 

Verdammt, natürlich war es nicht in Ordnung. Und es war besser, er entschuldigte sich jetzt gleich, als es noch länger schleifen zu lassen. "Du - wegen dieser Sache... das hab' ich nicht so gemeint! Mir ging's wirklich mies, und ich hatte einfach Angst..."
 

"Wir hatten alle Angst!" Andrew knallte die Schublade der Kommode zu. "Aber deswegen haben wir nicht einfach mit Vorwürfen um uns geschmissen. Ich hab' dir schon mal gesagt, wenn ich was getan hab', weswegen du sauer bist, dann sag' mir was los ist! Ich bin kein Betazoid, der Gedanken lesen kann."
 

"Du hast nichts getan." Ungeschickt fingerten Xander's Hände mit dem Paar Socken herum, das er eigentlich zusammenlegen wollte. "Du hast nichts getan, und darum geht es auch überhaupt nicht."
 

"Worum geht es dann?" fragte Andrew ziemlich hilflos zurück. "Ich meine...du hast mir vorgeworfen, ich würd' euch alle in Gefahr bringen. Das ist keine Kleinigkeit, Xander!"
 

"Nein." Xander schmiss die Socken auf die Couch zurück. "Aber es ist etwas, das ich nie gesagt hätte, wenn ich ohne Fieber, und bei Sinnen gewesen wäre."
 

"Schon klar." Andrew klappte das Bügelbrett auf, und steckte das Eisen an . "Ich würd' ja wirklich gerne glauben, dass es nur dummes Dahergerede war, aber..." Er legte sein rotes Pizza-Hut Hemd auf das Brett und strich es glatt. "Was willst du morgen anziehen?"
 

"Danke." Xander fischte ein dunkelgrünes Hemd von der Couch und reichte es Andrew. Für eine Weile war das einzige Geräusch, das die Stille des Raumes durchdrang, das Gleiten des Bügeleisens über Stoff. Xander nahm den Kampf mit den Socken wieder auf, auch wenn sie bei ihm immer zu unförmigen Knödeln wurden.
 

"Als Willow sich verwandelt hat..." begann Xander plötzlich, "vorige Woche auf dem Flugplatz...hattest du da Angst vor ihr?"
 

Vor Schreck hätte Andrew sich beinahe am Bügeleisen verbrannt. "Furchtbare Angst," gestand er, "ich hab gedacht... ich hab gedacht, sie tötet uns...Warren, und mich auch, wenn ich ihr nicht aus dem Weg gehe...ich weiß, es war sehr dumm, das von ihr zu denken, wo ich doch ganz genau weiß, dass sie nicht mehr böse ist. Aber das... das ist mir erst hinterher klar geworden..."
 

Xander nickte langsam. "Manchmal weiß man, dass ein Mensch sich geändert hat," sagte er, "aber das ändert nichts an der Angst. Ängste sind im allgemeinen eine sehr unlogische und irrationale Angelegenheit."
 

"Und du hast Angst, ich könnte dich, Buffy, und die anderen in Gefahr bringen." Andrew legte das Pizza Hut Hemd zusammen, und nahm sich Xander's grünes vor. "Auf eine ganz unlogische und irrationale Weise."
 

"Du bist nicht mehr der, der du einmal warst." Xander trug die fertigen Socken, und die zusammengelegte Wäsche zur Kommode hinüber, um sie einzuräumen. "Du hast gelernt, Verantwortung zu übernehmen, und du weißt jetzt, was richtig und falsch ist. Und so ganz nebenbei - du hast Kennedy das Leben gerettet, damit kann ich sie noch jahrelang aufziehen, wenn sie wieder den Mund zu voll nimmt. Aus dir ist jemand geworden, Andrew, ein wertvoller Mensch, und ein zuverlässiger, treuer Freund..."
 

Andrew war knallrot im Gesicht geworden. "Ich hoffe, du sagst das nicht nur, damit ich noch mehr Hemden für dich bügle," murmelte er verlegen.
 

"Und, funktioniert es?" entgegnete Xander grinsend, als er die Kommode schloss, und zur Couch zurückging. Ohne Übergang wurde er wieder ernst. "Was ich meine ist, du hast eine großartige Entwicklung durchgemacht, und wir dürfen nicht zulassen, dass dieser...dieser Psychopath das alles wieder zerstört. Er ist wie ein Virus, das alles bedroht, was aus dir geworden ist, und du darfst dich nicht damit anstecken. Du musst dich von ihm fernhalten, versprich mir, dass du dich von ihm fernhältst! Wenn er irgendwas versucht, wenn er auch nur versucht, Kontakt mit dir aufzunehmen, gibst du sofort uns anderen Bescheid. Lass dich auf nichts ein, egal mit welchen Tricks und Lügengeschichten er wieder bei dir ankommt. Du weißt, was er für schreckliche Dinge getan hat, und wozu er dich gebracht hat."
 

"Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich bin jetzt einer von den Guten." Andrew reichte Xander das fertige Hemd, und dieser hängte es sorgfältig über den Sessel. Während Andrew das Bügelbrett zusammenklappte, räumte Xander die restlichen Hemden von der Couch auf den Tisch. Er schüttelte das Simpsons Kissen aus, das völlig zerknautscht unter dem Wäscheberg gelegen hatte.
 

"Ich weiß." Ein warmes Lächeln umspielte Xander's Lippen, als er Andrew liebevoll anblickte. "Und ich hab' vollstes Vertrauen zu dir."
 

Mit dem Handrücken fegte er ein paar schwarze Haare von dem hellen Stoff, wunderte sich kurz darüber, was seine Haare auf Andrew's Kopfkissen verloren hatten, und entschied schließlich, dass es von der Wäsche kommen müsse.
 

+++
 

Universität, Willows Zimmer,

in der Nacht

Willow saß in ihrem Zimmer, atmete die leicht stickige Luft die sich in den letzten Stunden angesammelt hatte. Ihre Augen taten weh. Das kam davon, wenn man nur bei diesem schwachen Licht seine Bücher studierte, und das noch um diese Uhrzeit. Ihre Haut wurde von einer leichten Gänsehaut bedeckt, als würde ein kleiner Windhauch durchs Zimmer wehen.
 

Langsam breiteten sich bei Willow Kopfschmerzen aus, und verschlangen all die Wörter, die soeben von ihr gelesen wurden. Es wurde kälter, und ihre Atemzüge langsam aber sicher kürzer. Auch wenn sie es anfangs nicht bemerkte, breitete sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus.
 

Willow fing an zu zittern, in ihrem Kopf hämmerte es, Dumpfe Klänge die immer wieder hallten. Wie konnte es einem so schnell heiß und kalt werden? Sie hoffte, dass nicht kommen würde, was sie vermutete. Am liebsten würde sie jetzt einfach in ihrem Bett sein, schlafen, und nur einen Alptraum erleben. Vielleicht war dass gerade ja auch ein Traum? Ein sehr realistischer.
 

Wieder diese Szenen in ihrem Kopf, wie es schon einmal passierte, und die ihr Silent Hill zeigten. Doch damals konnte sie nur erahnen wie sich das ganze anfühlte. Willow wusste nicht, ob sie es überhaupt wissen wollte.
 

Sie stand auf, wollte ihre trockene Kehle mit Flüssigkeit befeuchten, doch sie kam nicht so weit, um das Glas des abgestandenen Mineralwassers hochzuheben.
 

Willows Knie gaben nach, ließen sie an der Wand Halt suchen. Die Rothaarige wollte sich festhalten, als sich der Schmerz langsam in ihren Körper bohrte. Sie sah, wie sich ein verschwommenes Bild vor ihren Augen bildete, für ein paar kurze Sekunden schärfer wurde, doch dann wieder verschwand.
 

Eine dunkle Gestalt, hetzte graffitibeschmierte Seitenstraßen entlang. Willow hörte das leichte Surren der Hauptstraße, dass sich in einen immer höheren Ton verwandelte. Es kam ihr so vor, als würde ihr Kopf langsam aber sicher ein Vakuum bilden. Nur durch den Körperbau der Person und die langen Haare, konnte Willow erkennen, dass es sich um ein Mädchen, oder zumindest eine junge Frau handeln musste.
 

Ihre Lunge füllte sich mit Luft. Willow konnte dass Geschehen nur noch mit einem leichten Seitenstechen verfolgen, dass von Atemzug zu Atemzug noch einmal zunahm. Auf ihrer Stirn bildeten sich einige Schweißperlen, und Willow fühlte wie sich diese Szenen vor ihren Augen, langsam in ihren Kopf fraßen, ihr gleichzeitig immer mehr Sauerstoff wegnahmen.
 

Durch dieses laue Gefühl in der Bauchgegend, konnte Willow fühlen dass sie Angst hatte. Doch wohl nicht nur das Mädchen, sondern auch sie selbst. Sie rann vor etwas oder jemandem davon, und sie war das laufen nicht gewohnt. Willows Beine wurden langsam weich.
 

Willow konnte die Nässe des Bodens fühlen, auf den dass Mädchen wie ein Häufchen Elend fiel, als sie eine Mülltonne streifte und das Gleichgewicht verlor. Die Hüterin konnte förmlich spüren wie sich die Kälte langsam ausbreitete, sich den Weg durch ihre Kleider suchte.
 

Mit einer Hand krallte Willow sich an der geriffelten Tapete fest, und sank langsam zu Boden. Ihr Kopf lehnte an der Wand ihres Collegezimmers, und es fühlte sich so an, als würde sie ihren Schädel immer wieder dagegen schlagen.
 

Diese kurzen Szenen vor ihren Augen zeigten kleine, rote, Schnitte. Willow wollte schwören dass es ihre eigenen waren. Gleichzeitig brannte der Körper des Mädchens, dank der Wunden die ihren Körper zeichneten.
 

Die Kleiderfetzen hingen schlaff herunter, wurden langsam von einer dunkelroten Flüssigkeit durchtränkt. Dieser Anblick raubte Willow den Atem, sie wusste nicht ob sie schreien sollte, ob sie es noch richtig konnte.
 

Willow schloss die Augen, dieses grauenhafte Gefühl rauschte durch ihren Körper. Als könnte sie jeden einzelnen Millimeter des Bluts spüren, das über den Bauch des jungen Mädchens floss. Es war fast genauso rot, wie ihre Haare, die von Schweiß getränkt schlaff herunterhingen, und sich dank der Dunkelheit und dem Nebel nicht weiter von ihren Kleidern unterschieden.
 

Sie hockte zusammengekauert, nach Schutz suchend neben dieser großen Mauer. Die Bilder vor Willows Augen drehten sich, hinterließen ein dumpfes Stechen in ihrem Kopf. Sie konnte sehen, wie der Umriss eines Vampirs auf sie zusprang. Statt Willows eigenem Schrei, durchbrach der Angstschrei des Mädchens die Stille, übertönte das Pochen von Willows Herz.
 

Vampire umzingelten sie, grinsten, als wäre es ihnen bestimmt die Überhand zu nehmen, jeden einzelnen Tropfen ihres jungen Blutes auszusaugen.
 

Sie prallte auf den Boden, Willow sah wie eine Faust auf sie zuraste, spürte den Windhauch der schon einige Sekunden vorher ihr Gesicht berührte. Eine Vampirfratze war vor ihren Augen zu sehen, von Schmerz gezeichnet, als hätte den Blutsauger gerade etwas von den Beinen gerissen. Diese Bildfetzen, in denen immer mehr finstere Gestalten langsam den Kreis um das Opfer enger zogen, sich fast schon amüsierten.
 

Willow wollte dass es endlich vorbei war. Dass sie aufhören würde diese Bilder vor ihren geschlossenen Augen zu sehen. Vielleicht auch, dass dieses Mädchen sterben würde, damit ihre eigenen Qualen auch vorbei waren. Einzelne Tränen rannen über ihre Wangen, drückten allerdings nicht annähernd den Schmerz und die Furcht aus, die gerade durch ihre Glieder wanderte.
 

Gleichzeitig hatte Willow Angst, dass es mit ihrem Leben genauso vorbei war, dass sie fühlen konnte wie ihr Blut bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt wurde, und dass ihr Herz im selben Moment aufhören würde zu schlagen, wie das des rothaarigen Mädchens ...
 

GrrrrArrrgh

Folge 11: Trapped

Länge: ca. 72 Seiten

Autor: Mel, Stefan

Co-Autoren: Yamato, Nightfever, White Magic

Bilderstellung: Projekt 8
 

b]Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Willow: Willow liegt in Giles Wohnung im Bett, während gedämpft durch die Tür die Stimmen der anderen vor dem laufenden Fernseher zu hören sind. Sie schläft unruhig – Überblendung – Willow läuft durch die leeren Strassen von Silent Hill – Überblendung – Willow schaut in ein Schaufenster. Ihr schaut das Gesicht eines jungen Mädchens entgegen – das von Kimberly – als Willow das Glas des Schaufensters berührt verschwindet das Bild von Kim und eine Hand schießt durch das Fenster. Willow schreit auf und wacht im Bett auf. --- 8.03 „Welcome to Silent Hill“
 

Willow: Willow steht in ihrem Studentenzimmer, als sie plötzlich nach vorne kippt, vor Schmerzen, und sich gerade noch am Schreibtisch festhalten kann. – Überblendung – Faith kämpft mit einem Vampir in einer Lagerhalle und bekommt gerade einen heftigen Schlag in den Magen. --- 8.04 „Be careful what you wish for“
 

Kennedy und Warren: Sie stehen sich gegenüber und kämpfen. Warren holt mit dem Schwert aus und trifft Kennedy an der Seite.

Willow: "Lass mich raus! Lass mich sofort hier raus!" Willow befindet sich im Inneren einer Kuppelhalle ohne scheinbarer festen Form. Es sind rote Wände, und sie scheinen aus Flammen zu bestehen. Gestalten bewegen sich in den Flammen. Die Feuerwände wechseln sich ab, mit Schneefeldern, und einem sternenklaren Nachthimmel. Willow spürt plötzlich einen heftigen Schmerz an der Seite. Mit Erschrecken sieht sie, dass sich dort eine kleine Wunde befindet, und sie hat keine Ahnung, wie das passiert sein konnte. Ihr einziger Gedanke – schnell von hier raus zu kommen, denn Kennedy war dort draußen - irgendwo, und sie kämpft gegen Warren! -- Und dann endlich begreift sie... --- 8.09 „Mine to Give“
 

D’Hoffryn: "Wie mir scheint, weißt du gar nicht, worauf du dich da eingelassen hast. Der Rat wird leichtes Spiel mit dir haben, wenn du dich nicht genauer über deine Rechte und Aufgaben informierst... -- Angepasste Frauen gab es in jeder Gesellschaft. Ich spreche von den Methoden, nicht von den Personen. Macht nach Regeln, Vorschriften, Zahlen. Die Welt in Schubladen. Was man nicht kennt, wird gefürchtet. Was man nicht versteht, wird vernichtet..." --- 8.09 „Mine to Give“
 

Kennedy und Willow nach dem Kampf mit Warren: Kennedys Blick fällt auf den Boden und sieht dort etwas glitzern, eine goldene Münze mit seltsamer Prägung. Sie bückt sich, und hebt sie auf. ---- 8.09 „Mine to Give“
 

Riley zu Sam: „Der Colonel ist auf dem Weg hierher. Er ist nicht mehr weit entfernt. Er…Sam wir haben den Befehl alle Infizierten zu töten.“

Riley zu Buffy: „Buffy ich habe meine Befehle und ich…“

Buffy: „Soll das heißen, dass du… Bist du völlig übergeschnappt?!“

Lily: „Also ich finde, dass Agent Finn gar nicht so Unrecht hat. Überlegt doch mal! Wir haben hier hunderttausende von Erkrankten, die höchstwahrscheinlich sterben werden. Weiß Gott wie viele könnten sich noch infizieren. Wir stehen hier praktisch vor einem Unheil, dass die ganze Menschheit auslöschen könnte. Agent Finn und das Militär versuchen doch nur Menschenleben zu retten!“ ---- 8.10 „Virus“
 

Lily: "Oh ja, sieh dir Buffy an. Sie war eine Ausnahme. Nicht wahr? Etwas Besonderes!". Lily klang spöttisch. "Du hast Ausnahmen gemacht, ihr Dinge durchgehen gelassen, die ein anderer Wächter vielleicht verboten hätte. Die Liebe zu einem Vampir! Freunde, Schule... Privatleben. Und was hat es dir gebracht? Du wurdest deswegen gefeuert, wieder eingestellt... ein hin und ein her. Und jetzt weiß sie nicht einmal ob sie noch jagen will oder nicht. Sie geht auf Patrouille wann immer sie Lust dazu hat oder eben nicht. Sie hat keine Arbeit, sie wohnt auf deine Kosten und weiß wahrscheinlich nicht einmal, was sie an dir hat." --- 8.05

Lily: zu Giles, als er die Sense in die Kiste zurücklegt “Mit ihr könnte man ... nun uh... man könnte mit ihr ganz leicht alles rückgängig machen und alles wäre wieder beim Alten. Kein unnötiger Stress, keine unausgebildeten, jungen Wächter....“ --- 8.09 „Mine to Give“
 

Giles: „Denkst du sie haben schon angefangen mit den ersten Infizierten?“

Lily: „Ich weiß es nicht, doch je später sie beginnen, desto höher ist das Risiko, es wäre nur eine unnötige Zeitverschwendung!“

Giles: „Grund Gütiger, Lily, du kannst es doch nicht richtig finden, es spricht gegen all das wofür wir stehen!“

Lily: „Und was soll das sein?“

Giles: „Wir retten Menschen!“

Lily: „Ich denke, dass du da einem Irrtum unterliegst Rupert. Wir haben es nie darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des Rates nicht. Es war höchstens ein Nebeneffekt unserer Arbeit, unsere eigentlichen Ziele sind höher, wir bewahren die gesamte Menschheit vor dem Untergang, Jahr um Jahr, Tag um Tag. Wenn wir dabei Opfer bringen müssen, dann müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es unvermeidlich ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss!“ --- 8.10 „Virus“
 

Dawn: „Also gibt es jetzt Monster in diesem See, oder nicht?"

Sam: "Du solltest Josh nicht immer alles glauben, was er erzählt. Der hat zu viele Bücher über Loch Ness gelesen. Jetzt spinnt er 16 Stunden am Tag, und den Rest verpennt er für gewöhnlich…!".

Josh: "Jaja… aber ihr kennt doch die Legende… über…!".

Mara: "Alles Humbug… ihr glaubt das doch nicht etwa im Ernst, oder? Ich meine… das sind alte Lagerfeuergeschichten, die Eltern ihren Kindern an irgendwelchen Familienabenden erzählen, … nicht mehr und nicht weniger! Meine Großmutter hat sie mir einmal erzählt. Kurz vor Halloween… buhu… undurchdringlicher Nebel kriecht über den See… ein Schifferboot verschwand… und einige Leute die riesige, schlangenähnliche Monster auf dem See gesehen haben wollen." ---- 8.5 „Home Sweet Home“
 

Stimme Reiseleiter (V.O.): „Einer kam über sie, und alles was nach der Sintflut zurück blieb war reine Erde.“ -- Buffy steht in der Höhle in Australien und sieht weißes gleißendes Licht. Danach steht sie auf einer weiten Ebene und sieht ein Dorf. Plötzlich bricht ein Unwetter aus, Regen stürzt auf das Dorf nieder und droht alles zu überschwemmen. Eine Gruppe Reiter bewegt sich auf sie zu. --- 8.01

Magier (V.O.): “Einer kam über sie, und alles was nach dem Feuersturm zurück blieb, war reine Erde.” Faith steht in einer Wüstenlandschaft. In der Ferne eine Oase und ein Dorf. Ein Feuer bricht im Dorf aus. Eine Gruppe Reiter bewegt sich auf sie zu. --- 8.03.

Buffy und Faith getrennt schlafend aber träumend: Beide sind in der Wüste, beide sehen die Oase und das Dorf. Faith kommt an einer Pyramide vorbei, Buffy erreicht den See der Oase. Es wird dunkel, die Pyramide erzittert und der See wird unruhig. Plötzlich bricht ein Reiter aus der Pyramide aus und ein zweiter folgt ihm aus dem See. –-- 8.06 „Best of Both Worlds“

D’Hoffryn (V.O.): “Einer kam über sie, und alles was nach dem Eissturm zurück blieb, war …” – Kennedy läuft über eine Eiswüste, ihre Fußspuren ziehen sich hinter ihr her. Sie schaut auf ihren Fuß hinunter – ein Tropfen Blut. Sie rennt los ... Kennedy findet Willow im Schnee liegend, überall ist Blut, Willow schreit. Ein Spalt öffnet sich in der Schneedecke und Willow verschwindet darin. Kennedy wird von dem Spalt weggerissen, ein Reiter sprintet aus dem Bodenriss in die Höhe auf... ---- 8.09 „Mine to Give“
 

Willows Vision aus „Virus“:... Als könnte sie jeden einzelnen Millimeter des Bluts spüren, das über den Bauch des jungen Mädchens floss. Es war fast genauso rot, wie ihre Haare, die von Schweiß getränkt schlaff herunterhingen, und sich dank der Dunkelheit und dem Nebel nicht weiter von ihren Kleidern unterschieden....

Überblendung

Sie prallte auf den Boden, Willow sah wie eine Faust auf sie zuraste, spürte den Windhauch der schon einige Sekunden vorher ihr Gesicht berührte. Eine Vampirfratze war vor ihren Augen zu sehen, von Schmerz gezeichnet, als hätte den Blutsauger gerade etwas von den Beinen gerissen. Diese Bildfetzen, in denen immer mehr finstere Gestalten langsam den Kreis um das Opfer enger zogen, sich fast schon amüsierten. --- 8.10 „Virus“
 


 

Prolog
 

Cleveland, nachts

Seitengasse

Dem ermüdeten, erschöpften Mädchen mit den roten Haaren, das ihr vom Schweiß getränkt schlaff ins Gesicht hing, zitterten die Knie. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, der Schnitt quer über ihren Bauch brannte und das Blut floss in einem warmen, feuchten Rinnsal an ihrem Bauch hinunter. Zu allem war sie vollkommen außer Atem und der Schweiß rann ihr über die Stirn. Ein heftiges Ziehen in der Seite kündigte ein unangenehmes Seitenstechen an. Sie war müde, sie hatte Angst und mit einem Blick durch die Strasse, wusste sie, dass sie hier, in der engen Seitengasse, die an einer zwei Meter hohen Mauer endete wahrscheinlich noch weniger Chancen hatte, als sich von diesen Monstern durch Cleveland hetzen zu lassen. Sie waren ihr gefolgt, über die Hauptstrasse, weiter in das Herz von Cleveland hinein, vorbei an graffitibeschmierten Wänden und Schneebedeckten Straßenzügen. Und jetzt lag sie auf dem kalten Boden dank einer Mülltonne, die sie übersehen hatte und die laut scheppernd davon rollte, bis sie von einem Schneeberg aufgehalten wurde.
 

Eines war ihr auf jeden Fall bewusst... sie saß in der Patsche und zwar so tief, wie das letzte Mal, als sie beim Rauchen auf der Schultoilette erwischt worden war.. oder tiefer.
 

Ein Vampir – ein Vampir? - sprang auf sie zu und ließ zu seinem Vergnügen ein tiefes Knurren aus seiner Kehle dringen und schlug mit seiner Hand in die Luft, als wollte er sie ergreifen. Sie schrie auf, was die Vampire belustigte und kroch weiter in die Gasse hinein. Schwankend kam sie wieder auf die Beine und sah sich gehetzt nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber als wären die vier Angreifer noch nicht genug, sprangen hinter ihr zwei weitere Vampire knurrend über die Mauer. Ihre Stiefel machten einen lautes, aber dumpfes Geräusch, als sie auf dem Boden aufkamen und das Leder ihres Outfits knirschte bedrohlich.
 

Das junge Mädchen warf einen verängstigten Blick über die Schulter. Sie war ihnen nicht nur an der Zahl unterlegen. Auch von ihrer Größe und Statur rechnete sie sich kaum Chancen aus. Sie war nicht sonderlich schlank und kaum trainiert. Das bisschen Basketball im Schulsport wollte sie sich selbst nicht anrechnen. Hinzu kam die Müdigkeit, die Erschöpfung ihres Körpers und die vielen kleinen Kratzer, die höllisch brannten.
 

Erneut machte sich ein Vampir den Spaß sie anzugreifen, doch diesmal traf der Schlag sie an der Brust, obwohl sie versucht hatte, sich zu wehren. Das Mädchen fand ihr Gleichgewicht nicht wieder und flog auf den Boden. Erstaunlich schnell war sie wieder auf den Beinen, und darüber waren nicht nur die Vampire überrascht.
 

Als der größte und stärkste der Gruppe auf sie zu sprang, gelang es dem rothaarigen Mädchen seinen Schlag zu blocken. Als dafür ihre Faust seinen Magen traf, segelte er mehrere Meter weit nach hinten. Überrascht und davon abgelenkt bemerkte sie nicht, dass die anderen Vampire den Kreis um sie enger zogen.
 

Eine Sekunde später...

Plötzlich unterbrach die lauernde Stille ein lautes „Puff“ - beide Vampire, die über die Mauer gesprungen waren, sahen verdutzt die Gefährten auf der anderen Seite an, ehe sie sich vor aller Augen in Staub verwandelten.
 

Hinter der Wand aus Asche materialisierte sich mit einem breiten Grinsen und zwei im Anschlag gehaltenen Pflöcken - Buffy. Das Haar zum Pferdeschwanz gebunden im knielangen, schwarzen Mantel, Wollschall und Mütze sah sie die restlichen fünf Vampire seelenruhig an.
 

„Das wollte ich schon immer mal ausprobieren,“ sie sah fröhlich auf die Pflöcke und dann zurück zu den Vampiren. „Na gut.. dann solltet ihr Feiglinge es jetzt mal mit jemanden aufnehmen, der was drauf hat.“ Ein Knurren der Vampire kündigte den Angriff an, doch Buffy war vorbereitet. Sie duckte sich unter dem Schlag mit einer Holzlatte hinweg, rammte von unten aufwärts dem Angreifer einen Pflock in die Brust und während sie um 90 Grad herumwirbelte, zerfiel er zu Asche. Sie wandte sich den verbleibenden Kämpfern zu. „Der nächste bitte?“
 

Sie stürzten sich gleichzeitig auf die blonde Jägerin. Buffy sprang in die Höhe und ließ die drei ins Leere laufen, während sie mit einem Vorwärtssalto über ihre Köpfe hinwegflog und mit beiden Beinen sicher auf dem Boden landete.
 

Das Mädchen verfolgte ihre Bewegungen erstaunt und voller Anerkennung, auch wenn Buffy nicht wirklich Zeit hatte, um das Mädchen zu beachten.
 

Die Jägerin wirbelte herum, trat einem der Vampire ins Kreuz und beförderte ihn gegen die Mauer. Er krachte so hart dagegen, dass sich Steine lösten und er benommen zu Boden glitt.
 

Die beiden anderen hatten sich ihr wieder zugewandt und griffen erneut gemeinsam an. Buffy trat dem linken gegen die Kniescheibe, die mit einem lauten Knacks heraussprang. Dem anderen schlug sie nach der Abwehr einer Faustkombination gegen ihren Kopf, die Handkante folgte mit einem Schlag auf die Halsschlagader, was den Vampir zur Seite wirbeln ließ. Sie sprang nach und pfählte ihn ohne weiteren Wiederstand zu spüren.
 

Der Vampir mit der zerstörten Kniescheibe kam auf Buffy zugehumpelt und der letzte, an der Mauer, schaffte es gerade wieder auf die Beine.
 

Buffy beschloss nicht mehr länger zu spielen, und dem Kampf ein schnelles Ende zu bereiten. Sie zog den verletzten Vampir mit viel Kraft an sich heran, rammte ihm dabei das angewinkelte Knie in den Magen, schlug ihm die Handkante in den Nacken und setzte mit dem Pflock nach.
 

Während er noch mit einem Puff zerfiel, nahm der übrig gebliebene Vampir seine Beine in die Hände und floh. Buffy überlegte kurz, ob sie folgen sollte, aber beschloss sich dann doch lieber auf das junge Mädchen zu konzentrieren, das zitternd da stand und mit geweiteten Augen zwischen ihr und dem fliehenden Vampir hin und her blickte.
 

„Hey.. alles soweit in Ordnung bei dir?“ Buffy steckte die Pflöcke unter ihren Mantel.
 

“Abgesehen davon, dass ich eben fast draufgegangen wäre und ich gerade tatsächlich gegen Vampire kämpfte?“
 

Buffy nickte ernst.
 

„Ganz gut...denke ich. Und hi, ich bin Emma,“ sagte die Rothaarige etwas gefasster und lächelte schwach.
 

„Buffy, die Jägerin. Und wie es scheint, bist du auch eine von uns.“
 

„Ehm Jägerin?“
 

“Oh ja.. willkommen im Club“, sagte Buffy mit verstellter Stimme, als würde sie eine besonders tolle Sache ankündigen. „Nächtliches Ausgehen auf Friedhöfe, Begegnungen mit Vampiren und Dämonen, die Apokalypse und der vollkommene Verlust eines Privatlebens - all inclusiv.“
 

„Was genau soll das bedeuten....“
 

„Ein ziemlich verhunztes Leben,“ Buffys Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an, ehe sie sich wieder fing und mit einem breiten Lächeln hinzufügte: „Fragen sind erlaubt, allerdings,“ Buffy wechselte zurück in ihre normale Stimmlage. „Kenne ich jemanden, der dir die Fragen besser beantworten kann...
 

++++
 

Erie-See,

selbe Nacht

Auf einem Fischerboot

Der Erie-See lag ruhig vor den Fischerbooten da, die als kleine Lichter auf den Wellen auf und ab hüpften. Ein paar Nebelfetzen zogen weiter draußen über die Oberfläche, aber die Nacht war ansonsten klar und kalt. Eine eisige Brise fegte über Bord der Schiffe.
 

Die „Neptun“ hatte sich etwas von der gewöhnlichen Reihe Boote entfernt, um weiter draußen einen Extrafang zu versuchen. Das weiß getünchte Boot mit der roten Reling schaukelte gemächlich auf die Mitte zu, während der Bootsmann das Steuerrad hin und wieder zur Kurskorrektur nach links drehte. Percy McDermind, der Fischer und Eigner der „Neptun“ stand vorne und zog das Netz über Deck. Sie hatten gleich die Stelle erreicht und er wollte vorbereitet sein.
 

„Ja spinnt der?“ Jacks Stimme dröhnte plötzlich zu ihm herüber und Percy hob den Blick fragend Richtung Steuer. „Der ignoriert doch glatt die Signale.“ Jack zeigte nach vorne und Percy drehte den Kopf. Direkt auf sie zu kam ein Boot. Jack setzte das Signal zum Ausweichen, aber die gewünschte Reaktion blieb aus.
 

„Knapp.. verdammt knapp.. Jack ausweichen,“ rief Percy und sah wie Jack im Inneren der Kabine mit aller Gewalt das Steuer herumriss. Trotzdem kam die Reaktion fast zu spät. Die beiden Boote schabten aneinander vorbei. Holz splitterte und sowohl Percy, als auch Jack, glaubten ihren Augen kaum ... das Boot war menschenleer. Niemand war am Steuer, niemand an der Signallampe. Rumpf und Deck wirkten verwittert und der Mast wurde von zerfetzten Segeln geziert.
 

„Wenden,“ rief Percy, der vorhatte dem Boot zu folgen. Diese einmalige Chance wollte er sich nicht entgehen lassen. Rowdys auf See waren ihm ein Dorn im Auge. Und wenn diese Scherzkekse sich in Dunkelheit in der Kabine versteckten, würde er ihnen gehörig einleuchten.
 

Doch kaum hatte Jack das Wendemanöver vollbracht, stellten die beiden erstaunt fest, dass das andere Boot verschwunden war. Das war bei der klaren Sicht zwar fast unmöglich, aber sie waren hier auf offener See weit und breit das einzige Boot... sie mussten ihren Augen Glauben schenken, auch wenn es den beiden Fischern schwer fiel.
 

Credits
 

Akt 1
 

Wächterhaus,

selbe Nacht, etwas später

“... und so wurden alle Anwärterinnen dank Buffys Idee und Willows Magie zu Jägerinnen, um vereint gegen das Böse der Welt zu kämpfen. Die Jägerin steht seit dem nicht mehr alleine der fast unmöglichen Aufgabe gegenüber,“ Giles rückte seine Brille zurecht und nahm einen Schluck aus der Teetasse, die er danach zurück auf den Tisch stellte.
 

„Ich habe den leisen Verdacht, ihm gefällt dieser Teil fast so gut, wie früher seine Rede über die Auserwählte,“ flüsterte Buffy Faith zu und grinste Giles offen an, der sie mit einem tadelnden Blick zu strafen versuchte.
 

Emma dahingegen starrte Giles fassungslos an, der für sie wie ein Lehrbuch, nur mit zwei Beinen, Armen, Händen und einem Mund aus dem gewählte, anstrengende Wörter kamen, klang. Sie ließ ihren Blick weiter zu Buffy schweifen und den beiden, die man ihr als Faith, Jägerin und Lily, Wächterin vorgestellt hatte. Sie war völlig durcheinander.
 

Sie versuchte immer noch, ihre Gedanken zu ordnen, als das Klingeln des Telefons auf dem Flur Emma aus denselben riss. Giles entschuldigte sich, und ging nach draußen, um abzunehmen. Durch die offene Tür konnten sie seine Stimme hören. "Oh, Mr. Bradshaw. Gut, dass Sie sich melden...."
 

Niemand bemerkte die Krähe, die im selben Moment auf dem Fenstersims landete, interessiert und neugierig den Schnabel gegen die Scheibe lehnte und ins Innere spähte.
 

„Okay.. soweit ich das verstanden habe, hat Buffy einfach die Spielregeln geändert?“ Alle nickten. „Und dieses Urböse... ist jetzt für immer zerstört?“
 

„Nein,“ seufzte Buffy frustriert und sah bittend zu Giles hinüber, der mit dem Hörer am Ohr in den Raum zurückkam. Er war einfach besser im Erklären.
 

„Bitte, einen Moment noch...," der Wächter warf der Jägerin einen Blick zu, und hob drei Finger in die Höhe. "Sie sitzt schon im Flugzeug? Das wäre aber doch nicht nötig gewesen. Ich bin sicher, in den USA gibt es genug Jägerinnen....ja, danke. Vielen Dank." Er drückte auf „Auflegen“ und legte den Hörer zur Seite.
 

Mit einem Blick zu Buffy streckte Giles nun auch einen vierten Finger aus und Buffy nickte verstehend. Emma verstand jedoch nach wie vor nur Bahnhof. "Das Urböse...", erinnerte sie Buffy und beschloss die stumme Verständigung zwischen dem Wächter und Buffy zu ignorieren.
 

„Ehm ja, wir haben es diesmal besiegt in Form von.. nun, nennen wir es wie es ist – wir haben das Urböse ausgetrickst und ihm damit eine Niederlage bereitet. Seine Helfershelfer sind alle tot und es wird dauern bis es sich wieder soweit erholt hat, um erneut seinen Plan umzusetzen.“, übernahm Giles weiterhin die Erklärungen und trat zurück zu ihnen an den Konferenztisch.
 

„Die Jägerinnen auszulöschen?“, rief sich Emma ins Gedächtnis und erwartete keine Antwort darauf. „Gut.. und diese Jägerinnen gibt es nur, weil Buffy ihre Macht teilte.. wieso.. gab es aber davor schon zwei Jägerinnen?“ Sie sah zu Faith, die mit den Schultern zuckte.
 

„Hey, frag nicht mich. Ich war immer nur das fünfte Rad am Wagen. Er ist das wandelnde Lexikon.“
 

Emmas Blick wanderte zurück zu Giles, der verlegen lächelte. „Nun ja, ehm.. dieses Phänomen ist einmalig in der Geschichte der Jägerin.. und es gab keine vernünftige Erklärung. Und was genau Buffy und Willow an jenem Tag bewirkt haben, wissen wir auch nicht“, gestand er zögernd ein.
 

„Es ist selten, dass er mal keine Antworten weiß,“ grinste Buffy, aber ihre Augen ließen den amüsierten Glanz vermissen. Seit dem Vorfall im Labyrinth und dem Streit mit Lily während der Quarantäne war alles nicht mehr so ungezwungen zwischen ihnen und auch der kleine Witz zuvor war mehr ein böser Seitenhieb von ihr gewesen, als liebvolles Necken.
 

„Wir sind uns nicht einmal sicher, ob Buffy ihre Kraft teilt oder Willow nur einfach den richtigen Schalter betätigt hat, um die Kräfte in den Mädchen zu aktivieren,“ ergänzte Lily Giles Erklärungen. Giles griff nach seiner Brille und suchte nach seinem Taschentuch in der Hosentasche. Er nickte zu Lilys Worten und begann seine Gläser zu polieren.
 

„Und wie viele gibt es jetzt von...eh... uns?“ Emma griff nach der Tasse, die ihr Giles nach ihrer Ankunft gereicht hatte, um zu verbergen wie aufgewühlt sie war, doch ihre Hand zitterte leicht, als sie die Tasse zum Mund führte.
 

„Sehr viele,“ Lily löste sich vom Buchregal und gesellte sich zu der kleinen Gruppe. „Wir haben aufgehört zu zählen, nachdem wir eine Weile versucht haben euch zu finden. Manchmal stoßen wir täglich auf ein Dutzend, an anderen Tagen auf überhaupt niemanden. Überall auf der Welt, auf jedem Kontinent und fast in jeder Stadt sind Jägerinnen bereits aktiv oder warten nur darauf von uns gefunden zu werden, um ihre Kräfte erklärt zu bekommen.“
 

Buffy zog eine Augenbraue hoch. Darauf würde sie nicht wetten. Wer wartete schon freiwillig darauf, dass ein solches Schicksal einem das gesamte Leben versaute?
 

„Verstehe,“ Emma senkte ihren Blick. Sie verstand eigentlich noch immer nichts oder nicht das meiste, aber es war gut, dass man hier offen darüber sprach. Es hätte ja auch ganz anders kommen können... eine geheime Sekte, in die sie hätte eintreten müssen oder tödliche Rituale für die Aufnahme, die sie hätte bestehen müssen...
 

„Was ist wenn das Urböse zurückkehrt und alle Jägerinnen tötet oder einfach nur Buffy? Würde dann der Zauber nicht gebrochen sein? Wären nicht wieder alle nur Anwärterinnen?“
 

„Hm,“ Giles ließ sich auf die Tischkante sinken. „Ich habe mir diese Frage mehr als einmal gestellt und bin nicht wirklich auf ein Ergebnis gekommen. So lange wir nicht wissen, was Willow und Buffy getan haben, um die Anwärterinnen zu aktivieren, bleibt alles nur reine Spekulation.“
 

„Das ist beruhigend,“ sagte Emma bissig. „Eine Frage habe ich noch, wenn es so viele Jägerinnen auf der Welt gibt...brauchen sie da tatsächlich jede einzelne? Ich meine.. falls ich der Meinung wäre, dass ich keine Lust darauf habe die Nächte auf Friedhöfen zu verbringen.. würde das gehen? Schließlich flippt meine Mutter schon aus, wenn ich nur einmal schwarzen Nagellack benutze und gar nicht dran zu denken, wie für lange sie mich wegsperrt, wenn ich die Nächte draußen verbringe.“
 

„Es ist das beste, wenn deine Eltern davon nichts wissen,“ sagte Buffy und wusste doch, dass es ihr viel besser ergangen war, als sie mit ihrer Mutter endlich über ihre Berufung hatte sprechen können. Allerdings hatte Buffy nie vergessen, wie verwirrt ihre Eltern reagiert hatten, als sie das aller erste Mal mit ihnen über Vampire, Wächter und Friedhöfe gesprochen hatte. Ihr Vater wollte bis heute nichts davon wissen.
 

„Ich glaube das war heute Nacht genug Aufregung für dich,“ stellte Giles sanft fest und lächelte Emma aufmunternd an. Er hatte nicht vor das Mädchen noch mehr zu beängstigen in dem er ihr erklärte, was es bedeutete solch eine Gabe zu besitzen. „Vielleicht möchtest du nach Hause gehen und dir über alles in Ruhe klar werden? Darüber nachdenken, bevor du dich entscheidest?“
 

Emma setzte zu einer Antwort an, wurde aber von Lily daran gehindert. „Entschuldige Rupert, aber was gibt es da zu überlegen? Jägerinnen hatten noch nie eine Wahl. Nur weil es jetzt Tausende von ihnen gibt, kann sich keine vor der Verantwortung drücken.“
 

„Haben Sie nicht schon genug angerichtet,“ zischte Buffy und sah Lily herausfordernd an. Wenn Buffy in letzter Zeit etwas nicht ertrug, dann war es Einmischung von Seiten der Wächterin. „Zudem finde ich hat Giles recht... Emma hat gerade noch um ihr Leben gefürchtet und zu allem bricht ihre gesamte Welt ein. Sie braucht etwas Zeit. Es gibt in Cleveland jetzt genug Jägerinnen mit Faith, ihren Freunden und mir. Und Kennedy. Käme es da wirklich auf eine mehr oder weniger an? Was machen da schon ein paar Stunden aus, ehe sich Emma dem ganzen gewachsen fühlt?“
 

Lilys Gesicht verriet ihrer innere Anspannung, aber ehe sie auffahren konnte, hob Giles beschwichtigend die Hände und stand auf. „Ich denke wir wissen alle, auf was Lily hinaus möchte. Würden wir jeder Jägerin eine Wahl anbieten, hätten wir am Ende keine Mitstreiter mehr.“ Er sah zu Buffy. „Oder wie hättest du dich entschieden, nachdem du deinem ersten Vampir begegnet warst und man dich gefragt hätte, ob du den Kampf aufnimmst oder nicht?“
 

Buffy senkte den Blick. Giles hatte recht. Und leider auch Lily. Wahrscheinlich hätte sie ohne zu zögern das Weite gesucht.
 

„Das beste wird sein, wenn du morgen wieder hierher kommst und wir besprechen alles weitere. Es ist unbedingt wichtig, dass du lernst mit ein paar Dingen zurecht zu kommen, wenn du überleben möchtest,“ mischte sich Faith ein und brachte die ganze sinnlose Diskussion auf den Punkt – eine Jägerin hatte schon deshalb keine Wahl, weil ihr Dämonen und Vampire von nun an das Leben zur Hölle machen würden. Sie musste trainiert werden...
 

Emma schluckte. Sie hatte Giles Ausführungen zwar ernst genommen, aber nicht wirklich als bedrohlich empfunden. Die Worte der dunkelhaarigen Jägerin ließ sie ein wenig frösteln. „Oh je, immer passieren mir solche Dinge. Und das alles ausgerechnet kurz vor meinem 18. Geburtstag....“
 

Giles und Lily sahen beide gleichzeitig mit alarmierten Gesichtern auf und sie tauschten einen Blick, der jeweils das gleiche zu sagen schien. Niemand im Raum bemerkte etwas davon, als Emma aufbrach. Genauso wenig sah jemand die Krähe vom Fenstersims hopfen und davon fliegen.
 

++++
 

Buffy und Dawns Wohnung, nächster Nachmittag

“Wie wäre es mit gemütlich Essen gehen?“ Dawn ließ sich mit einem Branchenverzeichnis von Cleveland auf das Sofa fallen. Buffy starrte ihre Schwester düster über die offene Küchenzeile hinweg an.
 

„Und wer soll das bezahlen? Wenn ich dich daran erinnern darf haben wir bereits letzte Woche Giles angepumpt.“
 

„Würdest du den Job bei ihm annehmen hätten wir keine Probleme,“ murmelte Dawn und warf das Verzeichnis auf den Couchtisch. „Oder ich müsste nicht alles in Lebensmittel investieren.“
 

Es herrschte kurz ein ungemütliches Schweigen zwischen den beiden Schwestern. Dawn wusste, dass Buffy seit Wochen nicht mehr gerne über das Thema Job und Giles sprach und noch weniger gerne über beides im Zusammenhang. Sie hatte versucht mit ihr deswegen zu reden, wollte wissen, ob es mit den Stunden alleine mit ihm gefangen in einem Labyrinth zu tun hätte, oder einfach nur mit Lily, doch Buffy hatte wie gewöhnlich bei eigenen Problemen abgeblockt und es heruntergespielt. Dawn ging davon aus, dass Buffy mit niemand bis jetzt darüber geredet hatte und es sie trotz allen Versicherungen belastete.
 

Buffy dahingegen bekam nicht zum ersten Mal seit Wochen ein schlechtes Gewissen darüber, dass Dawns Nebenjob dafür sorgte, dass sie sich zumindest etwas zu Essen leisten konnten. Die Weihnachtsgeschenke hatten den größten Teil ihrer Minireserve geschluckt, Dawns Ausfall während ihrer Erkrankung am dämonischen Virus hatte ein neues Loch in die Haushaltskasse gerissen und für die nächsten anstehenden Mieten sah es sehr, sehr schlecht aus. Sie hatte bereits die Zeitungen durchsucht, aber alles was für sie in Frage kam, waren schlecht bezahlte Jobs als Kellnerin oder Verkäuferin... es gab noch immer die Möglichkeit mit Giles zu reden, aber dazu war sie einfach noch nicht bereit. Es hatte sie schon ziemlich viel Überwindung gekostet ihn wegen dem erneuten, kleinen, zinslosen Kredit zu bitten. Erstaunlicherweise hatte er nicht einmal gezögert oder sie gedrängt sein Angebot anzunehmen, sondern hatte einfach den Scheck ausgestellt. Aber vielleicht war es gerade das gewesen – seine Bereitschaft zu Helfen ohne einen Ton zu sagen – das ihr deutlich zeigte, in welcher Sackgasse sie beide, Wächter und Jägerin, inzwischen festsaßen.
 

Und ihre Freunde wollte sie auf keinen Fall damit belästigen. Auch wenn Xander bestimmt gerne aushalf, so hatte er doch selbst genug um die Ohren, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Willow hatte gerade genug, um über die Runden zu kommen und Kennedy wäre die letzte auf der Welt, die sie um Geld bitten würde. Andrew – nun Andrew um Geld zu bitten... fast hätte Buffy gelacht.

Es war ein verdammter Teufelskreis, der immer wieder bei Giles und seinem Angebot endete.
 

„Gut, dann kein Essen,“ sagte Dawn versucht heiter. „Dann die übliche kleine Party? Vielleicht bei Giles in einem der Konferenzräume?“
 

„Dawn... jetzt mach doch langsam. Es sind doch noch ein paar Wochen bis zu meinem Geburtstag.“
 

„Aber es ist immer gut, wenn man auf alles vorbereitet ist. Deine Worte,“ grinste Dawn.
 

„Ja, Apokalypsen betreffende,“ grinste Buffy und kam mit zwei Gläsern Saft zu Dawn. „Ich brauche keine Party, eine große schon gar nicht. Ich kenne doch hier in Cleveland keinen Menschen, den ich einladen könnte, außer euch und mit euch kann ich auch ohne Häppchen und teure Drinks feiern. Am Ende überrascht uns dann sowieso nur wieder ein Dämon und kippt die Party.“
 

„Na und wenn schon, wir als deine engsten Freunde sollten dir doch ein paar Extras wert sein,“ feixte Dawn. „Hey und dann sind da noch Faith und ihre Gang.“
 

„Du hast leicht reden. Mit deiner Schule und deinem Job hast du neue Leute kennengelernt, neue Freundschaften geschlossen. Ich sitze den ganzen Tag hier rum und überlege mir, wie meine Zukunft und unsere aussehen sollte. Ob ich mich als Verkäuferin im Wall Mart sehe oder eher als strafzettelverteilende Polizistin. Das ist frustrierend.“
 

„So lange du hier nur rumsitzt und jammerst, hilfst du dir nicht,“ sagte Dawn altklug und wusste genauso gut wie Buffy, dass sie damit recht hatte. „Und meine neuen Freunde und Bekanntschaften beschränken sich seit dem denkwürdigen Halloweenabend auch nur auf eine handvoll Leute. Mara, Josh und Sam. Nicht wirklich ein großer Bekanntschaftskreis.“, gab sie zu bedenken und versuchte ihrer Schwester Mut zu zureden.
 

„Du hast Shin vergessen,“ erinnerte sie Buffy. Dawn lächelte auf einmal breit und wusste gar nicht so genau, wieso der Klang des Namens von Shin ihr so angenehm warm war. Wenn sie darüber nachdachte.. nein... das konnte nicht sein. Sie arbeiteten jetzt schon seit etwas mehr als drei Monate zusammen, sie verstanden sich prima und hatten eine Menge Spaß zusammen, gingen hin und wieder aus, aber... mochte sie ihn am Ende doch ein wenig mehr, als nur als Freund? „Was ist..., hab’ ich etwas falsches gesagt?“ Buffy sah Dawn irritiert an, die mit einem merkwürdigen Glanz in den Augen schweigend da saß.
 

„Eh was.. uhm... nein.. Shin ja... vergessen...“, das Läuten des Telefons unterbrach die beiden im Gespräch und Dawn nutzte die Gelegenheit aus der recht brisanten Lage zu entkommen. Sie sprang auf und stürzte an das Telefon. Buffy sah ihr mit einem Kopfschütteln hinterher und nahm mit einem schweren Seufzen einen Schluck aus ihrem Glas.
 

„Oh hi Shin,“ sagte Dawn sehr überrascht in den Hörer. „Jetzt? Ja sicher kann ich kommen.“
 

++++
 

Wächterhaus,

selber Nachmittag

Giles Büro

"Danke für Ihre Hilfe, Mr. Lenhardt, aber ich glaube nicht, dass wir Tamara und Heike extra aus Deutschland... sie ist als Austauschschülerin in den USA? Wunderbar, setzen Sie sie ins nächste Flugzeug nach L.A...", Giles ging zu seinem Schreibtisch hinüber, griff sich eine Liste, auf der bereits die Namen von vier Jägerinnen standen, und schrieb einen fünften hinzu.
 

“Du weißt, was der Geburtstag bedeutet?“ Lilys Stimme riss Giles aus seinen Gedanken und er sah zu der Wächterin auf, die in sein Büro kam und sich vor seinem Schreibtisch aufbaute. Ihre ganze Körperhaltung drückte Streitlustigkeit aus. Und wie Giles schweren Herzens zugeben musste, stritten sie in letzter Zeit häufiger. Es war eine gewisse Anspannung zwischen ihnen entstanden, nachdem Lily vor Wochen die Meinung des Militärs vertreten hatte. Giles war damals von ihrer Haltung irritiert gewesen und es hatte ihn lange beschäftigt. Er kannte Lily nun schon eine Ewigkeit. Diese Frau hatte er einmal heiraten wollen, wäre ihm das Schicksal gnädiger gestimmt gewesen. Er wusste, dass Lily traditionell wie er erzogen, im Gegensatz zu ihm in ihrem Denken und Handeln einem Wächter vom alten Schlag in nichts nachstand, aber das sie tatsächlich in Erwägung gezogen hatte Freunde von ihnen einfach so zu opfern, ohne zu kämpfen, hatte ihn völlig durcheinander gebracht. Allerdings gestand er ihr im Stillen zu, dass der Ansatz ihrer Überlegung berechtigt gewesen war. Denn er selbst hatte, wenn es darauf ankam, keine Skrupel gezeigt, Opfer zu bringen, wenn sie angemessen waren, wenn sie der einzige Ausweg zu sein schienen – aber vielleicht hatte Lily nur Panik, Angst davor sich ebenfalls anzustecken und reagierte deswegen so befremdend? Wie er, als er bereit war Robins Worten zu folgen und zu glauben Spike wäre die Gefahr?
 

„Buffys Geburtstag?“, fragte Giles anstelle einer Antwort und riss sich damit selbst aus seinen Gedanken. Da er im ersten Moment wirklich nicht wusste, was Lily meinte und Buffy als nächstes von ihnen Geburtstag hatte, war sie die erste, die ihm dazu einfiel.
 

“Emmas,“ stieß Lily genervt aus und quittierte Giles plötzliche Abwehrhaltung mit verschränkten Armen vor der Brust hinter seinem Tisch, mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck. Diese Haltung hatte er ihr in den letzten Wochen öfters zur Schau gestellt. „Ich sehe, dass du weißt auf was ich hinaus will. Aber nur weil du die Regeln geändert hast oder Buffy, hat sich nichts an manchen wichtigen Dingen geändert. Wir sollten darüber reden.“
 

„Reden oder streiten,“ kommentierte Giles wenig sachlich und als ihm die Worte leid taten, fuhr er fort. „Tut mir leid,“ Lily sah ihn unverwandt an und zeigte Giles nicht, ob sie die Worte getroffen hatten oder nicht. „Wichtige Dinge nennst du das also?“ Giles Gesicht nahm einen finsteren Ausdruck an und sein Ton verriet nach wie vor Verärgerung.
 

„Natürlich. Die Prüfung war für uns immer ein wichtiges Instrument die Guten von den Schlechten zu unterscheiden. Wäre Emma schon etwas länger eine Jägerin mit einem Wächter, würde die Prüfung natürlich kein großes Hindernis für sie bedeuten, daher verstehe ich deine Sorge, aber so..,“ fuhr Lily fort und schien nicht zu bemerken, wie es in Giles Gesicht vor Ärgernis, Wut, Sprachlosigkeit und Erstaunen arbeitete. Erst als er ihr barsch ins Wort fiel, schien sie zu begreifen:
 

„Du denkst ernsthaft über dieses antiquare Monstrum „Reifeprüfung“ nach? Bei einem Mädchen, welches erst seit gestern weiß, wer oder was sie ist? Sie ist untrainiert, unausgebildet...“
 

„Rupert, wir können nicht alles über Board werfen, was dir einmal nicht in den Kram gepasst hat. Manche Regeln hatten ihren gewissen Zweck. Die Reifeprüfung sortiert für uns ganz natürlich aus, wer reif genug ist für den Kampf und wer nicht.“
 

„Ich fasse es nicht,“ flüsterte Giles bei dem Versuch sein Entsetzen und seine aufkommende Wut zu unterdrücken. „Erst bist du dazu bereit Freunde ermorden zu lassen und nun sprichst du dich für eine weitere Grausamkeit aus?“ In Lilys Gesicht zuckte es kurz getroffen, als Giles seit Wochen zum ersten Mal den Vorfall laut aussprach. Lily wusste natürlich, dass sie sich damit auseinandersetzen mussten, aber da Rupert die ganze Zeit über dazu geschwiegen hatte, hatte sie nicht versucht von sich aus die Dinge zur Sprache zu bringen. „Hast du je einer Prüfung beigewohnt? Hast du je eine Jägerin gehabt, die sich diesem Wahnsinn stellen musste? Ich glaube nicht.“ Er nahm sein Arme von der Brust und ließ sich nach vorne auf die Tischplatte fallen. „Man sollte keinen Wächter, der eine gewisse Bindung zu seiner Jägerin aufbaut, Verantwortung für ihr Leben übernimmt, dazu zwingen ihr die Kräfte zu rauben, damit sie völlig schwach gegen einen Vampir, einen Dämon antreten muss, der stärker als ein dahergelaufener Vampir ist. Wahnsinnige, Mörder, über Tage ausgehungert...alles was sie besitzen, um gegen ein solches Monster zu kämpfen sind Waffen und der Verstand. Aber was, wenn der Verstand zwar willig ist, aber die körperliche Kraft und Geschwindigkeit nicht ausreichen? Wenn der Vampir schneller ist?“
 

„Also Rupert wirklich.. du zeichnest gerade ein Bild... danach hätten wir ja jedes Mal eine neue Jägerin rekrutieren müssen.“
 

„Hast du dir schon einmal überlegt, wieso so viele Jägerinnen nicht älter als 17 oder 18 wurden?“
 

Die beiden schwiegen sich lange an, bevor sich Lily wieder fing. „Egal wie du darüber denkst.. die Prüfung ist ein wichtiger Bestandteil, wie die Ausbildung zu einem Wächter, oder nicht? Wir können sie nicht einfach von heute auf Morgen abschaffen, ohne mit dem Rat gesprochen zu haben. Und es hat in der Vergangenheit nie eine Rolle gespielt wie erfahren eine Jägerin war, als sie sich der Prüfung stellte.“
 

„Eben.. früher. Vergangenheit. Ich habe Buffy versprochen, dass der Rat modernisiert wird, dass die alten verstaubten Ansichten weggefegt werden und daran wirst du mich nicht hindern können.“
 

„Ja, du hast es Buffy versprochen,“ stieß Lily mit einem verächtlichen Schnaufen aus. „Aber was ist mit dem Rat, mit den Wächtern? Was ist mit ihren Belangen? Oder mit dir? Was willst du?“ Lily war etwas ruhiger geworden, doch Giles Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
 

Er schüttelte den Kopf. „Spielt das eine Rolle, wenn man einmal Verantwortung in diesem Kampf übernommen hat?“ Giles befürchtete in diesem Augenblick, dass Lily nicht wirklich verstand um was es zwischen Wächter und Jägerin ging, oder in dem Kampf gegen das Böse.
 

“Also das heißt, du willst über unserer aller Köpfe hinweg entscheiden, ob es in Zukunft eine Prüfung gibt oder nicht?“
 

Giles senkte den Blick und holte tief Luft. „Nein,“ brachte er leise hervor. „Das wäre natürlich nicht im Sinn meiner demokratischen Reformationen. Befragen wir die anderen dazu und entscheiden dann.“
 

++++
 

„Okay, Leute.. was soll das ganze Gerede über Jägerinnen, Prüfungen...?“ Giles und Lilys Köpfe wandten sich der Tür zu, in der Faith lässig gelehnt stand und beide Wächter aufmerksam ansah. Faith war im Garten damit beschäftigt gewesen einige Waffen auf Hochglanz zu polieren, als sie durch das offene Fenster Giles und Lilys laute Stimmen vernommen hatte. Interessiert hatte sie die Schwerter zur Seite gelegt und war näher herangetreten. Die Unterhaltung schien interessant zu werden, und Faith war ins Innere gegangen. Sie lehnte an der offenen Tür, völlig unbemerkt von den beiden Streithähnen.
 

Vieles von dem Gespräch ergab wenig Sinn für die Jägerin und als sich Lily und Giles zu einigen schienen, hatte Faith beschlossen sich bemerkbar zu machen.
 

Giles und Lily zuckten zunächst erschrocken zusammen, dann starrten sie Faith verlegen an. Es war offensichtlich, dass man sie deutlich und laut im Haus gehört hatte.
 

„Ehm.. uhm... ja, richtig... du hast selbst nie eine Prüfung ablegen müssen,“ sinnierte Giles, um Zeit zu gewinnen, wie er Faith alles erklären sollte. „Durch dein Koma, dann die Flucht, das Gefängnis.“ Er setzte sich und winkte Faith weiter in den Raum hinein, die nicht glücklich über Giles Worte zu wirken schien. „Die Reifeprüfung ist eine Prüfung, der sich jede Jägerin an ihrem 18. Geburtstag zu unterziehen hat. Ihr Wächter nimmt ihr ohne ihres Wissens die Kraft, die sie hat und sie wird mit einem ausgehungerten Monster eingesperrt. Sie muss beweisen, dass sie durch Intelligenz genauso siegen kann wie mit der puren ihr geliehnen Kraft.“
 

„Das ist krank,“ stieß Faith abfällig hervor und wandte sich halb von den beiden ab.
 

‚Ich weiß,’ lag Giles auf der Zunge, aber da er einen erneuten Streit mit Lily befürchtete schluckte er die Worte hinunter und schwieg.
 

Faith hatte es auf einmal sehr eilig das Büro zu verlassen. Lilys Gesicht hatte so viel Missfallen ausgedrückt, als Giles ihr erklärte was die Prüfung bedeutete und Giles selbst klang so ermüdet... die Stimmung dort drinnen war einfach furchtbar und sie wollte lieber jemanden anderes wegen der Prüfung fragen, der die Sache vielleicht etwas anders sah – Buffy zum Beispiel.
 

Das von Giles gerufene „Faith? Faith warte doch...“ ignorierte sie vollkommen.
 

++++
 

Park,

Teehaus,

etwas später

Schon von weitem sah Dawn Shin am Treffpunkt an seinem Rad lehnen. Seine zerzausten Haare wurden ihm von dem leichten, aber eisigen Wind immer wieder ins Gesicht geweht. Dawn verspürte den Drang ihm die Strähnen aus dem Gesicht zu wischen und ihn zu...... „Oh mein Gott“ was dachte Sie da? Sie wollte ihn doch tatsächlich küssen. Na ja warum auch nicht.
 

Über diesen Gedanken kam sie bei Shin an und sprang vom Rad. „Hi“, sagte sie überraschend schüchtern.
 

„Hi, Dawn,“ Shin stieß sich von seinem Rad ab und lächelte. „Ich dachte es ist so ein schöner Wintertag, um dir etwas besonderes zu zeigen. Komm mit.“
 

„Okay,“ oh je, sie war ja sehr gesprächig. Aber sie folgte ihm, wenn auch zunächst etwas zögernd. Sie sah sich neugierig um und fragte sich, wieso Shin so geheimnisvoll tat. Sie schritten durch ein kleines Tor und vor ihr erstreckte sich ein großer japanischer Garten mit einem süßen kleinen Häuschen in der Mitte. In diesem Garten standen überall kleine Statuen mit Schneehauben, Springbrunnen und Tempelnachbildungen. Zwischen diesen kleinen Kunstwerken sah man Pärchen oder auch einzelne Menschen spazieren gehen. Keiner von diesen Menschen schien seine Umgebung richtig wahrzunehmen. Und auch für Dawn war es, als hätte der Straßenlärm abrupt aufgehört und es überkam sie eine allgegenwärtige Ruhe, so als würde sie hierher gehören. Sie schloss Ihre Augen und atmete tief ein, um dieses Gefühl voll auszukosten.
 

„So erging es mir auch beim ersten Mal und jedes Mal wieder, wenn ich hierher komme.“ Wie durch einen Nebel drang Shins Stimme zu ihr durch.
 

„Oh tut mir l...“
 

„Nein, es muss dir nicht leid tun. Dies ist ein Ort des inneren Friedens und er hat auf jeden Menschen die gleiche Wirkung. Man glaubt, dass man von Anbeginn der Zeit hierher gehört und möchte sich nicht bewegen, um dieses Gefühl so lange wie möglich zu behalten. Ich weis wie dir zumute ist,“ Shin lächelte sie an. Dawn hätte sich in diesem Lächeln verlieren können. Ein seltsamer Frieden hatte sich ihrer bemächtigt. Shin nahm sie an die Hand und ging mit ihr zu dem kleinen Häuschen in der Mitte des Gartens.
 

Als sie in das Haus eintraten, drückte Shin ihr ein paar Strohsandalen in die Hand „Das sind Geta. Wenn du deine Schuhe ausziehst, kannst du sie anziehen.“
 

Das Teehaus besaß einzelne Räume, die durch verschiebbare Wände getrennt wurden. In einen dieser Räume führte Shin Dawn. Der Raum war schlicht eingerichtet. Auf dem Boden lagen Tatami-Matten und in der Mitte des Raumes war eine Feuerstätte eingelassen. Der Raum war sehr spärlich aber mit unglaublicher Sorgfalt dekoriert worden. An der Nordseite hingen nebeneinander zwei Schriftrollen. Sie sahen unglaublich alt und kostbar aus, auf jeder der Rollen war eine Blüte stilistisch dargestellt und daneben stand ein Spruch. Auf einem Tisch neben der Feuerstelle standen eine Teekanne, Schälchen und andere Sachen, die Dawn noch nie gesehen hatte.
 

„Ich hab noch etwas für dich,“ Shin griff hinter den niedrigen Tisch und hatte plötzlich ein Päckchen in der Hand.
 

„Für mich?“, hauchte Dawn.
 

„Ja, ich dachte er gefällt dir.“
 

Dawn machte das Päckchen auf und heraus fiel ein nachtblauer Seidenkimono, der über und über mit Schriftzeichen bestickt war und auf der Innenseite sah man eine riesige Stickerei, die einen Drachen darstellte.
 

„Er ist wunderschön, aber das kann ich nicht annehmen. Er ist viel zu teuer.“
 

„Ach was, den hab ich auf dem Flohmarkt gesehen und den Händler mit meiner Feilscherei in den Ruin getrieben. So hat er es jedenfalls gesagt,“ grinste Shin sie an. Dawn konnte nicht anders und musste zurückgrinsen, als sie sich Shin beim Handeln vorstellte. Dieser ruhige Junge, der nie laut wurde. „Ehrlich Dawn, du kannst ihn annehmen.“
 

„Danke.“ Dawn wusste gar nicht, was sie sonst noch sagen sollte.
 

„Hallo,“ sagte plötzlich eine sanfte Stimme von der Tür.
 

„Dawn, darf ich dir meine Tante Ono Minako vorstellen. Ihr gehört das Teehaus.“ Shins Tante verneigte sich leicht vor Dawn, die versuchte etwas ungeschickt die Verbeugung nachzumachen, was ihr ein sanftes Lächeln der älteren Frau einbrachte.
 

„Ihr Teehaus ist wunderschön, so etwas habe ich noch nie gesehen,“ hauchte Dawn. Die ältere Dame jagte ihr Ehrfurcht ein. Sie strahlte eine innere Stärke aus, die Dawn bei noch niemandem gespürt hatte.
 

„Warte erst ab, wenn du dir den Garten genauer ansiehst,“ flüsterte Shin ihr zu.
 

„Dawn, würdest du mir bitte folgen, dann bereite ich dich vor.“ Ono machte eine kleine Handbewegung zum Durchgang.
 

„Vorbereiten?“
 

„Keine Angst“, raunte Shin in ihr ins Ohr. „Lass dich überraschen.“
 

Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen folgte Dawn Shins Tante. Sie führte Dawn in einen kleinen Raum, der vollständig mit weinroten Tatami-Matten ausgelegt war und in dem ein kleiner knie hoher Tisch mit Spiegel stand, auf dem einige Utensilien, wie Pinsel, kleine Töpfe und Federn lagen.
 

„Nimm bitte Platz,“ forderte Minako Dawn auf. In den folgenden Minuten konnte Dawn im Spiegel beobachten, wie sich ihr normales amerikanisches Gesicht in das bezaubernde, geheimnisvolle Gesicht einer Geisha verwandelte. So kam es ihr zumindest vor. Unter den gekonnten Griffen von Shins Tante begann Dawn sich zu entspannen und ihre Gedanken treiben zu lassen.
 

Nachdem sie fertig geschminkt und ihre Haar auf geheimnisvolle Weise mit zwei Essstäbchen hochgesteckt war, zog Dawn sich den blauen Kimono an und erkannte sich im Spiegel nicht wieder. Ihr blickte eine bezaubernde junge Frau mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen entgegen.
 

Als Dawn wieder in den Raum kam, im dem sie zuvor mit Shin gewesen war, erwartete er sie bereits. Auch er hatte sich umgezogen. Er trug einen schwarzen Kimono ähnlich dem ihren.
 

Sie wollte etwas sagen, doch Shin legte nur seinen Finger an die Lippen und bedeutete Dawn sich hinzusetzen.
 

Über der Feuerstelle neben dem Tisch kochte Wasser in einem kleinen Kessel. Shin nahm eine Schale und reinigte sie mit einem feuchten Seidentuch, danach reinigte er auf die gleiche Art den Teelöffel. Als er damit fertig war griff er nach einer wunderschönen Dose und öffnete diese. Mit dem Teelöffel gab er drei Portionen in die Teeschale. Danach wandte er sich dem kochenden Teewasser zu und schöpfte eine Kelle voll Wasser in die Schale. Mit einem Bambusbesen schlug er den Tee so lange bis er schaumig war. Alle diese Bewegungen führte Shin mit einer Ruhe und Sorgfalt aus, so dass Dawn die Augen nicht von ihm abwenden konnte und von der Ruhe und Harmonie der Zeremonie gefangen war.
 

Mit einem zärtlichen Blick in den Augen reichte Shin die Teeschale zu Dawn. Sie drehte die Schale in einem Halbkreis und nahm einen Schluck Tee. Er schmeckte herb-bitter, war aber voll aromatisch. Mit einer weiteren Drehung der Schale reichte sie diese zurück an Shin. Dieser nahm ebenfalls einen Schluck daraus. Als er die Schale abgesetzt hatte, blickten sich beide in die Augen. Dawn sah, dass Shins Gesicht langsam auf sie zukam. Mit einem Gefühl von tausend Schmetterlingen im Bauch beugte sie sich ihm entgegen und ihre Lippen berührten sich das erste Mal. Dawn konnte es nicht glauben, der Kuss schmeckte so süß und Shin war so unglaublich sanft. Der Kuss hätte ewig dauern können. Als sie sich schließlich von einander lösten, nahm Shin ihre Hand und führte sie in den Garten.
 

Draußen sah er sie ernst an. „Ich möchte alles von dir wissen. Du bist das faszinierendste Mädchen, das mir jemals begegnet ist.“
 

Am Anfang sprach Dawn noch etwas stockend, sie wusste nicht, was sie Shin erzählen sollte, doch dann, als sie von ihren Tagebüchern sprach, spürte sie, das er sich nicht über sie lustig machte und so sprudelten plötzlich Dinge aus ihr heraus, über die sie seit Jahren nicht mehr nachgedacht hatte. Die Trennung ihrer Eltern, der Tod ihrer Mutter und auch der Verlust von Buffy, als sie damals Sunnydale verließ, um nach L.A. zu gehen. Nachdem sie das Gefühl hatte ihm alles erzählt zu haben, bat Dawn ihn: “Erzähl mir von deiner Familie.“
 

Während Shin sprach, hing Dawn an seinen Lippen und lauschte seinen begeisterten Worten mit denen er seine Familie und seine Kindheit beschrieb. „Tja und das war schon alles.. also nicht wirklich etwas aufregendes. Außer das wir aus Japan stammen. Da war deine Kindheit ... uhm... beeindruckender,“ schloss Shin seine kleine Familieneinführung für Dawn. Sie sah ihn verträumt an. Irgendwie waren die letzten zwei Stunden unbemerkt vergangen und für Dawn eine einzige glückliche Erinnerung. Sie hatte das Gefühl mit Shin über alles reden zu können. Fast alles, einmal von ihrer Jägerin-Sache abgesehen. Das sie mit ihm über Buffy und von ihren gemeinsamen Problemen gesprochen hatte, zeigte wie nahe sie sich in der kurzen Zeit wirklich gekommen waren.
 

„Ich meine..., du und auch deine Schwester habt eine schwere Vergangenheit hinter euch. Sie war von Schmerz und Trauer geprägt.“, versuchte Shin seinen kleinen schlechten Einwurf zu überspielen. „Diese Gefühle stehen zwischen euch. Versuche die Vergangenheit ruhen zu lassen und konzentriere dich auf die Zukunft. Wer weiß, vielleicht bist du für Höheres geboren und es wartet noch eine Aufgabe auf dich.“
 

Dawn erschrak. Ob er es wusste, dass sie auch eine Jägerin war? Nein, er hatte keine Ahnung. Aber seine Worte gaben ihr zu denken. Geschickt lenkte sie das Gespräch in eine andere Richtung. Darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Also die Sonne langsam unterging, verabschiedeten beide sich mit einem langen, innigen Kuss voneinander. Dawn fühlte sich als, ob sie 10 Zoll über dem Boden schwebte, als sie nach Hause radelte.
 

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Wächterhaus, nächster Morgen

Garten

Faith und Buffy saßen gemeinsam auf den Stufen zum Garten und starrten in die noch immer schneebedeckte Gegend. Die Stufen waren kalt und ihr Atem stieg in kleinen Rauchwolken vor ihren Gesichtern auf.
 

Plötzlich bewegte sich Faith und Buffy sah zu ihr. Das Eis war dadurch irgendwie gebrochen und Faith fiel es leichter ihre Frage zu stellen. Aber vielleicht war es gar nicht so verkehrt erst einmal über das „Geschäft“ zu reden.
 

„Hör mal B... danke das du gekommen bist. Hast du eine Ahnung bei wie vielen wir jetzt sind?“
 

"Sechs oder sieben, glaub ich...", Buffy fragte sich, was Faith von ihr wollte. Sie hatte sie bestimmt nicht nur hier her geholt, um auf den neusten Stand zu kommen. Dazu hätte sie nur Giles fragen müssen.
 

"Gut."
 

"Schon."
 

Wieder schwiegen die beiden und dieses Mal war es Buffy, die die Stille durchbrach. „Okay, wieso hast du mich angerufen?“
 

„Na ja,“ druckste Faith vorsichtig herum. „Ich hab etwas gehört, das dich sicher interessieren wird. Also Giles und Lily haben sich gestern über etwas gestritten... sie haben den Gegenstand ihres Streites Reifeprüfung genannt. Du hast doch so etwas gemacht? Die Prüfung meine ich?“
 

„Sicher,“ sagte Buffy beherrscht ruhig. In ihrem Inneren tobten jedoch die unterschiedlichsten Gefühle. Lange hatte sie nicht mehr an ihren 18. Geburtstag nachgedacht. Aber das lag nicht nur alleine an den unschönen Ereignissen, sondern auch daran, dass sie gleich von zwei Personen, die ihr wichtig waren, enttäuscht worden war. Und jetzt... was wollten die beiden Wächter? Wollten sie die Prüfung wieder einführen? Giles? Er, der wusste, was die Prüfung bedeutete?
 

„Wow... Giles hat dir wirklich die Kraft geraubt und dich dem Ganzen alleine überlassen?“
 

„Ja,“ sagte Buffy gequält. „Und glaub mir, dass ist nichts was ich meinem schlimmsten Feind wünschen würde.“
 

‚Unter anderen Umständen also auch nicht einmal mir,’ dachte Faith bitter und dankte innerlich dem Urbösen für die veränderte Lebenssituation. „Ich hätte nie gedacht, dass er dir so etwas antun könnte.“
 

„Konnte er auch nicht,“ sagte Buffy mit dem Anflug eines kleinen Lächelns an die eher angenehmere Erinnerung an damals. „Er hatte versucht mich zu warnen und mir schließlich alles gestanden. Ich wusste was kam und war vorbereitet.“
 

„Ach ja, ich weiß.. deswegen hatten wir ja dann Wesley,“ grinste Faith. Sie konnte sich nicht erinnern mit was sie damals beschäftigt war, dass sie von Buffys Schwäche und ihren Zustand nur am Rande mitbekommen hatte. Es lagen nun doch schon etliche Jahre dazwischen. Im schlimmsten Fall hatte sie die Tage mit sinnlosen Fernsehserien verbracht und die Nächte mit Jagen und Tanzen im Bronze. „Wie stehen sonst die Chancen? Ich meine wenn man keinen so loyalen Wächter hat?“
 

‚Loyal?’, dachte Buffy verbittert und musste an die Nacht denken, als Giles sie ablenkte, damit Spike getötet werden konnte, als er Dawn lieber opfern wollte, als er ihr mit einem Serum ihre Kräfte raubte, als er Sunnydale fluchtartig verließ, als sie ihn am meisten gebraucht hätte, als er Lilys Fürsprechen für Rileys Befehl nicht viel entgegenzusetzen hatte... Stopp, dass waren alles Dinge, die eine Münze nur von einer Seite aus betrachteten. Sie hatte seit dem Labyrinth, als sie versucht hatte ihren angestauten Frust los zu werden, eines verstanden... dass es nicht fair war die Ereignisse so einseitig zu betrachten. Er war zurückgekehrt, um sie alle und die Welt mit dem Einsatz seines Lebens vor Willow zu schützen, er war jetzt für sie und Dawn da, nicht nur finanziell, er war für sie da gewesen, als ihre Mutter starb und er hatte damals seinen Job riskiert, um sie vor der Prüfung in letzter Sekunde zu bewahren. Und wenn sie es genau bedachte, hatte Giles damals im Labyrinth recht gehabt, als er seine Handlungen damit gerechtfertigte, dass alles nur für sie geschehen sei. Auch wenn sie das nicht immer so gesehen hatte. Am aller wenigsten die Prüfung betreffend. Aber Dawn, Spike, sein Weggang... sie verstand es auf einmal ein wenig besser, aber das hieß nochlange nicht, dass sie ihm alles so einfach vergeben konnte.
 

„Hey, B... noch anwesend?“ Faith wedelte mit einer Hand vor Buffys Gesicht, die blinzelte.
 

„Hm.. oh entschuldige,“ kehrte Buffy aus ihrer Gedankenwelt zurück und lächelte entschuldigend. „Die Chancen? Keine Ahnung... ich wusste von meinem Gegner, weil er mir schon vor der Prüfung auf der Strasse begegnete und ich war eingeweiht ... ich hatte eine faire Chance.. aber es war hart. Ich würde sagen, dass es sehr schlecht für eine Jägerin aussieht, wenn sie nicht weiß, um was es geht.“
 

„Du hast dich bestimmt verdammt mies gefühlt.“
 

„Darauf kannst du wetten. Wenn du nicht weißt was mit dir los ist, dich auf einmal Vampire, Frischlinge, vermöbeln, du nicht einmal mehr ein Messer auf eine Zielscheibe werfen kannst und am Ende herausfindest, dass der Mann, dem du drei Jahre fast blind vertraut hast dich hintergeht...mies ist da stark untertrieben. Aber wieso fragst du? Wieso haben die beiden darüber geredet?“
 

„Es geht um die Neue, Emma und ihren 18. Geburtstag. Sie stritten sich darüber, ob sie die Prüfung machen muss oder nicht. Ich glaube es sieht schlecht aus. Lily hatte ein paar gute Argumente.“
 

„Gute Argumente?“ Buffy war entsetzt und bestürzt zu gleich. „Wie kann man für so etwas grauenvolles gute Argumente haben?“
 

„Sie schläft mit Giles?“ Schlug Faith mit einem breiten, dreckigen Grinsen vor und sah an Buffys entsetzten Gesichtsausdruck, dass die blonde Jägerin die Möglichkeit bisher völlig ausgeschlossen hatte.
 

„Na komm schon... so blind kannst nicht einmal du sein,“ lachte Faith und wurde wieder ernst. „Sie hat ihn an seinen eigenen Reformationsvorschlägen gepackt und hin und her gebeutelt. Er hat keine Chance.. er wird die anderen Wächter abstimmen lassen müssen.“
 

„Verdammter Mist,“ fluchte Buffy wütend und sprang von der Treppe auf. „Ich wusste, dass Giles Vorhaben früher oder später schief gehen muss. Von wegen es ändert sich alles...,“
 

„Buffy warte doch,“ doch da war die Jägerin schon auf die Strasse vor dem Haus gestürmt und Faith hielt es für das beste, sie gehen zu lassen. Offensichtlich verhieß die Prüfung wirklich nichts Gutes und dass sie jetzt davon wusste, machte das ganze bestimmt auch schwieriger. Allerdings... ihr kam die Idee, dass Buffy und sie dafür Sorge tragen konnten, dass alle Jägerinnen auf der Welt davon erfuhren.
 

Eine email über einen Verteiler, ein Kettenbrief, Rundrufe... und schon hätte bei einem schlechten Ausfall der Abstimmung die Wächter im Vorfeld verloren. Sie würde damit noch warten, bis Giles etwas über die Abstimmung verlauten ließ. Vielleicht würde er sie auch gar nicht einweihen, weil es nicht gut war, wenn Jägerinnen alles wussten, aber sie glaubte, dass Giles gerade mit dieser Ansicht gehörig aufgeräumt hatte und es auch weiterhin so halten würde.
 

Am besten würde sie sofort mit Vi und Ronah darüber reden, damit die beiden bescheid wussten, falls jemals etwas ähnliches auf sie zukam. Vielleicht konnte man dafür sogar trainieren...
 

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Universität,

früher Abend

Willows Zimmer

Das wilde, entschlossene Klopfen an ihrer Tür, ließ Willow von ihren Büchern aufsehen. Sie lag bäuchlings auf ihrem Bett mit drei aufgeschlagenen Büchern und einem Notizblock vor sich. Sie konnte nicht verleugnen, dass sie sich nicht über die Unterbrechung freute. Sie stand auf, um zu öffnen.
 

„Buffy?“ Völliger Unglaube spiegelte sich in dem Gesicht von Willow wieder.
 

Buffy sah an sich herunter und zurück zu Willow. „Falls ich nicht mit einem Zauber belegt wurde und für dich irgendwie anders aussehe...“
 

„Entschuldige,“ Willow öffnete ihre Tür ganz, damit ihre Freundin eintreten konnte. „Es ist nur.. ich bin überrascht. Du warst in den ganzen Wochen nicht einmal hier und da dachte ich schon...“
 

Buffy drehte sich zu Willow herum und machte ein betretenes, zerknirschtes Gesicht. Ihr war deutlich anzusehen, dass ihr der Umstand sehr unangenehm war. „Willow... ich... was soll ich sagen... es war einfach nur... na ja...“
 

„Ist schon gut Buffy,“ lenkte Willow großzügig ein. „Ist nicht so wichtig.“ Aber die Lüge war ihr am Glanz der Augen anzusehen. Buffy senkte den Blick.
 

„Doch ist es Willow. Du bist meine beste Freundin und es hat mich nicht einmal interessiert wie du hier wohnst. Nein also nicht nicht interessiert.. ich meine... mir fehlte die Zeit. Aber es ist sehr hübsch,“ beeilte sich Buffy zu versichern und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. „Und es tut mir so leid.“
 

Willow lächelte freudig über das Kompliment über ihre Einrichtungsgestaltung und spielte die Großzügige. „Du bist ja jetzt da, aber ich schätze, bestimmt nicht, um mein Reich zu inspizieren.“
 

Buffy wollte etwas erwidern, aber hielt es dann doch für besser nicht zu lügen. „Giles und Lily,“ sagte sie stattdessen bestätigend und fuhr auf Willows fragenden Blick hin fort. „Du musst mit Giles sprechen. Faith hat belauscht wie sie sich über die Weiterführung der Reifeprüfung unterhalten haben. Ich muss wissen was er vorhat.“
 

„Solltest du nicht besser mit ihm darüber reden?“ schlug Willow vor. „Du bist die Jägerin. Vielleicht war es ja nur eine rein theoretische Überlegung ‚was wäre wenn’? Nichts was man überbewerten sollte?“
 

„Nein Willow. Ich traue der Sache nicht. Faith hat mir das Gespräch geschildert und es scheint, dass Lily unbedingt wieder die Prüfung möchte. Ich kann zwar nicht verstehen wie moderne Menschen an so etwas grauenvollem festhalten können, aber ich habe das Gefühl sie versteht es in letzter Zeit immer besser Giles um ihren kleinen Finger zu wickeln.“
 

„Seit wann vertraust du dem was Faith erzählt?“ Willow entschärfte ihre Worte mit einem hinterlistigen Lächeln. Schließlich wusste sie genauso gut wie Buffy, dass sich die Zeiten geändert hatten. Und ehe Buffy die Gelegenheit bekam etwas zu sagen, fuhr die Rothaarige fort. „Ich glaube du überbewertest das Ganze ein wenig. Rede mit ihm, frag ihn danach. Ihr seid beide erwachsen und könnt offen reden.“
 

„Nein!“ Buffy schüttelte heftigen den Kopf. „Das ist nicht so leicht. Vor einem Monat habe ich einen Streit zwischen Giles und Lily belauscht, bei dem Lily ihn als meinen Wächter kritisiert und angegriffen hatte, jetzt will sie die Reifeprüfung haben... ich kann doch nicht hingehen und ihm sagen, dass ich die Frau nicht leiden kann, wegen der Dinge, die ich belauscht habe und eigentlich nicht hätte hören sollen? Oder weil mir die Nase der Frau nicht gefällt? Giles und ich würden uns nur wieder streiten.“
 

„Wieder?“ Willow schlug ihre Bücher zu und schob sie zur Seite, damit Buffy auf ihrem Bett platz nehmen konnte.
 

Buffy sah betrübt zum Fenster hinaus und zuckt dann mit den Schultern. Es wurde draußen langsam wirklich dunkel und eigentlich sollte sie längst auf Patrouille sein. Dann schluckte sie hart und sah melancholisch zurück zu Willow. Wenn sie mit jemanden über das was im Labyrinth passiert war, reden konnte dann mit Willow, auch wenn sie in den letzten Wochen kaum Zeit miteinander verbracht hatten.
 

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Erie-See,

selbe Zeit

Aus einem Vorhang aus grauen und weißen Nebelschwaden brach ein Schiff hervor, das mit verrottetem Holz am Bug, Moos und Muscheln daran das Wasser durchpflügte und leichte Wellen um sich und hinter sich erzeugte. Der alte Mast schwankte unheilverkündend unter der Fahrtgeschwindigkeit, Holz ächzte und das Steuerrad bewegte sich von unsichtbarer Hand hin und her. Die Türe zur Kajüte wurde aufgestoßen, doch dahinter befand sich nur Dunkelheit und das Brausen des dafür verantwortlichen Windstosses war zu hören.
 

Weit vor dem alten, verlassenen Schiff tauchte ein Lichtpunkt auf, der auf und ab hüpfte bis er langsam aber stetig näher kam.... das Schiff hielt direkt darauf zu.
 

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Universität,

ein paar Minuten später

„Oh je Buffy.. wieso hast du nicht früher mit mir darüber geredet?“ Sagte Willow bestürzt über Buffys Erzählung und setzte sich neben ihre Freundin. „Ich meine...“
 

„Es ist etwas, das geht eigentlich nur Giles und mich an,“ sagte Buffy halbherzig. Das es nicht so war, hatte sie damit bewiesen, dass sie Willow als einzige über die Geschehnisse im Einzeln eingeweiht hatte. Sie hatte jedoch den Teil mit Ben weggelassen. Es reichte schon, dass ihr Bild über Giles zusammengebrochen war. Zudem war es etwas, das Giles den anderen selbst sagen sollte.
 

„Sicher,“ sagte Willow wenig überzeugt und legte einen Arm um die Schultern ihrer sonst so starken Freundin, an der wohl vieles nagte und es sicherlich noch mehr gab über das sie jedoch nicht so bereitwillig reden wollte. „Geh zu ihm.. klär die Dinge. Entschuldige dich für deine harten Worte, erkläre Giles, wie du inzwischen darüber denkst...“
 

„Das kann ich nicht, Willow. Du weißt.. das ich darin noch nie gut war. Er wird schon wissen, wann ich nicht mehr sauer bin und es auch bestimmt merken, wenn ich darüber hinweg bin.“
 

„Du kannst dich aber nicht immer auf seine feinfühligen Sensoren dich betreffend verlassen. Das geht bestimmt irgendwann einmal schief.“
 

„Noch schiefer?“, lächelte Buffy und wusste das Willows Worte vernünftig klangen. Buffy hatte vor, sie sich durch den Kopf gehen zu lassen, doch jetzt waren andere Dinge wichtiger, als ihre Meinungsverschiedenheiten mit Giles. „Ich denke darüber nach. Aber was ist jetzt... mit meiner Bitte?“
 

„Ich denke es ist etwas sehr persönliches.. die Prüfung.. etwas das seit langem zwischen euch steht. Ich möchte mich da wirklich nicht einmischen Buffy.. so sehr ich dir helfen möchte...Rede mit ihm, kläre alles und sprich dann über die Prüfung.“
 

„Aber du bist eine Hüterin, Willow. Dich sollten solche Dinge auch interessieren. Die Prüfung richtet sich gegen die Jägerinnen, die Schützlinge eines Wächters, des Rates...“, Buffy wirkte verzweifelt und dass sie Willow erneut mit ihren neuen Pflichten als Hüterin konfrontierte sprach dafür. Aber Willow war sich unsicher. Deshalb nahm sie ihren Arm von ihrer Freundin und stand auf.
 

„Ich weiß nicht genau Buffy... ich habe dir schon vor Wochen gesagt, dass wir nicht im geringsten wissen was ich bin. Wir gehen von dem aus, was Kennedy während dem Zauber beobachtet hat und von dem was ich spürte und spüre, die Visionen... das alles ist sehr verwirrend und das Giles und Lily nichts finden macht es nicht besser. Darf ich mich da wirklich in alles so bedenkenlos einmischen? Oder gerade drum? Ich weiß es nicht...“, Willow wirkte nun fast genauso verzweifelt wir Buffy und die beiden Freundinnen starrten sich für einen Moment schweigend an. Willow realisierte zum ersten Mal wirklich, was Buffy all die Jahre emotional durchgemacht hatte, als Jägerin, als die Auserwählte, mit Pflichten und Verantwortungen, Verantwortungen, die Willow nicht bereit war zu übernehmen und Buffy begriff, dass Willow zur Zeit etwas ähnliches durchmachte, wie sie in den ersten Jahren als Jägerin.
 

„Okay.. einverstanden. Ich versuche mit ihnen darüber zu reden,“ gab Willow schließlich nach, als sie das Dilemma von Buffy zu begreifen schien und ihr auch klar war, dass Buffy nicht locker lassen würde.
 

„Du bist die beste,“ Buffy sprang erleichtert auf, umarmte Willow freudig und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
 

++++
 

Erie-See,

ein paar Minuten später

Der Nebel zog sich mit der einbrechenden Dunkelheit über dem See zusammen. In letzter Zeit fand Fischer Coonlley passierte das viel zu oft. Selbst für die Jahreszeit. Seine Tasse Kaffee dampfte vor ihm und das Steuerrad pendelte leicht von links nach rechts. Das Holz des alten Kutters ächzte und stöhnte. Coonlley zog seinen Wintermantel enger um seinen Körper und griff nach der Tasse, als ein gewaltiger Schlag durch das Schiff ging, durch den es sich bedrohlich nach rechts neigte und Coonlley von den Füssen riss.
 

Die Tasse flog scheppernd in eine Ecke, der Inhalt ergoss sich über den Boden und Coonlley knallte hart auf den Boden. Die Türe riss nach außen auf und Coonlley stürzte über die Stufen auf die Planken. Benommen kam er auf die Füße, schüttelte den Kopf und versuchte sich zu orientieren. Das Boot schlingerte, aber war wieder einigermaßen zur Ruhe gekommen. Er blickte um sich und entdeckte ein Boot neben seinem. Hatte der Wahnsinnige ihn etwa gerammt?
 

Er stürmte an die Reling und spähte hinüber. Aber er konnte niemanden entdecken und hinter der Kajüte war es dunkel. Das gab es doch nicht... das Wort „Geisterschiff“ blitzte in seinen Gedanken auf, aber er tat es sofort als altes Seemannsgarn ab. Er griff nach dem Enterharken und zog die beiden Schiffe näher heran, ehe er hinübersprang, um der Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht war dem Besitzer etwas zugestoßen, lag er bewusstlos neben dem Steuerrad oder war sogar von Bord gefallen.
 

Als seine Füße die Planken berührten, glaubte er etwas ähnliches wie ein tiefes Seufzen zuhören, aber schob das Geräusch auf den Wind und auf das Ächzen des alten Holzes. Sein Blick schweifte nervös von links nach rechts und Coonlley korrigierte seine Gedanken.. hätte jemand einen Scherz gewagt, würden die Planken bestimmt nicht so aussehen, als hätten sie seit Jahren kein Land mehr gesehen. Sie waren glitschig und moosig. Das ganze Schiff wirkte heruntergekommen und .. verlassen. Aber nun einmal hier und von Neugier getrieben, ging er weiter zur Kajüte.
 

Die Türe stand offen und er spähte ins Innere. Ein Raunen und Wispern hinter ihm ließ seinen Kopf zur Seite schnellen, damit er über die Schulter blicken konnte, doch ehe er sah, was es war, gab ihm etwas einen unsanften Stoss und er stolperte nach vorne in die Kabine. Die Türe flog zu, und er hörte etwas im Schloss klicken.
 

„Verdammt, hey was soll das?“ Er sprang zur verschlossenen Tür, rüttelte am Griff und hämmerte dagegen. „Aufmachen.. sofort aufmachen.“
 

Sein Brüllen war weit über die See zu hören und verlor sich in der Weite. Vor der Tür zog sich der Nebel dichter zusammen, wirbelte in sich, dehnte sich, zog sich wieder zusammen, bis ein Gesicht darin zu erkennen war, mit leeren Augen, wehendem Haar, Arme und Beine ließen sich langsam erahnen, ehe das Nebelwesen in sich erneut zusammenbrach und mit einem leisen Wispern durch die Ritze in der Türe in das Innere der Kabine strömte...
 

Ein lang gezogener, panischer Schrei war von innen zu hören, der sich mit dem Brausen der Wellen um das Schiff herum vermischte und plötzlich erstarb.
 

Als wieder Ruhe einkehrte, hüpfte ohne Kontrolle die „Neptun“ alleine über die Wellen - vom Geisterschiff war keine Spur mehr zu sehen...
 


 

2. AKT
 

Ein Friedhof am Erie-See,

eine Nacht später

Der Friedhof lag in der nächtlichen Stille dunkel vor ihnen. Das einzige Licht spendeten die Wegbeleuchtungen am Hauptweg und der Mond über ihnen. Dazwischen herrschte überall Dunkelheit und lange Schatten. Buffy schlenderte mit Emma an ihrer Seite zwischen einer Reihe Grabsteine hindurch.
 

„Es ist immer effektiv, wenn man bei den frischen Gräbern vorbeischaut und etwas wartet. Meist erledigt man damit gleich die Arbeit für eine Woche. Die harten Brocken finden einen dann sowieso von alleine.“ Buffy zeigte nach vorn auf ein frisches Grab, auf dem nur eine dünne Schneedecke lag. Emma schluckte.
 

„Wieso tust du das? Ich meine wegen mir brauchst du nicht den Fremdenführer zu spielen und den Abend mit mir verbringen. Du hast sicher besseres zu tun.“
 

„Ich? Ich glaube ich hatte schon seit fast acht Jahren nichts mehr „besseres“ nachts zu tun. Und einer muss es ja tun,“ grinste Buffy freundschaftlich. „Die anderen waren irgendwie alle für heute schon ausgebucht. Ich dachte es würde dir leichter fallen, wenn ich es wäre, die dir ein paar Handgriffe zeigt.“
 

Emma lächelte warm. Da hatte Buffy allerdings recht. Seit der Nacht, in der sie die Jägerin gerettet hatte, verband sie zwar die reine Dankbarkeit, aber da war auch noch etwas mehr. Sie mochte Buffy – sie war nett, ehrlich aber behielt Distanz. Stellte nicht zu viele Fragen und selbst wenn sie neugierig auf Emma war, zeigte sie es nicht so offen, wie die anderen, denen Emma bis lange begegnet war.
 

„Weißt du,“ Emma dachte über ihre Frage kurz nach, während Buffy sie interessiert ansah. „Ich habe das meiste von dem was Mister Giles erzählt hatte, nicht wirklich verstanden. Habt ihr das Urböse jetzt besiegt oder nicht?“
 

Buffy lachte auf. Es war kein gemeines Lachen, kein Auslachen, aber es war amüsiert. „Keine Sorge. So ergeht es uns fast allen, was Giles Ausführungen betrifft. Du kannst froh sein, dass er für dich keine Schaubilder gezeichnet hat.“ Jetzt musste Buffy wirklich breit grinsen, fegte dann aber die stumme Frage in Emmas Augen mit einer Handbewegung zur Seite. „Nicht so wichtig. Aber .. nein, wir haben es nur zurückgeschlagen. Es muss sich ein paar Jahrhunderte von diesem Schlag erholen. Zu neuen Kräften kommen. Es besteht für uns im Moment keine Gefahr.“
 

„Und diese Übervampire? Seine Helfershelfer? Gibt es davon noch mehr?“
 

„Nicht wenn er sie nur im Höllenschlund von Sunnydale hierher geholt hat. Wir haben den Schlund geschlossen und dafür gesorgt, dass die Übervampire darin begraben wurden. Aber wer weiß schon zu sagen, woher sie kamen und wohin sie gingen.“ Zwar gefiel Buffy der Gedanke an noch mehr von diesen Kreaturen nicht, aber Emma anzulügen war sicher keine bessere Lösung. Emma schien an ihrer Seite etwas zu frösteln.
 

„Aber was ist, wenn sich das Urböse erholt hat? Wird es dann nicht versuchen seinen Plan erneut umzusetzen? Oder wenn jemand anders versucht alle Jägerinnen zu töten?“
 

Buffy starrte vor sich in die Dunkelheit, ihre Schultern sackten nach unten und es war ihr anzusehen, dass die Frage unangenehme Erinnerungen mit sich brachte und auch an Buffys Grenze stieß. „Ehrlich gesagt bin ich damit überfragt. Vielleicht greift das alte System wieder. Keine Ahnung. Am besten fragst du Giles deswegen und wir konzentrieren uns jetzt etwas aufs Training.“
 

Sie waren beim Grab angelangt und als Buffy Emma einen Pflock reichte, kam Bewegung in die Erde. Etwas grub sich nach draußen. Eine weiße Hand fuhr vor ihnen plötzlich ins Freie und Emma wich mit einem lauten Aufschrei nach hinten zurück.
 

„Du brauchst keine Angst zu haben. Er ist schwach und unwissend. Meist sind sie orientierungslos. Ein paar sind allerdings erstaunlich fit, wenn sie auftauchen.“
 

Emma kam wieder etwas näher und wartete mit Buffy darauf, dass der Vampir sich vollständig herausgegraben hatte. Kaum war das geschehen und er nahm sie wahr, sprang seitlich aus dem Gebüsch ein Schatten hervor, sprintete auf den Vampir zu und riss ihn von den Beinen.
 

Ein kurzes Handgemenge entstand, bei dem weder Buffy noch Emma richtig erkennen konnten, wer sich mit dem Vampir angelegt hatte. Dann hörten sie beide das für Buffy vertraute „Puff“-Geräusch und der Vampir zerfiel zu Staub. Die Gestalt stand auf und drehte sich zu den beiden herum.
 

„Faith?“ Buffy war erstaunt aber auch vor Unglaube fast ein wenig ungehalten.
 

„Hi, B. Du auch hier?“ Sie klopfte die Asche von ihren Kleidern und grinste zufrieden.
 

„Du wirst entschuldigen, aber das war mein Lehrobjekt für Emma.“ Buffy war nun wirklich über die Dreistigkeit von Faith entrüstet.
 

„Falsch. Das war mein Lehrobjekt.“ Faith zeigte zum Gebüsch hinter dem sich Vi und Ronah zu erkennen gaben. „Das heißt, wir lagen da schon etwas länger, bevor ihr beide ankamt.“
 

„Ich denke die beiden hatten genug Training auf eurem Road Trip,“ kommentierte Buffy trocken mit einem Blick zu den beiden ehemaligen Anwärterinnen.
 

„Ich hab dir von der Prüfung erzählt.. ich will die beiden vorbereiten. Sobald sie 18 werden, wissen sie was sie tun müssen.“
 

„Man kann sich darauf nicht vorbereiten,“ meinte Buffy nachdenklich und sah kurz zu Emma, die einmal mehr kein Wort verstand.
 

„Oh doch.. ich bringe ihnen bei, wie man mit Geduld beobachtet, wie man abzuwarten lernt und dann seinen Verstand einsetzt, um zu zuschlagen.“
 

„Wow.. ich bin beeindruckt,“ sagte Buffy trocken. „Ich dachte immer die Haudrauf-Technik ist die einzige, die du drauf hast.“
 

Faith lächelte still. Wenn Buffy wüsste, wie viel sich verändert hatte, dachte Faith und zuckte mit den Schultern. „Man lernt eben nie aus,“ meinte sie altklug und ging zurück zu Ronah und Vi. „Viel Erfolg noch heute Nacht.“ Damit schlenderten die drei davon und Buffy sah noch immer überrascht stumm hinterher.
 

“Welche Prüfung?“, fragte Emma plötzlich und Buffy verdrehte die Augen. Genau das hatte sie befürchtet.
 

++++
 

Erie-See,

selbe Nacht

Unweit vom Friedhof entfernt lag der Erie-See im Mondlicht da. Wenn man ganz leise war, konnte man das leichte Wellenplätschern gegen das Ufer hören. Die hüpfenden Lichter der Fischerboote waren von Buffys, Faith, Ronahs, Vis und Emmas Position aus gut zusehen. Am Ufer, nicht sonderlich weit von ihnen entfernt, lagen ein paar Boote vor Anker. Nicht unweit davon tauchte plötzlich das Geisterschiff mit seinem zerfetzten Segel und ohne Beleuchtung auf.. es schlingerte unruhig hin und her und schien direkt auf die Boote vor dem Ufer zu zuhalten...
 

Der Friedhof am Erie-See,

im selben Moment

“Hey.. was ist das denn,“ Ronah löste sich von der Dreier-Gruppe und sprang auf die Friedhofsmauer.
 

Alarmiert gab Buffy Emma zu verstehen ihr zu folgen.
 

„Was ist los?“ fragte Faith und sah kurz über die Schulter – Buffy und Emma kamen. Irgendwie beruhigte sie der Gedanke. Seltsam und befremdend war er, der Gedanke, aber das störte Faith nicht mehr länger. Sie waren längst zu einem Team geworden. Oder zu einer großen Familie. Die Familie der Jägerin. Meine Güte.. noch vor einigen Monaten hätte sie sich wahrscheinlich für solche sentimentalen Gedanken selbst geohrfeigt.
 

„Ein Schiff,“ erklärte Ronah. „Es schlingert. Als hätte es keine Führung. Es scheint aufs Ufer zu zurasen.“
 

„Was? Verdammt, lass sehen,“ Faith sprang zu ihr hoch und entdeckte sofort das Schiff, welches Ronah meinte. „Wenn wir uns beeilen, können wir es noch bis zum Ufer schaffen und das schlimmste verhindern. Es hält nämlich auf die Boote da unten zu.“ Faith fuchtelte zu ein paar verankerten Booten.
 

„Das schaffen wir nie,“ stöhnte Ronah und schätzte die Entfernung auf drei vielleicht vierhundert Meter. Wenn sie gut lag.
 

„Ein ‚Nie’ gibt es für uns nicht,“ bemerkte Buffy streng und sprang dabei schon über die Mauer. „Bleibt ihr hier. Faith.. komm mit.“
 

Ronah wollte wiedersprechen und auch Emma machte einen unsichern Schritt auf die Mauer zu.
 

„Bleibt hier.. Buffy hat recht. Es ist besser wenn jemand noch da ist, falls was passiert,“ und damit sprang Faith Buffy nach und holte sie auf halben Weg ein. Sie hielten sich nicht lange damit auf, small talk zu halten, sondern gaben, was ihre Jägerinnenkräfte möglich machten, um den See zu erreichen.
 

Als sie am Ufer ankamen, sahen sie sich suchend nach einer Möglichkeit um, um das Boot zu erreichen. Buffys Blick fiel auf den Holzsteg, der zum ersten Boot führte. Sie deutete Faith die Richtung und sprintete los. Sie rasten beide mit laut in die Nacht hallenden Schritten über den Steg und sprangen an Bord des Schiffes. Sie rannten weiter zum Bug, nahmen die eigene Geschwindigkeit als Antrieb, um über die Reling zum nächsten Boot zu springen.
 

Auf dem dritten Boot gelandet, mussten die beiden Jägerinnen mit ansehen wie das schlingernde Schiff in das weiter vorne verankerte Boot krachte. Holz knirschte, Eisen quietschte schrill auf, Funken stoben, das Wasser wurde unruhig. Buffy und Faith blickten sich entsetzt an und sprangen auf das letzte verbleibende Schiff und sahen sich damit dem Geisterschiff gegenüber.
 

„Was ist das denn?“ Entfuhr es Faith beim Anblick des alten, verfallenen Schiffes.
 

„Ein Geisterschiff?“, bot Buffy zaghaft an und gab sich dann einen Ruck. Sie sprang hinüber, hatte Schwierigkeiten sich unter dem starken Seegang zu fangen und fiel gegen den Mast. Faith folgte ihr und hatte aus Buffys Unvorsichtigkeit so viel gelernt, dass sie besser aufpasste, als ihre Füße auf die nassen, rutschigen Planken aufkamen. Trotzdem strauchelte auch sie leicht.
 

„Schnell, B. Das Führerhaus,“ rief Faith panisch, als sie aufsah und die kleine weiße Jacht, auf der sie eben noch gewesen waren bedrohlich näher kam. Buffy rappelte sich auf die Füße, sprang zur Tür, riss sie auf und wich automatisch zurück, als etwa auf sie herausfiel.
 

Es fiel mit einem dumpfen Rums auf die Planken und Buffy starrte auf die Leiche des Fischers Coonlley, dessen Augen vor Entsetzen geweitet in die Leere starrten. Eine Krähe stieß plötzlich über ihnen kreisend in die Nacht ihre krächzende Rufe hinaus, ehe sie davon flatterte und dem ganzen noch etwas mehr unheimliches verlieh. Buffy fröstelte es. Irgendwie gab es in Cleveland verdammt viele Krähen.
 

++++
 

Wächterhaus,

etwas später in der Nacht

“Puh.. ich hab’ ja schon viel unheimliches gesehen, aber das war...,“ Buffy schüttelte sich und nahm Giles mit einem kleinen Dankeslächeln die dampfende Tasse Tee ab, die er ihr reichte, ehe er sich um die anderen beiden, Faith und Emma, kümmerte. „Sehr unheimlich.“
 

„Willow muss morgen früh sofort überprüfen, wer als vermisst gemeldet wurde. Der Typ war schon ganz steif,“ sagte Faith recht unberührt über die Leiche an Bord des seltsamen Schiffes und reckte ihre Glieder. „Aber das Boot war definitiv schon länger unterwegs.“
 

„ICH werde es auf jeden Fall so wie Ronah und Vi machen und erst einmal nachhause gehen, um eine heiße Dusche zunehmen.. ich fühle mich so.. bäh..,“ Buffy nippte an der Tasse und schüttelte sich.
 

"Entschuldigt mich einen Moment." Ein wenig gestresst griff Giles nach dem Hörer des Telefons vor sich, und begann eine Nummer zu wählen. "Mr. Callagher, ich hatte ausdrücklich um Rückruf gebeten. -- Ja, mir ist klar, dass Sie im Stress sind, aber das sind wir doch alle. Unsere erste Priorität ist jetzt, zu verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät. -- Drei Jägerinnen? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt. ...Gut, vielen Dank."
 

"Zehn kleine Jägerlein!" Gelangweilt griff Faith nach ihrer Teetasse.
 

„Also ich weiß ja nicht,“ meinte Emma etwas schüchtern. „Nachdem was ich alles so gehört und gesehen habe, ist das Jägerinsein nicht so mein Ding.“
 

Buffy sah zu Emma auf und ließ dann ihren Blick zu Giles schweifen. War es das gewesen, was er und Lily befürchtet hatten?
 

„Darüber reden wir morgen in Ruhe,“ lenkte Giles diplomatisch wie immer ein und brachte es sogar fertig, dass sein Lächeln Emmas angespannten Gesichtsausdruck verscheuchte und sich die Jägerin etwas beruhigte. Für dieses Talent hatte Buffy trotz allen gemeinsamen Schwierigkeiten mit ihrem Ex-Wächter noch immer tiefsten Respekt übrig.
 

„Wenn ich es also richtig verstanden habe, schätzt ihr, dass der Mann seit ein paar Tagen erst tot ist, dass Boot aber verfallen und seit längerem verlassen wirkte?“
 

„Richtig,“ nickte Faith nachdrücklich.
 

„Hm.. vielleicht ein Geisterschiff,“ vermutete Giles. „Allerdings hätte euch dann die untote Besatzung begegnen müssen.“
 

„Da war sonst niemand mehr,“ meinte Buffy. „Jedenfalls niemand, den wir tot oder lebendig gesehen haben.“
 

„Und wo ist das Boot jetzt?“
 

„Gute Frage,“ Faith wirkte ratlos und auch Buffy zuckte mit den Schultern. „Wir haben es vom Kurs abgebracht, aber ohne Anker sahen wir keine Möglichkeit es weit weg von den anderen Booten und Schiffen zu verankern. Wir haben es einfach am Bootssteg mit einem dicken Seil festgemacht. Falls es harmlos ist, liegt es noch immer da. Falls nicht...,“ Faith machte eine weite Armbewegung..„Wissen es die Götter.“
 

„Die haben in den meisten Fällen wenig damit zu tun,“ meinte Giles leicht abwesend, aber trotzdem belehrend.
 

Faith musste grinsen und gähnte schließlich. “Ich glaube heute Nacht läuft uns das Boot nicht weg und ich bin müde...“
 

„Genau,“ Buffy stand auf. „Lassen Sie uns schlafen gehen und morgen früh gehen wir gemeinsam zum See.“
 

„Zum See?“ Alle drehten sich zur Tür um, in der Willow stand. Etwas müde und blass, aber ziemlich bereitwillig etwas zu tun. „Hab’ ich etwas verpasst oder plant ihr ein Picknick?“
 

„Hey Willow.. noch auf?“ Buffy setzte sich wieder.
 

„Ich habe zu viel gelernt. Mir raucht der Kopf. Ich dachte ich schau mal vorbei.. gibt es etwas Neues, etwas bedrohlich Neues? Also ich meine jetzt nicht gleich den Weltuntergang.. ach ihr wisst schon...“, sie sah in die Runde und entdeckte Emma. „Hey.. dich kenne ich doch,“ sie lächelte gequält in Erinnerung an ihre Vision, aber gleichzeitig war sie sehr froh, dass Emma es geschafft hatte . „Kam mein Anruf doch nicht zu spät.“
 

„Ach herrje.. ich hab ganz vergessen dir Entwarnung zu geben,“ entschuldigte sich Buffy und es war ihr fast peinlich. Willow winkte müde ab und setzte sich zu ihnen an den Tisch. In letzter Zeit gab es vieles, über das sie und Buffy nicht sprachen.
 

„Ich verschwinde dann mal,“ sagte Faith dezent und war auch schon an der Tür. „Bis morgen früh.“
 

„Bis morgen. Ich bringe Emma noch nach Hause,“ bot Buffy an und sah Willow eindringlich an. Sie wollte Giles mit Willow alleine lassen, damit das gewünschte Gespräch stattfinden konnte, falls Willow die Absicht jetzt hatte.. Giles würde sowieso dafür sorgen, dass Willow alles wichtige über das Schiff erfuhr. Sie musste nicht bleiben.
 

„Na typisch,“ schmunzelte Willow. „Kaum komme ich, verziehen sich alle.“
 

„Wenn du willst, bleibe i...“
 

„Haut schon ab,“ lachte Willow. „Giles wird mir bestimmt alles erzählen.“
 

„Und ich erkläre Emma, was du mit Anruf meintest,“ Buffy zog Emma mit sich, wünschten eine gute Nacht und verschwanden zusammen durch die Tür.
 

„Anruf,“ zog Giles fragend die Augenbrauen in die Höhe als sie alleine waren.
 

„Emma... ich habe sie gesehen wie damals Kim, die Faith gerettet hat. Ich weiß nicht.. Traum oder Vision.“ Willow sah hilfesuchend zu Giles. „Mich macht das Ganze langsam fertig...," wieder seufzte Willow fast ergeben.
 

Ehe sie fortfuhr vergewisserte sich die Hexe erneut mit einem Blick zu Giles, ob er auch wirklich noch zuhörte. "Ich wollte nur nicht in Buffys Anwesenheit jammern. Sie trotzt schon so viele Jahre mehr als ich diesem Druck von Prophezeiungen und allem," sie zuckte mit den Schultern. "Aber ich ... es ist einfach zu viel."
 

Sie holte Luft und bevor Giles sie unterbrechen konnte, sprach Willow hastig weiter. "Es ist einfach dieses Gefühl.. die Jägerinnen! Ich kann sie ständig fühlen und spüren Giles. Nicht nur als wir die Jägerinnen aktivierten oder die Wochen danach. Ich habe das Gefühl nie verloren. Und es ist stärker – nein, schlimmer geworden.“ Am liebsten hätte sie Giles in diesem Augenblick auch von Dawn erzählt, aber sie wusste, dass das Dawns Aufgabe war und sie warten musste, bis sie auch darüber reden durfte.
 

„Erst letztens habe ich Kennedy gespürt... nicht einfach nur eine Jägerin... sondern Kennedy .. ich wusste, dass sie es war.. dass sie in Not war, dass sie Schmerzen hatte. Ich... ich fühle es Giles.. als würde man mir den Schlag verpassen. Als würde ich an Stelle einer Jägerin kämpfen.“ Sie spürte ihre Augen feucht werden. Es tat so gut, all die Ängste der letzten Wochen laut auszusprechen, und sie spürte, dass es heute Nacht der richtige Zeitpunkt war, um mit Giles über alles zu reden.
 

Sie hatte mit Kennedy darüber gesprochen, nachdem sie den Streit gehabt hatten, und das war schon ungemein hilfreich für sie gewesen. Aber Kennedy hatte für sie nur Trost in Worten und Taten gehabt, keine Antworten und keine Lösungen, die sie sich von Giles versprach.
 

Giles Gesichtsausdruck hatte etwas sorgenvolles angenommen und er hörte Willow aufmerksam und konzentriert zu. Es gefiel ihm nicht, wie sehr in Willows Stimme Angst mitschwang. Angst vor der veränderten Lebenssituation und er wusste nur zu gut, zu was Willow in der Lage war, wenn sie mit einem Problem nicht zu recht kam. Aber er wollte nicht mit dem Schlimmsten rechnen.
 

"Sprich ruhig weiter," sagte Giles sanft und lächelte ihr aufmunternd zu.
 

Sie lächelte traurig zurück und nickte. „Ich habe so vieles durchgemacht, um zu lernen wer ich bin Giles. Ich war vor zwei Jahren Willow, eine mächtige Hexe, die alles daran setzte, das auch zu demonstrieren, wann immer meine Hilfe nötig war. Dann war ich Willow, die böse Hexe. Vor einem Jahr war ich nur wieder Willow, verängstigt, verunsichert, aber wieder Willow. Bis ich die Magie gegen das Urböse einsetzen musste, um auch zu erkennen, wer ich noch immer war - Willow, einfach Willow. Jetzt bin ich wieder verunsichert. Mein Leben ...,“ Willow seufzte und machte eine abfällige Handbewegung.
 

„Ich verstehe das sehr gut, Willow und ich glaube auch..,“ begann Giles verständnisvoll, wurde aber von Willows frustriertem Seufzer unterbrochen. Fragend sah er sie an.
 

„Ich weiß, dass Sie mich gerne verstehen würden, aber wie könnten Sie? Sie sind ein Wächter, ein .. ein normaler Mensch. Sie können ja nicht einmal Buffy verstehen.“ Jetzt war es aus ihr einfach so herausgeplatzt und sie wusste nicht wieso. Sie hatte doch in aller Ruhe mit Giles darüber sprechen wollen. Aber vielleicht war sein angebotenes Verständnis nicht das gewesen, was sie gerne gehört hätte.
 

Giles sah sie erstaunt und getroffen an. „Was hat Buffy mit deinem Problem zu tun?“
 

„Nichts,“ sagte Willow niedergeschlagen. „Es ist mir nur in den Sinn gekommen, weil mir Buffy erzählt hat, dass Sie ernsthaft über die Weiterführung der Reifeprüfung nachgedacht haben. Sie und Lily. Dabei wissen doch gerade Sie, wie sich Buffy damals dabei gefühlt haben muss oder Sie sich als ihr Wächter.“
 

„Aber wir haben doch nur darüber geredet,“ versicherte Giles. „Und so lange ich den Vorstand habe, werde ich ganz sicher nicht die Reifeprüfung befürworten. Das solltest du und auch Buffy wissen.“
 

„Sie können nicht wissen, wie die anderen Wächter darüber denken. Es wird immer Radikale geben, die an alten Traditionen festhalten. Oder eine Gruppe Befürworteter führen die Prüfung ohne ihr Wissen durch. Sie können nicht überall sein.“
 

„Da hast du durchaus recht,“ musste Giles zugeben und senkte nachdenklich seinen Blick. „Ich habe darüber bereits nachgedacht. Aber wie du schon sagtest, werde ich das nicht aufhalten oder unterbinden können. Du kannst Buffy aber ausrichten... nun vielleicht spreche ich selbst mir ihr darüber.“
 

„Nein,“ Willow sprang aus ihrem Stuhl auf. „Nicht reden.. mit Buffy. Ich meine.. lassen Sie es mich ausrichten.“ Innerlich seufzte Willow über sich - spätestens jetzt musste Giles ja wissen, dass es einen Grund gab, weswegen sie hier mit ihm dieses Gespräch führte. Das war sicher nicht gerade im Sinne von Buffy.
 

„Ich weiß ja nicht genau was hier vor sich geht, aber ich rede mit Buffy lieber selbst und wegen deinem Problem... vielleicht haben wir bald erste Antworten darauf. Sobald Lily an die Papiere ihres Vaters herankommt. Lily sucht hier in Amerika nach einem Schließfach,“ erklärte er Willow, der er bislang noch nichts davon erzählt hatte, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. „In ihm sollen alte Dokumente über die Entstehung des Rates im Zusammenhang mit Hüterinnen liegen. Lily ist deshalb nach L.A. gereist. Sie hat einen neuen Hinweis, dem sie nachgehen möchte.“
 

„Ich bin mir nicht so sicher, ob das die Lösung aller Probleme sein wird, Giles.“ Gab Willow vorsichtig zu bedenken. „Es ist mehr eine,“ sie klopfte auf ihre Brust. „Herzsache.“ Ein Buch würde nicht immer alle Antworten liefern, dacht Willow sarkastisch. „Ich hätte eine Idee... falls Lily nichts erreicht, könnte ich noch immer.. nun ich könnte D’Hoffryn herbeirufen. Er ist sehr alt.. er weiß sehr viel... vielleicht weiß er auch darüber etwas. Er hat.. nun schon einmal eine Andeutung gemacht,“ sie erinnerte sich nicht gerne an das, was D’Hoffryn ihr in diesem Cafe erzählt hatte oder was sie in der Kuppel gefühlt und gesehen hatte, als D’Hoffryn sie für sich gewinnen wollte. Aber wenn es der einzige Weg war, um mehr herauszufinden, dann musste sie es auf sich nehmen. “Möglicherweise ist er bereit zu helfen.“
 

„Willow.. er ist ein Dämon. Er verfolgt andere Ziele als wir. Wieso sollte er uns helfen?“
 

„Es wäre einen Versuch wert,“ sagte Willow etwas selbstsicherer als noch zuvor und Giles bekam langsam das Gefühl, dass sich Willow darüber schon länger Gedanken gemacht hatte und dies auch brauchte, um sich an etwas festhalten zu können. Er nickte, wenn auch nur zögernd und versuchte mit einem aufmunternden Lächeln seine Skepsis zu verbergen.
 

++++
 

Irgendwo,

selbe Nacht

“Sie macht mit uns was sie will,“ schimpfte Weatherby aufgebracht und lief an der Gestalt in der langen dunklen Kutte vorbei, die mit der Holzmaske und der Kapuze über den Kopf reglos dastand. „Samielle hat wohl vergessen, wem sie es verdankt hier zu sein. Sie könnte wenigstens einmal pünktlich sein.“
 

Ehe Weatherby weiter über Samielle schimpfen konnte, ging die Tür auf und die erwartete Frau trat in ihrer menschlichen Gestalt in die alte Scheune. Ihr langes Haar wehte hinter ihr und legte sich sanft auf ihre Schultern nieder, als sie die Tür wieder schloss. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen trat sie auf die beiden Personen zu. Stolz hob sie ihren Kopf und bedachte Weatherby mit einem scharfen verächtlichen Blick.
 

„Ihr wolltet mich sprechen?“ Sie sah von Weatherby zum Maskenträger. Die Gestalt nickte und sah dann zu Weatherby, der das Wort übernahm.
 

„Uns würde dein Plan interessieren. Alles geht schief. Du hast bis jetzt nicht einen einzigen Freund der Jägerin soweit abgelenkt, dass wir unseren Plan hätten umsetzen können.“
 

„Nun, es fällt mir schwer etwas vorauszuplanen. So lange ich die geweihten Pfeile nicht verwenden darf, wird es schwierig für mich werden. Aber ich habe zwei der Jägerinnen heute auf einem Schiff gesehen, auf dem ein seelenloses Wesen haust. Sie wissen noch nicht, dass so etwas dort existiert. Wenn ich es beeinflussen könnte, könnte sich daraus ein Problem für die Personen ergeben, die ihr euch vom Hals schaffen möchtet.“
 

Der Maskenträger schüttelte den Kopf und mit durch die Maske leicht hohl klingenden Stimme, gab er den neuen Plan bekannt. „Es gibt eine Änderung. Etwas ist wichtiger geworden. Weatherby?“
 

„Wichtiger?“, kam ihm Samielle überrascht zuvor. „Wenn sich das Wesen die Seelen der Jägerinnen holen würde...“
 

„Du hast gehört, dass es wichtigeres gibt,“ unterbrach Weatherby die Frau schneidend, die ihn daraufhin ruhig, aber scharf und lange anstarrte. „Wir brauchen etwas von der Jägerin und ihren Freunden. Ein paar Münzen. Wir haben keine Möglichkeit, um selbst an sie ran zu kommen. Wir brauchen deine Fähigkeiten. Du sollst uns die Münzen beschaffen.“
 


 

3. AKT
 

Wächterhaus,

am nächsten Morgen

"Gut, vielen Dank, Kieran, ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen. Schicken Sie die Mädchen sofort los. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Jägerin in den Fängen dieser Halsabschneider – oh ja, das Buch kam gut bei uns an. Auch dafür vielen Dank..."
 

Als Buffy mit Dawn den Konferenzraum betrat, sahen sie beide Giles an einem der kleineren Tische an der Fensterreihe sitzen, neben ihm noch das Telefon und vor ihm aufgetürmte Bücherstapel, während er selbst sich gerade eine Notiz zu machen schien. Er sah kurz unerfreut über die Störung auf, doch als er die beiden jungen Frauen erkannte, deren Lebensweg er nun schon seit so vielen Jahren begleitete, schlich sich auf sein müdes Gesicht ein kleines, freudiges Lächeln.
 

Auch wenn diese Zeit nicht immer schön gewesen war und sie viele Schwierigkeiten zu meistern hatten, erfüllte ihn Buffys Anblick noch immer mit Stolz – sie hatte überlebt, sie war erwachsen geworden und meisterte ihre Lebenssituationen. Und Dawn – nun, sie war zu einem selbstbewussten jungen Menschen geworden und das war sicher auch ein großer Verdienst von Buffy. Natürlich wusste Giles, dass Buffy im Moment dies alles anders sah und gerade jetzt, wo sich wieder neue Möglichkeiten offenbarten, im Glauben lebte, zu nichts zu taugen. Sie musste nicht mit ihm darüber sprechen, er spürte so etwas einfach. Vielleicht wurde es einmal wieder Zeit dafür, dass er von sich aus auf Buffy zuging, ihr Mut zusprach und sagte wie großartig sie alles bewerkstelligte. Aber wahrscheinlich würde sie ihm nach den vergangenen Geschehnissen überhaupt nicht zuhören wollen. Und für einen kurzen, schwachen Moment dachte er darüber nach, dass ihm hin und wieder eine solche Bestätigung auch gut tun würde, verdrängte aber den Gedanken, als die beiden ihm einen Guten Morgen wünschten.
 

„Guten Morgen,“ erwiderte er etwas mit belegter Stimme, die seine Müdigkeit bezeugte und schob die Notizen von sich.
 

„Ich schätze, Sie haben sich gestern Nacht keinen gemütlichen Abend gemacht?“ Dawn wies auf den Tisch. Giles schüttelte den Kopf und schob die Brille auf die Nase.
 

„Haben Sie schon etwas herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte?“ Buffy zog einen Stuhl heran und setzte sich.
 

„Nicht direkt, aber hier.. wo habe ich es nur,“ murmelte Giles und schob einen Buchstapel zur Seite, der gefährlich wankte, zog zwei Zeitschriften beiseite und entdeckte das Buch schließlich darunter. „Hier. Hier drinnen wird von einigen Legenden berichtet, die es um den Erie-See gibt. Unter anderem wurde am 3. Juli 1817 von einer Mannschaft eines Schoners fünf Kilometer von der Küste entfernt, eine Seeschlange von etwa 10-12 Metern Länge und einem Durchmesser von 30 Zentimetern gesehen. Sie soll dunkelbraun, fast schwarz gewesen sein. Allerdings konnten sich die Matrosen nicht darauf einigen, ob das Wesen Schuppen hatte oder nicht. 1819 wurde das „Tier“ noch einmal gesehen. Diesmal wurde es als kupferfarben mit leuchtenden Augen und einer Länge von fast 18 Metern beschrieben. Eine Reaktion auf Schüsse, die man auf das Wesen feuerte, blieb aus.“ Giles lächelte schwach. „Ich schließe die Möglichkeit nicht aus, dass dieses Wesen einer der unzähligen Wasserdämonen sein könnte. Zwar harmlos...“
 

„Wie Nessie?“, grinste Dawn.
 

„Das ist etwas anderes...“
 

„Ich glaube du verletzt mit diesem Vergleich Giles Nationalstolz.“
 

„Es ist doch nur ein harmloser Wasserdämon,“ scherzte Dawn weiter.
 

Giles bedachte die beiden Mädchen mit einem langen, strafenden Blick, der sie verstummen ließ. „Also zurück zu unserem Geisterschiff. Es existiert ein Gedicht über einen Steuermann auf einem Ausflugsboot, der die Passagiere bei einem Feuerausbruch an Bord gerettet hatte, aber selbst dabei ums Leben kam. Es gibt eine Stelle, die etwas ungenaue Angaben über den Verbleib seiner Leiche macht,“ Giles räusperte sich, eher er die Stelle vorlas. „’Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. Gerettet alle. Nur e i n e r fehlt!’ und etwas weiter unten wird von seiner Beerdigung gesprochen. Wenn wir davon ausgehen, dass sich das Gedicht um eine heldenhafte Legende rankt, besteht die Möglichkeit, dass dieser Steuermann mit dem Boot untergegangen ist.“
 

„Und jetzt ein Geisterschiff fährt?“, überlegte Buffy laut und amüsiert. „Ich weiß ja nicht, aber sie hatten früher bessere Theorien auf Lager.“
 

“Falls es ein Geisterschiff im engeren Sinn ist. Es könnte auch wahrscheinlich sein, dass ein ruheloser Geist auf einem alten Boot herumwandert und Fischer anlockt, um Gesellschaft zu haben,“ Giles schüttelte den Kopf und lächelte verlegen. „Du hast recht... die Theorien sind uhm.. gewagt? Trotzdem müssen wir alle Fakten sammeln und abgleichen. Vielleicht spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass Cleveland 1796 an der Mündung des Cuyahoga River in den Erie-See gegründet wurde, und zwar genau an der Stelle einer alten indianischen Siedlung. Das könnte unter Umständen wichtig sein... es wäre nichts neues, dass an Orten, die über alten Siedlungen oder Friedhöfen erbaut wurden, merkwürdige Dinge geschehen.“
 

„Reicht die knappe Erklärung nicht aus, dass Cleveland auf dem Höllenschlund liegt?“ Buffy klang hoffnungsvoll. Ihr schwante nämlich nichts Gutes. Wenn Giles die ganze Nacht über recherchiert hatte, würde er sie mit Informationen füttern, ob sie wollten oder nicht.
 

„Natürlich wäre das die einfachste Begründung, auch wenn wir über den hiesigen Höllenschlund nichts wissen. Zudem wüssten wir dann noch immer nicht, mit was wir es zu tun haben.“ Giles zog seinen Notizblock heran. „Geisterschiff, ruheloser Geist, Seemonster...“
 

„Wartet mal,“ unterbrach Dawn Giles Ausführungen. „Ich erinnere mich da an eine Geschichte... kurz vor Halloween. Ich war mit Sam und den anderen auf einem Boot, um mir die Stadt von der See aus anzusehen. Toller Ausblick,“ schwärmte Dawn, ehe sie wieder zum Thema kam. „Jedenfalls haben sie mir etwas von einem Monster erzählt. Vielleicht handelt es sich dabei ja um diese Seeschlange. Ich frage später am besten in der Schule noch einmal einen der drei.“
 

Giles nickte zustimmend. „Tu das, auch wenn ich fast befürchte, dass eine Seeschlange nichts mit unserem Boot zu tun hat.“
 

„Oder das alles hat zusammen doch etwas miteinander zu tun,“ überlegte Buffy. „Nur fehlt uns noch der Zusammenhang.“
 

„Oder es hat gar nichts mit all dem zu tun und wir befinden uns auf der falschen Spur,“ lächelte Giles entmutigt und stand auf. „Ich brauche jetzt erst einmal einen Tee. Möchte jemand von euch auch einen?“
 

++++
 

Barker Cooperation,

morgens

Die Akten auf dem kleinen Schreibtisch hatten sich dekorativ zu einem kleinen Abbild des Barker Cooperation Buildings gemausert, stellte Xander fest, nachdem er, wieder mal ein wenig zu spät und abgehetzt, in sein Büro gestürmt kam.
 

Nun ja, heute war ein guter Tag zum … Arbeiten… dachte er vor sich hin pfeifend und lenkte augenblicklich seine Aufmerksamkeit von dem Stapel Dokumente auf die phänomenale Aussicht der Skyline Clevelands, die ihm sein Fenster zeigte. Kaum hatte er sich gesetzt dröhnte auch schon seine Sprechanlage und eine der vielen Bürodamen seiner Etage erklärte ihm mit quäkender Stimme, das Ms. Cronenberg für ihn auf Leitung 3 sei.
 

„Guten Morgen Xander,“ kam sie ohne Umschweife zur Sache. Der junge Mann wunderte sich ein wenig, dass sie ihn nicht dafür tadelte wieder einmal ein paar Minuten zu spät gekommen zu sein, verscheuchte den Gedanken dann aber wieder und konzentrierte sich auf seine Chefin, die ihn nun darüber informierte, dass ein Meeting verschoben wurde und nun ein paar Tage später stattfinden sollte.
 

Ha, das war im Prinzip seine Rettung, denn so hatte er endlich Zeit genug sich durch den Berg Akten zu wühlen, von denen einige mit großen roten Buchstaben den Vermerk ‚dringend’ hatten und sicher schon einige Tage auf seinem Tisch lungerten.
 

Eine halbe Stunde später sah sein Berg unbearbeiteter Unterlagen noch genauso aus wie zu Anfang und der Stapel in der fertigen Ablage hatte grade mal vier dünne Mappen aufzuweisen, stellte er resigniert fest und starrte wieder aus dem Fenster. So ein Meeting wäre vielleicht doch nicht schlecht gewesen, da gab es Kaffee und außerdem … Kaffee, gute Idee … Koffein war das Richtige seine Hirnzellen auf Touren zu bringen.
 

Entschlossen drückte er auf einen der Knöpfe seiner Sprechanlage, wartete auf die Rückmeldung und bat freundlich um eine Tasse des legalen Aufputschmittels. Keine Minute später tauchte auch schon eine der unzähligen jungen Damen auf, deren Namen Xander sich nie merken konnte, stellte ihm das Gewünschte auf den Schreibtisch, nahm mit hochgezogener Braue auf ihn blickend die wenigen fertigen Dokumente mit und schloss die Tür hinter sich.
 

Ein Rauschen seiner Sprechanlage zeigte ihm, das er vergessen hatte den Schalter wieder auf 'aus' zu drücken. Er wollte schnell den entsprechenden Knopf drücken, als er hörte wie sich die junge Frau wieder an ihren Tisch setzte und dabei mit ihrer Nachbarin anfing zu tuscheln:
 

„Also, du bist sicher, dass es ein Glasauge ist? Sieht ja wirklich echt aus, würde mich interessieren was Eve an ihm findet. Immerhin gehörte er ja nicht zum Team als sie ihn eingestellt hat, außerdem ist er noch sehr jung.“
 

„Na was meinst du denn? Sie ist scharf auf ihn, das sieht doch ein Blinder mit einem Glasauge.“
 

Gekicher folgte, während Xanders Gesicht eine leichte Röte überzog und er dem Wunsch widerstand die Anlage einfach auszuschalten.
 

„Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.“ Prustete es flüsternd weiter, unterbrochen von dem leisen Hämmern von Fingern auf einer Tastatur.
 

Blöde Puten, schoss es ihm durch den Kopf und er wollte wieder die Leitung kappen, als es schon weiter flüsterte.
 

„Mir ist ein Rätsel was sie an ihm findet. Man merkt doch dass er keine Erfahrung hat, aber ständig hilft sie ihm aus der Patsche. Jetzt hat sie sogar das Meeting abgesagt damit er endlich mal mit seinen Unterlagen hinterher kommt.“ Gekicher rauschte durch die Anlage und bevor Xander seinem Unmut Luft machen konnte, ging es auch schon weiter. „Vielleicht hat er andere ‚Qualitäten,“ raunte es und das Rauschen der Sprechanlage verstärkte sich ein wenig, da die Damen die Stimmen senkten. „Dazu hab ich einen Witz: In der Hochzeitsnacht legt der Bräutigam sein Gebiss auf den Nachtisch, dazu seine Perücke und sein Glasauge. Als er sich sein Bein abschnallen will, rennt die Braut raus und will fliehen. Im Treppenhaus ruft ihr der Bräutigam hinterher: ‚He bleib stehen und erfüll deine Pflichten’ Kommt die Antwort zurück: ‚Dann nimm ihn ab und werfe ihn herunter’“
 

Mit einem Druck seines Fingers beendete Xander seinen Lauschposten und lehnte sich ein wenig gedemütigt in seinem Sessel zurück. Es war ihm klar, dass über ihn geredet wurde, aber das war gemein und widerlich und … na ja, er war auch nicht besser gewesen, wenn er da so an seine Zoten dachte, die er mit seinen Kollegen auf der Baustelle so losgelassen hatte. Trotzdem grollte er weiter, verfluchte innerlich sein fehlendes Auge, Caleb, sämtliche Dämonen und am Ende war er sogar sauer auf Eve, die ihn ganz offensichtlich auch noch so bevorzugte, dass es den Kichererbsen da draußen auffiel. Na, denen würde er es zeigen…
 

20 Akten später und nach weiteren drei Tassen Kaffee … es war ihm eine Genugtuung das Fräulein immer wieder aufzuscheuchen … begab er sich zu den Toiletten. Auf dem Gang dorthin stand der Kopierer ihrer Etage.
 

Vorsichtig blickte er sich um, damit ihn auch niemand beobachtete, stellte das Programm auf 99 Kopien, 50% verkleinern und Din A5, verlangte, nachdem er wieder in seinem kleinen Büro war, eine neue Tasse Kaffee und drückte der falsch grinsenden kleinen Sekretärin ein eigentlich unbedeutendes Verzeichnis in die Hand.
 

„Ach, machen sie mir doch bitte eine Kopie davon.“ Bat er übertrieben freundlich, verschränkte seine Finger und wartete hinter der verschlossenen Tür auf den spitzen Schrei, der auch unmittelbar kurz darauf folgte um sich dann zufrieden wieder an die Arbeit zu machen.
 

++++
 

Wächterhaus,

selbe Zeit

Küche hinter dem Konferenzraum

Giles stand in der kleinen Küche des Konferenzraumes und überbrühte drei Teebeutel, als er hinter sich Schritte hörte. Er musste sich nicht erst herumdrehen, um zu wissen, dass es Buffy war.
 

Sie stand unentschlossen im Türrahmen und starrte Giles Rücken an, ehe sie sich vergewisserte, dass Dawn mit ein paar Büchern beschäftigt war und sie nicht hören konnte. Erst dann trat sie ein und ließ den Vorhang, der als Tür diente zurückfallen. Buffy wusste nicht genau wie sie das Gespräch beginnen sollte, zudem Willow sie gedrängt hatte und das sie im Nachhinein wirklich für notwendig hielt.
 

„Buffy? Kann ich dir irgendwie helfen?“
 

Giles Worte kamen so unerwartet gelegen, dass Buffy erleichtert seufzte und etwas mutiger neben ihn an die Küchenzeile trat. „Nicht wirklich, Giles. Aber ich .. ich muss Sie etwas fragen.“
 

Als sie nicht weitersprach, hielt Giles ihr eine Tasse entgegen, die sie ergriff, aber ihr fehlten noch immer die richtigen Worte. Wenigstens waren jetzt ihre Hände beschäftigt.
 

„Frag ruhig,“ ermutigte sie Giles und griff nach den beiden anderen Tassen.
 

„Ich habe von Faith gehört, dass Sie und Lily sich über die Prüfung... also DIE Prüfung unterhalten haben und...“
 

„Ich verstehe,“ sagte Giles sanft. „Du machst dir darüber Sorgen?“
 

Buffy nickte ernst und sah zur Seite. Sie wusste nicht wieso sie in diesem Moment nicht den Mut hatte in Giles Gesicht zu blicken.
 

„Aber die musst du dir nicht machen, Buffy. Willow hat gestern, nachdem ihr gegangen seid, mit mir ein Gespräch gesucht. Sie erwähnte bereits deine Sorgen.“
 

Giles stellte seine Tasse zur Seite, legte sanft seine Hand auf Buffys Schulter und fuhr sanft, aber ernst fort. „Buffy!“
 

Ihr fiel es schwer zu ihm aufzusehen ohne an all die Differenzen der letzten Wochen und Monate zurück zudenken, aber im Moment war es fast so, als wäre nie etwas passiert, als würden sie noch immer das unbefleckte, freundschaftliche Verhältnis haben, dass zwischen Vater und Tochter bestehen mochte – und alles nur weil Giles Geste so vertraut beruhigend war. „Du weißt selbst am besten, was uns beide mit dieser Prüfung verbindet. Zerstörtes Vertrauen, Enttäuschungen, Verlust... für beide von uns. Ich werde alles dafür tun, um die anderen Wächter davon zu überzeugen, dass wir eine Prüfung nicht mehr brauchen werden. Nicht nachdem, was wir von der letzten Hüterin erfahren haben oder du von den Schattenmännern. Wenn wir Wächter nichts anderes sind, als eine Vereinigung von besserwisserischen Schwächlingen, die ihre Jägerinnen mit solchen verachtenden Methoden einschüchtern müssen, um sie zu unterdrücken und um sie besser kontrollieren zu können, dann sollte es einen Rat in dieser Form am besten nicht mehr geben.“ Er ließ Buffys Schulter los und nahm die Tassen wieder auf.
 

Für einem Moment sahen sich die beiden an und es schien, als würden sie tatsächlich verstehen, um was es dem jeweils anderen bei diesem Thema ging, doch als draußen Willows Stimme ertönte, war der Augenblick so schnell vorüber, wie er gekommen war.
 

Giles senkte seinen Blick, räusperte sich verlegen und ging nach draußen.
 

Buffy blieb noch einen Moment und starrte den sich bewegenden Vorhang an. Giles Worte hatten so gut getan und sie klangen auch so plausibel, aber Giles alleine würde sicher nichts ausrichten können, wenn Leute wie Lily offensichtlich dafür waren. Und im Grunde hatte das Gespräch eben nichts gebracht, genau so wie sie es Willow vorhergesagt hatte. Giles hatte nur versucht mit seiner ruhigen Art das Thema zu den Akten zu legen. Sie hatte nicht die leiseste Chance gehabt auf Lily zu sprechen zu kommen. Ein finsterer Ausdruck schlich sich kurz auf das Gesicht der Jägerin, ehe sie versuchte zu lächeln, als sie Giles folgte.
 

++++
 

Ratsgebäude, Konferenzraum,

eine Sekunde später

“...und das Kratzen war so deutlich zu hören, dass ich wirklich glaubte, der Einbrecher steht gleich neben mir,“ Willow wirkte nervös und aufgebracht. Buffy vergaß sofort ihre noch immer existierenden Schwierigkeiten mit Giles und eilte zu ihrer Freundin.
 

„Was ist denn passiert?“
 

„Jemand wollte bei Willow einbrechen,“ kam Dawn der Hexe zuvor.
 

„In ein Studentenzimmer?“ Buffy sah ihre Freundin irritiert an.
 

„Oh, je nachdem wer der Einbrecher war.. ich habe vieles, was für jemanden interessant sein könnte. Zauberbücher, seltene Zutaten...“
 

„Und hast du gesehen wer es war?“ Fragte Giles besorgt.
 

„Nein, leider nicht. Ich war so aufgeschreckt, aber ich hatte noch so viel Verstand sofort einen Schutzzauber um mein Zimmer zu legen. Allerdings...,“ kam sie den enttäuschten Gesichtern ihrer Freunde zuvor, „weiß ich, was der Dieb gesucht hat. Dank ein wenig angewandter Magie. Er war hinter den Münzen her, die D’Hoffryn verloren oder mit Absicht hier gelassen hatte. Ihr wisst schon? Die, mit denen er mich möglicherweise in der Kuppel gefangen gehalten hatte?“ Alle nickten kurz und Willow fuhr fort. „Oh und dann war da diese Krähe, die ich von meinem Fensterbrett verscheuchen musste. Sie hat mir irgendwie Angst gemacht,“ gab Willow kleinlaut zu.
 

„Merkwürdig,“ überlegte Buffy. „Irgendwie passen die Vorkommnisse alle nicht so zusammen. Ein Geisterschiff auf dem See, eine durchgeknallte Jägerin in LA, Giles hat etwas über Monster herausgefunden, die im See leben und wohl Dämonen sind, bei dir will jemand die Münzen klauen...“
 

„Ja ich weiß, alles sehr verwirrend,“ und damit bezog sich Willow auch auf Buffys Worte. Welche Monster im See?
 

Doch bevor sie ihre Frage laut aussprechen konnte schrillte das Telefon. Giles runzelte die Stirn, als er den Hörer vom Tisch nahm und sich meldete. "Ah, Mr. Baldwin. Wie schön, dass Sie auch noch am Leben sind, wir haben bereits daran gezweifelt. -- Nein, vielen Dank. Wir haben bereits zwölf Jägerinnen von zuverlässigen Wächtern, die sich der Sache annehmen. Schönen Tag noch!" Er knallte das Telefon geradezu auf die Aufladestation zurück und seufzte.
 

"Zwölf Jägerinnen?" fragte Willow und zog die Augenbrauen hoch.
 

"Sie hätten ruhig vierzehn draus machen können," grinste Buffy.
 

"Um auf den See zurückzukommen," nahm Willow das Gespräch wieder auf. "Ich habe vielleicht noch etwas, das uns wirklich weiterhilft. Ich habe heute Morgen ein wenig im Netz herumgespielt und mich dabei zufällig in die Polizeiakten Clevelands gehackt – es gibt zahlreiche Vermisstenanzeigen, die nach hiesigen Fischern suchen, die von der Arbeit nicht mehr zurückkamen. Ungefähr jedes halbes Jahr verschwinden ein paar auf offener See. Nicht ihre Boote. Die findet man immer wieder. Nur nicht ihre Leichen. Die Polizei scheint vor einem Rätsel zu stehen. Bis auf einen Fall, da wurde der Besitzer tatsächlich von seinem Partner ermordet.“
 

„Das klingt nach einer Spur,“ bestätigte Giles. „Buffy, du solltest vielleicht sofort mit Faith zu dem Geisterschiff aufbrechen.“
 

„Hörte ich da gerade meinen Namen?“ Faith kam durch die Hintertüre herein und warf sich das Handtuch über die Schulter, mit dem sie sich gerade noch das rote, feuchte Gesicht abgewischt hatte. Draußen war es zwar eiskalt geworden, aber Robin verstand es noch immer ihr und den anderen beiden beim morgendlichen Joggen einzuheizen.
 

„Ich kann nicht,“ sagte Buffy langsam. „Ich,... i-ich habe ein Vorstellungsgespräch.“, sie sah dabei Giles nicht an.
 

„Das ist großartig, Buffy“, sagte Giles mit ehrlicher Freude, doch da er nicht weiter darauf einging und sich gleich an Faith wandte, zeigte Buffy deutlich, dass er noch immer nicht wirklich verstand, wieso sie sein Angebot nicht annahm. „Dann musst du alleine gehen, oder du nimmst dir Ronah oder Vi mit.“
 

„Die beiden unterziehen sich einem Spezialtraining von Robin,“ grinste Faith.
 

„Und ich habe gleich eine wichtige Vorlesung,“ baute Willow vor. „Und ich schätze Xander ist schon bei der Arbeit.“
 

„Ich könnte mitgehen?“ Bot sich Dawn an und verfluchte sich in Gedanken dafür, dass sie noch immer nicht den Mut hatte, ihren Freunden zu sagen, was sie war. Sicher würde Buffy und Giles gleich davon anfangen, dass sie keine Jägerin war und keine besonderen Kräfte besaß...
 

„Du hast unterricht,“ ermahnte Buffy. „Zudem ist das Schiff ne Jägerin-Sache.“
 

„Genau,“ bekräftigte Faith. „Ich schaffe das schon alleine.“
 

Dawn verzog das Gesicht, aber da sie Giles versprochen hatte mit Mara, Sam und Josh über die Legende mit dem Monster zu reden, ließ sie sich auf keine Diskussion ein, schnappte ihre Schultasche und trottete den anderen nach.
 

++++
 

Universität,

Mittag

Willows Zimmer

„Komm rein,“ Willow schloss ihre Tür hinter Buffy und wies mit der freien Hand zum rechten Fenster. „Wenn du nachsehen möchtest.. dort saß die Krähe...Und? Wie war dein Vorstellungsgespräch?“
 

Buffy ließ ihre Tasche auf den Boden gleiten und ging zu dem gezeigten Fenster. Dabei zuckte sie mit ihren Schultern. „Nicht so toll. Sagen wir so... beide Seiten waren sich darüber im Klaren, dass wir nicht zueinander passten.“
 

„Wo hattest du dich eigentlich beworben?“ Einmal mehr wurde Willow bewusst, wie wenig sie und Buffy in den letzten Wochen miteinander geredet hatten. Sie wusste nicht wo sich Buffy beworben hatte, noch hatte sie eine Ahnung davon, wofür Buffy sich genau interessierte.
 

So gesehen, waren die Vorwürfe, die ihr Kennedy vor Wochen gemacht hatte, ein reiner Witz gewesen. Sie schien noch weniger Zeit mit ihrer besten Freundin zu verbringen als mit der Frau, die sie liebte. Eigentlich hatte sie nur mehr mit Buffy zu tun, wenn sie über „das Geschäft“ redeten.
 

Willow erschrak für einen Moment, als ihr bewusst wurde, wie sarkastisch das Wort „beste“ in ihrem Kopf wiederhallte. Das war erschreckend. Aber vielleicht etwas, dass einfach eines Tages passieren musste. Sie hatten sich irgendwie auseinandergelebt. Willow hatte in letzter Zeit nie das Bedürfnis verspürt, sich mit Buffy über die Geschehnisse in ihrem Privatleben zu unterhalten. Es war einfach alles soviel anders als früher, als sie noch beide im selben Zimmer oder Haus wohnten.
 

„Ein kleiner, lokaler Fernsehsender.“, Buffy riss Willow aus ihren Gedanken. „Sie suchten jemanden für ihre hauseigenen Stunts. Aber hey.. schau mich an.. wer würde bei meinem Anblick glauben, dass ich es mit jedem zwei Meter Kerl aufnehmen könnte? Sie wollten nicht einmal eine Demonstration meines Könnens. Und ich konnte ja schlecht in die Bewerbung Vampirjägerin schreiben. Aber sie sahen mich in so einem kurzen Rock,“ Buffy hielt ihre Hand knapp über ihre Knie. „Vor ihrer Wetterkarte.“ Buffy klang verbittert.
 

Willow grinste. „Ich verstehe.“
 

„Cleveland ist so groß und bietet doch so wenige Möglichkeiten für mich,“ seufzte Buffy und sah Willow kurz in die Augen. „Nicht einmal als Jägerin. Überall nachts trifft man entweder auf Kennedy, Faith, Vi...und ich als ‚die’ Jägerin bin genauso ein 08/15 Verschnitt geworden, wie ein Massenprodukt von der Stange..“
 

„Hast du dir noch immer nicht klar gemacht, dass du es akzeptieren musst? Du hattest dich schließlich für diese Folgen entschieden...“, antwortete Willow, und ließ dass ganze offen im Raum stehen. Buffy wusste für diesen Moment nicht, was genau sie antworten sollte.
 

„Aber um aufs vorige Thema zurück zu kommen...du könntest noch immer Giles Angebot annehmen...“
 

Buffy fand ihre Worte wieder, hob abwehrend die Hand und Willow verstummte. „Du weißt, ich kann dass Angebot nicht annehmen. Nicht nachdem was war. Und nicht nur wegen den Dingen, die ich dir erzählt habe. Denk doch nur an die Sache mit Spike. Das war das zweite Mal, dass er bereit gewesen war, einen Freund von mir zu opfern. Er ist nicht gerade meine favorisierte Anlaufstelle für Probleme.“
 

Willow schluckte hart und wusste nicht so recht, ob sie sich auf das Gespräch einlassen sollte. Buffy klang sehr verbittert und eigentlich hatten sie schon über einen großen Teil von Buffys Probleme erst letztens gesprochen. Aber schließlich siegte ihr Bewusstsein darüber, dass ihre Freundin ungerechte Vergleiche zog und selbst wenn die angesprochenen Ereignisse eine Ewigkeit her waren, konnte sie Buffys Aussage so nicht stehen lassen.
 

„Aber du kannst doch Spike nicht mit Dawn gleichsetzten. Dawn war unschuldig. Sie konnte nichts für ihr übernatürliches Wesen und sie ist – deine Schwester. Da hattest du schon recht, dass du Giles in seine Schranken verwiest. Aber, aber Spike.. nun ja auch mit Chip oder ohne Chip... es war nicht leicht ihm zu vertrauen.“
 

„Das musst du mir nicht sagen...“
 

„Offensichtlich schon, wenn du noch immer nicht verstehst, wieso Giles so gehandelt hat, wie er es eben getan hatte.“
 

„Es war Spike, der uns alle gerettet hat. Das sollte niemand so schnell vergessen. Er hat sich geopfert, damit wir entkommen konnten und das Urböse mit seinen Übervampiren nicht die Herrschaft über die Welt bekam. Hätte ich zugelassen, dass Giles aus reinem Misstrauen Spike tötete, wäre die Geschichte vielleicht nicht so ausgegangen. Du säßt nicht hier und könntest zu ende studieren und Giles könnte sich nicht ins Rampenlicht mit seinem Rat rücken.“
 

„Das sind harte Worte Buffy...,“ begann Willow zaghaft. „Und dabei scheinst du vergessen zu haben, dass auch Giles bereits die Menschheit und dich und Sunnydale.. alle vor dem Untergang bewahrt hat – vor mir,“ setzte sie flüsternd hinzu. „Wieso versuchst du nicht einfach mit Giles...,“ doch erneut wurde Willow von einer raschen Handbewegung von Buffy unterbrochen.
 

„Ich weiß... aber ich habe mich auf diesen Mann einmal verlassen und ihm dabei mein Leben anvertraut. Er hat mich einmal zu viel... enttäuscht.“, drückte Buffy vorsichtig ihre Gefühle aus. „Und nicht nur er.“ Sie sah dabei Willow nicht an, sondern konzentrierte sich auf die Untersuchung des anderen Fensters.
 

„Ich verstehe genau, was du meinst, aber ich denke wir haben damals alle richtig gehandelt,“ Willow ließ sich auf ihr Bett sinken und beobachtete Buffy. „Wir haben dir genauso alle unser Leben anvertraut, und glücklicherweise ist dass alles noch gut gegangen...bei Giles war es eben anders, ...“, fügte sie flüsternd hinzu. Egal was sie sagen würde, ihre Worte würden nicht mehr soviel zählen wie früher, als beide sich noch blind vertrauten.
 

„Wenn ich das nicht wüsste, wäre ich damals nicht aus dem Haus gegangen oder ich wäre erst gar nicht hier her nach Cleveland gekommen.“, fiel ihr Buffy ins Wort. „Aber es kann mir niemand übel nehmen, dass ich auf das eine oder andere aus der Vergangenheit schlecht zu sprechen bin. Du nimmst Giles wohl nur in Schutz, weil er dir geholfen hat. Der große starke Wächter. Wer weiß, ob dass damals mit dir nicht genauso zu ende gegangen wäre, Xander hätte dich dennoch zu Vernunft bringen können,...“ Buffy drehte sich zu ihrer Freundin herum, und sah ihr durchdringend in die Augen.

Willow zog skeptisch die Augenbrauen in die Höhe. „Willst du einen guten Rat, einer sehr guten Freundin hören?“ Buffy nickte. „Beginne damit, alles zu vergessen oder zu vergeben, bevor andere Menschen, die dir nahe stehen anfangen, dich für deine Fehler verantwortlich zu machen.“
 

Buffys Stirn zog sich in Falten, aber da sie wieder nicht wusste was sie Willow erwidern sollte, holte sie tief Luft, ging zur Tür und sagte kühl: „Ich schau mich mal auf dem Flur um.“
 

++++
 

Highschool,

zur selben Zeit

„Hey Josh... warte mal,“ Dawn lief dem Jungen aus ihrer Vierer-Clique eilig hinterher, der ganz ungewohnt nicht an der Seite von Mara oder Sam anzutreffen war. Er schien Dawn gehört zu haben und drehte sich herum.
 

„Hey Dawn. Was liegt an?“ Ein breites Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
 

„Wo sind die anderen?“, fragte Dawn stattdessen und sah sich überrascht um.
 

„Sam hat nen’Arzttermin und Mara ist im Sportunterricht.. solltest du da nicht auch sein?“
 

„Verdammt!“, Dawn sah auf ihre Uhr. „Ganz recht... ich hab völlig die Zeit vergessen, weil ich nach euch gesucht habe ...“, die ganze Mittagspause war drauf gegangen. Es war ein Jammer, wenn man nicht alle Kurse zusammen belegte, dachte Dawn mürrisch.
 

„Was gibt es denn so wichtiges?“
 

“Erinnerst du dich noch an unsere Bootsfahrt? Kurz vor diesem furchtbaren Halloween 2003? Als ihr mir von diesem Monster im Erie-See erzählt habt?“
 

„Ja, sicher... aber das sind doch nur alberne Spukgeschichten.“
 

„Vielleicht,“ lächelte Dawn unsicher. „Aber mich würde das sehr interessieren, weil ich, nun ehm.. Schulprojekt,“ fiel Dawn rettend ein. „Ich muss meine Geschichtsnote etwas aufbessern und habe mich für ein Referat gemeldet.“
 

„Bei der Cooper? Und da willst du mit alten Spuckgeschichten anfangen? Lass es lieber.“
 

„Ist doch meine Note,“ grinste Dawn. „Also was ist jetzt?“
 

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es gibt mehrere Legenden, die sich um den See ranken. Die eine erzählt eben von diesem Seeungeheuer. Manche bezeichnen es auch als Seeschlange. Aber ich glaube seit fast 200 Jahren hat keiner mehr davon was gehört oder gesehen. Einige der Alten in meinem Viertel behaupten, dass lege daran, dass dieses Wesen unterhalb des Sees eine ruhige Zufluchtsstätte gefunden habe, wo es seine Ruhe vor den Menschen hat. Einige andere, vor allem Fischerleute, erzählen etwas von einem Geisterschiff, das von einem seelenlosen Wesen über den See getrieben wird, auf der Suche nach unschuldigen Menschen, die das Wesen frisst. Offensichtlich hat sich dieses ‚Monster’ einen mutigen Schifffahrer geschnappt und ihn so etwas ähnliches wie versklavt. Na ja, irgendein Seemannsgarn eben. Mit etwas müssen sie ja ihre auf See verschwundenen Leute erklären. Von mehr weiß ich auch nicht.“
 

„Ich glaube du hast mir bereits sehr geholfen,“ sagte Dawn ernst, versuchte dann schnell dankbar zu lächeln und sah erneut zur Uhr. „Wenn ich die Abkürzung über den Hof nehme.. könnte ich es fast noch schaffen....“
 

++++
 

Strand am Erie-See,

selbe Zeit

Langsam ging Faith den Weg entlang, der sie über den Friedhof Richtung Bootssteg führte, an dem sie mit Buffy das angebliche Geisterschiff befestigt hatten.
 

‚Geisterschiff.. paah’, ging es der Jägerin durch den Kopf, während sie langsam über den Kieselweg des Friedhofs schritt, indem sie letzte Nacht zuerst mit Ronah und Vi trainiert hatte, und dann auf Buffy und Emma getroffen waren. Emma... Faith konnte sich ein kurzes Lächeln nicht verkneifen. Vielleicht machte Buffy das ja nicht mit Absicht, oder es könnte auch sein, dass es sich einfach durch eine blöde Situation so ergeben hatte.. oder vielleicht hat es Buffy einfach nicht sehen können, wie Faith zwei jüngere Jägerinnen ausbildet, und sie selbst nicht.
 

Faith schüttelte kurz den Kopf, um sich die Gedanken wieder aus dem Kopf zu streichen. Was war eigentlich mit ihr los? Warum wurde sie in Buffys Nähe immer so schnell aggressiv? Wieso sah sie Aggressoren hinter jeder Aussage von der blonden Jägerin? Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie dieses Kapitel schon längst abgehakt hatte.
 

„Na ja.. egal..“, sagte sie plötzlich laut, nahm Anlauf, sprang über die Mauer hinweg, und sprintete auf den kleinen Steg zu. Jetzt würde sie dem Gerücht, dass es sich hier um ein Geisterschiff handelte, endgültig den Todesstoß geben. Sicherlich war dieser Typ nur auf offener See von etwas angegriffen worden und.. Faith konnte den Gedanken nicht zu ende spinnen, da sie ihre Sinne auf etwas viel wichtigeres hinwiesen: Das Boot war verschwunden.
 

Bis auf den Rest des Seils, das sie letzte Nacht von einem der anderen Boote gestohlen hatten, um den alten Kutter festzumachen, war kein Anzeichen mehr zu sehen, dass das Boot überhaupt hier gewesen war.
 

„Hmm.. vielleicht sollte ich meine Zweifel doch beiseite legen..“, murmelte Faith, sah sich noch einmal kurz um, machte dann kehrt, um zu Giles zurückzukehren.
 

++++
 

Universität,

etwas später am Mittag

„Okay, ich hab’ jetzt wirklich alles untersucht,“ Buffy schloss die Tür und prüfte ein letztes Mal das Schloss. Aber es funktionierte einwandfrei. „Und ich finde beim besten Willen keine Spuren eines Einbruches. Du bist dir sicher, dass du das alles nicht nur geträumt hast?“
 

„Also Buffy bitte,“ entrüstete sich Willow gespielt beleidigt. „Ich weiß doch, wann ich schlafe und Reese Witherspoon auf einer blühenden Wiese in Sonnenlicht getaucht mit einem fast durchsichtigen Kleid stehen sehe, oder ob ich hochschrecke, alles um mich herum dunkel ist und ich in meiner Nähe kratzende Geräusche vernehme.“
 

„Reese Witherspoon?“, fragte Buffy amüsiert und zog eine Augenbraue in die Höhe, bis Willow ihr ein Kissen an den Kopf warf. „Ich warne dich.. ein Wort zu Xander oder Kennedy und du bist einen Kopf kleiner.“
 

Buffy lachte und fühlte sich auf einmal unerwartet gelöst. Der kleine Disput vor ein paar Minuten schien fast vergessen. Auf diese Weise mit ihrer Freundin herumzualbern wäre vor Monaten noch purer Luxus gewesen, doch jetzt war das etwas vollkommen anderes und Buffy wusste, was ihr gefehlt hatte. Auch Willow wirkte für einen Moment gelöst und entspannt, ehe sie wieder besorgt dreinblickte und zum Fenster sah. „Ich denke ich werde es mit Magie versuchen müssen, um die Nacht noch einmal heraufzubeschwören.“
 

„Okay, wenn ich dir irgendwie helfen kann?“ Buffy blickte etwas hilflos um sich und spürte, dass der kurze Moment, der sie an Zeiten erinnert hatte, die längst vergangen waren, vorüber war. Befangenheit machte sich zwischen ihnen breit und Buffy bedauerte ihre Worte von vorhin fast ein wenig.

„Setzt dich einfach auf das Bett und schau mir zu,“ Willow kramte bereits in ihrem Wandschrank nach den notwendigen Zutaten. „Es geht eigentlich ganz schnell. Es ist ein reiner Anfängerzauber. Aber wenn man nicht ganz konzentriert ist, kann es schon sein, dass hinterher alles irgendwie.. na ja, durcheinander kommt.“
 

„Durcheinander?“ Buffy rutschte auf Willows Bett und starte in den Rücken ihrer Freundin.
 

„Einer von uns könnte in der Vergangenheit hängen bleiben...“, Willow richtete sich mit einem Arm voller Kerzen, Tütchen, Schalen und anderem Zauberkram auf.
 

„Oh... dann bitte ich um Konzentration,“ sagte Buffy ernst.
 

„Kein Problem,“ grinste Willow und setzte sich auf den Boden, während ihr die Zutaten aus dem Arm kullerten. „Mist...so natürlich nicht“, sie lächelte verlegen zu Buffy auf und begann dann die Kerzen als ein Kreuz angeordnet aufzustellen. In jede Ecke des Kreuzes klopfte Willow ein Purpur farbiges Pulver auf den Boden, entzündete die Kerzen und schloss die Augen. Sie murmelte etwas, das Buffy nicht verstand, aber auf einmal wurde es um sie herum im Zimmer dunkel, die Kerzen flackerten unruhig und das Pulver begann Purpur zu leuchten. Als Willow ihre Augen öffnete, waren die Pupillen geweitet und das Grün in ihren Augen war schwarz geworden.
 

Die Hexe griff nach der Schale, in der sich etwas befand, in das Willow ihre Finger tauchte und damit in die Luft, über dem Kreuz, Zeichen malte. Wieder folgten Worte und die Dunkelheit nahm zu. Buffy sah besorgt zum Fenster, aber auch davor war es dunkel geworden. Die Kerzen flackerten auf einmal in die Höhe, erzeugten an ihrem höchsten Punkt einen silbernen Blitz, ehe sie mit einem lauten Zischen erloschen. Völlige Dunkelheit suchte sie beide im Zimmer auf.
 

Ein Geräusch neben Buffy ließ die Jägerin aufschrecken. Im Bett hatte sich etwas bewegt. Buffy sprang auf und stieß gegen Willow am Boden. Offensichtlich hatte der Zauber funktioniert und Buffy sah die schlafende Willow im Bett. Sie wälzte sich unruhig hin und her, während leise Geräusche, einem Kratzen ähnlich, Buffys Blick auf das Fenster lenkte. Davor saß etwas -- Buffy ging näher heran: eine Krähe, die mit ihrem Schnabel gegen das Fenster schlug? Sie spähte hinaus. Die Krähe war ganz damit beschäftigt mit ihrem Schnabel das Holz zwischen dem Schiebefenster und der Bank wegzukratzen. Was hatte sie damit vor? Wollte sie das Fenster aufhebeln? Blödsinn, schüttelte Buffy über ihre Vorstellung den Kopf. Das hier war ein harmloses Tier. Vielleicht durch irgendetwas aufgeschreckt. Aber die Geräusche, die Willow gehört hatte, waren somit schon einmal geklärt.
 

Plötzlich wurde es schlagartig wieder Tag und Buffy war mit Willow alleine im Zimmer. Die Hexe stand vorsichtige vom Boden auf und schwankte einen Moment. Sie hatte sich aber sofort wieder gefangen, bevor Buffy zugreifen konnte. „Und... was hast du gesehen?“, fragte die Hexe neugierig.
 

„Du hast nichts gesehen?“
 

„Ich musste mich doch konzentrieren...,“ grinste Willow schelmisch.
 

“Ach so ja. Also da war eine Krähe,“ Buffy deutete auf das Fenster. „Sonst nichts.“
 

„Sonst nichts?“ Willow sah Buffy bestürzt an. „Aber ich war mir felsenfest sicher, dass jemand gestern Nacht versucht hatte, in mein Zimmer zu kommen und ich fühlte mich beobachtet und wie hätte sonst der Zauber mir zeigen können, was derjenige gesucht hat...“
 

Buffy war inzwischen zum Fenster gegangen und hatte es geöffnet. Ihr Blick fiel auf eine zwei Finger breite Rille. „Hm... es mag vielleicht nur ein Vogel gewesen sein, aber das hier sieht verdammt aggressiv aus.“ Buffy fühlte die Tiefe der Rille mit ihren Fingern aus. Willow trat neben sie und blickte ebenfalls auf die Fensterbank.
 

„Unheimlich. Der Bote des Todes, das Wahrzeichen der Weisheit wollte bei mir einbrechen?“
 

„Na ich weiß nicht,“ sagte Buffy zögernd. „Eine Krähe als Dieb? Vielleicht war das nur ein Zufall. Ich hätte einen Vorschlag“, die Jägerin machte das Fenster wieder zu und sah ihre Freundin ernst an. „Du gibst mir zur Sicherheit die Münzen mit, falls noch einmal jemand hier danach suchen sollte, wird er sie nicht finden. Ich werde sie bei mir tragen und unter Umständen beschützen. Und während du deine Arbeiten erledigst, werde ich zu Mo’s Bar rausfahren und ihm etwas auf den Zahn fühlen. Vielleicht weiß er etwas über unser Geisterschiff und über – Krähen?“
 

Als Buffy sich von Willow verabschiedete und kurz darauf das Wohnheim verließ, flatterte eine Krähe aus dem Baumwipfel einer Eiche, die vor Willows Fenster wuchs.
 

++++
 

Ratsgebäude,

Nachmittags

“Und das ist alles was mir Josh darüber sagen konnte,“ beendete Dawn ihren Bericht. Giles saß auf seinem Stuhl, die Fingerspitzen gegeneinander gepresst und runzelte die Stirn. „Sie sprechen alle von einer Legende,“ fügte sie noch hastig hinzu. „Weil natürlich niemand an Vampire und Monster glaubt. Oder an seelenlose Wesen.“
 

„Hm,“ Giles nahm die Hände herunter und stand auf. Dawns Informationen über das seelenlose Wesen deckte sich mit seiner neusten Theorie – das etwas mit dem Geisterschiff die Seeleute anlockt und dann verschwinden ließ. Die Frage war nur, was das für ein Wesen war und wieso es so etwas tat. „Ich glaube dein Freund hat uns sehr weitergeholfen. Ich kenne einige Fälle von seelenlosen Wesen, die sich von menschlichen Seelen ernähren, um zu überleben. Andere brauchen Seelen, um menschliche Gestalt annehmen zu können. Es wäre durchaus möglich, dass wir es hier mit etwas ähnlichem zu tun haben. Es würde erklären, wieso so viele Seeleute verschwinden. Übrigens war vorhin Faith hier. Das Boot ist nicht mehr dort, wo sie es gestern Nacht zurückgelassen haben.“ Giles Gesicht spiegelte seine Sorgen wieder. „Ich glaube nicht, dass dieser Fall so harmlos ist, wie Faith oder Buffy annehmen.“
 

„Das habe ich nie behauptet,“ kam es von der Hintertür, in der Faith stand und grinste. Giles zuckte heftig zusammen und strafte Faith mit einem langen, ernsten Blick.
 

„Du solltest dir das Klopfen angewöhnen,“ Giles lächelte schwach und ließ seine Hände in die Hosentaschen verschwinden.
 

„Oder mir das Schleichen abgewöhnen,“ erwiderte Faith lässig. „Ich will heute Nacht noch einmal los und das Schiff suchen gehen. Es kann ja nicht verschwunden sein. Und wenn wirklich etwas Seelen jagt, wird es bestimmt noch unterwegs sein, um seinen Hunger zu stillen.“
 

„Du solltest jemanden mitnehmen,“ schlug Giles vor.
 

„Mich zum Beispiel,“ meinte Dawn enthusiastisch. „Immerhin konnte ich uns mit den richtigen Informationen etwas weiterbringen.“
 

„Dawn.. nimm es mir nicht übel, aber du bist ein Teeny ohne Superkräfte...Schwester der Jägerin hin oder her.. es ist besser, wenn du nach Hause gehst, deine Hausaufgaben machst und die Sache mir überlässt.“ Dawn zog ein langes Gesicht und wollte auffahren, doch Faith kam ihr zuvor. „Zudem.. was würde Buffy sagen, wenn sie erfährt, dass ich ihre kleine Schwester auf eine gefährliche Jagd mitgenommen habe?“

„Gar nichts wird sie sagen,“ fuhr Dawn trotzig auf. „Sie ist mit Willow und diesen Münzen beschäftigt. Sie würde es gar nicht mitbekommen.“
 

„Faith hat recht,“ mischte sich nun auch Giles ein und das verbesserte nicht gerade Dawns Laune. „So lange wir nicht hundertprozentig wissen, mit was wir es zu tun haben und wie wir es bezwingen, hältst du dich fern.“
 

Darauf konnte Dawn schlecht etwas erwidern, zumindest nichts, was nicht einen Streit ausgelöst hätte und anders als Buffy sah sie Giles nach wie vor als eine gewisse Autoritätsperson. Also schluckte sie ihre Worte hinunter und funkelte die beiden wütend an, während sie besprachen, wie Faith in der Nacht vorgehen sollte.
 

++++
 

Erie-See,

später Abend

Die Sonne war gerade dabei ihre kontinuierliche Reise hinter den Horizont anzutreten, als Faith sich wieder auf den Weg zum Erie-See machte. Sie hatte sich zum Laufen umgezogen und entschied sich für eine wärmere Jacke darüber. Draußen sah es viel zu sehr nach neuem Schnee aus. Zum Schluss steckte sich Faith noch eine Wasserflasche in die linke, hintere Tasche, und einen Pflock und eine Taschenlampe in die rechte. Mit einer raschen Bewegung strich sie sich ihre Haare aus dem Gesicht und sah kurz in den Spiegel, der neben der Kommode angebracht war. Sie betrachtete sich kurz selbst und stellte zufrieden fest, dass sie sich in Cleveland wieder etwas von den Strapazen während dem Außeneinsatz im Bus erholte.
 

Die dunkelhaarige Jägerin nickte kurz, griff dann doch nach dem Messer, welches zu ihrer rechten lag, und versteckte es in einem kleinen Halfter, den sie sich um ihren Knöchel gebunden hatte, und der von der Hose verdeckt wurde. Faith musste kurz schmunzeln, als sie an ihren letzten Geburtstag dachte, an dem ihr Ronah und Vi den Halfter geschenkt hatten. Diese Party war die erste schöne Feier, die seit Jahren, nein, sogar jemals für sie gegeben wurde.
 

Und nebenbei hatte sich die Jägerin jetzt ganz nach Giles Rat mit Waffen eingedeckt. Sie hielt diese Vorsichtsmaßnahme noch immer für überflüssig, aber gab dem Wächter insgeheim recht – sie wussten nicht, mit was sie es zu tun hatten... Vorsicht walten zu lassen, war nie verkehrt.
 

Langsam richtete sie sich wieder auf, ließ ihre Gedanken dabei aber schweifen. Trotz den großen Anstrengungen, und den vielen Kämpfen, den Verletzungen, der starken Arbeit und den kleinen Streits, die es ab und zu gab, waren es doch die schönsten Monate gewesen, die Faith seit langem erlebt hatte. Sie hatte ihre Familie gefunden, ihre eigenen Scoobies. Lange hatte sie sich nach Buffys Freunden gesehnt, doch jetzt hatte sie ihre eigenen. Nun hatte sie ihren Wächter, ihren Liebhaber und ihre zwei Kampfgefährtinnen, die zu ihr aufsahen, und sie bewunderten. Sie hatte es geschafft, sie war an ihrem Ziel angekommen.. oder doch nicht?
 

Warum fühlte sie noch immer eine so starke Leere in sich? Warum war sie von Zeit zu Zeit noch immer von so starker Angst besessen? Faith schüttelte den Kopf, strich sich noch einmal die Haare aus dem Gesicht, und verließ dann das Wächterhaus.
 

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Eine schmale Gestalt schlich leise hinter der im Schatten liegenden Ecke hervor und sah der dunkelhaarigen Jägerin nach.
 

“Okay... so schnell wirst du mich nicht los,“ flüsterte die Person sah sich noch ein weiteres Mal um, und rannte mit Abstand der Jägerin hinterher.
 

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Vor kurzem hatte Faith wieder damit angefangen, regelmäßig zu laufen, und daher verband sie die Suche nach dem Schiff gleich mit einer Trainingseinheit.
 

Es war befreiend für sie, einen Schritt nach dem anderen auf die Straße zu setzen, und dabei die Welt an sich vorbei ziehen zu sehen. Sie konnte dabei ihre Gedanken fassen, die oft viel zu schnell und viel zu unkontrolliert durch ihren Kopf schossen.
 

Während Faith in einem unbeschreibbaren Tempo auf den Erie-See zulief, und dabei nicht bemerkte, dass ihr jemand folgte, dachte sie plötzlich an Silent Hill und die zwei Zauberer. Sie hatten sie nicht getötet, und auch nicht gestoppt. Was, wenn sie weiter hilflose Jägerinnen oder normale Menschen in ihre kranken Spielchen sperrten, und dabei töteten? Sollte sie nicht schleunigst mit Giles und Lily über die Beiden reden? Und was war mit der Vision? Dem Buch, das sie für Giles geholt hatten?
 

Faith machte sich eine gedankliche Notiz, dass sie unbedingt mit jemandem darüber reden müsste, sobald der ganze Mist mit dem Geisterschiff und der Reifeprüfung vorbei war.
 

Die ersten Schweißperlen erschienen auf ihrer Stirn, als die Jägerin in eine Straße einbog, von der sie schon direkt auf den See sehen konnte. Die dunkelrote Sonne spiegelte sich auf der ruhigen Wasseroberfläche, und der orange Himmel erinnerte Faith an irgendeinen Tom Cruise Film, den sie in den letzten Tagen im Fernsehen gesehen hatte.
 

Sie griff kurz nach der Wasserflasche, trank einen Schluck, und bewunderte dabei die Häuser, die die Straße säumten. Es waren große, luxuriöse Häuser, fast Villen, die schon fast mit arroganter Stimme zu ihr sagten „Verschwinde, du Taugenichts. In so einem Haus wirst du in deinem kurzen Leben sowieso nie leben!“.. und Faith tat es fast ein bisschen leid, die Schule nicht abgeschlossen zu haben. Aber was hätte das schon gebracht? Eine weitere Jägerin mit High School Abschluss .. und man sah ja bei Buffy, dass der auch nicht wirklich was brachte.
 

Faith kam genau in dem Moment am Erie-See an, als sich die letzten Strahlen der Sonne dagegen wehrten, zu verschwinden, und kurz danach erhellten nur mehr die künstlichen Lichter der Stadt die Umgebung. Wind kam auf....
 

Sie nahm noch einen kurzen Schluck aus der Wasserflasche, machte sich denn bereit und betrat schließlich erneut die Steganlage, an der sie das Boot in der letzten Nacht festgebunden hatten. Der Wind wurde stärker und Faith bemerkte nicht, wie sie von einer Person beobachtet wurde, die gerade angekommen war, und sich hinter einem der dicken Baumstämme versteckte.
 

Nachdem die Jägerin noch einmal frustriert feststellen musste, dass sich das Schiff wirklich in Luft aufgelöst zu haben schien, sprang sie über eine Absperrung eines mehr oder weniger großen Fischerschiffes und kletterte auf den höchsten Punkt, den sie finden konnte. Sie ließ ihren Blick zuerst über die Schiffe gleiten, die an dem Steg angelegt hatten, und starrte dann in die tiefe Dunkelheit.
 

„Na toll.. wie intelligent. Natürlich hab ich nicht bedacht, dass ein Geisterschiff nicht ein hellrot leuchtendes Schiff mit der Aufschrift „HIER BIN ICH, FANG MICH, WENN DU KANNST“ tragen würde.“ Frustriert holte sie die Taschenlampe aus ihrer Tasche, sprang dabei wieder vom Schiff und begab sich vom Steg wieder auf festen Boden.
 

„Na gut, dann versuchen wir die längere und anstrengendere Methode..“, flüsterte die Jägerin, machte sich auf den Weg, den See zu umrunden, und richtete dabei den Lichtstrahl auf den dunklen See. Es herrschte eine Totenstille, die nur durch das Rauschen des Windes gestört wurde. Faith wunderte, dass man den Lärm der Stadt hier gar nicht hörte, doch sie wurde plötzlich abgelenkt, als etwas hinter ihr laut knackte. Faith sah sich kurz vor ihr um, sah einen dicken Baumstamm und lief dahinter. Dort angekommen, blieb sie sofort stehen, machte sie Taschenlampe aus, und holte das Messer aus dem Halfter.
 

Sie versuchte, so leise wie möglich zu atmen, als sie Schritte hörte, die sich ihrer Position gefährlich näherten, und immer langsamer wurden. Faith schloss kurz die Augen, und stärkte ihre Sinne, während sie mit ihrem linken Zeigefinger überprüfte, ob die Klinge auch wirklich geschliffen war. Im nächsten Moment trat etwas hinter dem Baum hervor, Faith zögerte keine Minute, und rammte der Gestalt ihre Faust in den Magen, und danach ins Gesicht. Ein schriller Schrei durchschnitt die Nacht, und die Person stürzte schreiend zu Boden. Faith, die bemerkte, dass es sich offensichtlich nicht um einen Dämon handelte, steckte in Sekundenschnelle das Messer weg, warf sich jedoch auf die am Boden liegende Person.
 

Nur Zentimeter trennten das Gesicht von der Jägerin und das der Gestalt. Fünf Sekunden atmeten die beiden nur heftig, und starrten sich ungläubig in die Augen. Dann stieß sich Faith ab, und sprang auf.
 

„Du? Verdammt, was machst du hier? Bist du Lebensmüde? Ich hätte dich umbringen können, du ungehorsame Göre!“ schrie Faith, und streckte Dawn ihre Hand entgegen, um ihr auf zu helfen.
 

„Ich.. ich. .ähm.. ich dachte ich könnte dir irgendwie behilflich sein. Ich hatte echt nicht vor, dich irgendwie zu.. erschrecken.“ Antwortete Dawn, griff nach Faith’s Hand und zog sich, für Faith überraschend kraftvoll, in die Höhe.
 

„Du hast mich nicht.. erschreckt..“, log Faith und suchte kurz nach Worten. Was sollte sie jetzt nur machen? Sie war hier um ein Geisterschiff zu suchen, und nun hatte sie dieses Anhängsel von Buffy hier, dass ihr schon damals vor fünf Jahren so auf die Nerven gegangen war. Obwohl.. halt.. Dawn existierte damals ja eigentlich noch gar nicht.. oder doch? Faith hatte die ganze Geschichte nicht ganz begriffen, aber das war ja eigentlich auch ziemlich egal.
 

„Wie sollst du mir denn helfen können?“, fragte Faith, und hasste sich schon eine Sekunde später für diese Frage. Natürlich würde Dawn darauf eine Antwort wissen, sonst wäre sie ihr doch gar nicht gefolgt. Sie hätte ihr keine Frage stellen sollen, sie hätte sie einfach nach Hause schicken können.. VERDAMMT.
 

„Ich glaube ich hab das Schiff schon gefunden, nachdem du suchst!“ antwortete Dawn, und reagierte auf Faiths fragendes Gesicht mit einem Nicken in die Dunkelheit. “Na.. da hinten, siehst du es nicht?“ fragte Dawn noch einmal und ging dabei etwas näher auf das Wasser zu. „Es treibt dort am Ufer!“
 

Faith konnte zuerst ihren Augen nicht glauben, denn an dieser Stelle war sie noch vor wenigen Minuten vorbei gekommen. Doch jetzt stand dort das Schiff am Ufer, und wankte seelenruhig im seichten Wasser.
 

Eine mysteriöse Aura schien das Schiff zu umgeben, denn um so näher die beiden Jägerinnen dem Schiff kamen, desto leiser wurde es. Sogar das Geräusch des Windes schien sich von dem Schiff fern zu halten. Das war Faith in der vorherigen Nacht überhaupt nicht aufgefallen. Aber vielleicht waren Buffy und sie nur zu sehr auf die Rettung der anderen Boote konzentriert gewesen, oder diese Aura war gar nicht da gewesen.
 

„Okay... ich schätze dich nachhause zu schicken macht keinen Sinn. Aber du hältst dich dicht hinter mir, machst mir keinen Ärger und tust was ich sage. Klar?“
 

„Klar,“ bestätigte Dawn tot ernst und grinste dann erleichtert, als ihr Faith den Rücken zuwandte. Die ältere Jägerin watete bereits durch das Wasser und Dawn folgte ihr.
 

Ihnen ging das Wasser fast bis zur Brust als sie den Fischkutter endlich erreichten. Eine alte, morsche Leiter an der Seite war ihre einzige Möglichkeit, um an Deck zu kommen. Faith musste ein Stück weit in die Höhe aus dem Wasser springen, um die untere Sprosse zum fassen zu bekommen. Als sie sich daran hochgezogen hatte und über die Reling kullerte, half sie Dawn nach oben aus dem Wasser. Keiner der beiden bemerkte, dass in dem Moment, als sie sich beide an Deck befanden, ein erfreutes und zufriedenes Stöhnen durch den Bauch des Schiffes wanderte.
 

Langsam bewegte sich das alte Schiff vom Ufer weg, als Faith und Dawn ihre Blicke über die alten Holzplanken und zerrissenen Fischernetze gleiten ließen.
 

„Denkst du, dass das hier das richtige ist?“ fragte Dawn und sah Faith dabei unsicher an. Auch die schwarzhaarige Jägerin bekam ein mulmiges Gefühl im Magen, dessen Ursprung ihr jedoch nicht wirklich klar war.
 

„Hmm.. na ja, du bist hier das Gehirn unserer Operation. Es ist das Schiff, dass B. und ich gefunden haben. Es ist mir unerklärlich, wie es sich losreißen konnte, aber ob es wirklich ein Geisterschiff ist, bezweifle ich noch immer..“, murmelte Faith und trat dabei auf den morschen Mast zu.
 

„Ähm.. Faith, ich will ja nicht nerven.. aber.. wir bewegen uns vom Ufer weg!“ schrie Dawn hysterisch und lief dabei an die alte Holzreling.
 

Auch die ältere Jägerin drehte sich überrascht um, nur um festzustellen, dass B’s Schwester absolut recht hatte. In diesem Moment durchbrach plötzlich ein lautes Lachen die Stille der Nacht, und dicke, dunkle Nebenschwaden bildeten sich rund um das große Fischerboot. Dawn ließ einen lauten Schrei durch die Nacht gleiten, als sie von etwas gepackt wurde, und eine Ebene höher, auf das Dach der Führerkabine, geworfen wurde. Hart schlug sie auf dem morschen Dach auf.
 

Faith fasste nach dem Pflock, stellte sich in Kampfstellung und durchforstete die Nebelschwaden nach einem sichtbaren Gegner, während sich Dawn vorsichtig zurück auf die Planken neben Faith gleiten ließ.
 

Im nächsten Moment erschien 30 Zentimeter vor Faiths Gesicht eine grässliche Fratze, die halb durchsichtig und von grünem Schleim bedeckt war. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, erfasste das geistähnliche Ding ihre Arme, schrie kurz auf und schleuderte sie über das halbe Deck.
 


 

4. AKT
 

Hafen,

Black Pearl

In der Schiffsbar war es rauchig und es ging laut zu. Buffy hatte mühe, sich an die Bar vorzukämpfen. Sie war schon eine Weile seit dem Vorfall mit dem Virus nicht mehr hier gewesen. Irgendwie war ihr der Zwischenfall mit Faith peinlich und das Abkommen mit Mo erschien ihr auf eine recht merkwürdige Art irreal. Hatten sie tatsächlich einem Dämon, nur weil er Freunde und Familie besaß, Beistand zugesagt? Es schien ganz so zu sein und Buffy bezweifelte nicht, dass Mo, sollte der Zeitpunkt kommen, auf dieses Versprechen zurückgreifen würde. Ganz glücklich war Buffy über diesen Umstand nicht mehr, auch wenn er ihnen zu wichtigen Informationen verholfen hatte.
 

Ihre Augen schweiften auf der Suche nach Mo über die Tische. Der starke Besucherandrang lag sicher nicht alleine an Mos süßen, kleinen Cocktails oder an seiner Neigung ständig neue Rezepte auszuprobieren.
 

„Oh, die kleine Jägerin,“ Buffy fuhr herum und sah sich Mos Bauch gegenüber. Offensichtlich hatte er sie bereits entdeckt.
 

„Hey Mo.. trifft sich gut...“, Buffy sah rasch über die Schulter, um sicher zu gehen, dass niemand ungebetenes zuhörte und musste husten, als ihr ein Dämon an der Bar den Rauch seiner Zigarre ins Gesicht blies. „Hast du schon einmal etwas von Raucherzonen gehört?“
 

Mo lachte. „Sicher, aber diese Brut hier würde es mir sehr übel nehmen, wenn ich sie zum Rauchen an Deck schicken würde. Nicht gut fürs Geschäft.“ Er sah Buffy abschätzend an und zeigte nach oben. „Ich tippe mal drauf, dass die Unterwelt wieder etwas ans Tageslicht gespuckt hat, das dir und deinen Freunden Sorgen bereitet?“
 

„So in etwa. Können wir reden, ohne das du und ich erst über die Konditionen verhandeln müssen?“
 

„Das ist nicht witzig,“ raunte Mo und sah sich ebenfalls hastig um. „Und es kommt immer darauf an, was du von mir wissen willst. Übrigens wäre es nett, wenn du mal wieder Kenny mitbringen könntest. Hab’ sie lange nicht mehr gesehen. Und sie ist mir sympathischer als die andere. Nicht so.. temperamentvoll.“
 

„Mal sehen. Wie es sich ergibt,“ sagte die Blonde knapp und senkte ihre Stimme. „Kennst du einen Dämon namens D’Hoffryn?“
 

Im Gesicht von Mo zuckte es kurz und er sah sich erneut schnell um, ehe er langsam nickte. „Sicher. Die meisten von uns kennen den Herrscher von Arashmaharr. Macht er etwa Schwierigkeiten?“
 

„Nein. Aber er hat etwas dagelassen, das uns Schwierigkeiten machen könnte. Ich hab’s dabei.. wenn du einen ruhigen Ort hättest...“
 

„Sicher folg mir einfach,“ Mo machte sich platz und führte Buffy nach hinten zu einer schmalen Tür. Buffy drängelte sich an großen, kleinen, und schmalen Dämonen vorbei, die jeder für sich eine schillernde Persönlichkeit waren. Manche davon erkannte Buffy wieder – sie hatte in ihrem Leben in Sunnydale einige davon schon in manchem Kampf getötet. Es war ein wenig befremdend, dass sie hier saßen und mit anderen Dämonen ein Bier tranken, lachten und Karten spielten. Sie schüttelte den Gedanken ab, als Mo die Tür öffnete und sie eintreten ließ.
 

„Mein kleines Büro“, erklärte er fast entschuldigend über den schmalen Raum, mit dem wackligen Tisch darin, den vielen Kartons voller Kassenbelege, wie Buffy mit einem raschen Blick feststellte, und der dicken Staubschicht über allem.
 

Buffy verzog kurz das Gesicht und zog dann die Münzen aus ihrer Tasche hervor. Sie waren in ein rotes Tuch eingeschlagen, das sie vorsichtig öffnete und den Inhalt Mo reichte.
 

„Hm,“ der Dämon nahm ihr die Münzen ab und besah sie sich lang und genau. Schließlich, als Buffy Hoffnung schöpfte, schüttelte er den Kopf. „Tut mir leid. Die habe ich noch nie gesehen.“
 

„Schade...offensichtlich war eine Krähe hinterher.“
 

„Eine Krä... was?“ Mo sah die Jägerin amüsiert an. „Also nein.. davon hab ich jetzt wirklich noch nichts gehört.“
 

„Auch nicht von einem Dämon, der die Gestalt einer Krähe annehmen kann?“
 

„Nein,“ er zuckte ratlos die Schultern, während Buffy die Münzen wieder einsteckte. „Aber es gab da mal eine interessante Serie. In ihr konnte ein Untoter die Gestalt einer Krähe annehmen....“
 

„Ich glaube das hilft mir nicht wirklich weiter.“ Sie hatte nur noch eine Frage und inständig hoffte sie, dass Mo wenigstens darauf etwas zu sagen wusste, ohne wie Andrew zu klingen. „Es gibt noch etwas, das uns Sorgen bereitet. Ein Geisterschiff auf dem Erie-See... schon einmal etwas davon gehört?“
 

„Oh... ja,“ sagte Mo erleichtert, fast als wäre er froh eine Frage von Buffy endlich beantworten zu können. „Hier auf dem Erie existiert wirklich so etwas. Ein seelenfressender Dämon, der ständig Nahrung braucht. Er bedient sich ungehindert bei den Fischern. Hässliche Sache. Vor etwa 250 Jahren ist das Wesen hier aufgetaucht, hat sich einen Fischer geangelt,“ Mo lachte über seinen eigenen Scherz, ehe er bemerkte, dass die Jägerin ihn nicht so amüsant fand und fuhr wieder ernster fort. „Vielleicht war’s auch ein Schiffbrüchiger, so genau weiß das keiner mehr. Jedenfalls hat das Wesen ihm die Seele geraubt und benutzt ihn, um immer dann, wenn er Nahrung braucht, andere Fischer an Bord zu locken. Aber frag mich nicht, was er mit den Seelenlosen macht. Es gibt ein Gerücht, nach dem seinem ersten Opfer die Freiheit versprochen wurde, wenn er für das Wesen, ein neues Opfer findet. Aber das war natürlich eine Lüge,“ Mo kratzte sich über der rechten Augenbraue. „Das Ding oder was auch immer es ist, kann nämlich nur alle 250 Jahre feste Konturen annehmen um sich einen neuen Wirt zu suchen. Der Kerl wird noch ein paar Jährchen Sklave spielen müssen.“
 

„Du weiß nicht zufällig, wie wir es aufhalten könnten?“, fragte Buffy nach einem Moment des Schweigens, um die Informationen zu sortieren. Mo wusste ziemlich gut Bescheid. Zu gut für ihren Geschmack.
 

“Ich wüsste nicht einmal, wie ihr es finden könntet. Mir ist es noch nie begegnet.“ Seine Augenbrauen zuckten nervös bei den letzten Worten und Buffy tat so, als wäre es ihr nicht weiter aufgefallen, als sie sich zur Tür wandte. „Dann müssen wir mit den Informationen versuchen, es selbst herauszufinden.“
 

++++
 

Geisterschiff,

zur selben Zeit

Faith schlug hart mit dem Kopf auf dem kalten und feuchten Boden auf, als sie plötzlich einen weiteren Schrei von Dawn vernahm. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, riss sie eine der losen Planken aus dem Boden, sprang auf und sah sich suchend auf dem Deck um.

Ihr gegenüber, genau neben der Tür zum unteren Bereich des Schiffes befand sich Dawn, und wich dem Wesen mehr oder weniger Geschickt aus.
 

„Dawn, verschwinde! Geh in die Kabine! Los!“ schrie die dunkelhaarige Jägerin und nahm Anlauf. Dawn sah sie kurz an, schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber doch anders, wich einem weiteren Schlag des Nebelwesens aus, und riss die Tür auf.
 

Faith schlug mit der Latte gegen den Geist, war überrascht, wie spielend leicht die Planke durch das Wesen glitt, ohne es zu verletzten, stieß Dawn mit der anderen Hand in die Kabine und schrie ihr noch ein „Warte hier, bis ich fertig bin“ nach, bevor sie die schwere Holztür wieder ins Schloss warf und vom nächsten Schlag des Gegners getroffen wurde.

Dawn hingegen landete im Dunklen und musste überrascht feststellen, dass ihre Hände, auf die sie noch vor Sekunden auf einem kalten Holzboden gefallen war, nun auf weichem Samt gepresst waren, und sich der Stoff ganz und gar nicht alt und verfault anfühlte.
 

Nach einem tiefen Einatmen durch die Nase bestätigte sich auch Dawns Verdacht, dass auch der modrige Geruch, der noch auf dem nassen und feuchten Deck geherrscht hatte, verschwunden war. Langsam versuchte Buffys Schwester aufzustehen ohne sich an irgendwelchen möglichen Gegenständen zu stoßen, die sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte, falls es sie überhaupt gab.
 

Von draußen hörte sie Kampfgeräusche, und Faith schien mit dem Geist kein leichtes Spiel zu haben.
 

‚Hmm... vielleicht sollte ich ihr helfen.. immerhin bin ich selbst auch eine Jägerin.. immerhin ist es total unfair von mir, mich vor meiner Pflicht zu drücken, während Faith da draußen um ihr Leben kämpft.. und .. aber.. nein.. sie hat mir befohlen hier zu warten, und das werde ich auch tun!’ ging es Dawn durch den Kopf, während sie sich langsam durch den stockdunklen Raum tastete. ‚Zudem.. was sollte ich ihr erklären, wenn sie meine Kräfte im Einsatz sieht?’
 

Als plötzlich etwas gegen die starke Holztür knallte, und ein jubelnder Schrei von Faith kurz die sonstige Stille durchbrach, fiel Dawn ein, dass sie sich wieso auch immer, ein Feuerzeug eingesteckt hatte, als sie sich dazu entschieden hatte, Faith unerlaubterweise zu folgen.
 

Nach kurzem Suchen in ihrer Tasche kam das kleine Ding zum Vorschein, und kurz darauf bildete sich eine kleine Lichtkorona rund um Dawns Hand, in der sie das Feuerzeug hielt.
 

Auf Deck sprang Faith gerade mit einem triumphierenden Grinsen vom Dach der Kajüte. Kurz nachdem sie Dawn in den Raum gestoßen hatte, war der Geist einer leichten Unachtsamkeit verfallen, die ihn dazu brachte, seine materiellen Phasen, in denen er Schläge austeilte, nicht schnell genug zu beenden, und so hatte Faith die Chance gehabt, dem Wesen mit ihrem Messer einen langen, tiefen Schlitz über seine Brust zu ziehen. Oder das, was sie dafür hielt. Schreiend war das Ding durch sie hindurch gefahren, und ehe sie sich nach ihm umdrehen konnte, war es verschwunden gewesen.
 

Nun, da das erste Problem aus dem Weg geschafft war, und das zweite, Dawn, sicher in der Kajüte des Kapitäns saß, war es an der Zeit, das Geheimnis dieses Schiffes zu lösen, und den Spuk, den es schon seit Jahrhunderten trieb, endlich zu beenden.
 

Faith schnappte sich wieder die Holzplanke und inspizierte danach das Schiff noch einmal genauer. In der Mitte des Decks war im Boden ein großes Gitter, durch das man, wie Faith annahm, Fracht in den Lagerraum hievte. Danach kam der große Mast, an dem ein weißes, zerfetztes Segel hing und lose durch die Luft wirbelte. Links und rechts von ihr gingen zwei Holzbalken über die Reling hinaus, an denen früher womöglich einmal Fischernetzte befestigt worden waren.
 

Hinter dem Eingang in die Kajüte des Kapitäns fand Faith endlich, was sie schon die ganze Zeit suchte: den Abgang in die kleinen Kabinen der 2, 3 Matrosen, die auf dem Schiff gedient haben könnten, und dem Lagerraum.
 

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Xanders und Andrews Wohnung,

selbe Zeit

Es war schon dunkel als Xander die Tür zu seiner Wohnung aufschloss und das Licht anknipste. Sein erster Impuls war es nach Andrew zu rufen, doch dann fiel ihm wieder ein das er nicht da war und ehrlich gesagt vermisste er das übliche Chaos, denn allein schaffte er es tatsächlich die Wohnung in einem einigermaßen halbaufgeräumten Zustand zu belassen.
 

Er warf seine Aktentasche mit Schwung auf das Sofa und knipste den Fernseher an, jedoch nicht um sich irgendein Programm anzusehen, sondern weil es ihm das Gefühl gab nicht allein zu sein. Müde und abgespannt schälte er sich aus dem Anzug und stellte sich ein Schnellgericht in die Mikrowelle, doch zunächst überwog der Wunsch eine heiße Dusche zu nehmen.
 

Gut, dass ihm heute bei seiner Laune nicht Eve über den Weg gelaufen war, aber er hatte sich selber zumindest bewiesen seine Arbeit vernünftig zu machen indem er den Berg an Akten aufgearbeitet hatte, was ihn allerdings auch etliche Überstunden gekostet hatte.
 

Während er seine Hände gegen die kalten Fliesen stemmte und sich das warme Wasser auf den Kopf rieseln ließ, wanderten seine Gedanken zu den Ereignissen des Tages und dann weiter zurück bis zu seinem Streit mit Andrew… Sie hatten zwar darüber geredet, aber er wusste nicht ob es wirklich etwas gebracht hatte.., es tat ihm schon wieder Leid so hart reagiert zu haben aber... verdammt noch mal wenn Andrew nun wieder unter den Einfluss dieses Mörders geriet? Irgendwo fühlte er sich immer noch für Andrew verantwortlich und das schon deshalb, weil Anya sich für ihn geopfert hatte. Es war einfach ungerecht! Warum bekam so ein Mistkerl wie Warren eine zweite Chance, während gute Menschen sterben müssen? Typen wie dieser gehörten in die Hölle und bekamen nicht ein neues Leben als Rachedämon!
 

Tag für Tag setzen er und seine Freunde ihr Leben aufs Spiel und Xander war sich sicher, wenn einer von ihnen starb, war es für immer. Er würde noch einmal mit Andrew darüber reden müssen. Bald... das war etwas, dass er einfach nicht auf die lange Bank schieben durfte... das Klingeln seines Telefons riss ihn aus seinen Gedanken...
 

++++
 

Hafen,

kurz darauf

Buffy sprang von dem wackligen Holzsteg hinunter auf den harten Beton, der langsam unter der Schneeschicht wieder sichtbar wurde. Schneewasser spritzte unter ihren Schuhen auf und beschmutzte ihre Hose.
 

„Na prima, die einzige Designer-Jeans die ich mir noch leisten konnte,“ stöhnte Buffy und stellte ihren Kragen auf, um sich vor der Kälte zu schützen. Sie eilte durch das Hafengebiet, um schnell von diesem einsamen und dunklen Teil des Hafens fortzukommen. Denn wenn sie eines heute Nacht nicht brauchte, dann war das ein Kampf mit Vampiren.
 

Über ihr flatterte plötzlich etwas in der Nacht und sie hob ihren Blick gegen den dunklen Himmel. Im schwachen Licht der Straßenlaterne glaubte sie eine Krähe gesehen zu haben. Irgendwie wurde das wirklich langsam unheimlich.
 

Als sie zu allem noch vor sich Stimmen hörte, sah sich Buffy gezwungen nach einem Versteck zu suchen. Aber ehe sie etwas fand, gingen an ihr drei Dämonen vorbei, die zielstrebig Mo’s Bar im Auge hatten. Buffy entspannte sich etwas und ging weiter.
 

Langsam wurde der Teil des Hafens vertrauter. Vor allem wurde er heller und war nicht mehr ganz so unheimlich. Nicht jede zweite Straßenlaterne war ausgefallen und in manchen der Lagerhallen weiter vor ihr brannte noch Licht. Sie hörte wieder Stimmen. Irgendwo schien ein Schiff beladen zu werden. Als sich Buffy bereits in Sicherheit wog, trat seitlich von ihr jemand aus dem Schatten der ersten, noch benutzten Lagerhalle.
 

Buffy stutzte einen Moment, doch als sie die Frau im engen Kostüm, den langen Haaren und dem feinen, asiatischen Gesicht in dem Schatten erkannte, entspannte sie sich wieder. An ihr war nichts, dass Buffy als Vampirisch eingestuft hätte. Trotzdem behielt sie die Frau im Auge, als sie ihren Weg fortsetzte. Auch die Asiatin hatte kurz gestutzt und setzte ihren Weg fort, als die Jägerin weiterging. Buffy war auf ihrer Höhe angekommen, als unerwartet, die Frau losstürmte und mit offenen Armen Buffy einfach von den Füssen riss, die viel zu erstaunt war, um rechtzeitig zu reagieren.
 

++++
 

Geisterschiff,

Schiffskabine

Dawn betrachtete den kleinen Raum mit Hilfe der kleinen Lichtquelle, die sich nun in ihrer rechten Hand befand. Der Boden war mit einem dunkelroten Samtteppich bedeckt, der mit kleinen goldenen Mustern verziert war. Die Tapete war dunkelblau und ein großes, teuer aussehendes Bild einer gigantischen Seeschlacht zierte die Wand hinter dem dunkelbraunen, massiven Holzschreibtisch.
 

„Hmm.. wenn ich mich nicht täusche, ist das hier viel zu groß, um sich wirklich in dem Raum zu befinden, in den ich gerade gegangen bin..“, murmelte sie und als sie sich umdrehen wollte, um nach dem Türkauf zu greifen, war diese plötzlich verschwunden.
 

Auf einmal vernahm Dawn ein leises Kichern, das in ein lautes, schallendes Gelächter ausbrach. Panik erfüllte sie, als sich plötzlich der Stuhl, der hinter dem Schreibtisch stand, zu drehen begann und eine leuchtende Person auf dem Stuhl erschien.
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, zog sie einen Pflock aus ihrer Tasche, warf diese dann in eine Ecke des Raumes, der in dieser Größe eigentlich gar nicht existieren konnte, und starrte den Geist vor ihr gefasst an.
 

„Willkommen, meine schöne Maid..“, sprach die leuchtende Gestallt, die vom äußeren her an einen Kapitän der früheren, gigantischen Kähne erinnerte.
 

„.. mein Name ist Captian Raynolds. Herzlich Willkommen auf meinem Schiff...“
 

Dawn konnte sich trotz der Spannung ein leichtes Grinsen nicht ganz verkneifen.
 

“Ich meine.. ich weiß ja nicht wann Sie das letzte Mal ihren Körper aus diesem.. ähm.. Raum hier bewegt haben.. aber wir befinden uns nicht auf der Titanic.. das hier ist ein verdammter Fischerkahn.. einem verdammt alten Fischerkahn..“, sagte Dawn und trat langsam auf den Geist zu.
 

Dieser schwieg, starrte die junge Jägerin an, und musste kurz schmunzeln. „Wir sind wohl ein bisschen übermütig und haben den ernst der Lage nicht ganz verstanden...“, sagte der Kapitän, sprang plötzlich gereizt auf, schleuderte dabei seinen Stuhl gegen die Wand, die sich hinter ihm befand, und warf dadurch das große Bild von der Wand, dass mit einer großen Wucht und einem lauten Knall auf dem Boden aufschlug.
 

„Wie blöd kann man nur sein, wenn man mit mir in so einem herablassenden Ton spricht!“ schrie er, erfasste seinen robusten Schreibtisch, hob ihn kurz an, und schleuderte ihn dann rechts gegen die Wand. Der Raum schwankte, und Dawn fiel ihr Feuerzeug aus der Hand.

Plötzlich wurde Dawn ganz schlecht, und die Zeit schien langsamer abzulaufen. Wie in Zeitlupe sah sie den wütenden Geist auf sich zustampfen, während ihr brennendes Feuerzeug auf dem Teppich landete. Der Geist schnippte, woraufhin das Feuerzeug explodierte, eine Stichflamme vor Dawn in die Höhe fuhr, und dabei fast ihre Haare versengte.
 

Dawn konnte den Schrei nicht unterdrücken, der von ihren Stimmbändern erzeugt wurde, und machte danach einen weiten Sprung nach hinten, wobei sie gegen die hintere Wand des viel zu großen Raumes rammte.
 

Sie fasste sich langsam an den Kopf. Warum war ihr nur so schwindlig? Irgendwie schien die Zeit plötzlich in einem anderen Tempo abzulaufen. Der Geist war nun vor der Stichflamme, die noch immer aus dem Boden schoss, stehen geblieben, und starrte Dawn mit einem verrückten Blick an.
 

Der Raum begann sich langsam rund um Dawn zu drehen, und es fiel ihr schwer, sich auf den Beinen zu halten. Der Geist lächelte sie zufrieden an, streckte dann eine Hand über das Feuer, und schien es förmlich aufzusaugen. Seine tiefschwarzen Augen begannen auf einmal zu blitzen, und dann waren sie plötzlich feuerrot. Überhaupt schien sich die schwarz, hellblaue Farbe des Geistes nun mit einem rot-orange zu mischen.
 

Dawn konnte ihren Augen nicht glauben, und tastete hilfesuchend nach der Wand hinter ihr, damit sie in dem Raum mit den drehenden Wänden nicht orientierungslos stürzte.
 

„Bleib weg von mir...bitte“, flehte Dawn.
 

Der Geist hatte nun die Flamme vollständig aufgesogen, starrte sie nun wieder an, und grinste dabei hämisch.
 

„Was hast du denn, meine schöne Maid? Es hat doch gerade erst begonnen!“
 

++++
 

Black Pearl,

selbe Zeit

"Wir suchen Bartholomew in einer äußerst dringenden Angelegenheit!"
 

Die drei Dämonen hielten sich nicht mit Höflichkeiten auf, sie schienen sehr in Eile zu sein. Ihr Wortführer, ein muskulöser blaugrüner M'Fashnik Dämon blickte Mo aus vor Angst panischen Augen an, während seine beiden Begleiter, zwei kleine stämmige Gorlabs sich gehetzt umblickten. "Wir brauchen seine Hilfe!"
 

"Ihr habt ihn gefunden!" Mo beugte sich zu dem kleineren Dämon hinunter. "Was kann ich denn für euch tun?"
 

"Nicht hier!" Der M'Fashnik warf einen vorsichtigen Blick in den vollen Raum. "Können wir das irgendwo in Ruhe besprechen?"
 

Mo nickte und dirigierte die drei zu seinem kleinen Büro, in welches er noch vor wenigen Minuten Buffy geführt hatte. Zunächst einmal wollte er Näheres erfahren, die drei schienen in ernsten Schwierigkeiten zu sein, und er wollte genau wissen, worauf er sich einließ.
 

"Wir sind auf der Flucht," begann der M'Fashnik Dämon auch sofort, als er gefolgt von Mo, durch die schmale Tür stapfte. "Diese Jägerin..."
 

Es klackte leise, als der dritte Dämon einen Schlüssel im Türschloss herumdrehte. Mo fuhr herum, und mit einer - für seine Größe erstaunlichen Behändigkeit wich er dem ersten Faustschlag des Angreifers aus. Ein paar Kartone stürzten um, und eine dicke Staubschicht hob sich in die Höhe.
 

Mo hustete, und der M'Fashik nützte die Gelegenheit ihn mit einem kräftigen Tritt ans Bein aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die gorillaartigen Arme eines Gorlabs packten ihn, während der andere ein Messer aus seinem Gürtel riss. "Pass auf!" schrie der M'Fashnik, "der Boss will ihn lebend!"
 

Ein ohrenbetäubendes Krachen übertönte seine Worte, als die klapprige Tür aus ihren Angeln getreten wurde. Da das grelle Licht des Schrankraums in den dunklen Raum fiel, konnten sie zunächst nur eine Silhouette erkennen, die Silhouette eines menschlichen Wesens im dunkelbraunen Anzug, das sich ein Handy ans Ohr hielt.
 

"Ich hab' dir doch schon erklärt, dass alles geklappt hat, Xander!" Andrew starrte mit entsetztem Gesicht auf die drei Dämonen, die sich drohend vor ihm aufbauten "Ich hab alles ganz allein geschafft! Ich ganz allein... und na ja... die zwölf Jägerinnen, die Giles mir geschickt hat..."
 

Er wollte zurückweichen, stolperte über ein Kabel am Boden, und der Schlag des Gorlabs ging über ihn hinweg. Da hatte sich aber auch schon der zweite Dämon nach vorne gedrängt, den störenden Eindringling am Kragen gepackt, und in den Raum gezerrt. Ganz deutlich war das Reißen von Stoff zu hören, und der blonde Junge stieß erschrocken die Luft aus. Giles würde ausrasten, wenn er den Anzug ruinierte!
 

"Moment, Xander!" Andrew warf das Handy in einen Karton mit Kassenzetteln, und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen den Gorlab, allerdings ohne Erfolg. Der Dämon schmiss ihn wie eine Puppe ins Eck, zum Glück waren die Kartone und Mo's Bauch eine einigermaßen weiche Landungsfläche. "Was ist denn bei dir los?" plärrte Xander's Stimme aus dem Handy.
 

"Nichts...uhm sag mal, du weißt nicht zufällig, wo ich einen M'buna Fisch herkriege?" Andrew rollte sich von dem bärtigen Dämon herunter, und konnte damit einem Faustschlag des M'Fashniks ausweichen, der allerdings Mo mitten im Gesicht erwischte. "Ich hab denen erzählt, du lebst in Afrika, klingt doch gut, oder? Oder hättest du lieber Brasilien gewollt? Willst du mit Willow tauschen?"
 

Eine Antwort konnte er nicht mehr abwarten, denn er brauchte beide Hände, um dem M'Fashnik einen Karton über den Kopf zu stülpen. Von oben bis unten mit Kassenzetteln bedeckt, stolperte der Dämon im Raum umher, während Andrew schnell unter den schmalen Tisch huschte, um sich vor den trampelnden und kickenden Füßen in Sicherheit zu bringen.
 

"Verschwinde, Kleiner," grummelte Mo. "Siehst doch, dass ich beschäftigt bin!" Sein Arm wehrte den nächsten Schlag ab, doch die Angreifer ließen ihn nicht wieder auf die Beine kommen. "Und dein Freund ist auch nicht mehr da, er kommt später wieder... jetzt reicht's mir langsam!" Immer noch in liegender Position packte er den Arm des nächstbesten Angreifers und schleuderte ihn quer durch den Raum.
 

"Das ist schade, sonst hätte er mich jetzt nämlich retten dürfen." Enttäuscht guckte Andrew unter dem Tisch hervor. "Alles muss man selber machen!"
 

Er kramte eine winzige Bambuspfeife aus seinem Jackett hervor, und blies kräftig hinein. Für menschliche Ohren war kein Ton zu hören, aber die Gorlabs schrieen auf, und hielten sich die Ohren zu. Im nächsten Moment hatte Mo sich hochgerappelt, packte die Köpfe der beiden und schlug sie zusammen. "Wie tief ist Kan Hsirg nur gesunken, dass er sich auf solche Trottel verlässt?"
 

"Wer?" fragte Andrew neugierig. "Nicht so wichtig," winkte Mo ab. "Wie war L.A.?"
 

"Darf ich nicht drüber reden, Geheimauftrag!" Andrew krabbelte unter dem Tisch hervor, und sah mit verzweifeltem Blick auf seinen dreckigen und zerrissenen Anzug hinunter. "Aber... falls du Gothika gesehen hast, musst du's dir nur noch mit Sadako in der Hauptrolle vorstellen!"
 

Zutiefst verwirrt blickte Mo ihn an, aber Andrew grinste nur: "Ich muss los, mein Vorgesetzter erwartet meinen Bericht!" erklärte er wichtigtuerisch. "Falls du Warren siehst, sag ihm, ich konnte nicht warten, ich werd' ihn später anrufen."
 

Er wühlte in den Papierbergen herum, bis er sein Handy gefunden hatte. "Sag ihm irgendwas Nettes, und sag ihm, ich hätte es gesagt, okay? Irgendwas aus irgendeinem Film, oder so.."
 

“Falls mir was einfällt!“ Mo befreite sich von einigen Kassenrollen, die wie Luftschlangen um seinen Hals hingen. “Der letzte Film, den ich gesehen hab’, war komplett auf Aramäisch, und sonderlich nett war er auch nicht!“
 

“Ausnahmsweise mal ein Film, den ich verpasst hab...“ Die Anzeige des Telephons war dunkel, doch mit erleichtertem Blick stellte Andrew fest, dass es sich wieder einschalten ließ. "Aber wir haben sowieso den totalen Auferstehungstrend," murmelte er vor sich hin, als er über die kaputte Tür hinweg, Richtung Ausgang stapfte.
 

+++++
 

Geisterschiff

Faith wanderte langsam, mit der Taschenlampe in der linken, und der Planke in der rechten, die alten, verstaubten Treppen hinunter. Sie hörte Kondenswasser von der Decke tropfen, und in den dunklen, kühlen Gemäuern fühlte sie sich kurz an Silent Hill erinnert.
 

“Na toll, wenn dir jetzt jedes Mal Angstschweiß ausbricht, wenn du in dunkle, feuchte Räume gehst, dann gute Nacht...“, murmelte die dunkelhaarige Jägerin, duckte sich unter einem Balken hinweg, der lose von der Decke herab hing, und trat dann um die nächste Ecke.
 

Sie stand am Anfang eines kleinen Ganges. Langsam machte sie einen Schritt nach dem anderen auf dem alten Boden, und merkte, wie das Boot unter ihr knirschte. Links neben ihr befanden sich zwei kleinere Türen, die wahrscheinlich jeweils zu einer kleinen Mannschaftskabine führten. Doch Faith hielt sich nicht lange mit Kleinigkeiten auf und wandte sich der robuster wirkenden Tür auf der rechten Seite zu.
 

„Maschinenraum – Achtung, Lebensgefahr … als gäbe es die auf diesem Kahn nur dort..“, flüsterte die dunkelhaarige Jägerin, streckte die Hand aus, umfasste den eiskalten Stahlgriff und drückte diesen langsam nach unten.
 

Ohne weitere Schwierigkeiten konnte sie die Tür nach innen drücken, und fand sich daraufhin in einem kleinen, stickigen Raum wieder, in dessen Mitte ein wuchtiges, monströs wirkendes Ding stand. Faith lief kurz ein kalter Schauer über den Rücken, als ein Tropfen Kondenswasser von der Decke auf einer Pfütze, die sich bereits am Boden gesammelt hatte, landete und ein lautes Tropf-Geräusch verursachte. Kurz blitzten vor ihren Augen wieder die Bilder von Silent Hill auf. Das Gefängnis, das Rätsel, das Blut, EVE.. die Gräber.
 

Faith schüttelte den Kopf, als würde sie damit jegliche Gedanken an die unheimliche Stadt, an das unheimlich kranke Spiel der zwei Magier los werden, schaffte dies aber nur bedingt. Etwas an diesem Raum kam ihr komisch vor, doch erst nachdem sie ihren Blick zweimal von einer der dreckverschmierten Wände zur Gegenüberliegenden gleiten hatte lassen, fiel ihr das schmale Fenster auf, dass vorher von dem monströsen, alten Motor verdeckt wurde. Doch das unheimliche, das irreale war nicht das Fenster selbst, sondern das mystische blaue Licht, das dadurch in den kleinen Maschinenraum fiel.
 

„Was zum Teufel..“, flüsterte sie, schaltete ihre Taschenlampe aus, steckte sie in eine der Taschen ihrer Jacke und schritt so leise wie möglich durch den feuchten Raum. Einige Geräusche schienen vom Oberdeck zu kommen, doch das würde höchstwahrscheinlich nur Dawn sein, die ungeduldig herumlief.
 

Als sie die alte, verstaubte Scheibe erreichte, konnte Faith ihren eigenen Augen nicht glauben. Fassungslos hob sie die linke Hand und berührte vorsichtig die Scheibe, die dem Druck aber ohne Probleme stand hielt.
 

“Oh mein Gott..“, flüsterte sie und lies ihren Blick langsam durch die Lagerhalle gleiten, die sich vor ihr befand:
 

Der Lagerraum war voller Geister!
 

Sie wollte sich das näher anschauen und öffnete leise die Türe in den Raum. Sie sah die Geister zum Teil im Kreis rund um ein mystisches Symbol sitzen, die Augen geschlossen, und sie wippten dabei langsam von hinten nach vorne, und wieder zurück. Die Geister schienen sich in einer Art Trance zu befinden.
 

Viel Platz bot der Raum nicht, und es waren zu viele, als das sie Faith zählen konnte.
 

Im nächsten Moment rissen Faith’s Nachbarn plötzlich ohne Vorwarnung ihre Augen auf, und starrten sie durch das Fenster intensiv und erbost an. “Na Prima, warum passiert so ne Scheiße immer mir!“ fluchte Faith und fasste hektisch nach einer Waffe
 

++++
 

Schiffkabine,

eine Ebene höher,

selbe Zeit

Dawn starrte die geisterhafte Figur vor ihr an. Furcht keimte in ihr, unheimliche Angst. Das Feuer hatte ihn noch mächtiger werden lassen, und in diesem Moment wirkte er auf sie unbesiegbar. Der Raum bewegte sich noch immer rund um sie herum und Unerklärbarerweise schien die Zeit noch immer nicht richtig zu laufen.
 

Verwirrt und beängstigt umfasste die junge Jägerin weiterhin ihren Pflock, und schloss kurz darauf die Augen. Sie atmete tief ein, versuchte sich zu konzentrieren und dabei ihre Angst abzulegen. „Verdammt Dawn, du bist ne Jägerin. Du hast eine reelle Chance, dass du diesen Kampf überlebst. Außerdem bist du nicht alleine, Faith wird dich irgendwann hören, hoffentlich. Aber.. warte.. Dawn, du brauchst sie nicht, du bist nun selbst eine Jägerin! Du bist stark!“
 

Die dunkelhaarige Schwester von Buffy riss die Augen auf, und musste kurz schreien, als sie das Gesicht des Kapitäns ausmachte, der nur mehr wenige Zentimeter von ihr entfernt stand und sie fragend anstarrte. Der Raum hatte sich aufgehört zu drehen, die zeitlichen Anomalien waren verschwunden.
 

“Bist du endlich bereit? Ich warte nicht noch länger..“, sagte der Geist ruhig, aber stark betont. Seine Augen blitzen auf, und er raste auf Dawn zu.
 

“Ich bin stark.. ich bin eine Jägerin!“ flüsterte Dawn noch einmal, bevor sie nach rechts auswich, den Geist, der in seiner festen Form gegen die Wand knallte, fasste und quer durch den Raum schleuderte.
 

„Ich bin nicht deine Maid..“, sprach Dawn weiter, und ging dabei langsam auf den Kapitän zu, der sich wieder aufrappelte. „.. ich bin dein Alptraum!“
 

Dawn wollte ihm ihre rechte Faust ins Gesicht schlagen, doch sie traf nur Luft, und ihr Arm schoss durch sein Gesicht hindurch. Er ließ ein hämisches Lachen in den Raum klingen, bückte sich dann, materialisierte sich wieder, und trat Dawn fest in den Magen.
 

Obwohl sie einen leichten Schmerzensschrei nicht unterdrückten konnte, war sie in der Lage, die Situation zu nützen, und ihm mit einem schnellen Sprung fest gegen die Brust zu treten. Ein weiteres mal stolperte das Wesen nach hinten.
 

Dawns Nervosität verschwand, und sie sah sich in dem Raum nach etwas brauchbarem um. Hinter dem Geist fand sie an der Wand zwei alte Säbel, die ihr mehr als behilflich sein konnten. Ohne weiter nachzudenken, lief sie auf ihn zu, duckte sich, schlüpfte durch seine Geistergestallt hindurch und fasste sich einen der Säbel.
 

„Na komm schon.. “, sagte Dawn und sah den Kapitän herausfordernd an. Dieser legte den Kopf schief, dachte kurz nach, und musste plötzlich grinsen.
 

“Du bist …. Die Auserwählte..“ flüsterte der Geist. „Er.. es.. ich meine .. ich hab schon einmal eine getroffen.. oh Gott sie war köstlich..“, er leckte sich mit der Zunge über die Lippen, hob dann die Hand und in der nächsten Sekunde lag das zweite Schwert von der Wand in seiner Hand.
 

„Also.. auf geht’s in Runde 2!“ schrie Dawn, umfasste dabei den Griff des Schwertes so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden, und bereitete sich mental auf einen langen Kampf vor.
 

Dawn konnte sich erinnern, dass Buffy auch schon einmal mit so etwas ähnlichem zu tun hatte.. damals, als sie zurück gekommen war.. vom.. Himmel. Doch dieser Geist war anders, er musste sich selbst materialisieren, um Dawn anzugreifen, was ihr aber dadurch auch Angriffsfläche bot. Es bestand also eine reelle Chance, dass sie ihn besiegen würde, hoffte sie zumindest.
 

„Jägerin.. es freut sich .. ich freu mich schon darauf, dich zu verspeisen!“ murmelte der Kapitän, trat dann an Dawn heran und hob das Schwert. „STIRB!“ schrie er, wobei plötzlich Wind in dem Raum aufkam, und der Boden zu beben begann.
 

Ohne eine weitere Sekunde abzuwarten, ließ er sein Schwert auf ihren Kopf herabsausen, doch Dawn machte eine Rolle vorwärts, riss den Geist dann von den Füßen, und trat ihm während seinem Flug zu Boden noch fest in den Magen.
 

“Stirb selbst, du.. krankes Ding!“ schrei sie, wobei der Mann wie von Geisterhand plötzlich wieder vor ihr stand, und sein Schwert erneut nach vorne schnellte. Sie blockte ihn, und ein erbitterter Kampf begann.
 

Ihre Schwerter trafen sich, klirrten, funkten, und schossen wieder auseinander. Schreie hallten in dem Raum, und der Wind ließ Dawns Haare wie wild in alle Richtungen wirbeln. Dankend dachte sie zwei Jahre zurück, als sie das erste mal an Buffys Seite mit Schwertern in einem Grab gegen Zombies kämpfte.
 

Ein weiteres Mal trafen sich ihre Schwerter, doch durch die unerwartete Wucht wurde ihr auf einmal die Waffe aus der Hand geschleudert. Klirrend knallte sie gegen die Wand und landete dann auf dem Teppichboden. Entsetzt sah Dawn der Waffe nach, wich dann einem weiteren Angriff aus, und machte eine weitere Rolle, um nach dem Schwert zu greifen. Kurz bevor ihre Finger den Griff berühren konnte, kickte ein dunkler Stiefel die Waffe wieder weg. Dawn fluchte innerlich, verschwendete aber nicht viele Gedanken daran, und suchte nach Alternativmöglichkeiten.
 

Sie drehte sich auf den Rücken, und hatte plötzlich die Klinge eines Schwertes an der Kehle. Ihr stockte der Atem, und ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Würde sie jetzt sterben? Wäre das letzte, was sie in ihrem Leben sehen würde, wirklich das vernarbte Gesicht eines Geistes. Nein, so durfte es nicht enden. Nicht jetzt. Nicht so. Der Kapitän lachte, und holte für den finalen Schlag aus, während die Jägerin ihre gesamte Kraft sammelte, und aus der Liegeposition sofort auf ihre zwei Füße sprang. Die Klinge sauste herab, doch Dawn fing sie ab.
 

Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Körper, als sie die Klinge des Schwertes fest in der Hand hielt. Schmerz. Hass. Angst. Das war eindeutig genug. Blut lief von ihrer rechten Hand, doch Dawn musste das ignorieren. Sie riss dem Kapitän die Waffe aus den Händen, und schleuderte sie zu dem Schreibtisch.
 

Wieder legte der Geist seinen Kopf schief und sah sie verwirrt an. Dawn ging das auf die Nerven. Sie hasste diesen Blick. Sie hasste sein Verhalten. Sie hasste IHN. ER würde sie nicht töten, oh nein.
 

Die Jägerin drehte sich schnell um, schritt auf den großen Bilderrahmen zu, und trat den Rahmen in Stücke. Sie nahm einen der größeren Holzlatten, drehte sich um und fixierte den Geist, der sie immer noch schief ansah.
 

Was war nur mit dem los? Es schien als müsse er sich nach jeder Wende eine neue Kampftaktik überlegen. Es war, als würde er sich erst mit jemand anderem absprechen…als wäre jemand anders in seinem Kopf.
 

Dawn nickte, festigte ihren Griff und lief dann mit einem lauten Kampfschrei los. Doch diesmal streckte der Geist seine Hand aus, ließ den langen Holzstab durch sich selbst hindurchfahren und materialisierte sich dann in der Sekunde, in der er ihren Arm fassen konnte.
 

Ohne weiter zu zögern, riss er sie vom Boden, und schleuderte sie mit einer unerwarteten Wucht gegen den umgekippten, massiven Holzschreibtisch. Als die Jägerin mit ihrem Rücken dagegen krachte, splitterte das Holz, und auch in Dawn schien etwas zu brechen. Schmerz. Dawn konnte sich nicht mehr konzentrieren. Sie fühlte nur mehr Schmerzen, in ihrer Hand und im Rücken.
 

“Oh Gott..“, flüsterte sie, und sah den Kapitän mit geschockten Augen an, als er wuchtig vor sie trat und sie böse anfunkelte.
 

„Deine Zeit ist gekommen, Jägerin!“
 

++++
 

Hafen,

selbe Zeit

Buffy knallte hart mit dem Rücken auf den Boden. Ein Teil ihres Körpers versank in einem schmutzigen Schneehaufen, und sie fühlte sofort die feuchte Kälte ihren Mantel durchdringen. Sie versuchte sich aufzurichten, um nach ihrer Angreiferin zu schauen, doch wieder war sie zu langsam. Eine Faust traf sie am Kinn und ließ sie über den Boden schlittern. Gut... kein Vampir, aber vielleicht eine Dämonin. Wie nachlässig, schimpfte sich Buffy selbst und kam benommen auf die Beine, als die Schlitterpartie an einer Straßenlaterne schmerzhaft endete. Unter der Wucht des Aufpralls fiel die Lampe aus.
 

Ihren Mantel würde sie wohl vergessen können, wie sie mit einem raschen Griff nach hinten in das zerstörte, aufgerissene Außenfutter feststellen musste.
 

Samielle kam mit starrem Blick auf sie zu. Entschlossenheit funkelte in ihren Augen und Buffy verzog hilflos das Gesicht. Dies hier würde alles andere werden, als ein einfacher Standardkampf. Die Jägerin erwartete den Angriff, der auch kam. Kraftvolle, gezielte Schläge auf alle Stellen ihres Körpers, die sich schlecht decken ließen. Ihr gelang es kaum die Frau abzuwehren und musste den einen oder anderen schmerzhaften Treffer einstecken. Selbst kam sie nicht im Entferntesten dazu, die Asiatin ihre Kräfte spüren zu lassen.
 

Buffy stolperte über etwas und während sie nach hinten flog, drehte sie ihren Kopf. Das Hafenbecken war nur noch wenige Zentimeter hinter ihr. Eine falsche Bewegung und sie würde in das eiskalte, dreckige Wasser fallen. Mit einer leichten Seitwärtsdrehung brachte sich Buffy in Sicherheit, kam mit der Seite auf den Boden auf, stöhnte unter dem Schmerz auf und wurde am Hals gepackt. Ihre Hände griffen nach denen der Asiatin und versuchten den Schraubstock zu brechen. Aber Buffy erreichte nichts. Stattdessen wurde die Jägerin in die Höhe gerissen.
 

Flinke Finger begannen den Körper von Buffy nach etwas abzutasten, während der eiserne Griff der anderen Hand sie festhielt und dabei Buffy die Luft raubte. Buffy begriff erst in letzter Sekunde nach was diese Frau suchte... die Münzen. Und mit der plötzlichen Gewissheit, dass diese Münzen zu mehr taugten, als für D’Hoffryns Tricks, konzentrierte sich die Jägerin, schlug kraftvoll gegen den Arm, dessen Hand sie festhielt und sah mit einem genugtuenden Lächeln, dass ihre Angreiferin überrascht und schmerzhaft das Gesicht verzog. Jedoch ließ sie Buffy nicht los, aber dafür hörte sie auf, nach den Münzen zu suchen, denen sie gefährlich nahe gekommen war.
 

Samielle riss Buffy näher an sich heran, um sie im gleichen Augeblick mit derselben Kraft wieder von sich zu schleudern.
 

„Verdammt... das hat schon wieder weh getan,“ stöhnte Buffy sauer und sprang auf die Beine. Sie rieb sich den Hals und hustete. „Wenn ich es nicht besser wüsste...,“ Buffy schüttelte den Kopf. Die Kraft der Frau und auch die Schnelligkeit erinnerte sie unheilvoll an Glory. Aber Glory war eine Angeberin und Schwätzerin gewesen. Dies Frau hier griff ohne ein Wort an, entschlossen und zielstrebig. Schnell schüttelte sie den Gedanken an Glory ab und dachte über die Alternative davon zu laufen nach. Seltsamerweise blieb ein erneuter Angriff aus.
 

Samielle hatte zwar zu einem weiteren Angriff angesetzt, hielt aber plötzlich inne, als sie Gefahr spürte. Jemand, der sehr wichtig für ihren Auftraggeber war, schien einer Bedrohung ausgesetzt zu sein...
 

Buffy behielt die Asiatin im Auge und ehe sie etwas schlaues sagen konnte war die Frau im Schatten der Lagerhalle verschwunden. „Hey.. warte doch mal.. es fing gerade an Spaß zu machen....ehrlich.. ich hab mehr drauf,“ Buffy machte einen Schritt auf die Schatten zu, als eine Krähe scharf vor ihr in die Luft aufstieg und mit einem tiefen Krächzen, das in Buffys Ohren wie ein Lachen klang, flatterte sie auf die offene See zu.
 

Verstört griff Buffy nach den Münzen, um sich zu vergewissern, dass sie noch da waren. Als ihr Blick auf die Münzen fiel, atmete sie erleichtert auf.
 

++++
 

Geisterschiff,

Schiffskabine

Dawns Oberkörper war ein einziger Schmerzensherd. Ihr blieb die Luft weg, als sie den Arm bewegen wollte, und sich ein stechender Schmerz in ihr ausbreitete.
 

Sie war fertig.. sie war nicht in der Lage, sich zu wehren, und dessen war sie sich absolut bewusst. Hektisch versuchte die junge Jägerin nicht zu ersticken, wobei es ihr ziemlich schwer fiel, den Kapitän mit den Augen zu fixieren. In ihrem Kopf dröhnte es, und jeglichen Schrei konnte sie gleich vergessen.
 

Mit einem triumphierenden Lächeln kam er mit erhobenem Schwert auf sie zu, während sich die junge Jägerin bewusst wurde, dass sie jeden Moment sterben könnte.
 

“Oh Gott.. Buffy.. hilf mir..“, schrie sie innerlich. „Ich will noch nicht sterben.. nicht so.. oh Gott.“
 

Verzweifelt versuchte sie um Hilfe zu schreien, doch sie brachte noch immer keinen Ton heraus. Angst stieg in ihr hoch, Angst, die sie bisher nur ein einziges mal im Leben gehabt hat, nämlich als sich Buffy für sie geopfert hatte.
 

Sie versuchte ein „Lass mich bitte am Leben“ aus dem Mund zu bekommen, doch es wurde nur ein undeutliches Gestammel, dass er weder hören, noch verstehen konnte. Aber was hätte es schon genutzt.
 

Nun stand er direkt über ihr, und holte mit dem Schwert aus. Dawn schloss die Augen, bereitete sich darauf vor, den schlimmsten Schmerz ihres Lebens zu spüren, und dann zu sterben…. Doch es kam nichts.
 

Überrascht öffnete sie wieder die Augen, als ein schriller Angriffsschrei den Raum erfüllte.
 

Dawn hatte keine Ahnung, was passiert war, noch wo die Person, die Dämonin, die gerade vor ihr stand, überhaupt her kam, aber es war ihr eigentlich auch ziemlich egal.
 

Es stand eine Frau zwischen ihr und dem Kapitän, deren Körper von Flügeln umhüllt war, und im nächsten Moment, waren auch diese schon verschwunden.
 

Der Geist stolperte zurück, und das erste mal erkannte Dawn den Ausdruck von Entsetzen in seinem Gesicht
 

„Verschwinde von hier!“ stammelte er. „Du hast hier nichts verloren. Seit wann… seit wann hast du die Seiten gewechselt?“
 

Die Frau drehte sich kurz zu Dawn um, bedachte sie nur mit einem abwertenden Nicken, wandte sich dann wieder dem Geist zu, und begann ihn laut auszulachen.
 

Die Stimme der Frau löste bei Dawn Gänsehaut aus, und ein unangenehmes Gefühl stieg in ihr auf.
 

Die Frau hob langsam ihre Arme und schloss die Augen. Der Geist war am anderen Ende des Zimmers angekommen, während Samielle keine Anzeichen machte, ihn anzugreifen. Plötzlich zuckte kurz ihre rechte Hand und ein einziges unverständliches Wort drang aus ihrem Mund - daraufhin begannen aus allen Ecken des Raumes Lichter aufzufackeln, die auf den Geist zuschwebten und sich um ihn herum sammelten. Immer mehr wurden es, und ohne Vorwarnung riss sie die Augen auf, schrie auf und ließ damit die Lichter in den Geist fahren. Dieser brüllte schmerzerfüllt auf.
 

Ein verächtliches Lächeln erschien auf dem Gesicht der Krähenfrau und mit ruhigen Schritten ging sie auf das zu, was eben noch ein Geist gewesen war. Der Lichterzauber hatte ihn materialisiert, und sie konnte ihn am Genick fassen.
 

„Was.. was soll das? Wie ist das möglich?“ schrie der Kapitän, und visierte plötzlich panisch Dawn an.
 

„Mädchen, hilf mir.. ich werde dich dafür verschonen!“ Panik machte sich nicht nur in seiner Stimme, sondern auch in seinem Gesicht breit.
 

Die Frau begann sich wieder zu verwandeln, und Dawn erkannte, dass neben den Flügeln auch ein Schnabel in ihrem Gesicht erschien. Ohne dem Kapitän auch nur den Hauch einer Chance zu geben, riss ihm mit einer einzigen Kopfbewegung die Halsschlagader auf und ließ den Kapitän zu Boden gleiten.
 

Dawn hatte fasziniert und entsetzt zu gleich zugesehen und erst als das Etwas tot zu sein schien, konnte sie endlich wieder Luft holen, und die gewonnene Fähigkeit nutzte sie dazu, einen lauten, grellen Schrei auszustoßen.
 

Die Krähenfrau drehte sich lächelnd zu ihr um, trat auf sie zu, und verwandelte sich dabei wieder in einen Mensch, bevor sie vor Dawn stehen bleib.
 

„D-d-d-danke..“, stotterte Dawn unsicher, und holte dabei tief Luft. Wer war diese Frau? Eine neue Unterstützung im Kampf gegen das Böse? Ein neuer Dämon, der sich auf ihre Seite gestellt hatte, um gegen die eigene Sippschaft zu kämpfen?
 

“Nicht übermütig werden. Ich hab dir nur das Leben gerettet, weil das meine Aufgabe war. Aber glaube nicht, dass ich dein neuer Schutzengel bin. Du wirst mich schon noch kennen lernen--- so richtig!“ sagte sie und zwinkerte ihr kurz zu bevor sie sich umdrehte, sich in eine Krähe verwandelte und durch die offene Tür, die wieder da war wie Dawn erst jetzt entdeckte, in die Freiheit flog.
 

Und als Dawn zu der Stelle blickte, an der der tote Mann liegen sollte, war dort nur der nackte Holzboden zu sehen...
 

++++
 

Giles Wohnung,

selbe Nacht,

etwas später

„Es war unheimlich,“ gab Buffy nur ungern gegenüber Giles zu, der mit sorgenvoller Miene aus der Küche mit einem Kühlbeutel auftauchte. „Wenn wir wenigstens wüssten, ob das alles im Zusammenhang steht...,“ seufzte die Jägerin und nahm Giles den Kühlbeutel ab, um ihn sich gegen das Kinn zu pressen, auf dem sich bereits ein hässlicher, blauer Fleck bildete.
 

“Ich glaube nicht das die Münzen in einem Zusammenhang mit dem Geisterschiff stehen,“ Giles setzte sich auf die Kante des Couchtischchens.
 

„Woher wollen Sie das so genau wissen? Bis jetzt haben wir nur bruchstückhafte Informationen, die wir erst einmal zusammenpuzzeln müssen,“ widersprach Buffy und verzog das Gesicht, als die Kühlung unangenehm wurde.
 

„Weil ich bereits mit Dawns Informationen einer recht heißen Spur gefolgt bin. Einen Moment,“ voller Tatendrang eilte Giles nach unten, um seine Notizen zu holen. Buffy nahm den Kühlbeutel herunter und presste ihn sich auf das Knie. Irgendwie tat ihr alles weh und sie war müde. Mit düsterem Blick starrte sie auf die Münzen, die sie Giles auf den Couchtisch gelegt hatte. Eine Türe auf dem Flur ging auf und zu und Buffy musste nicht erst aufsehen, um zu wissen, dass Lily aus ihrem Zimmer aufgetaucht war.
 

„Was ist passiert?“, die Wächterin hatte einen besorgte Gesichtsausdruck, als sie zu Buffy an das Sofa trat.
 

„Jemand hat mich als Punching-Ball benutzt. Mal wieder,“ brummte Buffy wenig begeistert über das Gespräch und sah schließlich doch auf. Lily stand neben dem Sofa und sah abwechselnd zu ihr und den Münzen.
 

„Sind das nicht die Münzen, die Willow von D’Hoffryn hat?“, sie setzte sich zu Buffy und nahm eine der Münzen in die Hand.
 

„Ja, Kennedy hat sie entdeckt und mitgenommen. Und irgendjemand war gestern und heute Nacht ganz scharf darauf.“
 

„Jemand ist hinter den Münzen her?“ Lily zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „Interessant. Dann sind sie bestimmt zu mehr nütze, als wir angenommen haben. Vielleicht sollten wir sie hier aufbewahren?“ Schlug Lily vor. Doch Buffy blieb ihr eine Antwort schuldig, als Giles Stimme von der Treppe erklang.
 

„So hier.. oh...,“ Giles tauchte auf der Treppe auf und lächelte, als er Lily bei Buffy sitzen sah. Er gab noch immer nicht die Hoffnung auf, dass sich die beiden irgendwann seit dem Vorfall mit dem Virus wieder vertrugen. Auch wenn er und Lily seid dem ein paar Probleme in ihrer neuen Beziehung hatten. „Hat dir Buffy erzählt, was passiert ist?“
 

Lily nickte und stand auf. „Ja und ich bin dafür, dass wir die Münzen hier im Tresor aufbewahren sollten. Aber lasst euch nicht stören, ich muss noch etwas erledigen.“
 

Kaum das Lily gegangen war und Giles wieder saß, warf Buffy den warm gewordenen Kühlbeutel auf den Tisch und sah ihren einstigen Wächter erwartungsvoll an.
 

„Lily hat mit den Münzen recht,“ murmelte Giles mit Blick auf die Münzen. „Ich schließe sie heute Nacht ein. Sie sind bei Willow nicht sicher und offensichtlich auch nicht bei dir.“
 

„Wenn Sie meinen?“, sagte Buffy vorsichtig und nickte schließlich. „Einverstanden. Aber was ist jetzt mit dem Geisterschiff?“
 

“Oh ja, natürlich,“ Giles räusperte sich und nahm seine Brille ab. Er war müde und seine Augen brannten. Insgeheim hoffte er seine Informationen kamen nicht zu spät, um Faith bei ihrer Suche nach dem Geisterschiff zu helfen.. „Ich habe hier etwas, das uns weiterhilft und mit Mo’s Auskunft, ergibt das Ganze auch einen Sinn. Allerdings werden keine Münzen oder ein Krähenwesen erwähnt. Daher gehe ich fest davon aus, dass kein Zusammenhang besteht.“ Giles schlug das Buch auf. „Es gibt verschiedene Arten von seelenfressenden Dämonen. Hierbei handelt es sich aber höchst wahrscheinlich um einen Mullog– Dämon. Eine Unterart der von mir erwähnten Wasserdämonen.“ Er zeigte Buffy die Abbildung die ein nebelartiges Wesen darstellte, dessen Konturen und Formen nur schwer mit den Augen zu erfassen war. Trotz allem war zu erkennen, dass der Mullog eine Fratze zog und sein Körper mit Algen behangen war. „Diese Mullog-Dämonen brauchen menschliche Seelen, um zu überleben oder kurz feste Formen annehmen zu können. Alle 250 Jahre nehmen sie allerdings für einen Tag eine körperliche Gestalt an, nachdem sie sich ausreichend von Seelen ernährt haben und tauschen ihren ausgebeuteten Wirtskörper aus, um mit ihrem Spiel für weitere 250 Jahre fortzufahren.“
 

„Und was macht dieser Mullog– Dämon mit den leeren, menschlichen Hüllen?“
 

„Darüber streitet sich noch die Fachwelt. Einige behaupten, der Dämon behält die seelenlosen Geister als Sklaven, andere glauben, dass er auch ihre Körper verschlingt, nicht nur die Seele. Aber wir müssen davon ausgehen, dass an Bord dieses Schiffes irgendwo seelenlose Menschen herumirren, die kein Gewissen mehr haben und durch ihre lange Gefangenschaft jeden und alles blind angreifen werden.“
 

„Klingt wie nach einem normalen Arbeitstag,“ scherzte Buffy halbherzig. „Und tatsächlich nach einem Geisterschiff.“
 

„Jetzt da wir wissen, um welchen Dämon es sich handelt, können wir ihn auch besiegen.“
 

„Sagen sie das doch gleich,“ atmete Buffy erleichtert auf. „Ich breche sofort auf, wenn Sie mir die Information gegeben haben...“
 

„Es gibt nur ein Problem.. Faith ist bereits vor Stunden alleine losgezogen, um sich um das Schiff zu kümmern und hat keine Ahnung was sie erwartet...“
 

... Schritte auf der Treppe...
 

Ihre Köpfe flogen herum, als eine Gestalt in einem schmutzigen, und etwas zerrissenen Anzug den Raum betrat, eine Pfeife in der Hand.
 

"Sieh an, der kleine Hobbit ist wieder da." Buffy verzog das Gesicht. "Du kommst genau richtig, um ein paar Orcs zu jagen!"
 

++++
 

Geisterschiff,

Frachtraum

Ohne weiter nachzudenken, drehte sich Faith um, doch bevor sie auch nur einen Schritt aus dem Raum setzen konnte, wurde sie von hinten an ihrem Kragen gefasst und in hohen Bogen gegen die Fensterscheibe geschleudert. Das Glas klirrte und splitterte, wobei Faith nur hoffte, dass es ihr nicht die Hauptschlagader aufschlitzen würde.
 

Sie landete hart auf dem Stahlboden des Lagerraums, kam jedoch gar nicht dazu, Luft zu holen, da man sie schon im nächsten Moment wieder erfasste, und mit enormer Wucht gegen die Decke schleuderte.
 

Die Jägerin spürte, wie warmes Blut aus ihrer Nase lief und ein pochender Schmerz sich in ihrem Kopf breit machte.
 

“Verdammt!“ fluchte sie, rollte sich ab, und brachte es fertig, beim Aufspringen einen Geist in die Ecke zu befördern. Ein kurzer Schwindelanfall verlangsamte sie kurz, und als sie von einer weiblichen Hand an der Schulter gefasst wurde, duckte sie sich, griff dabei nach hinten, und schleuderte den Angreifer über sich hinweg, direkt in zwei Geister, die vor ihr standen.
 

Nur einen Augenblick später sprang Faith hoch, fasste nach dem Gitter, das zum Oberdeck führte, und rüttelte stark daran. Staub fiel ihr entgegen, und nachdem sie kurz husten musste, löste sich das Gitter aus der Halterung und krachte nach unten, wobei die Jägerin sich vor dem Aufprall schützte, indem sie das Teil auch auf die Gestalten zuschoss.
 

Sie wollte gerade eine sarkastische Meldung über die kampfunfähigen Angreifer ablassen, als sie jemand an dem Knöchel fasste, ihr den Boden unter den Füßen weg zog, und sie mit dem Gesicht auf dem harten Boden aufschlug.
 

++++
 

Erie-See,

etwas später

Die Autotüren flogen mit Schwung auf, und Buffy, Andrew und Xander sprangen aus dem Fahrzeug. Ihre Gesichter spiegelten Stress, aber auch Tatendrang wieder.
 

„Verdammt.. es ist stockfinster… ich seh absolut nichts!“ fluchte Xander, und hielt dabei Ausschau nach dem Schiff. Buffy lief an ihm vorbei, überrannte Andrew dabei fast, der ein lautes „HEY.. Vorsicht!“ von sich gab, und blieb kurz vor dem Wasser stehen.
 

„Dort.. !“ schrie sie plötzlich, und riss ihren rechten Arm hoch. Andrew und Xander folgten mit ihrem Blick der Richtung, und machten mitten am See ein altes, leicht blau leuchtendes Schiff aus.
 

„Wie kommen wir dort nur hin?“ fragte Andrew unsicher, und sah Buffy fragend an.
 

„Schwimmen!“ antwortete diese, wurde aber von Xander davon abgehalten, ins Wasser zu

laufen.
 

“WAS?“ schrie sie genervter als eigentlich gewollt. Faith war alleine auf diesem Schiff, und das Schiff war möglicherweise voller aggressiver, seelenloser Wesen. Oder Geister. Sie musste da hinaus, und wenn sie eben schwimmen musste, dann wäre das auch egal.
 

„Dort.. siehst du den Hafen? Nehmen wir ein Schnellboot, das geht schneller, denk ich!“ antwortete Xander ruhig, und ignorierte ihre übertriebene Reaktion. Buffy hatte letztes Jahr viele Jägerinnen verloren, da war klar, dass sie nicht so ruhig bleiben konnte, wie sonst.
 

Buffy nickte und rannte los. Am Steg angekommen, blieb sie kurz stehen, visierte dann eines der größeren Schnellboote an und zeigte es den beiden.
 

„Ich werd es kurzschließen!“ schrie Xander, sprang in das Boot, und wollte schon anfangen, das Armaturenbrett zu zerschrauben, als sich Andrew zu Wort meldete.
 

“Ich will ja dem Handwerker nur ungern seine Arbeit wegnehmen, aber vielleicht liegt dort im Häuschen des Portiers ein Schlüssel.“

Buffy nickte ihm zu, merkte sich die Nummer des Liegeplatz und trat daraufhin die Tür des kleinen Holzhäuschens ein. Nur wenige Minuten später steckte Xander den Schlüssel in das Zündschloss und drehte ihn um.
 

Der Motor heulte auf, hustete kurz, und gab dann ein monotones Dröhnen von sich.
 

„Gib Gas!“ schrie Buffy, die bereits an der Reling stand, und nach dem Boot Ausschau hielt. Xander grinste, sah kurz zu Andrew, der hinter ihm stand, bedeutete ihm mit einem Nicken, dass er sich festhalten solle, und gab dann Gas.
 

++++
 

Wächterhaus,

zur selben Zeit

Giles griff nach dem Türknauf zu seinem Büro im unteren Stock, auf der Suche nach einer alten Schriftrolle, die er hier unten liegen gelassen hatte. Seine Recherchearbeit im Fall des Geisterschiffs schien abgeschlossen zu sein und ihm blieb nur noch übrig die restliche Arbeit Buffy und seinen jugendlichen Freunden zu überlassen – und aufzuräumen. Er hoffte, dass alles gut ging und sich niemand den Fall betreffend geirrt hatte.
 

Er öffnete, als hinter ihm Schritte zu hören waren. Er sah den Flur hinunter und entdeckte Lily.
 

„Oh.. du bist schon zurück?“, Giles knipste ohne in den Raum einzutreten, das Licht an.
 

„Ich musste nur etwas kurz besorgen,“ Lily hob eine Einkaufstüte in die Höhe. „Ist Buffy schon unterwegs?“
 

„Ich schätze sie versuchen in dieser Minute das Rätsel um das Geisterschiff zu lösen.“
 

„Du hast herausgefunden, um was es sich handelt und wie man den Dämon aufhalten kann?“
 

„Es ist ein Mullog-Dämon, der menschliche Seelen frisst, um Kraft für seine Materialisierung zu sammeln.“
 

„Ich kenne diesen Wasser-Dämon. Jedenfalls habe ich schon davon gehört. Er braucht einen Wirt, dessen Körper und Seele er in Besitz nimmt. Aber wie kann man einen Geisterdämon aufhalten?“
 

„Ich war mir nicht sicher, aber als Buffy unterwegs zu Mo war, fiel mir eine alte Schriftrolle ein – ein Teil eines alten Wächtertagebuches. Die darin erwähnte Jägerin kämpfte erfolglos gegen einen Mullog-Dämon. Hier in Cleveland. Ich weiß nicht, wie ich das vergessen konnte..“
 

„Dir ist es noch rechtzeitig eingefallen. Und es liegt sicher eine Ewigkeit zurück.“
 

„Sicher,“ Giles schien nicht überzeugt. „Jedenfalls erwähnte der Wächter, dass ein Mullog seine Opfer zu seelenlosen Geistern verdammt und sie auf seinem Schiff als Sklaven hält, um eine Armee gegen Angreifer zu haben. Seine Geister und er selbst können sich allerdings nur einem physikalischen Kampf stellen, wenn sie sich materialisieren. Hier liegt ihr Schwachpunkt. Falls Buffy und Faith nicht von zu vielen Angreifern erwartet werden, können sie sie mit etwas List und Schnelligkeit ausschalten. Ist ihnen dies gelungen, müssen sie nur noch den Fluch vom Schiff nehmen, mit dem der Mullog ein Schiff belegt, um den vollständigen Besitz über die Seele des Besitzers zu erlangen.“
 

„Und wie sieht dieser Fluch aus?“
 

Giles zuckte mit den Schultern. „Da der Wächter seine Jägerin in diesem Kampf verloren hatte, gibt es keine Aufzeichnungen darüber. Aber ich glaube, wenn Buffy und Faith das Boot in Brand stecken oder es versenken, tut es das auch.“
 

++++
 

Geisterschiff,

Frachtraum

Faith war kurz weggetreten, als sie plötzlich spürte, wie jemand sie erneut an den Füßen fasste. Sie riss benommen ihre Augen auf, versuchte, das Dröhnen zu ignorieren, von dem ihr Kopf erfüllt war, und orientierte sich kurz.
 

‚Okay.. ich befinde mich noch im Frachtraum.. umgeben von verrückten Geistern… da oben ist eine Luke. Ich muss aus diesem Raum raus..’ schoss es ihr durch den Kopf. Schnell zog sie kräftig ihre Füße an sich heran, überraschte damit das Ding, das sie an den Füßen gepackt hatte, und kam frei. Sofort sprang sie hoch, trat dem überraschten Geist in den Magen, sah sich noch einmal kurz um, und sprang dann hoch.
 

Sie ergriff den Rand der Luke, die früher von einem Eisengitter verschlossen war, zog sich hoch, und befreite sich damit aus dem Raum.
 

Sie holte tief Luft, machte dann eine Rolle von der Luke weg, und sprang auf. Sie wollte sich gerade umdrehen und weiter kämpfen, als sie plötzlich einige Lichter auf das Boot zurasen sah. „Oh Gott, ich hoffe das ist B.!“ flüsterte Faith, und bekam im nächsten Moment wieder einen Schlag gegen den Hinterkopf.
 

Schnellboot

„Dort ist Faith!“ schrie Andrew plötzlich, und schreckte Buffy hoch, der erst jetzt aufgefallen war, dass Andrew plötzlich neben ihr stand.
 

„Oh Gott.. sie scheint keine Chance zu haben. Xander, gib Gas!“ schrie die blonde Jägerin, und bemerkte nicht, dass ihr Freund schon längst mit Vollgas fuhr.
 

Als sie dem Schiff nahe genug waren, stellte sich Buffy auf die Reling, nickte Andrew und Xander zu, und sprang auf den alten Fischerkahn, während Xander das Boot bremste, und versuchte, neben dem Aufgang stehen zu bleiben.
 

Buffy landete auf dem alten Boden, und nahm in der Mitte des Decks ein Loch im Boden wahr. Faith lag daneben am Boden, und ungefähr 10 Geister hatten sich rund um sie versammelt. Oder Dämonen.. oder Untote... so recht wusste das Buffy nach Giles Erklärungen nicht mehr.
 

„FAITH!“ schrie die blonde Jägerin, hob ein abgebrochenes Stück Holz vom Boden auf, und lief auf die Gruppe zu. Faith öffnete wieder langsam die Augen, und nun war das Dröhnen zu einem lauten Klingeln geworden.
 

“Oh Gott.. ich fühl mich als hätte ich ne Alkoholvergiftung hinter mir..“, stöhnte Faith auf, bevor sie erkannte, dass sie sich noch immer in Lebensgefahr befand.
 

Ohne wirklich zu erkennen, was eigentlich los war, verschwanden zwei Geister urplötzlich mit einem lauten Schrei aus ihrem Blickfeld, und eine weibliche Hand wurde der dunkelhaarigen Jägerin entgegen gestreckt. Ohne darüber nachzudenken ergriff sie diese, zog sich hoch, und war plötzlich nur 2 Zentimeter von Buffys besorgtem Gesicht entfernt.
 

„Hi, B!“ sagte Faith, und versuchte zu lächeln.
 

„Damit sind wir wohl wieder einmal quitt.“ antwortete diese, zwinkerte der Jägerin zu, und machte sich kampfbereit.
 

++++
 

Wächterhaus,

Flur

„Das klingt kompliziert und sehr anstrengend,“ sagte Lily mit ernster Miene. „Aber ich vertraue auf Buffy und Faith. Die beiden sind sehr fähig.“
 

Giles horchte auf. „Vor einiger Zeit hast du noch etwas anderes behauptet.“
 

„Vor einiger Zeit,“ betonte Lily spitz. „Habe ich weder Buffy noch Faith kritisiert, höchstens ihr Verhalten und das deinige als ihr Wächter.“, korrigierte Lily.
 

Giles gab resignierend nach und beließ es dabei, bevor sie erneut stritten. „Übrigens habe ich heute Mittag ein Memo aus London bekommen,“ wechselte Giles das Thema und ging in sein Büro, um die Schriftrolle schnell zu holen.
 

„Wegen der Prüfung?“, rief ihm Lily nach.
 

„Ja.“, er tauchte wieder im Flur auf, löschte das Licht und schloss die Tür. Für einen Moment genoss er Lilys neugierigen und ungehaltenen Blick, ehe er sie erlöste. „Allerdings erwarte nicht zu viel. Es ist ihnen scheinbar nicht recht ohne unsere Anwesenheit abzustimmen. Zudem ist es im Augenblick etwas unpassend, über dieses Thema ernsthaft zu diskutieren. Es gibt noch immer genug Jägerinnen, aber zu wenige Wächter. Somit wurde die Abstimmung auf unbestimmte Zeit vertagt und die Reifeprüfung, egal welche Jägerin betreffend, ebenso.“
 

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“ Lily blieb auf halbem Weg die Treppe nach oben stehen.
 

„Ich kann mich nicht erinnern, eben einen Witz erzählt zu haben.“
 

„Aussetzen? Einfach so? Und wenn die Abstimmung dafür ist, kämpfen vielleicht 30 Prozent der Jägerinnen ungeprüft gegen das Böse? Du siehst doch gerade was alles passieren kann? Nimm L.A.“
 

Ganz unrecht konnte Giles Lily in diesem Fall nicht geben, trotzdem verspürte er wenig Lust ihr laut zuzustimmen. „Beschlossen ist beschlossen und ich werde mich hüten dagegen etwas zu unternehmen.“
 

„Natürlich, weil es dir entgegenkommt.“ Lily setzte beleidigt ihren Weg nach oben fort.
 

„Nun warte doch,“ Giles ging ihr nach und hielt sie am Ellbogen auf. „Ich habe über deine Argumente nachgedacht.“
 

„Ach?“ Lily zog erstaunt die Augenbrauen nach oben.
 

„Emma hat akzeptiert, was sie ist. Auch wenn sie sich vor kurzem noch dagegen ausgesprochen hatte, so will sie doch von uns lernen, um im Kampf zu bestehen. Das sie bald 18 wird und eigentlich einer brutalen Prüfung entgegensieht, habe ich ihr verheimlicht, um sie nicht noch mehr zu verschrecken. Da stimmst du mir doch zu?“
 

Lily nickte, wenn auch anfänglich mit einem kleinen Zögern.
 

„Das heißt du gibst zu, dass die Prüfung eine abschreckende Wirkung hat, also unmenschlich und brutal ist?“ Mit einem kleinen genugtuenden Lächeln registrierte Giles, dass er Lily mit diesem kleinen Kniff reingelegt hatte, sofern er ihr saures Gesicht richtig deutete. „Wieso können wir dann nicht einfach hergehen und unseren Kollegen einen Kompromiss unterbreiten? Wir behalten die Prüfung bei, falls die Mehrheit dafür ist und wandeln sie ein wenig ab? Sie endet nicht mehr tödlich und im Fall eines Nichtbestehens muss die Jägerin sie wiederholen. So weiß ein Wächter ohne Verlust, wie gut ausgebildet seine Jägerin ist oder nicht und ob es noch Nachholbedarf gibt. Selbstverständlich werden wir auch alle Jägerinnen nachträglich prüfen, die inzwischen 18 geworden sind.“
 

Lily ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen und nickte schließlich. „Du hast wirklich gut darüber nachgedacht, Rupert Giles.“ Sie lächelte verschmitzt. „So gut, dass mir kein Argument dagegen einfallen will.“
 

„Ich habe dich also überzeugt?“, Giles wirkte sichtlich erleichtert.
 

„Und das ganz ohne Streit,“ lächelte Lily nicht ganz unfroh über diesen Umstand und zog Giles, der sie noch immer am Ellbogen hielt mit sich hinauf. „Aber ich wüsste etwas, mit dem du mich mehr als überzeugen könntest.. etwas, dass ich seit das Militär abgerückt ist vermisse....“
 

++++
 

Geisterschiff,

Schiffskabine

Dawn fasste sich langsam mit der Hand gegen den schmerzenden Kopf. Was war hier nur gerade geschehen? Wer war diese mystische Dämonin gewesen? Und warum hatte sie ihr Leben gerettet?

Langsam und mit zittrigen Beinen versuchte sie, aufzustehen. Die Tür, durch die die Krähe geflohen war, stand immer noch offen, und laute Kampfgeräusche drangen von draußen herein. Mit wackligen Beinen und schmerzenden Rücken schleppte sie sich zu der offenen Tür. Benommen blickte sie auf das offene Deck. Ihr blieb fast der Atem weg, als sie erkannte, wie viel Geister sich da draußen befanden.
 

“Oh mein.. Gott!“ japste sie, als sie ihre auswegslose Situation erkannte. Obwohl die Gestalten, gegen die Buffy und Faith vor ihren Augen kämpften, um einiges schwächer wirkten als der Kapitän, mit dem sie es zu tun bekommen hatte, würden sie hier wohl nicht Lebend vom Schiff kommen.
 

Erst jetzt war ihr aufgefallen, dass sich der Raum, in dem sie stand, vollkommen verändert hatte. Neben ihr befand sich eine große, verstaubte Glasscheibe, und ein altes Steuerrad. Dawn konnte nicht glauben, dass sie sich schon die ganze Zeit über in diesem Raum befunden hatte.
 

Sie ließ ihren Blick durch den Raum gleiten, rutschte an die Wand gelehnt zurück auf den Boden, und entdeckte mitten im Raum eine alte Holzkiste.
 

Schnellboot

Andrew knotete das Seil, das Xander ihm zugeworfen hatte, an dem Geisterschiff fest, drückte Xander eines der beiden Schwerter, die er ihm vorher anvertraut hatte, in die Hand und sah ihn lächelnd an.
 

“Da oben ist Krieg..“, sagte Andrew plötzlich. „.. pass auf dich auf!“
 

Xander nickte: "Du aber auch, halt dich lieber hinter mir!" Er umgriff das Schwert, und sprang ebenfalls auf den Geisterkahn. Noch bevor er sich überhaupt umsehen konnte, stand einer der Geister vor ihm, und lächelte ihn gierig an.
 

„Naaahhrung.. hrr!“ murmelte der Angreifer, und Xander nahm Kampfstellung ein. Andrew, der sich gerade bereit machte, aufs Schiff zu springen, erstarrte mitten in der Bewegung, und ließ vor Schreck seine Waffe fallen. Zum Glück landete sie nicht im Wasser, sondern fiel scheppernd ins Boot zurück.
 

Xander ließ sein Schwert herunter sausen, schnitt aber nur durch Luft. Der Geist lächelte, machte einen Salto über ihn, und trat ihn in den Rücken.
 

„Denk an das, was Giles mir erklärt hat,“ rief Buffy über die Köpfe der Geister hinweg zu Xanders Position. „Sie materialisieren sich nur kurz.“
 

„Xander, pass auf!“ schrie Andrew vom Boot. „Dreh dich.. links!“
 

Xander machte ein Rolle, knallte mit dem Kopf gegen ein altes Fass, und stöhnte laut auf. Da hatte ihm Andrew ja einen guten Tipp gegeben.
 

“Los, gegen die Füße!“ schrie Andrew und vergaß ganz sich nach seinem Schwert zu bücken, um Xander zu helfen.
 

Xander sah auf, versuchte ohne Erfolg dem Geist die Füße weg zu treten, und bekam nach einem „VORSICHT!“ von Andrew wieder einen Tritt ins Gesicht.
 

Xander schrie kurz auf, bevor er wieder ein „Los, mach schon.. pass auf.. runter!“ hörte.
 

Xander war genervt. Wieso kämpfte er eigentlich nicht selbst? Ohne weitere Gedanken sprang Xander überraschend auf, erfasste den überraschten Geist, und schleuderte ihn zu Andrew aufs Boot.
 

„Viel Spaß, Kleiner!“ schrie Xander, zwinkerte ihm zu, und wandte sich dann dem nächsten Angreifer zu.
 

Andrew schrie erschrocken auf, wich zurück, und tastete nach dem Schwert , das irgendwo neben ihm liegen sollte. Der Geist selbst schien über den plötzlichen Ortswechsel ein bisschen überrascht zu sein und das nutzte Andrew sofort aus, kaum hatte er das Schwert in seiner Hand. Allerdings...Andrew lief auf ihn zu, stolperte über einen Rettungsreifen, der am Boden lag, und durchbohrte mehr unabsichtlich als gewollt den Fuß des Geistes mit seinem Schwert.
 

++++
 

Geisterschiff,

an Deck

Buffy und Faith standen Rücken an Rücken. Ihr Atem war gleichmäßig und ruhig, ihr Pulsschlag leicht erhöht. Sie konzentrierten sich auf die 14 Geister, die sie in einem Kreis umgaben.
 

„Faith, wieso bist du eigentlich ganz alleine hier her gelaufen ohne zu wissen, was dich erwartet?“, Buffy war nicht ganz frei von jedem Vorwurf in ihrer Stimme.
 

„Hmm.. bin ich eigentlich nicht. Dawn ist mir gefolgt“, antwortete Faith trotzig. Buffy drehte geschockt den Kopf.
 

„Bitte was? Faith.. wo ist meine Schwester?“ fragte Buffy.
 

„Sie ist dort im Führerhaus. Sicher, keine Angst. Die Geister waren alle nur im Frachtraum. Jetzt sind sie alle hier an Deck. Sag mir lieber, wie wir uns diese Biester vom Leib halten,“ fragte Faith und fixierte die Gegner, die sie zwar aggressiv ansahen, aber nicht angriffen.
 

„Hör mir gut zu, Faith. Ich weiß von Giles wie wir die Situation unter Kontrolle bekommen. Aber vorher müssen wir die Opfer dieses Mullog-Dämons los werden. Wenn wir sie nur angreifen können, wenn sie sich materialisieren, dann sollten wir immer zu zweit auf einen Gegner losgehen. Sobald er sich materialisiert, um einen von uns anzugreifen...“
 

„.. schlägt ihn die andere KO?“ vollendete Faith den Satz.
 

„Genau. Dafür müssen wir aber hier aus dem Kreis raus. Bei drei, Richtung Führerhaus. Also.. eins.. zwei.. drei!“
 

Die beiden Jägerinnen drehten sich in die gleiche Richtung, nutzten den Überraschungsmoment aus und glitten durch die nicht materialisierten Körper der Geister, ehe diese begriffen, was passiert war. Sofort wandten sich die beiden Jägerinnen wieder dem Kreis der Geister zu. Beide hoben ihre Fäuste, nickten sich gegenseitig zu, und erwarteten den ersten Angreifer.
 

Xander duckte sich gerade, als Buffy und Faith ausbrachen, trat dem Geist in den Magen und schleuderte ihn gegen das alte Fass. Er war überrascht, wie schnell er reagierte oder wie langsam die Geister dematerialisierten. Ohne weiter zu zögern, hob er das Schwert, und schlug dem Geist einen Arm ab, der daraufhin sich auflöste und wie es Xander erschien direkt vor seinen Augen im Boden verschwand.
 

Gleichzeitig vernahm Xander einen Schrei von Andrew, der durch das Boot stolperte, und es irgendwie geschafft hatte, dem Geist mit dem Schwert ein Auge zu durchbohren.
 

„Andrew.. ist alles in Ordnung?“ rief Xander über die Reling, und machte sich bereit, auf das Boot zu springen.
 

„Ne.. ich.. ich.. ich schaff das schon!“ antwortete Andrew, bevor er sich duckte, um einem Schlag auszuweichen.
 

„Okay!“ antwortete Xander, drehte sich um, und widmete sich einem der Geister, der von Buffy und Faith in seine Richtung flüchtete.
 

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Im Inneren des Geisterschiffs

Dawn kroch langsam und müde auf die alte Holzkiste zu. Sie war überrascht, dass ihre Schmerzen sogar jetzt schon ein bisschen nachgelassen hatten, machte sich aber trotzdem sorgen um Faith und Buffy, die vor der Tür um ihre Leben kämpften.
 

Die Schmerzen in ihrem Kreuz verursachten aber noch immer ein Stechen in ihrem Brustkorb, was ihr das Atmen ziemlich schwer machte. Endlich hatte sie die Kiste erreicht, und in dem Moment, in dem sie ihre Hand auf den Deckel legte, splitterte die Scheibe, die vor dem Steuerrad angebracht war, und ein Geist flog durch die Öffnung und knallte zwei Meter neben Dawn auf den Boden. Einen Moment später dematerialisierte er sich, und sank durch den Boden.
 

„Dawn… ist alles in Ordnung?“ fragte Buffy, die nun bei der Öffnung aufgetaucht war. Dawn hob überrascht den Kopf, und versuchte ihre Schwester so erfreut wie möglich anzusehen.
 

“Oh .. ja. Haltet nur diese Typen von mir fern!“ antwortete Dawn, und lächelte ihre Schwester, mehr gezwungen als wirklich ernst gemeint, an.
 

„Okay.. bleib hier, scheint ja ziemlich sicher zu sein..“ Buffy wurde allerdings unterbrochen, als Faith aufschrie, und Buffy einen der Geister zuschleuderte, bevor sie selbst von einem anderen vom Boden gerissen wurde.
 

„.. aber ich sag dir eins. Zuhause .. wirst du ziemlichen Ärger bekommen!“
 

Dawn nickte, sah ihre Schwester wieder in die Dunkelheit verschwinden, und widmete sich wieder der Kiste.
 

Sie war verschlossen, doch die junge Jägerin erkannte eine Schrift auf dem Deckel.
 

“Vier weiße Mächte wissen, ob du verstehst. Drei weiße Schiffe, um zu sehen, wo du stehst. Zwei dunkle Mächte, zu testen, warum du es bist, drum dreh dich um, und schau, WO es ist.“
 

Dawn verstand nicht. Was wollte man ihr hiermit sagen? Inwiefern sollte ihr das helfen, diese Box öffnen zu können? Ein weiterer Schrei kam von draußen, und wenn sie sich nicht täuschte, war es Andrews Stimme. War er etwa auch hier? Sie hatte ihn vorhin gar nicht gesehen. Sie musste sich beeilen.
 

Dawn ließ ihren Blick suchend durch den Raum gleiten. Es gab hier nichts besonderes, außer das Steuerrad, und den, in echt viel kleineren Schreibtisch, der in der Ecke lag. Die Magie, die diesen Raum vorher derart verändert hatte, musste mit dem Kapitän in Zusammenhang gestanden haben.
 

Das Bild? War auf dem Bild nicht eine Seeschlacht zu sehen? Dawn überwand sich und stand auf, obwohl sich ihre Knie anfühlten, als hätten sich die Knochen in Pudding verwandelt. Wo war dieses Bild gewesen? Dawn versuchte sich, den per Magie kreierten Raum noch einmal vorzustellen. Dort hinten, vor dieser dunklen Wand war der große Schreibtisch gestanden, dahinter hing das Bild.
 

Dawn nickte, und wankte darauf zu. Es war nichts zu sehen? Was musste sie nur tun? Und was, wenn es gar nicht um das Bild ging? Dawn hob die Hand und fuhr über die Stelle, an der das Bild hing.

Plötzlich bildeten sich rechts und links neben ihr weiße Linien an der Wand. Rauch kam aus den leuchtenden Linien, und ein lautes Rauschen erfüllte den Raum bis sich ein Quadrat gebildet hatte. Schrift erschien in der Mitte.
 

„Du Lebst noch, sei stolz drauf. Durch Wände gehen ist nicht schwer, denn dein echter Körper ist ziemlich leer. Du schreibst, du kämpfst, du gehst.. doch alles was du noch hast, ist dass du noch lebst. Du kannst nicht raus, weil sie dort warten. Hast nur eine Chance, jetzt mischen wir die Karten…“
 

Dawn trat mit einem verwirrten Gesichtsausdruck von der Wand zurück. Was wollte man ihr damit sagen? Der Text verschwand und ein weiterer Satz erschien:
 

„Geh zurück, und such dir eine aus. Die Karte sagt dir die Zukunft voraus…“
 

Dawn wankte zurück zu der Kiste, die sich jetzt ohne Probleme öffnen ließ, und erblickte drei Karten, auf denen Abbildungen waren und ein Name stand darauf.
 

Sie bückte sich und nahm sie mit zitternden Händen aus der Box. Ihre Gedanken rasten. Was war das hier? Machte sie wirklich etwas schlaues?
 

Sie betrachtete die Karten, die sie nun in den Händen hielt.
 

„Die Amazone, Die Braut und Der Schlüssel.“ ... Dawn wusste nicht weiter. „Verdammt.. ich weiß nicht was ich damit machen soll!“ schrie sie, und warf die Karten wieder in die Kiste.
 

Wieder erschien ein Text auf der Tafel.
 

“Du spielst nicht Karten? Na dann musst du wohl noch warten. Geh zurück und schau ins Licht, was siehst du dann, was siehst du nicht?“
 

Dawn verlor die Nerven. Was sollte der Mist. Zurück? Licht? Keine Ahnung. Sie griff noch einmal in die Box, schnappte sich ohne nachzudenken die Amazone, und knallte sie auf die Tafel.
 

„Das Raten ist wohl auch nicht deins. Die Amazone ist es nicht, steht sie doch nie im Licht. Du selbst, hör auf dein Gefühl. Du hast noch ne Chance, verspiel sie nicht.“
 

++++
 

Auf Deck

„BUFFY, pass auf!“ schrie Faith und Buffy duckte sich unter einem Geist hinweg, den Faith mit einem Tritt in den Magen auf Buffy zu geschleuderte hatte.
 

„Also ich will ja nicht meckern..“, sagte Faith, trat nach dem Geist, und stolperte nach vorne, als ihr Fuß ins Leere ging. „Aber irgendwie kann man die nicht töten!“
 

„Das ist mir auch schon aufgefallen!“ antwortete ihr Buffy, die plötzlich wieder genau hinter ihr stand. „Aber davor hat mich Giles ja gewarnt. Man kann nichts töten, was schon tot und ein Geist ist. Was machen wir jetzt!“
 

„Wir machen weiter, bis wir einen Weg gefunden haben, diese Dinger wenigstens solange auszuschalten, bis wir ans Ufer kommen.“
 

Xander wich wieder einem Schlag aus, verlor dabei das Gleichgewicht, und knallte auf den Boden. Er wurde langsam müde, er hatte nicht die Kraft einer Jägerin.
 

Er drehte sich um und trat dem Geist fest in den Magen. Dieser verlor das Gleichgewicht, knallte gegen die Reling und fiel schlussendlich ins Wasser.
 

Andrew wich den Schlägen seines Geistes noch immer aus, dem schon ein Auge fehlte, und der ein großes Loch im Fuß hatte. Andrew sprang über einen der Sitze hinweg, drehte sich um, und trat seinem Angreifer ins Gesicht. Dieser schrie auf, fasste sich auf die anscheinend gebrochene Nase, sah Andrew noch einmal entsetzt an, und flüchtete plötzlich an Xander vorbei in das Innere des Schiffes.
 

Doch als wäre der eine Geist für ihn nicht schon genug gewesen, tauchte plötzlich aus dem Wasser ein weiterer auf, der an Bord kletterte und Andrew einen festen Schlag ins Gesicht versetzte. Benommen fiel er nach hinten.
 

++++
 

Schiffsinnere

„Licht.. Licht.. Eine Braut steht im Licht. Ja.. es ist die Braut!“ schoss es Dawn durch den Kopf. Sie bückte sich, holte die Karte herauf, und wollte sie schon auf die Tafel legen, als es ihr plötzlich wie ein Blitz durch den Kopf schoss. Sie selbst. Licht. Schlüssel. Verdammt, es war doch ganz einfach.
 

Dawn ließ die Braut fallen, nahm die Schlüssel-Karte, und drückte sie gegen die Wand. Die gesamte Tafel begann nun zu leuchten, und Dawn wurde durch den ganzen Raum geschleudert. Ein lauter Schrei kam aus dem Bauch des Schiffes und ließ es erbeben. Buffy, Faith, Xander und Andrew hoben überrascht ihre Köpfe, als sich die Geister, einer nach dem anderen, vor ihren Augen auflösten.
 

Dawn sah überrascht auf. „Gott.. was war das?“ sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, und versuchte tief Luft zu holen. Es herrschte plötzlich eine unheimliche Stille an Bord, und in dem Moment, in dem sich Buffys Schwester aufrichten wollte, erschien wieder ein Geist vor ihr, der Geist des Kapitäns – nur trug er jetzt die Kleidung eines Fischers.
 

Dawn konnte nicht anders, sie musste schrill schreien. Doch etwas war anders, er hatte keinen bläulichen Schein mehr. Er schien.. eher golden.
 

„Hey.. Mädchen, beruhige dich bitte.“ Der Geist schwebte vor ihr und sah sie freundlich und liebevoll an.
 

„Wa.. was sind sie?“ stotterte Dawn.
 

„Mein Name ist Raynolds, ich war der Kapitän dieses Schiffes. Vor langer Zeit hat ein Dämon von meinem Körper und von meiner Seele Besitz ergriffen und mich dazu verdammt ihm immer neue Nahrung anzulocken. Aber du hast uns alle befreit. Du bist eine Heldin.“ Sagte er, und kniete sich zu ihr herab. „Herzlichen Dank, schöne Maid!“ sagte er lächelnd, beugte sich nach vorne und gab Dawn einen Kuss auf die Stirn.
 

Plötzlich änderte sich sein freundlicher Gesichtszug, und er legte ihr seine Hand auf die Stirn. „Es tut mir leid.. für alles was war, und für das, was noch kommen wird!“ sagte er besorgt, und vor Dawns Augen wurde alles schwarz.
 

++++
 

Irgendwo – Dunkelheit.....

und dann...

Eisiger Wind umspielte ihren Körper, als Dawn die Augen aufschlug. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand. Sie lag auf dem Boden und als sich Dawn langsam um sah erkannte sie erleichtert ihre und Buffys Wohnung. Aber etwas war anders!
 

Dawn erhob sich vorsichtig vom Boden, und versuchte mit wackeligen Beinen aufzustehen. Ein dunkles, schwarzes Seidenkleid hüllte ihren Körper ein, der von einer Gänsehaut übersäht war.
 

Als erstes bemerkte Dawn die Risse in den Wänden, als sie ihren Blick durch die veränderte Wohnung gleiten ließ. Möbelstücke lagen Kreuz und Quer herum und die Fensterscheiben waren zerbrochen. Ein starker Wind wehte durch das Appartement.
 

Was war hier nur los? Wieso war sie ganz alleine? Wie war sie hier überhaupt her gekommen? Sie war doch gerade eben noch auf diesem Geisterschiff...
 

Ein Beben brachte das Gebäude ins Wanken und der Boden unten Dawns Füssen erzitterte. Sie versuchte sich an der alten Kommode aufzufangen, die allerdings unerwartet den Platz gewechselt hatte und Dawn stürzte nach vorne gegen die Wand. Sie spürte den dumpfen Schmerz kaum, als sie herumdrehte, um nachzusehen, was passiert war.
 

„OH MEIN GOTT!“ entfuhr es ihr laut, als sie mit geweiteten Augen feststellte, dass eine Wand des Wohnzimmers fehlte und der Raum einfach in der Mitte abgebrochen war, was ihr einen freien Blick auf die Außenwelt eröffnete.
 

Langsam schritt sie auf den Abgrund zu, wobei der Wind immer stärker wurde. Regen ergoss sich wie aus Eimern vom Himmel, und Dawn glaubte zu erkennen, dass die Straßen sich schon in halbe Bäche verwandelt hatten.
 

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und Sekunden später durchbrach der Donner das monotone Prasseln des Regens.
 

Als sie endlich an dem Abgrund angekommen war, erhaschte sie einen Blick in die Innenstadt von Cleveland, die in Flammen stand.
 

Immer mehr Blitze zuckten über den Himmel und gaben ihr die Möglichkeit, die Masse an Menschen zu sehen, die unter ihr und in einiger Entfernung auf den Straßen vor den Naturgewalten flohen.
 

„Was ist hier nur passiert?“ flüsterte Dawn leise, wobei ihre Augen feucht wurden. Sie war kurz davor, hysterisch zu werden, und sie hatte auch jeden Grund dazu.
 

Plötzlich hörte sie einen lauten Knall, woraufhin ein leises Zischen folgte. Dawn wandte den Blick von der Innenstadt ab und folgte dem Geräusch, bis sie den Erie-See erblickte, beziehungsweise das, was von ihm übrig geblieben war.
 

Das Wasser war in einem breiten Spalt, der sich durch das Seebett zog, verschwunden, und sie erkannte dunkle Umrisse, die sich zu bewegen schienen. Was war das bloß? Waren das Lebewesen UNTER dem See? Oder spielten ihr ihre strapazierten Nerven nur einen bösen Streich?
 

Ein weiteres Beben ließ die Erde erzittern und hätte sie dabei fast in die Tiefe befördert, wäre sie nicht nach hinten gesprungen, und dabei auf ihrem Hinterteil gelandet.
 

Ein weiterer lauter Knall peitschte durch die Nacht, und ein lautes Knurren folgte sofort. Sie konnte ihren Augen nicht glauben. Der See war weiter aufgebrochen, und neben der enormen Wasserfontäne schoss ein gigantisches Etwas aus dem Zentrum in die Höhe.
 

Dawn schrie auf und stieß sich nach hinten ab – nur weg von diesem Ding. Sie zweifelte immer mehr an dem, was sie sah oder zu sehen glaubte, als sie in diesem Etwas einen Reiter erkannte, der auf einem gewaltigen Ross saß. Wasser tropfte von seiner Kleidung und vom Fell des Pferdes. Er schien über die Stadt auf seinem Pferd durch die Luft zu galoppieren und auf einmal waren plötzlich drei weitere, schemenhaftere Gestalten neben ihm aufgetaucht.
 

Als Dawn erkannte, dass sie auf ihr Gebäude zusteuerten, wurde sie von Panik ergriffen und sie schaffte es endlich, aufzustehen. Auf einmal stand Buffy neben ihr, doch etwas stimmte noch immer nicht. Dawn konnte durch Buffy hindurch sehen, erkannte die Konturen der Kommode, die neben ihr stand. Und Buffy starrte gefasst auf einen der schemenhaften Reiter und reagierte nicht auf Dawns Rufe.
 

Rechts neben Dawn war plötzlich Faith aufgetaucht, und ihr rotes Seitenkleid wehte im Wind. Sie hatte eine versteinerte Miene obwohl ihr Tränen über die Wangen liefen. Auch sie fixierte einen anderen Reiter, reagierte aber auch nicht auf die anderen. Als Dawn einen weiteren Schritt zurück machte, stand Kennedy neben ihr. Ihr Gesicht war besorgt, aber kampfbereit.
 

„Was soll das, redet mit mir!“ schrie Dawn, hatte aber keinen Erfolg.
 

Das Gebäude erzitterte wieder, und ein Teil der Decke brach durch. Direkt neben ihr landete ein schwerer Holzbalken, woraufhin Dawn einen schnellen Sprung zur Seite machte.
 

Die Gestalten schrieen mitten im Flug auf, und das einzige, das Dawn in diesem Moment verspürte, war Angst. Reine Angst. Die Welt war gerade dabei unterzugehen, und sie konnte absolut nichts dagegen unternehmen.
 

Da stand auf einmal Kapitän Raynolds neben ihr, und sah zuerst sie, und dann Cleveland besorgt an. "Einer kam über sie, und alles, was nach dem Beben zurück blieb, war reine Erde.."
 

Sie ließ einen gellenden Schrei los, als die Reiter das Haus rammten, und riss die Augen auf, nachdem es in sich selbst zusammengefallen war. Angstschweiß stand ihr auf die Stirn, und ihr Atem ging viel zu schnell und unregelmäßig. Aber sie starrte wieder die alten Holzplanken des Schiffes an.
 

Ihr lag nur eine Frage auf der Zunge: „Oh Gott.. was war das?“
 


 

Grrrarrrghhhhh

Folge 12: We'll Always Have Sunnydale

Länge: ca. 50 Seiten

Autor: Cthulhu

Co-Autoren: Mel, Hope, lion, White Magic, Yamato

Bilderstellung: Hotwitch & Mel
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Weatherby klaut den Talisman aus dem Hochhaus. - 8.02

Die Krähe taucht aus dem blauen Licht in der Lagerhalle auf. – 8.02

Der Talisman wird an Samielle weitergegeben. – 8.02

Die Krähenfrau tötet die Wahrsagerin Sina – 8.07

Die Krähe manipuliert mit Magie die CD-ROM, die der Gang ziemlich vieles über den HtoGrom-Clan verrät – 8.08

Die Krähe versucht nachts in Willows Zimmer einzudringen. – 8.11

Samielle greift in ihrer menschlichen Gestalt Buffy am Hafen an. Buffy realisiert, dass die Frau die Münzen sucht. – 8.11
 

Faith und Dawn betreten das Geisterschiff. – 8.11

Dawn wird von dem besessenen Geist des Kapitäns angegriffen – Umschnitt – Samielle steht plötzlich zwischen ihr und dem Geist – Umschnitt – der Kapitän liegt bezwungen am Boden. Samielles Stimme über diese Szenen: „Ich hab dir nur das Leben gerettet, weil das meine Aufgabe war. Aber glaube nicht, dass ich dein neuer Schutzengel bin. Du wirst mich schon noch kennen lernen--- so richtig!“ – 8.11
 

In schneller Abfolge sieht man Willow im Schlaf, kurz darauf wieder in Silent Hill in die Schaufenster-Scheibe blicken, man sieht Kim, es folgt rasch Faith Kampf in der Lagerhalle, Willow kippt in ihrem Studentenzimmer nach vorne über. Rasche Blende zu Kennedy, die Warren gegenübersteht und er sie mit dem Schwert verletzt. Willow in der Kugel von D’Hoffryn gefangen, sie hat Schmerzen, sie blutet an derselben Stelle wie Kennedy. Rasche Blende zu Willows Vision über Emmas Notsituation....
 

Buffy steht vor ihren Freunden in der Bibliothek und erfährt, dass alle von Angels Rückkehr wissen – Überblende – Giles und Buffy in seinem Büro. Giles zu Buffy: Aber leider muss ich dich daran erinnern, dass mich Angel gefoltert hat. Viele Stunden lang. Nur zum Vergnügen. Du hättest mir sagen müssen, dass er wieder da ist. Du respektiertst weder mich, noch die Arbeit die ich mache.“ – 3.07
 

Giles: „Dies ist eine Prüfung. Die Jägerin muss sich ihr unterziehen wenn sie... nun, sofern sie je ihren 18. Geburtstag feiert. Die Jägerin, äh, wird ihrer Kräfte beraubt... und dann zusammen mit einem besonders gefährlichen Vampir eingeschlossen. Äh, sie muss ihn besiegen um die Prüfung zu bestehen.“

Buffy steht auf und wirft das Etui nach ihm, trifft aber nur die Wand neben ihm. „Sie Mistkerl!“ – 3.12
 

Giles auf Buffys Party zum 19. Geburtstag. Buffy schleppt Riley an.

Buffy zu Giles: “Uhm, das ist Riley Finn. Mein Freund!"

Giles wirft Buffy einen erstaunten Blick zu.

Riley: "Ich freue mich sie kennen zu lernen, Mr. Giles. Haben sie das gedeichselt? Das war ne echte Überraschung."

Giles: zu Riley "Es folgen noch viele. Uh... seit wann kennt ihr euch?" – 4.12
 

SCHNITT zu:

Giles, Xander und Willow in einer Gruft, auf der Suche nach einem Dämonenprinz. Der jedoch nicht da ist. Willow: " I-ich glaube die Initiative hat das erledigt."
 

Schnitt

Giles: "Wer?"

Xander: "Oh, Riley und seine Jungs. Die waren vermutlich schon vor uns hier."

Giles: "Stop. Moment ihr beiden, ja? Was erzählt ihr mir da? W-w-was ist die Initiative? Was uh, was in aller Welt hat Buffys neuer Freund damit zu tun?"

Giles lässt den Lichtstrahl der Taschenlampe in die Höhe wandern, um Willow und Xander damit anzuleuchten, die einen nervösen Blick austauschen.

Willow: "Sie wissen es. Sie müssen es wissen. Riley ist - einer von den Soldaten."

Giles: außer sich "Was?! Na das ist ja einfach fabelhaft." Er wendet sich von ihnen ab. "Und ich verbringe Wochen mit der Suche nach... nach ein paar Informationen über unsere mysteriösen Dämonenjäger und ihr sagt mir nicht mal, dass Buffy mit einem von denen zusammen ist? Wer weiß das noch?" Er blendet sie wieder mit dem Lichtstrahl.

Xander: "Niemand! Niemand sonst weiß es." Pause. "Nur Anya, das ist alles."

Willow: vorsichtig "Und Spike."

Giles: aufgeregt und aufgebracht "S-P-I-K-E?! Spike weiß es auch?"

Xander: "Ja, nur die allgemeine Dinge. Also das Riley zu dem Laden gehört und Professor Walsh das Sagen hat."

Giles: entsetzt und noch aufgebrachter "Professor Walsh!? Dieses Fischweib?"
 

SCHNITT zu:

Buffy und Giles in seiner Wohnung. Er installiert einen Anrufbeantworter mit Telefon. Buffy zu Giles: "Es tut mir echt leid Giles. Ich dachte sie wüssten das mit Riley und der Initiative. Und ich weiß, dass ihnen das nicht hilft. Ich versprech ihnen, dass so etwas nie wieder geschieht. Ich werde ihnen immer alles erzählen." – 4.12
 

Giles: „Aber ich habe geschworen diese arme Welt zu beschützen, und manchmal bedeutet das etwas zu sagen oder zu tun... was andere Leute nicht können. Was sie nicht müssen sollten.“

Buffy: „Wenn Sie versuchen ihr wehzutun, wissen Sie, dass ich Sie aufhalten werde.“ – 5.22

Buffy greift nach der Türe: „Ich denke es gibt nichts, dass Sie mich noch lehren könnten.“, und schließt die Türe vor Giles’ Nase. – 7.17
 

Buffy's Auseinandersetzung mit Giles, nachdem sie ihm das Handbuch der Jägerinnen schenkte: "Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist, oder mehr das einer Verpflichtung.“ - 8.04
 

Giles und Buffy abgekämpft im Labyrinth. Buffy zu Giles: „Sie haben schon verstanden. Sie haben immer irgendwelche Gründe gehabt, um Dinge zu tun. Aber Sie haben sie mir nie genannt oder richtig erklärt. Wieso Sie z.B. auf einmal Sunnydale verlassen mussten, um nach England zurückzukehren, wieso Sie auf einmal beschlossen haben wieder in mein Leben zu treten, um hier in Cleveland den großartigen, großzügigen Wächter zu spielen ...“ Blende - „Wieso sind Sie noch hier? Hier in Cleveland, wo doch in London so großartige Aufgaben auf Sie warten – der Aufbau, das Lenken und Manipulieren von willigeren Jägerinnen, als ich je eine war.“ – 8.07
 

Eine Rasche Bilderflut von Buffys bisherigen Geburtstagskatastrophen:
 

Der 17. Geburtstag: Die Überraschungsparty aus der zweiten Staffel – alle warten auf Buffy – Buffy bricht im Kampf mit einem Vampir durch die Wand. Cordy springt aus dem Versteck und ruft Überraschung – Schnitt die Hand des Richters schließt sich um Buffys Hals – Buffy und Angel verabschieden sich am Hafen – Überfall – Buffy und Angel schlafen miteinander – Schnitt Angelus erwacht im Regen – Schnitt – Jenny wird im Beisein von Giles entlarvt – Jennys toter Onkel – Sieg über den Richter – Kampf zwischen Buffy und Angelus.
 

Der 18. Geburtstag: Buffy erzählt ihren Freunden von der Tradition mit ihrem Vater – an ihrem Geburtstag zu Holiday on Ice zu gehen – Buffy erfährt von Joyce, dass ihr Vater abgesagt hat , aber die zwei Karten geschickt hätte – Buffy bei Giles, sie fragt ihn indirekt mit zu der Vorführung zu gehen, doch er hat nur die Übungsstunde im Kopf – Giles spritzt Buffy etwas – Buffy im Kampf gegen einen Vampir ohne Kraft – Giles spricht mit Quentin über die Reifeprüfung – Buffy im Kampf gegen Kralik – Nach dem Kampf in der Bibliothek wird Giles entlassen und Quentin spricht offen über Giles väterliche Gefühle für Buffy.
 

Der 19. Geburtstag: Gelungene Überraschungsparty an der Uni – Giles trifft auf Ethan – sie betrinken sich – am nächsten Tag ist Giles dank Ethan zu einem Dämon mutiert – Buffy jagt ihn, weil sie glaubt er habe Giles etwas angetan – sie findet Ethan und überrumpelt den Giles-Dämon – bevor sie ihn töten kann, erkennt sie ihn an seinen Augen.
 

Der 20. Geburtstag: Kleine Feier mit ihren Freunden, Buffy erwähnt traurig Rileys Weggang – Plötzlich steht Dawn mit blutigem Arm im Raum, sie weiß, wer sie ist – Dawn läuft weg – Dawn trifft Glory im Krankenhaus – Buffy und die Gang kämpfen hart gegen Glory, um Dawn zu retten.
 

Der 21. Geburtstag: Buffy kämpft gegen einen Dämon, der unbemerkt von Buffy nach ihrem Sieg in sein Schwert hineinsickert, da Buffy mitnimmt – Dawn spricht mit der Schulpsychologin und äußert den Wunsch, dass sie am liebsten niemals mehr alleine sein wollte - es gibt eine Party zu Hause bei den Summers – Spike, Clem, eine Kollegin von Buffy und ein Kollege von Xander sind auch dabei – alle amüsieren sich gut – der erst will gehen und kommt irgendwie nicht los. Ähnliches geschieht mit Xander und Anya die seit Ewigkeiten los wollen um Nachschub an der Tankstelle zu kaufen – sie realisieren im Haus gefangen zu sein – der Dämon befreit sich aus dem Schwert und greift an – Dawn erzählt von der Schulpsychologin – Xanders Kollege wird von dem Dämon verletzt – Anya erkennt Halfreks Werk - Halfrek löst den Wunsch auf.
 


 

Teaser
 

Cleveland

Stadtmitte, ein Café

Nachmittag
 

Die Sonne schien warm und einladend auf Cleveland hinab. Natürlich war dies der Anlass für viele, sich draußen zu zeigen, trotz der nicht unbeachtlichen Schneemassen, die noch auf den Straßen lagen. Oder vielleicht gerade deshalb, schließlich war Cleveland die letzten Wochen hindurch nicht gerade von der Sonne verwöhnt gewesen.
 

Buffy ließ einen nachdenklichen Blick über die Menschen schweifen, die sich auf den Straßen aufhielten. Die meisten lächelten. Hier und da alberten ein paar Kinder herum. Ein Paar hielt Händchen, während es über den Bürgersteig schlenderte. Der Anblick versetzte Buffy einen leichten Stich, obwohl sie eigentlich gehofft hatte, langsam über ihre Probleme hinwegzukommen...zumindest, was Beziehungen anging. Es musste doch irgendwie möglich sein, sich damit abzufinden, dass all ihre Bemühungen diesbezüglich in Katastrophen endeten...die Idee war allerdings genau so dämlich, wie sie sich anhörte..
 

"Und? Wie gefällt’s dir?", hörte sie plötzlich eine Stimme neben sich.
 

Buffy fuhr zusammen und wirbelte auf ihrem Stuhl herum. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, wo sie war. Ihr gegenüber saß Willow und beide befanden sich in einem kleinen Straßencafe.
 

"Was?" entfuhr es Buffy.
 

"Die Kette", erwiderte Willow und hielt eine dünne Silberkette hoch, an deren Ende ein kleiner blauer Stein baumelte. Wenn sie bemerkt hatte, dass Buffy mit den Gedanken ganz woanders gewesen war, so ließ sie es sich nicht anmerken.
 

„Oh... hübsch. Von wem hast du es gleich noch einmal geschenkt bekommen?“ Ein wenig schämte sich Buffy für ihre Geistesabwesenheit. Immerhin war das endlich mal wieder eine Gelegenheit, sich mit ihrer besten Freundin auszusprechen und vielleicht ein wenig zu entspannen. Da sollte sie zumindest ansprechbar sein.....
 

"Kennedy. Du....stehst ein bisschen neben dir heute. Was ist los?" Besorgnis zeigte sich in Willows Gesicht, was Buffy sonderbarerweise freute. Es gab immerhin jemanden, der sich Sorgen um sie machte.
 

Buffy seufzte. "Wo soll ich da anfangen? Mir geht so vieles im Kopf rum."
 

Willow lächelte aufmunternd. "Noch immer Probleme Ordnung in dein Leben zu bringen?“ Willow erinnerte sich ungern an das Gespräch mit Buffy, als ihre Freunde sie zum ersten Mal im Studentenwohnheim besucht hatte. Es war ein seltsamer, bitterer Nachgeschmack geblieben. „Am besten du fängst irgendwo an. Keine Angst, Briefkastentante Willow hört zu."
 

Buffy musste nun ebenfalls lächeln, wenn es bei ihr auch etwas gequält aussah. Willow hatte einfach reden... schon bei ihrem letzten, ernsten Gespräch über das Thema, waren Willows Ratschläge praktisch gewesen, aber keineswegs die Art von Vorschlägen, die Buffy hatte hören wollen. "Ich weiß nicht so recht... das meiste von dem, das mir Probleme bereitet, weißt du ja inzwischen. Es ist so schwierig sich für einen Weg zu entscheiden. Oder wie es weitergehen soll. Und damit meine ich jetzt mal nicht die Jagd auf Vampire oder den passenden Job für mich."
 

"Sondern?" Willow nahm ein Stück von dem Kuchen, der auf einem kleinen Teller vor ihr stand. Buffy hatte ebenfalls ein Stück Kuchen vor sich stehen, doch war dieses schon ziemlich zermatscht, da Buffy es geistesabwesend mit ihrer Gabel massakriert hatte. Offensichtlich ging das Gespräch doch in eine etwas andere Richtung.
 

"Mit mir. Ich bin jetzt über 20, in ein paar Tagen wieder ein Jahr älter und ich hab noch nichts erreicht. Verhinderte Weltuntergänge jetzt mal ausgenommen. Sogar Dawn verdient schon Geld. Und ich mach eigentlich den ganzen Tag nichts anderes als auf die Nacht zu warten, damit ich meine Pflicht tun kann."
 

"Also willst du dir nen Job suchen?"
 

Buffy hob die Schultern. "Na ja, das Thema hatten wir ja schon. Und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich das noch will. Vielleicht würde ich auch gern wieder aufs College gehen. Aber da hätte ich das gleiche Problem – welche Fachrichtung wäre die beste für mich?“
 

Willow nickte verständnisvoll. "Also kannst du dich nicht entscheiden. Wenn du meine ehrliche Meinung hören willst....ein Job würde besser zu dir passen. Du warst ja recht gut auf dem College und ich würde mich freuen, wieder mit dir zusammen zu studieren, aber eigentlich bist du doch eher jemand, der die Dinge direkt anpackt."
 

"Meinst du Buffy oder die Jägerin?"
 

"Beide natürlich."
 

"Also rätst du mir zu nem Job...aber zu welchem? Ich möchte nicht wieder so eine Katastrophe wie beim Doublemeat Palace erleben."
 

"Wer will das schon...ich hatte noch wochenlang Albträume von diesem widerlichen...."
 

"Gestank. Der Geruch in der Küche war schlimmer als jeder Dämon, glaub mir." Buffy musste nun doch zumindest schief grinsen.
 

"Zurück zu deinen Sorgen....was ist denn mit Giles?" Willow klang vorsichtig. Sie wusste, dass Buffy dieses Thema gar nicht mehr gerne anschnitt. Aber einen Versuch war es erneut wert.
 

Buffy hatte sich kurz den noch erkennbaren Resten ihres Kuchens zugewandt, blickte aber nun auf. "Was soll mit ihm sein?"
 

"Na ja.... er hatte dir einen Job angeboten! Ich meine, das wär doch wirklich ideal. Zumindest ein Beruf, der dir nie in die Quere kommt, wenn es um die Jagd geht."
 

"Ach das meintest du...ja schon, aber irgendwie ist mir die ganze Sache mit dem Rat immer noch nicht geheuer."
 

"Das weiß ich doch. Aber gerade dann könntest du auch ein Auge auf die Dinge haben."
 

Buffy schüttelte zögernd den Kopf. "Ich weiß nicht. Giles und ich sind...im Augenblick nicht das, was man beste Freunde nennt. Denkst du, ich kann jetzt einfach so bei ihm hereinschneien und sagen: Hey Giles, alles vergeben und vergessen, ich arbeite für Sie, geben Sie mir Geld?"
 

Willow musste grinsen, aber ihr Gesicht wurde ziemlich schnell wieder ernst als ihr einfiel, von wem ein solcher Satz auch hätte kommen können. Buffy kam der gleiche Gedanke und für einen Moment versanken beide in Schweigen, mit ihren Kuchenstücken beschäftigt.
 

"Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt genau machen soll," fing Buffy dann wieder an, "Ich verspreche dir, dass ich mir die Sache mit Giles durch den Kopf gehen lasse. Aber das wird keine leichte Entscheidung."
 

"Keine Entscheidung ist leicht. Das wissen wir doch alle."
 

Buffy nickte. "Aber trotzdem....wär es nicht manchmal klasse, wenn man vorher wüsste, was passiert, wenn man sich für etwas entscheidet?"
 

Nun war es an Willow, den Kopf zu schütteln, allerdings weitaus energischer.

"Ganz bestimmt nicht. Wenn du immer genau wüsstest, was passiert, würdest du gar nichts mehr entscheiden wollen. Alles hat zwei Seiten. Und leider hat jede Entscheidung ihren Preis...."
 

"Ja, leider....", plötzlich hielt sie inne. Es mochte blinder Alarm sein, aber sie hatte das Gefühl, dass sich etwas in ihrer Nähe befand. Etwas.... Gefährliches, etwas, das nicht von dieser Welt war.
 

Doch so schnell das Gefühl gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder.
 

Willow schaute Buffy fragend an und diese hob die Schultern.
 

Keine der beiden Frauen bemerkte die große Krähe, die sich nicht weit entfernt in die Luft schwang.
 

++++
 

Irgendwo in der Nähe von Cleveland

Eine Lagerhalle bei Nacht

"Ich frage mich, wie lange die Prozedur noch gehen soll", murmelte die in eine dunkle Kutte gehüllte Gestalt, die neben Weatherby stand.
 

Ihre Worte bezogen sich auf Samielle, die in der Mitte auf dem Boden saß, um sie herum ein komplexes geometrisches Muster, welches sie mit ihrem eigenen rotschwarzen Blut auf den Boden gezeichnet hatte.
 

Der Mund der Dämonin bewegte sich fast lautlos, nur jemand, der direkt neben ihr stünde, würde die unmenschlichen Laute vernehmen, die aus ihrer Kehle drangen.
 

Weatherby zuckte mit den Schultern. "Ich hab damit nichts zu schaffen. Magie und der ganze Okkultismuskram ist überhaupt nicht mein Fall, ich bevorzuge eher...."
 

"Handfeste Aufgaben?" vollendete die verhüllte Gestalt und ein Lächeln schwang in ihrer Stimme mit.
 

Weatherby nickte. "Genau das. Obwohl mich schon interessieren würde, was unsere dämonische Freundin da veranstaltet. Mit mir spricht sie ja kaum." Was ihm eigentlich auch ganz lieb war...
 

"Na ja, sie meinte etwas von 'Einer einzigartigen Möglichkeit, die Jägerin auszuschalten.' Da unser Plan mit den Münzen gescheitert ist, lasse ich sie gewähren. Sie hat vorhin bereits einen Zauber gewirkt und den will sie jetzt verlängern. Wobei ich mich trotzdem frage, weshalb das so lange dauert."
 

Weatherby überlegte kurz, bevor er eine Idee zum Besten gab: "Vielleicht muss das Ritual so lange dauern wie der verlängerte Zauber wirken soll?"
 

Trotz der Holzmaske, die seine Begleitung trug, war der Blick, den sie ihm zuwarf, nicht sonderlich angenehm. "Dann säßen wir wohl nächste Woche noch hier und das wollen wohl weder Sie noch ich."
 

Genau in diesem Moment geschah etwas. Es war nicht wirklich greifbar, keine blitzenden Lichter oder Geräusche, aber die Atmosphäre im Raum veränderte sich spürbar.

Die Schatten schienen länger und dunkler zu werden. Ja, es war, als senkte sich eine kaum fassbare Düsternis über die Lagerhalle.
 

Weatherby spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Für einen Augenblick glaubte er, keine Luft mehr zu bekommen.
 

Das Licht flackerte...um Sekunden später um so heller zu erstrahlen.

Ein Wispern zog durch den Raum, lockend mit Wissen, das zu unfassbar für den menschlichen Geist war, doch auch zu verlockend, um ihm zu widerstehen...doch es währte nur den Bruchteil einer Sekunde und dann war alles wieder beim alten.
 

Weatherby schüttelte sich, bemüht, die Eindrücke der letzten Augenblicke abzuschütteln, während Samielle sich langsam erhob. Als sie aus dem Muster schritt, löste sich letzteres in Nichts auf.
 

"Es ist vollbracht", sagte die Dämonin zur verhüllten Gestalt.
 

Jene nickte, bevor sie fragte: "Was genau ist vollbracht? Durch was wird die Jägerin in Gefahr gebracht? Was soll sie ausschalten?"
 

Samielle lächelte kalt, als sie antwortete: "Sie wird sich selbst vernichten."
 


 

Akt 1
 

Einkaufszentrum. Games In.

Einen Tag später.

Später Nachmittag

"Dieses Zufallsprinzip ist doch total hirnrissig! Jedes Kampfmanöver hat eine bestimmte Geschwindigkeit, das ist doch auch in Wirklichkeit so. Die einzigen Modifier sind die Dexterity des Kämpfers, seine Waffe und dann eventuell noch die Umgebung! Es ist einfach unlogisch, das dem Zufall zu überlassen!"
 

"Nein, das find' ich überhaupt nicht! In der Realität entscheidet oft der Zufall, also ist das Initiative Würfeln sehr wohl sinnvoll. Ich würd' die beiden Systeme einfach miteinander kombinieren. Die Manövergeschwindigkeit als Basis, die Dexterity des Kämpfers, die Waffe, und die Umgebung als Modifier, und dann den Initiativewurf als weiteren Modifier, um das Zufallsprinzip noch mit rein zu bringen..."
 

Buffy bemühte sich gar nicht erst, das Fachgesimpel der beiden Rollenspielfreaks zu verstehen. Sie hatte ohnehin das Gefühl in einer anderen Welt gelandet zu sein. Regale voller Comics und Taschenbücher mit Elfen und Echsenmenschen auf den Covers, DVDs, Actionfiguren, Modellbaukästen für mittelalterliche Schlösser und futuristische Raumschiffe, diverse Schaumstoffwaffen, bunte Kostüme und Kettenhemden, und als Krönung des Ganzen ein großer roter Gipsdrache, der sich neben der Eingangstür aufbäumte, und den potentiellen Kunden aus gläsernen Augen grimmig entgegenblickte.
 

Dies war also das Games In, Andrew's neues Reich. Und der langhaarige Typ um die vierzig, mit dem Anime T-Shirt, welches sich über seinen massigen Bauch spannte, musste wohl sein neuer Chef sein.
 

Buffy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. So, wie sie da nebeneinander standen, der schmale Andrew, und dieser Bierbauchmensch sahen sie wie Stan Laurel und Oliver Hardy aus.
 

"Du hast leider Pech gehabt!" Bedauernd lächelte der Bierbauchmensch sie an, und ließ dabei eine Reihe schiefer Zähne sehen. "Die Elijah Wood Poster sind schon wieder aus! Nur Orlando Bloom kann ich dir noch anbieten..."
 

Anscheinend verirrten sich Mädchen nur aus einem einzigen Grund in diesen Laden.
 

"Bu..Buffy?" Vor Schreck stieß Andrew gegen den großen Plastikbehälter neben der Kasse, und ein Schwall bunter Würfel verteilte sich strategisch im Raum. Der blonde Junge bückte sich hastig, und begann mit dem Aufsammeln.
 

"Du hast deine kleinen Orcs umgeworfen," bemerkte Buffy sachlich, und deutete auf einen Tisch neben der Kasse. Hier erstreckte sich eine Miniaturlandschaft aus grünen Hügeln, blauen Flüsschen, und diversen Metallfiguren-Armeen, die so aussahen, als würden sie gleich aufeinander losmarschieren.
 

Wenn man von denen absah, die soeben von einem Meteoritenhagel aus zehn und zwanzigseitigen Würfeln niedergestreckt worden waren, natürlich.
 

"Freundin von dir?" fragte der Bierbauchmensch mit einem Grinsen, und einem Nicken zu Buffy. Er hatte die gemütliche Stimme eines Mannes, der sich nicht leicht aus der Ruhe bringen ließ, und auch das Chaos, das Andrew soeben angerichtet hatte, schien ihn nicht im Mindesten zu stören. "Unterhaltet euch ruhig, ist eh nix mehr los."
 

"Aber behalt' mir die Kasse und die Tür im Auge," ermahnte er Andrew, ehe er mit langsamen Schritten nach hinten schlurfte, und hinter einem Perlenvorhang verschwand.
 

"Was...was machst du hier?" fragte Andrew immer noch vollkommen verwirrt, während er die Würfel wieder in ihrem Behälter verstaute, und die restlichen Figuren aufstellte. "Ich meine...nicht, dass ich mich nicht freue, dich zu sehen, aber..."
 

"Krieg' dich wieder ein," beruhigte ihn Buffy. "Ich war nur 'ne Kleinigkeit essen, eh' ich auf Patrouille gehe, und da ist mir eingefallen, dass du jetzt hier im Kaufhaus arbeitest. Und ich dachte, ich schau mal vorbei, das ist alles."
 

"Falls du mich überprüfen willst, ob ich wieder ein Oberfinsterling werde, ich kann dir garantieren, dass es nicht so ist," versicherte Andrew. "Ich bin immer noch einer von den Guten, ganz bestimmt! Ich verdiene mein Geld mit ehrlicher Arbeit. Ich kämpfe gegen böse Dämonen, und bügle Xander's Hemden. Und ich zahle pünktlich meine Miete."
 

"Hab' ich was Gegenteiliges behauptet?" fragte Buffy zurück, doch Andrew ließ sich nicht in seinem Redeschwall unterbrechen. "Es ist nicht das, was du denkst. Wir...uhm...gucken nur Filme, das ist alles. Wir schmieden keine Pläne, um die Weltherrschaft an uns zu reißen. Nie wieder dämonische Kugeln! Nie wieder Dr. No, oder Lex Luthor! Oder vielleicht doch Lex, aber die Smallville Ausgabe. Ja genau, wir sind Clark und Lex in Smallville! In Smallville Fanfictions, um genau zu sein. Und deswegen ist es auch gar kein Problem, dass ich einer von den Guten..."
 

"Wovon redest du eigentlich?" fragte Buffy. Sie schlenderte zum nächsten Regal, und betrachtete die verschiedenen Actionfiguren, die sich darin tummelten. Hier konnte man echt ein Vermögen los werden.
 

"Uhm...von gar nichts." Andrew seufzte erleichtert auf. "Ich laber' einfach nur wieder über Serien, das ist alles. Es hat nichts zu bedeuten, das weißt du ja."
 

"Natürlich nicht." Buffy griff sich eine der Figuren, um sie genauer zu betrachten. "Genauso wenig, wie das ganze Gelaber über Piper und Phoebe und Leo und Cole was zu bedeuten hat, wenn Dawn ihre Telephonorgien mit dir abhält. Ist nur leider Pech für euch, dass ich die Serie auch kenne, und deshalb genau weiß, dass Cole ein fieser Dämon ist, der -ganz unlogisch- in jeder Staffel stirbt, und in der nächsten wieder zurückkommt, weil Phoebe so strohdumm ist, und immer wieder auf ihn reinfällt - unterbrich mich nicht, wenn ich rede," erklärte sie mit strenger Stimme, als Andrew Anstalten machte, den Mund zu öffnen.
 

Er zog einen Schmollmund, doch sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Du musst selbst wissen, was du tust. Ich will nur zwei Dinge klarstellen, falls Warren auch nur in die Nähe von Dawn kommt, ist er tot, und diesmal endgültig, und sollte sich diese geheimnisvolle Person, die derzeit noch unter dem Pseudonym Leo läuft, als Dämon oder sonstiges zweifelhaftes Subjekt herausstellen, bist du es auch!"
 

Sie hob den Kopf, und lächelte Andrew zuckersüß an. "Haben wir uns verstanden?"
 

Der stolperte zwei Schritte zurück, und holte erst mal tief Luft. "Uhm nein, kein Dämon...kein uhm...zweifelhaftes Subjekt...Dawn würde doch niemals...sie mag nur nette Jungs..."
 

Er nahm Buffy die Actionfigur aus der Hand, und sah sie trotzig an. "Wenn du X-Men II gesehen hättest, dann wüsstest du, dass die meisten Mädchen ohnehin auf nette Jungs stehen. Ganz nette liebe harmlose anständige Jungs..."
 

"...'Sensibel', hast du vergessen," fiel Buffy ein. "Jungs, die einem die Tür aufhalten, und einem jeden Wunsch von den Augen ablesen."
 

"Ganz genau," bekräftigte Andrew. "Ich meine, wer braucht schon irgendwelche schrägen Typen mit einer dunklen Killer Vergangenheit und ihre ..uhm.. düstere erotische Anziehung..."
 

"Die machen nichts als Schwierigkeiten, egal ob mit oder ohne Seele..." Buffy starrte in die Ferne.
 

"Und blaue Flecken..." Andrew starrte zu Boden
 

"An den richtigen Stellen..."
 

"Ein Hoch auf die netten Jungs!" versuchte Andrew die Situation zu retten.
 

"Hoch," entgegnete Buffy lahm.
 

Sie sahen sich an, und seufzten resigniert. "Ist das jetzt der Teil, wo wir zugeben, dass nette Jungs es nicht bringen?" fragte Andrew.
 

Buffy schüttelte den Kopf. "Nein, das ist der Teil, wo wir die Klappe halten, und so tun, als hätten die letzten Minuten niemals stattgefunden. Und solltest du jemandem erzählen, dass wir dieses Gespräch hatten, muss ich dich leider umbringen!"
 

++++
 

Friedhof.

Etwas später bei Dämmerung

Mit einer schnellen Drehung wirbelte Buffy an den herabsausenden Krallen der Kreatur vorbei und zog mit aller Kraft ihre Schwertklinge an seinem Hals entlang. Ihre Mühen wurden mit einem heiseren Röcheln Seitens ihres Gegners belohnt, der, von seinem eigenen Schwung mitgerissen, tödlich verwundet gegen einen Grabstein prallte.
 

Sie schenkte dem Ghul noch einen kurzen Seitenblick, um sich zu vergewissern, dass er bestimmt nicht mehr aufstehen würde. Das Wesen zuckte noch ein paar Mal, bevor es zusammensackte.
 

Buffy gestattete sich einen tiefen Atemzug. Dieser Sieg hatte ihr mehr Spielraum verschafft. Nur noch ein Gegner war übrig. Und dieser blieb zumindest im Augenblick noch vorsichtig.
 

Ihr konnte das nur recht sein. Entgegen dem, was in vielen von Giles schlauen Büchern stand, waren Ghule keineswegs einfache Gegner. Insbesondere dann nicht, wenn sie, wie hier, in Gruppen auftraten. Drei der untoten Monster lagen bereits regungslos am Boden und jeder von ihnen hatte ihr einen harten Kampf geliefert.
 

Zudem machte es nach einer gewissen Zeit ziemliche Mühe, diese Klinge zu führen.
 

Eigentlich gab es wenige Personen, die ihr im Nahkampf das Wasser reichen konnten, aber das Problem bei diesen Wesen war, dass ihre gummiartige Haut nur durch Hiebe mit kaltgeschmiedetem Eisen durchschlagen werden konnte. Und Waffen, die kalt geschmiedet waren, neigten dazu, schlecht ausgewuchtet zu sein.
 

Auch mit dieser Waffe machte es schon Mühe, genug Kraft aufzubringen, die Ghule tatsächlich zu verwunden. Zusätzlich musste sie aber auch die schlechte Waffenqualität durch mehr Kraft beim Schwingen ausgleichen. Und das ging selbst bei einer Jägerin irgendwann an die Substanz.
 

Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihren Gegner. Der Ghul tanzte nervös hin und her, nicht wissend, ob er fliehen oder kämpfen sollte.
 

Buffy hoffte, dass er nicht auf die Idee kam, abzuhauen. Giles hatte ihr eingeschärft, jeden einzelnen Ghul zu töten. Die Leichenfresser waren nämlich berüchtigt dafür, Tote, die sie nicht ganz auffraßen, ebenfalls in Ghule zu verwandeln. Und gab es erst einmal genug von ihnen, wurden sie sehr schnell kühn genug, auch Lebende zu attackieren. Und so sehr sie in letzter Zeit auch an Giles Entscheidungen zweifeln mochte, hier konnte sie sich keine Zweifel leisten.
 

Sie trat einen Schritt zurück und nahm Kampfstellung ein...Schrittstellung, Knie leicht gebeugt, ein Arm angewinkelt, die Hand mit dem Schwert seitlich neben sich erhoben. Wie aus dem Lehrbuch. Wenn sie denn jemals eines gelesen hätte.
 

"Wird das heute nochmal was? Du kannst ja wohl keinen wichtigen Termin mehr haben, oder?"
 

Der Ghul starrte sie aus trüben Augen an und Buffy glaubte, Verwirrung in seinem Blick zu erkennen.
 

"Nochmal für Hirnamputierte....selbst ein blinder Türsteher würde dich nirgendwo reinlassen."
 

Der Ghul starrte noch immer und Buffy schalt sich selbst für den wohl langweiligsten Spruch, den sie in letzter Zeit gebracht hatte. Musste an der Erschöpfung liegen.....
 

Aber bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, sprang der Ghul auch schon vor.

Buffy sah noch die länglichen Klauen, die auf ihr Gesicht zielten und drehte sich aus dem Gefahrenbereich heraus. Sofort ließ sie ihr Schwert herumwirbeln, doch der Ghul hatte offenbar aus den anderen Kämpfen gelernt und duckte sich, sodass die Klinge haarscharf über seinem ausgemergelten, haarlosen Kopf vorbeizischte.
 

Die Jägerin verhinderte allein durch Muskelanstrengung, dass ihr Schwung sie weiterriss, verfluchte noch einmal diese miserable Waffe...und musste dann mit ihrem freien Arm mehrere schnell geführte Hiebe des Ghuls abblocken. Dabei machte sie allerdings den Fehler einzuatmen, was sie sofort dazu veranlasste, zurückzuspringen, um ihren Kopf wieder klar und ihren Magen unter Kontrolle zu bekommen. - Für den Mundgeruch des Ghuls hätten neue Worte erfunden werden müssen.
 

"Na wenigstens ist jetzt bewiesen, dass auch hier die Ekelskala nach oben offen ist", murmelte sie bevor sie herumwirbelte, hochsprang und den Ghul mit einem Windmühlentritt am Kopf traf.
 

Es gab ein Geräusch wie Tritte gegen nasse Autoreifen und der Ghul stieß ein lautes Wimmern aus, als er auf den Boden krachte.
 

Buffy hob das Schwert und Die Leichenhalle war vollkommen verwüstet. Am Eingang lagen die zerfetzten Leichen der Wachleute, ein vollkommen entsetzter Ausdruck auf ihren rot gesprenkelten Gesichtern. Weiter hinten ertönte lautes Schmatzen. Und da stand er, der Ghul, hatte sich über eine Leiche gebeugt. Sämtliche Fächer waren aufgebrochen worden, die Bahren mit den Leichen herausgezogen....ein Großteil der Toten war angefressen und bei einigen verfärbte sich die Haut schon zu dem für Ghule typischen grüngrauen Farbton...
 

Ein Fußtritt traf sie mit der Wucht eines Vorschlaghammers und ließ sie rückwärts gegen einen Grabstein taumeln. Der Ghul näherte sich ihr erneut....was war gerade geschehen?
 

Buffy schüttelte den Kopf, um die Gedanken an diese Vision und vor allem den damit verbundenen Ekel zu vertreiben und täuschte einen Überkopfhieb mit dem Schwert an.
 

Erwartungsgemäß riss der Ghul den Arm hoch und Buffy drehte sich blitzschnell um die eigene Achse, ließ dabei das Schwert wieder heruntersausen und zog es hoch, als sie dem Ghul wieder direkt gegenüberstand. Dieser konnte zwar noch zurückspringen, aber die Klinge durchtrennte dennoch säuberlich seinen Unterarm.
 

Der Schrei des Monstrums war ohrenbetäubend. Es umklammerte den Armstumpf und starrte die Jägerin entsetzt an.
 

"Was denn? Dachtest du, wir albern hier nur rum?" fragte sie, bevor sie nach vorn sprang, das Schwert... Die Tür bestand praktisch nur noch aus Holzsplittern. Die gesamte Einrichtung war zertrümmert. Es war auch Blut zu sehen. Dort auf dem Boden lag Giles zerbrochene Brille....und irgendwo rechts bewegte sich etwas. Es war Willow....mit grüngrauer Haut, in zerfetzter Kleidung....ihre rechte Schulter bestand nur mehr aus blanken Knochen und ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen, aus dem messerscharfe Zähne....
 

Als sich Buffys Sicht wieder klärte, sah sie, wie der Ghul fortrannte.
 

Ihr Herz hämmerte vor Angst. Was war das gewesen? Eine Vorahnung? Eine Halluzination, hervorgerufen durch zuwenig Ruhe? Magie?
 

Was es auch war, sie konnte froh sein, dass der Ghul sich entschieden hatte, zu fliehen.
 

Und sie war ebenso froh, dass sie ihn verfolgen musste, anstatt sich über das Gesehene bewusst zu werden....
 

++++
 

Kennedys Wohnung

zur selben Zeit

„Hallihallo~oo“, strahlte Xander, als er die Klinke zu Kennedys Wohnung herunterdrückte. Er hatte leider ein paar Überstunden mehr machen müssen, was zwar bedeutete, dass er dem allabendlichen Stau entkommen war, dafür aber erheblich zu spät zu ihrem Treffen kam. Willow und Kennedy zerbrachen sich bereits die Köpfe darüber, was an Buffys Geburtstag getan werden könnte. Dawns Hinweis, dass Buffy sich nur etwas Kleines wünschte, hatte einige Spekulationen der letzten Tage hinfällig werden lassen. Schließlich hatten die drei sich so weit darauf geeinigt, dass es wohl das beste wäre, wenn sie ganze ohne die restlichen Partygäste alles organisieren würden. Wie sollte man sonst auf einen grünen Zweig kommen?
 

Xanders Blick wanderte rasch neugierig umher. Er war noch nie hier gewesen und war erstaunt über die Größe von Kennedys Wohnung. Dagegen war Willows Zimmer am College ein Abstellraum. Die Einrichtung war nagelneu, und er schwor darauf, dass diese Küche mehr wert hatte, als seine gesamte Wohnung.
 

„Hey Xander“, entgegnete Kennedy, während Willow nur halb ratlos ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verzog.
 

„Ich weiß nicht was schwerer ist. Ich glaube im Vergleich hierzu, sind die Recherchen mit Giles das reinste Honigschlecken. Irgendwelche Ideen? Anregungen, Wünsche?“, warf Willow in den Raum, während Xander sich einen Stuhl griff, und sich Kennedy gegenüber hinsetzte. In letzter Zeit hatte Willow keine Ahnung, was Buffy interessierte, oder was sie zur Begeisterung bringen könnte. Vielleicht hatte sie nun schon einfach vergessen, wie ‚Buffy’ überhaupt geschrieben wurde. Also sollte sie das Schreiben der Karte jemand anderem überlassen.
 

„Noch keine neuen Vorschläge? Durch die Arbeit heute habe ich schon genug nachdenken müssen. Willow, als ihre beste Freundin müsstest du eigentlich schon reihenweise Ideen haben...“, Xander griff sich eine Hand voll Popcorn aus der Schüssel, die in der Mitte des Tisches stand. „Wie wäre es mit einer Stripperin? Freut ja nicht nur die paar männlichen Zuseher.“
 

„Ich glaube das ist Buffys Geburtstag, oder hat sie die Seiten gewechselt?“, Willow hatte keine Lust den restlichen Teil des Abends mit Xanders halbherzigen Ideen zu verbringen. Am liebsten würde sie auch nicht schon wieder von diesen Kopfschmerzen geplagt sein, die sie schon seit Stunden energisch verfolgten. „Jedenfalls wissen wir jetzt, was deine favorisierten Wünsche für Geburtstag, Weihnachten, und Ostern sind. Sonst können wir ja auch noch Andrew aus der Torte springen lassen.“
 

„Natürlich, ich frage mich gerade was mich mehr anturnt, Andrew mit schwarzer Spitzenunterwäsche, oder eine kurvige Blondine im Baywatchstil...“
 

„Allein der Gedanke daran, jagt mir Angst ein.“, entgegnete Kennedy mit einem Grinsen. Sie musste die Situation irgendwie auflockern. Willow machte schon den ganzen Tag einen etwas gestressten Eindruck. Am besten würden Willow und sie den restlichen Teil des Abends nutzen, um zu entspannen.
 

„Können wir uns hier nicht wie Erwachsene verhalten, und endlich zu einer Lösung kommen? Ernsthafte Lösungen wenn ich bitten darf. Ich habe wirklich keinen Nerv dafür, hier den ganzen Abend zu sitzen, und dass am Schluss doch nur eine Kindergeburtstagsparty beim nächst besten Fast Food Lokal rauskommt.“
 

„Hey, sachte, Will,“ besänftigte Xander vorsichtig. „Was ist los? So kenne ich meinen Willster gar nicht.“ Xander lächelte, machte aber dennoch einen besorgten Eindruck. Willows Augen folgten seinen Händen, die noch eine Hand voll Popcorn nahmen. Ob es ihm nicht wie alles aus ihrem Leben sowieso gleichgültig war? Wenn sie genauer darüber nachdachte, war die Kluft zwischen Xander und ihr inzwischen fast genauso groß wie die zwischen Buffy.
 

„Nichts..“, flüsterte sie, vielleicht würde Xander es ja sogar überhören.
 

„Bist du dir sicher?“, antwortete Kennedy und sah Willow in die Augen. Sie war sich nicht im Klaren darüber, ob wirklich alles so in Ordnung war, wie Willow sagte.
 

„Es ist nur einfach... ach ich weiß nicht...diese verdammten Kopfschmerzen. Als würden sie nie wieder aufhören, und mit jedem Satz stärker werden, einfach auch in diesem Moment. Es fühlte sich genau so an, als ich diese Vision von Emma hatte, es war einfach alles so real.“ Willow rieb sich die Schläfen. ‚Nicht schon wieder...’, dachte sie sich.
 

„Vielleicht wär’s besser, wenn ich und Xander weiter überlegen, und du dir eine Pause gönnst?“, Kennedy wollte dieses Thema hier endlich erledigen, und für Willows Wohlbefinden sorgen. Ein harmloser Geburtstag war nicht annähernd so wichtig, wie ihre Freundin.
 

„Ich glaube für eine Pause ist es etwas zu spät...“, Willow wartete nur darauf, dass sich diese Bilder vor ihren Augen ausbreiteten, sie sehen würde, wie die nächste Jägerin um ihr Leben kämpfte. Ihr Kopf tat so weh, dass sie einfach nicht aufsehen konnte, und sich auf eine Stelle am Holztisch konzentrierte, um nicht gleich hier umzufallen.
 

Ihr ganzer Körper zitterte. Willows Herz schlug lauter, als Kennedys und Xanders Worte - oder fast schon Schreie - die sie wieder in die Realität holen wollten. Willow fühlte, wie jeder Milliliter ihres Blutes durch ihren Körper gepumpt wurde. Ihre Lunge fühlte sich mit Luft, und es kam Willow so vor, als würde sie ersticken, während ihr Gehirn zu wenig Sauerstoff bekam.
 

Die Hüterin versuchte sich einzureden, dass sie nicht allein wäre, dass ihr bester Freund und ihre Freundin fähig wären, ihr zu helfen, doch zwischen ihr und den beiden lagen Welten.
 

Was die zwei anderen leider auch begriffen. Sie waren machtlos, und mussten mit ansehen, wie Willows Körper geschüttelt wurde, wie ihre Pupillen sich vergrößerten, und ihr Atem so schnell raste, als würde ihre Lunge bald explodieren. Willow versuchte sich an der Tischdecke festzukrallen.
 

Angstschweiß bildete sich auf ihrer Stirn, ein kleiner Windhauch war zu spüren, der gleichzeitig eine kühle Brise war, und dieses Stechen in ihrem Kopf ein kleines Stück besser machte. Doch im nächsten Augenblick, war ihr Körper von einer Gänsehaut bedeckt. Willow wusste nicht, ob sie dieses Gefühl als zu Heiß, oder zu Kalt bezeichnen sollte.
 

Wann würden endlich diese verdammten Bilder in ihrem Kopf ablaufen, wie sie es schon einmal getan hatten? Oder würde dieses mal noch etwas neues auf sie zukommen? Wann würde sie endlich Wunden an ihrem ganzen Körper sehen? Willow spürte sie schon, doch sie war nicht fähig zu schreien. Ihre Kehle war einfach zu ausgetrocknet und zugeschnürt. Sie fühlte sich so hilflos.
 

Als Willow aufsah, konnte sie in Kennedys verschwommene Augen schauen, die sie halb panisch anfunkelten, und spürte Xanders Hände auf ihren Schultern, die versuchten sie zu beruhigen. Willow wollte gegen diese Schmerzen ankämpfen, versuchen langsamer zu Atmen, und ihr Herz nicht so schnell schlagen zu lassen. Doch es funktionierte nicht.
 

Es tat einfach so unglaublich weh, tief in ihrem Herzen. Als würde jemand Spaß daran haben sie zu quälen, zu Tode. Tränen rannen über ihre Wangen. Kennedy hatte den Tisch beiseite geschoben, und starrte nun in Willows von Schwarz getränkte Augen, die so leer aussahen, als würden sie durch die Jägerin hindurchschauen. Willows ganzer Körper brannte vor Schmerz, und sie wusste nicht, wie lange sie es noch aushalten würde.
 

Jeder einzelne Gedanke tat weh, und vergrößerte das Vakuum in ihrem Kopf. Doch all das, tat nicht annähernd so weh, als diese eine ewige Sekunde, in der Willow zusammenbrach, und es sich so anfühlte als würde ihr jemand erbarmungslos das Herz herausreißen..
 

Kennedy wollte Willow nie wieder loslassen, als sie in ihre Arme fiel. Auch wenn sie sie nicht immer so einfach beschützen konnte. Kennedy selbst kämpfte mit Tränen, und Xander kniete einfach nur fassungslos daneben. Was war eben mit ihrer Willow passiert? Das hämmern in Willows Kopf hallte leiser, und ihr Atem wurde langsamer, doch Willow fühlte noch immer diese Leere in ihren Gliedern, und diesen Schmerz, tief in ihrem Inneren.
 

++++
 

Straßen von Cleveland,

selbe Nacht, ein paar Minuten später

"Buffy, ich...“ - "Buffy, hör zu, es war auch für mich nicht leicht, aber..." - " Verdammt, das hat keinen Sinn!" Frustriert schlug Hank mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. Er bekam es einfach nicht richtig hin. Die ganze Fahrt über schon hatte er versucht, sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Worte, die Buffy zumindest ein wenig besänftigen würden, die vielleicht sogar dafür sorgen könnten, dass sie ihn verstand.

Aber wie? Keiner von den Sätzen, die ihm im Kopf herumgeisterten, würde sie auch nur annähernd versöhnlicher stimmen, das wusste er. Immerhin war sie seine Tochter. Und sie hatte erst vor wenigen Monaten erfahren, dass er erneut heiraten wollte. Wenn er ehrlich war, hatte er eigentlich mit der Enthüllung warten wollen, bis die ganze Angelegenheit bereits über die Bühne gegangen war. Vor vollendete Tatsachen gestellt hätte sie ihm vielleicht weniger Vorwürfe machen können. Aber ihr Überraschungsbesuch nach der großen Rundreise hatte ihm das Ganze abgenommen.
 

Ja, manchmal war er sich mehr denn je bewusst, dass vieles, was zwischen ihm und Buffy schiefgelaufen war, auch seine Schuld war. Aber war er denn nicht auch nur ein Mensch? Er hatte auch Fehler und Schwächen. Und einer seiner größten Fehler war es gewiss gewesen, sich vor der Verantwortung für Buffy und Dawn zu drücken, nachdem Joyce gestorben war.

Ungern gab er es vor sich selbst zu, aber in diesem Moment hatte die Scham, vor seinen Töchtern erscheinen zu müssen, die Trauer überwogen.
 

Das hatte dann zum zweitschlimmsten Fehler geführt, nämlich seinem Fernbleiben von Joyces Beerdigung. Und Buffys Reaktion war klar genug gewesen, insbesondere nachdem sie dahintergekommen war, was er nun vorhatte.
 

Hank war, nachdem Buffy davon gestürmt war, zuerst überzeugt gewesen, dass sich die Angelegenheit von selbst regeln könnte. Dawn würde es von Buffy erfahren und irgendwann könnten beide es akzeptieren. Was ihm langwierige und unnötig komplizierte Erklärungen und lang aufgeschobene Entschuldigungen erspart hätte.
 

Er konnte mit der Idee gut leben, bis Buffy sich schließlich zu Thanksgiving durchgerungen hatte, ihn anzurufen, um sich für ihr Verhalten zu entschuldigen. Allerdings hatte sie ihn auch darum gebeten, sich selbst dazu zu äußern und daran ging kein Weg vorbei. Alleine wie er vor seiner zukünftigen Frau dastehen würde, wenn er sich vor wirklich allem drückte?
 

Ihr Geburtstag war ihm schließlich als die beste Möglichkeit erschienen, sich nach Cleveland zu begeben. Wenn er das schon tun musste, dann zumindest an einem Tag, an dem alle in Feierstimmung waren, sodass vielleicht auch Dawns Urteil ihm gegenüber milde ausfallen würde. Und so hatte er sich ins Flugzeug gesetzt und war vom Flughafen aus mit dem Auto nach Cleveland gefahren. Es musste einfach eine Möglichkeit geben, alles ins Lot zu bringen...wenn möglich vor der Hochzeit. Ansonsten konnte er für nichts garantieren.
 

Mittlerweile war er in Cleveland, dem neuen Wohnsitz seiner Töchter angekommen und was seine Redevorbereitungen anging, wurde die Zeit langsam knapp.

Gut, er hatte erst im Wagen angefangen, sich seine Worte zurechtzulegen, aber vorher war ihm absolut nichts eingefallen. Musste am langen Flug liegen.
 

Mit einem Seufzer schaltete er das Radio ein. Vielleicht half es ihm, wenn er jemanden reden hörte.
 

"Und hier ist wieder Trevor Lawney von WRUM-FM 91.1. Es ist eine ziemlich düstere Nacht da draußen, also seid vorsichtig. Man weiß ja nie, was einem hier so über den Weg laufen kann. Also, bleibt lieber drin und hört mir noch ne Weile zu. Ich hab hier noch ne Menge Musik für euch...."
 

Nein, es half nicht. Mit einem erneuten - diesmal eher genervt klingenden - Seufzer stellte Hank das Radio ab.
 

Na ja, in einem Punkt hatte Trevor wohl Recht gehabt...es war düster draußen. Die Straßenbeleuchtung war, zumindest in dieser Gegend, eher dürftig und Hank musste sich ziemlich konzentrieren, um die Umrisse der Straße und der Gebäude vor sich zuerkennen. Es schien, als ob beides nach wenigen Metern von der Dunkelheit verschluckt würde.
 

Moment.....hatte sich da vorn etwas bewegt? Hank kniff die Augen zusammen. Er war sich sicher, einen düsteren Schemen am Straßenrand gesehen zu haben und obwohl er einen ziemlich anstrengenden Flug hinter sich hatte - zur Zeit waren die Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen die Hölle - war er sich sicher, dass es nicht an der Müdigkeit liegen konnte.
 

Sicherheitshalber nahm er den Fuß vom Gas. Jetzt ein Unfall hätte ihm gerade noch gefehlt.

Doch auch diese Vorsichtsmaßnahme bewahrte ihn nicht davor die plötzlich hervorspringende , sonderbar verdrehte Gestalt zu rammen, die vor ihm auftauchte.
 

Es gab einen lauten Knall und Hank wurde nach vorn geworfen. Zum Glück war er angeschnallt und konnte sich rechtzeitig abfangen, sodass seinem Kopf eine Kollision mit dem Lenkrad erspart blieb.
 

Der Schrei der Gestalt hallte in seinen Ohren nach. Zwar war er sich sicher, einen Menschen angefahren zu haben, aber dieses Kreischen klang sonderbar falsch. Eine kleine Stimme in seinem Kopf flüsterte, dass hier etwas nicht stimmen konnte und dass er besser daran täte, zu verschwinden. Doch er ignorierte die Eingebung und öffnete vorsichtig die Autotür. Dort, wenige Meter vor ihm lag der verkrümmte Körper der Person. Sie bewegte sich nicht.
 

Vorsichtig trat Hank näher. "Können Sie mich hören? Sind Sie verletzt?"
 

Er trat noch näher heran...und stoppte, als ihm ein nahezu atemberaubender Gestank in die Nase stieg. Er ging garantiert von dem Unfallopfer aus und Hank musste sich zwingen weiter zu gehen.
 

Na bravo, dachte er bei sich, du hast gerade einen Landstreicher überfahren. Das fängt ja alles gut an.
 

"Sir?" fragte er noch einmal und diesmal gab es zumindest eine Reaktion. Die Gestalt vor ihm gab ein seltsames Geräusch von sich, eine Mischung aus Wimmern und Knurren und richtete sich langsam auf. Hanks Augen weiteten sich, als er sah, dass dem Mann ein Arm fehlte und inständig betete er, dass das nicht seine Schuld gewesen war.
 

Doch als die Gestalt vollends stand und sich zu ihm drehte, als er in das halbverweste Gesicht sah, da wusste er, dass der Unfall kaum mehr hatte anrichten können als vorher schon geschehen war.
 

Mittlerweile wurde die Stimme in ihm lauter. Es war jener Teil von ihm, der sich vor den Monstern unter dem Bett gefürchtet hatte, als er noch ein Kind gewesen war, jener Teil, der an Märchen geglaubt hatte. Und ebendieser Teil seines Denkens meldete sich jetzt zu Wort und schrie, brüllte ihn praktisch an, zu verschwinden. Doch Hank konnte sich nicht rühren. Zu groß war das Entsetzen ob dieser Unmöglichkeit.
 

Das Monstrum grollte und stapfte auf ihn zu, die Krallenhand nach ihm ausgestreckt....da kam plötzlich das Geräusch schneller Schritte von rechts. Sowohl das Ungeheuer als auch Hank drehten den Kopf....und sahen niemand anderen als Buffy, die aus dem Dunkel auf die Straße sprang, ein Schwert in der Hand, welches sie zum Schlag erhoben hatte.

Und noch bevor Hank oder der Ghul reagieren konnte, hatte sie letzterem sauber den Kopf vom Rumpf getrennt.
 

Das Haupt der Kreatur rollte direkt vor Hanks Füße, der voller Furcht zuerst in die toten Augen des Monsters und dann in das von Anstrengung gezeichnete Gesicht seiner Tochter starrte. Buffy starrte ihn nicht minder erstaunt und verwirrt an.
 

" Dad...?"
 


 

Akt 2
 

Straßen von Cleveland

Eine Sekunde später...

Hanks Blick eilte verwirrt zwischen dem abgeschlagenen Kopf des..."Dings", welches er angefahren hatte und seiner plötzlich aufgetauchten bewaffneten Tochter hin und her. Das war einfach zu viel für ihn.
 

" Was...ich meine...was machst du hier...." stammelte er, bevor sein Blick sich an den kopflosen Leichnam heftetet. " Was zum Teufel ist das?"
 

Buffy seufzte, während sie überlegte, ob es sich jetzt noch lohnte, irgendeine Geschichte zu erfinden, damit er nicht erfuhr, wieso sie wirklich durch die Nacht schlich. Einerseits konnte die Enthüllung, die sie ihm präsentieren musste, zuviel für ihn sein. Andererseits gab es nicht viel, was sie sagen konnte, um abzumildern, was er soeben gesehen hatte.
 

Sie ließ das Schwert langsam sinken, bis die Spitze den Boden berührte. Die Nacht war wieder ruhig geworden, jeglicher Lärm verstummt.
 

"Buffy, ich erwarte eine Erklärung", entfuhr es Hank drängend, "du hast gerade einen Menschen geköpft!" Er wusste zwar instinktiv, dass diese Kreatur schon vorher tot gewesen war - immerhin hatte er sie gesehen - aber im Augenblick tat sein Verstand alles, um halbwegs stabil zu bleiben.
 

Er verdrängte. Buffy hatte das schon so oft gesehen und es war kein Wunder, dass ihr Vater davon ebenso betroffen war. Allerdings hatte sie - vielleicht in einem Rückfall in jene Bewunderung, die Kinder meistens für ihre Eltern empfinden, verdient oder nicht - einen Hauch von Enttäuschung verspürt. Aber eigentlich hatte sie nicht wirklich viel erwartet. Nicht nachdem ihre Eltern ihren ersten Versuch über Vampire, Jägerinnen und Wächter zu erzählen, als die Phantasien eines Teenagers abtaten, die nur in ärztlicher Behandlung zu kurieren waren.
 

"Buffy!", kam es wieder von ihrem Vater, diesmal schärfer.
 

Buffy sah ihn eine Sekunde lang an und entschloss sich dann, die Karten endlich auf den Tisch zu legen. Und wer weiß, dachte sie mit einem Anflug von Bosheit, der ihr fast augenblicklich leid tat, rüttelt ihn das endlich mal auf und bringt ihn zur Vernunft. "Das war kein Mensch, Dad. Das siehst du doch selbst? Der war schon tot, als du ihn angefahren hast."
 

"Aber... er ist mir vors Auto gesprungen. Tote laufen nicht herum, außer..."
 

"Außer in schlechten Filmen, ich weiß", unterbrach seine Tochter ihn, bevor sie den Kopf schüttelte. "Mach dir nichts vor. Du hast das Ding doch gesehen, im vollen Scheinwerferlicht. Oder willst du mir jetzt sagen, das wäre ne Hautkrankheit?“
 

"Was denn sonst?" entgegnete Hank perplex.
 

Buffy schnaubte...bevor sie ihren Vater am Arm packte und in Richtung des kopflosen Ghuls zerrte.
 

Hank begriff kaum, wie ihm geschah und als er sich instinktiv gegen den Griff wehren wollte, stellte er fest, dass er sich keinen Millimeter zurückbewegen konnte. Es war kaum zu fassen, aber seine Tochter legte eine Kraft an den Tag, gegen die er völlig machtlos war. Aber wie war das möglich? Sie war doch kleiner und zierlicher als er und dazu noch ein Mädchen...eine Frau.
 

Buffy deutete auf den Ghul. Genauer gesagt, auf dessen Hüfte, an der schon die bleichen Knochen freigelegt waren. "Schau bitte ganz genau hin, Dad. Glaubst du wirklich, damit kann man noch laufen, wenn man am Leben ist? Das war ein Untoter. Eine lebende Leiche. Ein Ghul."
 

"Ein was?", war Hanks einzige Antwort, bevor er sich die Nase zuhielt. Ihm war wieder übel. Der Gestank des Toten konnte wirklich Steine erweichen. Aber er musste zugeben, dass Buffy Recht hatte. Man musste kein Mediziner sein, um zu sehen, dass niemand ihm so hätte vor den Wagen springen können. Trotzdem ... noch hämmerte diese Erkenntnis gegen die verriegelte Tür seines rationalen Verstandes und bettelte um Einlass.
 

"Ein Ghul. Ein auferstandener Toter, der sich von Leichen ernährt. Leichen, von denen sie gefressen haben, werden auch zu Ghulen. Umbringen kann man sie nur mit Waffen aus kaltgeschmiedetem Eisen. Willst du noch mehr wissen?" Sie beugte sich hinunter und wischte die Waffe an den Resten der Kleidung des Untoten ab. Irgendwie war es ihr ziemlich egal, wie ihr Vater all diese Informationen aufnahm. Die Gleichgültigkeit ihrem Vater gegenüber war ein guter Schutz, dachte sich die Jägerin und richtete sich wieder auf.
 

"Aber wieso... machst du so etwas? Und warum...weißt du überhaupt, was das ist?" In Hank begann langsam eine Ahnung zu keimen, doch diese war einfach zu verrückt, auch wenn sie Sinn machte.
 

"Weil mir das jemand beigebracht hat. Ich jage solche Wesen. Schon seit über sieben Jahren."
 

Hank öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als Buffy die Hand hob, ihm damit bedeutete, zu schweigen. "Ich glaube, das können wir bei mir besser besprechen. Hier fällt das auf. Zu viele Ohren. Ist der Wagen noch in Ordnung?"
 

" J-ja...", murmelte Hank.
 

Buffy nickte, öffnete die Tür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Hank bewegte sich auch langsam zurück zu seinem Wagen, nicht ohne noch einen furchtsamen Blick auf den Untoten zu richten.
 

Es standen ihm wohl Informationen bevor, um die er nie gebeten hatte.....
 

++++
 

Wächterhaus,

selbe Zeit

„Giles..“, flüsterte Willow, als sie die Tür zu Giles Büro öffnete, und den Wächter vor ein paar alten Büchern schmökern sah. Dieser blickte auf, und ein warmherziges Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich habe ein kleines Problem.“, setzte Willow fort.
 

„Welches?“, entgegnete Giles in seiner ruhigen und einfühlsamen Art. Willow würde nicht wegen jeder Kleinigkeit vorbeikommen, dafür war sie einfach in letzter Zeit zu stark geworden, auch wenn ihr durch unterschiedliche Dinge Steine in den Weg gelegt wurden.
 

„Ich habe ihnen doch von meinen Problemen erzählt.“, antwortete Willow, und setzte sich müde und erschöpft auf den nächstbesten Stuhl, um Giles in die Augen zu sehen. „Vor ein paar Stunden,“ schluckte Willow hart, „war es wieder soweit. Bessergesagt, als Xander, Kennedy und ich versuchten einen Plan für Buffys Geburtstag auszuarbeiten. Es war nicht so wie das letzte mal. Ich hatte Kopfschmerzen die mich schon den ganzen Tag heimgesucht haben, und dieses mal, war kein einziges Bild da, das mir irgendetwas gezeigt hätte. Nein, es war einfach nur.. purer Schmerz der sich jedes bisschen Leben nehmen wollte..“
 

Giles sah sie ein wenig beängstigt an und sagte leise: „Ich muss dich in diesem Fall wohl leider enttäuschen, Willow... ich habe absolut keine Ahnung wie wir dieses Problem angehen sollten. Ich glaube nicht, dass wir nach Stunden auch nur die kleinste Notiz finden würden, um dieser Hölle ein Ende zu bereiten.“
 

„Nicht ihre Art, gleich die offenen Karten auf den Tisch zu legen.“, antwortete Willow knapp.
 

„Leider Tatsachen, die wir nicht ändern können...soll ich Rat bei Lily holen? Zwei Meinungen sind manchmal besser als eine. Sie ist allerdings leider außer Haus.“, er schien verzweifelt, und hob bereits das Schnurlostelefon, bereit die Schnellwahltaste zu drücken.
 

„Lily?“, Willow schüttelte den Kopf. „Nein... ich, ich will mich nicht unbedingt einem anderem Wächter anvertrauen. Ich kenne Sie Giles, schon so lange, und lege Vertrauen in Sie. Auch wenn andere Wächter genauso Ihre Fähigkeiten haben.“ Langsam lies Giles seine Hand sinken.
 

„Aber ich möchte zunächst nicht mit jedem darüber reden müssen. Es ist so schon schwierig. Und eigentlich...habe ich schon einen Weg gefunden es zu stoppen.. soweit mit Ihren Tatsachen.“, sie lächelte. „Wenigstens für kurze Zeit. Doch da gibt es genauso dass ein oder andere Problem...“, flüsterte Willow.
 

„Woher...?“, stutze Giles.
 

„Glauben Sie etwa, dass die kleine Willow nicht genug Quellen und Einfälle hat, um sich selbst eine Lösung zusammenzubasteln?“, sie grinste. Willow wusste, dass sie von Giles keine Antwort auf diesen Satz bekommen würde. Er wartete nur darauf, dass sie weiterredete. „Der Zauber kann nur während diesen Attacken, von einer Person, die mir extrem nahe steht durchgeführt werden.“
 

„Und?“
 

„Und.. wer soll diese Person sein?“, warf Willow in den Raum, und schien dieses Mal wirklich eine Antwort von Giles zu erwarteten.
 

„Ich wohl nicht...“, hörte Willow und Giles von hinten.
 

Giles und Willows Augen wanderten zur offenen Tür, und sahen Kennedy, die im Türrahmen stand, und im nächsten Moment die Tür hinter sich zuschmiss...
 

++++
 

Cleveland

Buffys Wohnung,

Selbe Nacht. Etwas später

Buffy schloss die Tür auf, trat ein und stellte das Schwert an die Wand. Hank folgte ihr vorsichtig. Wer konnte sagen, was ihm heute noch bevorstand?
 

"Setz dich", sagte Buffy und deutete auf einen Stuhl am Tisch, "Gefällts dir hier?" Sie wusste nicht wieso sie fragte. Interessierte sie es wirklich, ob ihrem Vater die Wohnung gefiel oder nicht? Spielte es eine Rolle, wie sein Urteil ausfiel?
 

Hank sah sich langsam um. Es war eine durchaus ordentliche Wohnung, sogar halbwegs aufgeräumt. Zwar sah es nicht aus wie eine Luxussuite, aber ein gewisses Sümmchen dürfte das alles hier wohl gekostet haben. Was ihn darauf brachte, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, womit seine Tochter nun ihr Geld verdiente. Vielleicht nahm sie ja Geld dafür, dass sie diese Biester jagte.....

"Sieht hübsch aus. Hast du das selbst eingerichtet?" fragte er, um schnellstmöglich eine normale Diskussion zu beginnen, in der sich nichts um lebende Leichen drehte.
 

Buffy schüttelte den Kopf: „Nein, es war schon möbliert. Sonst hätten es sich Dawn und ich nicht leisten können. Dank der Hilfe meiner Freunde habe wir uns das hier ermöglicht.“
 

"Welche Freunde?" fragte Hank vorsichtig...
 

"Xander, Willow, Giles....du solltest die Namen kennen. Wir kennen uns alle seit der Highschool."
 

Und tatsächlich, wenn er ein wenig grübelte, erinnerte er sich an die Namen. Er hatte damals, als er seine Tochter noch regelmäßig besuchte, sie hin und wieder von den drei Personen reden hören. Und zumindest Xander und Willow kannte er vom Sehen.
 

„Und Dawn? Ist sie hier,“ fragte Hank um das kurze unangenehme Schweigen zwischen ihnen zu brechen.
 

Buffy schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist auf einer Party und übernachtet bei einer Freundin.“ Innerlich seufzte Buffy darüber. Sie hatte Dawn nur ungern die Erlaubnis gegeben. Aber sie konnte Dawn ja nicht ewig einsperren.
 

"Mich wundert dein plötzliches Interesse", kam es plötzlich von Buffy und ihr Tonfall machte deutlich, dass er noch nicht aus dem Schneider war, nur weil er sich nach Cleveland begeben hatte.
 

Er zuckte die Achseln. "Wir haben uns ja lange nicht gesehen und...."
 

"Stimmt. Das letzte Mal in LA und davor....lass mich nachdenken...du warst bei der Beerdigung meiner Mutter nicht da, du warst vorher kaum zu erreichen..."
 

Autsch, das tat weh. Nicht unbedingt, weil Buffy irgendeinen aggressiven Tonfall verwendete, nein, ihre Stimme klang, als zähle sie auf, wie das Wetter der letzten Tage gewesen war. Vielmehr, weil es der Wahrheit entsprach. Und er die ganze Zeit gewusst hatte, dass es falsch gewesen war, nicht zu erscheinen.
 

"Aber kommen wir doch zu etwas anderem... ich müsste dir eigentlich gratulieren, Dad. Du hattest deine erste Begegnung mit einem Untoten. Zumindest die erste Bewusste. Das ist fast wie eine Feuertaufe."
 

Hanks Gesicht war ein einziges großes Fragezeichen.
 

"Es gibt da draußen nicht nur Ghule. Wahrscheinlich bist du auch schon mal einem Vampir begegnet, ohne es zu merken,“ fuhr Buffy kalt fort. „Die tarnen sich recht gut als Menschen. Dazu kommen noch unzählige Dämonenarten, von denen manche auch aussehen können wie du und ich."
 

"Tut mir leid, Buffy, das glaube ich nicht. Das auf der Straße, nun gut, das lasse ich mir noch gefallen. Aber du willst mir weiß machen, dass da draußen Hunderte von diesen Dingern herumlaufen? Und dass diese uns alle an den Kragen wollen?"
 

Buffy schnaubte. "Glaub mir, Dad, es interessiert einen Vampir nicht, ob du an ihn glaubst oder nicht, er würde dich trotzdem beißen."
 

Hank sperrte sich immer noch. Es musste alles ein schlechter Witz sein. Vielleicht war das die Rache seiner Tochter für all das, was er falsch gemacht hatte....

"Das ist doch einfach lächerlich. Wenn es so gefährlich wäre, dann hätte das doch bestimmt jemand bemerkt. Und warum gibt es uns überhaupt noch, wenn da draußen so viele dieser Kreaturen herumlaufen?"
 

"Weil es auch Leute gibt, die die Menschen vor Vampiren und Dämonen beschützen. So wie mich. Ich bin eine Jägerin, Dad, bestimmt dazu, diese Wesen zu jagen und umzubringen."
 

"Eine Jägerin? Also so etwas wie ein Kopfgeldjäger für das Übernatürliche? Bezahlt dich jemand dafür? Die Regierung oder die Polizei?"
 

Der Blick, mit dem Buffy ihn bedachte, ließ Hank frösteln. Der Kommentar über die Regierung war ihr irgendwie sauer aufgestoßen.
 

"Nein, dafür werde ich nicht bezahlt. Es ist einfach meine Bestimmung. Ich bin stärker als ein Mensch und schneller, damit ich gegen die Dämonen kämpfen kann." Das war zwar nur die Kurzfassung, aber er glaubte ihr so schon kein Wort, da brauchte sie ihm nicht auch noch mit der Geschichte um das Erste Böse und den Dämon, der in ihr ruhte, zu kommen.
 

"Ah ja....du bist stärker als ein Mensch....früher hat das aber niemand gemerkt, weder deine Mutter noch ich."
 

Buffy antwortete nicht, sondern stand vom Stuhl auf und griff nach dem Schwert. Sie war wütend. Zwar wusste sie, dass ihr Vater ziemlich stur sein konnte - besonders, wenn es darum ging, "sich selbst zu verwirklichen", aber langsam reichte es.
 

"Dann sieh dir das an", sagte sie, hob das Schwert hoch, drehte es in die Horizontale...und ließ es auf ihr Knie herabsausen. Die Klinge brach mit einem hellen Klang in zwei Stücke. Und Hanks Kinnlade fiel fast herab. "Ich wurde erst stärker, als meine Kräfte "aktiviert" wurden. Kurz darauf bekam ich Probleme mit einer Horde Vampire....wir waren damals noch in LA. Was glaubst du, warum ich die Turnhalle angezündet habe? Ach ja warte.. ich war ein undankbarer Teenager, verzogen und verwöhnt, der seinen Phantasien nachhing und in ärztliche Behandlung gehörte. Vor allem nachdem sie Vampiren die Schuld an ihrem Verhalten gab."
 

Hank runzelte die Stirn. Langsam, ganz langsam begriff er. Auch wenn sich noch immer ein Teil seines Verstandes dagegen sträubte. "In der Halle waren Dämonen?"
 

"Vampire, ja. Aber wem hätte ich es denn sagen sollen? Die meisten Leute reagieren so wie du es getan hast. Sie leugnen alles. Deshalb musste ich alles auf mich nehmen, ohne mich den Menschen, die ich liebe, anvertrauen zu können. Ich konnte ja auch nicht wissen, dass jemand in diesem Raum das zum Anlass nehmen würde, um zu verschwinden..."
 

"Jetzt reicht es!" fuhr Hank dazwischen, " ich habe Mist gebaut, okay, aber wie lange willst du mir das denn noch vorhalten? Ja, ich hätte für euch da sein sollen. Und ja, ich habe als Vater versagt und es tut mir leid, aber was willst du denn noch hören?"
 

Buffy presste die Hände auf die Tischplatte und beugte sich zu ihm herüber. "Nichts. Denn was du gemacht hast, kannst du nicht wieder rückgängig machen. Es war schon schlimm genug, dass du für mich nicht da warst, als Mom starb. Aber hast du dir mal überlegt, wie Dawn sich gefühlt haben muss? Oder warst du damit zu beschäftigt, mit deiner damaligen Sekretärin anzubandeln? Du hattest es ja noch nicht einmal nötig, mir zu sagen, dass du wieder heiraten wirst. Ich kann wohl eher froh sein, dass du dich doch noch bequemt hast, hierher zukommen, um einiges zu richten. Du fragst mich, wie lange ich dir das noch vorhalten will? Das kann ich dir sagen. Ich brauche deine Entschuldigungen nicht. Aber du solltest mit Dawn sprechen. Du solltest dich bei ihr entschuldigen. Dann können wir das alles endgültig verdrängen und nie wieder erwähnen. Vorher....musst du damit leben, Dad.“
 

Sie sah ihn kurz durchdringend an, ehe sie etwas über ihre Lippen brachte, das sie zunächst eigentlich lieber für sich behalten hätte. „Ich frage mich, ob du dich auch vor meiner Beerdigung gedrückt hättest, wenn du davon gewusst hättest."
 

Hank hatte eigentlich zu einer heftigen Erwiderung ansetzen wollen, aber Buffys letzte Worte ließen ihn inne halten. Wenn das, was sie ihm damit sagen wollte stimmte.... "Du warst...tot?"
 

"Ja. Für ein halbes Jahr. Dann hat man mich zurückgeholt." Sie sagte dies, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Aber Hank musste schlucken. Er starrte sie für einen Augenblick fassungslos an, bevor er aufstand.
 

"Buffy...es tut mir leid. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber das ist alles zu viel für mich.....ich werde jetzt gehen. Ich habe in der Stadt ein Hotelzimmer." Er griff in seine Jackentasche und reichte ihr einen Zettel mit einer Adresse. „Gib sie Dawn. Wenn sie bereit für ein Treffen ist, kann sie mich anrufen oder vorbeikommen.“ Er unterließ es aus Vernunft, auch Buffy darauf hinzuweisen, dass sie jederzeit anrufen konnte.
 

Bevor er die Tür öffnete, sah er noch einmal zurück zu Buffy, die immer noch am Tisch stand.
 

"Lass mich darüber schlafen. Bitte. Gib mir die Chance, zumindest irgendetwas wieder grade zubiegen."
 

Und dann war er durch die Tür gegangen...
 

++++
 

Wächterhaus, selbe Nacht.

Ein paar Stunden später

Es war schon sehr spät, als Giles aufblickte und zur Uhr sah. Fast Mitternacht.

Kurz nahm er die Brille von seiner Nase, rieb sich über die müden Augen und las weiter in den alten Büchern, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Willows Besuch vor ein paar Stunden hatte ihn doch mehr beschäftigt, als er zunächst geglaubt hätte. Doch die Recherche hatte bis lang nichts erbracht. Viel zu sehr vertieft in seine Lektüre bemerkte Giles nicht, dass Lily von hinten an ihn herantrat.
 

"Woran arbeitest du gerade Rupert?", fragte sie, während sie eines der Bücher, "Die Geschichte des Wächterrates", zur Hand nahm. Der Einband zeigte einen dreiköpfigen Dämonen aus dessen Mäulern Feuer hervorquoll und eine Jägerin, die ihn zu bekämpfen schien.
 

"Wohl keine geeignete Abendlektüre!", stellte sie dann fest, "Gibt es irgendetwas, dass ich wissen sollte?"
 

"Nein, ich... Es ist nicht so wichtig, ich suche nur nach etwas, aber ich weiß noch nicht einmal wirklich wo nach. Ich bezweifle wirklich, dass du mir dabei helfen könntest!"
 

“Bist du dir sicher? Dein Gesichtsausdruck sagt mir nämlich etwas anderes,“ hakte Lily nach und machte einen Schritt in den Raum hinein, um ihn besser anblicken zu können. „Ich kenne dich zu gut, als das du mich anlügen könntest, das solltest du doch wissen.“
 

"Also gut,", gab Giles schließlich mit einem Seufzen nach, auch wenn es ihm nicht wirklich recht war, da er Willow versprochen hatte sie herauszuhalten, aber er kam nicht voran und eine zweite Meinung in diesem Fall konnte nicht schaden. „Es geht um Willow. Doch das, was ich dir gleich anvertraue, muss unter uns bleiben – Willow fühlt sich nicht sehr sicher in dieser Angelegenheit und würde es gerne erst einmal zwischen ihr und mir bereden. Aber ich komme nicht voran und bräuchte deine Meinung.“ Nervös fuhr er sich durch die Haare und gab sich einen Ruck. „Sie kam zu mir, um von einer erneuten schmerzhaften Vision zu erzählen. Doch dieses mal war sie nicht mit irgendwelchen Bildern oder anderen Eindrücken verbunden und weitaus schmerzhafter als die male zuvor. Ich denke, dass wir nicht ausschließen können, dass ihr jemand bewusst Schaden zufügen will. Oder das wir bisher von ganz falschen Voraussetzungen was eine Hüterin betrifft, ausgingen. Doch ohne einen Anhaltspunkt wer oder was dahinter stecken könnte, ist es wohl unmöglich irgend einen brauchbaren Hinweis zu finden.
 

Dennoch lasse ich mich davon nicht entmutigen. Ich habe trotz allem angefangen einige Bücher durchzusehen. Als ich bei den traurigen Resten der Bücher des Rates ankam, stieß ich auf einige Ungereimtheiten. Im Kapitel über die Herkunft der Jägerinnen hatte ich bei genauerem Betrachten einiger Abschnitte das Gefühl, als ob ganze Passagen, die vom Kontext her Hinweise über Hüterinnen enthalten haben könnten, herausgekürzt oder ausgelassen wurden."
 

"Ich würde mir darüber keine Sorgen machen. Du kennst das doch selbst aus deinem Studium... manche alte Schriften sind so unleserlich, das sie beim Übersetzten oder bei einer Abschrift einfach nicht übernommen oder berücksichtigt werden können. Vielleicht haben sogar die Hüterinnen selbst dafür gesorgt, dass sie zerstört wurden, wenn sie wirklich von ihnen gehandelt haben sollten. Und laut Buffy, wollten die Hüterinnen verborgen bleiben. Aber wie soll das etwas mit Willow zu tun haben?"
 

"Nichts direktes. Aber mir drängt sich langsam die Frage auf, wieso nirgendwo Aufzeichnungen über die Hüterinnen existieren.", kam Giles schließlich auf den Punkt.
 

"Vielleicht hatten wir welche, doch sie wurden bei dem Attentat auf den Rat zerstört?", schlug Lily vor.
 

"Ich bin mir sicher, wenn etwas über sie in unseren Schriften gestanden oder in mündlichen Überlieferungen überlebt hätte, wäre es mindestens einem von uns bekannt gewesen. Nur macht es keinen Sinn, dass dieser jemand sein Wissen vor uns allen verborgen hielt. Bisher haben wir immer angenommen, dass die Hüterinnen nur nicht gesehen werden wollten. Aber was wäre wenn der Rat, der Innere Kreis, von ihnen wusste, sie aber nicht akzeptierte und deswegen alles was mit ihnen zu tun hatte zurückhielt? Oder gar schlimmer – sie versuchte zu vertreiben oder sie verfolgte? Was ist, wenn es heute noch unter den überlebenden alten Wächtern Mitglieder gibt, die sich nicht mit einer Hüterin, die über ihnen steht, abfinden können?", beendete Giles seine Ausführungen und erwartete eine Antwort von Lily.
 

Doch Lily schwieg und starrte ihn an, als würde sie nicht schlau aus ihm werden oder brauchte ein paar Minuten, um Ruperts Überlegungen zu folgen. Schließlich brach er das Schweigen: "Was denkst du?"
 

Lily sah Giles offen an, auch wenn ihr die Worte nicht leicht fielen, da sie so vieles ansprachen, was mit der Zeit zwischen sie getreten war:. "Ich ... nun ja, ich habe inzwischen begriffen, dass du meine Ansichten bezüglich des Rates und seiner Arbeit nicht unterstützt, und ich muss es wohl akzeptieren; aber langsam...", sie stoppte, als würde sie nach den richtigen Worten suchen, "Langsam glaube ich, dass du nur nach Vorwänden suchst, um den alten Rat schlecht machen zu können, um den neuen noch mehr nach deinen Vorstellungen umzukrempeln! Hast du irgend einen Anhaltspunkt für diese These?"
 

Giles sah sie kurz verstimmt an, ließ sich aber davon nicht aus dem Konzept bringen. „Einen Anhaltspunkt?“, dachte Giles offensichtlich ungehalten laut nach. „Hast du mir nicht zugehört? Ich recherchiere ohne stichhaltige Beweise oder Anhaltspunkte. Es ist alles nur eine große Theorie...eine gewagte, aber wenn wir davon ausgehen, dass...“
 

"- deine These stimmen sollte.", ergänzte Lily mit einem amüsierten Glitzern in ihren Augen.
 

"Ja,“ nickte Giles ungeduldig und rückte seine Brille zurecht,. „Nun ja, sollte es so sein, wäre es doch gut möglich, dass dieser jemand aus dem Rat, der nun eine Hüterin in Willow präsentiert bekommt, sein Wissen unbedingt weiterhin für sich behalten möchte, um eine weitere Umstrukturierung des Rates, dem neuen Rat, mit dem er ebenfalls unzufrieden ist, aufzuhalten. Für diesen jemand sind bereits die neuen Strukturen mit all den Jägerinnen, Anfängern als Wächter und das plötzliche Auftauchen einer lang vergessenen, übergeordneten Einheit, der Anfang vom Ende. Er möchte alles wieder zu seinem Ursprung zurückführen – die Wächter als Einheit, als das bestimmende Organ, die Jägerin als sein Instrument. Es wäre für ihn ein leichtes mit Hilfe eines Dämons oder Zaubers Willow mit einem Fluch zu belegen, der ihr diese Visionen, die Schmerzen und Verletzungen bringt. Er schaltet schrittweise die letzte der Hüterinnen aus und schwächt den neuen Rat.“
 

"Möglich.", unterbrach Lily Giles Überlegungen, während sie besorgt über Giles Worte nach etwas suchte, um ihn auf ein paar offensichtlichere Dinge zu lenken. "Aber findest du nicht auch, dass es ein bisschen sehr konstruiert ist? Ich bin mir sicher, dass jeder der Interesse daran hat, herausfinden könnte, was oder wer Willow ist, sei es durch einen Zauber oder was auch immer. Aber wem sollte das nützen? Und ich bezweifle stark deine Verschwörungstheorie. Jemand aus dem Rat würde so ziemlich gegen jeglichen Codex verstoßen, wenn er ein solches Wissen für sich behielte und zudem jemand, der im Kampf gegen das Böse so nützlich wäre wie Willow, schaden möchte.
 

Was ist mit diesem mächtigen Dämon, den Willow erwähnte? D’Hoffryn? Er weiß doch schon lange, was Willow ist? Und da er Willow ständig für seine Sache gewinnen möchte, liegt es doch auf der Hand, dass er zum Beispiel Interesse daran haben könnte, Willow durch ein wenig Druck zu überzeugen? Oder dieser Rachedämon, den er geschickt hatte?“ Sie legte eine theatralische Pause ein, bevor sie weitersprach, "Er könnte seine Information vermutlich an jeden anderen Dämon auf diesem Planeten weitergegeben haben, der ihm bei seinem Ziel behilflich wäre! Wieso versuchst du so krampfhaft den Rat als Sündenbock heranzuziehen? Was ist mit dir los, dass du das offensichtliche übersiehst?"
 

"Ich, ich weiß nicht, es ist einfach nur...", resignierte Giles und nahm seine Brille ab, um sie energisch zu putzen, "Ich habe einfach nur so ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache und im bezug auf den alten Rat spreche ich sicher aus eigener Erfahrung, wenn ich behaupte, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es ist..., als ob etwas im Busch wäre und nur darauf warten würde mich anzuspringen."
 

Lily trat nahe an ihn heran und legte ihre Hand auf seine Schulter: "Vielleicht müsstest du dir Sorgen machen, wenn die alten Strukturen noch gelten würden, oder der alte Rat nach wie vor existierte. Wie soll der neue Rat funktionieren, wenn du nicht einmal selbst an ihn glaubst? Also leg deine Zweifel bei Seite und mach deine Arbeit weiter!", schließlich fügte sie noch mit einem ungewohnt warmen Klang in ihrer Stimme hinzu: "Und im Notfall hast du ja immer noch mich!"
 

"Ja, ich schätze, du hast recht!", räumte Giles ein, "Ich sollte die Bücher wohl erst einmal ruhen lassen und meine Theorien überdenken!"
 

"Ja tu das!", Lily war einen Schritt zurückgetreten und schaute Gedanken verloren aus dem Fenster in die finstere Nacht hinaus.
 

++++

Xander's und Andrew's Apartment

etwa zur selben Zeit

Die Wohnung war dunkel, als Xander den Flur betrat. Er bemühte sich, leise zu sein, um Andrew nicht zu wecken, so verzichtete er vorsichtshalber darauf, das Licht im Wohnzimmer einzuschalten, als er auf Zehenspitzen in die Küche schlich, um sich etwas zu trinken zu holen. Essen konnte er nichts, obwohl er hungrig war, doch die Sorge um Willow hatte ihm jeden Appetit genommen.

Ob er sie anrufen sollte? Vielleicht hatte Giles eine Ahnung gehabt, was mit Willow vor sich ging? Oder irgendeinen Rat parat gehabt?
 

Nein, das war keine gute Idee, sie konnte jetzt sicher keine Störung mehr gebrauchen. Außerdem gab es ohnehin nichts, was er für sie tun konnte. Nicht, wenn es um Magie ging.

Ging es überhaupt darum?

Seufzend lehnte er sich an den Kühlschrank. Das war wieder einer dieser Momente, in denen er sich echt total überflüssig vorkam. Vielleicht hätte er sich in letzter Zeit ein bisschen mehr um Willow kümmern sollen. Die ganze Sache mit dem neuen Job hatte ihn derart in Anspruch genommen, dass abgesehen vom gemeinsamen Dämonenjagen nicht mehr viel Zeit für seine Freunde übrig geblieben war.

Und dann war da noch Eve...

Es war so still, dass er den Kühlschrank ganz deutlich summen hörte. Und Schritte, draußen im Flur. Stimmen, die sich unterhielten.

Er horchte auf. War das nicht gerade Andrew's Kichern gewesen?

Ein Blick zurück ins Wohnzimmer bestätigte seinen Verdacht, Andrew lag gar nicht auf der Couch, und schlief, er war überhaupt noch nicht zu Hause. Seltsam, so spät war er noch nie heimgekommen. Auch wenn er jetzt viel öfter ausging, als früher.

Ob das mit seinem neuen Job zusammenhing? In seinem Rollenspielladen lernte er mit Sicherheit jede Menge andere Fantasy- und SF-Verrückte kennen.

Einen Moment später hörte Xander auch schon, wie die Tür aufgesperrt wurde. "Sei bloß leise," flüsterte Andrew. "Xander schläft wahrscheinlich schon."

"Andrew?" Xander knipste das Licht im Wohnzimmer an, und öffnete die Tür zum Flur. Mit einem erschrockenen Quieker ließ Andrew die Wohnungstür ins Schloss fallen. "Xander?"

"Sorry, wollt' dich nicht erschrecken." Xander warf seinen Mitbewohner einen müden Blick zu, machte kehrt, und marschierte ins Wohnzimmer zurück. Wie es schien, hatte Andrew Besuch mitgebracht, aber Xander war jetzt absolut nicht in der Stimmung für höfliche Kennenlern-Konversation, oder irgendwelche Film-Debatten. Die Sorge um Willow brannte noch immer wie eine schmerzende Wunde in ihm, und ließ ihm keine Ruhe.

Als Andrew das Wohnzimmer betrat, war er jedoch allein. Eine Deo-Wolke hinter sich herziehend, hüpfte er in Richtung Kommode, betrachtete sein Spiegelbild in der gläsernen Balkontür, und summte dabei vor sich hin - mit glänzenden Augen, hochroten Wangen, und einem verträumten Gesichtsausdruck. Aber dass er sich mal wieder wie ein kleiner Junge auf dem Spielplatz aufführte, schien ihn nicht im Mindesten zu stören.

Xander verzichtete darauf, ihm einen Vortrag zu halten, das hatte er in letzter Zeit schon zu oft getan, und Andrew interessierte es ja doch nicht. Zwar tat er hin und wieder mal schuldbewusst, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, aber im Endeffekt gingen die Vorwürfe zum einen Ohr rein, und zum anderen wieder raus.

Auch egal. Wenn er sich unbedingt wie ein Dreijähriger aufführen wollte, dann bitteschön.

"Hey, was ist denn mit dir los?" Erschrocken blickte Andrew auf Xander's zusammengesunkene Gestalt auf der Couch. "Du siehst total fertig aus."

"Ich bin einfach nur müde," versuchte Xander abzulenken. "Wie war der Film?" versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Wenn Andrew ausging, dann war es meistens mit Kino verbunden.

"Grottenschlecht," seufzte Andrew verzückt, warf sich vor seinem Spiegelbild in Pose, und begann an seinen Haaren herumzuzupfen. Neben dem Deo glaubte Xander plötzlich den Geruch von Alkohol wahrzunehmen, hatte Andrew etwa getrunken?

"Nur einen einzigen Cocktail," versicherte Andrew, als er Xander's Blick bemerkte. "Einer von diesen Fruchtcocktails mit fast nur Saft. Wir waren nach dem Kino noch in einer Bar und die ...uhm...haben vergessen, nach meinem Ausweis zu fragen..."

"Wir?" fragte Xander. "Sag bloß, da ist irgendein Mädchen im Spiel. Das würde zumindest erklären, warum du plötzlich Geld für Klamotten ausgibst, Mr. 80's Look!" Sein Blick wanderte über Andrew's enges grünes Oberteil, sein leuchtend orangefarbenes Hemd, die gleichfarbigen Jeans, und die grünen All Stars. In letzter Zeit sah Andrew richtig gut aus, auch wenn er sich natürlich eher die Zunge abgebissen hätte, als das zuzugeben.

"Erstens sind die 80's wieder in," verteidigte sich Andrew, "und zweitens interessieren mich Mädchen nur dann, wenn sie in Lederklamotten über Kinoleinwände fliegen, und gegen fiese Bösewichter kämpfen...”

”Andrew, bitte,” seufzte Xander genervt. Seit neuestem schien der Junge auch noch stolz darauf zu sein, dass er so ein unverbesserlicher Kindskopf war, und das ging jetzt wirklich zu weit. Früher hatte er sich zumindest bemüht, etwas normaler zu werden, aber seit seinem missglückten Date mit Dawn hatte er komplett auf stur geschaltet. Er schien absolut kein Interesse daran zu haben, endlich mal ein Mädchen kennen zu lernen, und eine normale Beziehung zu führen, und er hätte, weiß Gott, Gelegenheit dazu gehabt. Aber seine blöden Filme waren ihm ja wichtiger!

"Ich weiß schon, dass jetzt gleich wieder 'ne Predigt kommt, aber kannst du sie noch zurückstellen?" Andrew sah Xander bittend an. "Es ist alles ein bisschen kompliziert, weißt du. Ein bisschen, wie Charmed, und ein bisschen wie Smallville. Und ein bisschen, wie Batman und Robin, aber irgendwie doch ganz anders..."

Er holte tief Luft, und hockte sich neben Xander auf die Couch. "Uhm... und ehrlich gesagt, hab‘ ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll..."
 

"Kompromiss," schlug Xander vor. "Ich halte dir keine Predigt übers Erwachsenwerden, und du hältst mir keine über Batman und Robin. Wir gehen jetzt einfach schlafen, und lassen das Thema!"

Sein ruppiger Tonfall tat ihm schon wieder leid, aber was immer Andrew ihm da erzählen wollte, er hatte jetzt absolut keine Nerven dafür. Natürlich war Schlafengehen keine Alternative, er würde mit Sicherheit kein Auge zutun können, aber zumindest war es besser, als sich Vorträge über Filme anzuhören.

Was, wenn Willow's Schmerzattacke überhaupt nichts mit Magie zu tun hatte. Vielleicht wollte er nur etwas Übernatürliches als Ursache sehen, um die Schuld möglichst weit weg zu schieben. Um nicht das Offensichtliche zu sehen, nämlich dass seine beste Freundin seit langer Zeit unter furchtbarem Stress stand, und was hatte er getan, um ihr diesen Stress zu erleichtern? Nicht genug. Nun gut, in ihre Beziehung zu Kennedy wollte er sich nicht einmischen, weil es ihn nichts anging, in ihre Arbeit mit dem Rat wollte er sich nicht einmischen, weil es ihn nichts anging, und in ihren Konflikt mit Buffy - nein, es ging ihn alles sehr wohl etwas an. Er spürte ja ganz deutlich, wenn etwas mit Will und Buff nicht in Ordnung war, aber es war schwierig gleichzeitig verständnisvoll zu sein, und sich trotzdem einzumischen, um zu helfen. Und helfen musste er...

"Na gut, lassen wir's, war eh nicht so wichtig." Andrew's Tonfall war eine seltsame Mischung zwischen Enttäuschung und Erleichterung. "Uhm...ihr hattet doch heute Besprechung wegen Buffy's Geburtstag, was ist denn dabei raus gekommen? Wo wollen wir die Party machen?"

"Es ist nicht wirklich was dabei raus gekommen," begann Xander, und plötzlich sprudelten die Worte aus ihm heraus, bevor er sie aufhalten konnte. "Willow geht es nicht gut. Gar nicht gut. Kennedy und ich haben sie zu Giles gebracht. Vielleicht hatte er für sie einen Rat. Kennedy ist geblieben. Sie wollte Willow noch nachhause bringen, damit sie sich ausruhen kann, aber wir wissen beide nicht, was mit ihr los ist. Sie hatte plötzlich unerklärliche Schmerzen, und wir haben die Besprechung abgebrochen."

"Warum hast du nicht gleich gesagt, was los ist?" fragte Andrew erschrocken. "Deshalb bist du so fertig! Und ihr habt gar nichts raus finden können?" erkundigte er sich besorgt.

"Willow hat uns gebeten, sie nicht zu drängen. Sie will das alles erst einmal mit Giles alleine besprechen," Xander starrte düster vor sich hin. "Wenn es ihr morgen nicht besser geht, müssen wir unbedingt etwas unternehmen. Wir müssen zumindest raus finden, ob die Schmerzen eine übernatürliche Ursache haben...aber.." er suchte nach Worten, "es geht noch um was anderes. Mir ist klar geworden, dass ich mich in letzter Zeit nicht genug um Will, und auch Buffy gekümmert habe...wir haben uns wieder ziemlich voneinander entfernt..."

"Passiert das nicht dauernd bei Freundschaften?" fragte Andrew nachdenklich. "Ich meine, dass man sich mal näher steht, und dann wieder nicht? Ist doch immer so ein Hin und Her, aber deshalb hat man sich doch nicht weniger lieb."

"Wahrscheinlich hast du recht." Ein schwaches Lächeln huschte über Xander's Lippen. "Wenn es Will nicht gut geht, fühl' ich mich immer irgendwie schuldig, selbst wenn ich vielleicht gar nichts dafür kann. Wir haben uns immer um einander gekümmert, wir hatten sonst niemanden. Meine Eltern waren zu beschäftigt, sich zu streiten, und ihre haben irgendwie kaum bemerkt, dass sie da ist."

"Genau wie meine Tante." Gedankenverloren blickte Andrew in die Ferne. "Tucker und ich waren ihr ziemlich egal, weißt du! Natürlich haben wir uns immer gesagt, dass wir alles machen können, was wir wollen und dass keiner uns was vorschreibt, aber so toll, wie wir getan haben, war es längst nicht."

"Warum habt ihr eigentlich bei eurer Tante gewohnt?" Xander erinnerte sich daran, dass er Andrew diese Frage schon längst hatte stellen wollen. "Was war denn mit euren Eltern?"

"Offiziell, ein Zugunglück." Andrew seufzte leise. "Inoffiziell, sagen dir die Begriffe Sunnydale und Höllenschlund was?"

"Das tut mir echt leid." Xander legte eine Hand auf Andrew's Schulter.

"Schon okay, ist alles schon länger her." Andrew lächelte tapfer. "Und ich hatte ja noch meinen Bruder. Und Jonathan und Warren. Zumindest für eine Weile."

Er brach ab. "Aber was jammer’ ich hier rum, wenn ich doch eigentlich dich trösten sollte." Er griff nach Xander's Hand, und hielt sie fest. "Mach dir keine Vorwürfe wegen Willow. Du tust immer alles, was du kannst, um ihr zu helfen."

"Ich geb’ mir jedenfalls Mühe." Ein wenig verlegen zog Xander seine Hand zurück. "Ich bin es wohl nicht gewohnt, getröstet zu werden," meinte er fast entschuldigend. "Normalerweise kommen die Leute zu mir, wenn sie Trost brauchen."

Andrew wuschelte Xander durch die Haare, wie einem kleinen Jungen. "Eben deshalb."
 

+++++
 

Buffys Wohnung

selbe Nacht, etwas später

Nachdem ihr Vater verschwunden war, um zu seinem Hotel zu fahren, hatte sich Buffy erst einmal eine heiße Dusche gegönnt, um die Spuren des Kampfes abzuwaschen. In ihrem Kopf liefen so viele Gedanken nebeneinander her, dass sie sich kaum noch konzentrieren konnte. Der Ghul, die merkwürdigen Visionen in ihrem Kopf, ihr Vater, der plötzlich aufgetaucht war, ihr Geburtstag, ihre Zukunft; all das schien sie nicht mehr loszulassen.
 

Sie föhnte ihre Haare, löschte das Licht und legte sich zum schlafen in ihr Bett. Nach den Ereignissen dieser Nacht konnte sie etwas Erholung mehr als gut gebrauchen.
 

Einige Minuten vergingen, doch obwohl sie versuchte alle Gedanken abzuschalten, wollte es ihr einfach nicht gelingen.
 

Hatte die Vision etwas mit dem Ghul zu tun gehabt, hatte er sie vielleicht sogar geschickt? Vielleicht war es ja etwas ganz normales im Zusammenhang mit diesen Monstern? Oder war es doch ein Grund sich Sorgen zu machen?
 

Nein. Es brachte jetzt überhaupt nichts! Wenn diese Vision wieder kam, würde sie mit Giles reden müssen. Aber morgen war noch genug Zeit darüber nachzudenken. Sie wälzte sich vom Rücken auf die rechte Seite.
 

Wieso tauchte ihr Vater jetzt plötzlich auf, wo er sich doch sonst nie wirklich um sie gekümmert hatte? Wie sollte sie mit ihm umgehen? Wie würde Dawn mit ihm umgehen?
 

Schluss jetzt! Sie drehte sich auf ihre linke Seite.
 

Langsam war es wirklich an der Zeit, dass sie einen Job annahm. Doch was für eine Art würde am besten zu ihr passen, und vor allem zu ihren Pflichten als Jägerin? Sie hatte in der Vergangenheit zu viele schlechte Erfahrungen gemacht und auch die bisherigen Erfahrungen in Cleveland dies bezüglich waren nicht sehr ermutigend es weiter zu versuchen. Allerdings hatte ihr der Job in der Schule unter Robin Wood gefallen, vielleicht sollte sie sich etwas in diese Richtung... Verdammt!
 

Es war sinnlos! Langsam setzte sie sich im Bett auf. Sie würde nicht mehr einschlafen so viel war klar.

Während sie aufstand und sich den Morgenmantel überstreifte überlegte sie, ob sie noch einmal auf den Friedhof gehen sollte, um sich abzureagieren, doch nach kurzer Überlegung entschied sie sich dagegen, denn sie fühlte sich merkwürdig geschafft obwohl sie gleichzeitig viel zu aufgekratzt war, um einschlafen zu können.
 

Statt dessen machte sie es sich in einem Sessel bequem, nahm die Tageszeitung und überflog sie. Schließlich fand sie den Anzeigenteil, der inzwischen zu ihrem Hauptinteresse geworden war.
 

Hier... das klang recht gut: nicht schlecht bezahlt, ganz in der Nähe, aber, und das sprach definitiv dagegen, ein Fast Food Restaurant! Nein, das brauchte sie wirklich nicht noch einmal. Allerdings musste sie wohl befürchten, dass sie ohne vernünftige Ausbildung kaum etwas besseres erwarten konnte.
 

Plötzlich fiel ihr eine kleine Anzeige am unteren Rand auf: Lagerverwaltung, keine Vorkenntnisse erforderlich, dazu noch besser bezahlt als der Burgerladen; ein Anruf konnte ja nicht schaden, gleich morgen früh.
 

Sie griff einen Stift und einen Zettel und begann die Nummer zu übertragen, der Stift glitt langsam ab ... "Guten Tag, Miss Summers, setzen sie sich doch!", ein gutaussehender Mann im Anzug bot ihr einen Platz an. Sie lächelte ihm freundlich zu, darauf bedacht einen guten Eindruck zu machen.
 

Sie drückte so kräftig zu, dass der Stift das Papier durchbohrte, und einen Kratzer ... "Ich freue mich schon sehr darauf mit Ihnen zu arbeiten, Miss Summers!", sie schüttelten sich die Hände. Er hielt ihr die Tür auf. Plötzlich nahm sie wahr wie sich seine Hand ihrem Po näherte, aus einem Reflex heraus griff sie ihn an seinen Arm und schleuderte ihn auf die Erde, ein Geräusch von brechenden Knochen war die Folge.
 

Wie eine Narbe zog sich der schwarze Strich über den Tisch und dabei... Sie stand vor einem Gericht, der Mann, der ihr den Job angeboten hatte saß auf der Bank hinter ihr, sein Arm war in Gips und seine Nase war offensichtlich auch gebrochen.

"Leugnen sie die Tat, Miss Summers?", die Stimme des Richters klang so als stände für ihn das Urteil schon fest. "Nein, aber... Ich..."
 

Buffy wollte aufstehen, ... doch Ihre Augen waren ausdruckslos, sie saß alleine in einer Einzel-Zelle durch deren schmales Fenster das zur neige gehende Tageslicht die letzten Schatten warf.

Ein Wachmann, der ein blaues Auge hatte und offensichtlich darauf bedacht war Abstand zu halten öffnete die Tür: "Es ist Besuch für Sie da!" Hinter ihm im Warteraum konnte sie Giles erkennen, der gerade dabei war seine Brille zu putzen - er sah ziemlich fertig mit seinen Nerven aus.
 

Langsam verschwanden die Bilder aus ihrem Kopf. Panik packte sie. Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können zerriss sie den Zettel in viele kleine Teile bis keine einzige Zahl mehr zu erkennen war. Für diesen Job würde sie sich definitiv nicht bewerben.
 

Giles! Sein Angebot stand immer noch und bei ihm wusste sie woran sie war. Sie nahm das Telefon in die Hand und wählte seine Nummer, ungeachtet der späteren Stunde. Immer noch im Schockzustand schienen ihre Differenzen für einige Augenblicke bedeutungslos zu sein. Ihre Finger hämmerten auf die Tasten... Ein altes Herrenhaus in England, sie selbst und Lily schritten einen mit Marmor gepflasterten Gang hinab, gefolgt von einem komisch aussehenden Mann in weißem Kittel.

"Seit Ruperts Tod sind die Dinge nicht gerade einfacher, wir haben immer mehr `Anomalien`, manchmal frage ich mich, ob wir es nicht wirklich rückgängig machen sollten!", Lilys Stimme hallte gespenstisch in dem hohen Gang wieder, sie selbst nickte nur wortlos, doch ihr Gesicht zeigte, wie gebrochen ihr Inneres war.

Sie kamen zu einem weiteren Flur mit vielen vergitterten Türen, der Mann, der hinter ihnen gegangen war, trat nun vor, zog einen alten, rostigen Schlüssel aus seinem Kittel hervor und öffnete die Tür. In einer Ecke des Raumes kauerte ein Mädchen, ihre Hände waren in Ketten.
 

Sie presste das Telefon an ihr Ohr... "Ihr Name ist Dana, sie ist einfach nicht mehr unter Kontrolle zu halten, wie alle diese Jägerinnen hier." erläuterte der Mann. "Tun sie es!" befahl Lily, worauf er eine Spritze aus einer Tasche hervorzog: "Es wird gar nicht weh tun, Dana!"

Die Nadel bohrte sich in den Hals des Mädchens und das Gift entleerte sich in ihren Blutkreislauf. Ihre Glieder wurden schlaffer und sie sackte zusammen. „Es ist ein Jammer, aber wir konnten nichts mehr für sie tun,“ sagte Lily traurig.
 

Ein Kugelschreiber klickte und Buffy machte einen Haken auf ihrer Liste.
 

Freizeichen. So schnell sie konnte knallte sie das Telefon zurück in die Halterung. Selbst wenn sie Giles vertrauen könnte, und dessen war sie sich ganz und gar nicht mehr sicher, Lily und den anderen Wächtern war alles zu zutrauen. Neuer Rat hin oder her. Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren alle verschwundenen Bedenken zu ihr zurückgekehrt.
 

Vermutlich war es doch das beste, wenn sie erst einmal wieder studieren würde.... Ein gut besuchter Vorlesungssaal. Der Professor erläuterte ausschweifend das Sozialverhalten einer seltenen Affenart im südamerikanischen Regenwald. In den Gesichtern der anderen Studenten zeichnete sich Langeweile ab, doch in Buffys Gesicht nicht: Es war auf den Tisch gesunken. Die Strapazen der Nacht forderten nun ihren Tribut.

"Ms Summers!", der Professor brüllte sie völlig entrüstet an, als er es bemerkte, die anderen fingen an zu lachen.
 

Sie krallte sich an den Lehnen fest. Die Prüfung. Alle anderen schienen hoch konzentriert zu arbeiten, doch Buffy hatte keine Ahnung, was sie mit all den Aufgaben anfangen sollte, hilflos starrte sie den leeren Bogen an, als wären ihr die Zeichen nicht geläufig.
 

Völlig fertig, wie in Trance schlenderte sie danach durch den College-Flur. Plötzlich spürte sie Giles Hand auf ihrer Schulter: "Wie sind die Prüfungen gelaufen?"
 

Schließlich hörte es auf.... Sie lag vollkommen geschafft im Sessel. Sie war jetzt noch verwirrter als zuvor. Was sollte sie bloß als nächstes tun? Sich doch bei der Jagd abreagieren? Oder... Nein, sie würde in ihrem Zustand nur eine leichte Beute bieten. Trotz der Verwirrung und auch ein wenig Angst vor neuen Bildern in ihrem Kopf, schleppte sich Buffy zu ihrem Bett und ließ sich darauf niedersinken.
 

Sie hatte es zwar stark bezweifelt... aber sie war in wenigen Minuten fest eingeschlafen.
 

Draußen vor ihrem Fenster zog eine Krähe bedrohliche Kreise.
 

Akt 3
 

Cleveland, ein Park

Nächster Tag, später Mittag

„Oh man Picknick im Winter, auf die Idee wäre ich nie gekommen.“ Grinste Dawn, während sie einen dampfenden Becher Tee in der Hand hielt.
 

„Siehst du, ich bin eben romantisch veranlagt und bei dem Sonnenschein kam mir spontan die Idee mit dem Picknick“
 

Bei strahlend blauem Himmel saßen beide mitten in einem Park auf einer Bank. Shin hatte eine dicke Decke auf die Bank gelegt, auf der beide saßen und unter einer anderen Decke kuschelten sich beide in ihren dicken Jacken aneinander.

Neben ihnen stand der Picknickkorb gefüllt mit Sandwiches, Süßem und einer vollen Thermosflasche Tee, die bei diesen Temperaturen trotz Sonnenschein bitter notwendig war..
 

Dawns Gesicht hatte bereits eine entzückende Röte, die sie noch strahlender machte.

Shin konnte gar nicht die Augen von ihr lassen.
 

Von Zeit zu Zeit überraschte er sie mit einem Kuss. Jedes mal kicherte Dawn ganz süß auf. Mit der Zeit hatten sie ein Spiel daraus gemacht. Sie genoss das kleine Spiel, obwohl sie es doch ein wenig albern fand. Schließlich waren sie beide schon „groß“. Aber es war schön sich mal um nichts Gedanken machen zu müssen. Dabei hatte sie alle Gründe dafür sich welche zu machen. Ihr Vater war in der Stadt. Das erste, was ihr Buffy heute Morgen mitteilte, kaum dass sie von Mara nach Hause gekommen war. Jetzt saß sie hier, vergnügte sich mit Shin und hatte in einer ihrer Jackentaschen die Adresse ihres Vaters. Vielleicht... später... ein kurzer Besuch... sie war sich unschlüssig... Aber andere Dinge waren jetzt einfach wichtiger.
 

„Übrigens wollte ich dich fragen, ob du Lust hast auf die Geburtstagsfeier meiner Schwester zu kommen.“ Dawn sah Shin fragend und ein wenig bittend an. Das waren Dinge, über die sie sich angenehmere Gedanken machen konnte.
 

„Sollte ein Geburtstagskind seine Gäste nicht lieber selber einladen?“ fragte Shin
 

„Hmm schon, aber ich glaube nicht das es ihr etwas ausmacht. Es ist ein guter Anlass, um dich meinen Freunden vorzustellen. Dem verrückteren Teil davon,“ grinste Dawn. Was hältst du davon? Außerdem wäre es stinklangweilig ohne dich.“ Das war zwar eine Lüge, aber ihr waren alle Mittel recht, um Shin zu überzeugen.
 

„Hm. Ich weiß nicht und wenn es Buffy nicht recht wäre? Sie kennt mich ja kaum.“ Warf Shin nachdenklich ein. Die Erinnerung an Halloween hatte einen bitteren Beigeschmack.
 

Dawn verlegte sich aufs Betteln. „Bitte, Bitte, Bitte. Du musst kommen.“
 

Shin verkniff sich sein Grinsen, es machte ihm so viel Spaß sie zappeln zu lassen. Dawn zog eine Schnute. „Shin, los gib dir einen Ruck.“ Plötzlich sah sie das Grinsen, welches sich in seine Mundwinkel geschlichen hatte. “Du bist gemein,“ keifte Dawn beleidigt, gab Shin aber sofort einen Kuss und warf sich in seine Arme. „Du kommst also?“
 

„Na klar, wie könnte ich meiner Freundin einen Wunsch abschlagen.“
 

‚Meiner Freundin’ Dawn wurde ganz warm als sie diese Worte aus Shins Mund vernahm. Wieder wurde ihr klar, wie sehr er bereits Teil ihres Lebens war. Es war einfach passiert – sie wusste nicht wie, aber es war schön. Vielleicht war Shin so etwas, wie Angel einmal für Buffy war. Dawn fühlte auf jeden Fall eine besondere innere Verbundenheit und sehr viel Liebe, wenn sie Shin ansah. Sie war allerdings sehr froh darüber, das er kein Dämon war oder sonst irgendwelche Geheimnisse vor ihr hatte.

„Ich bin so froh, das wir uns gefunden haben. Mir ist manchmal als hätte ich mein Leben lang nach dir gesucht.“ Leise kamen diese Worte von Shin – las er Gedanken, dachte Dawn amüsiert - , fast so als würde er es selber gerade erst feststellen. Dawn spürte in diesem Moment wie nah sie sich waren.
 

„Ich bin auch froh, dass ich dich gefunden habe. Ich möchte dich nie wieder hergeben.“ Ihre Lippen fanden sich zu einem innigen Kuss.
 

Leise seufzte Dawn.
 

„Was ist?“ fragte Shin besorgt.
 

„Na ja,“ langsam schälte Dawn sich unter der Decke hervor und stand von der Bank auf. „Mein Vater.. er ist in der Stadt.“
 

„Der Mann, der nicht einmal auf die Beerdigung seiner Ex-Frau kam?“, fragte Shin und versuchte damit Dawns trauriges Gesicht aufzulockern. Doch sie nickte nur betrübt. „Willst du ihn sehen?“
 

„Ich weiß nicht. Buffy sagt, es wäre vielleicht ganz gut...“
 

„Du machst das schon,“ sagte Shin zuversichtlich und griff nach einem Sandwich. Dawn war sich da nicht so sicher, aber da sie zugelassen hatte, dass der Gedanke an ihren Vater die Stimmung getrübt hatte, musste sie schnell dafür sorgen, dass dies anders wurde.
 

Dawn seufzte erneut. Shin sah auf. „Bedrückt dich noch etwas?“
 

“Na ja, ich überlege noch, wie ich dir das sagen soll. Ich will nicht, dass du enttäuscht von mir bist.“
 

Shin wurde langsam besorgt. Was konnte Dawn meinen? War es etwas Schlimmeres mit ihrem Vater? Oder etwas anderes? Welche schlimmen Sachen konnte sie bisher angestellt haben, was konnte mit ihr los sein? In seinen Gedanken versunken bemerkte Shin nicht wie Dawn sich langsam bückte und etwas von dem schneebedeckten Rasen aufhob.
 

„Ich tu das wirklich nicht gerne Shin, aber es muss sein, weil ...“
 

Shin bekam Angst, was sollte das? In dem Moment bemerkte er, dass Dawn etwas nach ihm geworfen hatte. Etwas Kaltes, Nasses traf ihn im Gesicht.
 

Verwundert schüttelte er sich und sah zu Dawn, genau rechtzeitig, um dem nächsten Schneeball zu entgehen. Dawn bog sich vor Lachen.
 

„Ich hab dich drangekriegt. Man du hättest dein Gesicht sehen sollen“ sie kringelte sich vor Lachen.
 

“Na warte,“ blitzschnell hatte Shin sich ebenfalls aus der Decke geschält und war schon auf dem Weg zu Dawn, um sie gebührend zu bestrafen.
 

Gleich darauf waren beide in eine Schneeballschlacht verwickelt.
 

Einige Minuten später lagen Dawn und Shin keuchend im Schnee.

„OK, du hast gewonnen.“ Schnaufend gab Dawn auf. Sie hatte kaum noch Kraft in den Armen, aber sie fühlte sich so gut, wie schon seit langem nicht mehr.
 

Überall von Schnee bedeckt, machten sich beide daran ihre Sachen zu packen.
 

++++
 

Cleveland, Hotel-Bar

Selbe Zeit
 

Hank saß an der Bar und wusste, dass es viel zu früh für einen Drink war. Doch die gestrige Nacht hatte seine Sicht der Welt stark verändert. Auch die Sicht über seine Tochter. Dinge ergaben auf einmal wirklich Sinn. Dinge, die er früher als Teenager-Dummheiten betrachtet hatte: Ihr nächtliches Davonschleichen, Bekannte, die ihnen berichteten Buffy in einer gefährlichen Gegend gesehen zu haben, die vielen Spuren von einer wilden Nacht... alle ihre Versuche Buffy zur Vernunft zu bringen ohne Ergebnisse... Hatte Joyce es gewusst? Er hatte ganz vergessen Buffy danach zu fragen. Und wenn ja, wie hatte sie es verkraftet?
 

Und wusste Dawn es auch? War Dawn am Ende sogar selbst eine Jägerin?
 

Merkwürdig wie er darüber auf einmal nachdenken konnte, ohne das ihm ein Schauer über den Rücken lief. Doch da waren wieder die Bilder der Kreatur, die auf der Strasse lag, der Kopf vor seinen Füssen...
 

„Ich hätte gerne noch einen,“ rief er dem Barkeeper zu und hob sein leeres Glas.
 

++++
 

Cleveland, Hotel

Etwas später

Shin hatte Dawn den ganzen Weg zum Hotel ihres Vaters begleitet. Sie war ihm dafür sehr dankbar. Alleine hätte sie womöglich den Schwanz eingeklemmt und sich vor dem Gespräch gedrückt. Aber dann wäre sie wohl nicht besser gewesen als ihr Vater.
 

Vor dem Hoteleingang gaben beide sich einen letzten Kuss bevor er gehen musste.
 

„Kopf hoch. Zeig ihm einfach nicht, wie sehr er dich verletzt hat. Dann kann er dich nicht mit irgendwelchen Versprechungen überrumpeln.“
 

„Ich versuch daran zu denken. Und du denk an Buffys Party. Du hast es versprochen.“
 

„Wie könnte ich das vergessen,“ grinste Shin und stieg auf sein Fahrrad. „Bis morgen.“
 

Sie sah ihm noch kurz hinterher ehe sie fest entschlossen das Hotel betrat.
 

++++
 

Cleveland,

Hotel-Bar

Hank kippte das neue Glas Whisky in einem Zug hinunter und dachte bereits über das dritte nach. Er war kein starker Trinker und womöglich würde er jetzt schon beim Aufstehen die verheerende Wirkung spüren. Aber irgendwie half ihm das bernsteinfarbene Gebräu seine Gedanken zu sortieren.
 

Eine Bewegung neben ihm ließ ihn zur Seite blicken. Die Hand, die das leere Glas gerade dem Barkeeper entgegenstrecken wollte, erstarrte in der Bewegung, während seine Augen Dawn anstarrten. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass seine Jüngste kam.
 

„Hi Dad. Darf ich mich dazu setzen?“
 

„Sicher,“ beeilte sich Hank zu sagen und kam sich ziemlich dämlich vor mit seinem unrasierten Gesicht, der Fahne und der Hilflosigkeit, die ihm bestimmt aus dem Gesicht sprang.
 

Dawn rutschte auf einen der Barhocker und starrte an ihm vorbei. Es war nicht leicht die richtigen Worte zu finden.
 

„Es freut mich, dass du gekommen bist.“
 

„Ich bin nur hier, weil Buffy mich drum gebeten hat,“ stellte Dawn hastig und trotzig richtig.
 

„Verstehe,“ murmelte Hank. „Möchtest du etwas trinken?“
 

Dawn schüttelte den Kopf. „Wir sollten dann wohl.. reden?“
 

„Eine gute Idee,“ versuchte Hank zu lächeln. Meine Güte war Dawn gewachsen und sie war um so vieles reifer, als damals... ja es war verdammt lange her...
 

++++
 

Ein Friedhof in Cleveland

Kurz nach Sonnenuntergang

„Warum ist alles nur immer so kompliziert?“ Buffy atmete tief durch und versuchte ein wenig Klarheit in ihren Kopf zu bekommen. Die ganze gestrige Nacht würde sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen. Visionen während einem Kampf, ihr Vater, Visionen zu Hause... irgendwie spürte sie noch immer leichte Nachwirkungen der Visionen, wie Müdigkeit, Angst und Kopfschmerzen.
 

In Ihren Gedanken versunken lief sie über den Friedhof und an den verwitterten Grabsteinen vorbei. Es war ein kleiner Friedhof, er schien kaum noch benutzt zu werden. Nur gut, dass sie heute etwas früher losgegangen war. Es gab vieles, weswegen sie sich abreagieren musste.

Eines war zum Beispiel Dawns Gespräch mit Hank gewesen. Der Mistkerl hatte es doch tatsächlich geschafft Dawn einzuwickeln. Obwohl sie Dawn mehr Weisheit im Bezug auf ihren Vater zugemutet hatte, war sie nach Hause gekommen mit der Hoffnung, alles würde sich vielleicht doch noch wenden. Man müsste Hank eine zweite Chance geben. Aber Buffy konnte es ihr nicht wirklich übel nehmen. Er war noch immer ihr Vater. Und auch ein spätes Kommen und Erklären war ein Anfang, wenn auch ein sehr später. Trotzdem....
 

Plötzlich bemerkte sie ein Kribbeln in ihrem Nacken: „Na willst du dich mit mir anlegen?“ Sie drehte sich um und sah aus dem Halbschatten einen Vampir treten. Er trug ein weißes Hemd und eine Anzughose. Er sah eher wie ein Banker aus, als wie ein Untoter. „Du kommst mir gerade gelegen.“
 

„Was will denn ein kleines Mädchen wie du an solch einem Ort, hast du dich verlaufen?“
 

„Hey, sag bloß du weist nicht wer ich bin?“
 

„Nein, aber es wäre interessant zu erfahren, wer meine Ruhe stört. Seit langem hat sich kein Mensch mehr auf diesen Friedhof gewagt.“
 

„Ich bin die Jägerin.“
 

„So so eine Jägerin ist in Cleveland, ich muss sehr lange geschlafen habe, dass mir das entgangen ist.“
 

„Du kannst gleich weiterschlafen, wenn ich dich erledigt habe.“
 

„Nun, da muss ich dir widersprechen, es ist Zeit für DICH zu sterben, Jägerin.“
 

„Da wäre ich mir nicht so sicher, das haben schon einige vor dir behauptet.“ Der Vampir sprang auf Buffy, welche seinen Faustschlag locker blockte und ihm ihrerseits einen schweren Tritt verpasste. Der Vampir taumelte ein Stück zurück, nur um wieder anzugreifen. Er verpasste ihr zwei Tritte in den Magen. Er war stark…zu stark für sie? Nein, sicher nicht, aber vielleicht sollte sie nicht mit ihm spielen, sondern ihn gleich ernsthaft besiegen?
 

Dämmerung…Eine junge Frau geht über den Friedhof. Sie weint bitterlich…vor einem frischen Grab fällt sie in die Knie... der Name eines Mannes steht auf dem schlichen Grabstein ….plötzlich schießen zwei Hände aus der Erde…..der Körper eines Jungen folgt...er ist zum Vampir mutiert… er stürzt sich auf die Frau und reißt ihr die Kehle auf….sein Gesicht ist blutverschmiert….aus dem Schatten tritt ein gut gekleideter Vampir und erfreut sich an der Szene…
 

‚Au’ Der Vampir hatte Buffy voll erwischt. Sie konnte sich gar nicht erinnern wie. Sofort setzte er nach und traf sie mit einem Faustschlag im Gesicht. Den nächsten Schlag konnte Buffy gerade noch so abwehren, allerdings hatte ihr Konterschlag einiges an Kraft verloren. Was wäre wenn sie diesem Vampir tatsächlich nicht gewachsen wäre?
 

Buffy liegt in einem offenen Sarg…er ist mit weißem Satin ausgekleidet…sie trägt ein altmodisches, rotes Samtkleid…..mit großer Eleganz steigt sie aus dem Sarg… eine Hand wird ihr zur Hilfe gereicht…sie sieht auf und blickt in das lächelnde Gesicht des Vampirs…..beide küssen sich leidenschaftlich….hinter dem Vampir liegt ein kleines, blondes Mädchen auf dem Boden der Gruft…Buffy tritt zu ihr…sie nimmt das Mädchen zärtlich in den Arm…beugt den Kopf zurück und beißt zu….
 

Buffy flog in hohem Bogen gegen ein Engelsmonument. „Jägerin, du machst es mir zu leicht.“
 

„Pass bloß auf, nicht mehr lange,“ Buffy sprang auf und versuchte ihre Schmerzen zu ignorieren. Sie ging zum Angriff über und deckte ihren Gegner mit drei Faustschlägen nacheinander ein. Seltsamerweise schienen ihn diese kaum zu stören. Er wehrte sie mit einer Leichtigkeit ab, dass es selbst Buffy erstaunte. Der Nächste Tritt von ihm ging glatt durch ihre Deckung durch und traf ihre Rippen. Buffy hörte es knacken und ging wieder in die Knie, da war sicher eine Rippe gebrochen. Hätte sie sich doch nur längst für das College wieder entschieden und hätte den Jägerjob an den Nagel gehängt...
 

Ein Teenager....lange braune Haare....sie hat Angst...sie wird über den Boden geschleift....eine Gruft....das Mädchen liegt auf dem kalten Steinboden......bleich.....leblos.....eine riesige Wunde am Hals ......Dawn.....die Augen gebrochen......
 

Buffy schüttelte den Kopf. Sie lag auf dem Boden. Der Vampir über ihr. Er wollte sie gerade beißen. Buffy trat ihn von ihrem Körper herunter. Der Vampir schien verwirrt, war doch sein eben noch weggetretenes Opfer wieder auf den Beinen, wenn auch taumelnd. Buffy lief Blut über das Gesicht und in die Augen. Sie musste sich eine Kopfwunde zugezogen haben. Rotes Blut…rote Haare…Emma …wenn ich was zu sagen hätte, dürfte Emma sich entscheiden, ob sie die Berufung annimmt, egal was Lilly sagt.
 

Der Vampir sieht sie an, seine gelben Augen leuchten..... er lacht…ein verzerrtes Lachen…zu seinen Füßen liegt eine Gestalt, es ist Emma…sie hat Schmerzen, blutet aus mehreren Wunden….er hat einen Dolch in der Hand…er sieht Buffy direkt an und stößt zu…..Emma bäumt sich auf...Blut läuft aus Ihrem Mund…..
 

„Neeeiiiiiinnnn…“ Buffy rappelte sich hoch und versuchte den Vampir wegzustoßen. Er wehrte sie ab. Buffy blinzelte und versuchte den roten Schleier vor ihren Augen zu verdrängen. Es hielt sie nicht davon ab, weiterhin dem Gedanken über Emma nachzuhängen – Giles - er müsste Lilly mal die Meinung sagen.
 

Giles und Lily in enger Umarmung…Lily küsst Giles leidenschaftlich…Sie sieht über Giles Rücken zu Buffy….sie lächelt böse….plötzlich beisst sie zu....sie ist ein Vampir....Giles bricht zusammen....Blut strömt aus seiner Halswunde....…
 

Adrenalin strömte durch Buffys Körper. Mit letzter Kraft trat sie dem Vampir voll ins Gesicht und gegen sein Knie. Sie hörte, wie ihm die Kniescheibe heraussprang. Danach drehte sie sich um, und versuchte vom Friedhof auf die Strasse hinauszurennen. Dabei hörte sie hinter sich den Wutschrei des Vampirs und seine Schritte. Diese Kreaturen schienen den Schmerz zu lieben - er würde ihn jedenfalls nicht lange aufhalten.
 

Ihre Hand gegen die kaputte Rippe gepresst lief sie weiter, die Schritte des Vampirs kamen näher, er würde sie gleich haben. Buffy wusste auf einmal tief in ihrem Innern ‚Das überlebe ich nicht’ !
 

Tränen liefen ihr über das Gesicht. Plötzlich spürte sie den Vampir hinter sich, sie drehte sich herum und wie in Zeitlupe sah sie seine Hand nach ihr greifen………
 

++++
 

Straßen von Cleveland

zur selben Zeit, nachts

Das durfte doch nicht wahr sein! Hank konnte es auch nach dem zehnten Versuch, den Wagen anzulassen, nicht fassen...oder, genauer gesagt, wollte es nicht fassen. Der Wagen gab nur noch ein dumpfes Gurgeln von sich, rührte sich aber um keinen Zentimeter. Dabei war er vorhin ohne Probleme angesprungen und hatte ihn hierher zu dem kleinen Deli-Shop gebracht. Die Bar im Hotel hatte sich geweigert ihm weitere Drinks auszugeben. Sie befürchteten, er könnte, nachdem die junge Dame ihn etwas aufgebracht verlassen hatte, randalieren, wenn er weitertrank. Also musste er sich selbst etwas besorgen. Egal wie schlimm die Kopfschmerzen am nächsten Morgen sein würden.
 

Aber der Wagen hatte wohl beschlossen, dass der Aufprall gestern Nacht zu viel für ihn gewesen war. Wieso um alles in der Welt sich das ausgerechnet jetzt bemerkbar machte... musste wohl Murphys Gesetz sein.
 

Hank schnaubte verärgert, als er ausstieg. Er wollte nur noch ins Hotel, eine kalte Dusche nehmen, sich mit der Flasche Whiskey aufs Bett legen und alles vergessen. Vergessen was ihm Buffy erzählt hatte, verdrängen was er falsch gemacht hatte und Dawns trauriges Gesicht wegspülen. Selbst wenn seine jüngste ihm die Entschuldigungen und Versprechungen abgenommen hatte, so hatte sie ihm laut und deutlich auch klar gemacht, was sie von ihm hielt.
 

Er würde garantiert durchdrehen, da war er sich vollkommen sicher, wenn er sich nicht in einen tiefen, traumlosen Schlaf trank.
 

Aber zuerst einmal hatte er einen kleinen Spaziergang zu bewältigen, da führte wohl kein Weg dran vorbei.
 

Er hätte natürlich zurückgehen können, um im Laden nach ein Telefon zu fragen - selbstverständlich lag sein Handy im Hotelzimmer, aber dann hätte er nur Buffy anrufen können und dabei nur wieder an diese Bilder denken müssen - Buffy, wie sie den "Ghul" einfach enthauptete....Buffy, wie sie die Schwertklinge mit bloßen Händen zerbrach....nein, keine gute Idee.
 

Bevor er seiner Tochter wieder begegnen konnte, musste ein wenig Zeit vergehen.
 

Er seufzte noch einmal resigniert und machte sich dann auf den Weg. Nach wenigen Schritten zog er die Jacke enger um sich zusammen. Cleveland war zumindest schon mal eines: weitaus kälter als LA.
 

Hier und da zeigte sich noch Schnee, erinnerte ihn daran, dass es immer noch Winter war.

Und der Schnee war auch so ziemlich das einzige, was leuchtete. In dieser Gegend ließ die Straßenbeleuchtung sehr zu wünschen übrig. Die Laternen gaben nur ein dumpfes, fahlgelbes Licht ab, das sich kaum gegen die allgegenwärtige Dunkelheit durchsetzen konnte.
 

Hanks Schritte hallten leise auf dem nassen Gehsteig wieder. Soweit er das beurteilen konnte, war er allein. Kein Auto, kein anderer Mensch....nur er selbst, die stummen Fassaden der Häuser, seine trüben Gedanken und die Dunkelheit.
 

*Bravo*, dachte er bei sich, * das letzte, was du gebrauchen kannst. Du rennst allein nachts durch eine Stadt, die du überhaupt nicht kennst.*
 

"Ich würd ja nicht so ganz allein durch die Nacht rennen....", kam plötzlich eine Stimme hinter ihm aus der Dunkelheit.
 

*Das darf nicht wahr sein....irgendwas läuft seit ich hier bin gewaltig schief mit mir...*, dachte Hank, bevor er sich langsam umdrehte....und augenblicklich schreckensbleich wurde.
 

Vor ihm standen drei junge Frauen, keine älter als 20, sofern er das beurteilen konnte. Denn aus ihren Gesichtern war schwer etwas abzulesen.
 

Etwas stimmte mit ihnen nicht. Sie waren erstaunlich blass, so blass, dass ihre Haut fast in der Dunkelheit schimmerte. Kleine, blaue Adern durchzogen das Gesicht. Ihre Augen waren von einer krankhaft gelblichen Farbe und glühten sogar leicht. Die Nase wirkte irgendwie...breiter und gestaucht, ähnlich wie nach einem Bruch. Und dort, wo bei einem normalen Menschen die Stirn begann, befanden sich auffällige Wölbungen, wie von Knochen, die sich durch eine krankhafte Laune der Natur nach vorn geschoben hatten, was dem ganzen Gesicht etwas ungeheuer Raubtierhaftes und Primitives verlieh. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm auf, aber das konnte nicht sein. Nein.. er hatte es so lange verdrängt und Buffys Worte... nein..
 

Meine Güte... hatte nicht gerade die Rothaarige, die hinter den beiden anderen stand, ein vollkommen unmenschliches Knurren von sich gegeben?
 

"Was... wollen Sie von mir? Ich habe kein Geld bei mir." Erstaunlich....seine Stimme zitterte nicht so sehr, wie er befürchtet hatte.
 

"Schade", murmelte die Blonde, die vorn stand, in gespieltem Bedauern, "aber ist nicht so schlimm....was wir wollen, hat nämlich jeder."
 

Ihre Hand zuckte so schnell vor, dass Hank sie nur als Schatten wahrnahm...und dann krachte ihre flache Hand gegen sein Gesicht. Hank prallte zurück. Sein Gesicht pochte vor Schmerz. Er sank in die Knie...und konnte nicht vermeiden, dass eine der anderen ihm in die Rippen trat.
 

Er keuchte. "Was...soll das?" fragte er in Ermangelung einer Alternative.
 

"Wirst du gleich herausfinden...," murmelte die Rothaarige, beugte sich vor und zischte. Und als Hank ihre spitzen Eckzähne sah, konnte er nicht mehr verleugnen, was sein Unterbewusstsein schon längst wusste. * Vampire!*
 

Sein Schicksal war besiegelt.
 

Gut, er glaubte im Grunde immer noch nicht an Vampire, aber das würde sie wohl nicht daran hindern, ihn zu beißen.
 

Die Rothaarige beugte sich weiter nach vorn und packte ihn am Arm, zerrte ihn auf sich zu. Hank konnte sich kaum rühren. Seine Rippen fühlten sich an, als habe man sie mit einem Vorschlaghammer bearbeitet.
 

Plötzlich aber hörte er ein neues Geräusch - ein leises Zischen und dann ein dumpfes *Pock*....
 

Er blickte auf. Die Blonde stand wie von Donner gerührt zwischen ihren Kumpaninnen. In ihrer Brust steckte ein dünnes Stück Holz.
 

"Mädels....wir haben ein.. Problem", murmelte sie.... bevor sie sich grau verfärbte und komplett - inklusive Kleidung - in eine dünne Staubwolke verwandelte.
 

Die beiden anderen Vampirinnen knurrten und drehten sich um.
 

Hank sah, wie eine von ihnen von einem Faustschlag getroffen wurde und zurücktaumelte, während die andere aus seinem Blickfeld verschwand.
 

Viel bekam er nicht mit, denn seine Schmerzen machten es ihm fast unmöglich, sich zu bewegen. Zumindest im Augenblick. Es schien aber trotzdem nichts gebrochen zu sein.
 

Er hörte noch eine kurze Reihe von dumpfen Schlaggeräuschen, heiseres Knurren und einen schmerzerfüllten Laut, der von einem Mann zu stammen schien... und dann war es vorbei.
 

Plötzlich war eine Hand in seinem Gesichtsfeld, die sich ihm entgegenstreckte. "Können Sie aufstehen?", erklang eine männliche Stimme über ihm, die zu der Hand gehört. Hank blickte auf, als er die Hand ergriff und starrte in das Gesicht eines älteren Mannes. Irgendwie kam er ihm bekannt vor, wenn er ihn auch jetzt nicht einordnen konnte.
 

Ein lautes Stöhnen entwich ihm, als er sich mit Hilfe der Hand aufrichtete und gegen die Hauswand lehnte. "Danke....die hätten...."
 

"Sie fast getötet", kam ihm der Mann zuvor und steckte die Handarmbrust weg, die er stets bei sich trug, wenn er um diese Uhrzeit noch hinaus musste. Dann brachte Giles seine Jacke in Ordnung und zog sie glatt, ehe er den Mann anlächelte, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Doch Willows Probleme überlagerten selbst jetzt noch, nach diesem gefährlichen Kampf, seine Gedanken. Sie hatten ihn nach draußen getrieben, um etwas frische Luft zu tanken und dabei seine Überlegungen voranzutreiben. Schlaf zu finden war unmöglich, nicht wenn vielleicht ihr Leben auf dem Spiel stand! Doch trotz der veränderten Umgebung, der Luft und Ruhe war er der Lösung allerdings noch keinen Schritt näher gekommen. Na ja, immerhin hatte er dafür ein Menschenleben retten können.
 

Giles atmete durch und betastete seine Hüfte, an der ihn ein Tritt der rothaarigen Vampirin empfindlich getroffen hatte. Es schmerzte zwar, trotzdem war er nicht schlimm verletzt. Es würde möglicherweise ein paar Tage zu spüren sein. Die drei waren noch relativ jung gewesen und hatten ihre Kräfte noch nicht unter Kontrolle gehabt. In diesem Zustand machten Vampire gerne leichtsinnige Fehler und denen verdankte er den Ausgang des Kampfes. Ansonsten hätte er gegen drei Vampire gleichzeitig auch ein ernstes Problem gehabt.
 

"Brauchen Sie einen Arzt?", fragte er nun das Opfer des Überfalls. Der Mann sah mitgenommener aus als er selbst. Aber obwohl sich das linke Auge des Mannes gerade schloss und die Haut dunkel wurde, bekam Giles den Gedanken nicht los, dass er ihn kannte. Nur woher und wo sollte er ihn einordnen?
 

"Nein, ich...glaube, das geht schon. Ist nichts gebrochen....," murmelte Hank.
 

Giles schüttelte den Kopf. "Sie sollten sich nachts nicht allein durch die Stadt bewegen. Das kann schnell gefährlich werden."
 

"Wem sagen Sie das....eigentlich bin ich ja nur hierher gekommen, um meine Töchter zu besuchen, aber dann gab mein Wagen den Geist auf, ich musste mir komplizierte Geschichten über Leute anhören, die angeblich nicht tot sind, meine jüngste hält mich für einen zu bedauernden Versager und ..."
 

Giles blickte den anderen erstaunt an. Langsam fügte sich das Puzzle zusammen. "Entschuldigen Sie, wenn ich frage, sprechen Sie rein zufällig von Buffy und Dawn?“, fragte er ins Blaue hinein.
 

"Ja, aber wieso....," entgegnete Hank, bevor bei ihm der Groschen fiel. Der Mann vor ihm wusste, wie man Vampire bekämpfte, er kannte Buffy und Dawn...
 

" Rupert Giles."
 

" Hank Summers."
 

Sie hatten beide gleichzeitig gesprochen. Nun musterten sie sich mit unverhohlenem Misstrauen.
 

"Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie hier anzutreffen. Haben Sie sich also entschieden, endlich mit ihren Töchtern zu reden?“, begann schließlich Giles. In seinem Tonfall schwang eindeutig eine Spur von Missbilligung mit.... Missbilligung für ihn, Hank. Und obwohl Mr. Giles wohl nicht ganz falsch damit lag, regte sich Widerstand in Hank Summers.
 

"Ich habe bereits mit Buffy und Dawn gesprochen. Buffy hat mir nebenbei gesagt alles offengelegt, was hinter den Kulissen abgelaufen ist. Sie, Mr. Giles sind also ihr...*Wächter*?"
 

Giles hob erstaunt eine Augenbraue. Buffy hatte ihren Vater eingeweiht....irgendetwas musste geschehen sein, dass sie dazu gezwungen hatte. Wobei natürlich in den letzten Jahren sich einiges geändert hatte und er ihr sicher keinen Vorwurf machen konnte, dass Buffy ihren Vater über sich aufgeklärt hatte. Etwas, das vielleicht längst überfällig war.
 

"Wenn Sie das sowieso schon wissen...ja...ich war ihr Wächter. Sie braucht mich in dieser Funktion nicht mehr." Ein wenig Bitterkeit schwankte in seiner Stimme mit.
 

Hank musterte den anderen Mann aufmerksam. Irgendetwas gefiel ihm nicht an der ganzen Geschichte. "Und in welcher Funktion sind Sie sonst tätig? Ein Mann in Ihrem Alter sollte ja wohl Besseres zu tun haben, als um eine 23-jährige herumzuscharwenzeln..."
 

Giles traute seinen Ohren nicht. Das war ja wohl die Höhe. Irgendwo in ihm regte sich eine nur zu bekannte Stimme - Ripper hätte dem blauen Auge und der geprellten Rippe nur zu gern noch einige Verletzungen hinzugefügt. Aber zum Glück für Hank war Ripper nicht am Zuge sondern nur ein ziemlich erboster Rupert Giles.
 

"Ich wüsste nicht, was Sie das anginge", entgegnete er mit deutlicher Schärfe in der Stimme.
 

Hatte er Mr. Giles in die Defensive gedrängt? Tja, manchmal war Angriff die beste Verteidigung.

"Ich schon, immerhin ist sie meine Tochter. Und ich als ihr Vater....," weiter kam er nicht. Giles hatte ihn am Kragen gepackt und starrte ihm direkt in die Augen.
 

Hank erbleichte, als er das Blitzen in den Augen des älteren Mannes bemerkte.
 

"Sie und Buffys Vater? Das ist ein schlechter Scherz und ich würde zumindest Lächeln, wenn Ihre nichtvorhandene Fürsorge Ihren beiden Töchtern nicht große Schmerzen zugefügt hätte...."
 

" Lassen Sie mich los, ich...," fluchte Hank, konnte sich aber um keinen Deut lösen.
 

"Sie hören MIR zu. Im Augenblick sind SIE nicht gerade in der Position, mir irgendetwas zu befehlen. Die Welt kann froh sein, dass Ihre Töchter beide nicht nach Ihnen schlagen, sondern nach ihrer Mutter....einer Frau, der Sie selbst nach dem Tod nie die Ehre erwiesen haben, die ihr zustand! Sie sind erbärmlich."
 

"So muss ich mich nicht beschimpfen lassen! Ich...."
 

"Sie können sich glücklich schätzen, dass Sie von mir nur ehrliche Worte zu hören bekommen. Wenn mich mein Gewissen nicht zurückhalten würde, wäre es mir beinahe ein Vergnügen, das Werk ihrer Nachtbekanntschaft zu vollenden...," Giles hatte nicht wirklich vor, Hank ernsthaft zu verletzen. Seine Bemerkung diente vielmehr dazu, Buffys Vater einen gehörigen Schreck einzujagen. Was, betrachtete man Hanks Gesichtsausdruck, auch gelungen war.
 

"Wie bitte?!,“ keuchte Hank voller Unglauben. „Sie wollen mich....," Hank war entsetzt. Das Gespräch nahm eine Wende, die ihm panische Angst einjagte. Was für einen Umgang pflegten seine Töchter da nur? "Das können Sie nicht!"
 

"Ich kann eine ganze Menge! Aber Sie haben Recht, das kann und werde ich nicht tun. Denn ihren Töchtern liegt noch etwas an Ihnen. Vielleicht, wenn Sie sich wirklich bemühen, dann werden sie Ihnen verzeihen....vielleicht für Ihre ständige Abwesenheit, vielleicht auch für Ihren Mangel an Anteilnahme dem Tod ihrer Mutter gegenüber oder der Gleichgültigkeit demgegenüber, wie sie ihr Leben bewältigen. Alles wäre möglich. Ich hingegen werde Ihnen nichts davon vergeben. Dafür habe ich zu oft den Schmerz ihrer Töchter gesehen und trösten müssen, als niemand sonst nach dem Tod von Joyce da war. Sollten Sie sich entscheiden, eine Weile hierzubleiben, dann werde ich Sie nicht daran hindern. Aber wenn ich erfahre, dass Sie sich nicht vernünftig verhalten, werde ich Sie persönlich aus der Stadt schleifen. Ich hoffe, wir verstehen uns." Sprachs, ließ Hank los und verschwand einfach in der Dunkelheit.
 

Hank lehnte sich wieder gegen die Wand und wusste nicht genau, vor wem er mehr Angst haben sollte...vor Vampiren oder diesem Mann....
 

++++
 

Willows Studentenzimmer

Fast zur selben Zeit...

Es hatte Willow etliche Telefongebühren gekostet, um Kennedy dazu zu bewegen herzukommen. Hier in ihr bescheidenes Zimmer. Kennedy war Willow so wichtig, wichtiger als alles andere. Und nachdem Kennedy letzte Nacht ihr Gespräch mit Giles gehört hatte, verletzt davon gelaufen war und alle Anrufe am heutigen Morgen nicht entgegennahm, war Willow sehr froh, dass es ihr doch gelungen war.
 

Nun saßen sie sich gegenüber, und Kennedy starrte auf die blaue Bettdecke, um Augenkontakt zu vermeiden. Diese Frau konnte sie einfach zu sehr beeinflussen, und sie innerhalb von Sekunden zum weinen bringen.
 

„Steh’ ich dir etwa nicht nah?“, fragte Kennedy nach ein paar Minuten schweigender Stille. Sie blickte auf, und sah ihre Freundin fast flehend an.
 

„Doch, irgendwie war mir noch nie jemand so nah, bis auf...“
 

„Tara.“, vervollständigte die Jägerin, und wollte aufhören weiterzudenken.
 

„Es ist nicht so wie du vielleicht denkst. Ich habe schon an dich für diesen Zauber gedacht, aber du hast noch nie gezaubert, du weißt nicht wie es funktioniert. Tara wusste dass, und das ist einfach nur der einzige Grund dafür, dass ich mir nicht sicher bin welchem Menschen ich das mit dem Zaubern anvertrauen sollte. Die Liste ist kurz, zu kurz.“ Willow kramte in ihrer Laptoptasche nach einem gefalteten Blatt, und hielt es ihrer Freundin vors Gesicht. Kariertes Papier, und mindestens die Hälfte der Wörter auf der Seite waren durchgestrichen. Es ähnelte einem korrigierten Deutsch-Aufsatz, der die Note 5 verdiente.
 

„Okay...“, flüsterte Kennedy, und versuchte ein paar der Wörter zu entziffern. „Ich will einfach nicht, dass dir jemand noch einmal so wehtut,“ sie seufzte. „Wer um alles in der Welt tut dir das nur an?“
 

„B-Buffy“, kam aus Willows Mund, als sich langsam ihre Atemwege zuschnürten. Kennedy starrte sie an, als Willow versuchte sich zusammenzureißen, und zu zittern aufzuhören. Sie kniete vor Kennedy, hielt die Augen geschlossen, und Tränen wanderten langsam über ihre Wangen. Es brannte wie Feuer, das sich in ihre Haut ätzte.
 

Buffy? Von einem Moment auf den anderen fühlte sich Kennedy verloren, aber wenn sie genauer darüber nachdachte, war es ihre Willow, die nicht das erste mal an diesen grauenhaften Schmerzen litt. Sie wollte es einfach nicht länger mit ansehen.
 

Vor Willows Augen war Buffy, auf einem dunklen Friedhof. Ihr gegenüber stand ein Vampir, einer unter Hunderten, gegen die sie schon so oft gekonnt gekämpft hatte. Doch irgendetwas war anders. Willow konnte diesen Hauch von Angst riechen, der in ihren Gliedern steckte, und sie langsam auffraß.

So gut Buffy jeden Schmerz locker wegstecken konnte, sich einredete dass keiner da war, so sehr fühlte Willow es.
 

Kennedy nahm den Zauberspruch an sich, der in Willows Faust zusammengeknüllt wurde. Nun stand doch nur noch ihr Name auf der Liste. Wenn sie etwas tun konnte, dann nur das. Auch wenn sie keine Ahnung hatte worauf sie sich einließ. Kennedy hatte nie wirklich viel Erfahrungen mit Magie gesammelt. Sie konnte noch immer den bitteren Nachgeschmack in ihrem Mund fühlen, den Willow verursacht hatte, als sie damals gegen das erste Böse gekämpft hatten. Das machte das ganze nicht gerade einfacher.
 

Mit einem kurzen „Ah“, fiel Willow fast vom Bett. Es fühlte sich so an, als würde sich ihr Magen umdrehen, und als hätte sie gleichzeitig eine Gehirnerschütterung erlitten.
 

Das war für Kennedy Anlass genug, um vom Bett zu springen. Auch wenn sie nicht wusste wie so ein Zauber durchzuführen war, so brauchte Willow jetzt ihre Hilfe. Ken riss den Stuhl vor Willows Schreibtisch zur Seite, um die offenen Bücher nach irgendwelchen Anmerkungen zu durchsuchen.
 

Nichts.
 

Improvisation? Es war zum Scheitern verurteilt. Kennedy merkte, wie sich langsam ein Kloß in ihrem Hals bildete. Willow öffnete die Augen, sah Kennedy planlos im Raum stehen, und erblickte im nächsten Moment Buffys verzweifeltes und schmerzverzerrtes Gesicht. Es konnte so einfach nicht weitergehen. Auch wenn diese Schmerzen von mal zu mal immer schlimmer wurden, und sie sich noch nicht einmal richtig abstützen konnte.
 

„Ken“, presste Willow heraus, und sah sie mit Tränen durchdrungenen Augen an. Kennedy fühlte einen Windhauch, der um ihren Körper streifte, und eine Gänsehaut auf ihrem Nacken hinterließ.
 

„Sprich den Zauber, ..“, hauchte sie, als Kennedys Gesicht ein paar Millimeter von Willows entfernt war, und Willow sich an Kennedys Shirt festkrallte, um nicht durch die nächste Wucht erneut zusammenzubrechen. Kennedy fühlte, wie viel Angst Willow hatte, und wollte nicht daran denken was sein würde, wenn alles schief ging.
 

Kennedy musste sich zusammenreißen nicht zu stottern, und alles richtig auszusprechen. Für diese Mischung aus Latein und irgendeiner alten Sprache, reichten ihre Schulkenntnisse fast nicht aus. Mit einer Hand hielt sie den Zauber fest, mit der anderen Willow, und streichelte langsam und sanft über ihren Rücken.
 

Am liebsten würde Kennedy ihr sagen, dass alles gut werden würde, doch sie war sich selbst nicht sicher. Ein Schmerzensschrei von Willow ließ Kennedy zusammenzucken. Buffy bewegte sich nicht, dieser verdammte Vampir grinste als wäre es ihm bestimmt ihr Blut aufzusaugen. Doch soweit durfte es nicht kommen.
 

Die letzten Zeilen... In Willows Kopf hämmerte es, sie konnte nur dumpf die befreienden Worte hören, deren Wirkung zuerst nicht ganz klar war. Es tat so weh, als Kennedy die letzten Buchstaben aussprach. Willow fühlte dieses grausame Stechen, ihr Herz stach, wie auch jeder andere Körperteil. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, und ihre Augen brannten höllisch.
 

Kennedy versuchte Willow festzuhalten, als sie vor Schmerz schrie, und sie das schnelle schlagen ihres Herzens hören konnte. Sie selbst hatte noch nie so etwas gespürt, und sie wollte es auch nicht. Wahrscheinlich war sie nicht fähig Willow von ihrem Schmerzen ganz und gar zu befreien, aber vielleicht würde es für dieses eine mal besser werden.
 

Tränen bildeten sich in Kennedys Augen, als Willow erneut zusammenzuckte, und langsam ein paar Tropfen Blut ihr Gesicht herunterrannen.
 

Kennedy schrie ihren Namen, las in Panik noch einmal die Sätze, und allmählich wurde es im Raum kälter. Willows heißer Atem wurde langsamer, beruhigte sich allmählich. Durch Buffys Augen sah sie noch ein letztes Mal das verwirrte Gesicht des Vampirs, das aber dann doch mehr an Sicherheit gewann.
 

Willow öffnete die Augen, langsam wurde der verschwommene Raum klarer.
 

„Ich liebe dich...“, flüsterte Kennedy in Tränen aufgelöst in Willows Ohr, als sie sie zärtlich umarmte. Es durfte nicht noch einmal passieren, dass Willow in diesen Wahnsinn gezogen wurde.
 

„Ich glaube wir haben keine Zeit mehr..“, entgegnete Willow halb abwesend. „Ich wünsch mir zwar, dass du hier bei mir bleibst, aber Buffy braucht dich im Moment mehr, auf dem Friedhof...“
 

++++
 

Friedhof, kurz vor dem Ausgang

Nur wenige Momente später...

Er griff nach ihr. Sie hatte keine Chance mehr. Buffy spürte wie ihr Lebenswille nachließ, der Schock über die Visionen beraubte sie ihrer Kraft. Die Füße bewegten sich nur noch automatisch, eine langsame Bewegung. Ihr Kopf dröhnte, ihre Lungen schmerzten, sie blutete stark, sie spürte wie ihre Lebenskraft langsam aus ihr herausrann.
 

Buffy in einer dunklen Häuserecke.......sie atmet schwer.......sie hat Angst......sie zittert.......3 Vampire kommen auf sie zu.......der Schein einer Laterne vergrößert ihre Schatten aufs unermessliche.....Buffy weint...sie sinkt auf die Knie.....die Vampire kommen näher........sie lachen ......der erste greift nach Buffy....sie versucht sich zu wehren....kann sich nicht bewegen....die Schatten werden größer...sie umhüllen sie vollständig.....ein kleiner Rinnsal von Blut läuft zwischen den Füßen der Vampire entlang........
 

Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und seine Hand in ihren Haaren. Er musste sie erwischt haben, als sie die Vision hatte. Der Vampir war bereit zu zubeißen. Buffy ergab sich in ihr Schicksal.
 

Fast konnte sie sich Giles schmerzverzerrtes Gesicht vorstellen, wenn er von ihrem Tod erfuhr. Wie sehr würde es ihn diesmal mitnehmen? Dreimal hatte er nun diesen Schmerz schon ertragen müssen, jedes Mal war es noch schlimmer für ihn gewesen.
 

Ob es ihren Vater auch interessieren würde? Irgendwie war es ihr egal... war es das wirklich?
 

Wie gerne hätte sie Dawn noch einmal gesehen, ihr gesagt, wie sehr sie sie liebte. Willow – ihr hätte sie so gerne erklärt, wie besonders ihre Freundschaft für sie war und wie sehr sie Willow in letzter Zeit vermisst hatte. Auch Xander hätte sie gern noch einmal in den Arm genommen und ihm für seine unerschütterliche Treue gedankt. Vielleicht hätte sie sich auch noch einmal in Ruhe mit ihrem Vater aussprechen sollen. Sogar dem kleinen Andrew hätte sie gerne noch mal durch die Haare gewuschelt und sich eine Story aus einer seiner Lieblingsserien angehört. Alles wäre besser als hier und jetzt zu sterben und doch fand sie keine Kraft mehr in ihrem geschwächten Körper.

„Du hast gewonnen.“ Murmelte sie nur noch und schloss die Augen.
 

„Ich weiß,“ raunte eine Stimme in ihr Ohr. Seine Zähne berührten ihren Hals.
 

„Für dich werde ich es besonders schmerzhaft machen.“
 

„Nicht so lange noch eine andere Jägerin in Cleveland auf Jagd geht.“ Hörte Buffy plötzlich eine Stimme. Eine vertraute Stimme...
 

Die Hand wurde aus ihren Haaren gerissen und Buffy hörte Kampfgeräusche. Langsam zog ein roter Nebel vor ihre Augen.
 

Nur noch verschwommen nahm sie war, wie eine dunkelhaarige Jägerin ihren Job machte. Sie vermöbelte den Vampir nach Strich und Faden bis sie ihn in die Enge getrieben hatte. Entschlossen zog Kennedy ihren Pflock und *puff* - das obligatorische Geräusch durchschnitt die nächtliche Ruhe auf dem Friedhof.
 

Ken kam an ihre Seite und Buffy erkannte sie im schwachen Licht. „Hey Buffy, komm jetzt nicht schlappmachen. Ich hab für dich meine Süße alleine zu Hause gelassen und das will was heißen.“
 

„Kennedy?“ Buffy nahm ihr Umgebung nur noch verschwommen war und die Stimme klang wie aus weiter Ferne.
 

„Genau, die Superjägerin. Ich hab dir deinen Arsch gerettet. Na ja, mit Willows Hilfe.“
 

Kennedy.......umzingelt von Vampiren...sie lächelt überlegen......eine Sense in ihrer Hand......sie tötet...einen...zwei....drei.......es kommen immer mehr.....das Lächeln verschwindet von ihrem Gesicht....es macht der Angst platz .....ihre Bewegungen werden schwächer......eine größere Gruppe Vampire......eine tote Jägerin......eine Hexe mit roten Haaren und schwarzen Augen...wutentbrannt......zerstört die Welt........
 

„Hey, hallo... Erde an Buffy. Bist du noch ansprechbar?“
 

Kennedys besorgtes Gesicht schob sich in Buffys Gesichtsfeld. Sie lag auf dem Boden, wusste aber nicht wie sie dahin gekommen war.
 

„Kennedy, du...m..m..musst aufpassen....die Vampire.“
 

„Ganz ruhig hier sind keine Vampire mehr. Komm erst mal hoch und stell dich hin, dann sehen wir weiter.“ Vorsichtig versuchte Buffy aufzustehen. Ihre Knie zitterten und die gebrochene Rippe machte das Atmen schwer. Ihr Kopf dröhnte und das noch feuchte Blut verklebte ihr Haar vor den Augen, so dass sie kaum etwas sehen konnte. Als Kennedy ihr vorsichtig den Arm um den Körper legte zuckte Buffy vor Schmerzen zusammen.
 

„Au!“
 

„Oh, entschuldige, aber du siehst auch wirklich schlimm aus. Was war denn los???“
 

„Ich weiß es nicht,“ kam es zögernd von Buffys Lippen. „Ich hab gegen diesen Vampir gekämpft und plötzlich stürzten diese Visionen auf mich ein. Ich hab nur noch Blut und tote Menschen gesehen. Meine Freunde alle tot.“

„Das klingt aber gar nicht gut, ich denke das sollten wir Giles erzählen. Komm ich bringe dich zu ihm.“
 

„Giles? Ja Giles wird mir helfen. Aber vielleicht sollten wir ins Krankenhaus....,“ es wurde schwarz vor Buffys Augen, ihre Knie knickten ein und sie rutschte aus Kennedys Armen.
 

Giles......er öffnet die Tür ....in der Hand eine rote Rose...er lächelt.......eine Frau kommt herein.....sie ist schön......schwarze Haare...ein sinnliches Lächeln auf den Lippen......beide tanzen.....Giles stellt sich hinter die Frau .....er verwandelt sich....beist sie in den Hals....
 

„Hey, hallo, aufwachen,“ Kennedy gab ihr ein paar kleine Ohrfeigen, um sie wieder zu Bewusstsein zu bringen.
 

“Was..?“ Irritiert schlug Buffy die Augen auf, um sie sofort wieder zu schließen, diese kleine Bewegung reichte schon aus, um Schmerzwellen durch ihren Körper fließen zu lassen.
 

„Giles...er ...er...hat ...er ist ein Vampir?!“
 

„Buffy du hast Halluzinationen, du kannst anscheinend Gegenwart und Vision nicht mehr auseinanderhalten. Komm steh auf, wir müssen hier weg.“
 

„Ich versuche es, es tut so weh.“ Buffy schluchzte leise vor Schmerzen auf.
 

„Komm, reiß dich zusammen, wir schaffen das gemeinsam. Los jetzt. Einmal Luft holen und dann aufstehen.“
 

Gehorsam holte Buffy tief Luft und versuchte aufzustehen. Kennedy zog sie hoch und hängte sich Buffys Arm über die Schulter, um sie nicht wieder zu verlieren, falls sie noch einmal ohnmächtig werden sollte.
 

Mit langsamen Schritten entfernten sich beide Jägerinnen von dem verhängnisvollen Friedhof. Beide in ihren eigenen Gedanken versunken, bemerkten nicht die Krähe, die mit wütendem Gekrächze vom Dach einer Gruft losflog.
 

Kennedy dachte nur noch an Willow und in welchem Zustand sie sich befinden würde, wenn die beiden sich wiedersehen sollten.
 

Buffy konnte nur noch über die Visionen grübeln und welche Bedeutung sie haben sollten. Waren es Prophezeiungen oder einfach nur ein Verstand, der verwirrt war?
 

So verging die Zeit bis beide in der Ferne die Lichter von Giles Haus sehen konnten. Langsam

spürte Buffy wie der Lebenswille in sie zurück kehrte, die Sorge über die gesehenen Bilder blieb allerdings. Was sollten sie bedeuten?
 


 

AKT 4
 

Giles Wohnung

Eine halbe Stunde später

„Was um Himmelswillen ist denn genau passiert?“ Lily kam mit einer Schüssel heißem Wasser zurück aus dem Bad und reichte sie Giles. Sie glaubte kurz zu spüren, wie seine Hände zitterten, als er sie abnahm. Buffys Zustand machte ihm deutlich zu schaffen.
 

Alle sahen zu Kennedy, die wiederum zu Willow blickte. Die Hexe seufzte und sah ein, dass sie wohl von ganz vorne anfangen musste zu erklären. „Ich hatte einen ähnlichen Zusammenbruch wie letztens bei Kennedy,“ sagte Willow schließlich kurz an Xander gewandt und Ken nickte ihr zustimmend zu. Um herauszufinden was hier mit Buffy passierte, musste sie ihre Freunde einweihen.
 

„Was soll das heißen?“ Faith löste sich von der oberen Treppenstufe, auf der sie erstarrt war, als sie Buffy in ihrem Zustand auf Giles Sofa liegen sah - ein blutiges Shirt an ihrem Leib und Blut überall in ihrem Gesicht.
 

„Ich habe Buffys Notsituation gespürt und ich spüre noch immer ihre Schmerzen. Nicht mehr so heftig, als es passierte, dank.. ein wenig Hilfe,“ sie sah lächelnd zu Kennedy und beschloss den anderen nicht auch noch die Einzelheiten des Zaubers zu erklären. Giles wusste darüber bescheid, dass reichte fürs erste. „Aber sie sind da und Buffy hat nicht nur Schmerzen erlitten.. sie hatte auch vor etwas angst. Etwas, dass sie am Kämpfen hinderte. Ich hab es sehr deutlich gefühlt und es war sehr beängstigend. Und es war sehr viel heftiger, als die Gefühle bei Emma, Kim oder Kennedy. Oh und einmal glaube ich, dich gespürt zu haben, Faith.“ Willow blickte die Jägerin bei der Treppe an, die erstaunt und interessiert näher kam. „Und so langsam machen mich diese Visionen fertig,“ endete Willow.
 

„Aber was ist mit Buffy passiert?“, Dawn kam mit ängstlichem Gesicht an Giles Seite getreten, der mit einem im warmen Wasser getränkten Tuch Buffys blutiges Gesicht abwusch. Die Jägerin stöhnte leise auf und bewegte sich unruhig. Als sie die Augen auf schlug, erkannte Buffy mit Mühe Dawn und Giles. Doch Willows Stimme klang für sie wie aus weiter Ferne. Müdigkeit überkam die Jägerin und Buffy kämpfte verzweifelt dagegen an.
 

„Ein Vampir. Nichts besonderes,“ sagte Willow bedauernd. „Er hat sie angegriffen und plötzlich war da diese innerliche Angst von Buffy, die sie hinderte zu reagieren. Der Vampir trieb sie in die Enge und ich schickte Kennedy los, um Buffy zu helfen.“ Sie wollte nicht über ihre eigenen Eindrücke, über das was sie tatsächlich fühlte, sprechen. Es erschien ihr recht intim.
 

„Meine Güte... das ist beängstigend,“ murmelte Xander. „Irgendwie scheint sich alles im Leben einmal zu wiederholen.“
 

„Sie wird aber nicht sterben, oder?“ Andrew fragte vorsichtig in die Runde hinein. „Ich meine, Buffy ist stark. Sie ist eine der Superheldinnen. Sie hat selbstheilende Kräfte...“
 

„Ich glaube nicht, dass sie schlimm verletzt ist,“ beruhigte Giles mit Blick zu Dawn. „Sie hat eine Kopfverletzung und eine gebrochene Rippe. Aber das wird heilen.“
 

„Ich werde auf jeden Fall nicht sterben. Nicht schon wieder,“ nuschelte Buffy müde und versuchte sich aufzusetzen, was leider nicht funktionierte, da Giles sie mit sanfter Gewalt zurückdrückte.
 

„Vielleicht sollte ich Dad anrufen...,“ murmelte Dawn sichtlich durcheinander und löste sich vom Anblick ihrer Schwester, um nach unten zu gehen. Möglicherweise interessierte es ihren Vater und er wollte vorbeikommen.
 

„Ein Vampir also?“, fragte Giles indessen und Buffy nickte.
 

„Ein ganz normaler Vampir. Aber da sind diese Visionen – sie kommen so plötzlich, als das ich sie kontrollieren könnte. Sie sind einfach da.. Bildfetzen, furchtbare Szenarien... sie als Vampir, Willow als Ghul ..., Buffy schüttelte es innerlich. „Ich habe keine Ahnung woher sie kommen. Aber sie machen mir Angst.“
 

„Prophezeiungsträume?“, fragte Giles besorgt bei der Vorstellung, er wäre ein Vampir.
 

„Nein.. ich träume nicht oder schlafe plötzlich ein,“ sagte Buffy ironisch. „Sie überkommen mich einfach.“
 

„Ich könnte es mit einem Zauber versuchen, Buffy.. wenn du einverstanden wärst?“ Willow setzte sich auf den Rand des Couchtischchens. „Um herauszufinden wer dir das antut. Oder was es mit ihnen auf sich hat. Vielleicht haben meine Visionen etwas mit deinen zu tun? Ich glaube nicht mehr, dass sie mit dem Wesen einer Hüterin zusammenhängen. Nicht mit dieser selbstzerstörerischen Heftigkeit.“
 

„Dann sollten wir es versuchen.“, sagte Buffy und verzog das Gesicht, als Giles eine schmerzhafte Stelle berührte.
 

++++
 

Ein Stockwerk tiefer

Flur
 

Den Telefonhörer in der Hand überlegte Dawn, ob sie wirklich anrufen sollte. Einerseits hatte ihr Vater sich nicht wirklich für Buffy interessiert – oder für sie – in den letzten Jahren, andererseits sah man auch ständig im Fernsehen, dass Menschen gerade in solchen Ausnahmesituationen zusammenfanden. Wenn er sein erstgeborenes Kind in einem solchen Zusatnd sah, änderte dass vielleicht seine Einstellung.
 

„Tuuuuut ... Tuuuut...“
 

Dawn hörte das Klingelzeichen nur durch einen Nebel. Ohne es wahrzunehmen, hatte sie die Nummer von Hanks Hotel gewahlt.
 

„Hotel Milton, mein Name ist Angie Smith. Was kann ich für Sie tun?“ Eine freundliche Stimme klang aus dem Höhrer.
 

„Was? Oh... Entschuldigung, ich würde gerne meinen Vater sprechen.“ Dawn wurde aus ihren Gedanken gerissen.
 

„Auf welches Zimmer darf ich Sie denn durchstellen?“
 

„Ähh, ich weiß seine Zimmernummer nicht. Er heißt Summers, Hank Summers.“
 

„Einen Moment bitte.“
 

Ein durchdringendes Gedudel dröhnte aus dem Telefonhörer. Dawn saß in der Warteschleife.
 

„Ms. Summers? Sind Sie noch dran?“ Angie Smith klang besorgt.
 

„Ja?“ Dawn wundert sich.
 

„Es tut mir leid, aber wie es scheint, ist ihr Vater vor wenigen Minuten abgereist.“
 

„Oh...“ Dawn fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. „Was meinen Sie mit.. abgereist?“, schrie Dawn dann fast ein wenig entsetzt in den Hörer. „Ja, ich weiß, dass Sie nichts dafür können. Es ist nur dringend. Könnten Sie nicht noch einmal nachsehen?“ Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit.
 

„Verstehe.. vor ein paar Minuten... ja, sicher. Danke.“ Dawn legte langsam den Hörer auf die Ladestation auf und starrte mit enttäuschtem Gesicht zum Fenster hinaus. Er war abgereist. Einfach so. Ohne sich zu verabschieden. Wieder einmal.
 

Sie fühlte sich wie versteinert. Er hatte nicht einmal auf den Geburtstag seiner Tochter gewartet. Kein Wort der Entschuldigung, kein Wort der Erklärung.
 

Dawn schnürte es den Hals zu, Tränen stiegen ihr in die Augen. Hatte ihr Vater sie überhaupt lieb? Bedeuteten ihm seine Töchter eigentlich irgend etwas?
 

In diesem Moment schien es Dawn, dass sie alleine auf der Welt waren. Buffy hatte nur noch sie. Ihre Eltern existierten nicht mehr. Ihre Mutter war tot und ihrem Vater bedeutete sie nichts. Nicht einmal den Dreck unterm Fingernagel.
 

Dawns Blick verhärtete sich, dann seufzte sie und wandte sich der Tür hinter ihr zu. Wie sollte sie das jetzt Buffy erklären, wo sie sich beide langsam, aber sicher an den Gedanken gewöhnt hatten, dass ihr Vater hier war, um einiges zu richten. Er konnte doch nicht wirklich davon ausgehen, dass ein halbwegs geglücktes Gespräch mit ihr in einer Hotelbar, alles ins Lot gebracht hatte?
 

Wollte er denn nicht auch mit Buffy eine Aussprache?
 

Sie musste jetzt für Buffy da sein. Sie musste jetzt Buffy davon ablenken, dass ihr Vater ohne ein Wort des Abschieds einfach abgehauen war.
 

Doch durfte sie wirklich so enttäuscht sein, wie sie es war? Hank, ihren Vater, sollte sie inzwischen so gut kennen, um zumindest geahnt zu haben, dass sein Besuch solch ein Ende nehmen würde. Trotzdem, gerade weil er ihr Vater war, hatte sie sich Hoffnungen gemacht, die zerstört worden waren, mit einem Anruf in einem unbekannten Hotel, weil die ältere der beiden schwer verletzt von einem Kampf, ihn brauchte. Und jetzt wo er wusste, was Buffy tat, hätte er ihr moralische Unterstützung geben können. Stattdessen lief er einmal mehr davon.
 

Ja, er war ein erbärmlicher Feigling. Mit dieser Erkenntnis reicher, aber keineswegs glücklicher, ging Dawn zurück zu den anderen. Ein aufmerksamer Beobachter hätte gesehen, dass ihre Gestalt sich gestrafft hatte.
 

Hank Summers war ab diesem Augenblick für Dawn gestorben.
 

++++
 

Straßen von Cleveland,

selbe Nacht

Er konnte versuchen, es zu verleugnen, konnte versuchen, es zu ignorieren...aber das änderte nichts daran, dass Hank sich miserabel fühlte, als er in den Leihwagen stieg, der ihn zum Flughafen zurückbringen sollte.
 

Ja, er drückte sich schon wieder....ja, er verschwand erneut ohne ein Wort.
 

Aber war das nicht gerechtfertigt?
 

Gut, die letzten Jahre über hatte er vielleicht keinen Grund gehabt, sich nicht zu melden - abgesehen von seinen Privatangelegenheiten, die nun wirklich niemanden etwas angingen – ja, er war verantwortungslos gewesen, hatte geglaubt, seine Töchter würden sich von selbst melden, wenn sie Hilfe bräuchten....
 

Doch jetzt war das wirklich etwas anderes. Es gab Gründe... zuerst hatte Buffy ihm eröffnet, dass sie übermenschliche Kräfte besaß, dass sie diese einsetzte, um gegen Dämonen zu kämpfen, die in der Nacht Jagd auf Menschen machten.....Joyce hatte davon gewusst, viele Jahre schon, ohne ihm davon zu berichten, Dawn war nach den Aussagen seiner Jüngsten keine Jägerin, aber dafür hatte sie versucht Aufmerksamkeit durch Ladendiebstähle zu gewinnen, die Geschichte über einen Schlüssel und Energie hatte er versucht ganz schnell wieder zu vergessen – er hat sie auch nicht wirklich verstanden – dann hatte Buffy ihm auch noch erklärt, dass dieses Jagen ihre "Bestimmung" sei und ihm, so ganz nebenbei, mitgeteilt, dass sie selbst sogar schon einmal gestorben war. Mehrmals, wie Dawn ihn am späten Nachmittag korrigieren musste.
 

Das war für ihn einfach zu viel auf einmal gewesen und wer könnte ihm seine Reaktion auf das alles verübeln? Man erfuhr so etwas ja schließlich nicht jeden Tag und schon gar nicht von seinen eigenen Töchtern!
 

Möglicherweise könnte er irgendwann damit leben. Einmal darüber geschlafen und etwas Abstand gewinnen. Er hätte unter Umständen sogar über seine Begegnung mit diesem "Ghul", wie sie das Wesen genannt hatte, hinwegkommen können. Es wäre nicht leicht gewesen, aber es lag im Bereich des Möglichen.
 

Wenn ihm nicht das Schicksal in diesen beiden Tagen in Cleveland dauernd Knüppel zwischen die Beine geworfen hätte. Zuerst sein Zusammentreffen mit diesen..."Dingern" - er weigerte sich immer noch, das Wort "Vampir" zu benutzen, es erinnerte ihn zu sehr an alte Dracula-Filme - die ihm ziemlich zugesetzt hatten. Der bloße Gedanke daran ließ sein blaues Auge nur noch mehr schmerzen.
 

Und dann seine Rettung durch einen zunächst Unbekannten. Hank schauderte noch immer, als er vor seinem inneren Auge sah, wie sich seine Angreifer in Staub verwandelt hatten. Das Zischen des Bolzens und das damit verbundene Geräusch beim Auftreffen in sein Ziel, konnte er jetzt noch hören.
 

Nun, auch das wäre noch wegzustecken gewesen. Mit seeehr viel Geduld und einem Besuch bei irgendeinem Seelenklempner, der ihm schön ausgeredet hätte, dass irgendetwas von dieser Nacht real gewesen sein könnte.
 

Aber dass sich dann dieser Unbekannte als Mister Giles entpuppte, ein..."Wächter" – Buffys Wächter, ihr offensichtlicher Mentor, von dem sie das Kämpfen und Töten wohl gelernt hatte – der ihm die Leviten las, als wäre er ein dummer kleiner Schuljunge - das war einfach wirklich zuviel gewesen.
 

Er hatte sich schon von seinen Töchtern zurechtstutzen lassen müssen, da war das Letzte, was er gebrauchen konnte, eine weitere Abfuhr von einem Mann, dessen Beziehung zu seiner älteren Tochter sowieso nicht ganz klar war. Ein Schuft, wer Schlechtes dabei dachte, aber Hank kam die ganze Geschichte spanisch vor.
 

Und er hatte wie vom Donner gerührt dagestanden, während dieser Mr. Giles ihn nach Strich und Faden zusammengestaucht hatte. Keine einzige Erwiderung war ihm eingefallen. Das einzige, was die Tirade begleitet hatte, war die Stimme in seinem Kopf, die ihm ständig sagte, dass dieser Mann Recht hatte.
 

Bravo, da hatte sich sogar sein Unterbewusstsein gegen ihn verschworen! Und das war nun wirklich zuviel gewesen.
 

Zum Glück hatte der Engländer irgendwann ein Einsehen und war gegangen. Nicht ohne Drohungen ausgesprochen zu haben. Und wenn Hank an das Funkeln in den Augen des älteren Mannes zurückdachte, lief ihm jetzt noch ein Schaudern über den Rücken. Mit dem Schrecken davon gekommen, war Hank zu seinem Hotelzimmer gelaufen. Und das war wörtlich gemeint. So schnell war er lange nicht gewesen.
 

Und dort, in seinem Zimmer, hatte er genau 10 Minuten gebraucht, um den Entschluss zu fassen, wieder zu verschwinden. Dieser Ort schien ihn nicht zu mögen. Niemand brauchte ihn, er war nicht willkommen, seine Erklärungen wurden belächelt und selbst Fremde schienen ihn nicht zu respektieren.
 

Außerdem stand ihm nach den Ereignissen dieser Nacht überhaupt nicht mehr der Sinn danach, seiner älteren Tochter oder seiner jüngeren Tochter gegenüberzutreten - ganz zu schweigen von diesem Mr. Giles oder irgendeinem von Buffys anderen Freunden. Womöglich gab es dann nur wieder erneute Kritik.
 

Und deshalb saß er nun wieder in einem Wagen und fuhr davon.

Er war im Recht.

Oder nicht?

Natürlich.
 

Trotzdem fühlte er sich absolut miserabel......
 

++++
 

Giles Wohnung

Etwas später, Nacht

Es war stockdunkel im Raum, als plötzlich ein Streichholz aufflammte und Willows Gesicht im kleinen Lichtkreis erschien. Sie beugte sich nach vorne und entzündete ein Pulver, das in einer kleinen Schale lag. Eine lila farbige Flamme züngelte in die Höhe und ein unangenehmer Duft machte sich in Giles Wohnzimmer breit. Im farbigen Lichtkreis erkannten die anderen weitere Schalen, die Willow entzünden musste. Und als sie sich über die zweite beugte, mischte sich in das Lila farbige Licht ein grüner Lichtschimmer. Die dritte Schale fackelte in orange auf und die vierte und letzte ließ ein gelbes Licht erstrahlen. Willow sprach die Zauberformel laut aus, während sie die vier Schalen in einer nur ihr bekannten Reihenfolge anordnete.
 

Sobald sie den letzten Satz zu ende gesprochen hatte, stiegen die Flammen hoch auf und vereinten sich auf halber Höhe, gefolgt von einem sehr kritischen Blick von Giles, der nichts gutes für seine weiße Zimmerdecke ahnte.
 

Die Flammen tanzten einen wilden Tanz und zauberten die schönsten Farben zu Tage, ehe Willow eine Haarsträhne von Buffy und von ihr selbst in das Feuer warf. Daraufhin löste sich eine brennende, kleine Kugel aus ihrem Tanz heraus und die Flammen fielen in sich zusammen.
 

Niemand wagte sich zu bewegen oder ein Geräusch zu machen, nur das Knistern der kleinen farbenfrohen Feuerkugel war zu hören. Plötzlich rief Willow eine Zauberformel aus, ihre Augen weiteten sich, wurden Schwarz und genau in diesem Moment fuhr die Feuerkugel auf Willow zu, drang durch ihre Stirn in ihr innerstes ein und ließ Willow sich mit einem Aufschrei aufbäumen.
 

„Will,“ rief Kennedy schockiert auf, ungeachtet der Gefahr, dass der Zauber dadurch seine Kraft verlieren könnte und war sofort an der Seite ihrer Liebsten. „Will... alles in Ordnung?“
 

Willow sah Kennedy nicht und hörte sie auch nicht... das was sie fühlte überstieg alles und ließ sie für einen Moment vergessen wo sie war. Schließlich ging der Moment vorbei und sie brach in Kennedys Armen zusammen. Beruhigend fuhr ihr Kennedy über den Rücken und Willow kam langsam wieder zu sich.
 

Alles wartete auf Willows Bericht, am meisten aber Buffy, die von ihrer liegenden Position aus so gut wie nichts hatte sehen können.
 

„Es ist schwarze Magie,“ keuchte Willow. „Dunkelste, schwarze Magie. Alt und böse. Sie hat mit Buffys Visionen zu tun, aber nicht mit den meinen,“ fügte Willow frustriert hinzu.
 

„Hast du erfahren, wer dafür verantwortlich ist,“ wollte Giles wissen. „Ethan?“, fügte er düster mit gewisser Vorahnung hinzu. Willow musste betrübt den Kopf schütteln.
 

„Nein. Derjenige, der dafür die Verantwortung trägt, schützt sich mit einem sehr mächtigen Zauber. Den kann nicht einmal ich durchbrechen. Und ich bezweifle, dass Ethan so mächtig ist.“
 

Giles seufzte frustriert. „Nicht wirklich.“
 

„Ich habe eine hervorragende Idee,“ meldete sich Faith zu Wort. „Wir ziehen los, suchen nach dem Schuldigen und schleifen ihn zu Buffy. Dann kann sie ihm sagen, was sie davon hält. Ich halte ihn sogar für dich fest, B.“
 

++++
 

Cleveland

Ein Motelzimmer

Der Fernseher lief auf voller Lautstärke, während ein englisches Rugby-Spiel als Aufzeichnung auf einem der Sportkanäle lief. Das Telefon schrillte gegen den Lärm an.
 

Weatherby griff nach dem Hörer des Telefons, das neben ihm auf dem Boden stand. Es gab nicht viele, die wussten, dass er hier in diesem Motel hauste und es lag auf der Hand, welche Dringlichkeit hinter dem Anruf steckte.
 

Doch er war erstaunt, als am anderen Ende die Stimme der Krähenfrau ertönte.
 

„Nein Sie? Mit ihnen habe ich am wenigsten gerechnet. Machen Sie Fortschritte?“ Weatherby stellte den Fernsehapparat leiser.
 

„Durchaus. Ich habe ihre Jägerin so weit. Sie hat vor einer Stunde in einem Kampf mit einem einfachen Vampir versagt. Wenn Sie wollen, können selbst Sie jetzt mit ihr den Kampf aufnehmen.“
 

„Besser, wenn ich weiterhin unsichtbar bleibe,“ brummte Weatherby in den Hörer. „Was haben Sie vor?“
 

„Ich hole zum finalen Schlag aus,“ ein breites, diabolisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie sich herumdrehte und die unruhige, hungrige Ghul-Truppe betrachtete, die von ihr aufgestachelt nichts anderes wollte, als einen guten Kampf, an dessen Ende eine gute Mahlzeit auf sie warten würde.
 

++++
 

Giles Wohnung

selbe Zeit

„Moment noch Buffy,“ Willow legte eine Hand auf Buffys Bauch. Ein helles, warmes Licht erschien unter ihrer Handfläche und Buffys Körper wurde von einer prickelnden Hitze durchflutet. „So fertig.. so gut wie neu. Die Kopfschmerzen kann ich dir allerdings nicht nehmen.“
 

„Dafür hab ich diese hier,“ Giles reichte Buffy ein Glas Wasser und eine Kopfschmerztablette.
 

„Danke. Ihr seid zu gut zu mir,“ seufzte Buffy und setzte sich auf. Willows magische, heilende Kraft hatte es wirklich geschafft, dass sie sich wieder bewegen konnte. Nur ihr Kopf brummte und fühlte sich so an, als würde jemand darin mit einem Eispuck üben.
 

„Also.. ziehen wir jetzt los,“ Faith stand ungeduldig bereits an der Treppe.
 

„Nicht so hastig. Wir sollten uns erst überlegen, wo wir suchen,“ schlug Giles vor. „Und du Buffy solltest heute Nacht hier bleiben und dich ausschlafen.
 

„Mir wäre es lieber, wenn Buffy zuhause wäre,“ meinte Dawn. „Xander könnte uns fahren. Ich wäre dann da, wenn du etwas brauchst. Nicht das Giles nicht für dich sorgen könnte,“ sagte der Teenager hastig. „Ich wäre einfach nur beruhigter.“ Innerlich war Dawn sehr erleichtert, dass niemand nach Hank fragte. Jeder schien vergessen zu haben, dass sie ihren Vater von Buffys Verletzungen unterrichten wollte. Sie war zwar absolut enttäuscht von ihm und hätte gerne mit jemanden darüber gesprochen, aber Buffy ging es jetzt schon nicht gut. Da brauchte Dawn ihre Schwester nicht noch damit zu belasten.
 

Buffy lächelte milde und ließ sich die beiden Vorschläge durch den Kopf gehen. Hier zu bleiben war bequem, aber mit Lily und Giles.. nach all den Vorfällen?

Nachhause zu fahren war sicher mit Schmerzen verbunden und sie war so müde... aber es war wohl die beste Lösung. Sie wollte niemandem zur Last fallen.
 

Plötzlich fiel ihr das Glas Wasser aus den Händen und zersprang auf den Holzdielen. Sie hörte Giles und die anderen besorgt ihren Namen rufen doch da....
 

Ghule... der ganze Friedhof war voll... sie hatte sie doch alle bekämpft.. gut bis auf den einen.. den hatte dafür ihr Vater erledigt... sie muss das falsche Versteck als ihr Nest ausgehoben haben...Ghule, wie sie in die Leichenhalle eindringen... Ghule, wie sie die Strasse entlang rennen.... die alte Baptistenkirche – Licht brennt noch im unteren Stock... Giles tritt aus dem Hintereingang, als die Ghule das Wächterhaus erreichen...
 

„Nein nicht,“ brüllte Buffy panisch und kam zu sich, als Andrew ihr ein Glas kaltes Wasser ins Gesicht schüttete. Sie hörte Andrew etwas erleichtert sagen, eine Hand, die von Xander, die sie beruhigend sanft massierte und Giles sprach gerade davon, dass die Magie, die bei ihr zu wirken schien, nur durch sie selbst gebrochen werden konnte:
 

„Wenn Buffy herausfinden könnte, was diese Visionen auslösen, dann könnte uns das weiterhelfen, oder es zerschlägt sogar die Wirkungskraft des Zauberspruchs.“
 

„Wäre das nicht zu einfach?“, fragte Lily nach und ging ins Bad, um die Schüssel Wasser auszuleeren.
 

„Vielleicht...“
 

„Ich sag noch immer.. wie ziehen los und quetschen unsere Informanten aus,“ warf Faith tatenlustig ein.
 

Buffy schaltete sich aus der Unterhaltung aus. Sie war völlig von der letzten Vision erledigt und sah erst zu Xander auf, der sie mehrmals an der Schulter rüttelte. Er lächelte Buffy aufmunternd an: „Ich fahr den Wagen besser vor. Du gehst am besten wirklich nach Hause und legst dich schlafen.“
 

„Nein... keine gute Idee.. Ghule... die Leichenhalle,“ murmelte Buffy, aber Xander tätschelte ihr nur beruhigend die Schulter und ging. „Keine Widerrede. Solange du diese Wahnvorstellungen hast, solltest du dich ausruhen und dich auf uns verlassen.“ Mit diesen Worten ging er nach unten.
 

Buffy sah ihm kurz nach und blickte schließlich in die Runde. Erleichtert stellte sie fest, dass alle damit beschäftigt waren herauszufinden, wie sie den Zauber brechen konnten.
 

Niemand bemerkte, wie Buffy aufstand und leise die Treppe nach unten schlich.
 

++++
 

Derselbe Friedhof wie im ersten Akt

Etwas später

Außer Atem, sichtlich erschöpft und müde kam Buffy unter den wachsamen Augen von Samielle hinter einem Baum, auf dem Friedhof an, auf dem sie glaubte, die Leichenhalle zu finden. Es gab in Cleveland nur einen Friedhof, der dieses moderne Gebäude sein eigen nannte. Doch als sie den betonierten Vorplatz der Leichenhalle erreichte, war dort alles ruhig und friedlich. Kein verdächtiges Geräusch im Unterholz, keine Geräusche aus dem Inneren, die darauf schließen ließen, dass jemand dort nach einem unappetitlichen Mahl suchte. Erst jetzt realisierte Buffy, dass es derselbe Ort war, an dem sie tatsächlich vor kurzem Ghule gejagt hatte.
 

Erstaunen spiegelte sich auf Buffys Gesicht wieder, als sie begriff, dass hier kein Kampf stattfinden würde. Selbst auf dem Weg hierher, war ihr kein einziger Ghul begegnet. Aber die Vision war so echt gewesen, es war so eindeutig in dem, was sie ausgesagt hatte, was passieren würde, wenn Buffy in dieser Nacht nicht bei Giles blieb, dass es für sie nur die Möglichkeit gegeben hatte, hierher zu kommen, um zu kämpfen. Und jetzt... jetzt stand sie alleine hier, hatte rasende Kopfschmerzen, hatte nur dieses Schwert aus kaltgeschmiedetem Eisen bei sich, das auch in einem gesunden Zustand verdammt schwer zu führen war und kam sich ziemlich albern vor. Aber eigentlich verwunderte sie dieser Umstand nicht wirklich. Wenn sie genauer darüber nachdachte, war keine einzige dieser Visionen wahr geworden. Sie hatten nur dafür gesorgt, wann auch immer sie aufgetreten waren, dass Buffy fürchterliche Angst bekam oder in einem Kampf so geschwächt wurde, dass sie fast unterlegen war.
 

Buffy stützte sich auf das Schwert und sah zu dem Gebäude. Giles hatte recht.. sie musste herausfinden, was diese Visionen auslöste und wenn sie daran dachte, dass sie bei Giles eine Entscheidung fällen wollte, bevor diese schrecklichen Bilder über sie hereingebrochen waren, erschien es ihr auf einmal sehr offensichtlich - jedes Mal wenn sie sich entscheiden musste, brachen diese Bilder über sie ein. Und wenn es nur so eine nichtige Entscheidung war, einen Vampir zu töten oder mit ihm zu spielen, einen Ghul laufen zu lassen oder ihn zu verfolgen.... Buffy erkannte langsam, dass ihre Entscheidungsunfähigkeit einer ihrer Schwachpunkte war.

Warum sollte ein Feind sich diesen nicht zunutze machen? Durch die jahrelange Erfahrung mit Willows Zauberei wusste Buffy, dass es für fast jede Situation einen Zauber gab, warum sollte es hierfür nicht auch einen Fluch geben?
 

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Samielle erschien der Zeitpunkt für einen Angriff als gekommen. Die Jägerin war alleine, angeschlagen und müde. Sie würde dem Ansturm nicht stand halten können. Sie stieß einen krächzenden Schrei in die Nacht...
 

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Buffy zuckte zusammen, als sie die Krähe in ihrer Nähe hörte. Krähen in Cleveland sah sie inzwischen als Bote für Unheil. Aber noch ganz in Gedanken mit ihren neuen Erkenntnissen beschäftigt, verschwendete sie keinen zweiten an die Krähe. Sie war froh erkannt zu haben, warum diese Visionen kamen. Und ehrlich zu sich selbst musste Buffy eingestehen, dass ihre Angst vor Entscheidungen ihr nicht nur seit den Visionen im Weg gestanden hatten. Egal ob es darum gegangen war etwas sinnvolles mit ihrem Leben anzufangen, sich selbst neu zu definieren, nachdem die Last der Auserwählten von ihr genommen worden war, oder die Suche nach einer Wohnung, einem Job... immer hatte sie versucht sich vor der Entscheidung zu drücken. Aber das Leben war nun einmal nicht einfach. Niemand konnte sagen, ob ein eingeschlagener Weg der richtige war oder nicht. Sie würde einfach mehr Mut in diesen Dingen aufbringen müssen, um voran zu kommen. So gesehen konnte sie für das Erlebnis mit den Visionen dankbar sein. Sie hatten ihr die Augen geöffnet. Als Buffy dies klar wurde, spürte sie wie eine Last von Ihrem Herzen genommen wurde.
 

Etwas schien sich von ihr zu lösen - ein Raunen und Wispern erklang, ein Windstoss fuhr durch die nahen Bäume und Büsche und Buffy fühlte sich vollkommen befreit.
 

In diesem Moment kam in die Schatten bei den Büschen Bewegung und Buffy sah sich einer gewaltig großen Gruppe Ghule gegenüber.
 

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Giles Wohnung

Selbe Zeit

„So wir können, Buffy,“ Xander tauchte auf der Treppe auf und starrte das leere Sofa an. „Eh Leute.. hat jemand Buffy gesehen?“
 

Die Gespräche verstummten und alle Köpfe wandten sich dem Sofa zu.
 

„Also gerade eben saß sie noch hier,“ meinte Andrew.
 

„Ja, ganz sicher,“ Dawn sah sofort im Badezimmer nach, doch es war leer. Sie eilte in den kleinen Flur und sah in die drei Zimmer. „Sie ist weg.“
 

„Verdammt,“ entfuhr es Giles nicht sehr britisch. „Wo wollte sie denn nur hin?“
 

Ratlosigkeit stand in ihrer aller Gesichter.
 

„Oh Mist,“ schlug sich Xander vor die Stirn. „Sie sagte vorhin etwas von einer Leichenhalle und eh.. Ghule? Ich dachte das wären noch Nachwirkungen ihrer Vision.“
 

Giles sah ihn etwas ungehalten an. „Möglich. Aber abgesehen davon hatte Buffy erst vor kurzem gegen einige Ghule auf einem Friedhof gekämpft. Selbst wenn es die Vision ist.. wir sollten uns rüsten und sie suchen gehen.“
 

„Tut das. Ich bleibe am besten hier, falls Buffy vor euch zurück kommt,“ schlug Lily vor.
 

„Und ich leiste Ihnen Gesellschaft,“ meinte Willow müde. „Der Zauber und Buffys Schmerzen.. das war einfach zu viel für mich. Wahrscheinlich würde ich euch nur im Weg stehen.“ Giles nickte den beiden Frauen zustimmend zu, ehe er ging.
 

„Klasse... Ich bekomme also DOCH noch meine Action,“ grinste Faith, während sie den anderen folgte, um sich mit Waffen einzudecken.
 

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Auf dem Friedhof...

Selbe Zeit

Sie waren eindeutig in der Überzahl... und Buffy war müde. Wie sollte sie all diese Ghule bezwingen? Alleine sah sie keine Chance. Selbst wenn sie unverletzt gewesen wäre.
 

Vielleicht musste sie fliehen, um zu überleben? Angst überkam sie in diesem Moment, Angst davor, dass eine neue Vision über sie hereinbrechen würde, aber nichts passierte. Sie schien den Zauber gebrochen zu haben. Das gab ihr erneut Kraft und es gelang ihr einen heranstürmenden Ghul das Schwert in den Magen zu rammen, es mit einer halben Drehung ihres Körpers nach oben zu ziehen, um damit dem Monster ein schnelles Ende zu bereiten. Doch während sie noch versuchte das Schwert schnell aus dem toten Leib zu ziehen, warf sich ein weiterer Ghul mit seinem massigen Körper gegen sie und begrub sie unter sich.
 

Buffy konnte gerade noch die Luft anhalten, als der Ghul sein Maul aufriss, um nach ihr zu schnappen. Mit letzter Kraft schlug Buffy gegen seinen geöffneten Kiefer. Etwas schien mit einem hörbaren Geräusch zu brechen, aber das hielt den Ghul nicht davon ab, sie weiter auf den Boden zu pressen.
 

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Samielle sah, wie die Jägerin langsam die Kontrolle über den Kampf verlor, auch wenn ein Drittel ihrer kleinen Truppe tot am Boden lag. Die Krähenfrau wollte gerade mit einem zufriedenen Lächeln hinter ihrem Baum hervortreten, damit die Jägerin sah, wer die Verantwortung für ihren Tod trug, als sich laute Stimmen näherten. Schritte waren zu hören, eilige Schritte. Samielle trat hastig zurück in den Schatten und mit düsterem Gesichtsausdruck sah sie die Freunde der Jägerin heraneilen. Jeder war stark bewaffnet und Samielle hatte eine dunkle Vorahnung.
 

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„Buffy!“
 

Giles? Giles.... seufzte Buffy innerlich auf, als ihr langsam bewusst wurde, wem die Stimme gehörte. Wenn Giles hier war, dann waren es die anderen auch. Sie war gerettet.
 

Der Ghul über ihr gab plötzlich ein hässliches Grunzen von sich, verdrehte die Augen und sackte zusammen. Buffy hätte nie geglaubt, dass ein toter Ghul noch mehr wiegen könnte, als er es schon lebend tat.
 

Das Monster wurde von ihr gezerrt, gefolgt von zwei starken, helfenden Hände, die sie ergriffen, um ihr auf die Füße zu helfen.
 

„Danke Xander.“
 

„Nichts zu danken. Der geht auf Giles Konto,“ grinste Xander und reichte Buffy ihr Schwert. Sie sah sich schnell um und entdeckte ihre Freunde in Mitten eines heftigen Kampfes.
 

„Ihr habt Dawn mitgebracht?“, fragte sie entsetzt Xander und riss ihr Schwert gerade noch rechtzeitig in die Höhe, als man sie entdeckte und auf sie los stürmte. Xander wich hinter Buffy aus und überließ es ihr, den Ghul mit einem gezielten Schlag von seinem Kopf zu befreien.
 

„Hey, sie ist alt genug, um selbst zu bestimmen. Und sie kämpft nicht zum ersten Mal, wie du selbst weißt.“
 

Weiter darüber diskutieren konnten sie nicht, da Giles, Andrew, Faith und Dawn Hilfe nötig hatten. Sie stürzten mit erhobenen Waffen auf den Kreis Ghule zu, der sich eng um die vier anderen gezogen hatte. Ohne darüber nachzudenken schlugen und hieben Buffy und Xander auf alles ein, das nach Ghul aussah. Sie achteten nicht darauf, ob sie eines der Monster töteten oder es nur um einen Körperteil erleichterten. Schließlich durchbrachen sie den Ring, während Giles Rücken an Rücken mit Andrew, und Dawn mit Faith, gegen die Übermacht ankämpften.
 

Inzwischen lagen mehr als die Hälfte der Angreifer tot am Boden und ein furchtbarer Gestank ging von ihren toten Körpern aus. Aber noch immer griffen die anderen unbeirrt an.
 

„Ich versteh die einfach nicht,“ rief Faith über den Lärm hinweg Buffy zu. „Ihnen müsste doch inzwischen klar sein, dass die Flucht der beste Ausweg wäre, um zu überleben.“
 

„Sie sind einfach zu dumm und zu plump,“ kommentierte die blonde Jägerin und brach einem Ghul mit einem Schlag des Schwertknaufes in den Nacken die Wirbelsäule. Neben ihr fiel ein weiterer Ghul einem Schwertschlag von Faith zum Opfer.
 

Doch am Ende hatten die Ghule das Einsehen und zogen sich mit einem hässlichen Knurren und Heulen langsam zurück. Niemand verspürte große Lust sie zu verfolgen. Auch wenn sie wussten, dass ihre Chancen gut standen. Aber sie waren müde, durchtränkt vom übel riechenden Blut der Ghule und einfach nur froh, Buffy gerettet zu haben.
 

„Ich denke die schaffen wir auch noch morgen,“ erklärte Faith zuversichtlich. „Ich nehme Vi und Ronah mit und suche nach ihrem Versteck.“
 

„Gerne,“ lächelte Buffy unsicher, aber froh über Faith Vorschlag. Sie hatte erst einmal genug von Ghulen.
 

„Ich frage mich, was sie hier zu suchen hatten,“ stieß Giles sichtlich außer Atem hervor. „Du hast sie in deiner Vision gesehen?“
 

Buffy nickte. „Allerdings. Aber als ich hier her kam, war niemand zu sehen und ich kam dabei zu einigen wichtigen Erkenntnissen über diese Visionen. Irgendwie scheine ich damit den Zauber gebrochen zu haben,“ Buffy sah in die erleichterten Gesichter ihrer Freunde. „Aber plötzlich waren die Ghule da und griffen an.“
 

„Dann hat sie vielleicht jemand geschickt. Derjenige, der dir auch die Visionen gebracht hat,“ meinte Giles ernst. „Vielleicht finden wir darüber noch etwas heraus.“
 

Als sie aufbrachen, sahen sie sich suchend nach allen Seiten um, während eine einzelne Krähe über ihnen einen Kreis flog und mit einem Schrei in die Nacht aufstieg.
 

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Erie-See, Blockhütte.

Zwei Tage später, abends

Buffys Geburtstag

Nebel stieg einmal mehr von der Oberfläche des Erie-Sees auf und von Buffys Position am Fenster aus sah sie gut die kleinen Lichter der Fischerboote, die ausgelaufen waren. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, als die blonde Jägerin zufrieden daran dachte, dass die Fischer Clevelands seit wenigen Wochen wieder sicher ihrer Arbeit nachgehen konnten. Kein verrückter Dämon würde mehr ihre Seelen rauben. Ebenfalls war sie froh und dankbar, dass die Visionen aufgehört hatten. Auch wenn sie noch nicht wussten, wer ein Interesse daran hatte, ihr auf diesem Weg zu schaden, war es beruhigend eine Entscheidung zu treffen, ohne gleich wieder die schlimmsten Auswirkungen vor Augen geführt zu bekommen.
 

Ein eisiger Windhauch traf ihren der Tür zugewandten Rücken, als Faith mit Ronah in die See-Hütte hereingeschneit kamen. Beide waren als Extra-Geschenk alleine auf Patrouille gewesen. So weit Buffy wusste, war auch Emma mitgegangen, um mehr von den erfahrenen Jägerinnen zu lernen.
 

„Hey, Geburtstagskind,“ Faith kam zu ihr herüber. „Fang.“ Sie warf Buffy ein schmales Geschenk zu, das im Schoss der blonden Jägerin landete. „Ich hoffe ich hab’ damit deinen Geschmack getroffen.“ Faiths Lächeln drückte Unsicherheit aus. Denn hätte sie sich jemals träumen lassen Buffy ein Geburtstagsgeschenk zu machen? Mit all ihren Freunden zu feiern und sich dabei tatsächlich wohl zu fühlen?
 

„Ehm... danke, Faith.. das ist...“
 

„Pack schon aus,“ grinste die dunkelhaarige Jägerin, der die Situation langsam peinlich wurde.
 

Buffy seufzte mit einem Blick auf den Berg unausgepackter Geschenke, die sie noch nicht angerührt hatte und riss die Verpackung auf. Eine kleine, schmale und lange Schachtel kam zum Vorschein und als sie den Deckel abnahm lag darin ein Messer mit breiter Klinge, deren eine Seite geriffelt war, während die andere gefährlich scharf im Licht glänzte. Der Griff war mit echtem, zweifarbigen Leder umflochten. Die Waffe sah schick und gefährlich aus und sie lag gut in der Hand, wie Buffy feststellen musste. Mit einem Lächeln legte sie die Waffe zurück in die Schachtel. Es war ein schönes Geschenk, auch wenn das Messer kurz eine sehr unangenehme Erinnerung in ihr weckte. Doch zeigte es auch, dass Faith die Vergangenheit überwunden hatte und darüber war Buffy sehr erleichtert. „Danke Faith. Es ist klasse.“
 

„Wusste ich es doch...,“ sagte Faith zufrieden und ging mit Ronah zu Vi, die sich mit Kennedy an der Stereoanlage darüber stritt, welche CD mehr Schwung in die Party bringen würde.
 

„Hey, Buff...,“ Xander tauchte mit einem vollen Teller neben ihr auf. „Tolle Party, oder?“ Buffy nickte stumm. „Die Idee mit dem See, war von uns. Ich wollte ja draußen grillen, aber die Damen fanden es zu kalt. Oh und hab ich dir schon von Roger erzählt? Ein Kollege von mir? Ihm gehört die Hütte hier am See. Und das heißt – sie war umsonst.“ Xanders breites Grinsen verriet Buffy, dass er wohl irgendein Lob von ihr hören wollte, aber sie wurde Gott sei Dank von Willows Ankunft an einer Antwort gehindert.
 

„Hi Buffy... lass dich umarmen.“ Noch in Mantel und dickem Schal eingepackt, kam die Hexe zu ihren beiden Freunden fröhlich angestürmt.
 

„Mit oder ohne,“ grinste Buffy mit Blick auf das Geschenk und stand auf.
 

„Oh, warte,“ Willow schob es auf den kleinen, freien Tisch neben Buffys Platz, ehe sie sich umarmten. „Alles Gute zum Geburtstag. Ich wünsch dir alles erdenklich Gute und du weißt schon.. dass deine Wünsche für deine Zukunft in Erfüllung gehen,“ fügte Willow sensibel hinzu.
 

„Danke,“ sagte Buffy zurückhaltend und ließ sich auf ihren Stuhl sinken, griff nach ihrem Pappbecher und lächelte unsicher.
 

„Ich schau mal nach Kennedy....“
 

„Ich komme mit...“
 

Und damit zogen sich Willow und Xander zurück, während Buffys Blick wieder zum Fenster hinaus wanderte. Ihr war bewusst, dass die beiden gespürt hatten, dass sie alleine sein wollte.
 

Dawn legte Holz im Kamin nach, damit es weiterhin schön mollig warm in der Hütte blieb. Die Party am See war eine gute Idee gewesen und auch eine billige, dank Xanders Verbindungen. Sie hatten eine schöne Kulisse umsonst vor dem Verandafenster, ein gemütliches, warmes Kaminfeuer, ein selbstgemachtes Büffet und alle schienen gut drauf zu sein. Selbst Shin war tatsächlich gekommen und als sie zu ihm rüber sah, winkte er ihr kurz zu, während er sich gerade mit Andrew darüber im Gespräch befand, wer der bessere Agent sei – Sydney Bristow oder Jack Bauer. Gott sei Dank schien Shin nicht die geringste Schwierigkeit zu haben, sich unter ihren Freunden wohl zu fühlen oder bei jedem das richtige Gesprächsthema zu finden.
 

Mit Buffy, der Hauptperson am heutigen Tag, schien es da ganz anders zu sein. Dawn sah ihre Schwester nachdenklich auf einem Stuhl, ein wenig abseits von ihren Freunden, sitzen. Ihre Hände drehten geistesabwesend den Pappbecher ohne Unterbrechung im Kreis, während sie zum Fenster hinausstarrte. Am liebsten wäre Dawn zu ihr gegangen und hätte sie gefragt, ob ihr die Party nicht gefiel. Dabei hatte sie genau das getan, was sie vor Wochen besprochen hatten – etwas kleines, nur ihre Freunde und Bekannten. Aber vielleicht hatte es auch ganz andere Gründe.
 

Buffys Blick wanderte zurück in die Menge und sie fühlte sich auf einmal ziemlich mies, weil sie hier saß und sich nicht richtig über ihre Party freuen konnte. Das führte zu einem schlechten Gewissen gegenüber Dawn und ihren Freunden. Es war ihr „großer“ Tag und alle hatten sich einmal mehr sehr viel Mühe gemacht, um für sie eine schöne Party zu organisieren - hier in der gemütlichen Blockhütte mit wundervollem Blick auf das Wasser, einer schönen, geschmackvollen Dekoration und einem kleinen, aber feinen Büffet. Buffy wollte lieber nicht darüber nachdenken, wer das alles bezahlen würde oder es bereits getan hatte.
 

Zu allem schien kein Dämon in Cleveland beschlossen zu haben, die Party zu stören.
 

Sie fühlte sich richtig undankbar - nicht einmal ihre Geschenke hatte sie inzwischen ausgepackt, weil ihre trüben Gedanken sie zu sehr gefangen hielten. Es waren nicht alleine die Visionen, die sie so ins Grübeln gebracht hatten. Es war so vieles wieder hochgekommen, als ihr Vater auftauchte – Dinge die Buffy geschickt verdrängt hatte und Dinge, über die sie in den letzten Jahren vergessen hatte dankbar zu sein. Unweigerlich fiel ihr Blick auf Giles. Ja es gab Dinge, die sie noch zu klären hatte und über die sie sich dank dem Überraschungsbesuch ihres Vaters klar geworden war. Oder besser gesagt erst, als er einfach so ohne Abschied wieder nach zwei Tagen verschwunden war.
 

Plötzlich stand Buffy entschlossen auf, stellte den Pappbecher ab und steuerte die Gruppe Lily, Giles und Robin an. Ihre Stimmung wurde sicher nicht dadurch besser, wenn sie ihre Überlegungen der letzten Tage für sich behielt. Es wurde Zeit ein paar Entschuldigungen auszusprechen und reinen Tisch zu machen.
 

„Uhm.. entschuldigt...Giles? Könnte ich Sie für einen Moment alleine ... ehm sprechen?,“ brachte Buffy schließlich über ihre Lippen und sah bittend zur Tür, während drei Augenpaare sie interessiert anstarrten.
 

Dann schien sich Giles von der überraschenden Unterbrechung zu erholen, nickte stumm, aber hastig, beeilte sich das gerade eben erste abgebissene Muffinstück herunterzuschlucken und folgte Buffy nach in die Dunkelheit.
 

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Lagerhalle, irgendwo in der Nähe von Cleveland.

Zur selben Zeit.

"Das war ja ein ganz großartiger Plan", spottete Weatherby, als er die alte Lagerhalle betrat und Samielle erblickte, die auf einer umgedrehten Holzkiste saß.
 

Die Dämonin zuckte die Achseln.
 

"Man kann nun einmal nicht alles vorhersehen. Ich wusste nicht, wie stark die Jägerin ist."
 

"Natürlich nicht! Wer von uns beiden hatte sie denn bis jetzt ständig im Auge?" zischte Weatherby zurück.
 

Samielle seufzte. "Es ging hierbei nicht um körperliche Fähigkeiten. Niemand konnte erwarten, dass diese Jägerin sowohl körperlich als auch geistig dermaßen widerstandsfähig ist. Bei vielen Jägerinnen bietet ihre innere Zerrissenheit einen guten Angriffspunkt."
 

Weatherby spuckte verächtlich vor ihr aus. "Die Beschwörung war eine ganz miese Idee. Wir hätten unsere Ziele auch ohne die 'Hilfe' einer drittklassigen Dämonin erreichen können."

Er blickte auf und sah ihr direkt in die unmenschlich funkelnden Augen. "Und du solltest bedenken, dass der Zauber dich bindet. Vielleicht sollte man dafür sorgen, dass du dich daran erinnerst und in Zukunft.. sorgfältiger arbeitest...."
 

Weiter kam er nicht, denn plötzlich hatte Samielle ihn ergriffen und hob ihn wie eine Puppe hoch, nur um ihn dann von sich zu schleudern.
 

Keuchend landete Weatherby auf dem harten Boden. Mit schnellen Schritten war Samielle bei ihm und drückte ihm ein Knie auf die Brust.
 

Er blickte auf und sah wieder in ihre Augen. Der Ausdruck in ihnen war nie besonders angenehm gewesen, doch was er nun erblickte, ließ eine eisige Hand sich um sein Herz schließen.
 

Einmal mehr erkannte er, dass die menschliche Erscheinungsform dieser Dämonin nur Fassade war für etwas viel Schlimmeres. Er erbleichte und schloss die Augen, um den Unaussprechlichkeiten, die in den ihren verborgen lagen, zu entkommen.
 

"Und du solltest dir merken, dass ich nur an den Träger der Maske gebunden bin. Nichts spricht davon, einen nichtswürdigen Lakaien zu verschonen. Bisher hielt ich dich für amüsant, wenn auch zu vorlaut. Mittlerweile aber stehe ich davor, mein Urteil zu überdenken, denn

du schlägst mir gegenüber einen Ton an, den ich nicht zu akzeptieren gewillt bin. Ich habe Dinge gesehen und getan, die deinen Verstand zerfetzen würden - was allerdings nicht viel ändern würde. Sieh dich also vor, wie du in Zukunft mit mir sprichst."
 

"Ich glaube, da hat sie recht, Weatherby", erklang eine ihnen beiden bekannte, wenngleich auch sonderbar hohle Stimme aus dem Dunkeln.
 

Beide drehten den Kopf und sahen die verhüllte Gestalt auf sich zugehen, das Gesicht wie immer durch die Maske verborgen. Welche wahrscheinlich auch der Grund für die Verzerrung der Stimme war. "Ich glaube, er hat es verstanden. Lass ihn los, Samielle."
 

Die Dämonin nickte und stand auf. Weatherby zögerte eine Sekunde und stand dann seinerseits auf und klopfte sich den Staub von der Hose, wobei er Samielle wütende Blicke zuwarf. Die Dämonin störte sich nicht daran und sah den Neuankömmling erwartungsvoll an.
 

"Nun, ich bin nicht allzu erfreut über den Ausgang dieser Geschichte. Allerdings muss ich sagen, dass ich nicht viel erwartet habe. Das ist keine Kritik an Euch, Samielle. Aber diese Jägerin schien bereits vorher ein erhebliches Maß an innerer Stärke gehabt zu haben. Euer Zauber hat diesen Eindruck verstärkt und mir Gewissheit verschafft...und dass, ohne viel von meinen eigenen Ressourcen aufwenden zu müssen. Dafür bin ich Euch dankbar."
 

Weatherby glaubte sich verhört zu haben. "Verzeihung, aber das verstehe ich nicht. Sie hat die ganze Sache in den Sand gesetzt und wird dafür noch gelobt? Ich..."
 

"Ihre Meinung in allen Ehren, mein lieber Weatherby, aber meine Pläne sind nicht Ihre. Sie sollten das bedenken. Ich würde also vorschlagen, dass wir diese Episode vermerken und uns wieder gemeinsam an die Arbeit machen. Es bleibt noch eine Menge zu tun."

Mit diesen Worten drehte sich die verhüllte Gestalt um und verschwand in Richtung Ausgang.
 

Weatherby blieb noch einen Augenblick stehen und taxierte Samielle, die ihn allerdings vollkommen zu ignorieren schien. Mit einem wütenden Schnauben entfernte er sich schließlich.
 

Samielle sah ihm eine Weile nach, bevor sie anfing, laut zu lachen. Es war ein helles Lachen und zeugte von eindeutiger Heiterkeit, aber es blieb dennoch von einer Fremdartigkeit geprägt, die selbst die Fledermäuse in ihrem Schlummer erzittern ließ, ihre einfachen Geister mit unheilvollen Bildern erfüllt.
 

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Vor der See-Hütte

Etwas später

Im Freien spendete ihnen eine Lichtgirlande, die die gesamte Veranda zierte, Licht und ließ Buffy den Weg auf die Rückseite der Hütte finden. Giles folgte ihr geduldig, wenn auch beunruhigt. In letzter Zeit verhießen diese Art von Gesprächen mit seiner einstigen Jägerin nichts gutes und endeten damit, dass sie ihn auf irgendeine Weise verletzte.
 

Gedämpft drang die leichte, fröhliche Musik zu ihnen in die Stille heraus und die unbekümmerten Stimmen ihrer Freunde gaben Buffy auf einmal das beruhigende Gefühl, dass die gute alte Zeit doch nicht mit Sunnydale und dem Urbösen begraben wurde. Das brachte sie überraschend zum lächeln. Aber trotz all dem hatte es auch etwas trauriges an sich. Denn Buffy wusste, dass solche Momente seltener werden würden. Der Gedanke half ihr zu begreifen, dass sie ihre Party heute Abend genießen sollte und musste. Nachher, wenn das hier erledigt war...
 

Giles trat stumm an Buffys Seite, sah wie sie hinaus auf das Wasser und verfolgte die Lichter der Fischerboote. Er genoss für einen Moment die Ruhe, die von diesem Anblick ausging und wartete darauf, was Buffy zu sagen hatte.
 

Giles Schweigen machte Buffy nervös und sie blickte unsicher zu ihm auf. Sie wusste genau, dass Giles ahnte, dass ihr erneut etwas auf der Seele lastete, doch dieses Mal schien er den ersten Schritt von ihr zu erwarten.
 

Buffy gab sich sichtlich einen Ruck und durchbrach schließlich das Schweigen zwischen ihnen. „Ich... nun... wo soll ich nur anfangen,“ seufzte Buffy über sich selbst frustriert. Es war so viel einfacher wütende Worte laut auszusprechen, andere damit zu verletzten, als sich hinterher wieder zu entschuldigen oder um Verzeihung zu bitten. „Ich habe gründlich nachgedacht. Über mein Leben. Wie es weiter gehen soll. Über die Visionen, meinen Vater...nun das hat es mir dabei natürlich nicht leichter gemacht. Bei meinen Entscheidungen meine ich – der Besuch meines Vaters,“ fügte sie unnötig erklärend hinzu. „Aber die Visionen, diese Angst davor sich nicht entscheiden zu können, weil man etwas falsch machen könnte oder sich für die falsche Sache entscheidet... nun das hat mir die Augen geöffnet. Und ich bin letztendlich zu dem Entschluss gekommen, dass Sie und Willow, und Dawn und Xander... alle einfach... recht haben. Ich muss mich für einen Weg entscheiden. Und da Cleveland offensichtlich nicht bereit dazu ist, mir einen Weg zu offenbaren, sollte ich wohl Ihr Angebot annehmen,“ sagte sie schließlich leise. Als Giles schwieg fügt sie hastig hinzu: „Das mit dem Job, meine ich.“
 

Giles Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an, ehe es langsam in seinem linken Mundwinkel aus sichtlicher Erleichterung und Freude zuckte. „Buffy.. das ist... wieso auf einmal...“
 

„Bitte, lassen Sie mich ausreden,“ fiel ihm Buffy ins Wort und Giles kleines Lächeln verschwand aus Angst, dass Buffy erneut eine Gemeinheit hinzufügen könnte. „Bevor mich der Mut verlässt. Es ist nicht so einfach zu erklären, wieso ich jetzt doch bereit bin für Sie zu arbeiten. Einfach eigentlich schon,“ lächelte sie nervös. „Aber nicht so leicht über die Lippen zu bekommen. Weil wir beide.. na ja, sie wissen schon - wir sind zwar beide erwachsen und reifer geworden, und trotzdem... ist es sehr persönlich,“ Buffy atmete schnell durch. „Ich weiß, dass ich mich in den letzten Monaten Ihnen gegenüber nicht.. fair verhalten habe. Und auch nicht nett war,“ fügte sie mit etwas Schamgefühl in der Stimme hinzu. Ihr Blick wanderte zu Boden. „Ich war furchtbar,“ sie sah wieder hoch und lächelte, um seine Nachsicht damit zu gewinnen. „Und wissen Sie was das Witzige an der ganzen Sache ist?“
 

Giles setzte zu einer Antwort an, aber Buffy bemerkte es nicht und sprach einfach weiter aus Angst die Führung zu verlieren, wenn sie nicht schnell los wurde, was ihr wichtig war. „Das ich Sie aus Angst erneut zu verlieren mit Absicht von mir weggetrieben habe und dabei fast das erreicht hätte, vor dem ich am meisten Angst zu haben schien. Wäre mein Vater nicht aufgetaucht mit der Ansicht mit einem Gespräch seine Fehler der letzten fünf Jahre wieder gut machen zu können, wäre ich auch nie zu der Erkenntnis gekommen.“
 

Giles Augenbraue wanderte überrascht in die Höhe. Versuchte Buffy ihm in diesem Moment tatsächlich zu erklären, dass ihr etwas an ihm lag? Das sie all die Dinge in den letzten Monaten nur gesagt und getan hatte, um sich selbst vor einem Verlust zu schützen, der nicht unbedingt hätte eintreten müssen? Giles wusste nicht ob Buffys Entschuldigung Anlass zur Freude war ... irgendwie hatte sie einen leichten, bitteren Beigeschmack, wenn er an den Tag zurückdachte, als sie ihm das Handbuch für Jägerinnen schenkte oder gar erst an ihr Gespräch im Labyrinth.. offensichtlich schien Buffy seine Gedanken zu erraten...
 

„Ich weiß, dass es Ihnen nicht leicht fällt, mir jetzt zu glauben, aber das war alleine der Grund.. ganz ehrlich. Sehen Sie - nachdem ich in L.A. erfahren habe, dass mein Vater erneut heiraten würde, sich nicht einmal aber die Zeit genommen hatte, mit uns zu reden oder uns darüber aufzuklären, war ich so enttäuscht, dass ich fest davon ausging, dass ich von jetzt an wirklich alleine auf mich gestellt sei. Ich habe die Verantwortung für Dawn getragen und werde das wohl noch eine Weile müssen, aber es erschien mir ganz so, als wäre auf einmal niemand mehr für mich und meine Probleme da.
 

Sie hatten ihren neuen Rat, Willow half ihnen dabei, Xander baute sich ein neues Leben auf, überall waren Jägerinnen, die meinen Job erledigten... dann kam noch Lily und sie waren mehr mit ihr beschäftigt und mit dem Rataufbau.. als für mich da zu sein,“ brachte Buffy nur schwer über ihre Lippen. „Ich kam mir nutzlos und alleine vor. Und es ist nicht einfach mir einzugestehen, dass ich auf solche nichtigen Dinge Eifersüchtig war. Genauso wenig ist es nicht einfach für mich zu akzeptieren, dass ich noch immer jemanden brauche, der mir sagt, was ich tun soll und der mir auch sehr wichtig ist.“
 

Über Giles Gesicht huschte zum ersten Mal ein kleines Lächeln, was Buffy ungemein erleichterte. Er räusperte sich umständlich und Buffy nahm es als Zeichen der Rührung. Noch ein gutes Zeichen. „Ich denke ich verstehe, was du mir zu sagen versuchst. Und ich muss gestehen, dass ich in den letzten Monaten ein wenig irritiert über dich war, aber ich wusste, dass es sich irgendwann von selbst geben würde. Natürlich haben mich ein paar Dinge sehr verletzt und ich glaube nicht, dass wir damit alles vergessen können, was in der Vergangenheit passiert ist,“ Giles Blick fing ihre Augen ein und Buffy brachte den Mut auf nicht zur Seite zu blicken. „Aber es ist ein Anfang.“
 

Sie lächelte erleichtert und ihre innere Anspannung fiel von ihr ab. „Das heißt sie können mir verzeihen, was ich ihnen alles so um die Ohren gehauen habe?“
 

„Lass mich nachdenken,“ er zog eine ernste Miene. „Einmal abgesehen von dem ständig belegten Badezimmer in den ersten Monaten bei mir in der Wohnung...,“ Buffy grinste. „Ja, das tue ich. Und jetzt da ich weiß, wieso das alles passiert ist, noch sehr viel mehr.“ Es fiel Giles nicht schwer. Er hatte gewusst, dass etwas Buffy die letzten Monate über bedrückte und ihr Verhalten steuerte. Aber er wäre nie darauf gekommen, dass es Buffy dabei um ihre Beziehung zu ihm ging. Nicht nachdem was zwischen ihnen vorgefallen war. Er war völlig gerührt und es fiel ihm schwer dies vor Buffy zu verbergen.
 

Jetzt, da sie einiges geklärt hatten, erschien es Giles richtig Buffy ihr Geschenk zu übergeben. Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog einen Umschlag hervor.
 

„Uhm... wir haben dir zwar vorhin unsere Geschenke schon überreicht, aber ich habe hier noch etwas besonderes für dich. Der Besuch deines Vater ist auch für mich nicht ganz ohne Wirkung geblieben und auch ich muss für mich sagen, dass ich einiges überdenken musste... nun ja,“ er hielt ihr den Umschlag entgegen. „Ich war auch nicht frei von Fehlern. Aber ich schätze du weißt, was ich damit sagen möchte.“
 

„Oh Giles.. noch ein Scheck? Das wäre aber nicht nötig gewesen,“ grinste Buffy frech und erntete einen gespielt ärgerlichen Gesichtsausdruck. Sie lächelte und sah auf den Umschlag. Er war unbeschriftet und als Buffy die beiden Eintrittskarten für Holiday on Ice herauszog, spiegelte sich erstaunen auf ihrem Gesicht wieder. Nach all den Jahren... ?!
 

Giles lächelte zufrieden, als er den Ausdruck auf Buffys Gesicht sah und ging leise zurück nach vorne, um sich zu den anderen Partygästen zu gesellen.
 

Buffy starrte noch immer auf die Karten und als sie gerührt aufsah, um irgendetwas zu sagen, stellte sie fest, dass sie alleine war. Sie sah ins Innere und beobachtete Giles mit einem weichen Blick, wie er von draußen zurück zur Party kam.
 

Ihr Lächeln wurde wärmer und breiter.. sie hatte eben noch eine sehr wichtige Erkenntnis über die letzten Tage gewonnen– eine sehr wertvolle – sie musste sich nicht mehr länger den Kopf über Hank und über seine Rolle in ihrem Leben zerbrechen, denn sie hatte längst einen viel besseren Vater gefunden. Jemand der die letzten Jahre über ständig an ihrer Seite und für sie da gewesen war, nur hatte sie es die letzten Jahre über einfach nicht sehen wollen.
 


 

Grrarrrghh

Folge 13: Last Shot Was the Charm

Länge: ca.80 Seiten

Autor:Yamato

Co-Autoren: HopelezZ, Mel, Stefan, Cthulhu, Lion, White Magic, Nightfever

Bilderstellung: HotWitch und Mel
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount
 


 

Schwarzer Bildschirm. Flügelrauschen. Lautes Krächzen einer Krähe. Das Donnern von Hufen. Stille.
 

D'Hoffryn (V.O.): Du glaubst immer noch, Magie sei dazu da, große Dinge zu bewegen, und das ist ein Irrtum. Sie bewegt kleine Dinge, ganz kleine Dinge. Winzig. Und doch so tödlich!" - 8.09
 

Giles (V.O.) Bisher bei Buffy:
 

Maskenträger (VO): Schützin, die im Dunkeln wacht,

Überblende: Die geheimnisvolle maskierte Person und Weatherby in einer dunklen Lagerhalle - 8.02
 

Maskenträger (VO): Samielle, Samielle, hab acht!

Überblende: Eine Krähe flattert durch die Lagerhalle und verwandelt sich in Samielle - 8.02
 

Maskenträger (VO): Steh' mir bei in dieser Nacht,

Überblende: Samielle verneigt sich demütig vor Weatherby, und verbirgt ihr höhnisches Grinsen - 8.07
 

Maskenträger (VO): Bis der Zauber ist vollbracht!

Überblende: Eine Krähe sitzt auf dem Fensterbrett der Ratszentrale und beobachtet die Scoobies - 8.11
 

Maskenträger (VO): Salbe mir so Kraut als Blei,

Überblende: Buffy kämpft gegen die Schützin, diese versucht, ihr die Münzen zu stehlen - 8.11
 

Maskenträger (VO): Segn'es sieben, neun und drei,

Überblende: Samielle schlitzt Sina der Wahrsagerin mit ihrem Schnabel die Kehle auf - 8.07
 

Maskenträger (VO) : Daß die Kugel tüchtig sei!

Überblende: Samielle berührt die Disc des HtoGrom Clans mit dem Schnabel und entschlüsselt sie - 8.08
 

Maskenträger (VO): Samielle, Samielle, herbei!“

Überblende: Dawn wird von Samielle aus der Gefahrenzone getragen - 8.11
 

Samielle (VO): Eins

Überblende: Faith und die dämonische Eve kämpfen in der Kirche gegeneinander. Ein plötzlicher Schnitt zum Friedhof vor der Kirche, und den Gräbern darauf. Eve lacht höhnisch, und versichert Faith, dass alle ihre Freunde tot seien, und sie selbst daran schuld. - 8.03
 

Samielle (VO): Zwei

Überblende: Buffy steht inmitten einer Prärie, sie hört Schreie, Hufgetrappel, auf einmal jagen vier Reiter auf sie zu. Sie kann sie nicht genau erkennen, sie sind eine verschwommen Masse um sie herum, ihre Pferde gewaltige Streitrösser. - 8.01
 

Samielle (VO): Drei

Überblende: Amy klingelt an der Tür vom Summers Haus, versucht Willow in ein Gespräch zu verwickeln. Doch Willow weist sie ab, kühl und entschlossen. Beide Mädchen tragen einen kurzen Willenskampf mit ihren Blicken aus, doch dann wendet Amy sich ab, und geht - 6.12
 

Samielle (VO): Vier

Überblende: Giles und Lily halten einander eng umschlungen, und küssen sich leidenschaftlich. Giles' Jackett fliegt über den Küchentisch, seine Hände beginnen, ihre Bluse zu öffnen - 8.07
 

Samielle (VO): Fünf

Überblende: Vampire überfallen Kendra und die Scoobies in der Bibliothek. Zwischen ihnen schreitet Drusilla, wie eine Königin in den Raum. Kendra stellt sich ihr, doch Dru schlitzt ihr mit dem Fingernagel die Kehle auf, und wünscht ihr eine gute Nacht. - 2.21
 

Samielle (VO): Sechs

Überblende: Kennedy und Warren kämpfen auf dem brennenden Flugplatz gegeneinander. Andrew redet auf die beiden ein, versucht verzweifelt, sie davon abzuhalten, doch sie hören nicht auf ihn. Er will Warren umarmen, doch dieser stößt ihn beiseite - 8.09
 

Samielle (VO): Sieben

Überblende: Willow und Tara stehen in ihrem Zimmer im Summers Haus, als plötzlich eine verirrte Kugel die Fensterscheibe durchschlägt. Blut spritzt auf Willow's Bluse. Tödlich getroffen bricht Tara zusammen - 6.19
 


 

Teaser
 

Wenn die Sonne langsam dem Horizont zuwandert, die Mütter ihre kleinen Kinder vom Spielplatz in die Wohnung holen, während die Väter, müde von der Arbeit, sich bei einer Flasche Bier die Sportnachrichten ansehen, die Läden schließen, und die grellen Neonlichter die Namen verschiedenster Firmen in die Dunkelheit brennen, beginnt in der Unterwelt der tägliche Kreislauf.
 

Denn Sunnydale ist kein Ort, wie jeder andere...
 

Cleveland, Hafenviertel,

nachts

"Also die Party wurde doch echt noch der volle Hammer. Du hast Kennedy ja total unter den Tisch gesoffen!” schrie Ronah und lächelte Faith dabei an.
 

Sie befanden sich auf ihrer gewöhnlichen Dienstag-Nacht-Streife, und während Kennedy die Innenstadt unsicher machte, hatten sich die drei auf das Hafenviertel konzentriert. Es war eine ungewöhnlich laue Februarnacht, und während der Schnee langsam aber sicher wieder zu Wasser wurde, breitete sich im Hafen wieder der stechende Fischgeruch aus.
 

"Na ja, was sollte ich denn machen? Sie wollte es unbedingt. Ich konnte doch nicht nein sagen..” antwortete Faith lachend, und auch etwas stolz. Natürlich war ihr bewusst gewesen, dass Kennedy einen miserablen Tag hinter sich hatte, aber, mein Gott, jeder wollte Spaß haben, und dieses kleine Match ging eindeutig an sie.
 

"Und das Beste war, wie Kennedy beinah Andrew's Handy in den See geschmissen hat," grinste Ronah. "Nur dass sie schon zu blau war, um richtig zu treffen..."
 

"Das blöde Ding hat aber auch genervt!" Faith blieb stehen, als sie etwas rascheln hörte, doch es war nur ein Waschbär, der die Mülltonnen durchwühlte. "Dauernd klingelt es, und er geht nicht ran. Kaum zu glauben, dass jemand so dermaßen dringend mit Andrew reden will..."
 

"Das war sein Freund, hast du nicht das Photo auf dem Display geseh'n?" fragte Vi, während sie den Pflock nervös von einer Hand in die andere warf. "War klar, dass er da nicht rangeht, wer hat schon Bock auf so dumme Kontrollanrufe. Partys sind doch zum Amüsieren da, und nicht um sich dumme Sprüche von eifersüchtigen Kerlen anzuhören."
 

Sie überhörte Ronah’s schnippische Antwort und driftete mit den Gedanken weiter ab. Sie war heute schon den ganzen Tag nervös, wobei sie auch nicht wirklich gut geschlafen hatte- Sie wurde in den letzten Tagen von einem schlimmen Kater verfolgt. Es war ja auch klar, dass ausgerechnet sie selbst schon nach zwei Gläsern Sekt und einem kleinen Schnaps (oder waren es auch zwei?) am nächsten Tag dröhnende Kopfschmerzen hatte. Vi musste kurz über sich selbst lächeln, blieb stehen und sah Faith und Ronah nach.
 

Was hatte sich in letzter Zeit nicht alles verändert? Seit sie hier in Cleveland waren, hatte sich ihr Freundschaftskreis enorm vergrößert, und dadurch kamen ihr Faith, Ronah und Robin noch umso mehr wie ihre neue Familie vor. Es war schön, endlich jemanden zu haben, auf den man sich verlassen konnte.
 

"Vi, was ist los? Willst du Wurzeln schlagen? Beeil dich!” schrie Faith, die vor einer kleine Gasse stand. Sie schien angespannt zu sein. Vi war klar, dass sie dort auf etwas gestoßen sein musste, vermutlich wieder einmal Vampire.
 

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden lief Vi los, nickte Ronah zu, die keinen Pflock in der Hand hatte, warf ihr ihren eigenen zu, und zog einen weiteren aus ihrer Jackentasche.
 

Lautes, aggressives Fauchen drang aus der Gasse, und die drei Jägerinnen erblickten eine Gruppe von drei Vampiren.
 

"Ronah, du nimmst Blondie. Vi, kümmere dich um den Hippie..!” schrie Faith, die im Laufen einen Pflock in die rechte Hand nahm, und sich bereit machte, um dem kurzhaarigen, breiten Vampir in den Rücken zu springen.
 

Als die Vampire die Anwesenheit der drei bemerkten, schrieen sie erschrocken auf, stießen auseinander und gaben damit den Blick auf ein junges Mädchen frei, welches sich in ihrer Mitte befand. Ihr Blick war glasig und ihre Haut blass, sie war bereits tot.
 

Faith’ Vampir, hatte dunkle Haare, und trug einen langen, ebenso schwarzen, Mantel. Seine Sonnenbrille, die er selbst bei Nacht trug, zerbrach, als er mit dem Kopf neben seinem Opfer auf den Boden knallte, und ein lautes 'Knack'-Geräusch verriet der Jägerin, dass er sich beim Aufschlag die Nase gebrochen hatte.
 

Vi konzentrierte sich auf den Kerl mit den langen Haaren, wobei dieser angesichts seiner Haltung sicherlich noch nie etwas von einer Jägerin gehört hatte.
 

"Verschwindet!” knurrte er Vi an, sprang auf sie zu, und wollte ihren Kopf fassen. Doch die rothaarige Jägerin bückte sich unter dem Angreifer hinweg, nahm Anlauf, sprang gegen die Wand, und nutzte den Schwung für einen Rückwärtssalto. Der Vampir sprang erschrocken zurück, als die Jägerin wieder vor ihm stand, und ihm ihre Faust ins Gesicht knallte.
 

Faith sprang ihrem Neo-Exemplar nach, riss ihn vom Boden hoch, und schleuderte ihn gegen den Müllcontainer, der sich nur wenige Schritte neben ihr befand. Der Vampir schnaubte überrascht, versuchte sich von ihrem Griff zu befreien, blieb aber erfolglos. Er sah sie geschockt an
 

”Wer seid ihr?” schnappte er hilflos. "Eure schlimmsten Feinde!” antwortete Faith, zwinkerte ihm kurz zu und lächelte ihn befriedigt an, als sie ihm ihren Pflock ins Herz trieb und er sich in Staub verwandelte.
 

Vi sprang in die Luft, schlug dem Hippie-Vampir ihren linken Fuß ins Gesicht und landete wieder fest auf beiden Füßen. "Na, die Zeiten des höllischen Friedens sind wohl vorbei... ach was mich interessieren würde... wie kann man als mordende Kreatur eigentlich ein Hippie sein?” fragte Vi den Vampir ironisch, wich einem weiteren Schlag aus, und bekam ein Knurren als Antwort.
 

"Vi, Vorsicht!” schrie plötzlich Ronah, doch es war zu spät. Vi wurde von hinten gepackt, und gegen die harte Ziegelwand geschleudert. Sofort waren Ronah und Faith bei ihr, doch die Vampire hatten ihr Interesse am Kampf anscheinend verloren.
 

Faith streckte der rothaarigen Jägerin ihre Hand entgegen, zog sie auf, und sah den beiden Vampiren nach.
 

”Worauf warten wir denn?” fragte Vi und drehte sich im Laufen kurz um ".. Na kommt schon! Ihnen nach!” Sie lächelte ihre beiden Begleiterinnen an, drehte sich wieder um und rannte den Vampiren durch die dunkle Gasse hinterher. Ronah und Faith nickten sich kurz zu, holten tief Luft, und folgten ebenfalls.
 

++++
 

Lagerhalle,

selbe Zeit

"Und Sie sind sich sicher, dass es eine gute Idee war, Samielle als unser Werkzeug zu benutzen?” fragte Weatherby, während er die Tür der großen Lagerhalle hinter sich schloss. Der Raum war, wie immer, leer und kalt, und ihre Schritte hallten wie Verfolger durch die Luft.
 

Er folgte der maskierten Gestalt bis in die Mitte des Raumes, wo sich ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen befand. Ohne seine Frage wirklich zu beachten, trat die Gestalt auf den Holztisch zu, und starrte die Waffen an, die darauf lagen. Ihr Blick fiel auf die Armbrust.
 

"Wieso haben Sie all diese Waffen hierher gebracht?” fragte der Maskierte gereizt und drehte sich zu Weatherby, der inzwischen auf einem der alten, morschen Stühle Platz genommen hatte.
 

"Ich dachte nur, dass es hier am sichersten ist. Außerdem haben wir keine Wachen hier, und wenn hier eine Horde von Dämonen herein stürmt, ist es sicher nicht schlecht, sie hier zu haben...” antwortete der Mann hektisch.
 

”Und deswegen mussten Sie DIE Armbrust heraus legen? Sind Sie denn wahnsinnig? Sie wissen doch genau, wofür sie gedacht ist!” sagte der Maskierte erzürnt und trat dabei auf Weatherby zu.
 

Dieser schien sich allerdings wieder gefangen zu haben, und antwortete kühl. "Na ja, man weiß ja nie, wer hier genau herein stürmt, während wir unsere Unterhaltung führen..” er stand auf drehte sich um, und starrte in die Dunkelheit der Halle, die nur durch die kleine Lampe, die sich auf dem Tisch befand, unterbrochen wurde. "... das sollte Ihnen doch bewusst sein. Samielle ist dieses Mal nicht hier, um für uns zu kämpfen...”
 

Der Maskierte schien kurz die Geduld zu verlieren, riss sich dann aber doch zusammen, und trat wieder an den Tisch heran.
 

”Setzen Sie sich gefälligst wieder hin..” befahl er seinem Lakaien, und ließ dabei seinen Blick über den Pfeil gleiten, der in der Armbrust eingespannt war. Weatherby nickte, schien seine Selbstsicherheit mit einem Schlag wieder zu verlieren, und wartete einige Minuten, bis die eingehüllte Gestallt wieder zu sprechen begann.
 

"... die Zeit läuft. Ich denke, dass es nicht mehr lange dauern wird. Bei unserem nächsten Treffen mit Samielle werde ich ihr anordnen, ihren Auftrag zu beenden. Ich kann und will nicht mehr länger warten..”
 

"Wann immer Sie denken, dass die Zeit gekommen ist. Ich hoffe nur, dass Samielle uns nicht wieder entt..” antwortete Weatherby, wurde jedoch von einem lauten Krachen unterbrochen. Er sprang auf, und erkannte, dass die große Lagertür aus den Angeln geschleudert wurde, und ein Vampirpärchen, gefolgt von einer dritten Person in die Halle stürmte.
 

Der Maskenträger schien kurz verwirrt zu sein, fasste sich einen der Pflöcke, warf ihn Weatherby zu, und schrie. "Los, kümmern Sie sich darum!”, und wollte sich schon umdrehen, und in den hinteren Raum flüchten, als ihm klar wurde, dass dazu keine Zeit mehr blieb.
 

++++
 

Straße,

selbe Zeit

"Sie flüchten in die Lagerhalle!” schrie Vi, nachdem sie um die Ecke gebogen war, und die zwei Vampire verfolgte, die geradewegs auf das große Gebäude zu liefen. . Faith und Ronah hatten sie noch immer nicht eingeholt, als die Untoten die Tür aus den Angeln traten, und dicht gefolgt von Vi in den dunklen Raum stürmten.
 

Sie war umgeben von Dunkelheit, aber sie verspürte keine Furcht, den Kampf mit zwei Vampiren konnte sie durchaus aufnehmen. Doch dann erstarrte sie, die Gestalt in der Mitte des Raumes war kein Vampir. Sie trug eine seltsam verzierte hölzerne Maske und eine schwarze Kutte. Eine mysteriöse Aura schien sie zu umgeben, und für kurze Zeit vergaß Vi Zeit und Raum und blieb verwirrt stehen.
 

Die blonde Vampirin war auf den hinteren Eingang zugestürmt, doch als sie die Tür öffnen wollte, spürte sie einen kräftigen Schlag, und wurde heftig gegen die Tür geschleudert. Knurrend drehte sie sich um, und sah Weatherby wütend an. Sie spannte ihre Muskeln an, und bereitete sich auf einen schwierigen Kampf vor, während ihr männlicher Partner sich dem Tisch mitsamt Maskenträger näherte. Dieser wich erschrocken einen Schritt zurück.
 

Der Maskierte griff nach der Armbrust, und richtete die Waffe auf den Vampir, welcher drohend seitlich auf ihn zukam, und ihn aggressiv anknurrte. Vi konnte nicht viel erkennen, da alles ziemlich schnell passierte, aber sie erwachte aus ihrer Erstarrung, und rannte ein Stück in die Halle hinein, um den anderen Jägerinnen nicht den Weg zu blockieren. Sie versuchte noch immer, den Vampir im Auge zu behalten.
 

In diesem Moment sprang der Vampir nach vorne, um den Maskenträger anzugreifen. Verwirrt über die plötzliche Bewegung riss die Gestalt die Arme hoch, um den Angriff abzuwehren, dabei stieß ihre Armbrust gegen die Maske, welche zur Seite rutschte. Mit einem hektischen Schritt nach hinten wich die Gestalt aus, und schlug den Vampir mit der Armbrust zu Boden.
 

Der Maskierte richtete die Waffe erneut auf den Untoten, doch ein Aufschrei ließ ihn herumfahren. Blick und Armbrust richteten sich nach vorne, auf das junge Mädchen, welches mit purem Entsetzen in den Augen sein Gesicht anstarrte.
 

"Aber was... was hat das... warum..."
 

Faith und Ronah stürmten durch den Eingang, als die Gestalt mit einer raschen Handbewegung ihre Maske übers Gesicht zurückschob. Mit wachsender Panik erkannte Faith von der Tür her, dass Vi direkt in der Schusslinie einer Armbrust stand, und lief los, noch bevor der Pfeil abgeschossen wurde.
 

”VI!!! Pass auf!” schrie Faith, preschte auf die rothaarige Jägerin zu, und sprang hoch. Sie schloss die Augen, und als sie spürte, wie sie im Flug ihre junge Freundin rammte, schoss ein Gefühl der Erleichterung durch ihren Körper, bis dieses im nächsten Moment von Schmerz abgelöst wurde, ein stechender Schmerz, der ihren linken Arm durchdrang. Sie spürte förmlich, wie sich die Metallspitze des Pfeils durch das Fleisch bohrte, und sie konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. "Egal!" schoss es ihr durch den Kopf, "es müsste genügt haben, um sie zu schützen, das allein zählt!"
 

Ihr wurde einen Moment schwarz vor Augen, als ihre Füße den Dienst versagten, und unter ihr nachgaben. Sie schlug auf dem harten, kalten Boden auf, und ein weiterer Schrei hallte durch das dunkle Nichts.
 

++++
 

Willow's Collegezimmer,

selbe Zeit

Willow's Bettdecke klebte durch den Schweiß an ihrem Körper. Ihr Atem beschleunigte sich, und langsam schnürte sich ihre trockene Kehle zu. Ihr Herz pumpte immer schneller werdend das Blut durch ihre Adern, und ihr Herzschlag übertönte die tickende Uhr.
 

Dieses grauenhafte Stechen in ihrem Brustkorb riss Willow aus dem Schlaf, und ließ sie für einen kurzen Augenblick schreien wollen. Ihr Körper fühlte sich an, wie Eis, doch da war der warme Schweiß, der auf ihrer Stirn brannte. Genauso, wie wenn man im Winter aus der eisigen Kälte ins warme Zimmer kam. Es war ein purer Alptraum, als sie mit einer Hand langsam über ihren Arm strich, schwer atmend die Gänsehaut beobachtete, dieser Schmerz in ihrem Oberkörper nicht weniger werden wollte, und sich schließlich immer mehr Panik in ihrem Kopf ausbreitete..
 

++++
 

Lagerhalle,

selbe Zeit

Es dauerte einige Sekunden, bis Faith ihre Augen wieder öffnen könnte. Als sie sich umdrehte und kurz auf die Decke starrte, schoss es ihr durch den Kopf, dass sie eigentlich keine Zeit zu verlieren hatte. Trotz der großen Schmerzen sprang sie auf, und drehte sich sofort wieder in Richtung des Tisches. Der Maskierte war verschwunden, zusammen mit der Armbrust.
 

Und in ihrem verletzten Arm steckte kein Pfeil...
 

Ein Knurren kam aus dem hinteren Teil des Raumes, als sich Faith an Ronah wandte: "Ronah, Kümmere dich um die Vampire.. Vi, komm mit mir mit, wir verfolgen den Maskenkerl!” Doch Ronah bewegte sich keinen Zoll. Sie starrte schockiert durch Faith hindurch, als wäre sie gar nicht vorhanden, während ihr Unterkiefer zitterte. Tränen standen ihr in den Augen.
 

Und als Faith sich umdrehte, erkannte sie auch den Grund.
 

Vi lag am Boden. Ihre Augen waren leer. Sie atmete nicht, während sich ihr Oberteil langsam mit Blut voll sog. Der Pfeil steckte direkt in ihrem Herzen.
 


 

Opening Credits
 

AKT 1
 

Sunnydale ist ein Ort, an dem du jeden Morgen in die Schule gehst, und dich fragst, wer von deinen Mitschülern noch im Klassenzimmer sitzt, und wessen Platz nun für immer leer bleiben wird. In Sunnydale ist das Böse so allgegenwärtig, dass du nur den Kopf in den Sand stecken und alles vergessen kannst.
 

Solange, bis es jemanden trifft, den du liebst. Dann kannst du nicht mehr vergessen.
 

Nie mehr!
 

Böhmen, 1869

nachts

Die weißen Nebelschwaden hingen wie Schleier zwischen den dicht stehenden, schwarzen Bäumen und die Dunkelheit der Nacht hatte sich tief hinabgesenkt. Um ihn herum herrschte eine gespenstische Stille, kein Laut eines Tieres, kein Rascheln des Laubes, das ihm verraten hätte, dass er sich in einem Wald befand, nur das Heulen des Windes war in der allgegenwärtigen Finsternis zu vernehmen.
 

Max war, wie es sich für einen Jäger geziemte, wachsam, und so stieg ein ungutes Gefühl in ihm hoch, so als ob irgendetwas ihn aus den Schatten zwischen den Bäumen heraus beobachte, doch dort war nichts zu erschauen, außer der undurchdringlichen Wand aus Nebel; vielleicht war es gerade diese, die ihn so beunruhigte? Seine rechte Hand saß fest am Holzgriff seines Gewehres.
 

"Oh Max, bist es du, der dort durch den Wald schleicht?" Die sanfte Stimme seiner Geliebten durchschnitt die unangenehme Stille des Waldes, als sie langsam aus einer Wegbiegung hervortrat.
 

"Agathe! Ich habe deine Nachricht erhalten, doch dieser Wald ist zu gefährlich für ein junges Mädchen wie dich, vor allem zu so später Stunde. Wir sollten uns nicht mehr hier treffen!" Schnellen Schrittes eilte er zu ihr und schloss sie in seine Arme. "Oh, es ist gut, dich wieder an mir zu fühlen!"
 

"Ja, doch wo sollen wir uns treffen, wenn nicht hier? Mein Vater würde keinen Mann in meiner Nähe billigen, sei er nicht höheren Ranges als du es bist!" Sie legte ihren Kopf an seine Brust und schloss ihre Augen. "Ach, wenn du doch nur immer bei mir sein könntest und nicht nur im Verborgenen!"
 

"Dein Vater wird unsere Liebe nicht leugnen können, und sollte er es doch versuchen, so kann es nur noch ein Duell zwischen uns entscheiden..." die Verzweiflung klang in seiner Stimme mit.
 

"Doch ich habe eine gute Nachricht für uns," die tröstenden Worte ihrer sanften Stimme klangen wie das Spiel einer Harfe in seinen Ohren, "beim Schießwettbewerb, der meines Vaters, des Oberförsters zu Ehren am morgigen Abend stattfinden wird, wird der Meisterschuss ausgetragen, der nach alter Tradition durchgeführt wird um der Herkunft meines Vaters vom einzigen Leibschütz des obersten Fürsten Rechnung zu tragen. Wer immer diesen Wettbewerb gewinnt, sei ihm ein würdig Nachfolger, und hätte somit auch das Recht um meine Hand anzuhalten! Er selbst hat's so gesagt!"
 

"Das sind wahrlich gute Neuigkeiten, denn wer könnt mich schon im Schießen schlagen?" sprach er, obwohl er sich seiner Sache bei weitem nicht so sicher war, wie er sich vor der Frau seines Herzens gab.
 

"Ja, hab' mich nur aus dem Haus geschlichen um dir davon zu berichten und ich sollte jetzt schnell zurückkehren, sonst wird die alte Magd noch Lunte riechen!" Ein letztes Mal küssten sie sich innig, bevor sie von ihm abließ und wieder, mit der gebotenen Eile, in die Dunkelheit des Waldes entschwand.
 

Lange blickte Max ihr nach, bis sie im Nebel verschwunden war, was, wenn er nicht als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen würde? Was, wenn gar Kaspar, dieser Rumtreiber den Meisterschuss gewann? Seine Gedanken wurden trüb, denn noch heute morgen hatte er gegen diesen Angeber bei einem Wettstreit unter den Jägern den Kürzeren gezogen. Was sollte aus ihm und seiner Liebe werden, wenn er morgen nicht in besserer Form war?
 

Tränen stiegen in seine Augen, er könnte es nicht ertragen, sie in den Armen dieses falschen Hundes liegend, oder ihn an ihrem Mund hängend zu sehen, und nur ein einziger falsch gezielter Schuss konnte es womöglich entscheiden. Oh, was für dunkle Aussichten!
 

In Gedanken an den morgigen Tag versunken, eilte er so schnell er konnte, durch den Wald und zerteilte dabei die immer dichter werdenden Nebelschleier. Er durfte nicht zulassen, dass es so kam, er durfte es einfach nicht zulassen!
 

Der Wind wurde immer stärker und ließ die Äste wild durch die Luft peitschen, plötzlich war es Max für einen Moment so, als hörte er eine leise Melodie, die von einer anmutigen Stimme ganz leise in die Nacht hinein gesummt wurde. Wie angewurzelt kam er zum Stehen, sein Gesicht war bleich und er drehte sich langsam um, doch er konnte nichts als den Nebel sehen, der zwischen den schwarz erscheinenden Bäumen hing: "Ist da wer?"
 

Nichts tat sich.
 

Schließlich tat er es als das Heulen des Windes ab, doch das ungute Gefühl, das er schon die ganze Zeit gehabt hatte, verhärtete sich und ließ ihn für einen Moment seine anderen Sorgen vergessen.
 

Da war es wieder, als er sich gerade wieder auf den Weg machen wollte, wie ein leises, liebliches Lied aus dem Mund eines Kindes. Er war nicht allein!
 

Mit einer schnellen Bewegung zog er das Gewehr vom Rücken und richtete es auf den Nebel, doch nichts geschah.
 

"Ich frage mich, ob dieser junge Jägersmann wohl meiner Hilfe bedarf? Er wirkt so allein, so verloren, ob er sich wohl verlaufen hat?"
 

Die hohe, flüsternde Stimme einer Frau bohrte sich in seinen Schädel, er fuhr herum, und sah wie die Nebel sich verflüchtigten und die am Wegrand stehende Dame freigaben. Ihr schlanker Körper war in ein weißes Kleid gehüllt, ihre schwarzen Haare waren ordentlich gekämmt und auf dem Arm trug sie die Puppe eines kleinen Mädchens: Sie wirkte so, als ob sie nicht wirklich hier wäre, so als ob sie nicht an diesen Ort gehörte und sich nur verirrt hätte.
 

"Wer... Wer bist du?" Max Stimme bebte vor Angst, obgleich er es zu verbergen suchte. Ihre Miene hatte inzwischen einen Ausdruck angenommen, den ein Raubtier auf der Pirsch trug, eines das ihn gleich anfallen würde, um mit ihm sein grausames Spielchen zu treiben.
 

"Meine Mami hat mich Drusilla getauft; hast du auch eine Mami? Weißt du ich habe meine Eltern verloren, als ich noch sehr, sehr unschuldig war, doch jetzt habe ich neue Eltern, oh ja! Und sie spielen immer schöne Spiele mit mir...", ein grausames Lächeln trat in ihr Gesicht. "Wer war das Mädchen, das vorhin so schnell nach Hause geeilt ist?"
 

"Agathe? Du hast Agathe gesehen?" Der Gedanken an seine Geliebte lenkte ihn von den Sorgen um sich selbst ab, und ließ ihn mutig einen Schritt nach vorne auf die unheimliche Unbekannte zu treten.
 

"Oh ja, wie gerne hätte ich ihr junges und unverdorbenes Blut gekostet, doch du bist viel interessanter. Ich rieche so viel Liebe hier, dass mir mein Kopf weh tut, doch dort wo Liebe ist, ist auch immer der süße Duft der Verzweiflung. Du wirst sie nicht bekommen, die Sterne haben es mir erzählt! Oh ja, sie reden viel, wenn man ihnen nur zuhört!" Sie kicherte.
 

"Was weißt du schon davon, Hexe, oder was immer du bist. Unsere Liebe ist etwas Wahres, Reines im Gegensatz zu jeder Liebe die du je würdest empfinden können. Ich muss nur morgen das Turnier gewinnen und nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Hand wird mir gehören!", ereiferte sich Max.
 

"Oh, du brauchst nicht versuchen mich zu belügen, wenn du doch nicht einmal dich selbst belügen kannst. Der Geschmack von Zweifel liegt in deinem Mund, du weißt, dass du es nicht schaffen wirst, doch glücklicherweise vermag ich dir zu helfen!" Sie lächelte geheimnisvoll.
 

Über ihnen war der Schrei einer Krähe zu hören, die auf Beutefang war.
 

+++
 

Hafenviertel, Lagerhalle

Gegenwart

Neben dem Knurren der zwei Vampire, die sich im hinteren Teil der Halle verkrochen, war nur das leise Schluchzen der afro-amerikanischen Jägerin zu hören. Faith starrte auf Vi’s Leiche, starrte, und starrte, und konnte es nicht glauben. Dies konnte nicht passiert sein. Vi war nicht tot, sie war nicht tot.. sie konnte doch nicht gestorben sein. Nicht Vi. Nicht hier. Nicht jetzt.
 

Faith ging auf den leblosen Körper zu und kniete sich zu dem Mädchen, das fast zu ihrer kleinen Schwester geworden war. Langsam, ganz langsam hob sie ihre rechte Hand und führte sie zum Gesicht der rothaarigen Jägerin. Sie war tot. Definitiv. Ihr Leben war zu Ende. Unwiderruflich. Faith schloss die Augenlider ihrer Kampfgefährtin, erhob sich dann, und starrte weiter auf deren Leiche.
 

Als sie ein lautes Knurren hörte, und Schatten an ihr vorbei huschten, packte sie in Sekundenschnelle ihren und Vi’s Pflock, zielte, und schleuderte sie jeweils in die Rücken der flüchtenden Vampire. Mit einem leisen Puff wurden diese zu Staub.
 

"Wir müssen ihn verfolgen!” sagte Faith plötzlich, drehte sich um, und steuerte auf den hinteren Ausgang zu. "Wir müssen den Mörder verfolgen!" Langsam wich die lähmende Starre, die sich über sie gelegt hatte, machte einem rasenden Schmerz Platz, und einer gnadenlosen Wut.
 

”Ronah.. komm.. wir .. holen sie später ab!” schrie Faith, als sie bei der Tür ankam, durch die der Mörder von Vi geflohen war und merkte, dass sich Ronah noch nicht bewegt hatte. "Komm schon!”
 

Doch diese konnte sich nicht bewegen. Vi war tot. Sie war tot. Für immer weg. Wieso? Sie konnte es nicht glauben. Dies musste ein Alptraum sein. Sie war nicht in der Lage, dem Angreifer nachzujagen.
 

Langsam drehte sie sich zu Faith und sah sie mit ihren feuchten Augen geschockt an.

”Wir .. wir müssen die Polizei rufen. Das.. das Handy. Faith.. du hast unser Handy. Ruf die Polizei..” babbelte die junge Jägerin und versuchte, nicht zusammenzubrechen.
 

Faith konnte nicht glauben, was sie hörte. Da hatte gerade jemand Vi umgebracht. Dieser jemand hatte ihr Vi einfach weg genommen, und Ronah wollte diese Monster nicht verfolgen? Nicht zur Strecke bringen? Sich nicht an ihnen rächen.. für Vi.
 

”Was willst du von den Bullen.. die sind nutzlos. Das weißt du doch genau. Wenn wir noch länger warten sind sie w..”
 

"Weg? Willst du das sagen? Faith sie sind doch schon längst über alle Berge. Ruf die Polizei. Als mein Bruder damals ermordet wurde, musste ich auch die Polizei rufen. Wenn jemand stirbt.. die.. du musst sie anrufen.. bitte.. ruf sie an. Du weißt doch nicht mal, ob das keine normalen Menschen waren! Vielleicht war es ein normaler... Mord!” Ronah musste schlucken, und als sie Faith wieder in die Augen sah, lief die erste Träne ihre Wange herab.
 

”Das waren keine Menschen. Das waren Monster. Da war Magie im Spiel. Kein normaler Pfeil fliegt so. Der ist durch meinen Arm durch, und weitergeflogen. Die wollten Vi killen, und jetzt killen WIR sie. Komm jetzt!” Faith drehte sich um, und öffnete die Tür.
 

”Nein.. Faith!” schrie Ronah, und bewegte sich noch immer nicht.
 

Viel entnervter als eigentlich beabsichtigt drehte sie sich wieder um , warf die Tür ins Schloss und trat näher an Ronah heran.
 

”WAS? Was ist los mit dir? Willst du Vi’s Mörder einfach so entkommen lassen? Reiß dich zusammen!” schrie Faith.
 

Ronah sah Faith an, die Frau, die sie als große Schwester betrachtet hatte, als ihren Mutter-Ersatz, ihr Vorbild. Dann wanderte ihr Blick wieder zu Vi, ihrer besten Freundin. Ihrer Schwester. Ihrer toten Kampfgefährtin.
 

Sie sah Faith wieder an, und versuchte krampfhaft, noch einen Satz zu sagen. "Du.. ich.. Faith.. ich .. ich kann.. ich kann nicht.. Vi.. sie.. oh Gott..” sie brach in Tränen aus, und als ihre Füße den Dienst versagte, sprang Faith nach vorne und fing sie auf. Ronah schloss ihre Arme um Faith und während sie sich umarmten, sich aneinander fest hielten, und sich Ronah an ihrer Schulter ausweinte, verfinsterte sich der Blick von Faith. Eine einzige, einsame Träne bildete sich in ihrem rechten Auge und bahnte sich den Weg über ihre Wange. Eine einzige Träne.
 

+++
 

Ratszentrale

selbe Nacht,

etwas später

”... und als ich mich umgedreht hab', lag Vi am Boden. Tot. Der Pfeil steckte ihr mitten im Herz,” Faith' Stimme brach, als sie die schrecklichen Bilder erneut vor ihrem inneren Auge sah und sie blickte niedergeschlagen in die Runde.
 

Niemand sprach ein Wort, niemand versuchte, sie mit einer Frage, oder einem Kommentar zu unterbrechen . Geschockte Stille hing über Giles Wohnzimmer, während man aus müden Augen Faith' Erzählung lauschte. "Ich wollte ja diesen beiden hinterher, doch Ronah hat mich davon abgehalten.” Mit einer Stimme, die etwas an Stärke gewonnen hatte, fuhr die Jägerin heftiger fort: "Ich schlag' vor, wir zieh'n los und krallen uns diese gemeinen hinterhältigen Mörder!”
 

Faith’ Augen funkelten zornig und voller Tatendrang, während die Anwesenden sie anstarrten, teils fassungslos teils verschlafen, oder einfach zu geschockt, um etwas zu sagen, das Faith ein wenig gebremst hätte. Faith selbst, versprach sich Worte der Unterstützung und keine des Mitgefühls. Sie wollte etwas unternehmen, nicht tatenlos herumsitzen und trauern.
 

Aber sie erwartete nicht wirklich viel... Xander gähnte herzhaft, so frisch aus dem Schlaf gerissen, war er noch nicht wach genug, um wirklich zu begreifen, was vor wenigen Minuten passiert war, während Andrew blass und von der schlechten Nachricht gezeichnet auf dem Sofa saß. Er hielt eines von Giles' Sofakissen eng umschlungen vor dem Bauch fest, und starrte durch sie hindurch. Willow kuschelte sich an Kennedy und wirkte fast mitgenommener als Faith selbst. Dawn, die neben Andrew saß, schien mit den Tränen zu kämpfen. Giles und Buffy wirkten als einzige interessiert und aufnahmefähig.. das Los von Menschen, die bereits zu viele verloren hatten, die ihnen etwas bedeuteten und täglich mit neuen Verlusten rechneten.... aber auch ihre Gesichter drückten Überraschung, Trauer und Hilflosigkeit aus.
 

”Du bist dir sicher, dass derjenige, der Vi tötete, eine Kutte und eine, eine Maske trug?" ergriff schließlich Giles unsicher das Wort.
 

"Ich weiß nicht, wie sicher man sein kann, wenn man nur 'n paar Schritte entfernt steht,” fuhr Faith auf. Erneut trat betretenes Schweigen ein. "Ja ich bin sicher. 'Ne Maske und 'ne Kutte. Vielleicht war's auch keine Maske, sondern nur ein Dämon mit einer hässlichen Fratze. Es war dunkel da drinnen....”
 

"Und der andere?” versuchte Buffy es betont ruhig und mitfühlend. "Hast du ihn besser erkennen können? Oder kanntest du ihn?”
 

"Woher hätt' ich den Kerl kennen sollen,” schnauzte Faith Buffy an. Genau diese mitfühlende, leise Stimme... wie sie das hasste. Es erinnerte nur an den eigenen Kummer und Schmerz. Aber sie wollte das jetzt nicht fühlen. Sie wollte Vis Tod rächen und sich dabei nicht von irgendetwas ablenken lassen, das sie traurig machte, sie resignieren ließ.... "Er war da, er hat gekämpft und diesem Was-auch-immer bei der Flucht geholfen. Er war jedenfalls ein Mensch,” fügte sie etwas ruhiger hinzu.
 

"Vielleicht könnten wir ein Phantombild erstellen,” schlug Buffy vor, und sah erwartungsvoll zwischen Faith und Giles hin und her. "Zumindest von dem, was Faith für einen Dämonen hält. Unsere Bücher oder die Datenbank spucken bestimmt was Brauchbares aus.”
 

"Ich halte ihn nicht bloß dafür,” giftete Faith weiter, als würde sie damit ihren Zorn und ihre Wut los werden, wenn sie sie an anderen ausließ. "Es muss ein Dämon gewesen sein! Und dieser Pfeil.. er war bestimmt verzaubert, verflucht oder magisch.. ich war genau in der Schusslinie und trotzdem hat er mich nur am Arm erwischt - fast als wäre er mir ausgewichen.” Sie hob ihren Arm, der mit einem dicken Verband versorgt worden war. Zum Glück war der Knochen heil geblieben, es war nur ein Streifschuss gewesen.
 

"Jetzt beruhig dich erst mal wieder!” Kennedy löste sich von Willow, die in ihren tröstenden Armen traurig, müde und erschöpft versucht hatte, gegen die Tränen anzukämpfen. "Wenn du uns alle anschreist, wird Vi nicht wieder lebendig.”
 

Faith fuhr zu Kennedy herum, aber als sie die anderen erblickte, die noch immer in einem Schockzustand zu stehen schienen - die Anteilnahme zeigten - die ehrlich und aufrichtig über Vis Tod trauerten, schluckte sie ihre Bemerkung herunter und nickte einsichtig. "Okay.. machen wir ein Phantombild.”
 

Willow nickte mechanisch, als sie aufstand, um ihren Laptop zu holen. Schritte auf der Treppe ließen Willow ihren Blick von der Garderobe am Treppenende nach unten schweifen. Robin kam - gefolgt von Lily - nach oben. Der ehemalige Schulrektor wirkte müde und sehr niedergeschlagen, und auf Lily's Stirn hatte sich eine steile Sorgenfalte gebildet. Während Robin zu Faith ging und sich die beiden umarmten, eilte Lily zu Giles.
 

"Wieso bist du hier.. wolltest du nicht...”
 

"Ich bin natürlich sofort nach deinem Anruf umgekehrt. Der Auftrag kann warten. Das hier ist wichtiger und sehr ernst. Wie geht es dir, Faith?” wandte sie sich an die junge Frau, die Robin festhielt, als wäre sie am Ertrinken. Nie hätte sie gedacht, solch schützende starke Arme zu gebrauchen. "Gut..,” murmelte Faith in Robin's Hemd, ehe sie sich löste und sich zu den anderen herumdrehte. "Ich meine.. Vi ist tot, nicht ich,” ihre Stimme klang bitter. "Wie soll es mir schon gehen?”
 

Giles' Hand berührte Lily's Arm und als sie zu ihm blickte, schüttelte er leicht den Kopf, um ihr zu verstehen zu geben, Faith einfach in Ruhe zu lassen.
 

"Wie geht es Ronah?” fragte Faith besorgt.
 

"Sie ist sofort in den Bus gerannt und hat mich angeschrieen, ich solle verschwinden und sie alleine lassen. Da sie mich nicht reinlassen wollte..,” entschuldigte sich Robin, als ihn Faith' anklagender Blick traf, "bin ich gleich zu euch gekommen.”
 

"Was hat die Polizei gesagt,” Giles nahm seine Brille ab und rieb sich über die leichten Bartstoppel, die in den wenigen Stunden Schlaf erschienen waren.
 

"Nicht viel. Ronah wird eine protokollierte Aussage über den Tathergang machen müssen. Jetzt war sie zu aufgewühlt und die Polizei hatte ein Einsehen. Sie gehen von einem Unfall aus, möglicherweise ist Vi für sie eines der zahlreichen Opfer eines Gangfights. Ich habe nicht versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Nicht nachdem sie mir erklärt haben, dass die Polizei in der Gangszene ermitteln wird. Sie machen sich keine große Hoffnung und das ist das Beste für uns. Sie hätten mir ja sowieso nicht geglaubt, wenn ich ihnen etwas anderes erzählt hätte.”
 

Robin klang gefasst, doch der Ausdruck in seinen Augen sagte alles über seinen Schmerz. Er seufzte und sah zu seiner Freundin. "Damit Faith keine Schwierigkeiten bekommt, haben wir sie erst gar nicht als Zeugin angegeben. Offiziell war sie nie am Tatort."
 

"Die Polizei wird uns dabei sowieso nicht helfen können. Egal ob sie uns glaubt, oder nicht,” erklärte Buffy ruhig.
 

"Wieso nicht?” fragte Lily irritiert. "Ich meine... wenn Vi ermordet wurde, dann...”
 

"Das wurde sie, aber es war kein normaler Mord!” fuhr Faith erneut auf. "Das war Magie... das war...”
 

"Hör zu...” Ernst und eindringlich sah Robin seine Freundin an. "Beruhig dich.. niemand hier im Raum kann etwas für Vi's Tod.”
 

Faith atmete tief durch, und ließ Robin’s Worte auf sich wirken. Er gab ihr die Ruhe, die sie vorhin noch nicht gehabt hatte und sie war ihm unendlich dankbar dafür, dass er die Angelegenheiten geregelt hatte.. sie hätte nicht die Nerven gehabt, mit der Polizei zu reden... nicht nachdem was passiert war.
 

Während die beiden reglos inmitten ihrer Freunde standen, und sich in die Augen sahen, senkte sich wieder eine unangenehme, beklemmende Stille über den Raum.
 


 

+++
 

Böhmen, 1869

nächster Tag

Der Jubel des Publikums war weit über die Pfarrwiese hinaus im ganzen Ort zu hören, als Max' Kugel an der Strohpuppe vorbei in den fünften der sieben tönernen Hirschköpfe, die an einem Holzständer in einiger Entfernung angebracht waren, einschlug.
 

Wer alle Ziele traf, der würde vom Oberförster einen Ehrentitel und somit das Recht erhalten, um die Hand seiner Tochter anzuhalten.
 

Max' Gegner, Kaspar setzte angespannt zu seinem fünften Schuss an, nachdem ein neuer Tonkopf aufgestellt worden war. Er war der Einzige, der noch außer ihm im Rennen war, doch Max war guten Mutes, denn er konnte seine Ziele an diesem Tage nicht verfehlen und schon bald würde Agathe endlich seine Braut sein.
 

Die Gewehrkugel zerschmetterte das Ziel, verhaltende Anerkennung der Dorfbewohner war die Folge, Kaspar war im Dorf nicht angesehen, da man ihm nachsagte, in krumme Geschäfte verwickelt zu sein und mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Nur üble Gerüchte, da war sich Max sicher, doch ein angenehmer Zeitgenosse war er bei Leibe nicht. Mit dem Teufel im Bunde konnte er aber wohl nicht sein, denn der Teufel war heute schon auf jemand anderes Seite.
 

Nun legte Max zum nächsten, dem vorletzten Schuss an und zielte, der Finger lag am Abzug. Er konnte Agathe's Blick von der Tribüne aus auf sich ruhen spüren, sie hatte ihre Hände zum Gebet zusammengefaltet, doch er war ganz ruhig, es würde nichts schief gehen, dafür hatte er gut genug vorgesorgt.
 

Er drückte ab. Plötzlich, im selben Moment traf eine kräftige Windböe das Ziel und riss es von seiner Befestigung. Die Kugel zischte durch die Luft, Kaspar setzte zu einem Lachen an und Agathe schlug ihre Hände vor dem Mund zusammen.
 

Mit einem lauten Knall zersprengte die Kugel den fallenden Tonkopf in tausende Einzelteile. Die Dorfbewohner sprangen in den Bänken auf, erst ungläubig, doch dann voll Bewunderung riefen sie ihm Lob zu. Max drehte sich um und sah Agathe erleichtert aufatmen, er lächelte ihr zu, der Sieg war in greifbare Nähe gerückt.
 

"Da geht doch was nicht mit rechten Dingen zu, das war Zauberei!", ereiferte sich Kasper, doch der Oberförster erhob sich und sprach: "Du wagst es ihn, anzuklagen, nur weil dein Können nicht im Mindesten an das Seinige heranreicht?"
 

In seinem Stolz gekränkt, antwortete Kaspar nicht, sondern legte sofort an und schoss. Die schlecht gezielte Kugel durchschlug die symbolisch aufgestellte Strohpuppe und traf auf der anderen Seite nicht ihr Ziel.
 

"Nun denn, Jäger Kaspar, wie es mir scheint, seid Ihr somit aus dem Rennen um den Meisterschuss, unser tapferer Max ist der einzig Übrige und darf den letzten Schuss führen. Wenn ihm dieser gelingt, so wird er der gefeierte Sieger dieses Tages werden!" verkündete Agathe's Vater voller Genugtuung, nicht ahnend, was sich zwischen Max und seiner Tochter abspielte.
 

In seinem Inneren läuteten die Siegesglocken. Während Kaspar ihm noch böse Blicke zuwarf, hob Max sein Gewehr, visierte das Ziel an, um den Eindruck, dass ihm der Schuss ohne Hilfe gelang, zu wahren und löste schließlich den Schuss auf.
 

Die Kugel zischte durch die Luft, ein guter Schuss, selbst wenn er mit offenen Karten gespielt hätte. Doch was war das? Wie war das möglich? Die Kugel hatte ihr Ziel verfehlt!
 

Plötzlich ein Aufschrei auf der Tribüne. Max kannte die Stimme, wie in einem Traum gefangen drehte er sich um und sah Agathe zu Grunde gehen.
 

Sein Gewehr landete im Gras und er rannte los, das konnte nicht sein! Es war unmöglich, dass seine Kugel sie getroffen hatte, wie sollte eine Kugel um eine Kurve fliegen können? Oh, hätte er sich doch nie auf diesen schändlichen Zauber eingelassen!
 

Er erreichte die Tribüne und schloss seine Geliebte in seine Arme, doch sie hatte ihr Leben bereits ausgehaucht. Aus einem sauberen Einschuss, der genau ihr Herz getroffen hatte, quoll dunkelrotes Blut hervor.
 

Er küsste ihre Stirn, während das Publikum ihn verständnislos anstarrte, sie wichen vor ihm zurück, überall lagen Worte wie Magie und Teufel in der Luft.
 

"Oh, hätte ich es doch bloß nicht getan, hätte ich doch bloß auf mein eigenes Können vertraut!" Die Tränen aus seinen Augen befleckten ihr weißes Kleid und vermischten sich mit ihrem Blut.
 

Die letzten Worte, die er mit der seltsamen Dame gewechselt hatte, als sie die Wolfsschlucht betraten, kamen ihm wieder in den Sinn und um so bitterer wurde der stechende Schmerz in seinem Herzen: "Der letzte Schuss... Oh ja, es ist der letzte Schuss!", hatte sie gemurmelt und er hatte daraufhin gefragt: "Was ist damit?" "Er wird dich zum Sieg führen. Der letzte Schuss ist der Zauber," hatte sie ihm ins Ohr geflüstert und dann gekichert, wie sie es immer zu tun pflegte.
 


 

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Cleveland, Friedhof

Gegenwart, vier Tage später

"Von der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub"
 

Warum schon wieder?
 

Früher hatte es nur eine Jägerin gegeben, und die wurde zumeist nicht besonders alt. Jetzt im Nachhinein, erschien es Buffy geradezu unbegreiflich, wie eines, ein einziges Mädchen die dämonischen Bedrohungen über so viele Jahrhunderte hinweg hatte aufhalten können.
 

Sie hatte die Regeln gebrochen, aber was hatte sie dadurch geändert? Einen Weltuntergang mehr aufgehalten? War das alles? Wenn ein Mädchen auf sich gestellt, den Kampf aufnehmen konnte, sollten dann nicht viele Mädchen in der Lage sein, sich gegenseitig zu beschützen?
 

Damit so etwas nicht mehr vorkam?
 

‘Sei nicht so naiv!‘ schalt sie sich selbst. ‘Es wird immer wieder Verluste geben!‘
 

Hatte sie wirklich geglaubt, dass es jemals vorbei sein könnte? Dass sie sich jemals zurücklehnen, und ihr Leben als eine Jägerin von vielen genießen würde? Weniger Stress, weniger Verantwortung? Weniger Tod?
 

Allein der Gedanke daran, war pure Illusion...
 


 

"Der Herr ist mein Hirte, es wird mir an nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünenden Au, und labet mich an stillen Wassern. Er erquicket meine Seele, und leitet mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, um seines Namens willen."
 

Es tat immer weh, jemanden zu verlieren, doch wenn man die Gelegenheit hatte, Abschied zu nehmen, so war das zumindest ein Trost. Selbst, wenn es dadurch nicht leichter wurde.
 

Natürlich konnte Xander nicht wissen, ob Vi seinen gemurmelten Abschiedsgruß hören konnte. Konnte nicht wissen, ob seine Gedanken für sie überhaupt noch eine Rolle spielten. Doch schon bevor Buffy von dort zurückgekehrt war, hatte er fest daran geglaubt, dass es einen Ort geben musste, an dem man sicher und aufgehoben war. Alles wäre doch sinnlos, wenn es diesen Ort nicht gäbe...
 

Ob Anya jetzt auch dort war? In den letzten Wochen und Monaten hatte er kaum an sie gedacht, zuviel anderes war ihm im Kopf herumgegangen. Im Gegensatz zu Vi war sie kein unschuldiges junges Mädchen gewesen, sie hatte eine Vergangenheit. Eine sehr bewegte Vergangenheit, und mit dem Gedanken daran kehrte auch die Sorge zurück.
 

Was, wenn es ihr nicht gut ging? Was, wenn sie nicht an diesem Ort war?
 

Es gab keine Antworten auf diese Fragen, und deshalb war es sinnlos über sie nachzugrübeln. Man wusste nie, was das Schicksal für einen bereithielt, und am Ende kam doch immer alles ganz anders als geplant.
 

"Und ob ich auch wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich doch kein Unheil, denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich."
 

Diesmal war es Vi...
 

Kennedy hätte es genauso treffen können. Wie damals Tara. Menschen starben täglich, auch Jägerinnen. Doch was war das Ganze wert?
 

Willow konnte immer öfter diesen bitteren Nachgeschmack des Todes fühlen, der beim Verlust eines Menschen heraufbeschwört wurde, doch Vi’s Tod hatte einen besonderen Stich in ihrem Herzen hinterlassen. Hatte ihr für eine Sekunde den Atem geraubt.
 

Auch wenn sie ihr im Rückblick nicht so nahe stand wie anderen Jägerinnen. Es hatte weh getan. Mehr als Faith’ Armverletzung, die ihr noch in diesem Moment ein lähmendes Gefühl an dieser Stelle verursachte.
 

Hätte sie Buffy‘s Entscheidung nicht aufgehalten, und verhindert, dass es nun so viele Mädchen gab, die zu Jägerinnen wurden, wären viele von ihnen noch am Leben.
 

Leider war es nun zu spät um alles rückgängig zu machen. Sie wusste, was es hieß jemanden zu verlieren. Willow war sich sogar bewusst, wie es war, jeden Tag die selbe Angst zu spüren, die auch Vi im Augenblick des Todes hatte.
 

Durften sie die Mädchen diesem Schicksal aussetzen?
 

Oder war es alles ein großer Fehler gewesen?
 

"Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben..."
 

Seinen Blick starr auf den Sarg gerichtet, fiel es Giles einfacher seine Gedanken abschweifen zu lassen, um nicht von der seltsamen Stille und der trauernden Atmosphäre eingefangen zu werden. Er hatte Vi nicht gut genug gekannt - in Sunnydale war sie eine von vielen gewesen, die im Kampf gegen das Urböse überlebte und anschließend das Leben an der Seite von Faith wählte, um der Berufung nachzugehen. Jetzt lag sie in einem Sarg - und sie wussten nicht einmal so recht wieso. Aber sie waren es ihr schuldig, herauszufinden, wie so etwas geschehen konnte.
 

Die Worte des Priesters drangen zu ihm durch und es fiel Giles immer schwerer, sie auszuschließen, um nur auf den Straßenverkehr in der Ferne zu lauschen. Dafür waren die Erinnerungen an all die Trauer, die er in seinen Jahren als Wächter zu oft hatte erleben müssen, zu stark. In Sunnydale war Trauer und Verlust allgegenwärtig gewesen, aber obwohl ihn die Jahre gelehrt hatten damit umzugehen, war es in Sunnydale wieder zu einer sehr schmerzhaften Erfahrung geworden, als er Menschen zu Grabe trug, die er respektiert, geachtet und sogar geliebt hatte.
 

Er wollte heute nicht abgestumpft und gefühllos wirken, doch wenn er nicht Stärke zeigte, wie sollten seine Jägerinnen hier am Grab in den nächsten Tagen über den Verlust und den Schmerz hinwegkommen?
 

Eine sachte Berührung an seiner Seite, ließ ihn kurz zu Lily blicken, die ihn tröstend anlächelt, doch Giles war es nicht danach, ihre gebotene Hand in seine zu nehmen, um Kraft zu schöpfen. Nicht in diesem Moment der traurigen Erinnerungen, die langsam doch kamen und sich unweigerlich in seinem Kopf breit machten. All die verlorenen Jägerinnen im Kampf gegen das Urböse und Anya... es hatte keinen Abschied gegeben, kein Grab, das man ihnen zum Gedenken errichten konnte, nichts, das ihnen geblieben wäre, um sich an sie zu erinnern. Und die, die sie all die Jahre zuvor verloren hatten, Tara, Joyce, Jenny... mussten sie ein weiteres Mal begraben, als Sunnydale hinter ihnen einstürzte.
 

Er atmete tief durch, richtete seinen Blick auf einen Punkt in die Ferne und sammelte sich wieder. Nicht jetzt... nicht diese Gedanken...
 

"Und ich sah, dass das Lamm das erste der sieben Siegel auftat, und ich hörte eine der vier Gestalten sagen wie mit einer Donnerstimme: Komm! Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um zu siegen."
 

Was war diesmal anders? Sie hatte doch schon viele geliebte Menschen verloren, damals am Höllenschlund.
 

Natürlich war Dawn auch da traurig gewesen. Hatte sich in bedrückter Stimmung befunden. Aber etwas war diesmal anders, sie wusste nur nicht, was
 

Es war nie so nah gewesen, hatte sie nie so fertig gemacht. Dawn fühlte sich so ausgelaugt, so zerrissen. Sie fror regelrecht. Ein ums andere Mal fuhr ihr ein Schauer über den Rücken. Vi war ihr doch gar nicht so nah gestanden. Wieso tat ihr der Tod der Jägerin trotzdem so weh?
 

Jägerin... Vi war eine Jägerin gewesen..
 

Genau, wie sie selbst...
 

Vi war in Erfüllung ihrer Pflicht gestorben und sie, Dawn hatte nicht mal den Mut, den anderen zu sagen das sie auch eine Jägerin war.
 

"Und als es das zweite Siegel auftat, hörte ich die zweite Gestalt sagen: Komm! Und es kam heraus ein zweites Pferd, das war feuerrot. Und dem, der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, daß sie sich untereinander umbrächten, und ihm wurde ein großes Schwert gegeben."
 

"Du hast uns vom Ehrencodex der Jedi Ritter erzählt, weißt du noch? Darüber, dass es keinen Tod gibt, weil alle Lebewesen eins mit der Macht werden..."
 

Vi's Gesicht erschien vor Andrew's innerem Auge, als er an ihre Worte im Krankenhauszelt zurück denken musste. Und an die langen langen Nächte vor der letzten Schlacht gegen die Turok Han. Vi hatte ihm gern zugehört, sie hörte lieber zu, als dass sie redete. Sie war eher eine von der stillen Sorte, auch wenn sich das ein wenig geändert hatte, als sie von ihrer Tour mit Faith und den anderen zurückgekehrt war. Da war sie selbstbewusster und fröhlicher gewesen, und jetzt...und jetzt war sie da so einfach rausgerissen worden.
 

Wenn jemand starb, dann war das normalerweise für immer. Auch wenn es danach woanders weiterging.
 

Normalerweise? In den letzten Jahren waren drei Menschen, die er kannte, von dort zurückgekehrt. Wenn auch einer von ihnen nicht wirklich ein Mensch gewesen war.
 

Buffy war von dort zurückgeholt worden. Und Warren.
 

Und Spike...
 

"Und als es das dritte Siegel auftat, hörte ich die dritte Gestalt sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein schwarzes Pferd. Und der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. Und ich hörte eine Stimme mitten unter den vier Gestalten sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden!"
 

Faith starrte auf den Sarg, auf die Konstruktion aus Holz, in dem sich ihre rothaarige Kampgefährtin befand. Ihre Freundin. Ihre Schwester, ja, das war die richtige Bezeichnung. Vi war längst keine normale Freundin mehr gewesen. Sie war zu ihrer Familie geworden, und jetzt war sie weg. Sie war aus dem Leben gerissen worden, vor ihrem 20. Lebensjahr, und war eines sinnlosen Todes gestorben. Es war nicht das Urböse gewesen, nicht Angelus oder auch sonst keine wichtige, superstarke Macht, die die Welt zerstören wollte, nein, es war ein Niemand gewesen, der Vi getötet hatte, und Faith nahm sich fest vor, diesem Niemand zuerst ein Gesicht zu verschaffen, um dann in dieses schlagen zu können.
 

Dieses Monster musste dafür zahlen, es musste Schmerzen fühlen, die gleichen Schmerzen, die sie selbst jetzt fühlen musste. Der Mörder von Vi muss dafür bezahlen, was er getan hat. Faith fühlte, wie Robin, der neben ihr stand, langsam und sanft nach ihrer Hand tastete, und sie ließ es zu, dass er ihre fest umfasste.
 

Mit der anderen Hand umfasste er Ronah's, gab ihr Halt, wo sie ihn brauchte. Ronah ging es schlecht, und Faith versicherte sich selbst noch einmal, dass der Mörder dafür bezahlen musste, und wenn es das Letzte wäre, was sie tun würde.
 

"Und als es das vierte Siegel auftat, hörte ich die Stimme der vierten Gestalt sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Pest und durch die wilden Tiere auf Erden..."
 

++++
 

Cleveland, Friedhof

etwas später

Gesenkte Köpfe, vorsichtige Schritte, dumpfes Beileidsgemurmel. Starre Mienen. Herabrieselnde Erde.
 

Das leise Prasseln des Hagels auf den geöffneten Schirmen.
 

"Wir sollten zu Hause sofort damit weitermachen, herauszufinden, was in dieser Lagerhalle wirklich passiert ist," sagte Lily leise, während sich die Trauergemeinde langsam auflöste.
 

Giles nickte mit leerem Gesichtsausdruck. "Sicher. Arbeit ist immer das Beste, um sich abzulenken,” murmelte er.
 

"Du denkst doch, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging..."
 

"Ich weiß nicht, was ich denken soll. Aber ich glaube Faith,” sagte Giles ohne Spur von Arbeitseifer. "Aber im Moment sind andere Dinge wichtiger."
 

"Nun, ich denke, es wird in den nächsten Wochen bestimmt nicht leicht,” seufzte Lily mitfühlend und sah zu Faith, Robin und Ronah hinüber, als ihr bewusst wurde, dass sie auf Giles gefühllos wirken musste, hier von der Arbeit zu sprechen. "Sollen wir?" Lily berührte auffordernd Giles Arm und nickte zu der kleinen Gruppe.
 

"Gehen wir." Giles ging an Lily vorbei auf Robin zu. Es war nicht leicht, jemandem sein Beileid auszudrücken, wenn man selbst vom Tod der Person betroffen war. Aber Giles hatte darin in den letzten Jahren genug unerfreuliche Übung gehabt. Als er gerade aufmunternd Ronah die Schulter tätschelte, fiel ein Schatten über das Gesicht des Mädchens, und Giles blickte eher uninteressiert zur Seite, um zu sehen, wer dort stand. Sein Interesse war jedoch schlagartig geweckt, als er den Mann erkannte. Es war jener junge diensteifrige Polizist, der ihnen schon wegen dem Tod der Wahrsagerin Sina das Leben zur Hölle gemacht hatte.
 

"Entschuldigen Sie bitte,” er zog seine Dienstmarke hervor. "Detective Delaney. Es tut mir leid, Sie ausgerechnet hier stören zu müssen, aber es ist dringend.” Er sah ein wenig unsicher zwischen den drei älteren Personen hin und her und vermied es, Ronah und Faith anzusehen. In Faith' Gesicht war eine Leere getreten, die Giles ein wenig beunruhigte.
 

Ronah seufzte schwer und sah von Giles zu dem Beamten auf. "Ich denke, Sie wollen zu mir?”
 

"Richtig, Ms., falls Ihr Name Ronah lautet?” Er sah kurz auf seinen Notizzettel und dann wieder zurück. Er hatte ihren Namen mit einem Fragezeichen ausgesprochen, als erwarte er, dass Ronah ihren Nachnahmen ergänzte. Doch Ronah wollte sich das für das Protokoll aufheben und nickte deswegen nur. "Wir haben den Tatort gründlich durchsucht, aber nichts gefunden, das uns weiterbringt. Darum brauchen wir dringend ihre schriftliche Aussage.”
 

"Was würde Ihnen das schon helfen. Sie können doch sowieso nichts tun,” fuhr Faith plötzlich wütend auf und funkelte Delaney an.
 

Der Beamte sah Faith stirnrunzelnd an. "Wie meinen Sie dass, Ms...”
 

"Bitte... nehmen Sie doch Rücksicht darauf, dass wir trauern,” fiel Giles Delaney ins Wort und Robin trat ebenfalls einen Schritt vor, ganz als würde er Faith hinter sich schützen wollen.
 

"Ich komme mit, Detective. Ich denke nicht, dass es im Moment gut wäre, Ronah alleine zu lassen."
 

"Wie Sie meinen,” Delaney sah Faith noch einmal durchdringend an, gab sich aber aus Anstand damit zufrieden und verließ in Begleitung der beiden den Friedhof.
 

"Und wir werden jetzt wohl zurückfahren und mit den Recherchen weitermachen?” schlug Lily vor, nur um überhaupt etwas zu sagen.
 

"Mr. Giles, Ms. Usher? Mein Name ist Nadine Flagg, ich bin eine Freundin von Vivian. Mr. O'Bailey hat Sie sicher darüber informiert, dass ich komme."
 

Eine schmale junge Frau in einem eleganten schwarzen Kostüm war auf die beiden Wächter zugetreten, und mit förmlicher Geste streckte sie zunächst Lily, dann Giles die Hand hin. Giles war nicht überrascht, als er ein Lächeln über Lily's Gesicht huschen sah, dieses korrekt gekleidete Mädchen mit dem ordentlichen Haarknoten im Nacken war ihr sicher sofort sympathisch.
 

"Rupert Giles," stellte er sich vor, "und dies ist Lily Usher. Ja, allerdings, Keiran hat mich von Ihrer Ankunft informiert, und wir haben in unserer Ratszentrale ein Gästebett für Sie vorbereitet. Ich wünschte, die Umstände wären glücklicher."
 

Nadine nickte, und ein Schatten fiel über ihr Gesicht, doch im nächsten Moment hatte sie sich wieder gefangen.
 

"Wir waren gerade dabei aufzubrechen..." Giles deutete zum Ausgang. "Aber falls Sie noch einen Moment brauchen, werden wir gerne warten."
 

"Das ist sehr aufmerksam von Ihnen," entgegnete Nadine, und bemühte sich, die Trauer in ihrer Stimme zu unterdrücken. "Aber es geht schon."
 

Giles nickte. "Wir sehen uns später, Faith.” Doch Faith nahm sie gar nicht richtig wahr, als die drei sich in Richtung Ausgang wandten.
 

"Wollen wir nicht mitfahren?" Behutsam legte Kennedy eine Hand auf Willow's Arm, um die Aufmerksamkeit ihrer Liebsten zu bekommen.
 

Willow zuckte zusammen, als würde die Berührung Schmerz in ihr auslösen. Als sie sich Kennedy zuwandte, konnte die Jägerin sehen, dass in ihren Augen Tränen schwammen. "Ich möchte bitte noch etwas warten," flüsterte sie, und ihr Blick wandte sich wieder in die Ferne.
 

Kennedy spürte, dass Willow ganz woanders war, und einen Moment lang fühlte sie sich zurückgewiesen, doch nur für einen Moment. Sie verstand inzwischen, dass ihre Liebe nicht immer bei ihr sein konnte, und dass es weder an ihr lag, noch an ihrer Beziehung. Willow musste an so vielen Orten gleichzeitig sein.
 

Faith hatte sich nicht gerührt, mit keinem Blick, keiner Bewegung hatte sie gezeigt, dass sie Robin’s und Ronah’s Weggang in irgend einer Weise berührt, oder doch zumindest bemerkt hatte. Düster und ohne zu blinzeln starrte sie hinunter in das offene Grab, den halb von Blumen, halb von Erde bedeckten Sarg. Ein nachtschwarzer Glanz war in ihre reglosen Augen getreten.
 

++++
 

Cleveland, Friedhof

etwas später

"Buffy?” Dumpf drang die Stimme ihrer kleinen Schwester in Buffy's Ohren.
 

"Dawn, ja, was ist?”
 

"Ich wollte dich nur fragen, ob es in Ordnung geht, wenn ich jetzt zu Mara gehe und heute auch bei ihr schlafe?”
 

"Uhm, du willst schon weg? Was sagen denn ihre Eltern?”
 

Buffy konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. Wieso wollte Dawn denn schon wieder weg. Genau wie bei der Beerdigung ihrer Mutter. Was machte sie denn falsch?
 

"Ja klar, das haben wir alles schon geregelt.” Dawn schien es sehr eilig zu haben, von Buffy wegzukommen.
 

"Und du möchtest wirklich nicht mit nach Hause kommen?” Buffy versuchte es noch einmal. Sie brauchte Dawn, wollte mit Ihrer Schwester reden. Dawn verkraftete diese Sache sicherlich nicht so leicht. Buffy wollte doch nur ihren Schmerz lindern, ihn teilen. Geteiltes Leid war doch halbes Leid oder nicht?
 

"Ich geh' jetzt besser. Ciao!” Dawn drehte sich um und ging davon.
 

In dem Moment fühlte Buffy sich, als ob sie doppeltes Leid tragen würde. Ihre Schwester ließ sie immer noch nicht an sich ran. Sie blockte ab. Warum nur? Gerade in solchen Momenten wollte Dawn immer weg. In Momenten in denen man doch normalerweise zueinander fand. Gerade in Situationen in denen man einen Menschen verlor, besann man sich doch auf die Menschen die einem am Herzen lagen.
 

Vielleicht lag sie ihrer Schwester nicht am Herzen. Vielleicht war doch zuviel vorgefallen, das sie getrennt hatte. Oder zuwenig was sie zusammen gebracht hätte. Vielleicht hatte sie ja auch den richtigen Moment verpasst um zu heilen, was einmal verletzt wurde.
 

Mit verzweifelten Gesichtsausdruck sah Buffy ihrer kleinen Schwester nach. Ihre Arme hoben sich leicht, wie um sie zu umarmen, doch da war niemand, der umarmt werden wollte. Schwer wie Steine sanken Buffy's Arme wieder herab.
 

Traurig schaute sie zu Boden.
 

Plötzlich trat ein Schatten vor ihr Gesicht. Sie schaute auf, und blickte in Xander's Augen, sie sah Verständnis in seinem Gesicht, und Fürsprache. Wie von selbst lagen sich beide plötzlich in den Armen. Xander sagte nichts und hielt seine beste Freundin nur fest. Er hatte ihren verzweifelten Gesichtsausdruck bemerkt.
 

Buffy schloss die Augen und schmiegte sich in Xander's Arme in diesem Moment wollte sie nicht mehr denken. Sie wollte nur dass jemand da war, der sie umarmte und festhielt.
 

Dawn wollte Buffy nicht zur Last fallen. Ihre Schwester fühlte sich sicher furchtbar, schon wieder war eine Jägerin gestorben und sie hatte es nicht verhindern können. Sie wollte Buffy Zeit geben, um damit klar zu kommen.
 

Dawn dachte, dass Buffy jetzt sicherlich Zeit zum Alleinsein brauchte. Da war es sicher besser, wenn sie zu Mara ging und ihrer Schwester die Möglichkeit gab, sich zu fassen und ihre Gedanken in Ordnung zu bekommen. Obwohl es um ihre eigenen auch nicht besser bestellt war. ..
 

'Tief durchatmen’ kam ihr die Stimme von Shin ins Gedächtnis. 'Wenn du nicht weiter weißt, und sich die Gedanken in deinem Kopf überschlagen, musst du dich auf einen Fokus konzentrieren. Fang einfach von vorne an. Atme ein und aus.’
 

Shin! Wie sehr wünschte sie sich jetzt, dass er hier wäre. Dass er sie in den Arm nehmen würde. Wenn sie bei ihm war, hatte sie keine Angst. In seinen Armen fühlte sie sich geborgen und beschützt. Obwohl sie so stark war, durch ihre Jägerinnenkräfte.
 

Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie sich so schlecht fühlte. Früher war sie nur ein Teenager gewesen. O.K., ein Teenager, der mal ein Energie-Schlüssel war. Aber trotzdem normal. Jetzt war sie das nicht mehr. Sie war auch eine Jägerin, Vi’s Tod betraf sie so, weil es auch sie hätte treffen können und sie spürte wie in ihr eine kleine Flamme der Furcht erwachte. Furcht um sich selbst, Furcht um Ihre Mitmenschen, die schützen ja nun auch ihre Aufgabe war, Furcht zu versagen und selbst die Schuld am Tod eines Menschen zu tragen.
 

Wie eine schwere Bürde legte sich diese Furcht auf Dawn. Sie hatte sich noch nie so klein gefühlt. Sie sehnte sich nach Shin und konnte gar nicht abwarten, ihn endlich bei Mara zu sehen....
 

"Du solltest Buffy endlich die Wahrheit sagen." Leise riss Andrew's Stimme Dawn aus ihren Gedanken.
 

Die Wahrheit worüber? Dawn runzelte die Stirn. Über Shin? Nun, sie hatte ihn Buffy und den anderen vorgestellt, auf der Geburtstagsparty. Aber als Freund und Arbeitskollegen, nicht als ihren festen Freund mit dem sie zusammen war. Wenn Buffy aufmerksam gewesen wäre, wär ihr vielleicht was aufgefallen, und sie hätte nachgehakt, aber so... vielleicht interessierte es sie gar nicht.
 

"Es ist so verdammt schwierig," murmelte Dawn. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll."
 

Oder meinte Andrew etwa ihre Kräfte? Darüber wollte sie jetzt noch weniger reden. Nicht jetzt, wo ihr Leben einigermaßen normal verlief. Nicht jetzt, wo sie für Buffy endlich Dawn war, einfach nur Dawn. Kein Schlüssel, den man beschützen musste, und keine Nervensäge, der man aus dem Weg ging. Da wollte sie jetzt nicht plötzlich die Jägerin werden. Und sie konnte den Gedanken nicht ertragen, Buffy's verletzten Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ihre Schwester erfuhr, dass sie sie monatelang belogen hatte.
 

Andrew zuckte die Achseln, sein Blick traurig und resigniert. "Manchmal machen die Leute es einem nicht einfach," murmelte er. "Manchmal weiß man genau, dass es nicht ohne Ärger abgeht, und wer will schon Ärger? Da schiebt man es lieber auf die lange Bank. Ist vielleicht feige, aber..."
 

"...es ist nicht nur feige, sondern unehrlich." Dawn ballte die Fäuste und starrte zu Boden. "Aber manchmal ist es einfach zuviel, weißt du? Man schiebt's vor sich her, wie so eine Art Felsbrocken, und eh man sich's versieht..."
 

"...ist es ein ganzes Gebirge," murmelte Andrew hilflos.
 

Dawn holte tief Luft. "Schließen wir einen Pakt," schlug sie vor, und nahm ihren ganzen Mut zusammen. "Morgen rede ich mit Buffy, und du mit Xander, okay?"
 

"Morgen?" Andrew starrte sie erschrocken an. "Glaubst du wirklich, das ist der richtige Zeitpunkt? Ich meine, es ist gerade eine Jägerin gestorben, wenn Buffy da erfährt, dass du auch eine bist, da dreht sie doch total durch... nein, du solltest noch warten, vielleicht...vielleicht bis nächste Woche, oder so..."
 

"Sagen wir lieber bis übernächste Woche." Dawn konnte förmlich spüren, wie der Mut sie wieder verließ. "Nicht, dass ich solche Angst vor dem Gespräch hätte, aber du solltest dich gründlich darauf vorbereiten. Xander wird dir nämlich die Hölle heiß machen! Du hättest ihn damals hören sollen, wie er Buffy wegen Angel fertig gemacht hat. Und als er erst das mit Spike rausgekriegt hat... ich dachte echt, das gibt die nächsten hundert Jahre Krieg...."
 

Sie sahen sich an, und als ihnen plötzlich bewusst wurde, dass sie gerade dabei waren, sich gegenseitig verrückt zu machen, schwiegen sie. Ihre Blicke wanderten aneinander vorbei, hinüber zu Buffy und Xander, die sich immer noch stumm in den Armen hielten.
 

”Es ist alles okay.” Sanft, aber bestimmt löste sich Buffy von ihrem besten Freund. ”Nicht wirklich okay, aber es geht schon wieder. Ich muss jetzt einfach die Nerven behalten. Die anderen erwarten von mir, dass ich das tue.”
 

”Lass mich dich nach Hause bringen,” bot er ihr an. ”Alleinsein ist nicht immer die beste Strategie für dich, um die Nerven zu behalten. Dawn mag das vielleicht glauben, aber sie irrt sich damit.”
 

”Dawn? Wieso Dawn?” Buffy war bemüht, die Hilflosigkeit ihrer Stimme möglichst klein zu halten.
 

”Sie denkt immer noch, sie könnte eine Last für dich sein," versuchte Xander zu erklären. "Zumindest manchmal, wenn's euch beiden nicht gut geht. Dann zieht sie sich zurück, um dir Freiraum zu geben...Buffy, du hast doch nicht etwa geglaubt, sie würde..."
 

Doch Buffy's verzweifelter Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie wohl genau das geglaubt hatte.
 

"Komm, ich bring dich heim," sagte er ein weiteres Mal, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihren Arm nahm. "Keine Widerrede," fügte er halb ernst, halb scherzhaft hinzu, noch bevor sie überhaupt den Mund geöffnet hatte, um zu protestieren.
 

Buffy seufzte resigniert. Er kannte sie einfach zu gut....
 

Arm in Arm gingen sie in Richtung seines Wagens davon, während die übrigen Beerdigungsgäste sich langsam zerstreuten.
 

"Uhm...Willow? Du hast doch auch B5 geschaut, oder? Ein bisschen zumindest..."
 

Andrew hatte plötzlich kehrt gemacht, und war auf die Hüterin zugetreten, welche immer noch scheinbar gedankenverloren am Grab stand. Seine Stimme zitterte leicht, doch er wirkte äußerst entschlossen. "Kannst du dich an die Sache mit Captain Sheridan und seiner Frau Anna erinnern? Er hat zwei Jahre lang geglaubt, sie wär’ bei einem Unfall gestorben, und hatte eigentlich schon mit der Sache abgeschlossen. Bis er dann erfahren hat, dass es in Wirklichkeit viel schwieriger und komplizierter war, und dann kam alles wieder hoch..."
 

"Halt' um Himmels willen deine Klappe!" fuhr Kennedy dazwischen. "Hast du überhaupt kein Herz? Sind dir alle menschlichen Gefühle so fremd, dass du in so einem Moment an Filme denken kannst?"
 

”Was interessieren dich meine Gefühle?” fauchte Andrew zurück. Bisher hatte er es noch jedes Mal ignoriert, wenn Kennedy ihn anschnauzte, weil er sich nicht mit ihr streiten wollte, und das auch überhaupt nichts brachte, aber jetzt war es ihm einfach zu viel. ”Für dich ist doch nur wichtig, was du selber fühlst, alle anderen sind dir egal! Jedes Mal wenn du dich mit Willow zoffst, darf ich das ausbaden, obwohl ich gar nichts dafür kann!...”
 

”Wenn das jetzt wieder irgend so ein kindisches Theater wegen einem blöden Star Wars Anhänger ist....” fing Kennedy wütend an, doch Andrew unterbrach sie. ”Kindisches Theater? Ich möcht‘ dich mal erleben, wenn dir jemand was wegnimmt, was Willow dir geschenkt hat, und es einfach so wegschmeißt! Am besten auch noch dann, wenn du glaubst, dass du sie nie wieder siehst, und sie dir nie wieder was schenken wird. Und weil wir schon beim Thema sind, wie würdest du dich fühlen, wenn jemand versucht, Willow umzubringen, und du kannst nur hilflos daneben stehen, und dabei zusehen?”
 

”Alles schon passiert!” schrie Kennedy zurück. ”Was in aller Welt hat das mit dir zu tun? Du hast ja doch nur deine Filme im Kopf! Du weißt gar nicht, was es heißt, jemanden zu lieben!”
 

”Natürlich nicht, du bist ja die Einzige auf der ganzen Welt, die das weiß...”
 

”Bitte...” unterbrach Willow den aufflammenden Streit, und schloss für einem Moment erschöpft die Augen. ”Jetzt ist nicht der richtige Moment dafür, ihr verletzt euch nur gegenseitig.”
 

Andrew und Kennedy schwiegen, und starrten düster vor sich hin. Als die dunkelhaarige Jägerin den Blick hob, fiel ihr ein weiteres Mal auf, wie bleich und erschöpft ihre Freundin aussah. Willow erwiderte ihren Blick, liebevoll ließ sie ihre Augen auf ihrer Freundin ruhen, und wandte sich anschließend an Andrew. ”Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen, okay? Irgendwann bald, aber nicht jetzt, es ist mir im Moment einfach zuviel...”
 

Nur Sekundenbruchteile mochten vergangen sein, als Faith jäh aus ihrer Erstarrung erwachte, wie ein dunkler geschmeidiger Blitz an Jägerin und Hüterin vorbei preschte, und Andrew mit der Gewalt eines Schraubstocks am Kragen packte. ”Was weißt du?” schrie sie ihn an. ”Was weißt du, das wir nicht wissen? Wenn du irgendwas vor uns verbirgst, irgendwas über Vi’s Tod, dann werd ich...”
 

”Faith, lass ihn los,” befahl Willow. Sie hatte nicht laut gesprochen, und dennoch erschien es Faith, als ob ihre Stimme in ihrem Inneren widerhallte. Oder lag es nur daran, dass plötzlich alles um sie herum verstummt war? Selbst die Vögel schienen zu schweigen, und der Wind verharrte reglos in den Baumkronen, als habe er seine Reise unterbrochen, um den Worten der Hüterin zu lauschen.
 

Faith gehorchte, und starrte Willow halb erschrocken, halb misstrauisch an. Dass sie nicht mehr die kleine Willow von damals war, verstand sie, aber trotzdem...irgendwie hatte sie sie immer noch als schüchternes Computermädchen vor Augen. Jetzt war sie etwas vollkommen anderes, sie strahlte Macht, und gleichzeitig Ruhe aus, weniger wie ein Mensch, sondern eher... wie ein Berg oder ein alter Baum.
 

Was für unsinnige Gedanken! Mit all ihren ach-so-tollen Hüterinnenkräften hatte sie Vi nicht helfen können! Keinem war das gelungen! Keinem! Und am allerwenigsten ihr selbst!
 

Faith drehte sich auf dem Absatz herum, und stürmte davon. Willow’s Blick folgte ihr, ihre Augen von Sorge gezeichnet.
 

+++
 

AKT 2
 

Man sollte doch meinen, das Leid und die Tränen würden uns enger zusammenschmieden, damit wir uns gegenseitig unterstützen, und einander Halt geben. Aber dem ist nicht so. Nirgendwo fühlt man sich so alleingelassen, wie hier. Alle laufen mit Scheuklappen durch die Gegend, und leben in immerwährender Einsamkeit. Keiner kümmert sich um den anderen, jeder ist selbst in seinem Schmerz gefangen
 

Ich will die Einsamkeit vergessen. Ich will alles um mich herum vergessen, die Einsamkeit, und den Schmerz, und die Tränen. Lass mich vergessen! Gib mir Vergessen...
 

Gib' mir mehr davon, noch mehr...
 

Friedhof, Cleveland

etwas später

"Er hat nicht von Vi geredet.” Willow's Stimme hallte zu Faith, die einige Meter weit weg stand, und verzweifelt versuchte, sich wieder zu beruhigen, doch anscheinend funktionierte es nicht.
 

Faith hatte das Weite gesucht, um endlich einen klaren Gedanken zu fassen. Warum war es immer wieder so verdammt schwer zu begreifen, dass ein Leben so schnell zuende sein konnte. Wenn sie all die Grabsteine ansah, fragte sie sich, welche Jahreszahl auf ihrem stehen würde.
 

"Der Bastard muss etwas wissen... ich hätte ihn nicht grundlos angegriffen!”, antwortete Faith mit erhobener Stimme, als Willow ein paar Schritte näher trat, und sich beide in die Augen sahen. Ein modriger Geruch kroch in ihre Nasen, und durch einen kalten Windhauch bildete sich Gänsehaut auf Faith' Körper.
 

Faith’ Augen spiegelten dieselbe furchtbare Verzweiflung wider, die sie selbst einmal gefühlt hatte. Auch wenn sie nicht ihre Farbe verändert hatten.
 

Auch wenn Faith schon so oft auf Friedhöfen gewesen war, wurde ihr die Bedeutung dieses Ortes erst wirklich bewusst, als sie zurück zu Vi’s Grab sah, auf das gerade Erde geschüttet wurde.
 

"Ich werde es wohl am besten wissen, wenn jemand von Tara redet," entgegnete die Hexe entschlossen. "Doch ich hatte in diesem Moment genug Gründe, nicht auf Andrew einzugehen, und über ihren Tod zu reden.”
 

"Weißt du, wie egal mir gerade Tara's Tod ist?” Faith sah Willow durchdringend an, und ihre Stimme klang äußerst aggressiv.
 

"Ist dennoch kein Grund, mich so anzufahren,” antwortete Willow ruhig, aber bestimmt. "Genauso wenig, wie zu versuchen, Andrew das Genick zu brechen.”
 

"Es zu versuchen? Ich glaub' ein kleiner Klaps auf den Hinterkopf reicht aus, damit der Knirps einen Kopf kürzer wird,” antwortete die Jägerin sarkastisch.
 

"Versteh' einfach, dass es der falsche Weg ist!”, Willow wurde etwas lauter. Sie wusste, dass Faith sich im Augenblick in einer ähnlichen Situation befand, wie sie vor ein paar Jahren, als Tara's Blut an ihren Händen klebte. "Ich weiß dass du dich rächen willst. Und falls du es nicht mitbekommen hast, habe ich auch nicht anders reagiert, als du!"
 

"Und was ist dann der richtige Weg?” Faith' Gefühlswelt spielte verrückt. Schmerz, Trauer und Verzweiflung waren einfach nur vermischt mit Zorn und diesem unglaublichen Rachewunsch. Am liebsten würde sie dem Schuldigen schon jetzt einen Platz auf dem Friedhof aussuchen.
 

"Ich weiß nur, dass ich den falschen gegangen bin. Aber wenn du willst, bringe ich dir gerne bei, wie man es in ein paar Stunden schafft, die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen.” Willow fühlte sich mulmig. Es war einfach soviel Erinnerung an ihren eigenen Schmerz. Zu viel davon. Sie hatte nun eine neue Freundin, ein neues Leben, und sie musste einfach damit fertig werden. Und falls es jemand anderem ähnlich erging, musste sie es schaffen, dass nicht auch diese Person ihrem Schmerz auf dieselbe Weise Ausdruck verlieh.
 

Faith sah starr auf den Boden vor ihr. Sie sah immer noch Vi’s Gesicht vor ihren Augen, und erinnerte sich an die mit ihr bestrittenen Kämpfe.
 

"Natürlich glaubst du, du bist allein auf der Welt, und niemand empfindet, so wie du. Doch das ist arrogant! Werde dir einfach klar darüber, dass wir beide, und viele andere Menschen dasselbe mitgemacht haben. Auch wenn du erst am Anfang bist, das Ganze zu akzeptieren.”
 

"Akzeptieren? Was gibt es da zu akzeptieren?" fauchte Faith zurück. "Ich bin mir sicher, dass Magie im Spiel war. Das kannst du mir glauben! Auch wenn Andrew nichts davon weiß. Angeblich.” fügte sie hinzu.
 

"Ich hab' die Lagerhalle doch schon überprüft. Mehrere Male. Und ich versichere dir, in den letzten Wochen ist dort nichts Magisches abgelaufen, ich hätte das sonst gespürt!” Willow war sich vollkommen darüber klar, dass es schwer genug war, den Tod eines nahe stehenden Menschen zu akzeptieren. Und wenn es dann noch ein so sinnloser Tod war, griff man natürlich nach jedem Strohhälmchen.
 

"Mein Gott, ich weiß doch, was ich gesehen habe, Willow. Selbst du bist nicht perfekt!” antwortete Faith wütend.
 

"Ich weiß, dass ich das nicht bin." Willow gab sich Mühe das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken, doch es wollte nicht gelingen. "Glaubst du etwa, ich hätte eine lupenreine Vergangenheit? Wenn dich jemand verstehen kann, dann bin ich das. Mir ist genauso das Herz herausgerissen worden, es hat mich unzählige Tränen gekostet, und dann bin ich auf die falsche Bahn geraten. Auch wenn ich heute eine meiner Taten noch immer nicht so bereue, wie ich es sollte, so weiß ich doch, dass es einfach falsch war.”
 

Auch wenn es verdammt schwer war, sie musste alles geben, um Faith klar zu machen, dass sie Recht hatte. Es durfte nicht wieder alles zerstört werden, was Faith sich in den letzten Monaten aufgebaut hatte.
 

"Wenn du darauf bestehst, überprüfe ich das Ganze noch hundertmal! Falls es auch nur eine geringe Chance gibt, dass das ganze auf übernatürlichen Wegen abgelaufen ist...”
 

Willow hatte in einer gewissen Weise recht. Wenn es jemand verstehen konnte, dann sie. Auch wenn es beängstigend war, wusste die Jägerin, dass sie einiges gemeinsam hatten. Nicht nur, weil sie denselben Schmerz erlebten, sondern vor allen Dingen, weil dieser Schmerz sie schon an sehr dunkle Orte geführt hatte. Orte, die Buffy niemals betreten hatte.
 

"Ich hoffe, dass etwas dabei herauskommt...das muss es einfach!” Auch wenn es nicht leicht zu erklären war, fühlte sich Faith nun ein bisschen sicherer als vorher. Sie waren sicher nicht die besten Freundinnen, aber dennoch konnte sie Willow vertrauen.
 

"Wird es!”, entgegnete Willow, und drehte sich in die Richtung, aus der sie gekommen war.
 

"Vi’s Tod war einfach so sinnlos.” Faith kickte einen Stein zur Seite, als sie ihr folgte. "Genauso wie der von Tara,” fügte sie leiser hinzu.
 


 

+++
 

Sunnydale, Dezember 2001

Versteck des Trios

"Nein, nicht da, das ist zu nah an der Enterprise! Du kannst doch keine Millenium Falcon neben eine Enterprise hängen," ereiferte sich Andrew. "Das ist die reinste Blasphemie!"
 

"Whoa, bleib' auf Impulsgeschwindigkeit!" Abwehrend hob Warren die Hände. "Dann hängen wir das Ding halt einfach ins andere Eck!"
 

"Aber dann hängt sie neben der White Star!" Andrew verzog das Gesicht, als würde ihm der Gedanke geradezu körperliche Schmerzen bereiten. "Jetzt sag doch auch mal was!" Nach Unterstützung heischend, wandte sich der blonde Junge zu Jonathan, der reglos vor einem der Computer hockte, und auf den Bildschirm starrte. "Ach, lass' mich doch mit dem Kram in Ruhe," grummelte er.
 

"Na schön." entgegnete Andrew kühl. Er verstand nicht, warum Jonathan die ganze Zeit so komisch war. Das ging jetzt schon einige Wochen so, seit der Sache mit Katrina. Vielleicht machte er sich Sorgen, dass sie doch noch geschnappt werden konnten. Aber die Polizei hatte in ihrem Bericht geschrieben, dass es ein Unfall war. Also konnte ihnen auch nichts mehr passieren.
 

"Hier!" Warren deutete auf ein Stück Decke neben dem Regal mit den DVDs. "Das ist der perfekte Platz! Los, bohr' ein Loch in die Decke!" Er kramte unter einem Haufen ausrangierter Computerteile einen Bohrer hervor, und drückte ihn Andrew in die Hand.
 

"Aber ich weiß nicht mehr, wo wir die..." Das 'Trittleiter gelassen haben' ging in einem lauten Protestquieker unter, als Andrew sich plötzlich gepackt, und in die Höhe gehoben fühlte. "Besser so?"
 

"Lass mich runter!" kreischte Andrew und strampelte mit den Beinen. "Aua! Du tust mir weh! Und überhaupt!"
 

"Jetzt zick' hier nicht rum, und bohr' endlich das Loch!" gab Warren gelangweilt zurück.
 

"Lass mich...runter!" Keuchend schnappte Andrew nach Luft. "Bitte..." fügte er mit einem hilflosem Wimmern hinzu.
 

"Du hast ihn gehört, Warren!" Plötzlich war Jonathan von seinem Platz aufgestanden, und baute sich drohend vor Warren auf, ungeachtet seiner geringen Größe. "Lass' ihn endlich los!"
 

"Mit dir hab' ich gar nicht geredet," fauchte Andrew und sah Jonathan feindselig an. "Na schön," antwortete dieser kühl, und drehte sich auf dem Absatz herum. "Kümmer' dich in Zukunft doch um deinen eigenen Kram!"
 

Er stürmte die Kellertreppe hinauf. "Ich bin oben im Van!"
 

Warren würdigte ihn keines Blickes. "Willst du wissen, was noch in der Packung von der Millenium Falcon war?" fragte er verheißungsvoll. Er hatte Andrew jetzt wieder auf die Füße gestellt, ihn aber noch nicht losgelassen.
 

"Hm...weiß nicht." Andrew machte ein paar halbherzige Versuche, sich aus seinem Griff zu befreien.
 

"Die vom Rival Kingdom haben uns was mitgeschickt, weil wir über 100 Dollar bestellt haben. Schau mal!" Er ließ den anderen Jungen endlich los, und kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor. "Hier! Einer für dich, einer für mich!"
 

"Cool!" Fasziniert starrte Andrew die beiden Schlüsselanhänger an. "Imperiale Star Destroyer!"
 

"Imperiale Star Destroyer für imperiale Oberfinsterlinge!" bekräftigte Warren und legte einen der beiden Anhänger in Andrew's Hand.
 

"Aber...aber..." Andrew's Stimme zitterte, und er versuchte, seine Hand zurückzuziehen. "Uhm..."
 

"Es gehört mir, und ich schenke es, wem ich will." Warren schloss Andrew's Finger um den Anhänger.
 

"Wie mein Herz," murmelte Andrew kaum hörbar. Er versuchte verzweifelt, dem Blick des schwarzhaarigen Jungen auszuweichen, doch dieser lächelte ihn so offen und vertrauensvoll an, dass er gar keine andere Wahl hatte, als das Lächeln zu erwidern.
 

Warren's Sean Connery Lächeln....
 

"Was würdest du davon halten, wenn wir von hier verschwinden?" fragte Warren plötzlich. "Nur du und ich, und mehr Kohle als in Scrooge McDuck's Geldspeicher? Und dann kaufen wir uns ein paar Villen, und Kinopaläste, und flacken uns an irgendeinen Strand in Südamerika. Oder Saint-Tropez."
 

Er lehnte sich nach vorne und hauchte Andrew ins Ohr: "Nur wir beide, kleiner Ewok. Und kein nerviger Jonathan, der den ganzen Tag nur rum motzt!"
 

"Aber...aber...wir können Jonathan doch nicht einfach hier lassen," stammelte Andrew verwirrt. "Und soviel Geld haben wir auch gar nicht. Und überhaupt..." Sein Protestgestotter verstummte, als Warren einen Finger auf seine Lippen legte. "Shhht!"
 

Ein eigener Kinopalast! Mit Imax, und 3D und MAD, und... Popcorn! Hmmm... echt Wahnsinn! Sie würden sich auch neue Sonnenbrillen kaufen müssen... noch coolere... und am besten eine Insel.
 

"Hmm...wollmir jetz' daschhiff aufhängen?" fragte Andrew hoffnungsvoll, und blickte mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag zu Warren hoch.
 

"Klar. Ich geh' nur eben die Trittleiter holen!"
 

Warren's Lächeln war jetzt nicht mehr Sean Connery. Eher Jack Nicholson.
 

+++
 

Cleveland, Gegenwart

Mara's Zimmer, früher Abend

"Puh.” Erschöpft schmiss sich Dawn auf Mara's Bett. "Ich bin KO. Ich will heute echt niemanden mehr sehen.”
 

"Kein Problem!” riefen Mara und Josh wie aus einem Mund. "Wir sind im Schlafzimmer meiner Eltern," fügte Mara hinzu. "Falls was ist: Essen ist im Kühlschrank und zu trinken auch. Falls du dann doch noch jemanden sehen willst. Klopf bitte an!!!”
 

Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht rannte Mara aus ihrem Zimmer, gerade noch rechtzeitig um dem fliegenden Kissen von Dawn auszuweichen.
 

Das Lächeln, welches sich ein wenig auf Dawns Gesicht ausgebreitet hatte, verschwand sofort, als die Zimmertür geschlossen wurde. Mit einem schweren Seufzer drehte sie sich um und schloss die Augen. Sie merkte kaum wie sie einschlief.
 

Bilder rasten an ihrem inneren Auge vorbei. Bruchstückhafte Erinnerungen? Blitzbilder. Farben die um sie herumwirbelten. Sie tanzten. Wunderschöne Farben. Es war so friedlich. Sie kommunizierten mit ihr. Hüllten sie ein. Alles war in Ordnung. Wärme ging von ihnen aus. Das Universum breitete sich vor ihr aus. Viele Universen zeigten ihre Schönheit.
 

Dawn fühlte sich wunderbar. Es war alles schön. Sie fühlte sich richtig. Um sie herum Licht. Und wieder Farben, so viele, so schöne, so unterschiedliche, Farben die sie noch nie gesehen hatte. Farben, die sie nicht kannte und die doch vertraut waren. Es ging nichts Böses von ihnen aus. Sie existierten nur und waren da.
 

Auf dem Gesicht des schlafenden Mädchens erschien ein kleines Lächeln.
 

Eine sanfte Berührung weckte Dawn. Sie machte ihre Augen auf und blickte in das sanfte Gesicht ihres Freundes. "Shin, endlich bist du da. Wie spät ist es?”
 

"Hallo mein Engel, es ist gleich 7 Uhr. Wie geht’s dir? Du hast gelächelt und so friedlich ausgesehen.”
 

Plötzlich fiel Dawn alles wieder ein, Vi’s Tod, die Beerdigung. "Na ja, es könnte besser sein.” Tränen stiegen wieder in ihre Augen. Sie war hier mit Shin und Vi lag tot in der kalten Erde. Sie lehnte sich an ihren Freund und sprudelte ihre Gedanken heraus.
 

"Nein, wenn ich ehrlich bin, geht's mir gar nicht gut. Ich hab' Angst und die Beerdigung war echt schlimm. Vi’s Tod nimmt mich echt mit. Schau mal, sie hatte noch so viel vor und jetzt ist sie tot. Und ich bin hier und freue mich, dich zu sehen. Wenn ich dich sehe, vergesse ich fast was passiert ist. Das ist doch nicht fair Vi gegenüber. Sie war noch so jung. Es kam so überraschend.”
 

"Dawn der Tod kommt immer überraschend, wir Menschen sind darauf nie vorbereitet. Du darfst wegen uns kein schlechtes Gewissen haben, das würde Vi sicherlich nicht wollen. Nach allem was du mir so erzählt hast, war sie ein lieber Mensch.” Shin nahm sie vorsichtig in den Arm, als hätte er Angst sie zu zerbrechen.
 

"Aber ich fühle mich so ausgelaugt und es tut so weh. Ich verstehe das nicht. Warum gibt es den Tod?”
 

"Schau mal, für uns Buddhisten ist der Tod nur eine weitere Stufe in unserem Dasein. Der menschliche Körper ist nur eine Hülle und im Grunde genommen bedeutungslos. Wir glauben daran, dass wir wiedergeboren werden. Viele Male.”
 

"Immer als Mensch?” Dawn war erstaunt. Mit dieser Religion hatte sie sich noch nie beschäftigt.
 

"Nein, nicht immer als Mensch. Auch als Tier oder Pflanze. Und wenn wir dann wieder sterben, geht unsere Seele weiter zum nächsten Körper. So können wir unzählige Leben verbringen.”
 

"Aha, glaubst du wirklich daran?” Dawn schien skeptisch.
 

"Ja, Dawn, dies ist der Grundsatz unserer Religion. Pass auf. Ich erzähle dir die Geschichte von Buddha.”
 

"OK, alles was mich ablenkt ist gut.” Dawn kuschelte sich noch näher an Shin heran und die beiden machten es sich auf dem Bett gemütlich.
 

"Also, vor vielen Generationen lebte ein Königspaar in Indien...........”
 

Von der ruhigen Stimme ihres Freundes umfangen, gingen Dawn's Gedanken ihre eigenen Wege. Sie erinnerte sich plötzlich an ihren Traum. War das wirklich ein Traum gewesen. Diese Gefühle, die er in ihr ausgelöst hatte. Es hatte sich alles so gut angefühlt. So normal und doch völlig anders. Sie hatte sich völlig anders gefühlt. Wenn man das so beschreiben konnte. Eigentlich konnte sie es nicht beschreiben. Es war einfach nur richtig gewesen. Überall diese Schönheit, Wärme und Güte.
 

Shin hatte gesagt, sie hätte so friedlich ausgesehen. Was hatte es mit diesen Bildern auf sich? Waren das Erinnerungen aus ihrem früheren Dasein? Wenn ja, wieso konnte sie sich plötzlich erinnern? War es der Schmerz von Vi’s Tod gewesen? Hatte die Vision von den Reitern, die sie gehabt hatte, irgendwas in ihr bewirkt? Damals hatte sie ja das Gefühl gehabt, das irgendwas anders mit ihr war. Vielleicht kam es ja auch von den Jägerinnenkräften. Hatte sie dadurch vielleicht Einblick in ihr früheres Selbst bekommen? Irgendwie erschien ihr dies logisch.
 

Sie war nicht nur ein "Ball" gewesen, sie hatte ein Leben geführt, als Energieform. Sie war 'da’ gewesen. Sie hatte existiert. Und nicht nur sie, auch andere Wesen, ähnlich wie sie, hatten existiert. Ob das die Seele war, von der Shin auch sprach? Was würde er sagen, wenn er wüsste, dass sie sich an diese Existenz erinnern konnte?
 

Er würde es verstehen. Wenn er tatsächlich an Wiedergeburt glaubte, dann verstünde er es. Sie würde es ihm erzählen, aber nicht heute. Irgendwann, in einem besonderen Moment. Das hatte er verdient. Er war etwas besonderes, also hatte er auch so einen besonderen Moment verdient.
 

Aber was wäre, wenn sie ihn verlieren würde? Wenn er auch getötet würde? Shin war oft mit ihr zusammen. Die Sache zu Hallowe'en war gerade noch mal gut gegangen. Was wenn das wieder passieren würde? Sie musste etwas tun. Aber was? Was wäre das Richtige?
 

Sie wollte ihm etwas schenken, etwas von dem sie beide würden zehren können, wenn doch das Unvorhergesehen passieren würde.
 

"Shin?” Dawn kniete sich vor ihren erstaunten Freund. Er war gerade mitten in seiner Erzählung gewesen, als er merkte, dass Dawn's Gedanken abgeschweift waren. Er hatte einfach weitergeredet. Ihm gefiel diese Geschichte so gut, das es ihm nichts ausgemacht hatte, als Dawn nicht zuhörte. Was konnte sie nun wollen?
 

"Shin, ich hab' nachgedacht. Vi’s Tod hat mir so einiges klargemacht. Das Leben ist kurz, auch wenn ich mal wiedergeboren werde. Trotzdem hätte ich dich dann verloren. Und du mich. Ich möchte dir etwas schenken, dass uns beide für immer an diesen Tag erinnern wird. Shin ich ... ich ..möchte mit dir schlafen”
 

"Was?” Shin war baff, das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Er liebte Dawn, aber ihre Offenheit erschreckte ihn ein wenig.
 

”Dawn, ich bin überrascht.”
 

"Was ist, freust du dich nicht?” Dawn wurde rot, war sie zu schnell gewesen? Aber das Leben war doch so kurz, das hatte sie heute gelernt.
 

"Doch natürlich freue ich mich, aber ich bin mir sicher das ich dein Geschenk ablehnen muss.”
 

"Was? Warum?" Dawn war enttäuscht.
 

"Versteh mich bitte nicht falsch. Ich liebe dich und würde sehr gern mit dir diesen Schritt tun, aber ich bin mir sicher das DU diesen Schritt heute aus den falschen Gründen tun willst.”
 

"Was meinst du damit?"
 

"Sieh mal..." Shin küsste Dawn zärtlich, "Du bist heute mit dem Tod konfrontiert worden, du glaubst, dass das Leben zu kurz ist, du willst noch etwas tun, bevor du stirbst. Aber so schnell stirbt es sich nicht. Glaub mir, mein Engel, wenn es nach mir geht, werden wir zusammen alt und grau.” Dawn musste lächeln.
 

"Aber kuscheln können wir doch, oder?" fragte sie mit einem verschmitzten Ausdruck im Gesicht.
 

Shin musste lachen. "Klar können wir kuscheln.” Und mit einem innigen Kuss bewies er es ihr.
 

"Ich hab noch was für dich.” Dawn löste sich aus seinen Armen und sprang vom Bett auf. "Weißt du, vor kurzem war ja Valentinstag und ich bin zwar keine Japanerin, aber ein bisschen was weiß ich doch.” Ganz stolz reichte sie ihm eine große Metalldose, die mit einer roten Schleife umwickelt war.
 

"Danke, was ist da drin?” Shin küsste seine Freundin und löste die Schleife. "Oh, man, du hast selber Kekse gebacken? Ich bin beeindruckt.”
 

Dawn wurde rot vor Stolz, hatte ihre Klassenkameradin doch nicht recht gehabt. Sie war ebenfalls Japanerin und hatte Dawn erzählt, das die Mädchen in Japan den Jungen selbstgebackene Kekse zum Valentinstag schenkten.
 

"Oh, jetzt habe ich aber gar nichts für dich!” Verlegen kreuzte Shin die Arme hinter seinem Rücken.
 

"Das macht doch nichts," rief Dawn und umarmte ihn.
 

"Na ja, vielleicht gefällt dir ja das?” Aus der Hosentasche zog Shin eine Kette hervor.
 

"Oh mein Gott, sie ist wunderschön," hauchte Dawn. Der Anhänger hatte die Form eines Herzens und eine Gravur befand sich darauf. Es waren die Buchstaben S und D, perfekt ineinander verschlungen, so das man nicht sagen konnte, wo sie aufhörten, aber doch jeden Buchstaben für sich erkennen konnte.
 

Einige Zeit später, als der Mond durch das Fenster schien, konnte man einen Jungen und ein Mädchen ausmachen, die eng aneinandergekuschelt auf einem Bett lagen und schliefen. Beide sahen glücklich aus und ein Lächeln war in jedem Gesicht zu sehen.
 

+++
 

Buffy's Wohnung

selbe Zeit

"Geht es dir wirklich gut?” Es mochte bereits das dritte Mal an diesem Abend sein, dass Xander diese Frage stellte.
 

Sie hockten auf der Couch in Buffy's Wohnzimmer. Xander trug noch seinen Anzug von der Beerdigung, aber die Jägerin hatte es sich in einem Trainingsanzug gemütlich gemacht. Sie hatten zusammen gegessen, und etwas ferngesehen, aber die letzte halbe Stunde, war der Fernseher nur mehr im Hintergrund gelaufen, während die beiden Freunde ihren Gedanken nachhingen.
 

Buffy versuchte ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, doch der Versuch ging daneben und die Mundwinkel verzogen sich automatisch nach unten. "Hat es Zweck zu lügen?” fragte sie hoffnungsvoll, erntete aber nur ein Kopfschütteln ihres alten Schulfreundes.
 

"Komm schon Buffy, erzähl dem guten alten Xander was mit dir los ist. Ist es die Beerdigung gewesen? Jeder von uns hasst solche Situationen und doch haben wir schon genug erlebt um…”
 

"Nein," unterbrach sie ihn "Oder doch…auch… Alles verändert sich… Wir verändern uns. Freunde sterben oder gehen weg… Ich hatte geglaubt alles würde sich bessern nachdem wir in Sunnydale gesiegt hatten, aber es ändert sich gar nichts. Es gibt nur noch mehr Freunde die man verliert, neue unbekannte Feinde, einen neuen Höllenschlund und dann dieses Gefühl, dass ich immer die verliere die ich liebe … Angel, meine Mum, ...”
 

Sie seufzte, sah zu Xander hinüber, der nur schweigend zuhörte und flüsterte dann weiter. ”…Spike.” Tränen füllten ihre grünblauen Augen. "Und nun habe ich den Eindruck alle entfernen sich von mir.”
 

"Hey." Vorsichtig nahm Xander seine Freundin in den Arm und drückte sie an sich. Er konnte sie zu gut verstehen, er selber kämpfte ja mit den gleichen Zweifeln. "Ich bin da.” Tröstend klang seine Stimme in ihren Ohren. "Es ist doch nur logisch, dass wir uns verändern, das bedeutet nicht das wir uns voneinander entfernen. Wir sind alle zusammen geblieben, ist das nichts? Was meinst du warum? Es ist nicht nur der ewige Kampf gegen das Böse, es ist auch die Freundschaft die uns zusammenhält.”
 

Fast hatte er das Gefühl, er hätte diese Worte nicht für sie, sondern für sich selbst gesprochen. Noch vor kurzer Zeit hatte er über die Entfremdung zu seinen Freunden nachgegrübelt, doch er hatte Unrecht behalten. Sie hatten vielleicht weniger Zeit miteinander verbracht, aber an ihrer inneren Verbundenheit hatte sich nichts geändert.
 

Er spürte, wie ihr Schluchzen langsam versiegte und legte sein Kinn auf ihren Scheitel, während er Buffy einfach weiter festhielt. "Du hast jetzt eine Arbeit, trägst die Verantwortung des Jägerinnendaseins nicht mehr allein. Dawn wird erwachsen…”
 

Vorsichtig blickte sie zu Xander hoch und strich ihm leicht lächelnd eine Strähne aus dem Gesicht. "Wann bist du denn erwachsen geworden?” fragte sie leise und ihr Lächeln verbreiterte sich. "Oder hab' ich das nur wieder mal vergessen?"
 

Er hatte Recht und irgendwie wurde ihr ein wenig leichter ums Herz. Sie war nicht allein, im Gegenteil… Sie erinnerte sich an ihre Gespräche mit Willow und Giles. Natürlich hatten sich alle verändert, aber sie waren und blieben Freunde. Sozusagen eine Familie.
 

Sie hatten sich hingesetzt und Xander hielt immer noch seinen Arm um sie geschlungen, schweigend und doch verbunden wie schon lange nicht mehr.
 

Wie egoistisch sie doch gewesen war. In letzter Zeit hatte sie nur an sich und ihre Probleme gedacht, und mit einmal wurde ihr bewusst, dass es den anderen doch genauso gehen musste. Sie alle hatten mit Verlusten zu kämpfen, mit Veränderungen in ihrem Leben und sie war nicht allein damit …
 

Irgendwann fühlte Xander das Buffy's Atemzüge ruhiger geworden waren und ihre Hand lag schlaff auf seinem Knie. Vorsichtig um sie nicht zu wecken, legte er sie auf das Sofa, zog die Decke, welche auf der Rückenlehne lag über sie und sah zu, wie sich ihre Lippen im Schlaf zu einem Lächeln verzogen. Behutsam drückte er seine Lippen auf ihre Stirn und sah noch eine Weile ihrem Schlaf zu, bis er sich leise davon machte, um auch für sich selbst einen Schlafplatz zu finden.
 

+++
 

Wohnung von Giles und Lily

selbe Zeit

"Denkst du, Faith wird es verkraften?” Lily reichte Giles eine Tasse Tee über die Küchentheke hinweg und wandte sich dann ihrer Tasse zu, um den Beutel zu überbrühen.
 

"Den Tod oder den Verlust?” fragte Giles etwas mürrisch und rührte den Zucker um.
 

Lily sah kurz anklagend über ihre Schulter und fuhr dann mit der Teezubereitung fort. "Ich meine, wir kennen Faith.. sie ist nicht gerade der Typ Mensch, der seine Gefühle besonders gut unter Kontrolle hat..."
 

"Faith hat sich seit damals verändert.” Giles ging zu der Sitzecke und nahm auf dem Sofa Platz. "Sie ist nicht mehr ganz der Hitzkopf, der sofort zu Rachefeldzügen aufruft. Die Monate über mit Robin und den beiden jungen Jägerinnen scheinen einen guten Einfluss auf sie gehabt zu haben. Ich schätze, Vi's Tod wird daran nichts ändern, aber es wird nicht leicht für sie sein. Das ist es nie.”
 

Bedrückt schob er die Tasse auf den Couchtisch und starrte in den kalten Kamin. Er hatte so viele Menschen beerdigt...und es war nie leichter geworden. Jeder Abschied war anders und auf seine spezielle Weise schmerzhaft. Selbst der von Vi, die sie kaum gekannt hatten.
 

"Ich weiß, dass du aus Erfahrung sprichst...” Lily kam an seine Seite und ließ sich neben ihn sinken.
 

"Für dich war es sicher auch nicht das erste Mal?" Giles sah sie fragend an.
 

"Doch. Auf diese Weise schon. Ich habe Großeltern verloren, meine Mutter... Personen eben, von denen man sich verabschieden muss, wenn die Zeit gekommen ist. Und von meinem Vater gab es leider nicht mehr sehr viel, von dem man sich hätte verabschieden können...” eine dunkle Wolke zog über ihr Gesicht, als sie an die Explosion im Ratsgebäude dachte, und an ihren Vater, der schon lange im Ruhestand gewesen war, aber es sich trotzdem nicht hatte nehmen lassen, täglich in der Zentrale vorbeizuschauen. "Ich habe noch nie jemanden beerdigt, der ermordet wurde. Egal ob übernatürlich oder nicht. Der leere Sarg meines Vaters zählt nicht wirklich..."
 

Wenn Giles das nur auch von sich behaupten könnte... sein Blick nahm etwas Trauriges an, als er von Lily wegsah.
 

"Ich glaube, ich war etwas taktlos?" Lilys Stimme klang betreten, als ihr bewusst wurde, dass Giles durch sie unangenehm an die Vergangenheit erinnert wurde.
 

"Nein.... nein nicht wirklich,” lächelte Giles betont beruhigend. "Es sind nur diese alten Erinnerungen, die man glaubt, längst verdrängt zu haben und die plötzlich wieder ohne Vorwarnung auftauchen.”
 

"Oh ja, das kenne ich,” Lily streichelte beruhigend über seinen Arm und kuschelte sich etwas näher an ihn heran. "Aber was wären wir ohne unsere Erinnerungen?”
 

"Das Gleiche, wie ohne unsere Leidenschaft - ein Nichts.. leer und einsam," sagte Giles melancholisch und legte einen Arm um Lily, froh darüber jemanden wieder zu haben, mit dem er alte Erinnerungen teilte und auch die Leidenschaft.
 

"Glaubst du, Faith hat recht?”
 

"Mit was genau? Das dieser Pfeil verhext war?"
 

"Ja, damit," Lily klang weniger überzeugt. "Ich bin mir selbst nicht sicher... aber das klingt doch ziemlich weit hergeholt. Nicht, dass ich damit Vi's Tod verharmlosen möchte.. dafür fühle ich mich viel zu sehr....betroffen... Aber selbst wenn der Pfeil verhext war.. wieso sollte er Faith 'umgehen’, um dann Vi zu treffen? Die Jägerinnen waren doch aus purem Zufall in dieser Lagerhalle.”
 

"Natürlich waren sie das, aber wir wissen doch gar nicht, auf welche Weise dieser Pfeil verhext war. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Eine davon schien auf Vi gepasst zu haben.”
 

"Du glaubst wirklich, Faith hat recht,” Lily klang ein wenig überrascht. "Also, ich denke, Faith ist von der Situation überfordert und bildet sich Dinge ein, um eine Erklärung für den Tod von Vi zu finden. Aber dabei übersehen wir etwas Wesentliches - ihr Phantombild ist doch eindeutig ein Dämon! Sicher gehört er zu einer dieser Dämonensekten, die heimlich irgendwo ihre Messen abhalten. Die Kutte spricht doch ziemlich dafür.”
 

Giles' ernster Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem breiten, amüsierten Lächeln. Er hatte zwar zu erst auffahren wollen, um Faith in Schutz zu nehmen oder um Lily zu unterbrechen, ehe sie ihre eigene Theorie weiterverfolgen konnte...doch dann hatte er eingesehen, dass Lily, nur wie sie alle versuchte, die wahrscheinlichste Theorie über Vi's sinnlosen Tod herauszufinden. Jeder trauerte auf seine Weise und davor hatte Giles Respekt. Er wollte jetzt nicht mit einem Streit anfangen. "Ich denke deine Theorie klingt nicht weniger abenteuerlich als die von Faith...."
 

Lily seufzte einsichtig. "Da hast du natürlich recht... aber ich finde sie klingt noch eher wahrscheinlicher als ein verhexter Pfeil.”
 

"Am besten versuchen wir in beide Richtungen zu recherchieren, damit wir nichts übersehen.”
 

Lily überlegte kurz, ob sie Giles weiter widersprechen sollte, doch sie wusste, dass er einmal auf eine Fährte gebracht, nicht so schnell wieder abzulenken war. Und es war einfach im Moment so gemütlich neben ihm, dass sie es nicht durch einen Streit ruinieren wollte.
 


 

+++
 

Sunnydale, Dezember 2001,

nachts, auf einer Straße

"Tut mir echt leid, Baby, ich hab's nicht eher geschafft!" Warren knipste sein Entschuldigungs-Lächeln an, doch er konnte sehen, dass Catherine nicht besonders beeindruckt war. Ihr Blick fuhr nervös hin- und her, und alle paar Minuten lief ein Zittern durch ihren Körper. "Wo warst du so lange? Ich hab' auf dich gewartet!"
 

"Ich hatte noch zu tun," antwortete er ausweichend. Das 'zu tun' hatte darin bestanden, darauf zu warten, dass Andrew endlich einschlief, und darauf zu hoffen, dass Jonathan nicht aufwachte. Er hatte kein Interesse daran, dass die zwei Trottel etwas von seinem nächtlichen Ausflug mitbekamen, das würde nur Ärger geben.
 

"Ich hab' dich so vermisst, Baby!" Mit der Hand fuhr er durch ihr schulterlanges, dunkelblondes Haar, und blickte ihr tief in die Augen.
 

Catherine war ihm vor einigen Wochen buchstäblich aus dem Nichts erschienen. Nun gut, ein Mädchen, das sich aus der leeren Luft heraus materialisierte, gehörte selbst in Sunnydale noch zu den verrückteren Dingen, aber die Begegnung hatte sich als durchaus positiv erwiesen.
 

Catherine war eine Hexe. Und wenn sie auch die meiste Zeit ziemlich high von ihrem Magiezeugs war, und eine Menge Unsinn laberte, so hatte sie doch einiges mehr drauf als Jonathan, und das konnte sich vielleicht noch als nützlich erweisen.
 

"Und was gibt's Neues in Dimension X?" Warren hatte entschieden, dass er seinen Soll an Nettigkeiten nun erfüllt hatte, und es an der Zeit fürs Geschäft war. "Vergiss nicht," fügte er mit samtweicher Stimme hinzu, "je eher wir diese Kugeln haben, desto schneller sind wir reich, und kommen aus diesem Kaff raus. Villen. Autos, schicke Klamotten, Parties! Nur du und ich, Baby... nur du und ich..."
 

"Sie sind hier," murmelte Catherine, "...hier in dieser Dimension...aber um sie zu orten, braucht man einen mächtigen Zauber, und jede Menge Utensilien. Ich muss noch einmal in die Nezzla' Dimension zurück, um es herauszufinden...."
 

"Aber klar doch." Zwar hatte Warren keine Ahnung, wieso man Geld brauchte, um in irgendeine Dimension reisen zu können, aber er kannte dieses Stichwort schon. Er kramte ein paar Hundertdollarscheine aus der Hosentasche seiner Jeans, und steckte sie Catherine in den Ausschnitt. "Hier, Baby. Schreib' mir 'ne Ansichtskarte."
 

Das Mädchen fuhr mit den Händen zur Brust, und umklammerte die Scheine. Nervös flog ihr Blick hin- und her. "Ich...ich muss jetzt geh'n." Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um, und hastete die Straße entlang. Es war eine Sackgasse, die in einen Hinterhof mündete.
 

Doch sie kam niemals dort an. Kurz davor löste sie sich plötzlich in Luft auf, als habe jemand sie weggebeamt. Kopfschüttelnd wandte Warren sich ab, und machte sich auf den Heimweg.
 

+++
 

Autopsy Report

Sunnydale Department of Health

Case File: F202- 864

Name: Tara Maclay
 

Todesursache: Herzstillstand in Folge einer Schussverletzung
 

Todesart: Fahrlässige Tötung
 

Bericht: Das 9mm große Geschoss trat mit großer Wucht in den Herzbeutel ein, und zerstörte diesen fast vollständig. Eintrittswunde befindet sich neben dem linken Schulterblatt. Austrittswunde an der linken Brustseite, direkt über dem Herzen. (Notiz: Geschoss hätte nach dem Austritt normalerweise die zweite, dem Opfer gegenüberstehende Person treffen müssen, Kugel war aber am Tatort nicht auffindbar. Für dieses seltsame Vorkommnis wurde bisher keinerlei Erklärung gefunden.)..........

...............

........
 

Abschlussbericht der Anatomie und Spurensicherung

Cleveland Police Department

Zuständiger Beamter: Detective Patrick Delaney

Pathologe: Dr. Beverly Franklin
 

Name des Opfers: Vivian Claimore Alter: 17 Rasse: weiß
 

Todesursache: Herzstillstand in Folge einer Schussverletzung
 

Todesart: unbestimmt, fahrlässige Tötung oder Mord
 

Bericht: Opfer wurde mit einer Armbrust getötet, der Pfeil drang durch die linke Brustseite ins Herz ein. (seltsamerweise keinerlei Austrittswunden)....

...............

....
 

Cleveland, Gegenwart,

Appartment von Xander und Andrew,

selbe Nacht

Der flimmernde Computerbildschirm tauchte Xander Harris' Wohnzimmer in ein kaltes geisterhaftes Leuchten. Die einzigen Geräusche, welche die nächtliche Stille durchdrangen, waren das Surren des Ventilators, Andrew's friedliche Atemgeräusche, und das Klackern der Tastatur.
 

Andrew war, wie nicht anders zu erwarten, beim fünften Star Trek Film eingeschlafen. Zusammengerollt, wie ein Kätzchen lag er auf der Couch, das Gesicht zwischen Kissen, und Stoffpinguin vergraben, so dass nur noch sein wuscheliger Haarschopf sichtbar war. Wär’ da unter der Decke nicht noch der Rest von ihm gewesen, man hätte ihn glatt für einen Tribble halten können.
 

Oder einen zu groß geratenen Ewok.
 

Warren wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Es war ein Klacks gewesen, sich einen Zugriff zu den Polizeicomputern zu verschaffen, man konnte meinen, diese Leute legten keinen Wert auf Sicherheit. Aber wahrscheinlich kamen sie gegen ein Hackergenie wie ihn einfach nicht an. Er verzog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln, und scrollte das Bild weiter runter.
 

Andrew rollte sich im Schlaf herum, und gab ein leises, undefinierbares Maunzgeräusch von sich. Sicherheitshalber klickte Warren die Seiten weg, vom Sofa aus konnte man den Bildschirm sehen, und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass die kleine Nervensäge wach war.
 

"Was guckst du so?" Verschlafene Blauaugen öffneten sich, und ein Gesicht bahnte sich seinen Weg unter der Decke hervor. Wie so oft hatte er das Gefühl, dass diese Augen zum ersten Mal in diese Welt blickten. Andrew war ein Wesen von jenseits der Galaxis, das nur zufällig hier gestrandet war, und keine Ahnung hatte, wo es sich befand, und was es überhaupt hier sollte.
 

Manchmal fragte er sich, wie ein Planet aussehen konnte, auf dem solch seltsame Geschöpfe lebten, und meistens kamen ihm Einhörner, und rosa Zuckerwattewolken in den Sinn.
 

"Ich hab' nur grad überlegt, ob es sich lohnen würde, dich auf eBay zu versteigern." Abschätzend sah er seinen Freund an, welcher sofort das Gesicht verzog, und eine furchtbar beleidigte Miene aufsetzte. "Aber da müsste ich wahrscheinlich noch ein paar gute DVDs dazulegen, damit ich dich überhaupt loswerde!"
 

"Verkauf dich doch selber!" Andrew warf nacheinander ein Kissen, eine herumliegende Jeans, und den Stoffpinguin nach Warren und krabbelte unter die Decke zurück. "Und setz' in die Beschreibung rein, dass man dich auf dem Sondermüll entsorgen muss!"
 

Warren stieß sich am Computertisch ab, um mit dem Stuhl in Richtung Couch zu rollen, und riss Andrew mit einem Ruck die Decke weg. Dieser kreischte auf, und versuchte nach Warren zu treten, erwischte aber nur den Pinguin, den der andere Junge wie einen Schild vor sich hielt. "Soll das jetzt 'n Anschlag auf Tux werden?" grinste Warren, und packte Andrew's bloßen Fuß mit seiner freien Hand. "Was bezahlt Bill dir dafür?"
 

"Kill Bill!" Andrew machte einen halbherzigen Versuch, seinen Fuß zu befreien, und ließ sich dann mit einem tiefen Seufzer auf die Couch zurücksinken. "Lass uns den Southpark Movie angucken!"
 

"Ich bin hier aber beschäftigt," sagte Warren betont kühl, ließ Andrew los, und deutete mit einem Kopfnicken zum PC.
 

"Du hast das blöde Ding viel lieber als mich!"
 

"Ich hab' einen Rosamunde Pilcher Film lieber als dich!"
 

"Na, fein." Andrew setzte seine beleidigtste Miene auf. "Ich kann meine Filme auch alleine angucken. Dich brauch' ich dazu bestimmt nicht. Du bist ein Trampel, und eine Nervensäge, und hast keine Ahnung von gar nichts, und außerdem kommen Leute aus deinem Hintern! Das heißt, ich bin schon dabei, dich aus meinen Gedächtnis zu löschen..."
 

Er brabbelte solange weiter, bis Warren sich schließlich genervt umdrehte. "Weißt du, ich hab' da grad so 'ne Vision von einer schönen großen knallrot gezeichneten Stange Dynamit, die ich anzünde, und dir damit das Maul stopfe!"
 

"Zu deiner Information, ich bin einer von den Guten, und hier gibt es kein Dynamit!" Andrew zog die Decke bis übers Kinn hoch, und warf Warren über den Rand einen bösen Blick zu.
 

Dieser verzog das Gesicht zu einem hinterhältigen Lächeln. "Du scheinst vergessen zu haben, dass ich ein Bösewicht bin. Ich hab' immer 'ne Dynamitstange dabei, das liegt in meiner Natur!"
 

Es klickte leise, als er den Bildschirm ausschaltete, und das Zimmer in völlige Dunkelheit tauchte.
 

+++
 

Cleveland, Hafengegend

Lagerhalle, früher Morgen)
 

"Uhm...Willow?”
 

"Was ist?” wisperte sie.
 

"Du sitzt hier schon seit 5 Minuten, und mehr als einen Lufthauch hat das Ganze anscheinend doch nicht gebracht.” Faith hockte vor Willow, und beobachtete sie.
 

"Immerhin sind die Kerzen ausgegangen,” antwortete Willow, und sah Faith mit einem wirren Blick an. Die ersten Sonnenstrahlen warfen Licht durch die dreckigen Fenster, und das Zwitschern der Vögel, hauchte dem doch so leblosen Ort ein bisschen Helligkeit ein.
 

"Hast du damit wenigstens irgendetwas herausgefunden?” fragte Faith schon fast verzweifelt. Die Hüterin hatte es schon mit jeglichen Zaubern versucht. Mit Kerzen, ohne Kerzen und mit Pulver, ohne Pulver, Amuletten und mit Räucherstäbchen, so jedenfalls kam es Faith vor. Auch die ganze restliche Palette an Zauberutensilien, die sie sowieso nicht verstand, half nichts.
 

"Tut mir leid, aber anscheinend gibt, oder gab es hier nicht einen Funken Magie. Soweit ich es überprüft habe, wäre nicht einmal ein Kartentrick ungeschert davon gekommen.”
 

"Was soll das? Es kann einfach nicht möglich sein!” Faith richtete sich auf, und drehte sich einmal im Kreis. Die beiden hatten jeden Winkel durchsucht, und jedes Staubkorn zwei mal umgedreht. "Haben uns wieder eine ganze Nacht umsonst um die Ohren geschlagen? Gibt es noch irgendeine andere Möglichkeit?”
 

"Manche Zauber findet man nur, wenn man genau weiß, wonach gesucht wird. Und das wissen wir leider nicht. Ich will dich wirklich nicht enttäuschen... aber ich wollte es auch lange nicht begreifen, dass Tara’s Tod ebenso sinnlos war, und auch keinen übernatürlichen Grund hatte.”
 

"Schon mal darüber nachgedacht, wenn es doch so ist, auch wenn du jede Möglichkeit ausgeschlossen hast? Wir wissen es nicht, und ich habe keinen Geist gesehen, glaub mir.”
 

"Ich denke, wenn es mir ein Höheres Wesen sagt, wird es wohl so sein.” Eigentlich meinte Willow Tara, und das war Faith auch bewusst.
 

"Ich bin einfach am Ende,” antwortete Faith nachdem sie ein paar Sekunden verstreichen ließ. "Was für einen Sinn sollte das Ganze haben? Wieso hat es nicht einfach mich getroffen? Ich habe schon viel mehr verbrochen, als Vi.”
 

"Vielleicht sollten wir einfach eine Pause machen...”
 

"Eine Pause? Wann willst du weitermachen? Wenn Gras über ihr Grab gewachsen ist?"
 

"Wenn du dich nicht mehr so fertig machst,” entgegnete Willow ruhig. Sie hätte sich selbst jemanden gewünscht, der ihr in so einer Situation den nötigen Halt gab. Auch wenn sie Faith wohl auch nicht die richtige Unterstützung entgegen bringen konnte. Sie kannten sich einfach zu wenig.
 

Willow packte die Reste ihrer Mitbringsel in ihre Tasche, und winkte Faith, ihr zu folgen.

Diese ging widerwillig hinter der Rothaarigen her. Die Lagerhalle musste doch nur so von Magie strahlen, wenn hier ein Mord geschehen war.
 

Ein paar Meter lang sagten beide gar nichts, und nun gingen die zwei durch eine schmale Gasse, die ihnen zuvor nicht aufgefallen war. Einfach ein kürzerer Weg, zur Hauptstraße zu gelangen.
 

"Noch einen letzten Zauber,” entgegnete Faith, als Willow bereits in die nächste Straße einbiegen wollte. Trotz der Verzweiflung doch keinen Anhaltspunkt zu finden, wollte Faith einfach nicht locker lassen. "Wir haben die Umgebung nicht genug durchsucht. Eigentlich gar nicht. Und ich weiß, in welche Richtung der Täter gerannt sein muss. Vielleicht gibt es hier noch eine Spur, in dieser Gasse...”aus der Jägerin sprudelte es nur so.
 

Wortlos hielt Willow, und lächelte Faith zu. Es gab noch eine Möglichkeit, und das war wohl die einzige, noch mögliche Alternative zu einer Spur zu kommen. Anscheinend kam man wohl immer zum Schluss auf die vielleicht rettende Idee.
 

Willow murmelte eine lateinische Formel, für ein paar Minuten die selbe. Zuerst schien es nicht ganz zu funktionieren. Faith verlor schon fast die Geduld.
 

"Gut Ding will Weile haben,” entgegnete Willow, als Faith sie erwartungsvoll ansah.
 

Die Hexe spürte es, wenn auch nur wenig davon. Sie lehnte sich seitlich an die Mauer, um nicht an Gleichgewicht zu verlieren, und der Spur zu folgen. Ihr Körper zitterte leicht, und ihr Atem kristallisierte. Langsam wurde mehr daraus, und Faith's Blick folgte dem weißen Nebel, der langsam an Größe zunahm, und sich aufteilte. Eine weiße kalte Spur zeichnete sich durch die Gasse, in eine nächste und nächste.
 

Willow ging einen Schritt, gefolgt von Faith. Es dauerte nicht lang, bis die beiden merkten dass sie im Kreis gelaufen waren. Vor ihnen prangte der Eingang der Lagerhalle, mit seinem großen Tor, von dem schon langsam Farbe abblätterte.
 

"Auf ein Neues,” sagte Faith gespielt enthusiastisch, und drückte die Klinge herunter.
 

Sie folgten dem eisigen Nebel weiter, und standen nun vor einer grauen Tür, die sich nicht allzu sehr vom Farbton der Wand abhob. Schwer zu erkennen, aber doch hatte Faith schon vor Tagen festgestellt, das sich nichts Aufregendes im Raum dahinter befand. Ein paar alte Kehrbesen, Regale, eine kaputte Fensterscheibe, nichts was erwähnenswert wäre.
 

"In diesem Raum herrscht ein ganz schönes Durcheinander!” Willow trat hinter Faith ein.
 

"Die nächste Tür führt ins Leere. Einfach ein Hinterausgang." Faith lehnte sich enttäuscht an die braune Holztür, am anderen Ende der Abstellkammer. "Wahrscheinlich ist der Täter hier durch gekommen, um seine bösen Machenschaften zu verrichten. Anscheinend kommen wir mit diesem Raum auch nicht viel weiter!” Faith war kurz davor ein Loch in die Mauer zu schlagen, als keine Spur und kein weiterer Weg in Aussicht war.
 

"Doch!" Willow hob die Hand, und deutete auf die Holzdecke, durch die ein kleiner Spalt zu erkennen war.
 

"Wieso ist uns das nicht aufgefallen?” Faith überprüfte die Festigkeit der rostigen Regale, und zog sich hoch. Nachdem sie Halt gefunden hatte, überprüfte sie die Decke des Raumes.
 

"Jedenfalls ist das hier sicher nicht magisch. Das wäre mir schon früher aufgefallen. Auch wenn ich nicht weiß, wieso uns die Spur nun hier her geführt haben soll."
 

"Vielleicht deswegen," entgegnete Faith, als sie die Holzbretter aufschlug, und ihr Blick auf einen schwarzen Stoff, und eine Maske fiel, auf welcher eigenartige exotische Zeichen eingeritzt waren.
 


 

AKT 3
 

Einmal, nur einmal hab' ich einen Menschen getroffen, von dem ich geglaubt habe, dass er mich versteht. Dieser Mensch warst du. Ich hab' mich dir verbunden gefühlt, mein Geheimnis mit dir geteilt. Du und ich - wir waren zwei Seiten derselben Medaille.
 

Aber du hast dich von mir abgewendet, und inzwischen ist mir klar, dass ich dir nie etwas bedeutet habe. Ich war gut genug, um deine Einsamkeit zu lindern, als du alleine warst, aber du hast mich in meiner zurückgelassen. Meine Dunkelheit hat dich magisch angezogen, doch in deiner Welt des Lichts war kein Platz mehr für mich.
 

Doch du trägst die Dunkelheit in dir, du kannst sie nicht verleugnen. Ich kann sie sehen, weil ich mich in dir spiegle.
 

Du gehörst nicht in diese lichte Welt.
 

Du gehörst in die Dunkelheit.
 

Zu mir.
 

Ratszentrale,

etwas später

.'...und wieder die alte Leier, dachte Faith, als sie mit den anderen im Wächterhaus saß und über unzähligen okkulten Büchern brütete.
 

Wieder saß man einfach rum und wälzte irgendwelche Schwarten, die sowieso kaum jemand lesen konnte, anstatt raus zu gehen und direkt vor Ort nachzuforschen. Zwar hatten ihre Versuche, in der Halle etwas herauszufinden, zu nichts geführt, aber das wollte sie nicht gelten lassen. Irgendetwas musste es geben...war diese Maske wirklich die Antwort auf ihre Fragen? Zumindest würde sie sie vielleicht zu dem Schuldigen führen, und dieser hatte vielleicht noch ein paar Antworten, bevor sie ihn zu Mus verarbeitete.
 

Robin spürte Faith' Unruhe und wollte näher in ihre Richtung rücken, aber ihr Blick sprach Bände. Im Augenblick Band Nummer 25: "Ich kann keine Beruhigungsversuche gebrauchen". Robin seufzte und blieb an Ort und Stelle.
 

"Haben Sie schon was?" richtete in diesem Moment Nadine eine Frage an Giles. Vi's Freundin hatte in Giles' Arbeitszimmer übernachtet, war aber schon früh am Morgen aus dem Schlaf gerissen worden, als Faith mit Umhang und Maske auf den Armen die Wohnung gestürmt hatte. Jetzt beteiligte sie sich natürlich an den Recherchearbeiten.
 

Trotz der frühen Stunde war sie perfekt frisiert und zurechtgemacht, saß kerzengrade auf ihrem Stuhl, und lauschte mit größter Aufmerksamkeit den Worten des Wächters.
 

Dieser blickte kurz auf und schüttelte leicht den Kopf. " Bis jetzt nicht," erwiderte er missmutig. Ihm ging die ganze Sache auch ziemlich an die Nieren, so sehr er sich auch bemühte, so gefasst und ruhig zu wirken wie immer.
 

"Aber die Maske ist doch nicht vom Himmel gefallen," murmelte Kennedy, "es muss da irgendwas geben...."
 

"Gibt es auch," kam plötzlich Lily's Stimme hinter einem der dickeren Bücher hervor. Sie stand auf und versuchte, das Buch auf dem völlig überladenen Tisch auszubreiten, was natürlich mit einigen Schwierigkeiten verbunden war und dazu führte, dass sich mehrere Bücher in Richtung Fußboden verabschiedeten.
 

Giles runzelte die Stirn und schenkte Lily einen leicht verärgerten Blick. Sie hätte doch jemanden fragen können, der die Bücher dann weggelegt hätte.
 

Lily schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln, wurde aber sofort wieder ernst und deutete auf eine Abbildung. "Ist das nicht unsere Maske?" fragte sie in die Runde. Ihre Frage wurde mit einem zustimmenden Nicken seitens der anderen Anwesenden beantwortet.
 

"Und wer trägt so was?" fragte Kennedy.
 

"Thug'sahas. Eine Dämonenart die ursprünglich aus Indien stammt. Sie verehren die Todesgöttin Kali und bringen ihr regelmäßig Opfer dar, die sie zuerst fangen und dann rituell ermorden, damit ihre Göttin sich von dem Fleisch der Toten ernähren kann. Ihre Riten und Glaubenssätze wurden später während der Kolonialzeit von einer Gruppe Rebellen übernommen, die sich die Thugs nannten. Zwar verwenden sie keine Masken mehr, aber essentiell war es der gleiche Kult."
 

Robin hob eine Augenbraue, denn der Text war komplett in....nun, irgendeiner Sprache geschrieben, die er nicht kannte.
 

"Sie sind ja ziemlich schnell beim Übersetzen", murmelte er, woraufhin Lily einfach nur den Kopf schüttelte und einen zerknitterten Zettel hochhielt. "Anscheinend fand Rupert den Text irgendwann vor Jahren mal wichtig und hat eine Übersetzung angefertigt und die gleich hier eingeheftet. Ordnung ist nun mal eine Tugend."
 

Andrew, der bis zu diesem Zeitpunkt stumm in der Ecke gesessen hatte - möglichst weit von Faith entfernt - hatte während Lily's Bericht die Stirn gerunzelt und offenbar angestrengt überlegt. Nun stand er auf.
 

"Ich muß gleich zur Arbeit, aber wenn ich was fragen darf.... Thugs? Dann sind das also die gleichen wie bei Indiana Jones? Da hat er doch auch gegen diese ganzen Typen gekämpft, die irgendwas von Kali gebrabbelt haben.....ach ja, wenn Indy hier wäre, wär’ das alles ganz schnell erledigt...."
 

Giles räusperte sich, bevor er sagte: "Na ja, nicht ganz...die echten Thugs haben niemanden in Minen arbeiten lassen, nur damit man nachher eine rasante Fahrtsequenz einbauen kann."
 

Völlig perplex sah Andrew ihn an, dann aber leuchteten seine Augen auf. "Sie haben den Film gesehen? Die Fahrt war doch ganz in Ordnung....eklig fand ich das nur mit den ganzen Insekten und...."
 

"Andrew....geh zur Arbeit", schnitt ihm Giles das Wort ab. Dafür war im Augenblick keine Zeit...einmal davon abgesehen, dass sein Ruf als gebildeter, vernünftiger Mann gerade dabei war, Schaden zu nehmen.....er erinnerte sich noch an damals, als Xander das Fernsehgerät entdeckt hatte.....
 

Andrew war erstaunlicherweise nicht beleidigt, zuckte nur mit den Achseln und trollte sich.
 

"Gut, zurück zum Thema....wie sehen die Dämonen denn aus? Und vor allem, wie macht man sie fertig?" kam jetzt die Frage von Buffy. Auch sie war froh, dass man jetzt irgendetwas unternehmen konnte.
 

"Sie besitzen meist vier bis sechs Arme und sind um die zwei Meter groß," begann Giles seine Ausführungen. "Ihre Haut reicht von dunklen Grün- bis zu hellen Gelbtönen. Da sie das Sonnenlicht nur bedingt vertragen, halten sie sich meistens in dunklen Höhlensystemen auf. Sie verfügen über beachtliche Körperkräfte und große Wendigkeit. Thug'sahas sterben, wenn ihnen massive Verletzungen zugefügt werden. Diese können durch jede Art von Waffe herbeigeführt werden."
 

"Giles, Sie sollten sich als Moderator bei Animal Planet bewerben," kommentierte Buffy schließlich seinen echt schulmeisterlichen Vortrag.
 

"Gut," sagte sie dann, "da wir ja jetzt wissen, womit wir es zu tun haben, schlage ich vor, wir greifen uns ein paar Waffen und suchen unser städtisches Höhlensystem auf." Sie wollte schon mit gutem Beispiel voran gehen und schritt zur Waffentruhe, als Faith sich zu Wort meldete.
 

"Moment. Es ist ja ganz okay, dass wir jetzt schon mal was haben, aber das kommt nicht ganz hin. Giles, haben diese Thugs irgendwelche magischen Kräfte?"
 

Giles schüttelte den Kopf. "Nicht von Natur aus. Natürlich könnten sie Magie erlernen wie jeder Mensch auch, aber....."
 

"Da hören wir’s doch. Das ist noch kein Beweis dafür, dass ausgerechnet diese Kerle damit etwas zu tun haben."
 

"Faith", kam es jetzt aus dem Hintergrund von Willow, " wir haben aber keine anderen Spuren...."
 

Faith wirbelte herum und starrte Willow an. "Das ging schnell. Kaum spricht euer Oberguru, da schwenkt alles um." Giles wollte etwas einwerfen, begnügte sich dann aber mit einem wütenden Blick in Faith's Richtung.
 

"Faith, das hat damit nichts zu tun. Wir haben keine anderen Anhaltspunkte. Ich habe nichts gefunden. Zumindest nichts Magisches. Dieser Hinweis ist besser als keiner. Wir sollten der Sache nachgehen. Wenn wir falsch liegen, schadet es doch keinem, wenn wir nachgesehen haben."
 

Es war Willow anzusehen, daß sie sich überhaupt nicht wohl fühlte. Es bahnte sich ein Streit an, mit einer Faith, die im Augenblick eine kürzere Lunte als sonst hatte.
 

"Doch. Der echte Täter kann dann abhauen."
 

"Faith das ist Unsinn. Er könnte auch verschwinden, wenn wir untätig rumsitzen. Du wolltest doch was tun, oder nicht?" kam es von Buffy.
 

Faith wollte schon auffahren, als Willow ihr ins Wort fiel. " Faith, bitte....."
 

Faith blieb für einen Augenblick stehen, die Fäuste geballt, doch sie sagte kein Wort....bis schließlich ihre Wut nachließ und die erschöpfte Frau darunter zum Vorschein kam. "Okay, meinetwegen", murmelte sie schließlich.
 

"Dann ist soweit ja alles geklärt," sagte Robin, der aufgestanden war und in Faith's Nähe stand, ohne ihr jedoch zu nahe zu kommen.
 

"Ich würde sagen...wir gehen runter," ergriff Kennedy die Initiative und klappte die Waffentruhe auf.
 

"Ich geh' mir was anderes anziehen." Nadine blickte an sich hinunter, ein Kostüm war wohl nicht das Richtige für einen Ausflug in die Kanalisation.
 

"Na toll," murrte Kennedy, als sie den Raum verlassen hatte. "Jetzt dürfen wir auch noch Sandra Dee babysitten..."
 

"Keiran hat mir versichert, dass Nadine eine fähige Kämpferin ist," erklärte Giles. "Sie wird bestimmt keine Last für euch sein."
 

"Wir können jede Hilfe gebrauchen," entschied Buffy die Angelegenheit. Widerstrebend nickte Kennedy.
 

"Rupert und ich werden uns um weitere Recherchen kümmern...", kam es von Lily, "Ich werde mal nachsehen, ob ich einen meiner Bekannten erreichen kann. Dr. Head ist eine Koryphäe, was asiatischen Okkultismus angeht. Vielleicht rückt er noch mit Informationen raus. Bin aber bald wieder zurück."
 

Giles nickte. "Gute Idee. Ich werde in der Zwischenzeit noch mal meine Bücher bemühen. Vielleicht finde ich auch noch was."
 

"Viel Spaß damit," entgegnete Kennedy und zog ein blitzendes Schwert aus der Kiste...
 

++++
 

Kanalisation von Cleveland,

nachmittags

"Spaß? Na, da hab ich mir was Besseres drunter vorgestellt," murmelte Robin, während er sich an der feuchten Tunnelwand entlang drückte, um nicht in den mit allerlei Unrat gefüllten Kanal zu treten, der die Mitte des Tunnels für sich beanspruchte.
 

Er rümpfte die Nase. Der Gestank war grauenhaft. Ein leichter Schauer durchfuhr ihn, als er daran dachte, dass die Dämonen, die sie suchten, tatsächlich in solchen Umgebungen lebten. Vielleicht hatten sie keinen Geruchssinn...oder sich daran gewöhnt, was er allerdings für unwahrscheinlich hielt. An so etwas konnte man sich nicht gewöhnen.
 

Er zuckte zusammen, als er hinter sich ein lautes Platschen und einen unterdrückten Fluch hörte. Schnell drehte er den Kopf und sah, wie Kennedy das stinkende Wasser von ihrem rechten Fuß schüttelte. Ihrem Gesichtsausdruck nach, ging ihr das gleiche durch den Kopf wie ihm....sie sollten hier keine Minute länger als nötig bleiben.
 

Er packte den Griff seiner Axt fester und machte sich dann vorsichtig daran, weiterzugehen.
 

Etwas hinter ihm schritt Buffy. Sie trug wie Kennedy ein Schwert, allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie es hier sinnvoll benutzen könne. Es war ziemlich eng und selbst jetzt behinderte die Waffe die Jägerin arg genug, um lästig zu werden. Immerhin war sie den charakteristischen Geruch von Abwasserkanälen aus ihrer Zeit in Sunnydale gewohnt, so dass zumindest ihr so schnell nicht übel wurde.
 

Was man von Ronah nicht sagen konnte. Das Gesicht der jungen Jägerin war grau verfärbt. Sie fühlte sich ganz und gar nicht wohl. Es war zwar ein harter Job, Jägerin zu sein, das wusste sie ja mittlerweile, aber das hier war schlimmer als der schlimmste Dämon, dem sie bisher begegnet war.
 

Wie viel Erfahrung Nadine schon mit solchen Dingen hatte, wussten sie nicht, doch sie hielt sich zumindest tapfer. Bis auf eine leicht gerümpfte Nase zeigte ihr Gesicht zeigte kaum Gefühlsregung. Sie hatte ihre übliche Kleidung gegen Jeans und Turnschuhe getauscht, und trug ihre eigene Waffe bei sich, einen orientalischen Scimitar. Anscheinend war sie immer auf alles vorbereitet, das gehörte wohl zu ihrem Versuch, eine perfekte Jägerin zu sein.
 

Faith, die vorausging, schien von alledem nichts mitzubekommen. Vermutlich war sie zu wütend dazu, meinte Buffy im Stillen.
 

Die ganze Geschichte war Faith immerhin noch mehr aufs Gemüt geschlagen als ihr. Die dunkelhaarige Jägerin schien hin- und her gerissen zwischen ihrem Wunsch, die Geschehnisse aufzuklären und ihrer felsenfesten Meinung, der Hinweis den sie hatten, sei nicht genug.
 

Das war keine gute Kombination.
 

Plötzlich versteifte sich Faith und Buffy drehte das Schwert in ihrer Hand, um schneller angreifen zu können. Sie waren an einer Kreuzung angelangt und Faith hob die linke Hand, bedeutete den anderen, stehen zu bleiben.
 

'Immerhin,' dachte Buffy, 'scheint ihre Gefühlslage ihre taktischen Fähigkeiten nicht mehr so stark zu beeinträchtigen und...oh mein Gott, ich denke schon fast wie Giles.....das muss ich mir dringend abgewöhnen.' Leicht den Kopf schüttelnd schlich sie näher an Faith heran. " Was gibt’s?"
 

Die andere Jägerin nickte nach rechts. "Irgendwas kommt da....."
 

Buffy nickte und gab einige Handzeichen nach hinten, bedeutete den anderen, sich auf einen Kampf vorzubereiten.
 

Und nun hörte sie es auch. Unzählige leise Platschlaute, die aus dem rechten Gang kamen.
 

Das klang nicht gut.....
 

Und das Geräusch kam immer näher. Buffy atmete tief durch und ging im Kopf alle Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten durch. Im tatsächlichen Kampf würde es ihr zwar überhaupt nichts bringen, da ließ sie sich von ihren Instinkten leiten, aber es war besser als einfach nur abzuwarten, bis sie angegriffen wurden.

Doch als das Plätschern näher kam und sich das Trippeln unzähliger kleiner Füßchen dazugesellte, atmete Buffy auf.
 

"Ratten," flüsterte sie.....und tatsächlich: Nur Sekunden später kam die Schar der kleinen Nager in ihr Gesichtsfeld.
 

Es waren ziemlich viele, ein Teppich aus braunem Fell, der sich träge über den Boden wälzte, obwohl jede Ratte für sich ziemlich schnell laufen musste. Immerhin kümmerten sie sich nicht um die Eindringlinge in ihre Welt, sondern rannten stur nach links weiter.
 

Fast zeitgleich rümpften alle Anwesenden die Nase. " Wieso läuft einem eigentlich immer irgendwelches Ungeziefer über den Weg?" fragte sich Ronah leise. "Haben die keine eigenen Gänge und Höhlen?"
 

"Wie weit seit ihr? Irgendetwas gefunden?", kam plötzlich eine Stimme aus dem Funkgerät an Buffy’s Gürtel.
 

Diese zuckte zusammen. Willow hatte sie ganz vergessen. Die Hexe hatte ihr das Funkgerät in die Hand gedrückt, bevor sie losgezogen waren, um notfalls helfen zu können, wenn etwas schief ging.
 

Obwohl Willow sie nicht sehen konnte, schüttelte Buffy den Kopf, als sie entgegnete: "Nur ein paar Ratten, die uns über den Weg gelaufen sind. Ziemlich viele eigentlich. Das sah fast aus, als wären sie auf der Flucht...."
 

Plötzlich erstarrte Faith für einen Sekundenbruchteil, bevor sie ihre Klinge hochriss und damit nach vorn schlug. Etwas prallte mit einem metallischen Klingen gegen ihr Schwert und fiel vor Buffy auf die Füße. Es war ein gebogener Dolch, dessen Heft eine detaillierte Verzierung aufwies. Inmitten von verschlungenen Linien befand sich die Darstellung eines achtarmigen weiblichen Wesens. Laut Giles hatte diese Todesgöttin Kali acht Arme.....
 

"Ich glaub, wir wissen jetzt auch, vor wem....Bleib dran, Will." sagte sie, bevor sie das Funkgerät ausschaltete und es mit einer schnellen Bewegung zurücksteckte, bevor sie vorsprang. Aus dem Dunkel trat eine annähernd humanoide Gestalt. Das Gesicht war hinter einer Holzmaske verborgen, die ein Frauengesicht zeigte, das in einem Ausdruck von Wut und Hass erstarrt war. Ein schwarzer Mantel verbarg den Rest der Gestalt...bis auf die vier grünen Arme, von denen drei noch immer Dolche in der Hand hielten.
 

Die Kreatur sah Buffy's Schwert auf sich zusausen, nutzte einen ihrer Dolche, um den Hieb wie beiläufig abzuschmettern, und wirbelte dann zu Faith herum.
 

Die sah den Hieb fast zu spät und nur ihre Jägerinnenreflexe verhinderten, dass sie von zwei Dolchen zugleich getroffen wurde. Sie warf sich zur Seite und wirbelte in der Luft herum, kam sofort wieder auf die Beine und griff nun ihrerseits an. Aber auch ihr Schwerthieb wurde beinahe problemlos abgewehrt, ebenso der von Kennedy.
 

Nadine tauchte grazil unter einem Arm weg und brachte dem Wesen einen tiefen Schnitt in Bauchgegend bei, was mit einem wütenden Grunzen von Seiten des Dämons quittiert wurde. Bevor sie allerdings erneut zuschlagen konnte, musste sie einen harten Tritt von ihrem Gegner hinnehmen und prallte gegen die Wand.
 

Robin hob die Axt und trat nach vorn, wich einem Hieb der dolchlosen Klauenhand aus und...sprang einen Schritt zurück, wobei er schnell den Griff um seine Waffe änderte...und die Axt nun in einem weiten Bogen nach unten schwingen ließ. Der Dämon bemerkte die Finte zu spät. Eine seiner Hände wurde von der Axt sauber abgetrennt und flog ins dreckige Wasser. Hinter der Maske ertönte ein wütender Schrei und die übrigen drei Arme schwangen in tödlichem Muster auf Robin zu. Er hätte nicht mehr ausweichen können, der Dämon war einfach zu schnell.
 

Die erste Klinge traf ihn schmerzhaft an der Schulter, hinterließ aber nicht mehr als eine breite Schramme, während die anderen beiden bereits auf sein Gesicht zurasten. Es war zu spät und Robin bereitete sich schon auf den letzten, tödlichen Treffer vor...aber der kam nicht.
 

Stattdessen ertönte hinter der Maske ein schmerzerfülltes Heulen und der Dämon taumelte zurück. Einer seiner eigenen Dolche steckte in der Maske.
 

Robin blickte zurück.
 

Ronah nickte ihm aufmunternd zu, deutete dann aber hektisch nach vorn. Ihr Treffer hatte den Dämon nicht getötet, die Kreatur hatte sich bereits wieder gefangen und griff erneut an.
 

Genau wie seine Jäger.....
 

++++
 

Ratszentrale

abends

"Komm rein, Xander, wir haben schon sehnsüchtig auf dich gewartet," grinste Dawn. Mit einer Hand hatte sie dem jungen Mann die Tür geöffnet, mit der anderen drückte sie ihm ein Buch in die Hand. "Wie war dein Tag, Liebling?"
 

"Hätte nicht besser sein können, danke!" Ein müdes Lächeln huschte Xander übers Gesicht, und er stieß einen Seufzer aus. "Eve war heute mal wieder...na ja, lassen wir das, machen wir uns an die Arbeit." Er folgte Buffy's kleiner Schwester in den Konferenzraum, wo ihn Giles, und jede Menge weiterer Bücher erwarteten.
 

"Hallo Xander!" Giles blickte kurz auf, und wandte sich dann an Dawn. "Das war eben Willow am Telephon, sie hat den Lokalisierungszauber durchgeführt. Allerdings hat sie nichts Eindeutiges gefunden, es gibt einfach zu viel an dämonischer Aktivität in der Kanalisation. Könntest du schnell an den PC gehen, sie schickt uns die Ergebnisse!"
 

"Willow hat versucht, das Hauptquartier dieser Thug-Dämonensekte zu finden," erklärte Dawn. "Sie steht per Funk mit Buffy und den anderen in Kontakt. Wir versuchen es hier mit den Büchern, angeblich müssen die irgendwo einen Tempel haben, und da gibt es ganz genaue Regeln, wie der aufgebaut ist. Hat Lily zumindest behauptet, sie hat vorhin auch angerufen, von diesem Expertenfritzen aus."
 

Xander nickte. "Haben wir einen Plan von der Kanalisation?" wandte er sich an Giles.
 

"Sogar mehrere," bestätigte der Wächter. "Willow hat sie besorgt. Aber leider sind es lauter verschiedene, daher wissen wir nicht, inwieweit man sich auf sie verlassen kann. Und ein Tempel ist dort sicher nicht eingezeichnet. Aber wir werden versuchen anhand der Informationen von Willow und Lily herauszufinden, wo er sich befindet, und dann wird Willow den anderen die ungefähre Position durchgeben."
 

"Okay." Xander setzte sich an den Tisch, und schlug das Buch auf, das Dawn ihm in die Hand gedrückt hatte. "Wo ist eigentlich Andrew? Wollte er nach der Arbeit nicht auch hierher kommen?"
 

"Uhm...er sagte, er will ins Kino..." Angestrengt starrte Dawn auf die Tischplatte.
 

"Ins Kino?" fragte Xander ungläubig. "Buffy und die anderen setzen ihr Leben aufs Spiel, wir recherchieren, bis uns die Köpfe rauchen, und er geht ins Kino? Hat er komplett den Verstand verloren?"
 

+++
 

Straßen von Sunnydale

7. Mai 2001, nachts

Diese Schlampe! Diese gottverfluchte Schlampe! Tausend Jahre reichten nicht aus, um sich auszumalen, was er alles mit ihr machen würde, obwohl Pinhead's Folterhöllen sich schon mal gut anhörten. Oder diese netten kleinen Würmer, die einen Stück für Stück auffraßen, und mit den Zehen anfingen.
 

Es kostete ihn die allergrößte Selbstbeherrschung, nicht mit beiden Fäusten gegen die metallene Oberfläche des Vans zu schlagen. Mit der Macht der Kugeln hätte er den Wagen mal eben hochheben, und ins nächste Eck schleudern können. Aber die Kugeln waren fort. Zerstört von diesem verdammten Miststück, das ihm immer wieder und wieder in die Quere kam.
 

Wo, zum Teufel noch mal blieb Andrew! Hatte der Idiot sich verflogen, oder was?
 

Seit diese verdammte Jägerin in sein Leben getreten war, war alles, aber auch alles schief gelaufen. Jeden seiner brillanten Pläne hatte sie eiskalt zunichte gemacht. Sie hatte sein Leben zerstört, jawohl sein Leben. Noch vor einem Jahr hatte alles gepasst, das College, seine Kumpel, Katrina...
 

Verdammt, brauchte der Kerl 'ne Extraeinladung? War er zu blöd, um zu kapieren, was 'Treffpunkt' hieß? Er hätte ihm einfach nur hinterher fliegen brauchen, das konnte doch nicht so schwer sein!
 

Und dann war dieses blonde Gift plötzlich vor seiner Tür gestanden, und hatte alles Stück für Stück auseinander gekommen. Wenn sie nicht gewesen wäre, würde Katrina heute noch leben, und glücklich mit ihm zusammensein. Ja, alles hatte an dem Tag angefangen, als sie vor seiner Tür stand. "Mein Name ist Buffy Summers. Weißt du, wer ich bin?" Eine blöde Barbiepuppe, die nur zum Poppen gut war, das und nichts anderes war sie.
 

Das war'n sie doch alle! Alle Frauen... alle Menschen auf dieser Welt waren Arschlöcher, und er brauchte keinen von ihnen. Niemanden! Und schon gar nicht Andrew, der ihn hier stundenlang hocken ließ, weil er es nicht für nötig befand, aufzutauchen. Wenn er erst wieder Oberwasser hatte, dann würde die kleine Nervensäge schon angekrochen kommen. Und ihn auf Knien anbetteln, wieder in die Gang aufgenommen zu werden. Und er würde ihn eiskalt abblitzen lassen...
 

Dann würden sie alle angekrochen kommen, aber er brauchte sie nicht. Wenn er erst wieder die Macht besaß, die ihm zustand, dann würde er es ihnen allen zeigen! Er war ein Bösewicht, ein Crime Lord, ein kriminelles Genie! Einer, der sich die Welt untertan machte!
 

"Du bist ein viel besserer Bösewicht, als Lex Luthor, Warren, du würdest Superman besiegen!..."
 

Aber statt Superman war Superzicke gekommen, und hatte ihn zu Brei geschlagen. Dieses verdammte Miststück - sie hatte ihn fertiggemacht, und Andrew hatte alles mitangesehen. Wie konnte er ihn noch bewundern, und zu ihm aufschauen, nachdem er das gesehen hatte? Wie konnte er ihn noch...
 

Wut und Verzweiflung zerquetschten sein Herz, wie in einer Metallpresse. Andrew würde nicht mehr zu ihm kommen. Warum auch? Er war kein Oberfinsterling mehr, kein Lex Luthor, er war einfach nur noch Warren, und Warren war für niemanden gut genug, auch nicht für Andrew. Warren war der Typ, den Frank und seine Kumpels nach dem Sport in der Umkleide zusammenschlugen. Warren war der Typ, über den sich die Mädels lustig machten. Warren war der Typ, der immer von allen fertiggemacht, und gedemütigt wurde...
 

Ein Hass, der stärker war, als alles andere stieg in ihm auf. Nicht mehr! Er würde es ihnen heimzahlen und mit Buffy würde er anfangen! Erneut traten Tränen der Wut und Scham in seine Augen, doch er wischte sie beiseite, er würde ihnen jetzt nicht nachgeben, nie wieder! Nie wieder! Er würde dieses verdammte Miststück vom Erdboden tilgen, das ihm sein Leben zerstört hatte...
 

Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Andrew? War Andrew hier?
 

Doch es war nur Catherine. Er hatte keine Ahnung, wie sie ihn hier gefunden hatte, und er konnte sie jetzt auch überhaupt nicht gebrauchen.
 

"Ich kann dir helfen," sagte sie anstatt einer Begrüßung, oder Erklärung.
 

Er stieß ein kurzes spöttisches Lachen aus. "Helfen wobei?"
 

"Sie zu töten."
 

++++
 

Cleveland, Gegenwart

Xander's und Andrew's Apartment,

abends

"Wir müssen miteinander reden," sagte Andrew und stellte seine Saftflasche auf der Anrichte ab. "Das wird dir nicht gefallen, aber wir müssen miteinander reden!"
 

"Wenn du über den Film von letzter Woche reden willst, dann werd' ich dir bestimmt nicht zuhören." Warren hatte sich von ihm abgewandt, er durchsuchte den Kühlschrank nach etwas Essbarem. "Der war so grottenschlecht, dass..."
 

"Du hast dich in Polizeiakten gehackt," unterbrach ihn Andrew. "Gestern Nacht. Auf meinem Computer."
 

"Na und? Ihr macht das doch die ganze Zeit, bei eurer Hilfsorga für Bekloppte!"
 

"Es heißt 'Scooby Gang'," verbesserte Andrew ihn stirnrunzelnd. "Aber darum geht es jetzt nicht. Du hast dir die Akten von Tara, und von Vi angesehen. Warum?"
 

"Geht dich das was an?"
 

"Ja, allerdings! Ich will wissen, wie du's geschafft hast, eine Kugel ums Eck zu schießen! Normalerweise fliegen die nämlich geradeaus!"
 

"Ich will aber nicht drüber reden." Damit war die Sache für Warren beendet. "Wieso habt ihr keine Pizza mehr da?"
 

"Was verschweigst du mir?" fragte Andrew. "Was ist wirklich passiert?"
 

"Mach mich nicht sauer, Andrew!" Mit einem Knall schlug Warren die Kühlschranktür zu, und wandte sich um, seine schwarzen Augen funkelten den anderen Jungen wütend an. Früher hätte es genügt, damit Andrew sich trollte. Jetzt nicht mehr.
 

"Ich hab' keine Angst vor dir," sagte Andrew ruhig, er kannte die Einschüchterungsmaneuver zur Genüge.
 

"Solltest du aber!" schrie Warren zurück, und trat drohend einen Schritt auf ihn zu. "Ich kann sehr unangenehm werden, wenn ich sauer bin! Und ich hab' keinen Bock auf deine Dr. Laura Spielchen, und den ganzen Psycho-Mist! Mach' das mit deiner 'Scooby Gang', aber nicht mit mir!"
 

"Du willst einfach so weitermachen, ja?" fragte Andrew zurück. "Alles vergessen, was war, und was du getan hast? Bitte sehr! Aber letzte Woche ist 'ne Freundin von mir gestorben, und andere Freunde von mir sind in Gefahr! Und du weißt was darüber, und das will ich jetzt wissen. Also mach' endlich den Mund auf!"
 

"Lass mich in Ruhe!" schrie Warren. "Es war nicht meine Schuld, verdammt noch mal, was kann ich dafür, wenn die blöde Kuh am Fenster stehen muss! Es war nicht meine Schuld!"
 

"Es war deine Schuld!"
 

Im nächsten Moment krachte Warren's Faust in Andrew's Gesicht, und der blonde Junge stolperte zurück gegen die Anrichte. Schmerz fuhr durch seinen Körper, als seine Lippe aufplatzte, und ein Blutrinnsal lief ihm das Kinn hinunter. Benommen rappelte er sich hoch, und sah seinen Freund mit purer Verzweiflung in den Augen an.
 

Entsetzen zeichnete sich auf Warren's Gesicht ab, Entsetzen über das, was er soeben getan hatte, doch nur für einen Moment. Schon hatte sein üblicher Verdrängungsmotor wieder zu laufen begonnen, und die Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte: "Hätte er dich halt nicht so provoziert!"
 

Die Stimme konnte nicht zu Ende flüstern, denn Warren flog rückwärts gegen den Kühlschrank, Andrew hatte ihn zurückgestoßen. "Willst du dich prügeln, ja? Glaubst du, dann musst du nicht mit mir reden?"
 

Anstelle einer Antwort griff Warren nach Andrew, und versuchte ihn zu Boden zu reißen. Eine gnadenlose Wut war in seine Augen getreten, er schien jegliche Kontrolle über sich verloren zu haben. Doch monatelange Kämpfe mit Dämonen und Vampiren hatten bei Andrew ihre Spuren hinterlassen, seine Reflexe waren geschult genug, um dem Angriff ausweichen zu können. Warren griff ins Leere, und Andrew sprang einen Schritt zurück. Die Küche war allerdings zu klein, um wirklich ausweichen zu können, und er prallte gegen den Herd. Autsch, das würde ordentlich blaue Flecken geben.
 

"Du schaffst es immer, alles kaputt zu machen!" Ein trockenes Schluchzen stieg in seiner Kehle hoch, er kämpfte mit den Tränen, als er den nächsten Schlag abwehrte, und schlug mit voller Wucht zurück. Oh, wie gut er diesen Ausdruck in Warren's Gesicht kannte, er hatte ihn schon zu oft gesehen! Würden sie sich jetzt prügeln, bis einer von ihnen nicht mehr aufstand? "Verdammt noch mal, red' mit mir!" schrie er.
 

"Du blöder Idiot!" Warren's Stimme war eine Mischung aus einem Schrei und einem Schluchzen. "Du hast doch überhaupt keine Ahnung!" Er taumelte zurück, griff nach der Saftflasche auf der Anrichte, und riss sie hoch über seinen Kopf.
 

"Willst du mich damit schlagen?" schrie Andrew. "Willst du mich damit totschlagen, genau so, wie du's mit deiner Ex gemacht hast?"
 

Warren erstarrte mitten in der Bewegung. Er blickte die Flasche an, er blickte Andrew an, dann schlug er mit der Faust samt Flasche gegen den Kühlschrank. Andrew stieß einen entsetzten Schrei aus, als das Glas klirrend zerbrach, und sich die Scherben in Warren's Hand gruben.
 

Blut quoll aus den Wunden, tropfte zu Boden, und lief als dünnes Rinnsaal am Kühlschrank hinunter. "Warum musste sie ausgerechnet am Fenster stehen?" fragte Warren mit tonloser Stimme, dann sackte er in sich zusammen, und sank zu Boden, die Arme um die Knie geschlungen.
 

Andrew machte einen Schritt auf ihn zu, und Warren rutschte weiter in die Ecke. "Fass mich nicht an," fauchte er, "bleib bloß weg von mir!"
 

Er senkte den Kopf und starrte seine blutigen Hände an. "Du hast wirklich keine Ahnung. Wie denn auch? Du warst immer so ein kleines Unschuldslamm, selbst damals, als du noch nicht diesen Heldenfimmel hattest. Du weißt nicht, was es heißt, etwas zu tun, das nie wieder in Ordnung kommt. Warum man nicht drüber reden will...und einfach so tun will, als sei es nie passiert. Hast wohl geglaubt, ich komm zurück, und alles ist Sonnenschein, oder?"
 

Er lachte bitter auf, und schüttelte den Kopf. "Da hab' ich Neuigkeiten für dich, ich bin immer noch derselbe. Vielleicht gibt's Dinge, die Menschen ändern können, aber du kannst mir eins glauben, gefoltert, und bei lebendigem Leibe gehäutet zu werden, gehört nicht dazu. Ich bin immer noch Warren. Und es ist besser, nicht in Warren's Nähe zu sein, denn er tötet die Menschen, die ihm nahe stehen. Warren ist ein Mörder."
 

"Gib' mir deine Hand," Andrew ließ sich neben ihm in die Knie sinken, vorsichtig darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen, um ihn nicht noch weiter in die Enge zu treiben. "Wir müssen die Scherben raus machen."
 

Wortlos, und ohne ihn anzublicken, streckte Warren ihm die Hand hin. Andrew nahm sie behutsam in seine eigene, und spürte, wie das warme Blut über seine Finger rann.
 

"Nein, du bist kein Mörder," flüsterte Andrew. "Du bist 'ne ganze Menge, aber das nicht. Du bist egoistisch, und du bist gewalttätig, und Verantwortung kennst du nur aus dem Lexikon. Du hast ein echtes Talent für falsche Entscheidungen, und du hast zwei Menschenleben auf dem Gewissen. Aber jemanden ermorden, das ist was anderes...."
 

Er starrte auf ihre beiden blutverschmierten Hände. "Es gibt etwas, das ich dir noch nicht erzählt hab'. Etwas über Jonathan..."
 

+++
 

Willow's Collegezimmer

einige Zeit später

"Das nächste Zentrum dämonischer Aktivität müsste genau unter euch sein." Angestrengt starrte Willow auf den Bildschirm ihres Laptops, und versuchte den Plan der Kanalisation mit der Karte aus Lichtpunkten zu vergleichen, die über ihrem Kopf schwebte.
 

"Das haben wir schon ausgecheckt," klang Buffy's Stimme aus dem Funkgerät. "Da unten ist irgendeine Brutstätte, wir haben Eier gefunden, aber die gehören zu irgendwelchen Reptilienviechern, von denen ich den Namen vergessen hab'. Sind jedenfalls harmlos, also haben wir sie in Ruhe gelassen."
 

"Gut, dann haltet euch erstmal weiter nach Süden," schlug Willow vor. "Ich werd' noch mal bei Giles anrufen, und fragen, was die anderen inzwischen herausgefunden haben. Er sagte etwas von rituellen Waschungen in einem Fluss, womöglich befindet sich der Tempel in der Nähe von einem der unterirdischen Zuströme zum See...."
 

Ein heftiges Hämmern an der Tür ließ sie innehalten. "Bleib' dran, Buffy!" Sie legte das Funkgerät beiseite, und trat vorsichtig an den Eingang heran. "Hallo?"
 

"Willow, lass mich rein, bitte!" schrie Andrew's Stimme von draußen. "Bitte lass mich sofort rein!"
 

"Was ist passiert?" Erschrocken entriegelte die Hexe ihre Tür, und stieß einen leisen Schrei aus, als sie in Andrew's malträtiertes Gesicht blickte. "Hat dich jemand angegriffen?"
 

"Wir haben uns geprügelt, aber das ist jetzt nicht wichtig!" Andrew rang nach Atem. "Willow, ich muss mit dir reden, jetzt gleich, und nicht über Star Trek..."
 

"Jetzt ist leider eine ganz ganz schlechte Zeit." Bedauernd sah die Hüterin ihn an. "Hör zu, ich weiß, worüber du reden willst, und es ist auch wichtig, dass wir das tun, aber Buffy und die anderen brauchen jetzt meine Hilfe..."
 

"Ja, ich weiß," schrie Andrew, "darum geht es ja!"
 

"Ich dachte, du wolltest mit mir über Tara reden?" fragte Willow verwundert.
 

"Ja, das auch, es ist kompliziert. Sehr kompliziert..." er suchte nach den richtigen Worten. "Ich versteh' auch gar nicht genau, worum's geht, und wie das alles zusammenpasst, aber..."
 

"Ja?" fragte Willow.
 

"Vi und Tara...sie wurden vielleicht beide von derselben Person getötet..."
 

+++
 

Ratszentrale

etwas später

"Auf diesem Plan sind aber gar keine Flüsse verzeichnet." Verwirrt betrachtete Dawn die Karte der Kanalisation auf dem Computerbildschirm, und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. "Sie sind sicher, dass es ein Fluss ist?"
 

"Ja, unsere Information ist jetzt endlich genau," bestätigte Giles. "Natürlich waren die Angaben verschlüsselt, es war von heiliger Reinigung die Rede, und allerhand mystischen Ritualen, aber Lily hat es in ihrer Übertragung auf den Punkt gebracht. Die Knochen stellen eine Kreuzung dar, und die Reinigung muss in fließendem Wasser stattfinden, also..."
 

"Also bleiben nur noch eine Handvoll Orte übrig, und Buffy und die anderen hätten sich die Hälfte der Suche sparen können," ergänzte Xander den Satz.
 

"Wenn wir unsere Informationen mit denen von Willow vergleichen, bleiben sogar nur..." Dawn öffnete einen weiteren Plan in einer neuen Datei..."drei Orte übrig. Den hier unten haben sie schon überprüft, und der hier liegt zu weit oben, als dass da ein riesiges, unterirdisches Gebäude hineinpasst..."
 

"Dann hätten wir's ja!" Xander zog sein Handy hervor. "Dann geb' ich gleich Willow Bescheid, damit sie Buffy Bescheid gibt, und...na ihr wisst schon..." Er wählte Willow's Nummer.
 

"Was ist los?" fragte Dawn nach einer Weile.
 

"Sie meldet sich nicht," wunderte sich Xander.
 

"Seltsam...." Giles zog die Stirn in Falten. "Wir sind mitten in der Arbeit, sie würde doch nicht einfach..."
 

+++
 

Kanalisation von Cleveland

selbe Zeit

Buffy's Anspannung war in jeder Bewegung zu sehen, als sie langsam auf die Metalltür zu schlich, welche den Gang an dieser Stelle beendete. Auf der Tür befand sich das gleiche Relief wie auf den Dolchen des Dämonen, den sie vorhin erledigt hatten. Sie mussten hier richtig sein....
 

Während sie die anderen mit einem Handzeichen zurückhielt, drückte sie ihr Ohr an die Tür und lauschte.
 

Nichts. Entweder die Dämonen beteten stumm oder es war niemand zu Hause. Und bei diesem Kult schien letzteres wahrscheinlicher.
 

"Wie sieht’s aus, B?" kam Faith’ Stimme von hinten. Die dunkelhaarige Jägerin war mindestens genauso angespannt wie Buffy.
 

"Nichts..." flüsterte Buffy zurück.
 

Faith nickte, bevor sie sagte: " Rein? Oder wollen wir hier draußen Wurzeln schlagen?"
 

Buffy überlegte kurz. "Rein...aber vorsichtig", sagte sie schließlich, bevor sie die Hand langsam gegen die Tür drückte.

Es war nicht abgeschlossen. Die Tür schwang langsam und erstaunlich geräuschlos auf und gab den Blick in den Raum dahinter frei.
 

Und der Anblick war durchaus beeindruckend.
 

Der Raum war kreisrund und etwas über zwanzig Fuß hoch. In etwa fünfzehn Fuß Höhe befand sich eine Art Balustrade, die in Schatten getaucht war. An den Wänden des Raumes hingen Fackeln, deren flackerndes Licht gespenstisch auf einer zwölf Fuß hohen Steinfigur tanzte, welche den hinteren Bereich des Raumes dominierte. Die Figur hatte acht Arme, welche die verschiedensten Waffen in den Händen hielten. Sie war offenbar weiblich - was ziemlich klar zu erkennen war, da sie bis auf einen Lendenschurz und eine Halskette aus Menschenschädeln unbekleidet war -, ihr Gesicht hatte allerdings eher etwas Monströses. Sogar die Augen schienen hasserfüllt auf die Neuankömmlinge herabzublicken.
 

Aber das war natürlich Blödsinn. Immerhin war das eine Figur aus Stein.
 

Direkt vor ihr befand sich ein kreisrundes Mosaik auf dem Boden, das die Göttin Kali zeigte, wie sie einen Menschen verschlang.
 

"Da hat sich jemand Mühe gegeben", murmelte Robin anerkennend.
 

"Schon, aber ich würd' hier nicht leben wollen....." entgegnete Kennedy.
 

"Sollst du ja auch nicht. Hier zu sterben wird mir genügen!"
 

Die knarzende Stimme schreckte alle gleichermaßen auf. Aus dem Schatten trat eine maskierte Gestalt in einer schwarzen Robe. Sechs rote Arme ragten unter dem schwarzen Stoff hervor. Die Maske war fast identisch mit der ihres letzten Gegners, mit dem Unterschied, daß in die Stirn dieser ein roter Edelstein eingelassen war.
 

"Es ist wirklich praktisch. Normalerweise müssen wir uns die Opfergaben selbst suchen. Und ihr kommt freiwillig...."
 

"Ja, fass dich kurz. So was hör ich andauernd," fuhr ihm Faith dazwischen.
 

"Ts ts ts, ziemlich unhöflich, meine liebe Sterbliche. Eigentlich würd' ich gern noch Beleidigungen austauschen, aber.....nein, das ist zu klischeehaft...in Wahrheit langweilen mich endlose Rededuelle. Bringen wir’s schnell hinter uns."
 

"Gut....dann kommen Sie her und wir machen Sie fertig", erwiderte Ronah.
 

Robin sah den Dämon kurz an und schüttelte den Kopf. " Das ist der Hohepriester, die kämpfen nie selbst."
 

Der Dämon lachte. "Stimmt. Tun wir nicht. Habe ich auch gar nicht nötig, das wird meine Göttin für mich übernehmen. Kali! Steh mir bei! Verleih deinem Abbild deine Kraft und nähre dich von unseren Feinden...."
 

"Das glaub' ich jetzt nicht", keuchte Nadine, als die graue Statue sich mit einem lauten Knacken anfing, zu bewegen. Waffenbewehrte Klauenhände zuckten und der Götze tat einen schwerfälligen Schritt in ihre Richtung. Ein leises Fauchen entrang sich der steinernen Kehle.
 

"Und das noch weniger," fügte Faith hinzu, als plötzlich zwölf weitere Thug'saha von der Balustrade sprangen und begannen, sie einzukreisen.
 

"Zumindest dürfte das interessant werden," sagte Robin, während er den Griff seiner Axt fester packte.....
 


 

+++
 

Ratszentrale

etwas später

"Hoffentlich ist sie das!" Das plötzliche Klingeln des Handys hatte die drei hoch geschreckt. "Willow?" fragte Xander, und im nächsten Moment verhärtete sich sein Gesicht. "Andrew! Du hast vielleicht Nerven. Was? Ach so! Warum denn? Okay."
 

"Was ist los?" fragte Dawn.
 

"Ich versteh's selber noch nicht ganz, aber es ist folgendermaßen," begann Xander mit seinem Versuch die Situation zusammenzufassen. "Willow ist beschäftigt, und Andrew hat jetzt das Funkgerät, und versucht mit Buffy Kontakt aufzunehmen. Er ist vor dem College Gebäude in die Kanalisation geklettert, und will jetzt von uns die Anweisung, wie er zu dem Tempel hinkommt, bevor sein Netz weg ist...."
 

"Grundgütiger, was will denn Andrew beim Tempel?" Giles war mehr, als nur verwirrt. "Bei diesen Dämonen kommt er keine drei Schritte weit."
 

"Ja?" Xander hielt sich das Telephon wieder ans Ohr.
 

Er wurde leichenblass. "Er sagt, es sei eine Falle," flüsterte er tonlos. "Die ganze Sektengeschichte. Buffy und die anderen sind in Lebensgefahr!"
 


 

AKT 4
 

Wenn es jemanden trifft, den du liebst, kannst du den Kopf nicht mehr in den Sand stecken. Die Dunkelheit, in dir nicht länger verleugnen. Nie mehr. Du hast geglaubt, dass dir alles in den Schoß fällt, wahre Freundschaft, die große Liebe, deine magischen Kräfte. Du hast vergessen, dass das Böse allgegenwärtig ist, und dass man hier für alles einen Preis zahlen muss.
 

Welche von deinen Freunden wird es treffen? Buffy, die Jägerin, die mich aus eurem Haus geworfen hat, als mich mir ein paar Zauberutensilien ausborge wollte? Ja, sie ganz bestimmt, aber das ist noch nicht genug. Du hast das Geheimnis der siebten Kugel vergessen. Man lernt sehr viel über solche Dinge, wenn man durch die magischen Dimensionen reist.
 

Vielleicht Xander, dein treuer Freund, der versucht hat, mich mit meiner Magie zu erpressen? Vielleicht deine Geliebte, dieser wandelnde Engel auf Erden, die dich erst verlassen musste, damit du auf die Idee kamst, mich aus meinem Käfig zu befreien? Vielleicht auch die kleine Dawn, die du beinahe umgebracht hättest, als du sie völlig high in ein Auto gezerrt hast?
 

Vielleicht trifft es auch dich selbst, aber das wünsche ich dir nicht, das wäre viel zu gut für dich, und außerdem zu schnell vorbei.
 

Die siebte Kugel ist nicht für dich bestimmt. Sie ist für einen Menschen, den du liebst.
 

Irgendwo

Irgendwann

Die Kerzen standen in einem Kreis auf einem Felsblock, der etwas weniger als einen halben Meter aus der Erde heraus ragte, und in ihrer Mitte hatte Drusilla mit ihren Fingern rote und weiße Schriftzeichen auf den harten Untergrund gemalt. Sie reichte Max, aus der Holzkiste heraus, die sie nur wenige Meter entfernt ausgegraben hatte, ein Glas bis zum Anschlag gefüllt mit Salz.
 

Die Kerzen waren das einzige, was die Wolfsschlucht, die im Verruf stand, den Teufel selbst zu beherbergen, in Licht tauchte, abgesehen von dem Mond und den Sternen, die sich irgendwo hinter dem undurchdringlichen Nebel befinden mussten.
 

Max streute das Salz in einem weiteren Kreis um die Kerzen herum, er fühlte sich nicht wohl bei der Sache, doch seine Angst Agathe für immer an einen anderen zu verlieren überwog seine Zweifel. Er konnte spüren wie die toten Augen der Dämonin, oder was auch immer Drusilla für eine Ausgeburt der Hölle war, ihn mit Befriedigung beobachteten, wie er seine Seele dem Satan verkaufte. Er beendete den Kreis.
 

Er drehte sich wieder zu Drusilla um: "Was muss ich nun tun?"
 

Während sie geheimnisvoll lächelte zog sie einen Zettel aus ihrem Ausschnitt hervor, darauf war ein Vers in einer unordentlichen Handschrift notiert worden und er war mit Blut befleckt. Auffordernd reichte sie ihm den Fetzen Papier: "Lies das laut und deutlich vor, und schon bald wird sie wieder in deinen Armen liegen, dieses Mal für immer!"
 

Max erhob seine Stimme, doch sie klang immer noch sehr unsicher:
 

Schützin, die im Dunkeln wacht,
 

+++
 

Samielle, Samielle, hab acht!
 

"Wie soll ich das lesen, wenn ich noch nicht mal die Sprache verstehe?" Frustriert starrte Warren auf den Zettel. "Ich hab' doch keine Ahnung, wie man das ausspricht."
 

Es war eine Schnapsidee gewesen, hierher zu kommen, das war ihm mittlerweile klar geworden, aber jetzt war es zu spät, noch auszusteigen. Was sollte dieser alberne Hokus Pokus bringen? Er hatte noch nie viel von Magie gehalten, damit sollten sich Leute wie Jonathan rumschlagen.
 

Und diese Catherine. Im fahlen Licht der Kerzen fiel ihm zum ersten Mal auf, wie blass sie war, wie tief die Ringe unter ihren Augen. Die Schminke konnte es nicht verbergen. Mit einem Mal wurde ihm klar, wie wenig er über dieses Mädchen wusste, er hatte keine Ahnung, wer sie überhaupt war, und es hatte ihn auch nie interessiert. Er wusste ja nicht einmal, ob Catherine überhaupt ihr richtiger Name war.
 

Wenigstens war ihm jetzt klar, dass sie sich nicht in Luft auflösen konnte. Sie kam hierher, an diesen Ort, der von außen nicht sichtbar war, doch wenn man hinein trat, stand man plötzlich in einer Art Hütte, oder Bunker, oder was immer das war. Jedenfalls nichts Natürliches. Der Ort verpasste ihm eine ordentliche Gänsehaut, und er wollte so schnell wie möglich wieder weg von hier.
 

Nur der gewaltige Hass auf Buffy ließ ihn weitermachen. Er wollte diese Sache durchziehen, um sie endgültig zu erledigen. Dieses Mal würde sie keine Chance haben, seiner furchtbaren Rache zu entkommen.
 

"Ich les' es dir vor, und du sprichst es einfach nach!" Catherine hob den Zettel, und ihre Hand zitterte dabei. Man konnte echt meinen, sie hätte irgendwelche Entzugserscheinungen. "Also hör gut zu:"
 

Steh mir bei in dieser Nacht,
 

+++
 

Bis der Zauber ist vollbracht!
 

Der Raum war in Dunkelheit gehüllt. Von jener fast samtartigen Finsternis, die überall vorzudringen wagte und jede Ritze ausfüllte. Das jemand sich im Raum befand, war nur durch das sanfte Rascheln von Stoff, dem leisen Räuspern und einem unterdrückten Husten zu bemerken.
 

Auf einmal erfüllte das recht einfache Geräusch eines Schwefelkopfes gegen eine Streichholzschachtel die Stille. Ein Flämmchen blitzte auf und erhellte einen kleinen Umkreis. Dunkler Stoff bewegte sich hinter dem schwachen Licht, als das Flämmchen fortgetragen wurde. Eine Kerze wurde entzündet. Ihr folgten weitere, bis ein Kreis brannte. In seiner Mitte wurden fremdartige Schriftzeichen in roter und weißer Farbe sichtbar, die ein scheinbar wirres Muster bildeten.
 

Die Gestalt außerhalb des Kreises griff nach einem Gefäß und schüttete daraus etwas weiß Glitzerndes um die Kerzen herum. Salz, wie im Licht langsam sichtbar wurde. Danach stieg die Person in die Mitte des Kreises. Der dunkle Stoff wurde als schwarzer Umhang enthüllt und eine Kapuze über dem Kopf verhüllte das Haar. Eine hölzerne Maske, eine geschnitzte Fratze, verbarg das Gesicht.
 

Die Gestalt hob die Hände, mit den Handflächen nach oben und drehte ihren Kopf nach links. Etwas, jemand, trat aus der Dunkelheit dahinter hervor und kam an den Kreis getreten. Das flackernde Licht der Kerzen enthüllte Weatherby, der etwas in ein Tuch eingeschlagenes in seinen Händen hielt. Er schlug den Stoff zurück und enthüllte den Purificatio-Talisman. Er nahm ihn vorsichtig in seine Hand und legte sie der Gestalt in die rechte Handfläche. Ein Nicken deutete ihm ein Danke an und er zog sich zurück.
 

Die Hand des Maskenträgers schloss sich um den Talisman und er trug ihn an eine bestimmte Stelle des Kreises, legte ihn ab und richtete sich wieder auf. Die Gestalt hob erneut die Hände zur Decke, ging in die Knie, weiter in den Schneidersitz hinunter und begann vor und zurück zu wippen. Eine durch das Holz vor dem Gesicht leicht verzerrte, hohl klingende Stimme begann den Ritualspruch auf deutsch mit englischem Akzent aufzusagen:
 

Salbe mir so Kraut als Blei,
 

+++
 

Segn'es sieben, neun und drei,
 

Die Berge schienen ihm zu antworten, ein unheimliches Flüstern verbreitete sich in der Schlucht. Die Lichter der Kerzen tanzten und warfen grausame Schattenbilder an die Felsenwände, die sich gegenseitig zu verschlingen drohten.
 

Plötzlich, mit einem einsamen Windstoß erloschen die Kerzen und für einen Moment schien es Max als würde nichts weiter geschehen. Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, viel lauter als jeder Schuss es je sein könnte, der noch weit entfernt im Dorf zu hören gewesen sein musste. Aus der Mitte des Kreises stieg ein Meer aus blauen Lichtern auf, aus deren Mitte schließlich ein Schatten heraus glitt, der Schrei einer Krähe war zu vernehmen, dann verschwanden die Lichter.
 

Die Gestalt einer wunderschönen Frau richtete sich vor ihnen auf, doch über den Armen gingen von ihren Schultern zwei Flügel mit tiefschwarzen Federn aus, die ihren Körper wie ein Umhang einhüllten.
 

Unsicher drehte sich Max zu Drusilla um, die mit der mysteriösen Krähenfrau vertraute Blicke wechselte, so als ob sie sich schon länger kannten und das was hier geschah, nach einem Plan verlief, den die zwei zusammen geschmiedet hatten. Kälte breitete sich in seinem Herzen aus, ein entsetzliches Grauen, als er begriff, dass er nur ein Teil ihres Spiels war, doch nun konnte er wohl nicht mehr aussteigen, er musste mitspielen und dem Teufel das geben, wonach er verlangte.
 

Drusilla reichte ihm das schmutzige Silbertablett, auf dem sie die sieben Gewehrkugeln für den morgigen Wettbewerb vorbereitet hatte. Ohne, dass es einem weiteren Wort zu ihrem Auftrag bedurfte trat die Krähenfrau an ihn heran und schloss ihre Augen, um sich zu konzentrieren, ihre Hände glitten über den Kugeln durch die Luft.
 

”EINS!”
 

"Eins!"
 

"eins!"
 

Ihre kräftige Stimme hallte durch die Luft, zeitgleich ertönte ein Donner über ihnen, der die Bruchbude schüttelte. Erschrocken hielt sich Warren die Arme über den Kopf.
 

”ZWEI!”
 

"Zwei!"
 

"zwei!"
 

Ein Windstoß wehte die Türe der Halle auf, und der Wind fuhr durch sie hindurch. Weatherby zuckte zusammen
 

”DREI!”
 

"Drei!"
 

"drei!"
 

Der Nebel zog sich enger zusammen um die drei Figuren in der Wolfsschlucht, die unterschiedlicher nicht mehr hätten sein können.
 

”VIER!”
 

"Vier!"
 

"vier!"
 

An den Wänden der Baracke splitterte das Holz.
 

”FÜNF!”
 

"Fünf!"
 

"fünf!"
 

Ein gewaltiger Blitz schlug in die Halle neben ihnen ein.
 

”SECHS!”
 

"Sechs!"
 

"sechs!"
 

Eine tote weiße Taube, deren Gefieder nicht mit einem einzigen Tropfen von Blut verunstaltet war, fiel aus dem Nichts heraus, direkt vor Max' Füße.
 

"Die letzte Kugel .....
 

+++
 

.....erfordert einen Preis!"
 

Samielle griff nach Warren's Arm, während Catherine den Ärmel seines Hemdes zurückzog.
 

"Was...?", setzte Warren an, doch das Gesicht der Krähenfrau verzog sich zu einer grausamen Fratze, aus deren Mitte ein Schnabel hervortrat. Mit einer schnellen Bewegung hackte sie in sein weiches Fleisch hinein, und während noch sein Schmerzensschrei in der Baracke widerhallte, segnete sie mit seinem Blut die letzte Kugel: "Sieben!"
 

Es war vollbracht.
 

+++
 

Cleveland, Gegenwart

vor dem College Gebäude

Wie mechanisch führten ihre Hände das Ritual aus. Die Kerzen, das Salz, die Symbole in roter und weißer Farbe. Jahre des Zauberns hatten sie gelehrt, ihren Körper ganz auf die notwendigen Handlungen zu konzentrieren, damit ihr Geist frei blieb, und für die Magie bereit war.
 

Alles andere kam später. Jetzt durfte ihr kein Fehler unterlaufen, das durfte sie nicht riskieren. Jetzt war nicht die Zeit für Schmerz, Verzweiflung und Rachegedanken. Das alles war....
 

"Und du glaubst immer noch, Magie sei dazu da, große Dinge zu bewegen, und das ist ein Irrtum. Sie bewegt kleine Dinge, ganz kleine Dinge. Winzig. Und doch so tödlich!"
 

Oh große Göttin, er hatte es gewusst! D'Hoffryn hatte es gewusst....
 

Warum hatte sie sich nie die Mühe gemacht, genauer nachzuforschen? Warum war sie nie auch nur auf die Idee gekommen, dass etwas nicht gestimmt hatte?
 

Die Flugbahn der Kugel war vollkommen unmöglich gewesen. Schon allein, dass sich das Einschussloch in ihrem Fenster genau auf Tara's Brusthöhe befand, wie sollte das bei einer Kugel funktionieren, die von schräg unten aus dem Garten kam? Die Kugel hätte die Zimmerdecke treffen müssen, aber niemals Tara!
 

Aber wer berechnet schon Flugbahnen, wenn er gerade die Liebe seines Lebens verloren hat? Für sie waren nur drei Dinge wichtig gewesen. Ihre Liebste war tot. Getötet von einer Kugel. Von der Kugel aus Warren's Pistole.....
 

Nein, jetzt ging es nicht um Tara. Auch nicht um Vi. Ihnen konnte sie nicht mehr helfen. Jetzt ging es ausschließlich darum, dass Buffy und den anderen nichts zustieß. Sie musste die Schützin hierher beschwören, damit ihre entsetzliche Macht nicht zur Gefahr für ihre Freunde wurde.
 

Vi war von einem Pfeil getötet worden. Also konnte man im schlimmsten Fall davon ausgehen, dass noch sechs weitere von diesen Pfeilen existierten, jeder dieser Pfeile absolut tödlich. Diese Pfeile befanden sich in der Hand dieses geheimnisvollen Maskenträgers von der dämonischen Thug Sekte, und er würde bestimmt nicht zögern, sie einzusetzen, wenn ihre Freunde seinen Tempel angriffen.
 

Und diese Magie war so mächtig, dass sie sie nicht hatte orten können. Nicht bei Vi. Und auch nicht damals bei Tara. Solange sie nicht gewusst hatte, wonach sie suchte, hatte sie auch nichts herausgefunden. Erst jetzt, erst jetzt, nachdem sie den Namen des Dämons kannte, hatte sie herausfinden können, wie man ihn beschwor.
 

Daß die Kugel tüchtig sei!

Samielle, Samielle, herbei!”
 

Ein Flügelrauschen, der Schrei einer Krähe, und Willow stand der Frau gegenüber, deren dämonische Mächte Tara's und Vi's Leben ausgelöscht hatten.
 

+++
 

Kanalisation von Cleveland

unterirdischer Tempel, selbe Zeit

"Wenn die Pfeile verbraucht sind, haben wir dann überhaupt noch Verwendung für die Schützin?" fragte Weatherby und warf seinem Auftraggeber einen hoffnungsvollen Blick zu. Je eher diese dämonische Kreatur aus seinem Leben verschwand, desto besser.
 

"Das könnte ich mir durchaus vorstellen," entgegnete die maskierte Gestalt.
 

Die beiden standen auf der Balustrade des Kali Tempels und sahen dem Kampftreiben unter sich zu. Fünf Jägerinnen und ein Wächter schlugen sich mit einem Haufen Thug'sahas und einer zum Leben erwachten Göttinnenstatue herum.
 

Sechs Gegner, sechs Pfeile. Eigentlich eine einfache Rechnung, wenn man dafür sorgen wollte, dass es bei dieser Expedition keine Überlebenden gab, fand Weatherby. Doch sein Auftraggeber wollte noch warten, vielleicht würde ihnen durch die Dämonen ja die eine oder andere Unannehmlichkeit erspart werden. Dann musste er nicht alle Pfeile auf einmal verwenden. Es gab schließlich noch mehr Menschen, die eventuell Schwierigkeiten machen konnten. Große Ziele erforderten auch große Opfer.
 

Der ehemalige Wächter konnte nicht begreifen, wie sein Boss in einer solchen Situation so ruhig bleiben konnte. Hier war eine Horde mörderischer Dämonen, und falls diese den falschen Priester in ihrem Gotteshaus entdeckten, würden sie nicht gerade zimperlich mit ihm umgehen.
 

"Es wird Zeit!" Der Maskenträger griff nach der Armbrust, und spannte den ersten Pfeil ein. Wo sollte er beginnen? An sich war es gleich, denn sterben würden sie alle, und da die Pfeile unfehlbar waren, musste er sich auch keine Gedanken über ein freies Schussfeld machen.
 

Es wäre interessant gewesen, einmal herauszufinden, wie unfehlbar sie wirklich waren. Konnten sie Stahl durchschlagen? Ein Ziel auf einem anderen Kontinent treffen?
 

Er würde es nie herausfinden, denn jeder Mensch konnte nur ein einziges Mal im Leben von dieser Macht Gebrauch machen. Aber eigentlich war es auch ohne Bedeutung.
 

Seine Entscheidung war gefallen. Er hob die Armbrust über die Balustrade, und feuerte seinen zweiten Pfeil ab...
 

+++
 

Vor dem College Gebäude

selbe Zeit

"Du benötigst sieben geweihte Geschosse?"
 

Willow blickte in die blitzenden Augen der anmutigen jungen Frau, die man für einen Menschen hätte halten können, wären da nicht die nachtschwarzen Schwingen gewesen.
 

Ihr Herz klopfte schnell, doch sie wusste nicht ob es die Nervosität war, oder einfach purer Hass. Dank dieses Dämons war ihre große Liebe gestorben. Sie hatte schuld daran, dass Warren von ihr getötet wurde, und die Schützin hatte es genauso zu verantworten, dass ihre Welt damit eingestürzt war. Genauso gut hätte es die ganze Erde treffen können, wenn Xander nicht rechtzeitig dazwischen gegangen wäre.
 

Es war wieder kalt geworden, und die laue Brise der letzen Tage war zu Eis erstarrt. Kein Mensch weit und breit, anscheinend hatten alle irgendetwas anderes zu tun, anstatt den Mörder ihrer Seelenverwandten anzutreffen.
 

Nur, dass ihr immer noch nicht völlig klar war, wie das Ganze passiert war. Die Schützin konnte Kugeln verzaubern, oder meinetwegen auch Pfeile. Aber Warren's unfehlbare Kugeln hatten Buffy nicht getötet. Eine Kugel hatte sie schwer verletzt, doch sie hatte nicht das Herz getroffen. Nicht so, wie bei Vi.
 

Stattdessen war Tara getroffen worden. Wieso? Warren hatte nicht auf sie gezielt, er hatte ja nicht einmal gewusst, dass sie überhaupt da war.
 

"Nein, von dir brauch' ich überhaupt nichts!" entgegnete Willow, in der in diesem Moment wieder alle Gefühle von Taras Tod hochkamen. Sie konnte es nicht beschreiben, aber es ähnelte dem dunklen Schmerz, den sie gespürt hatte, bevor sie sich dem Bösen verschrieb. Das vorhin waren nur harmlose Gedanken gewesen.
 

"Oh, jetzt verstehe ich!" Ein Grinsen der Schützin verunsicherte Willow. Sollte sie selbst den gleichen Gesichtsausdruck haben, um gegen sie anzukommen? Mit den gleichen Mitteln kämpfen?
 

"Wieso hast du es getan?” Willow riss sich zusammen, versuchte ihre Emotionen zu kontrollieren.
 

"Es ist meine Aufgabe." entgegnete die Schützin schlich. "Die Menschen rufen mich an, wenn sie meine Hilfe brauchen. Sie sind es doch, die töten wollen. Meine Magie ist nur ihr Werkzeug..."
 

"Das ist eine Lüge! Warum ausgerechnet sie?”, schrie ihr Willow entgegen. Sie wollte nicht, dass Tränen ihre Wangen herunterliefen, sie musste stark sein, um dem Wesen das ihren Hass widerspiegelte entgegenzutreten. Doch die Tränen kamen ohnehin. Natürlich hatte die Hexe jetzt ein neues Leben, eine neue Liebe zu Kennedy, aber darüber konnte sie gerade nicht weiter nachdenken. Diese Kreatur hatte ihr einfach alles genommen, jeden Funken Hoffnung zerstört.
 

Wortlos verfolgte Samielle den Lauf von Willow’s Gesichtszügen, und erfreute sich daran.
 

Ein Zittern lief durch Willow's Körper. "Du hast sie getötet, weil du es so wolltest."
 

"Oops!" Ein ertapptes Lächeln huschte über Samielle's Lippen. "Erwischt!"
 

"Warum sie?" fragte Willow ein weiteres Mal. Ihre Stimme klang dunkel, ihre Haare hatten zu flattern begonnen." Weißt du, was du mir damit angetan hast?”
 

"Wie mir scheint, kennst du mein Geheimnis nicht!" Das Gesicht der Schützin spiegelte pure Amüsanz wieder. "Sechs Geschosse treffen jedes Ziel, welches der Schütze sich wählt, er braucht nur daran zu denken. Die siebte Kugel aber, die Letzte gehört mir allein. Nur ich allein bestimme, welches Herz sie durchbohrt... wobei...so schön die Zahl sieben auch sein mag, ich bin durchaus in der Lage, ein wenig zu improvisieren!
 

Sie begann, gespielt zu überlegen. "Hm...warum sie? Oh, ich weiß gar nicht mehr - vielleicht weil sie so unschuldig war. Mir wurde ganz schlecht, bei so viel Unschuld und Güte. Vielleicht aber auch, weil ich deine Macht spürte, und sehen wollte, was du damit anrichten kannst, wenn du nicht länger an die Leine gelegt wirst?"
 

Ein teuflisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Nein, ich fürchte, ich hatte gar keinen wirklichen Grund. Es war einfach nur 'Ene Mene Mu und raus bist du!'
 

+++
 

Kanalisation von Cleveland

selbe Zeit

Geisterhaft hallten seine Schritte an den Wänden wider, als er weiter und immer weiter rannte. Manchmal platschte er durch schmutziges Wasser, aber es war ihm egal. Manchmal wuselten niedliche kleine Ratten zu seinen Füßen herum, aber er konnte noch nicht einmal einen zweiten Blick riskieren. Jede Sekunde war kostbar.
 

Wenn Andrew doch einmal Atem schöpfen musste, dann versuchte er Buffy über das Funkgerät zu erreichen. Warum verdammt, ging sie nicht ran? War es etwa schon zu spät? Sein Herz krampfte sich vor Angst zusammen. Warum hatte er nicht früher mit Warren geredet? Seit Wochen kämpften sie jetzt gegen diese Krähendämonin, und Warren hätte ihm die ganze Zeit sagen können, wer sie war, wenn er nur einmal das Thema angeschnitten hätte.
 

Doch sie hatten jedes Thema gemieden, das zu einem Konflikt hätte führen können. Weder hatten sie über die Vergangenheit gesprochen, noch über Andrew's Freundschaft zu Buffy, und die damit verbundenen Kämpfe gegen Dämonen und Vampire. Er hatte keine Angst mehr vor Warren, schon längst nicht mehr, aber er hatte auch nicht mit ihm streiten wollen, nicht mehr als unbedingt nötig, jetzt wo er ihn endlich wiederhatte.
 

Auch das würde sich ändern....wahrscheinlich würden sie sich in nächster Zeit sehr viel streiten...hoffentlich endete das nicht jedes Mal in einer Prügelei.
 

Ob es Willow gelungen war, die Schützin zu beschwören. Er hatte ihr nicht allzuviel über das Ritual sagen können, nur die Dinge, an die Warren sich erinnerte. Doch Willow hatte eine Menge Möglichkeiten, sie konnte Zaubersprüche aus dem Nichts auftauchen lassen, und mit mächtigen Wesen reden, und so weiter. Sie würde es schon schaffen.
 

Kampfeslärm erreichte seine Ohren, hallte von den Wänden wider, Krachen, Poltern, Geschrei. Er war nah dran. Jetzt musste er in diesen Schacht runterklettern, es war alles genauso, wie Xander es am Telephon erklärt hatte. Gleich würde er den Tempel erreicht haben.
 

Aber wenn Willow gegen die Schützin kämpfte, hieß das dann, dass die Pfeile nicht mehr gefährlich waren? Oder musste sie sie dazu erst besiegen? Oder wäre der Zauber selbst nach ihrem Tod noch wirksam?
 

+++
 

Kanalisation von Cleveland

unterirdischer Tempel, selbe Zeit

"Aufs Handgelenk!" schrie Buffy. Nadine reagierte blitzschnell, und ihr Scimitar sauste nach oben. Zwar war die Verletzung nicht tief, doch sie bewirkte, dass der Dämon eins seiner Schwerter fallen ließ. Buffy wich dem Dolchstoß eines weiteren Armes aus, und ihr eigenes Schwert durchbohrte die Schulter der Kreatur.
 

"Pass auf, er ist..."
 

Was der Dämon war, sollte Buffy niemals erfahren, denn in diesem Moment zischte ein Pfeil an ihr vorbei, und bohrte sich der jungen Frau in die Brust. Mit leeren Augen sank Nadine zu Boden, sie war tot, bevor sie dort aufschlug. Entsetzt fuhr Buffy herum, der Pfeil war von oben gekommen. Standen dort weitere Dämonen auf der Balustrade?
 

Ob die Gestalt ein Dämon war, wusste sie nicht. Im Halbdunkel war sie nur als Schatten zu erkennen, ein unheimlicher Schatten, der kein Gesicht zu haben schien, sondern eine verzerrte Fratze. Noch bedrohlicher aber war die erhobene Armbrust, auch wenn in dieser im Moment kein Pfeil mehr war. Die Gestalt brauchte nur nachzuladen, und...
 

War dies der Mörder von Vi? Vielleicht einen Art Oberpriester der Sekte?
 

"Buffy!" hörte sie in diesem Moment eine Stimme schreien. "Du musst ihn aufhalten. Jetzt sofort!"
 

"Andrew?" Sie hätte nicht überraschter sein können. "Was tust du hier?"
 

"Keine Zeit." Der blonde junge Mann ließ sich zu Boden fallen, um dem Schwerthieb eines Dämons auszuweichen. "Halt ihn auf, sind noch fünf! Er darf nur auf dich schießen, nur auf..."
 

Den Rest hörte sie nicht mehr, sie war bereits losgerannt. Mit gewaltigen Sätzen jagte sie auf die Treppe zu.
 

"Das ist er!" schrie Faith. Sie war plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, hinter dem Dämon, der nach Andrew geschlagen hatte. Dahinter kämpften Ronah und Kennedy jetzt allein gegen die gewaltige Götzenstatue, welche nicht die Schnelligkeit und Gewandtheit ihrer Diener besaß, dafür aber das Dreifache an Kraft. Ihre vier linken Arme wirbelten um Kennedy herum, eine unaufhaltsame Todesmaschinerie.
 

Faith allerdings hatte jeden Blick für ihre Umgebung verloren. Dort oben stand er, sie war sich sicher. Dies war Vi's Mörder, und sie würde jetzt Rache nehmen, alles andere war nebensächlich. Sie setzte zum Sprung an -
 

- und schlug der Länge nach hin, Andrew hatte ihr ein Bein gestellt. Sie stieß einen Schrei aus, nicht vor Schmerz, sondern vor Wut, eine geballte Wut, und für den Moment entlud sich diese Wut auf Andrew, den sie am Kragen packte, und mit sich hochriss, als sie auf die Füße sprang. "Das ist mein Kampf, verdammt noch mal," brüllte sie. "Nicht Buffy's!"
 

"Du hattest recht!" Andrew versuchte die Worte so schnell wie möglich rauszubekommen, bevor Faith ihn in ihrem Zorn K.O. schlug, oder dem Maskenträger nachjagte. "Es war Magie! Vi wurde mit Magie getötet!"
 

"Du wusstest es die ganze Zeit!" schrie Faith.
 

Er schüttelte den Kopf und spürte, wie sich der Druck auf seinen Hals verstärkte. "Nein, wusste ich nicht, aber jetzt weiß ich es! Ein Dämon steckt hinter allem - die schwarze Schützin!"
 

+++
 

Vor dem College Gebäude

selbe Zeit

Willow hatte genug gehört. Ihr ganzer Hass, ihre ganze Wut entlud sich in einem wilden Schrei, und einem gewaltigen Energiestoß, der normalerweise jeden Gegner von den Füßen geholt hätte.
 

Nicht so die Schützin. Noch während der mächtige Blitz auf sie zujagte, veränderte sich ihr Gesicht. Federn sprossen aus der menschlichen Haut, und ein riesiger Krähenschnabel bahnte sich seinen Weg aus ihrem Gesicht. Nur das Kinn und der menschliche Unterkiefer blieb darunter bestehen, und Willow hatte auch jetzt noch das Gefühl, dass die Kreatur teuflisch lächelte.
 

"Ich bin froh dass ich dir das angetan habe." Ihre Stimme war ein unmenschliches Krächzen, als sie den Schnabel öffnete, und damit den Energieblitz einsog, ihn wie eine Beute hinunterschlang. "Sonst könnte ich dich jetzt nicht leiden sehen..."
 

"Wenn du glaubst, dass du meine Konzentration stören kannst, muss ich dich leider enttäuschen.” Willow war längst nicht so ruhig, wie sie sich gab, sie musste sich gehörig zusammenreißen. Aber sie wusste, dass sie genug Kräfte hatte, um diese Fratze von ihrem Grinsen zu befreien, und das musste sie auch zeigen.
 

Sie murmelte die Worte, und bereitete sich auf einen weiteren Zauber vor. In ihrem Herzen spürte sie, wie ihre Wut sich weiter aufbaute, die dunklen Kräfte in ihr wuchsen. D'Hoffryn hatte recht gehabt, sie waren noch immer in ihr. Aber niemals wieder würde sie mit ihnen ein Menschenleben auslöschen, oder sich gegen ihre Freunde richten.
 

Dies jedoch war ein Dämon. Und wenn dieser Dämon nicht gewesen wäre, dann hätte die letzte Kugel Tara niemals treffen können.
 

Also musste sie sich nicht zurückhalten. Sie hob ihre Arme, ein grünlich schimmernder Nebel floß aus ihren Fingerspitzen auf die Schützin zu. Er legte sich um ihren Körper, formte eine feste Masse.
 

"Und falls du glaubst, du kannst mir Angst machen, kleine Hexe, dann wird es mir eine Freude sein, deine Asche im Meer zu verstreuen.” Wie naiv war dieses Mädchen eigentlich, sich mit ihr anzulegen? Sie riss ihren Krähenschnabel auf, und saugte den Nebel ein, wie zuvor den Blitz.
 

"Ich werde Tara's und Vi's Tod rächen, egal was es kostet.” Willow konzentrierte sich. Samielle konnte sie töten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Es wäre eine Befreiung für die Menschheit. Diese Energiewellen, die Willow jetzt gegen die Schützin warf, erinnerten sie so an den Kampf gegen Giles. Ihr ganzer Zorn war mobilisiert, ihre ganze Kraft die sie sich so lange aufgespart hatte. Nun kannte sie den Grund, warum sie immer noch keine Befriedigung nach Warren's Tod erhalten hatte.
 

Willow war sich so sicher, diesmal etwas bewirkt zu haben, dieser Zauber war einer ihrer Stärksten. Doch sie fehlte. Die Blitze der Energiekugeln prallten an Samielle ab, sie sog auch sie langsam in sich auf. Das Gesicht der Schützin strahlte nun vor Triumph. "Habe ich dir nicht gesagt, dass du nichts gegen mich ausrichten kannst?”
 

Die Erinnerung an die Auseinandersetzung mit dem Wächter waren nicht gefehlt gewesen. Doch nun musste sie es anders versuchen. Sie musste die Dämonin mit etwas angreifen, das nicht nur reine Energie war. Etwas, das sie nicht aufsaugen konnte.
 

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Kanalisation von Cleveland

unterirdischer Tempel, selbe Zeit

Sie hörte das Surren des Pfeils, noch bevor sie die Treppe erreichte. Kein Zweifel möglich, dieser Pfeil war für sie bestimmt. Oder etwa nicht? Er sauste an ihr vorbei, und blieb zwischen den steinernen Ornamenten stecken, welche das Treppengeländer schmückten.
 

Noch vier Pfeile, wenn sie Andrew's Worte richtig interpretiert hatte. Irgend etwas stimmte nicht mit diesen Pfeilen, hatte Faith nach Vi's Tod behauptet, aber jetzt war keine Zeit, um darüber nachzudenken. Der dritte Pfeil hatte gefehlt. Man konnte ihnen ausweichen. Es musste möglich sein, dass sie...
 

Wie in Zeitlupe sah sie das nächste Geschoss auf sich zukommen. Der Maskierte stand jetzt nicht mehr an der Balustrade, er war nach vorne gerannt, zur Treppe. Er hatte seine sichere Position im Schatten verlassen, er war kein geheimnisvoller überlegener Unbekannter mehr, er war jetzt nur noch ein Gegner, den sie bekämpfen konnte, und noch dazu einer, der aus der Ruhe gebracht worden war.
 

Das sagten ihr ihre Instinkte. Was immer es mit diesen Pfeilen auf sich hatte, ihr Feind hatte nicht damit gerechnet, dass sie diesem Angriff entkommen würde.
 

Sie jagte die Treppe hinauf, zwei, drei Stufen auf einmal. Beinahe wäre sie gestürzt, als sie sich zur Seite warf, doch im letzten Augenblick schlug ihre Hand auf dem Boden auf, sie konnte sich abstützen. Wieder ein Pfeil weniger! Jetzt musste sie nur noch...
 

Ein kräftiger Stoß warf sie die Stufen hinunter, und im nächsten Moment spürte Buffy einen rasenden Schmerz in der linken Schulter. Sie suchte nach Halt, irgendetwas, um zu verhindern, dass sie bis ans Ende der Treppe geschleudert wurde, oder womöglich noch weiter, mitten ins Kampfgetümmel. Ihre Finger bekamen einen der steinernen Totenköpfe zu fassen, welche das Treppengeländer zierten, doch der Schmerz in ihrem Arm war so heftig, dass sie ums Haar wieder losgelassen hätte.
 

Mühsam stemmte sie sich mit dem rechten Arm hoch. Sie durfte jetzt nicht aufgeben, ihre Freunde dort unten hatten keine Ahnung von der furchtbaren Gefahr. Sie musste weiterhin die Aufmerksamkeit des Maskenträgers auf sich lenken.
 

Zwei Pfeile! Es waren nur noch zwei Stück, und einen davon hielt die Gestalt bereits in der Hand. Jetzt hatte sie nur noch Augenblicke Zeit, bis zum nächsten Schuss, doch es war genug, um die Distanz zwischen sich, und dem Maskenträger um mehrere Yards zu verringern. Ihr Feind kam weiterhin auf sie zu, er war im Vorteil, da er höher stand als sie, doch er hatte nicht ihre Reflexe. Das erkannte sie an der Geschwindigkeit, mit der er den Pfeil in die Armbrust spannte.
 

Sie hörte das Surren des Schwertes buchstäblich im letzten Augenblick, bevor es ihre Hüfte getroffen hätte. Einer der Dämonen war ihr gefolgt, und wollte sich auf sie stürzen. Sie stieß sich mit beiden Beinen vom Boden ab, und sprang hoch in die Luft, um dem Schlag auszuweichen.
 

Dem Schlag konnte sie damit auch ausweichen, nicht aber dem Pfeil, er bohrte sich in ihren Oberschenkel. Ihr war klar, dass sie stürzen würde, wenn sie wieder auf der Erde aufkam, sie musste zumindest außerhalb der Reichweite des Dämons landen, dessen Arme sich drohend nach ihr ausstreckten.
 

Hart schlug sie auf dem obersten Treppenabsatz auf, nur wenige Stufen unterhalb der Balustrade. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie der Dämon herumwirbelte, er wurde von Robin angegriffen, und konnte ihr zumindest im Moment nicht folgen.
 

Aber der Maskenträger war noch da. Ohne Eile trat er auf sie zu, und spannte den letzten Pfeil in die Armbrust ein.
 

Er beugte sich über sie, und zielte mitten auf ihre Brust.
 

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Vor dem College Gebäude

selbe Zeit

Willow hob die Hände, und riss einen Schwung Pflastersteine aus dem Weg, der zum College Gebäude führte. Der alte Messertrick, den sie schon gegen Glory angewendet hatte, nur dass es diesmal keine Messer waren. Egal, man musste eben improvisieren. Sie wollte mal sehen, wie dieses Vieh Steine fraß, dachte sie grimmig, als die schweren Brocken mit rasender Geschwindigkeit auf die Schützin zuschossen.
 

Samielle öffnete ihren Schnabel, und stieß einen krächzenden Schrei aus. Doch es war kein Angstschrei, wie Willow zuerst geglaubt hatte, aus ihrem Rachen floss der grüne Nebel, mit dem Willow sie vorhin hatte einfangen wollen. Der Nebel verfestigte sich vor ihren Körper, wurde zu einer breiernen Masse, in welcher die Steine steckenblieben.
 

Einen schrecklichen Augenblick lang dauerte es, bis Willow klar wurde, dass diese Dämonin nicht nur in der Lage war, ihre Magie zu absorbieren, sondern sie auch wieder abzugeben. Sie begann einen Abwehrzauber zu murmeln, doch es war schon zu spät, der Energieblitz, den sie als erstes abgefeuert hatte, riss sie von den Fußen, und sie schlug hart auf dem steinernen Boden auf.
 

Benommen hob sie die Arme. Sie konnte nicht aufstehen, aber sie musste einen Schutzzauber durchführen, irgendwas, nur damit sie ihrer Feindin nicht hilflos ausgeliefert war.
 

"Protege!" Ein schwaches Flimmern spannte sich wie ein dünne Haut zwischen ihren Fingerspitzen, breitete sich aus, wurde zu einer schimmernden Hülle, um sie herum.
 

Der ersten Energiewelle hielt der Schutz noch stand, aber dann zerbarst er in Tausende von Einzelteilen. Mit Genuss schleuderte Samielle die nächsten Wellen auf Willow, welche im gleißenden Licht nichts mehr erkennen konnte. Es tat so unglaublich weh, ließ ihren Körper wie Feuer brennen. Doch im Vergleich zu dem seelischen Schmerz, den die Schützin ihr, und so vielen auch anderen Menschen angetan hatte, war das absolut gar nichts. Die Hexe wollte schreien, doch aus ihrem Mund kam kein einziger Ton.
 

Samielle erfreute sich an Willow's Verzweiflung, war sich sicher schon gewonnen zu haben. "So einfach gebe ich nicht auf...”, murmelte Willow. Natürlich pumpte ihr Herz wie wahnsinnig, und ihre Lunge schnürte sich langsam zu, aber es war der einzige Augenblick, in dem sie die Rache bekam, die sie schon so lange wollte.
 

Mit letzter Kraft versuchte sie sich aufzurichten, doch hilflos fiel sie wieder auf den Boden zurück, ihr ganzer Körper ein einziger Schmerz. Für einen Moment wünschte sie sich ihre Visionen zurück, die noch angenehm im Vergleich zu diesen Schmerzen waren.
 

Die Schützin hatte sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
 

"Freust du dich nicht?" erklang die krächzende Stimme dicht an ihrem Ohr. "Jetzt kannst du endlich deine Liebste wieder sehen..."
 

Samielle hatte sich über sie gebeugt, ihre mächtigen dunklen Schwingen verbargen den Nachthimmel über ihr. Nur einen einzigen Stern konnte Willow noch zwischen den samtschwarzen Federn erkennen, als der gewaltige Schnabel auf sie zukam.
 

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Kanalisation von Cleveland

unterirdischer Tempel, selbe Zeit

Würde das ihr Ende sein? Würde sie auf diese Weise sterben? Ein heftiger Stoß gegen die Brust, dann ein stechender Schmerz, und schließlich...Dunkelheit?
 

Aber der Stoß blieb aus. Stattdessen ein ohrenbetäubendes Krachen, das myriadenfach von den Wänden widerhallte, ein gewaltiges Beben, welches Wände, und Boden erschütterte. Schreie und das Trappeln vieler Füße vermischten sich darin.
 

Unter ihr war die wandelnde, und kämpfende Kali Statue in tausend Stücke zerbrochen.
 

Über ihr erzitterte die Armbrust, sie hörte ganz deutlich das Surren der Sehne, als diese zurückschnallte. Kein Stoß, kein Schmerz. Nur ein Schrei. Der Schrei eines Menschen, der ganz plötzlich abriss.
 

Und ein Schatten, als eine Gestalt über die Balustrade stürzte.
 

Buffy warf sich zur Seite, und kickte mit ihrem unverletzten Bein nach dem maskierten Angreifer, um diesen von den Füßen zu reißen. Der Maskenträger strauchelte, und ließ die Armbrust fallen, als er sich mit beiden Händen am Treppengeländer festhielt, um seine Balance zu halten.
 

Mit einem Satz sprang die Jägerin auf die Füße, doch sie hatte ihr verletztes Bein unterschätzt. Es gab unter ihr nach, und im nächsten Moment rollte sie polternd die Stufen zur Tempelhalle hinunter. Verzweifelt versuchten ihre Hände sich irgendwo festzuhalten, irgendwo...sie spürte, wie der Pfeil in ihrem Bein abbrach, und der zweite, der in ihrer Schulter steckte, noch tiefer hineingetrieben wurde.
 

Schmerz zuckte durch ihren Körper, als zwei Hände sie packten, und ihren Sturz abfingen. "Alles okay, ich hab' dich!" Es war Robin's Stimme, er legte die Jägerin vorsichtig auf den Boden, und begann ihre Verletzungen zu untersuchen.
 

Buffy hob den Kopf und sah um sich. Der ganze Boden war mit dämonischen Leichen, und steinernen Bruchstücken übersäht, überall war Blut. Und die Leiche eines Mädchens - Nadine.
 

"Beiß die Zähne zusammen!" Robin begann damit, die Pfeile zu entfernen, während Kennedy an ihr vorbei die Treppe nach oben stürmte, offensichtlich auf der Suche nach der maskierten Gestalt. Ronah lehnte schwer atmend an einer Säule, sie blutete aus mehreren Schnitten, und Aufschürfungen, zum Glück schienen die Wunden aber nicht gefährlich zu sein. Auch Andrew schien noch einiges abbekommen zu haben, doch dann - er hatte schon ziemlich fertig ausgesehen, als er hier aufgetaucht war.
 

Sie musste wohl für einen Augenblick das Bewusstsein verloren haben, denn im nächsten Moment brannte ihre Schulter wie Feuer, und Kennedy kam wieder nach unten gerannt, in der Hand eine Armbrust. "Nichts," erklärte sie knapp. "Wer immer da oben noch war, ist längst über alle Berge!"
 

"Nadine ist tot." Ronah's Stimme zitterte. "Und hier ist noch ein toter Mann!"
 

Buffy's Augen verengten sich, als sie die Leiche betrachtete. Sie kannte diesen Mann! Sie hatte ihn irgendwo schon mal gesehen, aber wo war das gewesen?
 

Der Tote hatte eine Wunde in der Brust, aber es war kein Pfeil zu sehen. Als ob sich dieser in Nichts aufgelöst hätte. Mehr noch, wieso war dieser Mann überhaupt getroffen worden? Der Maskierte hatte doch ganz deutlich auf Buffy gezielt, und seine Armbrust war nur ein paar Zoll von ihrer Brust entfernt gewesen. Buffy runzelte die Stirn. Das ergab alles keinen Sinn...
 

Suchend blickte Ronah sich um "Wo ist Faith?"
 

+++
 

Vor dem College Gebäude

selbe Zeit

Ein lauter Schlag durchbrach die nächtliche Stille, und der Schnabel sauste an ihrem Hals vorbei, in die Erde. Instinktiv rollte Willow sich zur Seite, weg von ihrer Feindin, die einen lauten Schmerzenslaut ausstieß, und dabei versuchte ihren Schnabel zu befreien, der im Boden feststeckte.
 

Faith holte zu einem weiteren Schlag mit dem Kanaldeckel aus....
 

Etwas im Körper der Krähenfrau knirschte unheilvoll und ein großes Zucken ging durch ihren Körper, ehe sie reglos liegen blieb. Doch damit gab sich Faith nicht zufrieden. Sie bückte sich nach dem Schwert, das sie beim Herausklettern aus dem Schacht hatte zur Seite legen müssen, und durchbohrte den Rücken der Krähenfrau.
 

Willow stemmte sich in die Höhe und erstarrte auf halbem Weg, während ihre Augen fasziniert an den blutverklebten Flügeln und dem leicht zitternden Schwert fest hingen. So einfach war das gewesen? Alle Magie war nutzlos?
 

"Alles in Ordnung?" Faith stand nun neben Willow und half ihr auf, während die Energie die sie gegen den Boden gedrückt hatte, nicht mehr wirkte.
 

"Nein!" Ein leises Zittern in Willow's Stimme verriet Faith, dass hier ein harter Kampf getobt hatte. Jeder Teil von Willow's Körpers schmerzte, und doch war ihre Wut stärker. Auch noch jetzt, wo die Krähendämonin besiegt zu sein schien. "Faith - sie hat Tara auf dem Gewissen. Und Vi! Und so viele Menschen!"
 

”Ich weiß!" Faith Augen sprühten Blitze, als sie sich ihrer reglosen Gegnerin zuwandte. "Ich hab' noch 'ne Rechnung mit dir offen!”, murmelte Faith. “Zu schade das du schon ins Gras gebissen hast.”
 

“Wo.. wo sind die anderen?”, fragte Willow besorgt. "Geht es ihnen gut?"
 

“Als ich weggerannt bin, sah's jedenfalls noch so aus. Was ist los?” Faith sah besorgt in Willows Gesicht, das auf einmal reglos erschien, die Augen starr auf etwas hinter Faith Rücken gerichtet. Faith wirbelte herum....
 

”Eine Hexe und eine Jägerin. Ich glaube nicht, dass ich da Angst bekomme!” spöttelte Samielle arroganterweise und faltete ihre Flügel auseinander, um zu testen, wie stark sie verletzt wurden. Ein kurzes schmerzhaftes Zucken ging durch ihr Gesicht. Dann griff die Schützin nach hinten und zog das Schwert von Faith mit einem kurzen Krächzen aus ihrem Rücken heraus. Achtlos warf sie es zur Seite.
 

”Denkst du wir etwa vor dir?”, antwortete Faith, die auf die Schützin zu rannte, ungeachtete der Tatsache, dass dieses Wesen tot sein sollte. Faith drückte sich vom Boden ab, federte in die Höhe und rammte beide Beine mit einem Sprung nach vorne in den Bauch der Dämonin. Faith verlor unter dem eigenen Schwung das Gleichgewicht, sah aber zufrieden, wie Samielle ebenfalls schwankte. Die dunkelhaarige Jägerin kam unsanft auf der Seite auf, sprang sofort in die Höhe, federte in die Knie und nutzte das gestörte Gleichgewicht der Schützin dazu aus, ihr mit einem schnellen, harten Fußfeger, die Beine unter dem Leib wegzureißen.
 

”Willow steh nicht wie angewurzelt da. Hast du vergessen was sie uns angetan hat?” Faith behielt die Dämonin scharf im Auge, die dank der Jägerin hart mit dem Rücken auf den Boden prallte. Sie bückte sich nach dem Schwert....
 

Faith hatte Recht. Wieso verunsicherte sie diese menschliche Krähe so? Nun... vielleicht weil sie gerade eben noch tot zu sein schien? Durchzuckte es Willow mit leiser, sarkastischer Stimme.
 

Die Hexe fing sich wieder, sah Tara plötzlich vor sich, wie sie sie zuerst nur lächelnd ansah, aber dann verdunkelte sich das Funkeln in ihren Augen. ”Dafür wirst du büßen,” flüsterte Willow.
 

Sie war eine mächtige Hexe, und Samielle war nur ein einfacher Bösewicht, der doch nicht so schwer zu besiegen sein konnte? Willow's Haare funkelten plötzlich weiß auf, ihre Haut bekam einen samtigen Glanz und um sie herum erschien eine strahlende Aura, die ihre Kräfte nur erahnen ließen.
 

Willow's Blick richtete sich starr auf die Schützin, die gerade mit Mühe auf die Beine kam. Faith' erster Angriff schien doch nicht so spurlos an ihr vorüber gegangen zu sein wie sie tat - Blut glänzte im Gras.
 

Doch Samielle's Blick konzentrierte sich auf die Jägerin. Sie glaubte wohl immer noch, dass die Hexe gelähmt war, schockiert von ihrer nutzlosen Magie gegen sie. Doch die Jägerin war noch voller Tatendrang. Sie musste dafür sorgen, dass sie als Gegnerin nicht mehr ernst zu nehmen war. Samielle breitete ihren linken Flügel aus, um die Jägerin abzulenken.....
 

Faith holte mit dem Schwert aus, um den ausgebreiteten Flügel mit grimmigen Gesicht zu stutzen.....
 

In diesem Moment hatte Willow ihre Magiekraft gebündelt und eine weitere - diesmal stärkere - Energiewelle auf die Schützin los gelassen. Samielle blieb diesmal keine Zeit, sich ihr zuzuwenden, und die Magie mit dem Schnabel aufzusaugen, da sie immer noch Faith' Schwert ausweichen musste.
 

Trotzdem wurde die Schützin nicht mit voller Kraft getroffen, sondern nur leicht gestreift. Denn im selben Augenblick, als die Energiewelle sie fast erreicht hatte, drehte sich Samielle von der anrasenden Faith weg, um ihren linken Flügel wieder einzufalten, während sie mit ihrem rechten zu einem kraftvollen Schlag ausholte. Dabei trat sie aus der Zielrichtung. Die Energiewelle entwurzelte Bäume und Büsche hinter der Schützin, die durcheinander gewirbelt auf parkende Autos krachten, die Strasse blockierten und eine Straßenlaterne mit sich rissen.
 

Faith wurde nach vorne, von den Füssen gerissen und flog ungebremst gegen einen Baumstamm. Das Schwert flog ihr aus der Hand und mit einem alles andere als Gutes verheißendem Geräusch, prallte sie vom Baum ab und flog zu Boden. Benommen blinzelte sie zum Himmel hinauf.
 

”Jetzt bist du dran.”, entgegnete Samielle mit aller Wut in Willow's Richtung und funkelte sie entschlossen an. ”Ich verstehe eure Gefühle und Anliegen nicht. Ich kann nicht ändern, was ich getan habe, ich kann nicht ändern, was die Natur mir mitgeben hat. Ich bin wie ich bin. Auch wenn dir das offensichtlich nicht schmeckt... das hier ist völlig sinnlos. Ihr habt sowieso keine Chance!” Sie sah zur reglos daliegenden Faith. “Halt... ich korrigiere mich. DU hast sowieso keine Chance.”
 

Willow hatte nun genug. Wieso musste die Schützin alles noch schlimmer machen, als es eigentlich war?
 

“Sei einfach still,” zischte Willow hasserfüllt. Die Luft um sie herum, knisterte und schien zu brennen, wartete nur darauf weitere Blitze gegen den Gegner schleudern zu dürfen.
 

Die Hüterin blickte Samielle aus tief schwarzen Augen an, während der Wind in ihren weißen Haaren spielte - plötzlich machte Willow eine Handbewegung, als würde sie zu einem Schlag ausholen, doch half die Bewegung nur dabei, ihre ganze Magie zu bündeln. Sie war sich sicher, wenn das erneut schief ging, würde ihre ganze Kraft gegen sie selbst verwendet werden, und das könnte sie das Leben kosten.
 

”Hast du noch immer nicht aus deinen Fehlern gelernt?”, entgegnete Samielle höhnisch, und erfreute sich schon an der nächsten Ladung Magie, die Willow ungeachtet der Worte auf Samielle los ließ und welche die Dämonin wieder stärker machen würde. Sie sperrte den Schnabel auf, als die Kraft zu fließen begann.
 

”Anscheinend hast du das nicht!” ertönte überraschend hinter der Schützin Faith’ Stimme. Die Dämonin konnte sich nicht zur Jägerin herumdrehen, da sie mit dem Aufsaugen der Magie beschäftigt war. Willow sah besorgt das Blut, das Faith’ aus einer Platzwunde auf der Stirn ins Gesicht lief, aber sie wusste, dass sie die Jägerin kaum abhalten konnte, die Schützin anzugreifen. Sie waren jetzt beide auf einander angewiesen.
 

Faith hatte wieder den Kanaldeckel in der Hand, weil sie ihr Schwert nicht mehr fand und holte zu einem kraftvollen Schlag gegen den Kopf aus. Samielle's Kopf schien für eine Sekunde schneller nach vorne zu fliegen, als der Rest ihres Körpers nachstolpern konnte. Sie ging zu Boden, stürzte mitten in Willow's Energiestrahl hinein, wobei auch Willow selbst von den Füssen gerissen wurde. Die Hüterin ging keuchend in die Knie, hörte aber nicht auf, ihre Kraft auf den Dämon loszulassen....
 

Faith war sofort an der Seite von Samielle, um ihr mit dem Fuß ins Genick zu treten. Doch die Hand der Schützin schoss vor, umklammerte ihr Fußgelenk und zog sie hart zu Boden, als die Schützin den Halt dazu nutzte, um mit Schwung sich auf den Rücken zu drehen.
 

”Glaubst du wirklich, dass ich so schwach bin?” lachte Samielle siegesbewusst.
 

Faith gelang es, den Sturz mit ihren Händen abzufangen und trotzdem taten ihre Knie höllisch weh, als sie aufprallte. Im Vierfüßlerstand versuchte Faith nach der Schützin zu treten, um den eisernen Griff um ihren Knöchel zu brechen, während sie kurz das Risiko einging nach Willow zu sehen. Die Hüterin kam gerade wieder in die Höhe und Energiefunken spielten zwischen ihren Fingern. Die Hexe sah Faith ungeduldig an und die Jägerin begriff, dass sie ihr in der Schusslinie stand... allerdings schien auch Willow zu verstehen, dass sie den Dämon abzulenken versuchte. Vielleicht gelang es ihnen so, der Krähenfrau erheblichen Schaden zu zufügen.
 

”Ich werde dich gleich eines Besseren belehren,” Samielle stand auf, ihre Augen auf Faith gerichtet, während sich zwischen ihren beiden Handflächen ein kleiner Feuerball formte, den sie auf Faith’ Körper schleudern wollte, doch dazu kam sie nicht. Das letzte was sie mitbekam war das Grinsen der Jägerin, und Willow's Funkeln in den Augen, das Genugtuung mit sich führte, als Samielle einen hastigen Blick über ihr Schulter auf die Hexe richtete....
 

.... der Feuerstrahl traf ihren Rücken, setzte ihre Federn sofort in Brand und ließ die Dämonin unmenschliche hohe Schreie ausstoßen.
 

Willow und Faith sahen beide mit hartem Gesichtsausdruck der lebenden Fackel dabei zu, wie sie sich unter dem Schmerz wand, und alle Versuche das Feuer zu löschen, fehlschlugen.
 

'Für Tara!' flüsterte eine leise Stimme in Willow’s Kopf, die sehr zufrieden klang.
 

'Für Vi!!' hallte eine grimmige Stimme in Faith Gedanken nach.
 

Mit einem letzten, anhaltenden Schrei verstummte Samielle plötzlich, und schwarze angebrannte Federn wehten durch die Luft. Willow's Atem wurde langsamer, und die Hexe ließ sich fallen, kniete auf dem Boden und versuchte wieder die Kontrolle über sich zu gewinnen.
 

”Endlich ist es vorbei,” flüsterte sie, als Faith näher kam.
 

”Aber leider nicht mit den Gedanken an Vi und Tara,” antwortete Faith, die sich mit dem Ärmel das Blut von Stirn und Gesicht wischte.
 

”Das Ganze ist nun leichter zu ertragen, jetzt wo ich weiß, was wirklich passiert ist," murmelte Willow. "Aber hätte ich damals gleich versucht, die Wahrheit zu finden, wäre vielleicht ein Menschenleben verschont geblieben. Vielleicht..." Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, glaubte sie nicht daran.
 

”Warren hat genauso schuld...” entgegnete Faith.
 

”Ja, aber ohne sie wäre das alles nicht passiert. Und ich frage mich, ob ich diese Federn nicht in mein Familienalbum kleben soll,” antwortete Willow, als sie Faith mit einem Grinsen ansah, und langsam aufstand.
 

"Willow?" fragte Faith plötzlich, und ihre Stimme klang seltsam hilflos. "Diese ganze Sache mit den magischen Kugeln, und dieser Dämonin...das heißt doch, dass Tara und Vi an einer mystischen Ursache gestorben sind. Genau wie Buffy. Oder Warren. Ich meine..."
 

"Denk diesen Gedanken bitte nicht zu Ende!" Willow's Stimme klang immer noch sanft, aber äußerst bestimmt und entschlossen.
 

Tara' s Tod war das Schlimmste, was sie je erlebt hatte, aber wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sie schon lange mit diesem Kapitel abgeschlossen, und ein neues Leben angefangen. Leider stand Faith aber erst bei der Überschrift...
 

+++
 

Cleveland, Friedhof

einige Tage später

Gras und frische Blumen bedeckten nun die letzte Ruhestätte der jungen Jägerin, die für viele eine Freundin und Mitkämpferin, und für einige eine Schwester gewesen war. Was ihre Freundin Nadine anging, so war ihr Körper nach Clearfield überführt worden, wo auch sie nun - hoffentlich - ihre Ruhe finden würde. Nachdem die Schützin vernichtet worden war.
 

Doch so viele quälende Fragen hatten noch immer kein Ende genommen.
 

"Wir müssen so schnell wie möglich alles über Weatherby herausfinden." Nachdenklich blickte Giles Lily an. "Für wen er gearbeitet hat, nachdem das Urböse damals den Rat zerstört hat...was er mit dieser Dämonensekte zu tun haben könnte..."
 

Buffy war nicht wirklich überrascht gewesen, schließlich hatte sie Weatherby bereits vor einigen Jahren von seiner schlimmsten Seite kennen gelernt, damals als sie in Faith' Körper steckte. Es war wohl Ironie des Schicksals, dass die Dämonen, mit denen der ehemalige Handlanger des Rates zusammengearbeitet hatte, sich gegen ihn gewendet hatten.
 

Die Schützin selbst hatte ihn mit ihrem letzten Pfeil getötet....
 

Doch Weatherby war nicht derjenige gewesen, der die Schützin beschworen, und die Pfeile abgeschossen hatte, oder etwa doch?
 

Buffy ging ein paar Schritte weiter, zu Andrew, welcher Hand in Hand mit Dawn neben dem Grab stand, und sich leise mit ihr unterhielt. Ihr verletztes Bein behinderte sie noch ein wenig beim Laufen, doch die Wunden waren bereits am Verheilen.
 

Als sie näher kam, verstummte das Gespräch zwischen den beiden. "Buffy..." murmelte Dawn, "wir müssen über etwas reden, wenn wir zu Hause sind, okay?" Mit diesen Worten zog sie sich schnell, und ein wenig ängstlich zurück.
 

Andrew wollte ihr folgen, doch Buffy hielt ihn am Arm fest. Er schluckte heftig, und wandte sich ihr zu. “Nein, ich hab’s nicht gewusst,“ murmelte er, noch bevor sie etwas sagen konnte. “Ich hab’s vermutet, weil Warren’s Kugeln dich damals ja auch nicht getroffen haben, aber wissen konnte ich es nicht. Es tut mir leid, ich... ich hab’ keinen anderen Weg gesehen.“
 

’Wovon redest du eigentlich?’ wollte Buffy fragen, doch im selben Moment wurde ihr klar, was er meinte, und sie unterbrach ihn. “Wenn du mich nicht da hoch geschickt hättest, dann wären jetzt alle von uns tot. Du musstest eine Entscheidung treffen, und du hast sie getroffen.“
 

“Aber du hättest sterben können...“ er wandte sich ab, und starrte zu Boden. “Und es wäre meine Schuld gewesen... und ich hab’ das gewusst, und hab’ dich trotzdem... und du hast mir vertraut, und bist hoch gerannt...“ Eine einzelne Träne tropfte von seinem Gesicht zu Boden.
 

“Aber es hat funktioniert,“ erwiderte sie. “Es hat funktioniert, und wenn es funktioniert, bringt es nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was geschehen wäre, wenn es nicht funktioniert hätte. Ob man möglicherweise ein Menschenleben ausgelöscht hätte, und sich für den Rest seiner Tage schuldig gefühlt hätte. Oder ob man gezögert hätte, und stattdessen vielleicht hunderte anderer Menschenleben ausgelöscht hätte...“
 

Andrew nickte stumm.
 

Mit innerer Unruhe sah Buffy zu, wie sich alle langsam zum Gehen anschickten, nur Faith und Willow blieben immer noch am Grab stehen. Auch sie selbst zog sich zurück, sie konnte deutlich spüren, dass eine Verbundenheit zwischen den beiden Frauen herrschte, die vor einigen Tagen noch nicht da gewesen war. Und sie wollte keinesfalls ein Eindringling sein.
 

"Buffy? Bist du in Eile, oder darf ich dich um ein Gespräch bitten?"
 

Was wollte Lily von ihr? Jetzt und hier am Grab eines weiteren Opfers, das hätte vielleicht verhindert werden können? Buffy wusste, dass diese Gedanken sie nicht weit bringen würden. Sie hatte schon bei der Beerdigung wieder damit begonnen, zu akzeptieren, dass der Kampf gegen das Böse nun einmal Opfer mit sich brachte. So schwer das natürlich war, so wenig konnte sie etwas daran ändern.
 

Mit einem Seufzen riss sie sich zusammen und folgte Lily, die vom Grab weg ging.
 

“Ich weiß, dass das hier nicht der richtige Ort ist,” fing Lily plötzlich an, als hätte sie ihre Gedanken lesen können. “Aber es ist vielleicht der richtige Augenblick, oder einfach nur die richtige Stimmung für das, was ich dir sagen möchte.”
 

“Und das wäre?” Buffy ging neben Lily zwischen den Gräbern hindurch. Die innere Unruhe wich einer gesunden Portion Neugier.
 

“Wir haben zwei junge Jägerinnen verloren, und obwohl ich schon so viele Jahre Wächterin bin, und wir immer wieder Verluste hatten, fühle ich mich auf eine seltsame Art und Weise sehr betroffen. Ich denke, das liegt daran, dass ich dieses Mal direkt dabei war. Nicht so direkt wie ihr natürlich, aber doch beteiligt. Ich kannte Vi kaum, noch weniger diese Nadine. Aber es ist etwas anderes, wenn man hinter einem Schreibtisch in London sitzt und aus einem Bericht eines Wächters erfährt, welche Jägerin den Kampf verloren hat. Ich war dabei, ich habe versucht mit Hilfe eines Freundes Informationen zu finden, um euch rechtzeitig den Weg zu weisen. Ich wollte verhindern, dass jemanden von euch dasselbe Schicksal wie Vi ereilt...”
 

Lily machte eine Pause. Es war so schwer, die richtigen Worte für das zu finden, was sie Buffy zu sagen hatte. Und mit einem raschen Blick zur Seite begriff Lily, dass Buffy nicht so recht verstand, worauf sie hinaus wollte.
 

“Nun, das was ich dir zu sagen versuche ist... nun ja, du bedeutest Rupert sehr viel. Ihr alle tut das. Ich verstehe nun etwas besser, wieso er dich sehr oft mit ganz anderen Augen sieht, als es für einen Wächter gut wäre. Ich habe begriffen, wie wichtig es für einen Wächter im Einsatz ist, für seine Jägerin da zu sein, sie durch die Kämpfe zu leiten, ihr Überleben zu sichern. Und ich weiß auch inzwischen, dass Rupert für dich viel mehr ist, als nur der Wächter, der alles fest im Griff zu haben scheint. Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, ich würde zwischen euch stehen und versuchen, einen Keil zwischen euch zu drängen. Das war nie meine Absicht. Ich bin nur hier, um Rupert in diesem Kampf zu unterstützen und für Willow Antworten auf das, was sie zu sein scheint, zu finden. Ich hätte mir nie erträumt, dass er und ich.. das wir an etwas anknüpfen würden, wo wir vor über dreißig Jahren verzweifelt endeten.”
 

“Oh..” war alles, was über Buffy's Lippen kam. Erstaunt über Lily's Offenheit wartete sie voller Spannung auf die nächsten Worte.
 

Doch Lily sah sie an, als erwarte sie mehr von ihr. “Oh... " murmelte sie noch mal, "ich.. .uhm... ich denke, das ist etwas zwischen Ihnen und Giles. Das geht mich nichts an,” wehrte sie verlegen ab. “Und hat wohl nichts mit Ihnen und mir zu tun.”
 

“Vielleicht,” lächelte Lily warm. “Aber da ihr euch beide mehr braucht, als ihr euch eingesteht und ich seit meiner Ankunft das Gefühl hatte, unerwünscht zu sein, dachte ich mir, es wäre ganz gut, wenn ich dir ein paar Dinge über ihn, mich und euch erzähle.”
 

“Sie sind nicht.. unerwünscht,” brachte Buffy halbherzig hervor. Innerlich stöhnte sie jedoch über Lily's Arroganz. Gerade eben hätte sie sie fast noch für ihren Mut und ihre Offenheit bewundert. Doch das Letzte, was Buffy jetzt in Trauer und Wut über ihre Hilflosigkeit im Kampf gegen das Böse gebrauchte, war eine Belehrung im Umgang mit Giles. “Allerdings weiß ich nicht, wieso Sie ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen mit mir über all diese Dinge zu reden...”
 

“Der Tod der beiden Jägerinnen hat mir vor Augen geführt, wie schnell so etwas passiert... und was für gute Arbeit Rupert und du die letzten Jahre über geleistet habt. Es war nicht fair, dass der Rat euch dafür kritisierte und auf seine Art und Weise bestrafte. Auch wenn vieles vor dem Umschwung vielleicht besser strukturiert war als jetzt, verstehe ich durchaus dein Misstrauen gegenüber allem, was den alten Rat vertritt - also mir gegenüber. Das ist keine Entschuldigung von mir im Namen all meiner toten Kollegen oder jenen, die noch unter uns sind.. aber vielleicht wäre es ein Anfang? Eine Art... Waffenstillstand?”
 

Buffy lächelte unsicher. Sie hätte nie gedacht, dass solch ein Gespräch zwischen ihnen möglich gewesen wäre, und schon gar nicht hier an diesem Ort. Aber Lily klang vernünftig und ehrlich. Für ihre britische Arroganz schien sie nichts zu können... so etwas wurde ihnen wohl in die Wiege gelegt. “Klingt in Ordnung für mich,” nickte Buffy. “Ich möchte nicht... ich meine es ist schön, Giles wieder glücklich zu sehen und ich möchte auf keinen Fall dazwischen stehen.”
 

“Das weiß ich zu schätzen,” sagte Lily erleichtert. Sie streckte Buffy die Hand entgegen. “Auf gute Zusammenarbeit?”
 

“Auf den Waffenstillstand,” grinste Buffy und fühlte sich seltsamerweise sehr erleichtert. Sie hatte sich vom ersten Treffen an, dermaßen in ihre Anti-Lily-Stimmung hineingesteigert, dass es ihr am Ende einfach zu schwer gefallen war, den ersten Schritt auf die Wächterin zuzumachen. Egal wie wichtig es vielleicht für ihre Zusammenarbeit war, oder für Giles Stimmung. Natürlich hatte auch vieles zu Buffy's Verhalten beigetragen, wie etwa Lily's Haltung im Kampf gegen den Dämonen-Virus, oder die Reifeprüfung Sache.
 

Aber möglicherweise hatte sie alles nur von einer Seite aus gesehen... sie hatte Lily nie eine Chance gegeben.
 

Die beiden Frauen lösten ihre Hände und sahen sich am Tor stehen. Sie waren völlig unbewusst Richtung Ausgang gegangen.
 

“Ich geh zurück zu Giles, nach Dawn sehen,” sagte Buffy unschlüssig.
 

“Ich muss noch einmal zurück...” sie wies zum Grab, das jetzt verlassen war, und Buffy nickte, wenn sie auch nicht verstand, was Lily dort noch wollte.
 

Lily sah Buffy hinterher, bis sie um die nächste Straßenecke gebogen war. Erst dann öffnete sie ihre Handtasche und zog den Purificatio Talisman heraus. Sie warf dem nutzlos gewordenen Talisman einen letzten Blick zu, ehe sie ihn mit einem raschen Wurf in den Gully zu ihren Füssen beförderte.
 

++++
 

“Vivian .... “
 

Der Name auf dem Grabstein würde Lily wohl eine Weile in ihre Träume hinein verfolgen. Sie war das erste Opfer, das so nicht geplant gewesen war.
 

Doch Opfer gehörten dazu. Dessen war sich Lily von Anfang an bewusst gewesen. Aber sie war keine kaltblütige Mörderin.. - nein das war sie nicht - und doch hatte sie auf Vi geschossen, weil das Mädchen sie hinter der verrutschten Maske erkannt hatte... hätte Weatherby nur nie diese Waffe an diesem Tag mit in die Lagerhalle gebracht.... und hätte Samielle bloß ihre Arbeit erledigt, wie geplant.
 

Sie hatte Samielle herbeigerufen, um jemanden zu haben, der für sie die Drecksarbeit erledigte. Doch die Schützin war immer wieder gescheitert. Und weder diese Wrukolas Vampire, noch dieser seltsame HtoGrom Dämonenclan hatten etwas ausrichten können. Buffy und die anderen Jägerinnen waren einfach zu stark.
 

Die Pfeile waren nur ihre Reserve gewesen. Der Trumpf im Ärmel. Nie hätte sie sich erträumt, damit auf die Menschen zu zielen, die sie in den letzten Monaten als Freunde bezeichnete, deren Vertrauen sie gewonnen...sich erschlichen hatte...
 

Lily schloss die Augen.... was würde Rupert sagen, wenn er davon je erfuhr? Er durfte es einfach nicht herausfinden. Egal was geschah.. sie musste ihre Spuren weiterhin verwischen. Auch wenn sie ab sofort ihre eigenen Hände nicht mehr in Unschuld waschen konnte, und selbst ihren Plan ausführen musste.
 

Aber nicht nur den Zorn von Rupert fürchtete sie in diesem Augenblick, sondern auch den Gedanken an Buffy und an all die Dinge, die die Jägerin vielleicht mit ihr anstellen würde, wenn sie den Drahtzieher hinter all den Anschlägen und den Morden entlarven würde - da half nicht einmal der Gedanke daran, warum sie all dies tat. Wieso sie sich zur Mörderin machte, Freunde verkaufte und verriet...
 

Mörderin.... dieser Gedanke ließ sie erschaudern. Sie hatte das nicht gewollt. Sie hatte auch nicht Vi’s Freundin töten wollen, auch wenn sie sie als erste für den zweiten Pfeil ausgesucht hatte.... Opfer... Opfer waren notwendig, sagte sie sich erneut, doch dieses Mal war es keine Beruhigung für sie, kein Trost. Nicht wenn sie an all die vergeudeten Pfeile dachte, die sie auf Buffy abgefeuert hatte ... immer wieder... und keiner hatte getroffen. Sie wusste nicht wieso.
 

Es war unerklärlich und frustrierend zu gleich. Der letzte Schuss... auch er hätte Buffy treffen müssen - wieso war Weatherby durch ihn gestorben?
 

Keine Antworten... sie würde keine finden.
 

Buffy und Giles durften auch keine finden.
 

Sie würde vorsichtiger sein müssen.
 

Ihre Sache war das wert und letztendlich tat sie es doch für sie alle.
 

“Es tut mir leid,” flüsterte Lily leise und erschrocken über ihre laut ausgesprochene Worte sah sich Lily schnell um, aber sie war alleine. “Du bist auf keinen Fall so sinnlos gestorben wie Faith und die anderen glauben. Es war für eine gute Sache. Alles hat seinen Grund und das war erst der Anfang. Als Jägerin war dir der Tod sowieso vorher bestimmt. Und es war nicht meine Entscheidung, dich zu einer Jägerin zu machen... eine von so vielen...”
 

Die Worte kamen ihr leicht von den Lippen, sie machten Lily wieder stark und selbstsicher. “Aber man wird sich eines Tages an dich erinnern, als die erste von vielen...”
 


 

GrrrrrARG

Folge 14: Mad Eye Harris

Autoren: Nightfever & lion

Co-Autoren: Yamato, Stefan, Hope, White Magic, smint

Bilderstellung: Hotwitch & Mel
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Buffy hört die Gedanken von vielen anderen. Buffy zu den Scoobies: "Bitte denkt nicht eine Sekunde, dass ich euch nicht brauchen würde, denn das tue ich."- 3.18
 

Caleb im Weinkeller zu Xander: "Du bist also der, der sieht?" Er bohrt seinen Daumen in Xanders Augenhöhle. Blut läuft herab. - 7.18
 

Xander im Krankenbett, Willow und Buffy sind bei ihm. Clem in seinem roten Auto, er will die Stadt verlassen: "Rock on!" - 7.19
 

Xander mit Augenklappe. - 7.20
 

Xander und Andrew zusammen auf der Couch. Der Dinosaurier. Kennedy bei Mo, die beiden begrüssen sich.- 8.01
 

Andrew auf dem Ball. Der Kopf des Dinos. Kan Hsirg in Mo´s Bar: "Sollte es mir zu Ohren kommen, dass die Jägerinnen Dinge erfahren, die sie nichts angehen, werden wir ihnen unsererseits ein paar Geheimnisse flüstern. Und ich glaube nicht, dass es Malkuth besonders gut bekäme..." - 8.06
 

Xander und Eve im Blue Rider. Gebäude der Barker Cooperation, die beiden flüchten vor einem Dämonen - 8.08
 

Warren ist zurückgekehrt: "Nope. Keine Bienen im Weltall." - 8.09
 

Andrew und Xander bekriegen sich mit Lichtschwertern - 8.10
 

Die Sekretärinnen machen sich über Xander lustig: "Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn!" - 8.11
 

Der Bildschirm wird schwarz.
 

Faith im Kampf, in Silent Hill. - 8.02
 

Eve aus Silent Hill (V.O.): “Du wirst nie gewinnen, Faith! Ganz egal was du machst.. du bist schuld am Tod deines Freundes!”
 

Eine Krähe zieht ihre Kreise. Vi´s Tod. Andrew und Warren in Xanders Wohnung. Willow und Faith töten die Schützin. Lily lässt den Talisman fallen. Sie steht an Vi´s Grab: "Man wird sich eines Tages an dich erinnern, als die erste von vielen...” - 8.13
 

Teaser:
 

Barker Cooperation,

später Nachmittag

Ein Blick auf die Armbanduhr zeigte Xander an, dass er wieder einmal mindestens zwei weitere Überstunden verbuchen konnte und mit letzter Kraft unterdrückte er ein Gähnen, während er gelangweilt den Digitalzahlen des Aufzuges zusah, die langsam abwärts zählten.

Eigentlich hatte er frei gehabt, aber der Schreibkram wurde, trotz sorgfältiger Einteilung einfach nicht weniger und so hatte er sich kurzfristig entschlossen den Rest noch aufzuarbeiten. Außerdem hatte er am nächsten Tag ein Meeting bei dem es um einen Millionendeal ging und er war beinahe allein dafür verantwortlich, da durfte einfach nichts schief gehen.
 

Immerhin hatte er es in den letzten Tagen wenigstens geschafft Eve aus dem Weg zu gehen, so dass er seinen Mitarbeitern keinen neuen Grund zu Spekulationen geben konnte und nachdem die mechanischen Türen auseinander geglitten waren, durchquerte er schnellen Schrittes die Empfangshalle des Barker Gebäudes.
 

Dumme Idee den Wagen daheim zu lassen, dachte er noch abspannt und ärgerte sich insgeheim den ersten schönen Tag seit einer Woche mit einem morgendlichen Fußweg zur Arbeit begonnen zu haben.

Nun stand ihm ein erschöpfender Heimweg von fast einer Stunde bevor, statt gemütlich mit Auto beinahe genauso lang die überfüllten Straßen Clevelands zu genießen.
 

Gut, das heiterte ihn dann doch wieder auf. Das, und die Aussicht auf frische Luft und Sonne statt Büromief und Neonlicht...
 

„Xander?“ Er war schon an der Empfangsdame mit dem Headset vorbei als er Eves Stimme in seinem Rücken hörte und für einen winzigen Augenblick dachte er über die Möglichkeit nach einfach aus dem Gebäude zu stürmen, doch dann seufzte er tief auf, klemmte seine Aktentasche unter die Achsel und drehte sich, ein freundliches Lächeln aufsetzend zu seiner Chefin herum.
 

„Eve…hallo.“ Er verkürzte die Distanz zu ihr, in dem er ihr einige Schritte entgegenging und wartete dann gelassen ab. „Nett dass ich Sie heute antreffe. In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass Sie mir aus dem Weg gehen.“
 

Ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten Schmollmund, doch dann hatte sich die Managerin wieder im Griff und lächelte ihren Mitarbeiter verführerisch an.
 

„Xander, Sie arbeiten zuviel. Ich weiß dass Sie sich auf die Verhandlung vorbereiten und ich lasse Ihnen da ganz freie Hand, aber es wird nichts bringen wenn Sie sich vorher schon verausgaben. Sie hätten ihren freien Tag auch angenehmer nutzen können…“ Tadelte sie ihn mit einem Glitzern in den Augen, das selbst einem Xander Harris nicht entging. „Außerdem haben wir immer noch nicht unser Essen im Blue Rider wiederholt und…“ sie stockte einen Moment und grüßte freundlich mit der Hand zwei kichernden und tuschelnden Bürodamen zu, welche, so konnte sich der junge Mann noch gut erinnern, schon einmal über ihn und Eve anzügliche Bemerkungen gemacht hatten.

Er spürte förmlich ihre Gedanken und konnte sich schon bildlich vorstellen die nächsten Tage wieder Gesprächsthema Nr. 1 im Kreise der Tratschtanten zu werden. Vielleicht wurde es Zeit den jungen Damen mal wieder einen Denkzettel zu verpassen, doch jetzt galt es erst einmal seine Chefin abzuwimmeln.
 

„Eve, tut mir wirklich leid, aber ich bin spät dran und ich habe noch eine Verabredung …“ Er sah ihren misstrauisch gewordenen Blick und schluckte hart damit sie seine Lüge nicht bemerkte. „… mit meinem Zahnarzt.“ Puh, die Kurve hatte er bekommen, denn augenblicklich entspannte sich ihre Miene wieder.

Galgenfrist, dachte er mit einem Kloß im Hals. Seine Chefin war verdammt attraktiv, intelligent, selbstbewusst und mehr als offensichtlich an ihm interessiert… Xander du bist ein Idiot! Schimpfte er sich selbst. Das Einzige was ihn davon abhielt mit seiner Chefin ein Techtelmechtel anzufangen war, dass er dachte in den Augen anderer nicht gut genug für sie zu sein.
 

„Nächste Woche holen wir es nach, ganz sicher.“ Versprach er hastig, vermied es ihr in die Augen zu sehen und stammelte noch ein paar Abschiedsfloskeln heraus, bevor er sich ruckartig umdrehte und das Gebäude verließ.
 

++++
 

Wächterhaus, Garten,

selbe Zeit

Buffy schloss den Reißverschluss der Trainingsjacke, bückte sich, um die Schuhbänder zu binden, band sich ihre Haare mit einem Haargummi zurück, und trat schlussendlich auf die Hintertür des Wächterhauses zu. Es war Zeit, wieder ein bisschen zu trainieren, immerhin war es schon einige Zeit her, als sie es das letzte mal getan hatte.
 

Sie öffnete die Tür und wurde sofort von Kampfgeräuschen überrascht, die aus dem Garten kamen. Alarmiert und kampfbereit trat sie aus dem Haus auf die Terrasse heraus, und ließ ihren geschärften Blick durch den Garten gleiten.
 

Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie Faith erkannte, die gerade auf eine gepolsterte, hölzerne Nachbildung eines Menschen einschlug. Buffy ging die Treppen, die von der Terrasse auf den Rasen führten, herunter, griff nach einem Handtuch, welches auf dem Tisch lag, der für die Trainingswerkzeuge bereit stand, blieb stehen und sah Faith kurz zu.
 

„Oh, hi B!“ begrüßte Faith die blonde Jägerin, wandte sich von der Puppe ab und fing das Handtuch, welches ihr Buffy zuwarf, auf, um sich damit den Schweiß abzuwischen.
 

„Wie geht’s?“ fragte Buffy und erntete einen überraschenden Blick von der dunkelhaarigen Jägerin. Hatte sie Buffy gerade gefragt, wie es ihr ging? Wollte sie das wirklich wissen? Eine ehrliche Antwort? Oder war es nur eine dieser freundlichen Floskeln, die man benutzte, um wenigstens IRGENDETWAS mit anderen Leuten zu reden?
 

„Hmm.. schon in Ordnung..“ antwortete sie, ging an Buffy vorbei und legte das Handtuch wieder auf dem Tisch ab.
 

„Wie sieht es bei dir aus? Habt ihr schon herausgefunden, warum du von den Pfeilen nicht getroffen wurdest?“ Faith sah Buffy interessiert an. Diese Frage war definitiv keine Floskel. Sie wollte wissen, WARUM Buffy von den Pfeilen verschont wurde, die Vi und Nadine das Leben gekostet hatten. Natürlich war sie auch froh, dass Buffy überlebte, die Phase, in der sie ihr den Tod wünschte, war längst vorbei, aber nichts desto trotz brauchte auch sie selbst eine Antwort auf die Frage.
 

Faith und Buffy traten auf die Holztreppen der Terrasse zu, setzten sich, und Buffy schien zu überlegen. Nach einiger Zeit hatte sie dann anscheinend die richtigen Worte gefunden.
 

„Na ja.. hmm.. wir sind uns alle nicht wirklich sicher, allerdings haben Giles und Lily in einigen Büchern gestöbert, und es scheint, als würde es den gleichen Grund haben, wie damals, als mich Spike trotz Chip schlagen konnte...“ Buffy schien in Gedanken zu versinken, und nicht zu registrieren, wie sie Faith verwirrt ansah.
 

„Spike hatte einen Chip? Wozu?“ Faith konnte es nicht glauben. Wozu hatte Spike einen Chip? Sie musste lächeln.
 

Buffy schien aus ihren Gedanken gerissen, als sie Faith kurz verloren ansah. „Oh.. achso. Ja, das ist eine lange Geschichte. Die Initiative pflanzte Spike einen Chip in den Kopf, durch den er keine Menschen mehr verletzen konnte..“
 

„Ach so, das meinte er damals...“ Faith erinnerte sich daran, als sie in Buffys Körper auf Spike gestoßen war, und er wirres Zeug geschwafelt hatte. „Und weiter?“ Faith wusste noch immer nicht, was Buffy ihr damit sagen wollte. Was hat das denn mit Samielle und ihren Pfeilen zu tun?
 

„Nun ja, Spike konnte mich schlagen. Aus dem gleichen Grund, warum mich auch die Pfeile nicht trafen. Durch meinen.. magischen Tod und meine.. ähm.. Auferstehung wurde in mir irgendetwas verändert. Ich gelte anscheinend nicht mehr als 100% menschlich.. oder 100% lebendig, oder was auch immer“ fuhr Buffy fort.
 

„Ach so. Denkst du, dass wir mit dieser verhüllten Gestalt noch einmal Probleme haben werden?“ fragte Faith und leichter Zorn kam in ihr hoch.
 

“Hm, ich fürchte schon, ich denke, dass wir die Augen offen halten sollten“ antwortete Buffy.
 

„Gut, ich auch..“ antwortete Faith und wollte wieder aufstehen, als sie plötzlich Buffys Hand auf ihren Ellbogen spürte.
 

Lily, die in der offenen Tür gestanden hatte, und das Gespräch mehr zufällig als gewollt belauscht hatte, trat leise einen Schritt zurück, drehte sich, und verschwand mit besorgtem Gesicht wieder im Haus.
 

“Faith.. warte. Wie geht es dir? Ich meine, wirklich? Hinter den Kulissen?“ sie sah Faith besorgt an. Sie selbst hatte schon so viele Menschen verloren, Menschen, die ihr wirklich etwas bedeuteten. Ihre Mutter, Angel, Spike, Jenny, Anya, Tara, um nur einige zu nennen. So schlimm wie es sich anhörte, aber sie hatte sich, irgendwie, daran gewöhnt. So viele junge Mädchen, potentielle Jägerinnen, sind letztes Jahr gestorben, aber Faith selbst schien auf Vi’s Tod nicht vorbereitet gewesen zu sein. Wie auch? Wie sollte man auch auf so etwas vorbereitet sein?
 

Faith sah Buffy fragend an, unsicher, ob sie sich ihrer früheren Gegnerin, jetzigen mehr oder weniger Freundin, wirklich öffnen sollte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und ließ sich wieder auf die Treppe sinken.
 

„Naja, du kennst es doch selbst. Robin, Ronah und Vi sind für mich... wie eine Art Familie geworden. Nun haben wir jemanden verloren, und das ist natürlich hart...“ Faith glitt mit ihren Gedanken immer mehr ab.
 

Sie erinnerte sich an die Zeiten im Bus, als sich Vi mit Ronah um die Straßenkarte stritt, oder um die bessere Waffe, um das bessere Bett, um das letzte Wasser, den besseren Platz bei den Feuerstellen, darum, wer nun mit nach Silent Hill geht.
 

Silent Hill? Faith musste selbst leise schmunzeln. In Silent Hill war ihr selbst das erste Mal aufgefallen, wie wichtig ihr ihre kleine Familie schon geworden war. Als Eve ihr damals sagte, was sie mit ihren Freunden gemacht hatte, hätte sie alles gemacht, um sie zu retten, wirklich alles, und wenn sie ihr eigenes Leben hätte opfern müssen.
 

Plötzlich fiel ihr der Traum, den sie in Silent Hill und auch später hatte, ein. Diese Reiter. Und Buffy, sie kam ebenfalls vor. Ob sie Buffy darauf ansprechen sollte? Ob sie den Traum auch gehabt hatte? Ob sie wusste, wie man mit solchen Träumen umzugehen hat?
 

„Buffy?“ Faith sah sie unsicher an. Buffy richtete ihre Aufmerksamkeit wieder voll auf die dunkelhaarige Jägerin, und sah sie verständnisvoll an.
 

“Hattest du schon einmal.. Träume? Ich meine, warte.. ich meine nicht normale Träume, sondern eher.. hmm.. visionäre Träume, in denen du selbst vorgekommen bist, und Menschen, die du.. kennst?“
 

Buffy sah Faith ungläubig an. Meinte sie das ernst? Nach all den Jahren, die sie nun schon als Jägerin gegen oder auch für das Böse gekämpft hatte, hat sie keine Ahnung, dass Jägerinnen solche Träume haben? Was hat denn ihr Wächter während ihrer Ausbildung gemacht?
 

„Na ja, Faith, es ist so. Wir Jägerinnen haben visionäre Träume. Träume, die uns helfen sollen, unser Ziel zu erreichen, oder uns bestimmte Hinweise geben sollen. Wusstest du das bisher nicht? Was hast du geträumt?“
 

„Na ja, damals, als wir Kim in Silent Hill gerettet haben, bekam ich so eine Art Vision, von einem Dorf in der Wüste, welches von einem mysteriösen Reiter zerstört wurde..“
 

Buffy wurde hellhörig. Hatte Faith etwa die gleiche Vision gehabt wie sie? Könnte es sein, dass sie damals wirklich Faith gesehen hatte, auf der anderen Seite des Sees?
 

„Faith, hattest du auch den Traum einer Oase, die nach kurzer Zeit in vollem Chaos untergeht, und wo ein Reiter aus dem See und einige aus der Pyramide ausbrechen?“
 

Faith starrte Buffy geschockt an. Das konnte doch nicht wahr sein. Buffy hatte das auch geträumt. Wie war so was nur möglich?
 

Sie nickte, und Buffy stand sofort auf.
 

„Wir sollten mit Giles darüber reden..“ schlug die blonde Jägerin vor, und sah Faith auffordernd an.
 

„Ja.. sollten wir vielleicht.. aber, gib mir bitte noch etwas.. Zeit. Nicht lange, aber ich...“ Faith stand auf und sah sich kurz unsicher um.
 

“Ich sag dir dann deswegen Bescheid..“ damit nickte sie Buffy zum Abschied zu, fasste sich die Wasserflasche, die am Tisch stand, und lief aus dem Garten.
 

Buffy sah ihr verwundert nach und musste schmunzeln. Dann zuckte sie mit den Schultern, stand auf, stellte sich vor die Trainingspuppe und schlug zu.
 

++++
 

Strassen von Cleveland,

etwas später

Die Sonne war trügerisch, denn trotz des wolkenlosen Himmels kam keine Wärme auf.

Wehmütig an Sunnydale und das kalifornische Klima denkend, schlug Xander den Kragen seines Mantels auf und vergrub seine Fäuste in den Taschen, die Aktenmappe immer noch fest unter der Achsel verklemmt. Er achtete kaum auf die Leute die ihm begegneten und bog in die letzte Seitenstraße ein, die nun auf direkten Weg zu seiner Wohnung führte.
 

Die frische kalte Luft hatte seine Müdigkeit vertrieben und auch die ärgerlichen Gedanken an die dämlichen Puten, welche er noch vor dem Hochhaus wieder gesehen hatte. Das dümmliche Grinsen in ihren Gesicherten hatte Bände gesprochen und zähneknirschend hatte er seinen Heimweg angetreten.

Fröstelnd zog Xander seine Hände aus den Taschen und pustete hinein um die Kälte aus den Fingern zu bekommen, als er auch schon frontal mit jemandem zusammenstieß, der ihm auf dem Bürgersteig entgegengekommen war.
 

Die Mappe klatschte auf den Asphalt und völlig überrascht starrte Xander in das faltige Gesicht seines Gegenübers, der sich beeilte die Tasche aufzuheben und mit tausend Entschuldigungen ihm zu übergeben. Unter der flauschigen rosa Pudelmütze lugten noch die Schlappohrspitzen hervor und das abstoßende Gesicht verzog sich zu einem runzeligen Lächeln.
 

„C.. C.. Clem?“
 

„Ja? Das bin ich. Clem, so heiß ich wohl. Guten Tag.“, der Dämon war drauf und dran sich umzudrehen wurde aber von dem immer noch erstaunten Xander am Arm festgehalten.
 

„Clem. Das ist ja eine Überraschung! Was machst du denn hier?“ Der Dämon stutze und suchte sichtlich nach den passenden Worten, allerdings kam nur wirres Zeug aus seinem Mund und Xander schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
 

„Komm mit, meine Wohnung ist ganz in der Nähe, da kannst du mir in Ruhe erzählen was dich hierhin verschlagen hat. Buffy wird sich sicher freuen dich zu sehen. Wir können über alte Zeiten reden und…“ Die Freude war echt und auch wenn Xander kein besonders großen Kontakt zu Clem gehabt hatte, so war ihm der lustige Dämon mit dem merkwürdigen aussehen immer recht sympathisch gewesen.
 

Die Verwirrung in dem zerfurchten Gesicht schien sich zu steigern, doch folgte ihm der Dämon widerstandslos bis vor die Haustür des Apartmenthauses und grade als Xander nach seinem Schlüssel fingerte, hörte er Clems vorsichtige Frage in seinem Rücken:
 

“Hast du einen Hund?“
 

Erstaunt drehte er sich zu dem Dämon um, der ihn etwas irritiert ansah. „Nein, warum fragst du?“
 

„Was ist dann ein Buffy?“
 

Vorspann
 

AKT 1
 

Xander’s und Andrew’s Wohnung,

kurz darauf.

Freundlich stellte Xander dem Dämon eine Dose Bier vor die Nase, die dieser dankbar annahm und mit einem Zug leerte. „Jetzt erzähl mal von vorne Clem.“ Befahl er ruhig und setzte sich zu ihm. Interessiert sah er zu wie die Schlappohren sich ein wenig zurücklegten, dann wieder nach vorne klappten als wenn der Dämon angestrengt nachdenken würde und nach einem kräftigen Rülpser schien so etwas wie Erkenntnis in den kleinen Augen aufzublitzen.
 

„Ja, Pokern! Das alles hat mit einem verflixten Spiel zu tun. Ich hatte nicht genug Kätzchen mit und dann war da dieser … dieser Kerl …er nahm etwas als Pfand … verdammt, ich kann mich nicht richtig erinnern.“ Schwer seufzte Clem auf und rieb sich die zerfurchte Stirn. „Ach, jetzt hab ich es wieder! Er hat mir ein Teil meines Gedächtnisses genommen. Manches ist noch da. Ich weiß dass ich dich kenne, und jetzt, wo du mir von Buffy und Sunnydale erzählt hast, kommen Erinnerungen auf. Aber ich weiß nicht wie ich hierhin gekommen bin und wo ich wohne und…“
 

„Mach dir da mal keine Sorgen“ unterbrach ihn Xander und grinste ein wenig bei der Vorstellung was Andrew zu dem ungewöhnlichen Hausgast sagen würde. „Solange bis wir alles geklärt haben kannst du selbstverständlich hier bleiben.“ Ein erleichtertes Lächeln huschte über das runzelige Gesicht und der Dämon sah sich prüfend um.
 

„Es macht dir auch wirklich nichts aus? Ich meine, du lebst doch nicht allein, was sagt deine Freundin dazu?“ Das glucksende Geräusch eines unterdrückten Lachens unterbrach seine Spekulation und er sah fragend zu Xander der leicht abwinkte.
 

„Es ist ein... Freund. Und NEIN, nicht was du jetzt vielleicht denkst. Es macht ihm sicher nichts aus. Wir klären zunächst Mal wie wir an dein verschwundenes Gedächtnis kommen und dann sehen wir weiter, hast du Hunger? Ich kann dir leider nur Cornflakes anbieten…“ Ein knurrendes Geräusch aus der Körpermitte Clems bestätigte dem jungen Mann seine Annahme und er beeilte sich dem Dämon eine Schüssel und eine volle Schachtel vor die Nase zu stellen, man konnte ja nie wissen was diese faltigen Monster sonst noch so aßen…
 

Er sah noch zu wie Clem mit zitternden Händen die Packung aufriss und überlegte laut weiter. „Hast du noch eine Ahnung was das für ein Kerl war? Mensch, Dämon, Vampir? Eine Adresse oder irgendein Anhaltspunkt?“ Noch während Clem genüsslich die trockenen Flakes knirschend zerkaute und einen missbilligenden Blick auf die dazugestellte Milch warf, schüttelte er den kahlen Kopf.
 

„Nein, leider nichts … oder doch, warte mal.“ Langsam griff er, immer noch schmatzend, in seine Hosentasche und zog eine kleine weiße Karte hervor, auf dem einige Buchstaben gekritzelt waren.
 

Neugierig nahm Xander das Papier entgegen und versuchte das Gekritzel zu entziffern. „Na immerhin ein Name, damit kann man vielleicht etwas anfangen,“ murmelte er vor sich hin und ging hinaus in den Flur zu dem kleinen Schränkchen herüber auf dem das Telefon stand. „Was hast du vor?“ rief ihm Clem mit vollem Mund hinterher und schüttete sich noch eine Portion der gelben Maisflocken nach.
 

„Der einfachste Weg führt oft über das Telefonbuch.“ Grinste Xander als er zurückkam und hatte auch schon nach wenigen Sekunden die passende Adresse zu dem seltsamen Namen auf der Karte gefunden. „Mit ein wenig Glück sind deine Probleme auch schon bald gelöst.“ Lachte er triumphierend auf und sah zu wie sich der Dämon ein drittes Mal an den Flakes bediente, doch diesmal fiel eine kleiner, in Zellophan verpackter Gegenstand mit aus der Packung.
 

„Hey!“ Rief der Dämon begeistert, während er die Hülle aufriss und ein grünes Plastikbein in die Luft hielt. Er hatte sofort den unfertigen Dinosaurier auf dem Tisch gesehen und hob an, dieses letzte Teil einzusetzen, was aber Xander im letzten Moment verhindern konnte.
 

„Nein, wir warten damit auf Andrew!“ Das faltige Gesicht verzog sich zu etwas, was wohl ein Schmollen darstellen sollte, aber Xander nahm den Dinosaurier vorsichtshalber aus der Reichweite des Geschöpfs.
 

Einen Moment lang überlegte Xander noch ob er Buffy wegen Clem informieren sollte, doch dann beschloss er instinktiv es allein zu versuchen. So eine Angelegenheit dürfte sicherlich mit ein paar Dollar aus der Welt zu schaffen sein und Clem war hier in der Wohnung besser aufgehoben als in den Straßen wo ihn jeder sehen konnte. Gutmütig erklärte er dem immer noch mit den letzten Cornflakes beschäftigten Dämon noch, dass er sich wie zu Hause fühlen sollte und machte sich auf den Weg zu der Adresse aus dem Telefonbuch.
 

++++
 

Cleveland, Hintergasse,

etwas später

Die dunkle Gasse war nicht gerade Vertrauen erweckend und auch die schmale Treppe, die hinunter zu der schweren Feuerschutztür führte verriet, dass der Laden wohl nicht gut besucht war. Das einigste was ihn überhaupt erst als solchen kennzeichnete war ein Schild, das an die Wand des Hauses genagelt war: "Dee A. Larr´s Laden für nützliche Dinge, von allgewöhnlichen Haushaltsgegenständen bis zu ausgefallenen Exquisitäten. Riskieren sie einen Blick, egal ob ihre Haut grün ist oder nicht!"
 

Misstrauisch stieg Xander die schmalen Stufen hinab und klopfte an die Tür, von innen war ein Grunzen zu hören, das wohl ein "Komme gleich!" sein sollte, jedoch genauso gut einer beliebigen dämonischen Sprache hätte entsprungen sein können, oder es war einfach nur das, ein Grunzen.
 

Nach wenigen Augenblicken wurde die Tür geöffnet und gab den Blick auf Dee A. Larr frei. Auf den ersten Blick hätte man ihn wohl für eine Menschen gehalten, doch seine Haut war etwas rötlich getönter, als es für einen Menschen üblich war, und die zwei Lappen, die von seinem Kinn hinab hingen und bei einer flüchtigen Betrachtung als Bart abgetan werden könnten waren in Wirklichkeit aus Haut. Allerdings überwogen die Ähnlichkeiten: Ein mit Fettflecken, von denen Xander lieber nicht wissen wollte, woher sie stammten, überzogenes Unterhemd verdeckten den mit den Jahren ein bisschen zu groß gewordenen Bierbauch und die Ringe unter seinen Augen zeugten von zu wenig Schlaf: "Sie wünschen?"
 

"Ich... Dies ist doch Dee A. Larr´s Laden für nützliche Dinge, oder? Und Sie sind...", begann Xander zu sprechen, der sich seiner Sache inzwischen gar nicht mehr so sicher war.
 

"Ja, ich bin der Besitzer, aber nenn mich ruhig Larr; solche wie du verirren sich nicht häufig in meinen Laden!", Larr hielt ihm die Hand hin und Xander ergriff sie, "komm doch rein, Junge, dann können wir in Ruhe dein Anliegen besprechen!"
 

Der Dämon führte ihn durch den dicht mit Kartons, die Aufschriften wie "Der Staubsauger für magische Verseuchung" oder "Bügeleisen für die zweite Haut" trugen, zugestellten Verkaufsraum in den hinteren Teil, der mit allerlei Elixiren, Artefakten und Tierschädeln ausgestattet war und in dem sich auch die Kasse befand.
 

"Wie gefällt dir der Laden? Ich habe ihn von meinem Schwager Barney geerbt, bevor er angefangen hat größere Ziele zu verfolgen; nun, was kann ich für dich tun?", fragte der Dämon, während er einen übermäßig dicken handgeschriebenen Katalog aus einer kleinen Schublade herausholte. Xander setzte an sein Anliegen vorzubringen, doch bevor er zu Wort kam unterbrach ihn der Dämon erneut: "Ich habe einige sehr interessante Amulette hier, vor allem Verwandlung, wenn du schon immer einmal unsichtbar oder womöglich sogar eine Frau sein wolltest, dann bist du bei mir richtig!"
 

"Eigentlich geht es nicht um...", begann Xander erneut, nur um wieder von dem Dämonen unterbrochen zu werden: "Ok, das ist es nicht, und du siehst auch nicht aus wie jemand, der mit Magie viel am Hut hätte, vielleicht...", er zupfte an seinem bartähnlichen Hautlappen und betrachtete ihn eindringlich.
 

"Also es geht um meinen Freund Clem, er...", versuchte er es erneut, der Verzweiflung nahe, doch Larr würgte ihn ein weiteres mal ab: "Ich glaube ich habe etwas, was du wirklich gebrauchen kannst, sie sind gerade mit der neusten Lieferung gekommen, etwas sehr Spezielles!"
 

Er griff eine kleine Holzgeschnitzte Schachtel aus einem Schrank und öffnete den Deckel, der den Blick auf zwei in grünen Schleim, der sie wohl kühlen sollte, eingehüllte lebendige Augäpfel freigab.
 

"Die sind noch ganz frisch!"
 

++++
 

Shin’s Haus,

zur selben Zeit.

Er lag auf seinem Bett und ließ das letzte Date mit Dawn noch einmal in seiner Erinnerung stattfinden. Die Nähe, die Vertrautheit und doch hatte er das Gefühl, das Dawn etwas vor ihm verbarg. Er konnte es an ihrer Aura spüren.

Aber wie sagte schon Jesus, wer frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein. Auch Shin hatte noch ein kleines Geheimnis vor Dawn. Er brauchte nur seinen Blick durch sein Zimmer schweifen zu lassen.
 

Sein Bett stand direkt unter dem Fenster, es nahm den meisten Platz im Zimmer ein. Ein schlichter schwarzer Rahmen aus Ebenholz. Zur Zeit bedeckte es eine Tagesdecke, die großflächig mit Drachen bestickt war. Shin liebte Drachen, er bewunderte Ihre Anmut und Schönheit, auch wenn andere Menschen nur ein grässliches Monster aus der asiatischen Mythologie darin sahen.
 

Die Wand gegenüber seinem Bett wurde beherrscht von Zahlreichen Waffen, die dort arrangiert waren.
 

Angefangen von seinem Samuraischwert. Sein ganzer Stolz. Sein Vater hatte es ihm zu seinem 18 Geburtstag überreicht mit den Worten, dass auch er jetzt in die Tradition seiner Familie einzutreten hatte. Weiter ging sein Blick über die Nun-Chackos. An das Training würde er sich sicherlich noch lange erinnern. Er hatte gerade dabei immer sehr viele blaue Flecken einstecken müssen, bis er es geschafft hatte, die Chackos meisterhaft zu beherrschen. Der Kampfstab, die Shuriken, schon allein dieses Arsenal an Waffen hatte bisher jedes halbwegs normale Mädchen die Flucht ergreifen lassen.
 

Abgesehen von den vielen Artefakten und Amuletten, die in seinem Zimmer arrangiert waren. Da war zunächst mal die gekreuzte Wadjra, das Symbol des Donners. In Ritualen wurde es als Schutz gegen Dämonen verwendet.
 

Das Drachenbildnis-Tzuba es half die geistigen und körperlichen Kräfte zu sammeln und innere Ruhe zu bewahren. Dann die Glücksmünzen, das Prognostikon und das Versirsiegel.
 

Und auf dem Fensterbrett, eingebettet in einen kleinen Zen-Garten, umringt von Räucherstäbchen das wichtigste Amulett überhaupt in seinem Leben.
 

Es hatte einen Durchmesser von ca. 10 cm und war Rund wie eine Münze. Auf der sichtbaren Seite sah man eine stilisierte Sonne umringt von einem Kreis aus Flammen. Auf der nicht sichtbaren Seite, erinnerte sich Shin, sah man ein hässliches Dämonengesicht mit drei Augen welches ebenfalls von einem Flammenkreis umringt war. Das dritte Auge wurde von einem Pentagramm eingerahmt.
 

All diese Dinge hatten ihn in seiner Schulzeit zu einem Außenseiter gemacht, sein erster bester Freund dem er strahlend als Kind sein Zimmer gezeigt hatte, war schreiend nach Hause gelaufen. Der nächste Schultag war die Hölle gewesen.
 

Besser wurde es erst wieder als, Shin in die High School ging.
 

Er hatte es sich dann angewöhnt, sich mit seinen Freunden immer woanders zu treffen. Aber vielleicht war es ja mit Dawn anders. Sie war anders. Sie war etwas Besonderes.
 

Ein Klopfen an der Zimmertür ließ Shin aus seinen Gedanken aufschrecken.

Yui, seine Mutter, steckte den Kopf zur Tür hinein. „Besuch für dich! Du hast nicht gesagt, dass uns heute jemand besuchen kommt.“
 

Sie war etwas ungehalten. In vielen japanischen Familien, so auch in der Familie von Shin, war es Tradition, dass Besucher sich anmeldeten oder wenn ein Familienmitglied jemand einlud, dies dann auch der Familie zu sagen. Auf Grund der besonderen Stellung der Tetsu-Familie, hatte sich diese Tradition öfters als sehr nützlich erwiesen. Dämonenjagen war auch in der heutigen Zeit keine wahrhaft einfache Sache. Eine gewisse Geheimhaltung wurde hier lebensnotwendig.
 

„Entschuldige bitte Mutter. Ich habe niemanden eingeladen.“
 

Verwundert stand Shin unter dem strengen Blick von Yui auf und ging zur Tür. Dort stand Dawn.
 

„Hi.“
 

„Was machst du denn hier?“ Fragte er überrascht.
 

„Entschuldige bitte, eine liebevollere Begrüßung hätte ich mir schon gewünscht, schließlich bin ich extra deswegen zu dir gekommen, damit du dir keine Sorgen machen musst.“ Beleidigt verzog Dawn ihr Gesicht.
 

„Sorgen machen? Wieso sollte ich mir Sorgen machen?“ Langsam verlor Shin die Geduld, der unmutige Blick seiner Mutter im Rücken war ihm mehr als unangenehm. Sie stand nicht sichtbar schräg hinter ihm.
 

„Hier, ich hätte sie ja auch einfach im Büro liegen lassen können.“ Wütend hielt Dawn Shin seine Geldbörse vors Gesicht. „Die hast du wohl im Büro verloren und weil ich gesehen hab, dass du erst übermorgen wieder arbeiten kommst, dachte ich mir, das ich sie dir vorbeibringe.“
 

„Oh, danke.....“ Etwas überrumpelt nahm Shin seine Geldbörse an sich.
 

„Willst du mich nicht reinlassen? Oder soll ich mir hier die Füße abfrieren?“ Dawn gefiel die Situation überhaupt nicht. Was hatte Shin bloß? Er ließ sie vor der Tür stehen wie einen Staubsaugervertreter. Schämte er sich für sie?
 

„Weißt du Dawn, das ist jetzt sehr schlecht. Ich äh... hab jetzt grad gar keine Zeit. Ich muss noch einiges äh... erledigen. Kann ich dich anrufen?“ Shin war es sichtlich nicht recht, dass Dawn reinkommen wollte.
 

"Ist das so dringend, dass du nicht mal deine Freundin rein lässt?"
 

Shin konnte förmlich spüren, dass seine Mutter die Augenbrauen hochzog.

"Dawn, ich kann jetzt wirklich nicht. Versteh das doch bitte."
 

Er log doch. Dawn sah es ihm genau an. Tränen der Enttäuschung stiegen ihr ins Gesicht. Sie versuchte sie noch wegzublinzeln, Shin sollte sie sicherlich nicht heulen sehen.
 

"Ich versteh schon. Ich hab wohl grad einen unpassenden Moment erwischt." Dawn hörte wie ihre Stimme nur so von Sarkasmus troff. Gerade von Shin hätte sie so etwas nicht erwartet.
 

"Dawn, das hat nicht mit dir persönlich zu tun, ich kann dich jetzt im Moment einfach nicht reinlassen."
 

"Tja, na dann viel Spaß bei deiner wichtigen Erledigung!" Sie wandte sich zum Gehen.
 

"Dawn, ich ruf dich morgen an. OK? Dann reden wir darüber"
 

„Nein, das kannst du auch lassen.“ Wütend drehte Dawn sich um, stieg auf ihr Fahrrad und fuhr weg.
 

Tränen liefen ihr über die Wangen. Warum hatte Shin sie angelogen.

Was war der Hintergrund?
 

++++
 

Cleveland, Hintergasse, Larr’s Laden

Selbe Zeit

"Ich weiß nicht, also eigentlich...", versuchte Xander einen Satz zu formen, die Augen in der Schachtel schienen in förmlich dabei anzugucken, wie ein Hund in einem Tierheim, der ein neues Herrschen suchte.
 

"Also eigentlich bin ich ja ganz zufrieden so wie es ist!", brachte er schließlich über die Lippen, doch er wusste genau, dass es nicht so war, vielleicht ließ er den Spott der anderen Angestellten relativ unbekümmert von sich abprallen und rächte sich an ihnen auf die eine oder andere Weise, aber trotzdem ging das alles nicht spurlos an ihm vorbei und eins war sicher: einen 3D-Film würde er wohl nie mehr in seinem Leben sehen können.
 

Doch er durfte diese eigentlich nicht annehmen, solche Dinge hatten immer einen Preis, dass hatte er spätestens an dem Tag gelernt, als er eine ganze Stadt zum Singen gebracht hatte.
 

Langsam glitt seine Hand nach vorne und klappte den Deckel der Schachtel wieder nach unten: "Ich bin nicht hier, weil ich was suche, sondern wegen meinem Freund, Clem, er hat mit ihnen Karten gespielt, doch da er den Einsatz nicht dabei hatte haben sie ihm einen Teil seines Gedächtnisses gestohlen, also habe ich mich ihm angeboten, es für ihn zurückzuholen."
 

"Clem?", man sah Larr förmlich an, wie er darüber nachdachte, "Clem. Oh ja, Clem, ein ziemlich faltiges Gesicht, oder? Also hast du mir Kätzchen mitgebracht?"
 

"Nein, und das ist der Punkt: Clem kann sich nicht mal erinnern, wo er wohnt, wie soll er da an Kätzchen kommen, wenn sie mir jetzt also sein Gedächtnis zurückgeben könnten, dann würde er dafür Sorgen, dass sie ihre Kätzchen, die ihnen natürlich zustehen bekommen.", versuchte Xander einen Handel vorzuschlagen.
 

"Netter Vorschlag. Nein. Die Erinnerungen könnten für einige Leute sehr wertvoll sein, ich bin so wie es jetzt ist vollkommen mit der Situation zufrieden, außerdem habe ich noch genug Kätzchen!", Larrs Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton angenommen, den man einem so freundlichen Gesicht gar nicht zugetraut hätte.
 

"Aber Clem braucht die Erinnerungen, ich kann sie auch bezahlen!" Demonstrativ zog er sein Portmonee aus der Tasche.
 

"Glaub mir, Freundchen, ich gebe dir einen Rat im Guten: Du würdest nicht annähernd genug Geld haben, um diese Erinnerungen bezahlen zu können!", er stützte sich auf die Theke und beugte sich zu Xander vor.
 

"Ich bin mir sicher, dass es einen Weg geben muss!", setzte Xander erneut an, er wollte keinen Streit mit Larr anfangen, doch sein alter Bekannter Clem war ihm eindeutig wichtiger.
 

"Nun ja, vielleicht...", begann Larr, langsam kehrte sein freundlicher Gesichtsausdruck zurück, "vielleicht ist es möglich, aber im Moment habe ich bereits einen anderen Kunden, der..."
 

Im hinteren Teil des Ladens klingelte ein Telefon: "Entschuldige mich, einen kleinen Augenblick, sieh dich doch mal um, vielleicht findest du etwas, dass dir gefällt!"
 

Während Larr verschwand warf Xander einige scheuen Blicke in die Regale, aufgereihte Dämonenschädel, eingelegte Froschleber, Knochenamulette; für Willow wären sicher einige interessante Utensilien zu finden gewesen, aber für ihn war das alles eher einschüchternd, zu mal dieser Laden nicht hell und freundlich eingerichtet war wie die Magic-Box, sondern eher wie das aussah, was er letztendlich auch war, ein verkommenes Kellerloch.
 

Aus dem hinteren Teil drang Larr´s laute Stimme, er schrie sein gegenüber an, doch trotzdem konnte Xander nicht verstehen, worum es ging.
 

Sein Blick glitt wieder auf die Theke auf der immer noch die Holzschachtel stand, für einen Moment schien sie ihn magisch anzuziehen, als ob die Augen ihn selbst durch den Deckel noch ansehen würden. Schließlich gelang es ihm den Blick abzuwenden.
 

"So, da bin ich wieder, wo waren wir stehen geblieben?", die Stimme des Dämonen schnitt durch die Stille, doch sie klang anders als vorher, als ob er seine Unsicherheit überspielen wollte, "Ach ja, wir sprachen über deinen Freund nicht wahr und sein Gedächtnis, oder?"
 

Larr´s rotes Gesicht war ganz bleich geworden und seine müden Augen wirkten wachsam, als ob er sich versichern wollte, dass niemand anderes im Laden war.
 

"Ja, wir...", das ungute Gefühl ging auch auf Xander über, irgendetwas stimmte hier nicht.
 

"Ich mache dir ein Angebot: Wenn du mir die Augen abkaufst, dann gebe ich dir die Erinnerungen deines Freundes umsonst dazu!", unterbrach er ihn und bemühte sich dabei möglichst spontan zu klingen.
 

"Wie viel sollen die Augen denn kosten?", fragte Xander misstrauisch. "Eigentlich kosten sie 300 Dollar, aber du kriegst sie für 150 Dollar!", bat Larr ihm an, wohl wissend, dass er anbeißen würde.
 

"Wow. Das sind ja richtige Schnäppchen-Augen!", er wollte die Augen nicht, doch was blieb ihm anderes übrig? Er hatte Clem versprochen sein Gedächtnis zurückzubringen, und er würde es auch tun.
 

Aber auf der anderen Seite wäre es sicher schön wieder auf beiden Augen zusehen, zu mal er es leid war, dass Buffy versuchte ihn von den Kämpfen auszuschließen und die andauernd lästernden Sekretärinnen würden auch ganz schön dumm aus der Wäsche gucken.

"Ok, ich nehme sie!"
 

++++
 

Xander’s und Andrew’s Wohnung.

Etwas später, früher Abend.

"Scha-hatz, ich bin daheim!"
 

Andrew kam durch den Flur ins Wohnzimmer gestürmt, seine Jacke, und eine prall gefüllte Einkaufstüte auf den Armen. Alles purzelte jedoch zu Boden, als er mit Entsetzen feststellen musste, dass anstatt Xander ein seltsamer faltiger Dämon auf seinem Sofa hockte, und - schlimmer noch - gerade dabei war, an seinem brandneuen Todesstern mit dem Original-Rückkehr-der-Jedi-Ritter-Design herum zu basteln. Andrew und der Dämon starrten einander mit fassungslosem Blick an, und kreischten gleichzeitig los.
 

Clem flüchtete hinters Sofa. Andrew kreischte noch lauter, denn das hautlappige Wesen stieß gegen den Tisch, und verteilte dabei die kostbaren Modellbauteilchen über den ganzen Wohnzimmerteppich.
 

"Wer bist du?" verlangte Andrew zu wissen. "Was hast du in unserer Wohnung zu suchen, was willst du auf meiner Couch, und was hast du mit Xander gemacht?"
 

"Ich...uhm...ich hab' deinem Schatz nichts getan," beeilte sich Clem zu erklären, "ich wusste ja nicht mal, dass Xander und du..."
 

"Sind wir gar nicht," unterbrach Andrew. "Und Finger weg, von meinem Valentinstags-Todesstern!" Er bückte sich, und begann hastig, die Modellteile aufzusammeln, und zurück auf den Tisch zu legen. Clem guckte schuldbewusst hinter der Couch hervor, und kam schließlich angetapst, um Andrew zu helfen. "Soll das in die Küche?" fragte er vorsichtig, und schnupperte an der Einkaufstüte.
 

"Finger weg, von meinem Abendessen!" Andrew entriss ihm die Tüte, und marschierte hocherhobenen Hauptes davon, um die Lebensmittel zu verstauen. Verdutzt starrte Clem ihm hinterher, und um sich wenigstens ein bisschen nützlich machen zu können, hob er Andrew's Jacke auf, und wollte sie zur Garderobe tragen.
 

Unter der Jacke lag ein Briefumschlag, der wohl aus der Tasche gefallen sein musste. Neugierig öffnete Clem den Umschlag, und spähte hinein.
 

"Finger weg, von meinen Vorgeburtstagsgeschenk!" Andrew kam aus der Küche gestürmt, und entriss Clem Jacke und Umschlag. "Was ist ein Vorgeburtstag?" fragte der Dämon verwirrt.
 

"So etwas Ähnliches, wie ein Nichtgeburtstag!" Andrew warf Clem einen bösen Blick zu, und verstaute den Umschlag wieder in seiner Jackentasche. "Und Finger weg, von unserem Dinosaurier!"
 

"Ich hab' dem Dinosaurier nichts getan!"
 

"Und warum hast du dann ein Dinobein hier liegen?"
 

"Oh. Mein Gott." Andrew's misstrauischer Gesichtsausdruck wich einem fassungslosen Unglauben. "Das ist nicht möglich! Du hast das rechte Hinterbein gefunden! Wir suchen das seit 'nem halben Jahr! Wir haben schon gedacht, wir finden's gar nicht mehr, weil die schon längst ganz andere Sachen in den Packungen haben...nein, warte, noch nicht reinstecken. Xander muss dabei sein, es ist schließlich auch sein Dino!"
 

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er begeistert weiterredete. "Wow, das ist so cool! Du musstest bestimmt zwanzig Packungen essen, bevor..."
 

Clem war gerade dabei, das Lächeln schüchtern zu erwidern, und sich zu wundern, ob er vielleicht doch noch etwas richtig gemacht hatte, als Andrew mitten im Satz abbrach, und Clem böse anschaute. "Finger weg, von unseren Cornflakes!"
 

++++
 

Cleveland, Friedhof,

Sonnenuntergang:

Es herrschte Ruhe auf dem geweihten Boden, der für so viele Leute Schmerz aber auch Friede in einem bedeutete. Friede, den jeder, der sich schlussendlich hier her begab, um seinen Körper hier niederzulegen, verdient hatte. Jeder einzelne.
 

Eine leichte Brise wehte zwischen den zum Teil alten, mit Moos besetzten, zum teil neuen, sauberen Grabsteinen hindurch. Hinter einigen der größeren Steine bildeten sich kleine Windwirbel und ließen eine kleine, alte Papiertüte, die auf dem zum Teil von Kiesel oder auch Gras bedeckten Boden, lag, aufwirbeln. Die Tüte drehte sich, sie flog, frei, unkontrolliert, bis sie nach einiger Zeit wieder den Boden berührte, noch kurz versuchte, wieder von einer weiteren Windböe erfasst zu werden, und nach Misserfolg einfach wieder tot am Boden liegen blieb.
 

Faith schritt mit sicherem, festen Schritt voran, vorbei an Marie Anne (1973 – 2001), Anthony Whiterow (1921 – 1946) und auch vorbei an dem Grab von „Bobby Whisterpow“, einem kleinen Jungen, der im Alter von 3 Jahren diese Welt wieder verlassen durfte.. konnte.. musste.
 

Sie fixierte mit ihren Augen das Grab von Vi, welches aus den zum Teil stark veralteten Gräbern schon von weitem heraus stach, und während sie mit der rechten Hand in ihrer Tasche nach einem Feuerzeug suchte, trat sie auf das Grab zu, das zur letzten Ruhestätte von Vi geworden war.
 

Sie stellte die in rotes Plastik eingefasste Kerze vor den Grabstein, zündete sie an und deckte sie wieder mit der Metallkappe ab, die verhindern sollte, dass Regen oder sonstige Umwelteinflüsse die Flamme auslöschen. Während Faith nun vor dem Grabstein kniete, tasteten ihre Augen die leere Erde ab, die das Grab bedeckte. „.. ich hätte Blumen mitnehmen sollen..“ flüsterte sie, und ärgerte sich, dass sie so nachlässig gewesen war. Wieso waren eigentlich die Blumen der Beerdigung schon fort? Waren sie etwa schon kaputt? Nach einer Woche? Einer verdammten WOCHE?!
 

Faith’s Blick fiel wieder auf den Grabstein, und er bleib bei dem eingravierten Namen hängen. Vivian Claimore. Vivian? Der Name war so.. unecht. Sie hatte sie nie Vivian genannt, Vi war immer schon Vi gewesen, aber was hätten sie machen sollen? Man konnte doch keinen Spitznamen auf einen Grabstein schreiben.
 

Faith hob langsam die Hand, und berührte vorsichtig den eingravierten Anfang vom großen V. Langsam fuhr sie die Schrift nach, und Bilder schossen ihr in den Kopf.
 

„Die Party war der Hammer ! .----- „Vi, kümmere du dich um den Hippie!“ --- „Verdammt sie flüchten!“ ----- Die Gestalt mit der Armbrust ----- „VI, PASS AUF!“ ---– Vi’s Leiche, mit dem Pfeil im Herzen – Vi’s Beerdigung
 

Faith zuckte zusammen, holte dann tief Luft, und schloss kurz die Augen. „Vi.. wo du auch immer bist. Du fehlst uns hier.. wirklich..“
 

Sie sprang auf, bereit, jedem Dämon den Kopf abzureißen, als plötzlich ein Geräusch hinter ihr zu hören war. Jemand hatte sich genähert. Und dieser jemand war nicht alleine. Sofort drehte sie sich um, und erkannte Robin und Ronah, die zwei Meter hinter ihr standen, mit Blumen in den Händen.
 

Robin nickte ihr zu, während Ronah leise ein „Hi.. Faith!“ von sich gab, nach vorne trat, und den Strauß Lilien, den sie hatte, langsam und bedächtig auf die frische Erde legte. Robin folgte ihr, legte ebenfalls seinen Strauss Blumen ab, bei ihm handelte es sich um rote Rosen, eine bedächtige Stille folgte.
 

Keiner der drei wusste, was sie sagen sollten, und so standen sie vor dem Grab, jeder für sich alleine, jeder für sich selbst. Faith starrte wieder auf den Grabstein, während Ronah krampfhaft versuchte, die Tränen, mit denen sich ihre Augen füllten, zu stoppen.
 

Robin trat näher an sie heran, legte seinen Arm um ihre Schultern, und gab ihr Halt, Halt, den sie jetzt brauchte. Als die Tränen endlich liefen, sah Faith die Beiden an und suchte nach den richtigen Worten.
 

Als sie diese nicht fand, weil es zu so einem Zeitpunkt einfach keine richtigen Worte gibt, die einen trösteten, weil es keine Worte gibt, die einen den Schmerz vergessen ließen, und weil es keine Worte gibt, die einem die Verstorbene wieder zurück bringen, schwieg sie und starrte wieder auf den Grabstein, auf den eingravierten Namen, und schwieg.
 

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Larr’s Laden,

später Abend

"Ja?", Larr war gerade dabei gewesen einige abgelaufene Waren auszusortieren, als das Telefon geklingelt hatte, "Sind Sie es Mr. Romero?"
 

Von der anderen Seite ertönte Kan Hsirgs kalte, rauchige Stimme: "Was ist mit der Ware, sind wir im Geschäft?"
 

"Ich fürchte nein, Mr. Romero, es hat sich leider eine Komplikation ergeben: Die Ware ist wieder zu ihrem ursprünglichen Besitzer zurückgekehrt und mit ihr alle Informationen über Malkuth.", Larr klang bedauernd.
 

"Wieso das? Wir hatten eine Vereinbarung, die Informationen und darin verwurzelten Teile des Gedächtnisses sollten mir gehören!", regte sich Kan Hsirg auf der anderen Seite auf, es war deutlich zu hören, wie Hsirg an seiner Zigarre zog, wie er es immer tat, wenn er aufgeregt war, Malkuth, wer oder was es auch immer war, schien für ihn eine große Bedeutung zu haben.
 

"Hören Sie, ich weiß, dass diese Informationen einen großen Wert für Sie haben, aber meine eigenen Interessen gehen nun mal für mich vor,", ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon viel zu spät war, er sollte so schnell wie möglich nach Hause kommen, "Hören Sie Mr. Romero, oder wie auch immer ihr richtiger Name ist, ich habe wirklich alles getan, um an die Informationen zu kommen, um die Sie mich gebeten hatten, ich habe sie unversehrt, größtenteils gefiltert, auch wenn noch einiges anderes hängen geblieben ist, aus dem Kopf diese Dämonen, Clem geholt und sie für Sie bereit gehalten, doch es ist etwas dazwischen gekommen, hätten Sie sich früher gemeldet, dann hätte es sich vielleicht anders ergeben, aber es ist nun einmal so. Wenn Sie und ihre Leute verlässlicher wären, hätten Sie jetzt die Ware und ich hätte weniger Sorgen. Wie auch immer, ich muss Schluss machen!"
 

"Bah, ich habe gleich gewusst, dass es ein Fehler ist, mit so etwas wie Ihnen Geschäfte zu machen, ich werde aus meinem Fehler lernen!", der Läufer des Hto-Grom-Clans knallte den Telefonhörer mit einem Laut der Abscheu in die Halterung. Verdammt. Er müsste sich etwas anderes einfallen lassen.
 

Larr schloss derweil die Kasse und löschte die wenigen Lichter, die seinen Laden aufhellten, es war spät, viel zu spät.
 

Er guckte sich misstrauisch um, als er die Vordertür seines Geschäftes abschloss. Er sollte sich besser beeilen, zu seiner Wohnung zu kommen, die einige Blocks entfernt lag, in diesen Tagen war es hier draußen nicht sicher, nicht einmal für ihn.
 

Er sog etwas Luft ein, der Gestank von Dämonen drang an seine überempfindliche Nase, doch er konnte nicht das ausmachen, was er gesucht hatte. Langsam ließ er den Schlüssel in sein Jackett gleiten und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung.
 

Plötzlich nahm er einen Schatten wahr, der rechts an ihm vorbei huschte, Larr fuhr herum, doch er konnte nichts erkennen; vermutlich nur eine weitere armselige Gestalt, die wie er versuchte schnell nach Hause zu kommen. Er beschleunigte seinen Schritt.
 

Was war das? Schritte. Doch sie klangen nach einem normalen Menschen, vermutlich hatte er sich auf der Suche nach einer Abkürzung in diese Gassen verirrt, normal traf man hier nur seinesgleichen, Dämonen. Er ging noch etwas schneller, es war nicht mehr weit.
 

Er bog um eine Ecke in einen engen Hinterhof ein. Einige Male blickte er misstrauisch über seine Schulter, denn das ungute Gefühl verschwand einfach nicht.
 

Ein lauter Knall. Larr fuhr herum und musste feststellen, dass es nur ein Mülleimer war, den wohl der Wind umgestoßen hatte. Beruhigt wand er seinen Blick wieder ab und stieß direkt gegen die Schulter eines Dämonen, der wie aus dem nichts aufgetaucht war.
 

Larrs lauter Schrei war mehrere Blöcke weit zu hören, doch der äußerst kräftig gebaute F´rilar Dämon, dessen ledrige, steinartige Haut tief grau war, zeigte sich wenig beeindruckt: Seine kräftige Hand schloss sich um Larrs Hals und durch seine immer verschlossenen Augenlider schien er ihn genau zu fixieren, dennoch behielt er seine innere Ruhe aufrecht.
 

"Bitte nein!", winselte Larr, dessen Stimme zu einem leisen Quieken geworden war: "Du verstehst das ganze falsch!"
 

++++
 

Xander’s und Andrew’s Wohnung,

selber Abend

"Andrew, es ist doch nur für heute Nacht!" Xander stieß einen Seufzer aus, und blickte durch die offene Wohnzimmertür ins Chaos. So schlimm hatte es nicht mehr ausgesehen, seit Andrew mühsam das Aufräumen gelernt hatte.
 

Er schluckte einen Kommentar hinunter und wandte sich seinem aufgebrachten Mitbewohner zu. "Ich hab' Clem's Gedächtnis doch schon mitgebracht. Sobald er sich wieder dran erinnert, wo er wohnt, kann er nach Hause gehen, und du hast deine Couch zurück."
 

"Er wühlt in meinen Sachen rum!" beschwerte sich Andrew. "Er hat meine ganzen Comics durchgeblättert, und Spiderman hat jetzt Fettflecken. Außerdem hat er einfach meinen Todesstern ausgepackt, und die Teile überall rumgeschmissen. Ich hab' den ganzen Abend gebraucht, bis ich sie wieder alle beieinander hatte..."
 

"Bist du sicher, dass du sie alle beieinander hast?" fragte Xander grinsend, doch Andrew ging auf den Witz nicht ein, sondern warf einen bösen Blick in Richtung Wohnzimmer.
 

"Wie willst du jemals Geld sparen, wenn du alles für Comics, Actionfiguren, und Modellbauten ausgibst," seufzte Xander. "In den letzten Wochen hast du unser Wohnzimmer in die reinste Ausstellung verwandelt..."
 

"Und er... er guckt immer so komisch," versuchte Andrew hastig vom Thema abzulenken. Natürlich hätte er sagen können, dass die Sachen aus dem Laden wären, oder sich sonst irgendeine Ausrede einfallen lassen können, aber es widerstrebte ihm, seinem besten Freund Lügengeschichten aufzutischen. Irgendwie hatte er schon die ganze Zeit das Gefühl, ihn anzuschwindeln, auch wenn er ihm bis jetzt keine direkte Lüge erzählt hatte.
 

"Er guckt komisch," wunderte sich Xander, und blickte zu Clem, der immer noch auf der Couch hockte, Chips und Cornflakes futterte, und interessiert das Fernsehprogramm verfolgte. Clem bemerkte Xander's und Andrew's Blicke, lächelte, und winkte ihnen zu.
 

"Hey, Clem!" Xander betrat das Wohnzimmer und stellte seinen Rucksack ab. "Rate mal, was ich dir mitgebracht hab'"
 

"Du hast es?" Aufgeregt sprang Clem von der Couch auf, und stieß dabei ums Haar seine Bierdose um. "Du hast es wirklich bekommen?"
 

"Yep, allerdings! War gar nicht so einfach, doch ich hab's am Ende geschafft!" schilderte Xander stolz seine Heldentat. Die Sache mit den Augen behielt er vorerst für sich. Nicht, dass er vorhatte, die Dinger jemals zu verwenden, aber...
 

"Wenn du dein Gedächtnis zurückhast, dann kannst du dich bestimmt wieder dran erinnern, wo du wohnst..." begann Andrew vorsichtig, und bemühte sich um einen freundlichen Tonfall.
 

"Aber klar!" Clem strahlte, und Andrew strahlte erleichtert zurück. "Nur keine Sorge! In drei, vier Tagen weiß ich wieder alles ganz genau."
 

Andrew schlug rasch die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzujaulen.
 

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Xander’s und Andrew’s Wohnung,

ein paar Stunden später

Drei, oder vier Tage? Das war wirklich etwas länger als geplant, dachte Xander grimmig, als er sich vor dem Badezimmerspiegel die Zähne putzte. Hoffentlich würde Andrew nicht darauf bestehen, dass Clem nach der Hälfte der Zeit in seinem Zimmer einquartiert wurde.
 

Er spülte die Zahnbürste aus, wusch sich das Gesicht, und verstaute sein Glasauge für die Nacht in der Reinigungsflüssigkeit.
 

Meistens vermied er es, sich im Spiegel anzusehen, wenn er das Auge entfernt hatte. Eigentlich hätte er sich längst an den Anblick der leeren Augenhöhle gewöhnen müssen, doch es gab Momente, da wollte er am liebsten vor sich selbst davon laufen. Er war ein Monster, ein einäugiger Pirat. Zielscheibe für den Spott gelangweilter Sekretärinnen.
 

Früher hatte er sich noch damit rühmen können, der einzig Normale im Kreis seiner Freunde zu sein. Jahrelang hatte er dabei zugesehen, wie sie alle immer mächtiger wurden, wie sich Buffy's Kampfkünste, Willow's und Tara's Magie entwickelten, die kleine Schwester auf einmal ein Schlüssel war, und Anya ihre dämonischen Kräfte zurückbekam....selbst der kleine Andrew hatte ein magisches Talent...
 

Und er...er hatte jetzt nicht einmal mehr einen normalen gesunden Körper. Nicht einmal das war ihm geblieben.
 

Nicht einmal das...
 

Seine Hände griffen nach dem Holzkästchen, das Dee A. Larr ihm überlassen hatte. Er hatte es in der kleinen Kommode unterm Waschbecken versteckt, damit es nicht Andrew oder Clem in die Hände fiel. Das Schloss schnappte auf, als seine Finger es berührten, und gab den Blick auf den Inhalt frei.
 

Zwei Augen...
 

Vorsichtig berührte er die grüne jellyartige Flüssigkeit. Sie fühlte sich kühl an, jedoch weit weniger unangenehm, als er vermutet hätte. Seine Finger bewegten sich weiter, und plötzlich hielt er einen der Augäpfel in der Hand.
 

Entschlossen hob er ihn hoch und setzte ihn ein...
 

Ein beißender Schmerz durchzuckte seinen Kopf, dasselbe unangenehme Gefühl, das einen Menschen durchfuhr, wenn er direkt in die Sonne blickte. Reflexartig schloss er die Lider, und sah grelle Lichtflecken vor seinen Augen tanzen.
 

Beiden Augen?
 

Er blinzelte vorsichtig, und versuchte seine Umgebung zu erkennen. Zwar dröhnte ihm der Kopf noch ein wenig, aber langsam wurde es besser. Verschwommene bunte Farbflecken nahmen allmählich Konturen an, waren es optische Täuschungen, oder war dies einfach nur sein Badezimmer?
 

Es war sein Badezimmer. Eindeutig. Der Wasserhahn, das Waschbecken, die Handtuchständer. An der Seite der Schrank, hinter ihm die Badewanne. Dies war sein Badezimmer, und er sah es zum ersten Mal dreidimensional.
 

Er kannte dieses Zimmer, und doch schien alles anders zu sein, als er es kannte. Waren es die Formen? Die Farben? Sein Blick war immer noch auf den Wasserhahn gerichtet, aber dieser leuchtete in einem Silber, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Er neigte sich nach vorne, um ihn genauer zu betrachten, und plötzlich entdeckte er Wasserflecken, die gerade eben noch nicht da gewesen waren. Oder täuschte er sich nur?
 

Die Flecken schienen jedoch nicht an derselben Stelle zu bleiben, sondern veränderten ihre Konturen. Einen Moment später waren sie ganz verschwunden, und der Hahn strahlte wieder nagelneu, und wunderschön.
 

Probehalber kniff er das neue Auge kurz zu. Jetzt sah der Wasserhahn wieder völlig normal aus.
 

Das Waschbecken. Jedes Detail seiner glatten Oberfläche war genau zu erkennen. Wie unter einer Lupe. Plötzlich - ein Zahnpastafleck. Den hatte er gestern gemacht, daran konnte er sich jetzt wieder erinnern, doch er hatte ihn schon längst weggeputzt.
 

Warum also konnte das Auge ihn noch sehen?
 

Er hob den Blick, um sich im Spiegel zu betrachten - und wäre vor Schreck beinahe zurückgestolpert. Dies war sein Gesicht, aber zugleich war es auch das Gesicht eines kleinen Jungen, und im nächsten Moment war es wieder erwachsen, und von Schmerzen verzerrt. Es schien aus mehreren Gesichtern zu bestehen, die einander überlagerten, und doch konnte er jedes einzelne von ihnen erkennen, wenn er sich darauf konzentrierte.
 

Oh Gott, er musste sich wieder rasieren. Er konnte die Bartstoppeln förmlich sprießen sehen.
 

Eines war ganz sicher, dies war kein normales Auge. Vielleicht das Auge eines Sehers...
 

"Xander? Brauchst du noch lang da drinnen?" rief Andrew ungeduldig.
 

"Ich bin gleich... "
 

Hinter ihm war jemand vorbeigegangen.
 

Xander fuhr herum, doch da war niemand. Das Bad war vollkommen leer, auf dem Boden glänzte zwar das Wasser von gestern Abend, doch das war auch schon alles. Seltsam, wie schnell man sich daran gewöhnte, mehrere Dinge gleichzeitig zu sehen. Es verwunderte ihn nicht einmal mehr, dass sein Haarshampoo für einen Moment lang nicht an seinem gewohnten Platz stand, sondern neben der Wanne auf dem Boden lag. Instinktiv bückte er sich, um es aufzuheben, als es aber auch schon wieder verschwunden war.
 

Er musste sich getäuscht haben. Vielleicht war es nur der Schatten eines Insekts gewesen, das an der Lampe vorbeigeflattert war.
 

Aber hier drin war kein Insekt. Auch kein zeitversetztes.
 

Hatte er wirklich etwas gesehen? Oder war es einfach nur dieses Gefühl gewesen, dieses Prickeln, dieser Luftzug im Nacken, wenn jemand hinter einem stand? Aber wenn hier jemand gewesen sein sollte, war er dann durch die geschlossene Tür verschwunden?
 

"Xander? Ist was los da drin?"
 

Er entriegelte die Tür, und öffnete sie. "Nein, alles in..."
 

Die Worte blieben im Halse stecken. Andrew stand nicht vor dem Badezimmer, er lag einige Yards weiter im Flur, und kämpfte verzweifelt gegen etwas Monströses an, das ihn dort zu Boden gerissen hatte, und ihn niederdrückte. Es war dunkel, zu dunkel um Genaueres zu erkennen, aber Xander nahm sich nicht die Zeit, stehen zu bleiben, und die schattenhafte Gestalt länger zu betrachten. Als sie den Kopf senkte, um ihre Zähne in Andrew’s Gesicht zu schlagen, jagte er darauf zu und -
 

"Ich dachte schon, du wirst nie fertig." Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich, und Andrew streckte seinen Kopf in den Flur.
 

Xander fuhr herum. Licht brannte im Flur, alles war hell und freundlich, und der Teppichboden war leer, bis auf einen winzigen Colafleck, den einer von ihnen irgendwann gemacht, und wieder weggeputzt hatte.
 

Vielleicht war es leichtsinnig gewesen, dieses Auge zu verwenden. doch jetzt gab' es kein Zurück mehr. Wenn er damit in die Vergangenheit sehen konnte, dann vielleicht auch in die Zukunft. Vielleicht war der Angriff auf Andrew etwas, das in der Zukunft passieren würde, und sie konnten es noch verhindern.
 

Er konnte es verhindern...
 

Als er im Bad das Wasser rauschen, und Andrew vor sich hinträllern hörte, erwachte er aus seiner Erstarrung, und ging ins Wohnzimmer. Im ersten Moment sah er die Bauteile des Todessterns auf dem Teppich liegen, doch sie verschwanden rasch, und wurden durch Cornflakesbrösel ersetzt.
 

Das Zimmer war dunkel, bis auf das Flimmern des Computerbildschirms, das den Raum in ein kaltes geisterhaftes Leuchten tauchte. Vor dem PC konnte er nur eine schattenhafte Silhouette erkennen. Andrew würde vermutlich sehr sauer sein, wenn er herausfand, dass Clem heimlich an seinem Computer spielte.
 

Fast wäre er über etwas am Boden gestolpert. Er bückte sich danach, vor seinen Füßen lag Andrew's kleiner Linuxpinguin. Fast automatisch streckte er die Hand aus, um das Stofftier aufzuheben.
 

Ein lang gezogener Schnarchlaut ließ ihn zusammenschrecken. Clem lag friedlich schlafend auf der Couch, sein Kopf in den Kissen vergraben.
 

Dieses verrückte Auge! Xander fuhr herum, nur um zu sehen, dass niemand vor dem Computer saß, das Gerät war nicht einmal eingeschaltet. Vor ihm lag auch kein Pinguin, er war über die Luftmatratze gestolpert, auf der Andrew heute Nacht schlafen würde.
 

War es Vergangenheit, oder Zukunft gewesen, was er gesehen hatte? War die Gestalt am Computer dieselbe gewesen, die Andrew im Flur angegriffen hatte? Oder hatte er am Ende Andrew selbst gesehen, der schließlich jeden Tag an dem Ding saß?
 

So viele Fragen und keinerlei Antworten. Verflixt, es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, diese Kräfte zu kontrollieren. Etwas Gefährliches war hier, vielleicht hier in der Wohnung, und er musste es ausfindig machen...
 

Er wusste nicht, warum er seinen Blick plötzlich zum Fenster richtete, und noch weniger, warum er die Büsche auf der anderen Straßenseite sah. Eigentlich hätte er auf dem Balkon stehen müssen, um sie erkennen zu können, aber er sah sie ganz deutlich, und mehr noch, eine schattenhafte Gestalt die sich dazwischen verbarg.
 

Die Gestalt schien ungefähr menschliche Größe und Statur zu haben, ein wenig größer und kräftiger vielleicht. Graue, felsige Haut, als ob sie aus einer Art Stein bestünde.
 

Der Dämon wandte ihm das Gesicht zu, seine Augenlider waren verschlossen.
 

Akt 2
 

Xander’s und Andrew’s Wohnung

Am nächsten Morgen

Xander fühlte sich überraschend gut, als er am Freitagmorgen erwachte. Das Sonnenlicht des ersten Frühlingstages flutete herein, und die Ereignisse des letzten Abends erschienen ihm eher wie ein Alptraum. Was sie in gewisser Weise ja auch gewesen waren.
 

Als er das Wohnzimmer betrat, konnte er Andrew und Clem hören, die sich lautstark um das letzte Schokocroissant stritten. In der Küche brutzelten Eier mit Speck, er konnte den angenehmen Essensduft bis in den Flur riechen, und bekam sofort Appetit.
 

"Morgen, ihr beiden." Xander schnappte sich eins der Messer, und zerteilte das Croissant in der Mitte. Die Streithähne verstummten sofort, und stürzten sich auf die beiden Hälften.
 

An seinem Platz war bereits für ihn gedeckt worden, Xander blinzelte kurz, ob es vielleicht nur eine Täuschung des Auges war, doch das Gedeck blieb, wo es war. Er schenkte sich Orangensaft ein, und wandte sich dann dem Toaster zu, nur einen Augenblick nachdem er das Brot heraushüpfen sah, war es tatsächlich fertig. War doch praktisch, diese Fähigkeit, überlegte Xander, und fühlte gleichzeitig einen Anflug von schlechtem Gewissen. Er wollte das Auge schließlich nur ausprobieren, nicht behalten, und es ging ihm auch nur darum, seine Freunde zu schützen, nicht vorher zu wissen, wann der Toast fertig war. Das war nur ein harmloser Nebeneffekt, nichts be...
 

Er fühlte ein kurzes Stechen, und sah in der Küche den Speck verkohlen. Rasch sprang er auf, wetzte dorthin, und nahm die Pfanne vom Herd.
 

"Schon fertig?" wunderte sich Andrew. "Aber ich hab' ihn doch gerade erst..."
 

"Hmmm.." schnupperte Clem, und schloss genießerisch die Augen. "Wenn du mich fragst, dann ist er genau richtig!"
 

'Ist er auch', schoss es Xander durch den Kopf, als er den ersten Bissen im Mund zergehen ließ. 'Ich hab die Pfanne genau im richtigen Moment runter genommen. Und die Eier erst... knusprig, aber doch mild!'
 

Er geriet ins Schwärmen. Aber wenn es wirklich so einfache Dinge waren, die ihn glücklich machen konnten, dann hieß das schließlich, dass er mit dieser Fähigkeit verantwortungsbewusst umging, oder etwa nicht?
 

"Bevor wir's vergessen..." Grinsend hielt Andrew den Dinosaurier hoch. "Da will jemand sein Bein!"
 

"Kommt sofort!" lachte Xander. "So...jetzt kannst du es reinstecken...ich kann es kaum noch erwarten!"
 

"Sei doch nicht so zimperlich," kicherte Andrew plötzlich los, und verschluckte sich fast an seinem Kakao.
 

"Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?" fragte Clem verwirrt, und Xander schüttelte lachend den Kopf. Es war ja auch schwierig zu erklären. Ein halbes Jahr lang taten sie mit diesem dummen Dino rum, und jetzt hatten sie das Vieh endlich fertig.
 

Ein halbes Jahr - eigentlich war das gar nichts, und doch war unheimlich viel passiert... als sie die ersten Teile gefunden hatten, hatten sie grad mal ein paar Wochen in dieser Wohnung gelebt, und sich noch darüber gestritten, wer wann aufräumen und den Müll raustragen musste...
 

Und Dawn hatte ihnen den Kopf mitgebracht, das war als Andrew und sie den Zoff wegen des Balls hatten...
 

"Wow!" Andrew stellte den fertigen Dino aufs Regal hoch, und betrachtete ihn stolz. "Cool!"
 

Er begann sein Gedeck zusammenzuräumen, trug es hastig in die Küche, und verschwand anschließend in Richtung Flur. "Xander, wär' das okay, wenn du aufräumst? Ich hab's ein bisschen eilig. Und heute Abend, da müsst ihr beiden nicht mit dem Essen auf mich warten, könnte spät werden..."
 

"Ist gut, Drewster!" rief Xander ihm hinterher. Ob der Junge heute Doppelschicht arbeitete? Oder vielleicht war er wieder fürs Kino verabredet? Ob da nicht doch ein Mädchen dahintersteckte, selbst wenn er es die ganze Zeit leugnete?
 

"Ich helf' dir!" Ein lautes Klirren riss Xander seinen Gedanken, Clem hatte versucht abzuräumen, und dabei einen Teller fallen lassen.
 

"Nein, warte, lass mich das machen!" Hastig kramte Xander im Küchenschrank nach Schaufel und Besen. Clem tapste nervös im Türrahmen von einem Fuß auf den anderen, offenbar hatte er Angst sich an den Scherben zu verletzen.
 

"Sei bloß vorsichtig," warnte Xander, doch seine Warnung kam offensichtlich zu spät. Große schwere Blutstropfen fielen auf den Küchenboden, färbten das Linoleum rot. Entsetzt sprang Xander auf und stieß dabei den Karton mit dem Altpapier um, der neben dem Besen im Küchenschrank stand.
 

"Nix passiert," beruhigte ihn Clem. Der Dämon stand noch immer im Eingang und war offensichtlich unverletzt. Ob Clem's Blut überhaupt rot war?
 

Der Boden war wieder sauber, bis auf die verstreuten Scherben. Xander räumte das Papier zusammen, doch er hielt kurz inne und zog einen geöffneten Briefumschlag zwischen den anderen Papieren hervor.
 

"Starfleet Con?", der Schriftzug stand Kleingedruckt auf der Rückseite.
 

Als Xander ihn verwirrt betrachtete machte sich das leichte Stechen wieder bemerkbar und Xander sah im Umschlag zwei Stücke Papier. Überrascht griff Xander nach ihnen, doch die bunt bedruckten Scheine verschwanden sofort, und der Umschlag war wieder leer. Hatte er sich eben getäuscht, oder waren das Eintrittskarten gewesen?
 

"Weißt du zufällig, was hier drin war?" fragte Xander verwirrt und hielt den Umschlag hoch.
 

Clem nickte. "Zwei Eintrittskarten für eine Star Trek Con, die hat Andrew wahrscheinlich mitgenommen. Wolltet ihr da nicht zusammen hin?"
 

"Nicht dieses Wochenende," wunderte sich Xander und zog die Stirn in Falten. "Ich hab' ihn vor ein paar Wochen gefragt, doch er meinte, er muss arbeiten, und hat keine Zeit."
 

Nachdenklich warf er den leeren Umschlag wieder ins Altpapier zurück. "Schon merkwürdig..."
 

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Buffy und Dawn’s Wohnung

selbe Zeit

"Gibst du mir mal ein Messer?" murmelte Buffy, völlig in den Zeitungsartikel vor sich vertieft, und wedelte leicht orientierungslos vor Dawns Nase herum. Selbige seufzte nur und stand wortlos auf. Schnell lief sie über den kalten Kachelfußboden und nahm eines der versilberten Messer aus der zweiten Schublade heraus. Genau so zügig tippelte sie wieder zurück und setzte sich schnell auf den hohen Hocker vor der Theke. Für einen Augenblick beobachtete sie ihre Schwester, die mit schief gelegtem Kopf und hoch konzentriert auf die eng bedruckte Zeitungsseite starrte.
 

"Ist etwas passiert?" fragte Dawn, während sie das Besteck vor Buffys leeren Teller legte. Sie hob ihre Augenbrauen etwas genervt an, als sie keine Antwort bekam und Buffy stattdessen nur umblätterte. "Buffy?"
 

"Hh, was?" fiepte die Angesprochene leicht perplex und räusperte sich kurz. "Oh.. nein, nein... keine Sorge." lächelte sie etwas verlegen, knickte das obere Ende der Zeitung um und lehnte sich zurück. "Nichts passiert..." nuschelte sie weiter und legte ihren Kopf erneut, mit einem winzigen Lächeln auf den Lippen, leicht schief.
 

Dawn sah ihr noch einige Sekunden beim Lesen zu, bis sie sich wieder ihrem, inzwischen kalten, Pfannkuchen zuwandte. Mit der rechten Hand nahm sie die Teigrolle in die Hand und knabberte lustlos an dem vorderen Ende herum. Noch in derselben Minute legte sie es jedoch schon wieder hin und begann dagegen mit ihrem Messer in dem Essen herumzustochern. Gott, wie sie es hasste, an nichts anderes als an Shin denken zu können... und Himmel, was würde sie dafür geben verstehen zu können, was gestern geschehen war. Es gab sicherlich einen triftigen Grund, weshalb er sie nicht herein gelassen hatte. Ja, es musste einfach einen geben.... oder?
 

Ein tiefer Atemzug trat über ihre leicht geöffneten Lippen, während sie mit einem Auge wieder zu Buffy lugte. Diese nahm gerade den letzten Schluck aus der schwarzen Kaffeetasse, während sie die große, hellgraue Zeitung letztendlich neben sich auf den Tisch legte.
 

Dawn stützte ihren Kopf ruhig auf ihrer Handinnenfläche auf und beobachtete teilnahmslos, wie Buffy eines der großen Brotscheiben aus dem Korb nahm und mit der anderen das Erdnussbutterglas öffnete.
 

"Sag mal, Buffy..." setzte Dawn etwas unsicher an, während ihre Augen förmlich an der Bewegung von dem silbernen Messer klebten.
 

"Mhm?" antwortete Buffy und gähnte mit vorgehaltener Hand, während sie selbst von ihrem Stuhl aufstand und gemächlich zu der Kaffeemaschine lief. Dawn blickte derweilen leicht verlegen auf ihre zwei Daumen, die nervös miteinander spielten.
 

"Ist es..." setzte sie an, löste ihre Finger voneinander und versuchte sie ruhig zu halten. "Ist es normal wenn ein Junge einen nicht hereinlassen möchte?" flüsterte sie mehr, als dass sie es aussprach, aber Dawn war sich sicher, dass Buffy es gehört hatte.... Sie wurde bei solchen Fragen immer etwas rot und bekam plötzlich diesen ultra wichtigen Gesichtsausdruck...
 

"Ähm..." ließ Buffy die warme Zimmerluft durch den Spalt zwischen ihren Zähnen entweichen und spielte unbewusst mit dem Henkel der Tasse herum. "Geht es um Shin?" wollte sie wissen und setzte sich zusammen mit der Tasse wieder gegenüber ihre Schwester.
 

Dawn jedoch senkte ihren Blick ein wenig und schloss dabei ihre Augen. "Kannst du nicht einfach meine Frage beantworten?" wollte sie wissen und versuchte ihre Stimme dabei nicht ganz so aufgelöst klingen zu lassen.
 

"Nun ja..." fing Buffy an und nahm anschließend einen großen Schluck aus der heißen Tasse. Dann stellte sie sie wieder ab und wandte ihren Blick zu ihrer Schwester zurück. "Es kommt ganz darauf an." nickte sie bestätigend und sah dabei etwas unsicher in Dawns fragende Augen.
 

"Vielleicht hat er ja einfach nicht aufgeräumt und das war ihm peinlich." Es klang mehr wie eine Frage, als eine Feststellung und eigentlich wusste Buffy selbst, dass es sich nicht sehr überzeugend anhörte.

Sie atmete tief durch und nahm das stählerne Messer wieder in die rechte Hand. "Was hat er denn gesagt?" fragte sie und tunkte ihr Messer in das riesige Glas mit der Erdnussbutter.
 

"Naja, er hat gesagt, dass er viel zu tun hat. Nichts Großes und so...." antwortete Dawn mit einer leicht zerknirscht klingenden Stimme.
 

Buffys Augenbrauen hoben sich an und sie schüttelte kurz den Kopf. "Ja, sicher..." nuschelte sie etwas belustigt vor sich hin und nahm das Messer in die Hand.
 

Dawn rutschte unruhig auf der dunkelbraunen Sitzfläche herum und lehnte sich etwas weiter in Buffys Richtung vor. "Was?"
 

"Ich meine, es ist doch so..." setzte Buffy an und drückte ihr Messer noch etwas tiefer in die klebrige Masse. "Erst sind da diese vielen, kleinen Dinge, mit der er dich so glücklich macht und dann... BUMM! Dann hat man dieses, dieses... dieses ganz große Ding... verstehst du?"
 

"Äh, nein?"... antwortete Dawn und beobachtete dabei, wie Buffy den Griff des Messers fester umfasste.
 

"Dann stehst du vor seiner Türe, denkst an nichts Böses und plötzlich siehst du sie!" plapperte Buffy aufgebracht und stocherte mit ihrem Messer einige Male tief in das große Glas hinein.
 

"Mit wem?" fragte Dawn, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Antwort wirklich noch hören wollte.
 

"Na, die Andere!" erklärte Buffy laut und schüttelte aufgebracht den Kopf. Dann riss sie ihr Messer wieder heraus und schlug die Erdnussbutter mit einer Bewegung auf das große Brot. "Weißt du, es gibt zwei Sorten von Männern." sie sah wieder zu Dawn auf und wedelte mit dem Besteckstück vor ihrer Nase herum.
 

"Aber er -" wollte Dawn widersprechen, wurde aber sofort unterbrochen.
 

"Die Einen lieben dich zwar, haben aber nichts besseres zu tun, als dich eifersüchtig zu machen." erinnerte sich Buffy noch relativ gut an diese Totengräber-Braut, die Spike ihr tatsächlich als Date vorgestellt hat...tss… "Oder sie schlafen absichtlich mit einer deiner Freundinnen, um dir so richtig weh zu tun." brummelte sie weiter und für einige Sekunden senkte sie dabei ihr Gesicht.
 

Dawn beobachtete kritisch wie Buffy begann, ohne hinzusehen, den Aufstrich zu verteilen und dabei das halbe Brot auseinanderlegte.

"Die andere Hälfte..." sie lachte kurz spöttisch auf. "Für die warst du nie etwas besonderes." Buffy sah kurz auf, achtete aber gar nicht auf Dawns Blick und metzelte stattdessen die restlichen, noch ganzen, Brotstücke nieder. "Nur ein Abenteuer, das man nach einer Nacht zu den Akten legen kann..."
 

Dawn machte große Augen "Aber wir -" konnte sie ihren Satz schon wieder nicht zuende führen.
 

"Und dann heißt es... 'Ich muss später noch jemanden treffen' ...oder... 'Heute Abend ist es schlecht'!" versuchte Buffy die Stimme von Parker nachzuäffen und schmiss das Messer blind auf den Tisch.
 

Mit einem schweren Seufzen stand sie auf und ging zur Spüle, wo noch eine saubere Gabel lag. Sie nahm sie, blieb jedoch stehen und starrte in Gedanken versunken aus dem Fenster. "Und dann wird es dir plötzlich klar." erklärte sie nun etwas ruhiger und schlug dabei mit dem Vorderstück der Gabel immer wieder leicht auf ihre Hand. "Er hat dich die ganze Zeit nur veralbert und benutzt." ihre Stimme wurde zum Ende des Satzes immer leiser und sie legte ihren Kopf etwas schief. Konzentriert kniff sie ihre Augen zusammen, als sie diese Gestalt sah, die einfach so auf dem Hinterhof herumstand und zu ihr hoch stierte. Er sah ziemlich groß aus, hatte nichts an, aber seine Haut war grau beinahe als wenn er aus Stein wäre. Außerdem schien irgendetwas mit seinen Augen zu sein, fast als wenn er die Lider geschlossen hielt, doch das konnte man auf die Entfernung nicht genau erkennen, Sie blinzelte einige Male und beobachtete verwirrt, wie der Dämon langsam weglief. Buffys Miene wurde ernst… sein Blick gefiel ihr nicht…
 

Doch dann fiel ihr Dawn ein und sie nahm nach kurzer Überlegung die Gabel wieder in die Hand, nachdem der Dämon aus ihrem Blickfeld verschwunden war. „Aber vielleicht ist es auch alles ganz harmlos.“ lächelte sie und drehte sich um. "Dawn?" ihr Blick schweifte durch die leere Küche und fiel letztendlich auf den Pfannkuchen der noch fast völlig unberührt auf Dawns Teller lag.
 

"Hhh…" seufzte Buffy leise und begann mit der Gabel die einzelnen, zerfetzten Brot-Erdnussbutter-Stückchen zu essen.
 

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Barker Cooperation,

später am Morgen

Ein letztes Gähnen unterdrückend blinzelte Xander gelangweilt zu den beiden Männern im grauen Anzug herüber, die wichtigtuerisch an dem Verhandlungstisch mit aufgeschlagenen Akten saßen und leise miteinander tuschelten. Der Immobilienvertrag war immer noch nicht unter Dach und Fach und allmählich wurde es Xander zu bunt. Eve schien es ähnlich zu gehen, denn jedes Mal wenn er zu ihr herübersah zwinkerte sie ihm zu oder machte Gesten die ihm bestätigten das es wohl eine Art Hinhaltetaktik der Beiden war um den Preis zu drücken. Xander hasste diese Sitzungen, aber er war sich auch im Klaren das sie wichtig waren für die Firma … und für seine Karriere. Sein Auge fühlte sich gut an und bisher schien es auch noch Niemand bemerkt zu haben, nicht einmal Eve und das wunderte ihn ein wenig, doch bekam er keine Gelegenheit weiter darüber nachzudenken.
 

„Nun, wir denken doch besser noch einmal über Ihr Angebot nach Mr. Harris.“ Hob nun einer der Männer in grau an und fixierte den jungen Mann vor sich scharf. „Ihr Vorschlag ist ja wirklich überzeugend, aber wenn Sie nicht bereit sind unserer Firma ein wenig mit dem Preis entgegenzukommen müssen wir uns eventuell noch ein anderes Angebot einholen. Zufälligerweise wissen wir, dass Gibson ebenfalls daran interessiert ist dieses Einkaufcenter zu bauen.“
 

Bei der Erwähnung eines der ärgsten Konkurrenten im Raum Clevelands verfärbte sich das Gesicht von Eve einen winzigen Moment lang ins Rötliche, aber sie hatte sich schnell wieder im Griff. Betont lässig packten die beiden Verhandlungspartner nun ihre Akten zusammen, während sie gemeinsam noch über einen weiteren Termin nachdachten. Das Ganze war mehr als ärgerlich für Xander, denn Eve hatte ihm sämtliche Vollmachten für diesen Vertrag übertragen gehabt und das drohte nun zu scheitern. Gedankenfetzen schossen ihm durch den Kopf und er sah schon das höhnische Gelächter hinter seinem Rücken.
 

Verdammt, er hatte es verpatzt! Etwas widerwillig griff er die dargebotene Hand zum Abschied und urplötzlich schien sich der Raum zu verändern...
 

Wie durch einen Nebelschleier sah er die beiden Männer in den Aufzug steigen und hörte wie sie sie sich leise über die bevorstehenden Vertragsverhandlungen unterhielten und während der Fahrstuhl langsam nach oben glitt, vernahm Xander das hämische Lachen. „ Die Provision können wir uns nun komplett einstreichen. Ich habe gehört dieser Harris ist ein Neuling und noch grün hinter den Ohren.“ Xander konnte die Freude und Erleichterung beinahe spüren, aber hatte trotzdem das Gefühl nicht körperlich anwesend zu sein. „.Diese Informationen waren wirklich ihr Geld wert. Gibson hat noch vor wenigen Wochen öffentlich Interesse an dem Einkaufcenter bekundet und noch weiß niemand, dass sie kurz vor dem Konkurs stehen. Barker wird den Köder schlucken, da bin ich sicher und wenn die auch nur einen Funken Verstand haben, werden sie den Vertrag um jeden Preis abzuschließen….“ Der Raum veränderte sich wieder und Xander realisierte schlagartig das er einen kurzen Blick in die Vergangenheit bekommen hatte. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und ohne weiter nachzudenken, riskierte er ebenfalls ein Täuschungsmanöver.
 

„Vielen Dank meine Herren.“ Verabschiedete er sich bewusst überfreundlich und öffnete ihnen galant die Tür. Eves Gesicht war immer noch wie versteinert und sie bemerkte das hämische Grinsen ihres Angestellten nicht, der noch einmal tief Luft holte. „Nun, dann bleibt es sicher bei morgen Mittag, aber Sie haben auch sicher Verständnis dafür, dass wir in der Zwischenzeit noch einen weiteren Termin einschieben werden. Bei der schlechten Geschäftslage momentan und den fallenden Aktienkursen sind sicher noch mehr Firmen daran interessiert mit uns das Projekt durchzuziehen ….“
 

Wie vom Donner gerührt blieben die beiden Männer in den grauen Anzügen stehen und drehten sich erschrocken zu Xander herum, während Eve verwundert einen Blick zu dem jungen Mann warf, ihren Kommentar aber herunterschluckte als sie sein verschwörerisches Zwinkern sah …
 

Eine weitere Stunde später war der Vertrag unter Dach und Fach mit einem siegessicheren Lächeln bestellte Eve für jeden ein Glas Champagner bei einer ihrer Sekretärinnen. Beiläufig registrierte Xander das es sich um eine der Ziegen handelte die ständig über ihn tuschelten und registrierte schmunzelnd das die junge Angestellte sehr genau wusste das er soeben ein Millionenprojekt eingebracht hatte. Ohne Hilfe von Eve, die ihm immer noch überschwänglich dankte und nun, im Beisein der Bürodame auf sein Wohl anstieß.
 

„Was wird denn nun aus unserer Verabredung, Xander? Sie drücken sich seit Wochen mein Lieber, das ist mir nicht entgangen.“ Flötete sie und Xander sah wie die Ziege aufmerksam mit verfärbtem Gesicht lauschte, während sie den Verhandlungstisch abräumte.
 

„Gern, sagen wir heute Abend?“ Verdammt, das hatte er nicht sagen wollen, aber allein der Gesichtsaudruck der kleinen Sekretärin war es wert das gesagt zu haben, denn diese hustete leise los und fächelte sich Luft mit der Hand zu.
 

Freudestrahlend ergriff Eve seine Hand und drückte sie fest, während sie sich noch einmal beglückwünschten und sich von einem harten Arbeitstag verabschiedeten.
 

„Übrigens rot steht ihnen ausgezeichnet.“ Beeilte sich Xander ihr beim herausgehen noch zu versichern und sah schon nicht mehr wie Eve ihm verwundert hinterher sah.
 

Erstaunt blickte sie an ihrer blauen Kombination herunter und schüttelte den Kopf.
 

… Das einzige was sie heute in rot trug, war ihr neuer hauchdünner Spitzenbody…
 

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Wächterhaus,

später Nachmittag

"Ich hab die Unterlagen, die Sie mir gegeben haben zum Rat gefaxt, die Antwort dürfte nicht lange auf sich warten lassen,". Sie trat in den Raum und legte die Mappe auf den Tisch; für Giles zu arbeiten kam ihr noch immer komisch vor. "Haben Sie schon etwas Neues herausgefunden, irgendetwas über den Auftraggeber der Schützin?"
 

Giles blickte zu ihr auf, seine Stirn war voll von Sorgenfalten: "Ich befürchte nein, es gestaltet sich als äußerst schwierig, da wir keinen direkten Anhaltspunkt haben, es könnte jeder sein. Doch unser Gegner scheint sehr intelligent und magisch versiert zu sein: Die Maske wurde mit einem Zauber belegt, der dafür sorgt, dass man sie nicht benutzen kann um ihren Besitzer zu finden. Ich befürchte, ich habe nicht einmal einen Anhaltspunkt, wo ich mit der Suche anfangen soll."
 

Buffy setzte sich auf einen der Stühle: "Aber es muss doch etwas geben, was wir tun können, wir können nicht einfach da sitzen und warten, bis er wieder zu schlägt!"
 

"Ich... Leider wird es darauf wohl hinauslaufen.", er nahm seine Brille ab und begann sie zu putzen, "Wir müssen versuchen vorbereitet zu sein, was immer auch kommt, außerdem müssen wir wachsam sein, das ist jetzt ganz wichtig, du und die anderen, ihr müsst auf alles was euch auffällt achten; hätten wir das vorher getan, hätte uns das ganze vielleicht nicht so unvorbereitet getroffen und die Mädchen wären noch am Leben."
 

"Das werden wir Giles, doch das kann nicht alles sein, wir müssen versuchen etwas herauszufinden, auch wenn es auf den ersten Blick unmöglich erscheint."
 

"Ja, dennoch...", sein Blick glitt aus dem Gartenfenster und er sah direkt in ein grauhäutiges, fast versteinert wirkendes Gesicht eines Dämonen, dessen Augen verschlossen waren.
 

Im selben Moment erblickte auch Buffy den Eindringling, der in Giles Garten stand, sie fuhr vom Stuhl auf: "Diesen Dämon habe ich schon einmal gesehen!"
 

Als er sie bemerkte, ohne seine Augenlieder auch nur zu bewegen, wand der F´rilar sich von ihnen sprang mit einem großen Satz über den Zaun, der das Grundstück eingrenzte.
 

"Buffy, du solltest ihn verfolgen. "Wie gebannt starrte Giles an den Punkt, an dem sich eben noch der Dämon befunden hatte, "Sicherheitshalber... um herauszufinden, was er von uns will.“
 

"Übertreiben Sie nicht ein bisschen?", fragte Buffy, und griff sich eine Streitaxt aus dem Waffenschrank, "Ich meine gut.. ich hab ihn am Morgen gesehen und jetzt wieder.. das ist zugegeben ein wenig unheimlich... aber...“
 

"Er war in meinem Garten!", unterbrach sich Giles, als wäre das Grund genug oder eine der sieben Todsünden.
 

"Ok, ich gehe ja schon!"
 

Während Buffy das Haus verließ um sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Beobachter zu machen griff Giles zum schnurlosen Telefon. Er tippte Willows Nummer ein und sah zurück zu Fenster, um sich zu vergewissern, dass der Dämon nicht doch noch dort stand. In diesem Moment fiel ein Schatten über das Fenster und Giles zuckte erschrocken zusammen, während an seinem Ohr das Besetztzeichen erklang...der Schatten klopfte an die Fensterscheibe und grinste.. es war Xander. Erleichtert atmete Giles durch.
 

Kurz darauf trat Xander ein, einen Aktenkoffer in der Hand und eine Jacke unter dem Arm haltend: "Ich bin’s, kein Grund zur Panik." "Wir hatten gerade Besuch von einem Dämonen!", erklärte sich Giles.
 

"Was hat er gemacht?", wollte Xander sofort besorgt wissen.
 

"Er war in meinem Garten!", berichtete der Wächter fast ebenso entrüstet, wie gerade eben noch, als er Buffy dem Dämon hinterher hetzte.
 

"Oh. Nicht zufällig so ein grauhäutiger mit geschlossenen Augen und so?"
 

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Xander’s und Andrew’ Wohnung

selbe Zeit

“Wolltest du nicht erst ganz spät wiederkommen?“ Verwundert blickte Clem von seinem Puzzle auf. Er hockte vor der Couch auf dem Wohnzimmerboden, und war gerade dabei, den Kampfstern Galaktica zusammenzusetzen.
 

“Mach‘ ich auch, das ist nur ‘n kleiner Zwischenstop.“ Andrew überlegte, wie er seine TNG Uniform am besten an Clem vorbeischmuggeln konnte, ohne dass der Dämon neugierige Fragen stellte. “Du Clem, da ist ein Puzzleteil unters Sofa gerutscht, schau mal!“
 

“Wo denn?“ Clem steckte seinen Kopf unter die Couch, und Andrew wetzte zum Schrank, wo er hastig begann seine Klamotten zu durchsuchen. “Such weiter, es liegt ganz hinten!“ bekräftigte ihn Andrew, dann schnappte er sich die Uniform, und sauste damit in den Flur, während Clem unter der Couch herumwühlte, und dabei den Hintern in die Luft streckte.
 

“Das ist nicht vom Puzzle,“ erklang Clem’s Stimme aus dem Wohnzimmer. “Das ist so’n Polizeiabzeichen aus Plastik. Und das is ‘ne Handschelle, aber die ist kaputt.“
 

“Waaas?“ Andrew stürzte ins Wohnzimmer zurück, und versuchte Clem die Sachen zu entreißen. “Los, gib schon her!“
 

“Hast du mit Xander Polizei gespielt?“ wollte der Dämon wissen. “Aua, was soll das?“
 

“Finger weg, von meinen Sachen!“ Als Clem wegschaute, stopfte Andrew Abzeichen und Handschelle schnell zwischen die Polster der Couch. “Du musst dich getäuscht haben Clem, das war keine Handschelle, das war...uhm...ein Teil von einem anderen...uhm...Plastikdino.“
 

“Ein Handschellendino?“ fragte Clem verwirrt, und wandte sich wieder seinem Puzzle zu.
 

“Ich muss jetzt los!“ erklärte Andrew. “Hör mal, was mir noch eingefallen ist, falls deine Erinnerung nicht zurückkommt, wüsst‘ ich vielleicht jemanden, der dir weiterhelfen kann. Hast du schon mal was von einem Typen namens Mo gehört? Oder Bartholomew, das ist sein richtiger Name...?“
 

Clem zog seine Stirn in Falten, dann hellte sich seine Miene auf. “Aber klar, warum ist mir das nicht gleich eingefallen,“ kreischte er, “ich kann Mo fragen, wo ich wohne...Danke, du bist ein richtiger Schatz!“
 

Er warf Andrew eine Kusshand zu, ließ das Puzzle Puzzle sein, und stürmte in den Flur hinaus. Andrew folgte ihm ängstlich, hoffentlich entdeckte er jetzt nicht noch die Star Trek Uniform.
 

Aber Clem war schon bei der Tür angelangt. “Übrigens sag‘ Xander, falls er wieder Polizei spielen will, soll er doch lieber Handschellen aus Metall verwenden, die halten mehr aus. Und falls sie scheuern, dann kann er ja diese rosa Plüschdinger rum machen, dann fühlen sie sich ganz flauschig an...“
 

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Wächterhaus

etwas später...

"Hat denn hier irgendjemand diesen Dämonen noch nicht gesehen?", fragte Giles mit einem etwas vorwurfsvollen Ton in der Stimme, weil ihn vorher niemand alarmiert hatte.
 

"Ich bin gleich nachdem ich mit der Arbeit fertig war zu ihnen gekommen!" "Ich hab ihn nicht für gefährlich gehalten!", versuchten Xander und Buffy, deren Suche nicht von Erfolg gekrönt gewesen war, sich im gleichen Moment zu rechtfertigen, "Vielleicht ist er auch gar nicht gefährlich?"
 

"Immerhin war er in meinem Garten!", Giles zog ein allgemeines Dämonennachschlagewerk, das man so wohl in jedem Buchladen gefunden hätte, aus dem Regal, legte es auf den Tisch und wollte die beiden gerade auffordern mit den Recherchen zu beginnen, als Xander beinah etwas kleinlaut nachrückte: "Und er war außerdem in meiner Wohnung."
 

"Was?", Giles Stimme klang beinah höher als Buffys, wie sie immer klang, wenn er sich aufregte.
 

"Es war eher ein Schatten, aber ich habe seine Präsenz gespürt.", versuchte Xander sich zu rechtfertigen, ohne das Auge erwähnen zu müssen, er war noch nicht dazu bereit es vor seinen Freunden einzugestehen. Ob sie es wohl verstehen würden? Es hatte sich falsch angefühlt es zu tun, doch nun wusste er nicht einmal mehr warum, sicher es war ein magisches Mittel, doch warum könnte es schlecht sein es zu benutzen, wenn es seine Lebensqualität so verbesserte? Natürlich würde der Weg wie er an das Auge gekommen war für sie etwas komisch klingen, doch er hatte es letztendlich nur für Clem gemacht, das Auge war nur ein Nebenprodukt gewesen, und wenn er es sowieso schon hatte, warum hätte er es dann nicht einsetzen sollen? Verdammt! Wenn er es schon vor sich selbst rechtfertigen musste, wie sollte er es dann seinen Freunden erklären, er konnte nur hoffen, dass sie es verstehen würden.
 

"Vielleicht war es nichts, doch ich finde auch, dass an diesem Dämon irgendetwas beunruhigendes ist, wir sollten ihn lieber nicht unterschätzen, sonst werden wir es nachher womöglich bereuen.", auf Buffys Stirn waren Ansätze von Sorgenfalten zu erkennen, die Ereignisse mit Samielle hatten wieder gezeigt, dass eine scheinbar leichte Bedrohung, wenn man sie nicht ernst genug nahm zu grausamen Verlusten führen konnte.
 

"Ok, fangen wir an, wer ruft die anderen an?", Giles schlug das Buch auf und begann darin zu blättern, "An die Arbeit!"
 

Eine halbe Stunde später begannen die Bücher sich auf dem kleinen Tisch zu stapeln, und es kamen immer mehr dazu. Lily hatte sich ihren Nachforschungen angeschlossen.
 

Xander zog ein weiteres, in schwarzes Leder eingebundenes Exemplar aus dem Regal: "Die Dämonen der Wirklichkeit. Was ist mit dem hier, Giles?"
 

"Oh, nein, ich glaube das würde dir nicht weiterhelfen: Der Autor stellt einige wirre Theorien auf, nach denen sich alle Dinge zu einem gewissen Grade immer und immer wieder in verschiedenen Variationen wiederholen, Paradoxen, ich bezweifle außerdem ernsthaft, dass du es verstehen würdest."
 

"Unterschätzen Sie mich etwa?", er schlug es auf und blätterte einige Seiten weiter, man konnte förmlich sehen, wie seine Kinnlade sich nach unten verschob. "Ok, einen Versuch war es wert.", vorsichtig, fast ehrfürchtig stellte er es zurück und beugte sich über das Buch, das Buffy gerade vergeblich studierte: "Schon etwas gefunden, Buff?"
 

Ihr Blick verweilte auf den eingestaubten Seiten und ließ einen Anflug von Ekel erkennen: "Wenn unser Dämon nicht zu der Gattung der Garleth-Dämonen gehört - stimmt es eigentlich wirklich, dass sie ihre Kinder als Hauptnahrungsmittel ansehen, Giles? – na ja, auf jeden Fall dann leider nicht."
 

"Oh ja, es mag bestialisch klingen, aber man muss bedenken, dass für dämonische Kulturen unsere Wertvorstellungen nicht im geringsten...", führte Giles aus, doch bevor er seinen Bericht beenden könnte unterbrach ihn Lily, indem sie ihr Buch in seine Richtung drehte: "Könnte es vielleicht dieser sein?"
 

"Ein Ballwathe? Nein, ich denke nicht, zwar kommt seine Statur in etwa hin, doch unser Dämon hatte definitiv keinen Schwanz, außerdem sind sie in diesen Breitengraden kaum anzutreffen.", stellte er sie richtig, was sie ein bisschen zu kränken schien, er strich sanft über ihre Handfläche, als er ihr das Buch zurückgab: "Wir können auch nicht alles wissen."
 

"Dämonenfachsimpeln. 0:2 für Giles. Sollten sie als Wächter nicht wissen, mit welchem Dämonen wir es zu tun haben?", fragte Xander, der ein wenig lustlos in einem dünnen Buch blätterte, mit sarkastischem Unterton, es machte Spaß ihnen vorzuhalten, dass sie nicht so unfehlbar waren, wie sie sich immer gaben.
 

"Kommt es nur mir so vor, oder war es in Sunnydale noch einfacher Dämonen zu finden?", seufzte Buffy unüberhörbar.
 

"Damals hatten wir auch noch genug Freunde im Milieu.", setzte Xander an, doch er verstummte schnell wieder, dieser Gedanke brachte zu schlechte Erinnerungen hoch.
 

Buffy schaute ein bisschen wehmütig von ihrem Buch auf, in der Tat, Anya hatte sich oft als Hilfe erwiesen, wenn es um Dämonen ging, und vor allem... Spike.
 

Sie sah wie Giles seine Hand auf Lilys Schulter legte, und ihr wurde klar, dass sie auch jemanden gebrauchen könnte, in dessen Arme sie sich flüchten könnte, aber für die Männerwelt schien sie wie ein Fluch zu sein. Manchmal wünschte sie sich, dass Spike immer noch bei ihr wäre, nur um jemanden zum Festhalten zu haben, auch wenn mit ihm immer Erinnerungen an unschöne Momente verbunden war, von denen sie sich im Nachhinein wünschte, dass sie nie so geschehen wären. Bilder schossen in ihrem Kopf hoch.
 

"Hey, du sollst arbeiten, nicht schlafen!", tippte Xander sein Freundin an, was wohl in ihrem Kopf vorging? Sie blickte verträumt in Lilys Richtung.
 

Plötzlich, als sein Finger sie berührte, spürte er ein stechenden Schmerz, wie das Pieksen einer Nadel, die sich direkt in seinen Schädel bohrte, instinktiv schloss er die Augen.
 

"Xander, was ist?", Buffy drehte sich zu ihm um, doch als er die Augen öffnete konnte er sie nicht mehr sehen, obwohl er mit seiner Hand immer noch ihre Schulter spürte. Vollkommen verwirrt starrte er in die leere Luft, wo sie hätte sein sollten und vermutlich auch war: "Xander, geht es dir nicht gut?"
 

"Mir... Mir fehlt nichts, ich dachte nur gerade...", ein dumpfes Geräusch erklang aus dem hinteren Teil des Zimmers, er drehte sich um, die Wände flackerten, sie veränderten ihr Aussehen, für einen Moment waren sie aus hartem Stein und im nächsten waren sie wieder wie immer. Der Raum war länger geworden, und in seiner Mitte stand ein Bett, es war Spikes Bett und seine Gruft!
 

Der platinblonde Vampir lag nackt im Bett und machte... Xander erinnerte sich an diesen Tag er hatte Spike überrascht, es war der Tag gewesen, an dem Buffy durch Warren´s Strahlenkanone unsichtbar geworden war. Was wollten die Augen ihm...?
 

Nein. Unmöglich. Buffy hätte so etwas nie getan. Er kannte sie zu gut. Andererseits... Die Beziehung, wenn man es denn so nennen wollte, mit Spike hätte er ihr auch nie zugetraut. Mit einem Schlag verschwand das Bett wieder vor seinen Augen.
 

"Xander? Hallo? Noch da?", Buffys Stimme riss ihn aus einer Art Trance.
 

"Ich... Ich glaube, ich hole mir was zu trinken, will noch jemand etwas?", er bemühte sich, dass die anderen ihm nichts anmerkten, doch sein vollkommen verwirrter Ausdruck im Gesicht und seine etwas zu übertrieben klingende Stimme verrieten ihn. Buffy und Giles warfen ihm fragende Blicke zu.
 

"Keiner?"
 

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Shin’s Haus,

später Nachmittag

Irgendwie war es gestern schief gelaufen. Warum hatte Dawn ihn nicht einfach vorher angerufen? Na gut, sie hatte nichts von der Tradition der Familie gewusst, das musste er ihr zu Gute halten. Und sie hatte es ja nur lieb gemeint. Ihren enttäuschten Blick würde er so schnell sicherlich nicht vergessen.
 

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Dawn radelte wie der Wind, sie wurde immer schneller. Die kleine Schwester der Jägerin hatte eine Riesenwut im Bauch. Grund war natürlich das Gespräch mit Buffy am Morgen gewesen. Was wäre wenn Buffy recht hatte und Shin tatsächlich ein anderes Mädchen hatte. Sie war stinksauer und würde ihm jetzt erst mal richtig die Meinung sagen. Selbst der kalte Fahrtwind konnte ihr erhitztes Gesicht nicht abkühlen.
 

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Shin war gerade in der Küche und machte sich ein Sandwich, als die Türglocke läutete. Verwundert ging er zur Tür, seine Eltern waren nicht da und er erwartete keinen Besuch. Wer konnte das wohl sein?
 

Als er die Tür öffnete blieben ihm seine Begrüßungsworte im Hals stecken, eine völlig aufgelöste und wütende Dawn schrie ihn an.
 

„Ich komm extra hierher gefahren um dir deine blöde Geldbörse zu bringen und du lässt mich in der Kälte stehen wie einen Staubsaugervertreter. Aber als ob das noch nicht genug ist, lügst du mich auch noch an. Du hattest bestimmt nichts vor gestern. Also was bleibt mir anderes übrig als zu glauben, das du eine andere hast. Und wenn das so ist dann sei wenigstens Manns genug mir das zu sagen und dazu zu stehen, aber mach mich hier nicht zum Trottel. Ich komm mir sowieso schon völlig veralbert vor. Also wer ist sie und seit wann läuft was zwischen euch?“
 

„Wovon sprichst du bitte?“ Shin war völlig perplex. So hatte er Dawn noch nie erlebt, sie schien total außer sich zu sein
 

„Ich hab keine andere. Wie kommst du auf die Idee?“
 

„Na stell dir doch mal meine Situation vor.“ Rief Dawn, mittlerweile aber etwas leiser, „Ich steh hier vor deiner Tür, und du lässt mich nicht hinein. Was soll ich denn dann denken?“
 

„Na jedenfalls nicht, das ich eine andere Frau hab. Es gibt auch noch andere Gründe für so ein Verhalten.“ Beleidigt verschränkte Shin die Arme.
 

„Ach ja, was denn für Gründe? Komm spuck’s aus!“ Dawn war ebenfalls beleidigt, was tat er denn hier so unschuldig?
 

Ein schwerer Seufzer entrang sich Shins Brust. „OK, komm rein, dann zeig ich es dir.“

Völlig baff über die Wendung des Gespräches folgte Dawn ihrem Freund durch das große Haus.

„Also, wenn wir jetzt in mein Zimmer gehen, sieh dich bitte um, aber ziehe keine voreiligen Schlüsse. Ich mach uns erst mal Tee und dann erkläre ich dir alles.“ Schnell schob Shin seine Freundin in sein Zimmer und machte sich in der Küche daran Tee zu kochen.
 

In dem Zimmer ihres Freundes war Dawn erst mal völlig perplex, so hatte sie sich das geheiligte Reich von Shin wirklich nicht vorgestellt. Mit ihrem bisschen Vorbildung erkannte sie dass viele der Artefakte in diesem Raum alt und wertvoll waren, wahrscheinlich sogar sehr mächtig. Was wollte Shin damit, wieso hatte er diese Dinge? Und die ganzen Waffen an der Wand. Ein gewaltiges Arsenal. Dawn setze sich vorsichtig auf das Bett und ließ alles auf sich wirken.
 

So fand Shin sie vor, als er beladen mit einem Teetablett zurück kam. Dawn schenkte ihm nur einen fragenden Blick: „Dann schieß mal los. Ich bin gespannt.“
 

Sie nahm sich eine Tasse Tee und setzte sich bequem hin um der Erklärung ihres Freundes zu lauschen.
 

Shin holte ein paar mal tief Luft und fing dann an zu erzählen.
 

„In unserer Familie gibt es eine Legende die besagt, dass wir von einer Dämonenjägerin und einem Dämon abstammen, die vor langer Zeit in Japan lebten. Sie starb als sehr junge Frau, hatte aber ein Kind. Dieses Kind, ein Mädchen wurde mit viel Liebe von seinem Vater dem Dämon aufgezogen. Als ein feindlicher Dämonenclan die kleine Familie überfiel, blieb nur noch das Mädchen am Leben. Tetsuko, so war ihr Name, schwor Rache.
 

Sie heiratete später und widmete ihr Leben der Bekämpfung von feindlich gesinnten Dämonen. Ihre Ehe war sehr glücklich und sie bekam viele Kinder, die auch alle zum Teil das dämonische Blut ihres Großvaters in sich trugen. Als sie starb wurde ihr Kampf gegen die Dämonen von Ihren Kindern fortgesetzt.
 

Unsere Familie hat große Fähigkeiten, die von unserem Urahn dem Dämon herrühren.

Auch heute noch widmen wir unsere Zeit dem Kampf gegen Dämonen. Unsere Fähigkeiten sind verschieden. Einige haben große körperliche Kräfte, andere haben magische Fähigkeiten, wieder andere haben das 2. Gesicht.
 

Das ist der Hintergrund. Wir müssen im Verborgenen arbeiten, damit wir unentdeckt bleiben. Deswegen müssen sich Besucher immer vorher anmelden und deshalb konnte ich dich an dem Tag nicht hineinlassen. Allerdings ist es auch ein Teil unserer japanischen Lebensweise. Und - was denkst du nun?“
 

„Ich bin baff.“ Dawn war während der Rede von Shin immer mehr klar geworden, wie sehr sie ihn unterschätzt hatte. „Entschuldige, dass ich so schlecht von dir gedacht habe.“ Rot geworden stammelte Dawn die Entschuldigung. Es war ihr wirklich peinlich. Wie hatte sie nur so von ihrem Freund denken können.
 

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Wächterhaus,

etwas später

Xander verschwand kurz hinter dem Vorhang der kleinen Kochnische des Konferenzraumes und ließ sich kaltes Leitungswasser in ein Glas laufen. Konnte er wirklich beeinflussen was er sehen wollte?
 

Was soeben passiert war ließ immer noch sein Herz laut klopfen und er stemmte seine Hände an die Spüle während er zusah wie das Wasser in dem Glas überlief. Mit einer Drehung verschwand das überflüssige Nass im Siphon und er hörte hinter sich noch die Stimmen von Giles und Buffy, doch registrierte er nicht worüber sie grade redeten.
 

Natürlich! Die Sache heute morgen beim Frühstück, in der Firma und jetzt mit Buffy. Er brauchte die Menschen nur zu berühren und dann ‚sah' er es.
 

Zischend ging sein Atem über die Lippen während er nachdachte. Das war endlich die Chance auch mit etwas Besonderem aufzuwarten. Er würde nicht mehr im Schatten seiner Freunde stehen und …
 

"Sag mal, was machst du da?" Lilys Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er drehte mit einem schnellen Griff den Wasserhahn ab. Ob er es noch einmal probieren sollte? Die Versuchung war einfach zu groß. Eine kleine Berührung würde sicher reichen und wenn er sich fest konzentrierte dann
 

Beinahe beiläufig streifte er Lilys Schulter, die nun dabei war Teewasser aufzusetzen und sofort reagierte sein Kopf mit dem bekannten Schmerz. Die Küche veränderte sich, wurde breiter, geräumiger und Xander sah sofort das es sich um Giles Wohnzimmer handelte. Ein Feuer brannte im Kamin und direkt davor lagen Giles und Lily und … und … Himmel noch mal, das wollte er nicht sehen, schoss es ihm durch den Kopf er riss sich zusammen, so dass er sich augenblicklich wieder mit seinem Bewusstsein in der Küche befand, wo ihn Lily merkwürdig ansah.
 

"Sag, geht es dir gut?", fragte sie freundlich "Du bist ganz rot im Gesicht." Xanders Kragen drückte ihm die Luft ab und er trank sein Wasser in einem Zug aus, um dann laut loszuhusten. Der Gedanke an das was er soeben gesehen hatte brannte immer noch in seinem Kopf und das war genauso unangenehm wie das was er zuvor bei Buffy gesehen hatte.
 

"Hmm, ja .. äh… Wie ist denn das Arbeiten mit Giles so? Ich meine, was machen Wächter eigentlich in ihrer Freizeit?" Verdammt, was redest du da für ein Mist, schimpfte er sich innerlich selbst.
 

"Nun, wir …" Verwundert und noch misstrauischer als vorher sah sie Xander nach, der gar nicht auf Antwort wartend, beinahe verstört die winzige Küche verlassen hatte, so dass nur noch das Schwingen des Vorhangs davon zeugte das er eben noch da gewesen war…
 

Giles war grade dabei etwas auf ein Blatt Papier zu kritzeln, als er aufsah, direkt zu Xander, der sich vor ihn gestellt hatte. "Ist etwas?" Fragte der Brite, denn der junge Mann sah ihn mit einem etwas seltsamen Gesichtsausdruck an, den er nicht deuten konnte.
 

"N… Nichts." Stotterte er und setzte sich wieder.
 

Xander war immer noch fassungslos. Wieder und wieder hatte er das Bild der beiden vor dem Kamin vor Augen. Seit wann zwischen Giles und Lily schon etwas lief? Der Gedanke an sich war ja nicht so abwegig, aber man konnte sich Giles einfach nicht als Liebhaber vorstellen.
 

"Könntest du mir bitte ein Buch aus dem Büro holen?" Zunächst verstand er gar nicht was der Wächter da zu ihm sagte, so sehr beschäftigte ich das Gesehene, doch dann sprang er auf und nickte nur.

"Dämonische Enzyklopädie, Teil 6, S - U bitte." Rief Giles kopfschüttelnd Xander hinterher, der gedankenverloren in Richtung Büro schlich.
 

Was hatte er gesagt? Dämonische Zyklopen in sechs Teilen? Verwirrt betrachtete Xander die aufgereihten Bücher auf dem Regal und strich vorsichtig mit den Fingern über die Buchrücken. Bis er sich plötzlich wie magisch von einem der Wälzer angezogen fühlte. Vorsichtig rückte er den schweren Folianten beiseite und sah die kleine Schachtel dahinter. Ganz offensichtlich sollte hier etwas unentdeckt bleiben und doch zog er neugierig das winzige Kästchen hinter seinem Versteck hervor.

Der bekannte Schmerz hinter dem Auge durchzuckte ihn und während er sich noch fragte um was für ein Geheimnis es sich wohl handeln könnte, veränderte sich seine Umgebung…
 

Giles stand in einem kleinen Schmuckgeschäft und ein Verkäufer zog eine Schublade hervor. Worin in einem grünen Samtkissen verschiedene Ringe aufgereiht waren. Einen von ihnen zog der Wächter heraus und ließ den Stein darin ein wenig im Licht der Ladenlampe aufblitzen bis er dem Händler mit einem Lächeln signalisierte das er ihn nehmen wollte. "Ein wundervoller Verlobungsring, mein Herr", bestätigte ihm der Verkäufer beipflichtend….
 

Mit blassem Gesicht und offenem Mund war Xander wieder aus dem Büro in den Konferenzraum gekommen und starrte auf den Wächter, der immer noch mit so etwas wie einer Zeichnung beschäftigt war.
 

"Nicht gefunden?" Irritiert sah Giles durch seine Brillengläser zu Xander hinauf, der ihn mit aufgerissenen Augen fixierte.
 

"Sie wollen heiraten?" Bevor er sich weiter beherrschen konnte war es auch schon heraus und der Wächter kniff fragend seine Augen hinter den Brillengläsern zusammen. "Wie bitte?"
 

"Na der Verlobungsring den Sie gekauft haben, ich meine…" Die kleine Schachtel in seiner Hand zitterte ein wenig hin und her als er sie ihm entgegenstreckte und dann auf dem Tisch abstellte.
 

Die Gesichtsfarbe des Wächters wechselte in einen leicht gelblichen Ton und sein Stift rutschte ihm aus der Hand. "Woher weißt du davon?" Stöhnte er auf und starrte entsetzt auf den jungen Mann vor ihm.
 

"Ich … ich…" Oh je, eine vernünftige Erklärung fiel ihm auf die schnelle nicht ein also blieb ihm wohl nur noch die Wahrheit. "Ich habe gesehen wie Sie ihn gekauft haben, jetzt grade."
 

Verwirrt blizelte der Wächter, während Lily und Buffy nur neugierig herübersahen, denn sie verstanden nicht worum es ging. "Ich habe einen Ring gekauft, vor fast 6 Jahren …" die Stimme Giles’ stockte ein wenig, als wenn er nach den passenden Worten suchte "Für Jenny… Eine dumme, verfrühte Sache...", riss sich aber sofort wieder zusammen. "Und jetzt bitte deine Erklärung." Er schien wieder völlig gefasst und Lilys Gesicht nahm einen hilflosen, beinahe beleidigten Ausdruck an, denn sie bemerkte das es da etwas in Giles Leben gab, wovon sie nichts wusste. Buffy zuckte zusammen als sie die leisen Worte hörte, davon hatte sie nie eine Ahnung gehabt und es zog ihr die Brust zusammen als sie das betroffene Gesicht ihres väterlichen Freundes sah, allerdings verstand sie auch nicht warum Xander davon wusste und so wendete sie sich auch an ihren alten Schulfreund, der immer noch um Worte zu ringen schien.
 

"Na ja, ich wollte Clem helfen und dann…." Die Worte sprudelten nur so über Xanders Lippen und irgendwo war er auch erleichtert das er die großartige Neuigkeit endlich loswerden konnte, so nahm er auch nicht wahr das sich Lilys Mine bei jedem weiteren Wort verfinsterte, vor allem als er damit herausrückte das er gewisse ‚Dinge' sehen konnte.
 

"Du hast WAS? Ja bist du denn wahnsinnig geworden?" Hmm, das war nicht ganz die Reaktionen, die er von Giles erwartet hatte und er sah sich hilfesuchend nach Buffy um, sie würde ihn sicher verstehen.
 

"Soll das heißen du kannst unsere Gedanken lesen?" Pures Entsetzen sprach aus ihrer Stimme
 

"Nein, ich kann keine Gedanken lesen, das sind nur Bilder, beinahe wie Filmaufnahmen die man sich ansieht. Das mit dem Gedankenlesen warst du doch damals als .."
 

"Das war etwas völlig anderes. Du hast dir ein dämonisches Auge eingesetzt ohne nachzudenken was das für Folgen haben kann. Hast du einen Gedanken daran verschwendet?"
 

Xander konnte ihre Enttäuschung förmlich spüren
 

"Ich kann jetzt ‚Dinge' sehen. Vergangenes. Zukünftiges. Vielleicht Apokalypsen verhindern und ihr habt nichts Besseres zu tun, als mich zu verurteilen?" Er wollte und konnte einfach nicht so schnell aufgeben. "Mir kommt es beinahe so vor, als ob ihr mir nicht gönnt, etwas Besonderes zu können," schimpfte er zurück und verschränkte schmollend seine Arme vor der Brust.
 

"Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun Xander, sei doch vernünftig. Du hast dir keine Gedanken über Nebenwirkungen gemacht, oder? Vielleicht wirst du bald gejagt wegen dieser Augen, oder du könntest sterben, oder…"
 

"Oder vielleicht passiert auch gar nichts…" äffte Xander den Wächter nach, der empört mit den Händen in der Luft herumwedelte und nun zu Lily herübersah, die sich die ganze Zeit herausgehalten hatte.
 

Das hatte Xander nicht erwartet. Vielleicht ein paar Warnungen, aber da war nicht einmal ein Hauch von Verständnis und vor allem keine Freude darüber das er nun sicher hilfreich in vielen Dingen sein konnte. Wut stieg in ihm hoch und doch beherrschte er sich mit letzter Kraft. Vielleicht würden die Anderen ja ein wenig mehr Entgegenkommen zeigen.
 

"Ich muss noch einmal kurz zu einem … Termin." Lily hatte, außer einem sehr nachdenklich gewordenen Gesichtsausdruck nur schweigend zugehört, tippte nun nervös mit ihren Fingern auf dem Tisch herum und unterbrach damit die vorwurfsvolle Stille, welche den Raum erfasst hatte.
 

Gerade als Xander ein weiteres Wort zu seiner Verteidigung sagen wollte fühlt er den Blick in seinem Rücken wie Nadelstiche und er drehte sich rasch zu dem Fenster herum, wo der Kopf eines grauhäutigen Wesens durch das Glas mit geschlossenen Lidern zu ihnen herüberstarrte.
 

"Den hol ich mir." Bevor Giles auch nur eine Warnung aussprechen konnte, war der Dämon schon verschwunden und Buffy auf seinen Fersen…
 


 

AKT 3
 

Shin’s Haus,

kurz vor Sonnenuntergang

„Es ist mir wirklich peinlich, kannst du mir noch mal verzeihen?“ Kleinlaut lief Dawn vor ihrem Freund auf und ab und hielt den Blick auf die Teetasse in ihrer Hand fixiert.
 

„Ich kann dir verzeihen, ist schon passiert. Aber mal ehrlich wie kommst du auf die Idee, ich könnte eine andere haben?“
 

„Naja, ich war gestern echt sauer und hab mich heute morgen mit Buffy darüber unterhalten...“ In kurzen Worten gab Dawn einen Großteil ihres Gespräches mit Buffy wieder. Natürlich nur die Dinge, welche für Shin und ihre Entschuldigung relevant waren. Die Abschweifungen behielt sie dann doch lieber für sich. Außerdem schaffte Shin es wieder sie mit seinen Küssen abzulenken.
 

Als beide einige Zeit später aneinander gekuschelt auf den Bett lagen, fiel Dawn auf, dass es langsam dunkel wurde.
 

Ein leises Fiepen durchdrang das Zimmer.
 

„Was ist das?“ Dawn versuchte im Halbdunkel des Zimmers zu erkennen woher das Geräusch kam.
 

„Was meinst du?“ Shin hatte vor sich hingeträumt und musste erst mal wieder zu sich finden.
 

„Dieses Fiepen, hörst du das?“
 

„Ach herrje, dich hab ich ja fast vergessen.“ Schnell sprang Shin aus dem Bett und lief zu einer Ecke seines Zimmers die im Halbdunkel verborgen lag. Aus einem kleinen, schwarzen Schrank holte er etwas heraus, das wie ein Käfig aussah.
 

„Dawn komm her, aber vorsichtig, sonst verschreckst du sie.“
 

Neugierig hatte Dawn sich vorher schon aus dem Bett erhoben und kam nun leichten Schrittes auf Shin zu. Vorsichtig lugte sie über seine Schulter. Was sie da sah, ließ ihren Atem stocken. Vor sich in einem Käfig aus schwarzem Metall, sah sie den schönsten Schmetterling den sie je gesehen hatte. Aus seinem Mund drang ein leises Fiepen, eben das was Dawn hatte aufhorchen lassen.
 

„Was ist das?“, wisperte sie in das Ohr ihres Freundes.
 

„Du wirst es nicht glauben, aber das ist eine Mothra. Ein dämonischer Schmetterling. In ganz alten Gozillafilmen wurden Mothras als riesig dargestellt und von den Zuschauern als Fantasiefigur abgestempelt, aber sie existieren tatsächlich.“
 

„Es ist wunderschön...“ flüsterte Dawn. Tatsächlich war dieses kleine Geschöpf eine wahre Schönheit. Ca. so groß wie die Handfläche eines Menschen breiteten sich die Flügel dieses Schmetterlings aus.

Perlmuttfarben hob sich der Körper vom Rest der Flügel ab. Die Flügel waren in einem samtenen Blau und Schwarz marmoriert und sie bewegten sich auf und ab in einem geruhsamen Rhythmus. Bei jeder Bewegung schien die Marmorierung der Flügel zu wechseln, so das der Eindruck einer Wellenbewegung auf ihnen entstand.
 

Dawn beobachtete fasziniert wie das kleine Geschöpf den Kopf hob und ihrem Freund direkt in die Augen sah.
 

Ein Fiepen ertönte.
 

„Ja ich hab dich fast vergessen, tut mir leid. Ich bring dich zum Fenster.“ Vorsicht nahm Shin den Käfig hoch und stellte auf die Fensterbank.
 

„Was machst du?“ fragte Dawn.
 

„Die Mothra ernähren sich von Mondlicht und können im Sonnenlicht nicht überleben. Deshalb stelle ich sie nachts an das Fenster, so bekommt sie ihre Nahrung.“
 

„Warum lässt du sie nicht frei?“
 

„Oh nein, Dawn. Auch wenn sie so schön ist, so ist sie doch ein Dämon. Vor allem ein Dämon mit großer Macht. Sie selber kann diese Macht nicht ausüben, aber derjenige der sie gefangen hält, kann darüber verfügen. Wir halten sie hier neutral, da ihre Macht nur dunkler Natur ist, können wir sie nicht missbrauchen. Unsere Familie beschützt die Mothra. Deswegen darf niemand wissen das sie hier ist. Du darfst es keinem weitersagen. Auch du bist jetzt für sie verantwortlich. Dieses kleine Geschöpf braucht jede Hilfe die es bekommen kann. Sie ist eine der letzten, vielleicht sogar die letzte ihrer Art,“ fügte Shin traurig hinzu.
 

„In den großen Kriegen von Hunderten von Jahren wurde die Mothra zu Tausenden gefangen, benutzt und getötet. Leider waren damals beide Seiten dafür verantwortlich. Menschen und Dämonen. Nur wenige versuchten danach das Unheil zu begrenzen und die Mothra zu schützen. Zu groß ist die Gier nach ihrer Macht.“
 

Traurig schloss Shin seine Erzählung. Die Mothra war während der ganzen Zeit still gewesen und hatte den Japaner angesehen, als verstünde sie alles.
 

Mit großen Augen trat Dawn näher an der Käfig. Tränen stiegen in ihr hoch, als sie daran dachte, was Menschen und Dämonen mit solch einem zarten Wesen alles anstellen konnten.
 

„Ich werde dich nicht verraten, niemals,“ flüsterte sie mit tränenerstickten Stimme.

Zusammen beobachtete das Pärchen wie der Mond aufging und die Mothra sich in seinem Licht badete.
 

Irgendwann spät in der Nacht fuhr Dawn tief beeindruckt, von dem was sie gesehen hatte nach Hause.
 

++++
 

Im Ratsgebäude

Ein, zwei Stunden später
 

Nachdem Buffy die Verfolgung des Dämons aufgenommen hatte, war Lily auch gegangen und der Wächter und Xander hatten sich minutenlang angeschwiegen, bis endlich Kennedy, Willow und Faith mit ihrem Eintreffen die beklemmende Stimmung unterbrachen.
 

"Ok, was wir wissen: Dieser Dämon hat sowohl Buffy, Xander, als auch mich selbst beobachtet, sehr beunruhigend, denn er hat sich sogar ZWEIMAL getraut in meinen Garten einzusteigen, was sein Intresse an uns nur zu deutlich zeigt. Vielleicht ist es nur ein normaler Dämon, der unbedingt eine Jägerin herausfordern wollte, dennoch denke ich, dass wir diese Sache nicht vernachlässigen sollten, denn immerhin hat er uns nicht einfach angegriffen, sondern uns infiltriert, was keinesfalls dem Normalverhalten eines, ähm, normalen Dämonen entspricht.", berichtete Giles, während er begann erneut seine Brille zu putzen.
 

„Wieso das Theater um Ihren Garten? Wir stehen doch mit unserem Bus schon seit Wochen auf dem Rasen hinter’m Haus.“, fragte Faith belustigt.
 

Giles verdrehte auffällig die Augen und Willow beugte sich grinsend zur Jägerin hinüber. „Eben.. drum...Briten und ihr englischer Rasen...“
 

"Das ist alles?", wollte Kennedy wissen, die sich gemütlich niedergelassen hatte, "Deswegen machen Sie so einen Aufstand und lassen uns alle kommen?"
 

"Er war in meinem Garten! Zweimal!", versuchte Giles sich zu rechtfertigen und Willow verteidigte ihre Freundin: "Sie meint es nicht so, wir waren nur gerade mit etwas anderem beschäftigt..." Die beiden jungen Frauen wechselten vielsagende Blicke.
 

"Es gibt auch noch etwas anderes, was ihr wissen solltet, und was möglicherweise mit dem Dämonen zusammen hängen könnte,", sein anklagender Blick traf Xander, der in sich zusammen gesunken in dem Stuhl kauerte und auf den Boden starrte, "Xander hat sich ein magisches Auge besorgt, mit dem er Dinge sehen kann, die ihm Wahrheiten über uns verraten, ein sehr interessante Eigenschaft muss man schon sagen!", sein Ton klang scharf, seine Worte in Xanders Ohren vernichtend.
 

Er versuchte, Willow’s Blick auszuweichen, die ihn fragend anguckte: "Wie funktioniert es?"
 

"Das wissen wir nicht genau.", antwortete Giles für ihn.
 

"Und Sie denken, dass der Dämon damit in Verbindung steht?"
 

"Möglicherweise, es wäre ja nicht das erste Mal, dass Xander das Interesse von Dämonen hervorgerufen hat, erinnern wir uns nur an das eine Mal, wo er verdoppelt wurde!"
 

"Damals wollte der Dämon aber Buffy treffen!", sprang Xander wie aus der Pistole geschossen auf, nur um direkt wieder zu verstummen.
 

Schweigen.
 

Nach einer halben Minute stand Kennedy auf: "Hier scheint ja ziemlich dicke Luft zu herrschen, ich denke ich mache mich dann auch mal auf die Socken, kann ja nicht schaden, wenn ich auch ein wenig Ausschau halte."
 

"Ich denke, dass ist bestimmt keine schlechte Idee.", schloss sich Faith an, die die ganze Zeit mit ihrem Pflock gespielt hatte, "Gibt es irgendwo ein Bild von diesem Dämonen?"
 

"Ja, da wir in unseren Büchern leider noch nichts gefunden haben-" setzte Giles an. Xander fiel ihm ins Wort, der irgendwie das Gefühl hatte um jeden Preis etwas sagen zu müssen, schließlich war er auch an den Nachforschungen beteiligt gewesen: "Weniger als nichts. Überhaupt nichts."
 

"-ein sehr hilfreicher Kommentar, in der Tat Xander- da wir nichts gefunden haben, habe ich eine Phantomzeichnung angefertigt!"
 

Er zog das Blatt Papier aus einem der Bücher hervor und reichte es Faith, die es auch Kennedy zeigte: "Interessant: Der Dämon sieht aus wie ein Michelin-Männchen?"
 

++++
 

Wächterhaus.

Kurz darauf...

Nachdem fast alle den Raum verlassen hatten, schaute Xander vom Stuhl auf. Er konnte noch immer Willows Blick im Nacken spüren. Was sie nur wollte? Die beiden hatten schon so lange kein anständiges Gespräch geführt, aber bei diesem Anlass schien es ihr anscheinend doch notwendig. Außerdem hatte er vorhin auch schon von Giles störende Kommentare bekommen, dass reichte für einen Tag.
 

Willow ging ein paar Schritte auf Xander zu, bis sie sich auf den Tisch gegenüber von ihm lehnte. Sein Blick folgte ihren Füßen, bis er langsam nach oben wanderte, und beide sich in die Augen sahen.
 

Xander spürte, wie er noch immer etwas verkrampft war. Wieso konnten sich seine Freunde nicht einfach für ihn freuen, sondern mussten ihm alles immer schlecht reden? Sie kannten das Gefühl nicht, wie es ist kein zweites Augenlicht zu besitzen, und anscheinend hatte auch jeder mindestens doppelt so viel Durchblick wie er. Verkraftete es denn niemand, dass er nun diese Gabe besaß? Es ist doch auch nicht so gewesen, dass er darum bettelte, sich ein magisches Auge zu besorgen.
 

„Und was für eine Wahrheit, zeigt dir das Auge bei mir?“, Willows Stimme holte Xander aus seinen Gedanken.
 

„Noch nichts, im Moment. Aber ich glaube schon, dass es einiges gibt, was ich nicht über dich weiß?“
 

Willow verschränkte ihre Arme. „Mag sein... aber du solltest genauso wenig auf alles vertrauen, was dir dieses Organ zeigt. Schließlich könnte es genauso einen bösen Einfluss auf die Dinge die es dir zeigt haben, wenn nicht sogar auf dich.“
 

„Nur weil vieles auf dich eine negative Wirkung hatte, muss dass nicht bei jedem so sein!“, Xander funkelte sie an.
 

Willow hatte auf keinen Fall vorgehabt, sich mit Xander zu streiten, auch wenn ihr Verhältnis in letzter Zeit etwas angespannt gewesen war.
 

„Ich denke, du weißt am besten, dass es gefährlich sein könnte. Ich will nicht, dass es dieses Mal dazu kommt, dass ich dich davon abhalten muss, irgendeine Tat zu begehen, die du später bereuen würdest.“ Willow sah auf den Boden. Xanders Augen folgten ihrem Blick. Als seine Augen für einige Sekunden im stillen Raum auf dem Boden ruhten, schlich sich bei ihm erneut ein unbehagliches Gefühl ein.
 

Obwohl er noch immer auf den Holzboden sah, verfolgten seine Augen, oder besser gesagt seine neue Erworbenheit, etwas anderes. Sonnenstrahlen drängten sich durch den Vorhang in Willows Raum im Ratsgebäude. Die Hüterin führte ein angeregtes Gespräch mit Dawn. Zuerst konnte er nicht genau erkennen, worum es sich handelte. Doch wenn es wäre wie die anderen sagten, dass er die Wahrheit über jemanden herausfinden konnte, musste es doch etwas Wichtiges sein.
 

Xander hörte Wortfetzen, die mit der Zeit immer klarer wurden. Er interpretierte die Mimik und Gestik der beiden, doch ohne Zusammenhang, würde alles keinen Sinn ergeben. Die ‚Kamera’ in seinen Augen schwenkte um, blickte auf Willows Schreibtisch, auf dem einige Notizen lagen. Unter anderem erkannte er das Wort „Jägerin“. Er sah das verzweifelte Gesicht von Dawn. Schlussendlich ging ihm ein Licht auf. Es war wohl doch ein richtiges Geheimnis. Eine Information, die nicht so schnell jeder erhalten sollte. Doch wieso? Buffy würde es nicht verstehen, Giles sowieso nicht... und ob Xander diese Geheimnistuerei verstehen würde, wusste er selbst nicht. Außerdem war das ganze doch eigentlich absurd. Dawn war doch letztes Jahr nicht einmal eine angehende Jägerin. Außerdem schien Buffy bis vor kurzem die einzige in ihrer Familie zu sein, in der dieses Blut floss.
 

Langsam wurde der Boden des Zimmers wieder schärfer, als Xander nur noch seine Gedanken sortierte. Willow sah in Xanders Augen, der aber noch immer gebannt auf den gleichen Punkt starrte.
 

„Was hast du gesehen?“, fragte sie im nächsten Moment.
 

„W-Wieso soll ich etwas gesehen haben?“, Xander lehnte sich zurück, um etwas Sicherheit zu erlangen.
 

„Ich glaube, ich bin noch die erste, die es merkt, wenn dir dein magisches Auge etwas zeigt.“, antwortete sie knapp.
 

„Wenn du mir nicht mehr alles anvertraust. Wieso sollte ich es dann umgekehrt tun?“
 

„Weil ich mehr Erfahrung habe als du, und einen anderen Grund habe ich vorhin schon angemerkt.“, sie musste ihm klar machen, dass es falsch war sich nur Vorteile durch die Magie zu verschaffen. Sie wussten doch außerdem auch nicht, ob das Ganze eine gute Quelle hatte.
 

„Wenn ich jeden Baustein zusammensetze, weiß ich, dass du auch nicht immer ehrlich zu allen bist. Und glaub mir, ich weiß was ich tue.“
 

„Ich will zwar nicht wie deine Mutter wirken, aber es gibt keinen Grund so stur zu sein? Du sollst doch nur begreifen, dass manche Wege die Falschen sind.“
 

„Das hätte dir auch jemand sagen sollen, als du durchgedreht bist.“, antwortete Xander provokativ. Auch wenn er nicht wusste was es mit allem genau auf sich hatte, machte es ihn traurig, dass die beiden schon seit Ewigkeiten nicht mehr die besten Freunde waren, so wie früher.
 

„Ich schließe aus diesen Worten, dass du auch gerade durchdrehst, also lasse ich dich besser in Ruhe mit deinem neuen Auge, vielleicht zeigt es dir ja doch wie du manche Dinge anpacken musst.“, Willow drehte sich um, und ging einige Schritte Richtung Tür.
 

„Grüß Dawn von mir, unsere neue Jägerin.“, rief er ihr nach, er war sich nicht sicher ob sie es gehört hatte, da die Tür genau in diesem Moment ins Schloss fiel.
 

++++
 

In der Nähe des Hafens, dunkle Gasse

Selber Abend , etwas später

Es war frustrierend, für mindestens eine halbe Stunde hatte Buffy den mysteriösen Dämonen durch die ganze Stadt verfolgt, trotz seinem kräftigen Äußeren schien er sehr beweglich zu sein, doch nun hatte sie ihn in dem Gewirr aus den kleinen Gassen verloren; er schien äußerst schlau zu sein.
 

Aufmerksam, ihre Jägerinnensinne aufs stärkste angespannt, schlich sie, das Gewicht ihrer Kriegsaxt in den Händen lastend spürend, durch die Hafengegend, nur darauf wartend, dass ihr ´Opfer` sich verriet, doch es kam nicht dazu.
 

Über ihr zog eine Möwe ihre Kreise und krächzte lauthals, was sie ablenkte, ebenso, wie der Trupp aus Betrunkenen, der einige Blocks weiter lauthals brüllend zur nächsten Bar torkelte, langsam begann ihre Hoffnung zu schwinden, je mehr Zeit verstrich, desto weiter konnte er schon weg sein, verdammt!
 

Für einen Moment überlegte sie, ob er vielleicht im Black Pearl war, das ganz in der Nähe lag, doch dann verwarf sie den Gedanken wieder, inzwischen hatte es sich vermutlich bei allen Dämonen herumgesprochen, dass die zwei Jägerinnen ab und zu bei Mo vorbei schauten, andererseits hatte der dämonische Barkeeper vielleicht Informationen, die ihr weiterhelfen würden, denn es würde wohl nichts bringen, die ganze Zeit hier herum zu schleichen, den Dämon würde sie wohl nicht mehr finden. Sie beschloss noch ein bisschen zu warten, bevor sie sich auf den Weg machen würde, vielleicht landete sie einen Glückstreffer, was sonst auch so oft gelang, dass es sie fast schon hätte wundern sollen.
 

Sie bog ab auf eine etwas breitere Straße, die danach aussah, als ob sich ab und zu auch einmal ein Auto hierhin verirrte, sie ging weiter, zwar immer noch wachsam, aber nicht mehr so angespannt wie vorher, wenn er hier angekommen war, dann war es so oder so zu spät, es gab einfach viel zu viele Fluchtwege. In Gedanken fand sie sich damit ab, dass es dieses mal wohl keinen Glückstreffer geben würde.
 

Plötzlich hörte sie ein rascheln in der Gasse aus der sie gekommen war, leise Schritte, als ob jemand versuchte so leise wie möglich zu sein. Sie drehte sich um, ihr Blick glitt zu den Seiten, aber sie konnte noch nichts erkennen, also beschloss sie zu warten, wenn es ihr Dämon war, würde sie ihn früh genug sehen, und es wäre unklug ihn auf sich aufmerksam zu machen bevor es unvermeidlich war. Die Schritte kamen immer näher, doch mit jedem Zentimeter wurden sie auch immer vorsichtiger.
 

Komm schon. Sie spannte alle Muskeln an, um sofort wenn er sich zeigte auf ihn losspringen zu können, sie war angriffsbereit. Inzwischen war sie sich fast sicher, dass es ihr grauhäutiger, mysteriöser Beobachter war, der sich da anschlich, denn wer sollte um diese Zeit durch solche Gassen schleichen, jemand anders würde versuchen so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, nein, so etwas taten nur Dämonen - und ihre Jäger.
 

Als die Gestalt hinter der Ecke hervorkam sprang Buffy mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand vor, nur um gleich wieder abzubremsen, als sie dem bekannten Gesicht gewahr wurde: "Kennedy?"
 

"Buffy? Pass bloß auf, sonst köpfst du hier noch unschuldige Menschen!", Kennedy war sichtlich erschrocken, "Giles hat mich und Faith losgeschickt, um dir bei der Suche zu helfen."
 

"Köpfen? Nein! Glaub mir in fast neun Jahren als Jägerin ist mir das noch nie passiert-", sie überlegte kurz, "Zumindest keine Köpfe!"
 

"Was machen wir nun? Hast du seine Spur verloren?", wollte Kennedy wissen.
 

"Ja, leider, ich hätte ihn beinah gehabt, aber dann... naja. Ich denke das hier bringt nichts mehr, ich würde vorschlagen, dass wir in Mo´s Bar gehen und gucken, ob er etwas weiß.", schlug Buffy etwas kleinlaut vor, es war ihr ein bisschen peinlich vor Kennedy zuzugeben, dass ihr ein Dämon entwischt war.
 

"Gute Idee!", stimmte Kennedy zu, ohne weiter darauf einzugehen.
 

++++
 

Wenige Minuten später,

Black Pearl

Die Bar war gut besucht, als Kennedy und Buffy ankamen, alle Sitzplätze waren besetzt, es wimmelte nur so von den skurrilsten Gestalten, die man sich vorstellen konnte, und so selten wie man an diesem Tag einen Mensch sah wirkten diese wenigen auch schon beinah wie etwas skurriles neben den zahlreich vertretenen Dämonen. Die beiden Jägerinnen schlenderten durch die Menge, die sich vor ihnen ängstlich, fast ehrfürchtig teilte, jedoch nicht ohne ihnen missbilligende Blicke zuzuwerfen, in Richtung Tresen.
 

"Mo!", begrüßte Kennedy den befreundeten Dämonen, der sich daraufhin kurz zu ihr umdrehte: "Kenny! Schön dich zu sehen, ich muss von diesem Alkretha-Dämonen hier eben noch etwas Geld kassieren, einen kurzen Moment."
 

Die beiden Jägerinnen machten es sich auf zwei Barhockern, die gerade frei geworden waren bequem.
 

Ein paar Augenblicke später war Mo bei ihnen: "Worum geht es? Sollten wir in mein Büro gehen?"

"Ein ziemlich massiver Dämon mit grauer Haut hat mich und meine Freunde beobachtet.", brachte Buffy ihr Problem auf den Punkt, bevor Kennedy etwas sagen konnte und blickte Mo mit einem freundlichen, auffordernden Blick an.
 

Er beugte sich vor und begann zu flüstern: "Vielleicht habe ich schon etwas von ihm gehört, doch ich bin mir nicht ganz sicher, ob es eurer sein könnte. Und selbst dazu kann ich nicht viel sagen, aber ihr müsst wissen, dass die letzte Zeit für uns Dämonen nicht einfach ist. Es könnte sein, dass der Clan, den du ja schon zur Genüge kennst, auch seine Finger in dieser Sache hat, auf jeden Fall erzählen immer mehr meiner Kunden von toten Artgenossen und Verstümmelungen“ , er wies auf einen einarmigen Dämon an einem Pokertisch.
 

"Und einige von ihnen haben einen Dämon, wie euren beschrieben, ich denke aber nicht, dass euch das wirklich weiterhilft."
 

"Naja, da kann man nichts machen. Dann müssen wir halt versuchen ihn so zu finden.", Buffy war sichtlich enttäuscht.
 

"Tut mir wirklich Leid, kleine Jägerin. Ich wünsche euch bei der Jagd noch alles Gute!", verabschiedete er sich.
 

"Bis zum nächsten mal Mo!", Kennedy wäre gerne noch etwas geblieben.
 

"Hoffentlich bald!", rief Mo ihr noch hinterher, als sie sich auf den Weg nach draußen machten, sie lächelte.
 

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Ohne wirklich weitergekommen zu sein kletterten sie wieder an Deck: "Es hätte ja etwas bringen können!"
 

"Vielleicht sollten wir...", setzte Kennedy an, als plötzlich eine massive Gestalt die im matten Licht einem Felsen ähnelte vor ihnen auf dem Steg auftauchte.
 

Der Hüne stockte für einen Moment, als er sie sah, natürlich ohne die Augen zu öffnen, dann begann er zu fliehen.
 

"Sieht aus, als wäre der Besuch doch von einem gewissen Erfolg gekrönt!", Buffy schwang ihre Axt und setzte an, ihn erneut zu verfolgen.
 

++++
 

Wächterhaus,

etwas später

Xander warf seine Jacke über und nahm seinen Aktenkoffer, Giles und Willow waren wieder mit irgendwelchen Nachforschungen beschäftigt und er wollte die Gelegenheit nutzen, um sich so unauffällig wie möglich davon zu schleichen, um Eve zu treffen.
 

Er hatte das Haus gerade umrundet und machte sich auf den Weg zu seinem Auto, als plötzlich Faith vor ihm aus der Dunkelheit auftauchte: "Überall ist ziemlich tote Hose, und da hab ich mir gedacht, ich gucke mal, ob der Dämon vielleicht hier wieder aufgetaucht ist. Hat sich schon eine von den anderen gemeldet?"
 

"Nein, nicht das ich wüsste, frag Giles!", er wollte sich wieder auf den Weg machen, doch Faith hielt ihn auf: "Ist alles in Ordnung?"
 

"Eigentlich schon.", Xander wirkte wenig überzeugend.
 

"Ok, es geht mich wohl nichts an, aber ist es wegen dem Auge?", hakte sie nach.
 

"Ja,", gestand Xander schließlich ein, "Die anderen scheinen nicht gerade davon zu begeistert sein; ich kann es ihnen nicht einmal verdenken. Siehst du es anders?"
 

"Also sagen wir es mal so: Wenn mir jemand das Auge ausgestochen hätte, hätte ich mich wohl schon längst nach so etwas umgesehen!", sie lachte, doch es klang mehr wie ein Alibi, dann fügte sie gedankenverloren hinzu: "Manche Sachen kann man halt nur verstehen, wenn man sie selbst erlebt hat."
 

"Ja!", bestätigte Xander, sie schwiegen für einen Moment.
 

"Wow, wie kommt es, dass wir uns so unterhalten? Ist das schon mal vorgekommen?", scherzte Faith.
 

"Nicht, dass ich mich erinnern könnte.", merkte Xander an.
 

Faith lächelte, dieses Mal wirkte es ehrlich: "Mir gehen im Moment zu viele Dinge durch den Kopf, ich glaube, ich bin ein bisschen verwirrt."
 

"Kann ich verstehen.", merkte Xander an, mit einem Moment verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht und wich wieder dem nachdenklichen Ausdruck, "Aber jetzt muss ich wirklich weg!"
 

"Ok, ich will dich nicht aufhalten, scheinbar hast du noch was vor!", ihr Gesicht war wieder zur Fassade geworden, was wohl in ihrem Kopf vorging?
 

Plötzlich spürte er wieder den stechenden Schmerz. Faith's Hintergrund veränderte sich. Ein Teil eines Kirchenschiffs tauchte auf. Der Innenraum einer großen Kathedrale. Xander schluckte.
 

Er sah, wie Faith in dem Trugbild das Kirchenschiff durchschritt und auf den Altar zuging, hinter dem Eve stand. Eve griff nach einer Waffe und lächelte.
 

Mit einem Schlag verschwand das Bild wieder und ließ einen verwirrten Gesichtsausdruck in seinem Gesicht zurück: Was zur Hölle war das gewesen? Das konnte unmöglich ´seine´ Eve gewesen sein, die Frau in der Vision hatte viel zu gefährlich gewirkt, doch ihr Gesicht hatte dem seiner Chefin bis ins kleinste Detail geglichen. War es vielleicht möglich, dass die Augen ihm nur einen Streich gespielt hatten?
 

Schließlich kam es nicht alle Tage vor, dass die eigene Chefin sich ein Duell mit einer Jägerin lieferte. Völlig irritiert und verwirrt starrte er Faith hinterher, als sie sich auf den Weg zur Wächterzentrale machte. Er war froh, dass sie sich nicht noch einmal zu ihm herumdrehte. Er bot mit seinem fassungslosen Gesichtsausdruck sicher einen sehr interessanten, wenn nicht sogar dümmlichen Anblick. Einige Minuten blieb er so stehen, dann drehte er sich schließlich um und ging zu seinem Auto. Doch noch immer schossen Tausende Fragen und Möglichkeiten in seinem Kopf herum, die alle nicht einmal den Ansatz eines Sinns hatten. Was hatte ihm diese Vision sagen wollen? Oder wurde es jetzt einfach Zeit mit allen darüber zu reden, was er gesehen hatte, um die Bilder einer Bedeutung zu ordnen zu können?
 

++++
 

Cleveland, Larr’s Laden

Gleiche Zeit…

Lily ließ die Tür, die weit offen gestanden hatte ins Schloss fallen. Sofort hörte sie im hinteren Teil Schritte und der rothäutige Dämon erschien hinter der Theke: "Willkommen, Willkommen! Was kann ich für Sie..."
 

Ein misstrauischer Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. So jemanden wie diese Frau hatte sich noch nie in seinen Laden verirrt, es roch nach Ärger, und davon hatte er wahrlich schon genug.
 

Lily warf abwertende Blicke auf das Inventar des Ladens, während sie sich auf dem schnellsten Weg zur Theke begab. Larr nahm einen abwehrenden Gesichtsausdruck an: "Sie wünschen?"
 

"Ich habe ein Problem und denke, dass Sie mir dabei vielleicht helfen können. Könnte ich Ihr Sortiment betrachten?" Ihre Stimme war eindeutig feindselig.
 

"Oh ja, bitte sehen Sie sich um!", Larr überlegte sich wie er aus dieser Situation entkommen konnte, doch ihm fiel nichts Besseres ein, als mitzuspielen.
 

"Nicht dieses Sortiment.", sie klang kühl, berechnend und vor allem sehr bestimmt, diese Frau war es gewohnt, dass man ihre Befehle ausführte und keine Fragen stellte.
 

"Wie Sie wünschen, Madame.", er öffnete den Schrank hinter sich, eine Art sehr steril aussehende Kühltruhe kam zum Vorschein, in der, in Eiswürfel eingehüllt etliche Körperteile von Dämonen, wie Beine, Schwänze und andere Extremitäten verstaut waren.
 

"Gucken Sie sich ruhig alles an, doch eine Anprobe ist leider nicht möglich.", Larr überlegte fieberhaft, was sie hier wollte, ihren Blicken zu urteilen schien sie die Ware nicht wirklich zu interessieren, eher anzuekeln, schließlich wand sie ihren Blick wieder ihm zu: "Die Sache ist die, ein Freund von mir", die Betonung des Wortes Freund machte eindeutig klar, das sie es nicht so meinte, "hat durch Zufall ein magisches Auge in ihrem Laden erworben, das ihm ermöglichen könnte einige unangenehme Details zu erfahren, sie haben nicht zufällig etwas womit ich mich davor schützen kann?"
 

Das war es also. Es hätte schlimmer sein können.
 

Mit einem lauten Knall schloss er den Schrank wieder: "Ich denke ich habe da etwas für Sie! Es ist ein Amulett, das einen vor diesen und ähnlichen Eigenschaften von Dämonen schützt. Ich habe es zweimal da, doch eins würde ich gerne für mich behalten, die Kundschaft, Sie verstehen?"
 

"Natürlich!", ein Lächeln das wohl freundlich sein sollte verirrte sich in ihr Gesicht: "Und Sie sind sich doch hoffentlich darüber im Klaren, dass das Ganze unter uns bleiben muss?"
 

++++
 

Xander’s Wagen

etwas später

Ein wenig unwohl war es Xander schon, aber es lag wohl mehr an seiner Nervosität gegenüber dem anderen Geschlecht. Und daran, dass er seine Chefin von Zuhause abholen sollte.

Himmel noch mal, warum kam ihm ständig der Gedanke von einer verführerisch aussehenden Eve in einem Hauch von nichts in den Kopf, die ihn schon erwartete?
 

Schweißperlen zogen über seine Stirn. Und warum überkam ihn das Gefühl am besten gleich die Flucht zu ergreifen?
 

Die Blumen, welche er auf dem Weg noch schnell bei einem Straßenhändler geholt hatte, sahen auch nicht mehr so taufrisch aus, aber da ihm erst in der letzten Sekunde eingefallen war, dass es eigentlich zum guten Ton gehörte, nahm er es nun missbilligend in Kauf. Immer noch besser als mit leeren Händen zu erscheinen. Tief durchatmend parkte er den Wagen in einer freien Parklücke und stieg zähneknirschend aus.
 

Je mehr er sich dem Haus näherte, desto unruhiger wurde er, aber er war schließlich erwachsen! Ein ganzer Mann, mit zwei gesunden Augen, wovon eins zwar nicht ihm gehörte, aber wenn er so darüber nachdachte was er damit alles sehen konnte... Sollten die anderen doch dumm reden, er würde es ihnen schon zeigen. Sein Ego wuchs deutlich an und auch die Vorstellung von Eve im Neglige brachte ihm plötzlich Schweißausbrüche ganz anderer Art...
 

Vor dem Eingang des schmucken Einfamilienhauses polierte er sich noch einmal seine Schuhe an den Hosenbeinen und kontrollierte noch einmal den richtigen Sitz seiner Ärmel. Gott, wie sehr sehnte er sich nach seinem Schlabbersweatshirt und einer bequemen Jogginghose, doch das war sicher nicht das richtige Outfit für ein Date mit der Vorgesetzten.
 

Tief durchatmend drückte er die verzierte Türglocke und rechnete kurz im Kopf nach was allein der blütenweiße Holzzaun, der das kleine Haus umgab gekostet haben musste. Denn fachmännisch erkannte er sofort solide Handarbeit und beinahe sehnte er sich nach seiner handwerklichen Tätigkeit zurück... ‚Es war eigentlich immer ein gutes Gefühl gewesen etwas mit den eigenen Händen herzustellen’
 

„Hallo Xander.“ Er hatte gar nicht bemerkt, dass sich die Haustür schon geöffnet hatte und sah nun leicht errötend in das Gesicht von Eve, die noch gar nicht nach einem netten Abend aussah. Eher im Gegenteil.

Ihr Ausdruck war besorgt und der saloppe Hausanzug hatte so gar nichts von dem Flair einer Managerin des größten Konzerns in Cleveland und vor allem zerschlug es schlagartig seine Vorstellung von einem sündigen Abend mit einer schönen Frau.
 

„Kommen Sie herein,“ bat sie ihn und hielt ihm einladend die Tür auf. „Entschuldigen Sie bitte, aber meine Mutter ist überraschend zu Besuch gekommen, sie fühlt sich nicht wohl…“ Ihre Stimme drückte ernsthaftes Bedauern aus und ein wenig verwirrt trat Xander ein. Dankend nahm sie ihm den Strauß ab und legte ihn zunächst einfach auf dem winzigen, aber teuer aussehenden Schränkchen im Hausflur ab. Der kleine Korridor öffnete nach drei Schritten zu einem großen Wohnzimmer und auf einer der sich gegenüberstehenden Sofas saß eine ältere, blasse Frau, die im ersten Moment gar keine Ähnlichkeit mit ihrer Tochter hatte. Sie war klein, wirkte unglaublich zart und zerbrechlich und ihr mit grauen Strähnen durchzogenes Haar, war dunkel und nicht blond wie das ihrer Tochter.
 

„Mummy? Das ist Xander Harris, meine rechte Hand im Büro. Wir waren für heute verabredet und ich habe vergessen, ihm abzusagen.“ Nach ihrer kurzen Vorstellung gab Xander der sehr blass aussehenden älteren Dame die Hand und er überlegte was sie wohl so krank aussehen ließ, da durchzuckte ihn auch schon der bekannte Schmerz im Kopf.
 

Die Umgebung veränderte sich schlagartig ohne Vorwarnung. Xander schien förmlich in ihren Kopf einzutauchen und er war ein winziges Teilchen in einem sich rasend schnell bewegenden Universum. Es pulsierte um ihn herum und er hatte das Gefühl gegen weiche Wände zu stoßen, wieder abzuprallen und weiter zu fließen … doch dann stockte es urplötzlich, es wurde eng und warm. Das Pulsieren nahm zu und vor ihm türmte sich eine Masse auf, fast wie eine Mauer, eine Staumauer sozusagen, denn sie brachte alles um ihn herum zum stehen …
 

„Xander?“ Eves Hand legte sich auf seinen Unterarm und er war wieder in ihrem Wohnzimmer, die kalten Finger von Eves Mutter immer noch in seinen Händen.
 

Langsam, wie in Zeitlupe, wendete er nun den Kopf zu seiner Chefin und sah sie mit seinen Augen durchdringend an. „Holen Sie einen Krankenwagen, aber schnell.“ Befahl er ihr mit einer Stimme die keinen Widerspruch duldete…
 

Eves Mutter war es in den letzten Minuten immer schlechter gegangen und nervös warteten sie auf den Krankenwagen, der nach unendlich langen zehn Minuten endlich auftauchte. Und nachdem Xander die Kranke zusammen mit Eve in den Wagen begeleitet hatte, machte er sich auf den Heimweg.
 

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Xander’s und Andrew’s Wohung

Später am Abend

Nachdenklich ging Xander die kurze Wegstrecke von seinem Parkplatz hinüber bis zu dem Apartmentkomplex in dem er wohnte und starrte auf die wenigen Menschen die ihm begegneten.

Eine alte Dame, die ihm öfter mit ihrem Dackel begegnete grüßte freundlich und als der Hund an seinem Hosenbein schnupperte, sah er in der für ihn inzwischen bekannten Art und Weise wie das kleine Tier über die Straße lief und ein Lastwagen nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.
 

„Leinen Sie ihn heute besser an.“ Riet er ihr freundlich und noch bevor die Seniorin etwas sagen konnte war er schon weitergegangen. Nur wenige Meter weiter zog ihn urplötzlich ein Arm in einen der schmalen Gassen zwischen den Gebäuden
 

„Clem?“ Erstaunt zog er eine Augenbraue in die Höhe. „Was machst du hier? Warum wartest du nicht Daheim, ich …“ Das breite Grinsen des nicht grade ansehnlichen Dämons verzog sich weiter bis zu einer hässlichen Grimasse, während sich sein kahler Schädel hin und her bewegte. „Mein Gedächtnis ist wieder komplett““ Strahlte er breit und klopfte sich demonstrativ an den Kopf, bis die Ohren wackelten.
 

„Das freut mich für dich, aber du kannst gerne noch länger bleiben…“ Wieder ließ ihn das Wesen nicht aussprechen, denn nun neigte es sich dem jungen Mann verschwörerisch entgegen.
 

„Oh nein, das geht nicht. Ich weiß jetzt wieder wo ich hingehöre und ich denke wir werden uns so bald nicht wieder sehen mein Freund.“ Seine Worte klangen ein wenig traurig und doch überwog wohl die Freude in ihm sich wieder an alles erinnern zu können.
 

„Wir müssen gehen,“ flüsterte Clem, als wenn es ein strenges Geheimnis wäre, das er seinem Freund verriet und jetzt erst erkannte Xander das hinter dem Dämon noch eine andere Person im Schatten des Hauses wartete.
 

Sie trat aus dem Dunkel heraus ins Licht der Straßenbeleuchtung und Xander riss seine Augen weit auf als er das Lächeln eines weiteren Dämons sah. Im Prinzip sah er aus wie Clem, ein wenig kleiner, der Schädel nicht ganz so kahl, dafür mit bürstenähnlichen Borsten versetzt und mit ein wenig Phantasie konnte er sie als weibliches Gegenstück zu Clem einordnen, was nicht zuletzt an dem auffallend grellgelb geblümten Kleid lag, was sie trug.
 

„Danke sööön…“ lispelte sie und griff nach Clems Hand, dessen unverhohlenes Grinsen verriet, dass es sich wohl um seine Freundin handeln musste. Sie schniefte leise und Xander fragte sich ernsthaft ob es Rührung oder Schnupfen war, aber da griff auch schon das männliche der beiden Wesen seine Hand und verabschiedete sich dankend mit einem festen Händedruck, der ihm beinahe sämtliche Mittelhandknochen zum bersten brachte.
 

Sie winkten ihm noch einmal zu bevor sie um die Ecke bogen, aber Xander sah es schon nicht mehr, denn in seinem Kopf hatte sich das Bild von vielen kleinen, krabbelnden, faltigen Dämonen breit gemacht, die Clem erschreckend ähnlich sahen
 

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Irgendwo in Cleveland

selbe Nacht

Der Dämon hechtete um eine Ecke dicht gefolgt von den beiden Jägerinnen. Im rennen stieß er eine Mülltonne zu Seite, die mit einem lauten Scheppern ihren Inhalt auf der Straße vergoss. Ohne lange zu zögern nahmen die beiden jungen Frauen das Hindernis und blieben dem Dämonen dicht auf den Fersen. Noch einmal sollte er ihnen nicht entwischen.
 

Immer, wenn es so aussah, als ob sie ihn gerade gestellt hätten fand er einen Ausweg, oder eine Möglichkeit sie einige Momente aufzuhalten - es war frustrierend. Vermutlich kannte er sich in dieser Gegend gut aus, denn wie hätte er sonst die ganzen Schlupflöcher, die mit normalen Augen nicht einmal offensichtlich waren, mit geschlossenen Augen finden sollen?
 

Buffy beschlich immer mehr das Gefühl, dass mit diesem Dämon etwas nicht stimmte, sein komisches Verhalten, sie erst zu beobachten und dann wegzurennen erschien ihr sehr eigenartig; vermutlich arbeitete er entweder für jemanden, oder hatte warum auch immer ein eigenes Interesse daran sie zu beschatten, aber nicht in einen Kampf zu geraten.
 

Sie folgten ihm um die Ecke... plötzlich blieb er stehen und drehte sich zu ihnen um. Er war in eine Sackgasse gelaufen. "Sieht so aus als könnte er einem Kampf nicht mehr entkommen!", stellte Kennedy fest, nicht ohne einen schadenfrohen Unterton, und zog ihr Schwert.
 

"Ich denke das können wir tatsächlich nicht," Buffy hörte zum ersten Mal die dunkle, selbstsichere Stimme des Dämonen, durch die Nacht hallen.
 

"Wir könnten natürlich einfach nur versuchen zu red...", schlug Buffy vor, doch der Dämon setzte schon zum Angriff an, "Ok, dann halt keine Diplomatie!"
 

Mit einem kurzen Satz war er bei den beiden jungen Frauen, doch Buffy wich dem ersten schwerfälligen Hieb, der ihr galt geschickt aus, nur um zum eigenen Schlag anzusetzen: "Ich glaube, du solltest lieber nur gegen Gegner deiner Gewichtsklasse antreten!"
 

"Deine Sprüche waren auch schon einmal origineller - und witziger.", spornte Kennedy Buffy an, während sie ihr leichtes, einhändiges Schwert gegen den Gegner führte. Doch der Stahl prallte mit einem dumpfen Ton von der Haut des Hünen ab, als wäre sie aus Stein oder sogar Beton. Der F´rilar würdigte das erstaunte Gesicht der jungen Jägerin mit einem verächtlichen Lächeln, packte ihr Schwert an der scharfen Klinge und schleuderte sie mitsamt ihrer Waffe durch die Luft gegen das untere Ende einer Feuerleiter, die bei dem Aufprall verdächtig knarrte, als ob sie im nächsten Moment über der am Boden liegenden Jägerin zusammenbrechen würde.
 

"Ok, harte Geschosse!", stellte Buffy fest, während ihre Mitstreiterin sich langsam wieder aufrichtete. Ihre Axt würde nicht viel ausrichten können, sie würde sich etwas anderes... In einem kurzen unaufmerksamen Augenblick gelang es dem Dämon einen Schlag gegen ihre Schulter zu führen, Buffy konnte gerade noch reagieren - sie riss ihre Streitaxt in die Höhe, der Stiel zersplitterte. Er holte zu einem erneuten Schlag aus, doch dieses mal war Buffy vorbereitet, es gelang ihr auszuweichen und seinen Arm zu greifen.
 

Doch auch von dem Versuch ihn über ihre Schulter auf den Boden zu werfen zeigte sich der Dämon nicht wirklich beeindruckt, mit seiner immensen Kraft hob er Buffy hoch und drückte sie gegen die Wand: "Was tust du jetzt, Jägerin? Was tust du jetzt?"
 

AKT 4
 

Sackgasse.

Eine Sekunde später.

"Dich auf den Boden drängen und ausquetschen, bis ich alles weiß, was ich wissen muss!", sie lächelte, ein gezielter Tritt zwischen seine Beine brachte den gewünschten Erfolg, obwohl seine Anatomie offensichtlich etwas anders angelegt war, war er für einen kurzen Moment abgelenkt, den Buffy schamlos ausnutzte, um sich aus seinem Griff zu befreien.
 

Im selben Augenblick kam Kennedy von hinten und versuchte ihr Schwert in seine Ferse zu rammen, doch auch dort glitt es einfach zur Seite ab, als wäre es vollkommen stumpf. Der F´rilar reagierte sofort, allerdings war sein Fuß erneut nicht schnell genug um sie zu erwischen.
 

"Verdammt, er muss doch einen Schwachpunkt haben.", stöhnte Kennedy, "Das hat doch schon einmal irgendwo geklappt!"
 

"Ja, aber sieht er etwa aus wie Brad Pitt?", Buffy zog die Reste des Stumpfes aus dem Kopfteil der Axt heraus, "Wir müssen etwas anderes..." Sie wich seiner mächtigen Pranke erneut aus, wurde aber noch gestreift, und zur Seite geschmissen, in diesem Moment waren sie auf Augenhöhe. Es machte Klick in ihrem Kopf, wohl ihr Jägerineninstinkt, und von einer Sekunde auf die andere wusste sie, wo seine Schwachstelle lag.
 

Mit einer schnellen Handbewegung schleuderte sie den Kopf der Streitaxt genau auf die Augen des Gegners zu, er wich unbeholfen aus, stolperte über einen am Boden liegenden Ziegle und strauchelte. In diesem Moment war Kennedy zur Stelle: Sie warf sich mit all ihrer Macht gegen die Schulter des Hünen, der sich nun nicht mehr halten konnte und zu Boden ging. Sofort setzte Buffy ihren Fuss an seine Kehle: "Was willst du von uns?"
 

Der F´rilar hustete: "Erst nehmt ihr mir meine Augen, und dann wollt ihr noch wissen, was ich von euch will?"
 

Die Lider sprangen auf und gaben den Blick auf die leeren Augenhöhlen frei. Buffy lockerte ihren Fuss auf seinem Hals: "Nicht wirklich? Hätte wir uns fast denken können, irgendwie ist es immer so oder ähnlich.", sie überlegte einen Moment, "Also ist Xanders neues Auge von dir?"
 

"Heißt das, dass ihr es nicht wusstet?", der Hüne klang freundlich, fast bereuend, sie nahm ihren Fuß weg und er richtete sich wieder zu voller Größe auf.
 

"Wir wussten schon von dem Auge, aber wir hatten keine Ahnung, woher es genau stammte...", erklärte sie, was hatte Xander sich nur gedacht? Hatte er gewusst, woher das Auge stammte? So oder so es war absolut unentschuldbar, sie würde ihn sich vorknöpfen müssen. Verdammt, nach all den Jahren sollte er es wirklich besser wissen, warum musste er sie so enttäuschen? Je mehr sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie, und dabei hatte sie ihn immer für den Verantwortungsbewusstesten der Gang gehalten.
 

"Er hat sie von diesem Dämonenhändler, ich glaube Larr war sein Name, gekriegt.", ergänzte Kennedy, die etwas unbeteiligt an der Seite stand.
 

"Larr?", die Fäuste des Dämonen ballten sich, "Er hatte mir versichert, dass ihr dahinter stecken würdet! Wenn ich diesen Schwindler in die Finger kriege."
 

"Was hältst du davon wenn du und Kennedy schon einmal zu dem Dämonenladen geht, ich hole Xander und komme dann nach.", sie wollte ihren Freund nicht direkt dem Dämonen aussetzen, denn sie konnte nicht einschätzen wie er reagieren würde, "Außerdem sollten wir Giles..."
 

Ein lautes Handyklingeln unterbrach sie. Kennedy und Buffy griffen automatisch nach ihren Handys, doch es war das von Buffy: "Ja? Sie sind es Giles?"
 

Ihr Wächter an der anderen Leitung klang aufgeregt: "Buffy, Lily hat den Dämonen gefunden, es ist ein F´rilar, eine Art dämonischer Hellseher, Lily vermutet das Xander seine Augen... Buffy?"
 

"Ja, so weit sind wir auch schon, am besten, wir treffen uns vor Larr´s Laden in einer halben Stunde, ich hole eben Xander ab.", die Betonung des Namens machte eindeutig klar, wie sie über sein Handeln dachte.

"Ja, wir werden...", begann Giles, doch Buffy unterbrach ihn: "Gut, wir haben nicht viel Zeit, er sollte diese Dinger möglichst schnell wieder los werden!", sie gab noch schnell die Adresse durch, welche ihr der Dämon zuflüsterte und legte auf bevor er noch etwas anderes sagen konnte.
 

"Giles reagiert wohl immer auf Stichwort was? Praktisch.", merkte Kennedy noch an, bevor sie sich auf ihren Weg machte.
 

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Xander’s und Andrews Wohnung,

selbe Zeit

Leise vor sich hinsummend, schloss Andrew die Wohnungstür auf. Zwar wäre er am liebsten die ganze Nacht auf der Con geblieben, und hätte sich die neuen Enterprise Folgen auf Großleinwand angesehen, doch da er morgen Vormittag arbeiten musste, hatte er schweren Herzens entschieden, dass nach dem Pannel mit Robert Picardo Schluss sein würde.
 

Auf Zehenspitzen schlich er durch den Flur. Er war sich fast sicher, dass Xander um diese Zeit noch wach war, und er wollte nur rasch den Kleidersack mit seiner TNG Uniform irgendwo verstauen, bevor sein Mitbewohner sich darüber wundern konnte. Eigentlich total bescheuert, diese Heimlichtuerei, und wieder einmal fragte er sich, ob das alles nicht auch anders gegangen wäre...
 

Das Wohnzimmer war dunkel, auch kein Fernsehton war zu hören. Sollte Xander etwa schon schlafen gegangen sein? Und wo war Clem? Hatte Mo ihm weiterhelfen können?
 

Als er das Licht anschaltete, zuckte er zusammen. Auf der Couch hockte Xander, und starrte missmutig vor sich hin. Von ihrem dämonischen Gast war weit und breit keine Spur zu sehen.
 

“Warum sitzt du hier im Dunklen?“ wunderte sich Andrew. “Und wo ist Clem?“
 

“Hat’s Spaß gemacht, ja?“ fragte Xander mit seltsam tonloser Stimme zurück. “Hast du Nichelle Nichols nach den Tribbles gefragt?“
 

“Ja...ich meine, was...woher weißt du...“stotterte Andrew hilflos. Hatte Clem die Karten gesehen, und Xander davon erzählt? Oder hatte Xander aus irgendeinem Grund im Laden angerufen, und von Scott erfahren, dass er ab Nachmittag auf der Con war?
 

“Bist du jetzt sauer?“ fragte Andrew ängstlich.
 

Xander stieß hörbar die Luft aus. “Ja, ein bisschen schon,“ gab er zu. “Ich komm‘ mir irgendwie hintergangen vor. Du warst es schließlich, der mir abgesagt hat, nachdem du mich monatelang zugetextet hast, dass du unbedingt hin willst. Und jetzt das!“
 

“Ehrlich, ich hatte gar nicht geplant, hinzugehen, ich muss ja dieses Wochenende arbeiten,“ verteidigte sich Andrew. “Ich hab‘ die Karte geschenkt bekommen, und ich dachte...uhm, wenn ich’s dir sage, dann bist du vielleicht sauer, dass ich mit jemand anderem hingehe, und nicht mir dir...“
 

“Wirklich tolle Ausrede, Andrew!“ Xander stand auf, und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. “Du willst mir erzählen, jemand schenkt dir einfach mal so eine Conkarte für hundert Dollar, und alles war ganz spontan. Und du hast dir natürlich auch ganz spontan ein Kostüm gekauft...“
 

“Das hab‘ ich schon seit vier Monaten,“ unterbrach Andrew. “Und wenn du mir nicht glaubst, wegen der Karte, kann ich da auch nichts machen. Ich versteh‘ nur nicht, warum das alles so ein Problem für dich ist. Sind wir doch mal ehrlich, dir war die ganze Con Sache doch nicht so wichtig. Du wolltest nur mir zuliebe hin, und immer kam was dazwischen...“
 

“Ich hab‘ Verpflichtungen!“ ereiferte sich Xander. “Und ich bin kein Kind mehr, in meinem Leben ist so viel passiert, dass ich...“
 

“Du musst dich nicht rechtfertigen,“ unterbrach Andrew, “ich mach‘ dir doch keinen Vorwurf. Ist auch ganz egal, wer von uns was durchgemacht hat, der Weltuntergang hat uns noch nie davon abgehalten, ein normales Leben zu führen. Sunnydale Mentalität, stimmt’s?“ Er lächelte gequält, ein Lächeln das Xander einen Moment später erwiderte.
 

Ohne Übergang wurde Andrew wieder ernst. “Es tut mir echt leid, dass ich dich angeschwindelt hab‘. Ehrlich. Ich wär‘ gern mit dir auf meine erste Con gegangen. Aber ich hab‘ gewartet und gewartet, und irgendwann war‘s mir einfach zuviel.“
 

Xander nickte langsam. “Gut, da kann man nichts machen. Ich versteh‘ dich ja, ich an deiner Stelle hätt‘ wahrscheinlich schon früher die Geduld verloren.“
 

Er grinste seinen Freund an. “In Zukunft setz‘ mir einfach ein Ultimatum, okay?“
 

Dieser grinste zurück “Klar, wir setzen einen schriftlichen Vertrag... was ist?“
 

Xander hatte sich auf die Couch fallen lassen, war wieder hochgesprungen, und hatte einen Schmerzenslaut ausgestoßen. Jetzt wandte er sich um, und zog etwas aus der Polsterritze hervor. “Andrew, manchmal sind deine Spielzeuge echt lebensgefährlich!“
 

“Hast du dir wehgetan?“ Besorgt ging Andrew auf Xander zu, als dieser ein weiteres Mal aufstöhnte, und sich an den Kopf fasste. “Was ist los, geht’s dir nicht gut? Soll ich Buffy, oder Giles Bescheid geben?“
 

Xander taumelte, er wich vor Andrew zurück, als sei dieser etwas Bedrohliches. Pures Entsetzen lag in seinem Blick, Entsetzen, welches sich langsam aber sicher in Ekel verwandelte. “Das kann nicht wahr sein,“ murmelte er ungläubig, “das kann einfach nicht...“
 

“Was?“ fragte Andrew erschrocken. Er trat einen weiteren Schritt auf den anderen zu, und wollte seine Hand auf dessen Schulter legen, doch als er Xander’s Gesichtsausdruck sah, erstarrte er mitten in der Bewegung, und wandte sich ab. Sein Blick fiel stattdessen auf den winzigen Gegenstand, der aus Xander’s Hand gefallen war, es war die zerbrochene Handschelle aus dem Polizisten Set, die er zusammen mit dem Abzeichen zwischen die Polster gestopft hatte..
 

“Xander... ich...“ Hilflos hob Andrew die Hände. Er hatte keine Ahnung, was Xander auf einmal wusste, oder zu wissen glaubte, und wie das alles zusammenhing. “Was hab‘ ich gemacht?“ fragte er schließlich kleinlaut.
 

“Was du gemacht hast?“ schrie Xander. Er stockte, suchte nach Worten, die ausreichten, um Andrew’s Verbrechen zu beschreiben. “Du hast uns die ganze Zeit hintergangen, du verdammter..."
 

Er deutete mit dem Finger auf Andrew. “Du miese kleine Ratte! Alle haben wir an dich geglaubt, haben uns um dich gekümmert. Deine ganzen blöden Sprüche haben wir dir abgekauft. ‘Ich bin jetzt einer von den Guten. Ich bekämpfe die Mächte der Finsternis!‘ äffte er Andrew’s Stimme nach. “Die ganze Zeit hast du uns was vorgemacht, und wir waren zu blind, es zu erkennen!“ Er schlug mit der Faust auf das Couchtischchen, dass es beinahe umfiel.
 

“Aber das ist doch überhaupt nicht wahr,“ versuchte Andrew sich zu verteidigen.
 

“Nicht wahr?“ schrie Xander. “Dann stimmt es also nicht, dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem psychopathischen Frauenmörder machst? Und das hier, in unserer Wohnung?“
 

“Es ist nicht so, wie du denkst....“ begann Andrew, doch Xander unterbrach ihn. “Überleg‘ dir deine Antwort gut, Andrew, ich hab‘ heute schon genug Lügengeschichten von dir gehört!“
 

Eingeschüchtert schwieg der blonde Junge für einen Moment. Er konnte sich nicht erinnern Xander jemals so außer Fassung erlebt zu haben. Doch was ihn viel mehr traf als Xander’s Wut war die Tatsache, dass dieser glaubte, er wolle Buffy und den anderen schaden. Wieso traute Xander ihm so was zu? Natürlich, sie waren nach Vi’s Tod wohl alle etwas paranoid, aber wie konnte Xander das nur von ihm denken? Wegen einer blöden Schwindelei um eine Star Trek Con?
 

“Okay, okay, es stimmt, dass wir uns treffen,“ versuchte er zu erklären. “Ich wollte es dir auch sagen, aber ich hab‘ mich immer davor gedrückt, weil ich genau wusste, dass es dir nicht gefällt.“ Bei den letzten Worten lachte Xander höhnisch auf, doch Andrew ließ sich dadurch nicht durcheinander bringen. “Aber du verstehst das alles vollkommen falsch. Ich würde niemals was tun, das dir und den anderen schaden könnte. Meine Pseudo-Bösewichts-Ära ist endgültig vorbei, das musst du mir glauben!“
 

“Das fällt mir schwer,“ entgegnete Xander kalt. “Hm...vielleicht liegt das daran, dass du wie ein kleiner Hund dem Kerl hinterher läufst, der eine meiner besten Freundinnen umgebracht hat?“
 

“So ist das aber nicht,“ protestierte Andrew, und er merkte, wie seine Stimme lauter wurde. “Mensch, Xander, was hast du erwartet? Dass ich mich jetzt für was Besseres halte? Ich bin ein Scooby und steh‘ über dem Rest der Welt? Und meinen Freund soll ich einfach so im Stich lassen, wenn er mich braucht? Das ist ganz bestimmt nicht das, was ich im letzten Jahr über Freundschaft gelernt habe!“
 

“Freundschaft?“ schrie Xander zurück. “Das ist eine unreife, kindische Abhängigkeit, nichts weiter! Du klammerst dich an jemanden der stärker ist, als du, weil du nicht auf eigenen Beinen stehen kannst! Weil du keine Verantwortung übernehmen kannst! Du brauchst jemanden, den du anbeten kannst, wie einen deiner Fernsehhelden! Verdammt noch mal, Andrew ich hab‘ so gehofft, dass du dich endlich mal weiterentwickelst. Dass du endlich mal erwachsen wirst, und aufhörst, dich in irgendwelche Phantasiewelten zu flüchten...“
 

“Wie kommst es, dass du manchmal so vieles siehst, und dann wieder überhaupt keine Ahnung hast?“ fragte Andrew verzweifelt. Mittlerweile war er den Tränen nahe. “Ich lebe in der Realität. Ich bin real, Warren ist real. Und dass wir zusammen sind, unsere Filme gucken und auf Cons gehen... das ist einfach unser Leben, und es hat nichts mit Unreife, oder Abhängigkeit zu tun.“
 

Seine Stimme wurde fester, und selbstbewusster, als er weiter sprach: “Ich. Bin. So. Ich bin ein Geek, ein Nerd, ein Gamer, ein Otaku, ein durchgeknallter Filmfreak! Und ich werd‘ nicht, wie Pinocchio eines Morgens aufwachen, und ein normaler Junge sein.
 

Du kannst mich nicht umkrempeln, begreif‘ das endlich! Mir ist klar, dass ich dir wahnsinnig viel zu verdanken hab‘, ohne dich hätt‘ ich vielleicht nie gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber ich bin kein Stück Holz, das sich jeder einfach zurecht zimmern kann! Auch du nicht! Diese Zeiten sind endgültig vorbei!“
 

Er trat einen Schritt auf Xander zu, und blickte ihm fest in die Augen. “Kannst du mich nicht einfach so akzeptieren wie ich nun mal bin?“
 

Lange Zeit erwiderte Xander seinen Blick. Dann schüttelte er langsam den Kopf. “Nein. Alles, was ich sehe ist, dass du den Mord an Tara einfach vergessen willst, damit du nur deinen Freund wieder hast.“
 

Erst als er Andrew’s verletzten Gesichtsausdruck sah, wurde ihm bewusst, dass er diesen Satz nicht zum ersten Mal gesagt hatte, aber genau wie damals bereute er ihn nicht. Er hatte schon zu viele seiner Freunde begraben. Es gab so viele gute Menschen, die sterben mussten, und so ein Abschaum, wie Warren bekam eine zweite Chance, damit er mit Andrew seinen Star Trek Leidenschaften frönen konnte.
 

Nein, es war zuviel. Es war einfach zuviel, und er konnte es nicht akzeptieren, niemals. Es war zuviel verlangt.
 

“Auch ich hab’ Dinge getan, die ich später bereut habe...“ setzte Andrew an, doch Xander’s eisiger Blick brachte ihn zum Schweigen. Ihm war klar, dass es keinen Sinn hatte, jetzt mit Erklärungen zu kommen, das Beste wäre wohl gewesen, einfach zu gehen, und den anderen seinen Gedanken zu überlassen.
 

Aber das konnte Andrew nicht, Xander’s Worte taten zu weh, und er war zu wütend. Es war ihm unbegreiflich, wie Xander dermaßen selbstgerecht sein konnte. Willow und Faith hatte er alles vergeben, was sie früher getan hatten, und die Menschen, die sie getötet hatten, bereiteten ihm keine schlaflosen Nächte. Aber von ihm, Andrew, verlangte er, dass er sich von seinem Freund lossagte, und ihm nicht verzieh.
 

Und dazu hatte Xander verdammt noch mal kein Recht! Er am allerwenigsten. “Du musst grad‘ die Klappe aufreißen,“ schrie Andrew. “Wer von uns beiden wollte denn eine Mörderin heiraten? Hat‘s dich jemals gekümmert, wie viele Menschen sie in tausend Jahren gefoltert, und getötet hat!“
 

“Sei still!“ Xander war kalkweiß im Gesicht geworden, und sein ruhiger Tonfall wirkte bedrohlicher, als jeder Wutausbruch. “Du hast kein Recht, so über sie zu sprechen. Sie hat ihr Leben geopfert, um dich wertloses kleines Miststück zu retten, und ich wollte bei Gott, sie hätte es nicht getan! Ja, ich wollte dieses verdammte Schwert hätte dich in Stücke gehauen, und sie wäre jetzt hier bei mir!“
 

Obwohl es totenstill war, hatte Xander das Gefühl, ein Klirren zu hören. Wie das Klirren vieler vieler rostiger Nägel... und er hatte den Kampf gegen sie verloren. Nach Monaten, und Monaten hatte er den Kampf verloren, und den Gedanken ausgesprochen, der im tiefsten Inneren seiner Seele brannte, und ihm keinen Frieden ließ.
 

Andrew sagte nichts mehr, er stand einfach nur da, und blickte ihn an. Eine Weile war es ihm, als suche der Junge nach einer Antwort in seinem Blick, einem Erschrecken, einer Entschuldigung, irgendetwas, um ihm zu sagen, dass diese Worte nur im Zorn gesprochen wurden, und nicht so gemeint waren.
 

Aber da war nichts. Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, drehte Andrew sich um, und ging langsam aus dem Zimmer.
 

++++
 

Selber Ort,

ein paar Minuten später

Zunächst nahm Xander das durchdringende Klingeln des Telefons gar nicht wahr, denn immer noch klebten seine Gedanken förmlich an dem was eben geschehen war und so war es mehr Reflex, als alles andere, dass er den Hörer überhaupt abnahm.
 

„Xander, oh Gott sei Dank das ich Sie erreiche. Ich weiß gar nicht wie ich Ihnen danken soll? Die Ärzte meinten, das Gerinnsel in ihrem Kopf hätte sie das Leben gekostet, wenn sie nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gekommen wäre. Das war Rettung in letzter Minute, aber es geht ihr sicher bald besser…“ Die Stimme Eves drang zwar an seinen Verstand, aber es kam in ihm keine richtige Freude auf.
 

„Das ist schön.“ Hörte er sich selber sagen, aber es war beinahe so als wenn ein innerer Roboter das Sprechen übernommen hätte, der Rest war noch aufgewühlt und verstört. Schweigend hörte er noch einige Sekunden zu und legte dann auf.
 

Hatte er sich überhaupt verabschiedet am Telefon? Es war egal…
 

Müde schlich er ins Bad und betrachtete nachdenklich das Gesicht im Spiegel. Es war schon lange nicht mehr das Gesicht des Schuljungen aus der Sunnydale High. Des Jungen der sich fragte was das Leben ihm bieten würde, dem Geld, Erfolg und Frauen das wichtigste im Leben waren, gleich nach dem einfachen Überleben am Höllenschlund.
 

Der junge Mann, der mitansehen musste wie seine Freunde um ihn herum starben oder Fähigkeiten erhielten von denen man nur Träumen konnte, der sich nichts sehnlicher wünschte als auch ein Teil der Helden des mörderischen Alltags zu sein.

Endlich hatte er eine Gabe die ihn ebenbürtig machte...
 

… Warum fühlte es sich so falsch an?
 

Vorsichtig berührte er das kalte Glas des Spiegels und seine Umgebung veränderte sich wieder.

Er sah sich selbst. Älter, bedeutend, erfolgreich. Die Menschen pilgerten regelrecht zu ihm hin. Ihm, dem strahlenden Helden. Dem Seher. Derjenige, der den Menschen Hoffnung brachte und doch … Er war allein. Das wohlige Gefühl der Anerkennung schlug um in Einsamkeit.
 

Seine Freunde?
 

Ja, er hatte ‚Freunde’, Personen die alle von seinem Erfolg zehren wollten. Die ihm sagten was er hören wollte, aber nicht ehrlich waren. Alle hatten sich von ihm abgewandt die ihm einst soviel bedeutet hatten und das Schrecklichste war: Es war ihm Gleichgültig geworden.
 

Alexander Lavelle Harris sonnte sich in seinem Heldentum. Schon lange ging es ihm nicht mehr um das reine Helfen. Er liebte es vergöttert zu werden und seine wahren Freunde waren auf der Strecke geblieben. Sie hatten Angst vor ihm bekommen. Vor ihm, der alles ‚sehen’ konnte was sie dachten, fühlten und erlebten. Jedes kleine Flunkern, auch wenn es noch so gut gemeint gewesen war, wurde schonungslos entlarvt.
 

Xander war kein Freund mehr, er war ein Monster…
 

Erschrocken fuhr seine Hand zurück und da war wieder das graue Gesicht im Spiegel mit den beiden gesunden Augen, die soviel sahen … War das Auge den Preis wirklich wert? Immer noch hallte in ihm das Gefühl nach, das ihm seine Vision von der Zukunft verschafft hatte.

Da war alles wovon er immer geträumt hatte und doch… Nachdenklich berührte er sein Gesicht und seine Finger fuhren hinauf zu dem besonderen Auge. Seine Handfläche legte sich darüber und der einäugige Xander im Spiegel fing an zu lächeln….
 

++++
 

Vor der Wohnung,

etwas später...

Die Ziffer 4 schien ein wenig lose zu sein, denn sie zitterte heftig unter den wütenden Klopfen Buffys, die sich sofort aufgemacht hatte um mit Xander zu reden.
 

Was hatte er sich bloß dabei gedacht?
 

Grade wo es schien, dass sie sich wieder näher gekommen waren in letzter Zeit und jetzt das?

Er musste die verdammten Augen zurückgeben und wenn sie es ihm persönlich aus dem Schädel holen musste …
 

"Mach endlich auf!" flehte sie laut und drückte ihr Ohr an das Türblatt. Er musste einfach da sein, denn sie konnte leise Geräusche hören.
 

Immer noch kam keine Reaktion und so hämmerte sie noch einmal energisch gegen die Tür des Apartments Nr. 42, bis sie beinahe aus der Zarge zu springen drohte.
 

Grade als sie überlegte sich gegen das Holz zu werfen öffnete ihr Andrew, blass, die Haare wirr im Gesicht verteilt, in seiner Hand ein paar Socken, verschiedenster Farbgattungen und in seinen Ohren steckten noch die kleinen Knöpfe seines Discman aus dem kreischende Musik zu hören war.
 

Hektisch schob sie ihn einfach beiseite und sah sich im Wohnzimmer um, wo ein aufgeklappter Koffer auf dem Boden lag, in dem sich schon ungeordnet Wäschestücke und einige Magazine, dazu ganze Raumflotten verschiedenster Größen tummelten. Die Schranktüren waren aufgerissen und überall lagen Sachen verteilt, doch hatte Buffy momentan andere Sorgen als sich zu fragen was das sollte.
 

„Wo ist er?“ Fuhr sie Andrew zornig an, doch der zuckte nur mit den Schultern und zeigte auf einen Zettel auf dem Wohnzimmertisch um dann weiter wahllos Wäsche in den Koffer zu werfen.
 

Hastig griff sie nach dem Papier und überflog die wenigen handgeschriebenen Zeilen, bis sich ein leises Lächeln auf ihre Lippen stahl.
 

'Ich bringe die Augen zurück.'
 

Er hatte es verstanden. Erleichtert seufzte Buffy auf und sah sich noch einmal fragend um, doch dann entschied sie sich doch nicht nachzuhaken. Andrew sah nicht nach Konversation aus, außerdem musste sie los…
 

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Larr’s Laden,

etwas später

Xander betätigte die Klingel an der Theke, anders als beim ersten Mal, als er hier gewesen war stand die Tür weit offen. Nach einigen Minuten kam Larr, er sah ziemlich fertig aus: "Du schon wieder, was willst du hier?"
 

"Ich will die Augen zurückbringen, ich hätte sie nie annehmen sollen, dass hab ich nun begriffen; wie auch immer,", er stellte den Kasten in dem sich noch eins der Augen befand auf den Tisch, "könnten sie mir bitte das eine, was ich eingesetzt habe wieder rausnehmen?"
 

"Bedaure, die Ware ist nicht mehr umtauschbar, könntest du nun bitte meinen Laden verlassen? Ich habe noch andere Kunden, und ich will keinen schlechten Eindruck machen!"
 

"Bitte,", flehte Xander ihn an, "Ich will ja nicht einmal das Geld."
 

"Nein, und jetzt verschwinde endlich.", plötzlich trat ein Funke Hoffnung in das Gesicht des rothäutigen Dämonen: "Du hast nicht zufällig noch das Gedächtnis deines Freundes bei dir, dann könnten wir verhandeln..."
 

Wenn er die Informationen über Malkuth beschaffte, würde Romero ihm helfen, und er hatte sehr viel Einfluss, das wusste Larr mit Sicherheit, auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte worum es bei der Sache ging. Aber der Plan dem Jungen das Auge anzudrehen, um den F´rilar auf ihn zu hetzen, war von Anfang an eine Schnapsidee gewesen, wie hätte es auch gut gehen können.
 

"Nein, aber ich bin mir sicher, dass wir das auch irgendwie anders regeln können, bitte, es ist wirklich wichtig!"
 

"Gehst du jetzt oder muss ich dich...", begann Larr, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde, hinter der die Silhouette des F´rilar auftauchte. Mit großen Schritten stolzierte er in den Laden: "Wir haben glaube ich doch noch etwas zu klären!"
 

Larr´s rotes Gesicht wurde kreidebleich, seine Stimme war so hoch, dass man sie beinah nicht mehr verstand: "Bitte, das ist alles ein Missverständnis, du verstehst das alles falsch!"
 

Hinter dem Dämon tauchten Faith mit einer Armbrust sowie Giles, Lily, Willow, Kennedy und Buffy in der Tür auf, und allesamt war ein wütender Blick ins Gesicht geschrieben: "Ich glaube du bist derjenige, der hier etwas sehr, sehr falsch versteht!"
 

Er wurde noch bleicher, falls es überhaupt noch möglich war: "Bitte, nein! Gnade!"
 

"Du handelst mit Körperteilen von deinen Artgenossen?", richtete der Hüne abfällig.
 

"Bitte, ich wollte es ja nicht, aber es ist einfach unmöglich, sich als Dämon in meiner Branche zu halten, irgendwann musste ich spezielle Waren anbieten, um nicht unterzugehen; ich hatte keine andere Wahl!", er wimmerte, während seine Hand so unauffällig wie möglich unter den Tisch glitt.
 

"Und wir haben genauso wenig eine Wahl!", Faith zielte mit ihrer Armbrust, genau auf seinen Kopf, "Eine falsche Bewegung und du bist tot!"
 

Ich mache nichts, er hob seine Hände, doch in einer hielt er eine tief blaue Kugel: "Vis tempestatis, mihi adiutorium sunt!"
 

"Est. Mihi adiutorium est!", berichtigte Willow ihn, doch im selben Moment noch zuckte schon ein Blitz aus der Kugel, und traf den F´rilar, der einige Meter zurückgeworfen und von einem Stapel aus Kisten begraben wurde. Mehr aus einem Reflex heraus betätigte Faith den Abzug, doch der Pfeil wurde durch einen weiteren Blitz abgelenkt, Larr lächelte, doch seine Freude hielt nur kurz an.
 

Mit einem Satz waren Kennedy und Buffy bei ihm, während Kennedy mit ihrem Schwert die Blitzkugel zertrümmerte hob Buffy ihn hoch und schmiss ihn auf den Boden: "Das Spiel ist aus."
 

Der F´rilar warf die leeren Verpackungen die auf ihm lagen zur Seite: "Zeit zur Abrechnung!"
 

"Nein, bitte, haltet mir diese Bestie vom Leib, ich kann euch alles sagen, alles. Was wollt ihr wissen, Malkuth? Wollt ihr etwas über Malkuth wissen?"
 

Die anderen im Raum starrten ihn verständnislos an, nur auf Lilys Gesicht zeichnete sich eher angespanntes Interesse ab, sie war der ganzen Szenerie eher teilnahmslos gefolgt, doch nun schien sie beunruhigt, auch wenn sie sich bemühte, es nicht zu zeigen, das Gewicht des Schutz-Amuletts an ihrem Hals schien plötzlich stärker zu werden.
 

"Oh, ich habe aber etwas, was euch noch mehr interessieren dürfte: Einer aus eurem Team spielt nicht mit offenen Karten, er hintergeht euch, wenn ihr mir garantiert, dass mir nichts geschehen wird, werde ich euch verraten, wer es ist und alles andere was ich weiß. Bitte!", Larr´s Hand glitt in seine Tasche.
 

Es war Zeit zu handeln, so weit hätte Lily es eigentlich gar nicht kommen lassen dürfen: "Er hat noch eine Waffe, seine Hand!"
 

Sofort drückte Faith ab, der Pfeil bohrte sich in das Herz des rothäutigen Dämonen, er war sofort tot.
 

Alle schwiegen für einen Moment, keiner wollte das Wort ergreifen, auch wenn sie alle wussten, dass die Worte des Dämonen wohl nur Lügen gewesen waren, um Zeit zu gewinnen.

Xanders Blick verharrte auf Larr´s Leiche, doch scheinbar wollte das Auge ihm keine Bilder mehr zeigen, als ob er diese Fähigkeit schon aufgegeben hätte, mit der Entscheidung es wieder zu verlieren.
 

Hinter Xander baute sich ein großer Schatten auf und eine fast steinerne Faust legte sich auf seine Schulter unter der er fast zusammenzubrechen drohte. Der F’rilar hatte sich aus den Trümmern der Kisten befreit und war direkt zu dem jungen Mann gegangen, der gebannt auf den Toten starrte.
 

„Du hast etwas, was mir gehört.“ Dröhnte es in sein Ohr und er wußte augenblicklich dass es Zeit war von dem Auge Abschied zu nehmen. Wie in Zeitlupe drehte sich Xander zu dem augenlosen Dämon herum, der ihm, trotz der geschlossen Lider bis in sein Innerstes zu sehen schien. Vorsichtig zog er die Schachtel mit dem anderen Auge aus seiner Innentasche und streckte sie mit zitternden Händen dem F’rilar herüber.
 

Er traute sich kaum hinzusehen wie das Wesen sich sein Auge wieder einsetzte, doch es war im Prinzip genauso, wie er es mit seinem Glasauge immer getan hatte. Ein erleichtertes Stöhnen entrang sich dem F’rilar als er endlich das rechte Augenlid erhob und Xander durchdringend ansah.
 

„Wie konntest du überhaupt sehen ohne deine Augen?“ Es war Neugierde, aber auch der Versuch ein wenig Zeit schinden, denn Xander wusste, das er es gleich abgeben musste und damit jegliche Chance auf eine besondere Fähigkeit.
 

„Du solltest das doch wissen….“ Klang die dunkle Stimme an sein Ohr und Xander ließ es mit angehaltenem Atem zu, wie sich die groben Finger des F’rilar seinem Gesicht näherten.
 

Es dauerte nur Sekunden das Auge zu entfernen und es tat nicht einmal so weh wie er gedacht hatte, doch war es ihm als würde er einen Teil von sich abgeben müssen. Wie von einem Magneten angezogen rutschte es förmlich aus seiner Augenhöhle hinaus in die Hand des Dämons, der es sofort bei sich einsetzte. Ein Schauer überlief Xanders Rücken, die leere Augenhöhle brannte und hinter sich vernahm er Lilys ätzende Stimme, die etwas darüber philosophierte das man mit Dämonen keine gemeinsamen Sachen machen sollte.
 

„Du brauchst keine Augen um Bedeutend zu sein und vor allem auch nicht um ‚Dinge’ zu sehen“. Das zweite, ‚sein’ Auge steckte nun in dem Dämon der sich langsam umdrehte um zu gehen und noch einen letzten Blick auf den Toten warf, dessen Taschen grade von Giles untersucht wurden.
 

„Ich glaube das habe ich begriffen,“ flüsterte Xander leise dem sich entfernenden Dämon hinterher.
 

„Er hatte keine Waffe.“ Die Erkenntnis darüber schockierte den Wächter ein wenig, denn er hatte die Waffe in dessen Tasche gesucht stattdessen lag in seiner Hand nun ein Amulett, nachdem Larr wohl gegriffen hatte. Im hinteren Teil des Raumes griff Lily nach der Kette mit genau dem gleichen Anhänger um ihren Hals, nur dass er gut unter ihrem Pullover versteckt war und sie hatte das Gefühl er würde wie ein Mühlstein an ihr hängen. Um Haaresbreite war sie aufgeflogen und die Einsicht darüber jagte ihr einen Schauer über den Rücken, doch sofort riss sie sich wieder zusammen, ging zu Giles herüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir durften kein Risiko eingehen.“ Meinte sie verständnisvoll und Erleichterung schwang in ihrer Stimme mit.
 

----
 

Xander war die Stufen aus dem Laden heraus nach oben geschlichen ohne sich weiter um das Geschehen zu kümmern. Aus seiner Tasche holte er den kleinen Behälter mit seinem Glasauge und einige Sekunden starrte er es gedankenverloren an, bevor er es herausholte und schnell einsetzte. Eine kleine Hand strich ihm um die Hüften und Buffy lehnte sich leicht an ihn.
 

„Hey,“ flüsterte sie und drückte ihn freundschaftlich. „Es war richtig sie wieder abzugeben.“
 

Xander nickte nur und genoss die tröstende Nähe seiner Freundin. Das Auge fühlte sich so kalt an, leer und die Welt sah wieder aus wie er sie kannte…
 

„Ich weiß, dass es dir nicht leicht fällt, Xander …“
 

„Nein, du weißt es nicht.“ unterbrach er sie und lehnte sich gegen die Hauswand. „Ich konnte endlich etwas Besonderes. Dinge sehen die Menschen halfen, aber auch … na ja …“ Er wurde leicht rot als er in die fragenden grünen Augen der Jägerin sah. „… auch Sachen die ich besser nicht sehen sollte… Geheimnisse die ihr vor mir habt und…“ Der fragende Blick ließ ihn seine Rede abbrechen und er starrte nun gebannt auf seine Schuhspitzen. „Du hast Recht, dieses magische Auge hätte mich früher oder später immer mehr von euch entfremdet. Aber eins musst du wissen. Ich mache dich nicht dafür verantwortlich dass mir mein Auge genommen wurde, das habe ich nie getan. Ich weiß, dass du mich deshalb lange verhätschelt hast, aber das muss aufhören Buffy. Du trägst daran keine Schuld. Mir war immer bewusst das das Leben ein einziges Risiko ist, aber zu sehen wie ihr Tag für Tag die Helden spielt und immer stärker werdet während ich die Fenster repariert oder den Chauffeur gespielt habe … Ich hab meine Chance gesehen, wichtig zu sein, das verstehst du doch, oder? Aber ich habe endlich eingesehen, dass das auch wichtig sein kann. Unsere Freundschaft ist wichtiger als Hokuspokus und Superkräfte, das hätte ich um ein Haar vergessen.“
 

Buffys Augen füllten sich mit Tränen und ihre Arme verschränkten sich um seinen Nacken. „Hast du das alles mit dem magischen Auge erkannt?“ fragte sie leise während sie Xander einfach nur festhielt.
 

„Nein, dafür brauche ich nicht einmal mein gesundes Auge,“ lächelte er zurück.
 

++++
 

Schulbus in Giles Garten,

ein wenig später

Faith lag in ihrem Bett und döste. Eigentlich war sie nicht wirklich müde.
 

„Faith?“ hallte eine junge, weibliche Stimme durch den Wohnwagen, doch die Jägerin reagierte erst auf den zweiten Ruf, drehte sich um, und machte die Augen langsam auf. Helle Sonnenstrahlen schienen durch die Fensterscheibe, wodurch es für sie unmöglich wurde, das Mädchen zu erkennen, welches sich über sie gebeugt hatte. Hatte sie etwa doch geschlafen, war es schon der nächste Tag?
 

“Faith.. na komm schon, die Zeit läuft..“ sagte das Mädchen wieder fröhlich, und richtete sich auf.
 

Faith hob die Hand, rieb sich kurz die Müdigkeit aus den Augen, richtete sich auf, und öffnete sie dann wieder. Sie musste einen grellen Schrei unterdrücken, als sie erkannte, wer vor ihr stand.
 

„Vi? Oh mein Gott..“ Faith starrte die rothaarige Jägerin geschockt an, die mit einem wundervollen Lächeln vor ihr stand.
 

„Was ist denn so schockierend, dass du nach Gott rufst?“ fragte die junge Jägerin, legte ihren Kopf schief und sah dann auf ihre Armbanduhr. „... bis auf diese Uhrzeit. Robin hetzt Ronah schon zum xten Mal die Straße rauf und runter. Du solltest wirklich so langsam aus dem Bett kommen!“.
 

Faith konnte es nicht fassen. Es war einfach unmöglich. Dies konnte nicht wirklich passieren. Sie versuchte sich krampfhaft einzureden, dass Vi gestorben war. Sie war tot. Es war unmöglich, dass sie hier vor ihr stand.
 

„Was .. bist du?“ fragte Faith, und tastete hinter ihrem Kissen vorsichtig nach einem Messer.
 

„Hmm.. „ Vi sah sie kurz an, drehte sich um, griff nach dem Pfeil, der auf der Küchenablage lag, und sah Faith verwirrt an.
 

“Du weißt doch, wer ich bin.. oder nicht?“ Tränen stiegen in die Augen der rothaarigen Jägerin, und sie starrte Faith verzweifelt an. „Sag mir nicht, dass du mich vergessen hast? Nein.. das.. das.. das halt ich nicht aus... oh Gott!“
 

Bevor Faith auch noch reagieren konnte, rammte sich Vi den Pfeil selbst direkt ins Herz. Faith sprang schreiend aus dem Bett, während Vi’s Augen glasig wurden, und ihre Haut die Farbe verlor.
 

In der nächsten Sekunde befanden sie sich nicht mehr im Wohnwagen, sondern in der Lagerhalle, und Vi’s Leiche lag genau vor ihren Füßen. Ronah’s Schluchzen erfüllte die Luft, und Faith sah verwirrt um sich. Bevor die hintere Tür ins Schloss fiel, konnte die dunkelhaarige Jägerin noch die letzten Stofffetzen des Umhanges sehen, der den Mörder der jungen Jägerin verdeckte.
 

Plötzlich klatschte jemand energisch in die Hände, und als Faith den Kopf drehte, stand Eve neben der Leiche, und klatschte. Sie lächelte Faith an, mit ihrer kranken, übertriebenen Freundlichkeit, und schien über irgendetwas erfreut zu sein.
 

„Was willst du hier? Ich habe dich getötet! Verschwinde!“ schrie Faith, und trat einen Schritt auf die Blondine zu, die sofort aufhörte, zu applaudieren.
 

„Na na, wer wird denn hier so schlecht gelaunt sein? Du hast doch gar keinen Grund dazu...“ sagte Eve und lächelte Faith noch immer an.
 

„Spinnst du? Vi ist tot und du führst dich hier auf, als wäre das ein Freudenfest! Was machst du überhaupt hier!“ schrie Faith und war kurz davor ihre Nerven zu verlieren.
 

„Ach, die hier?“ Eve deutete auf Vi, nickte, und kniete sich nieder. Sie hob ihre Hand, und strich ihr eine rote Strähne aus dem toten Gesicht. Kurz dachte Faith Mitleid im Gesicht der Frau zu sehen, der sie in Silent Hill fast zum Opfer geworden war. Aber sie hatte sie getötet. Sie hatte gewonnen. Was machte sie hier? Wieso war sie noch nicht tot? Tot wie Vi?
 

„Na ja.. Faith. Ich habs dir doch gesagt. Du bist wie du Pest. Sobald die Leute mit dir in Kontakt kommen, sterben sie wie die Fliegen.. summ summ..“ Eve hatte sich wieder aufgerichtet, und trat langsam auf Ronah zu, die noch immer wie fixiert mitten in der Halle stand und schluchzte.
 

„Du wirst für den Tod von allen verantwortlich sein, Faith. Sie werden sterben, alle drei, und das nur wegen dir! Ich würde ihnen eher Malaria wünschen, als dich als ihre Kameradin!“ Eve musste wieder kurz lachen, und schnippte dann mit den Fingern.
 

Faith stand wieder auf dem Friedhof der Kathedrale von Silent Hill, dem Friedhof, auf dem sie Eve getötet hatte.
 

„Hör damit auf.. „ flüsterte Faith und sah Eve flehend an. „Ich will.. das nicht noch einmal sehen..“
 

Eve lächelte wieder. Musik drang aus dem Haus Gottes, das hinter ihnen stand, während fahles Licht die Gräber beleuchtete. Langsam schritt sie voran, und ließ ihre Finger über die kalten, steinigen Grabsteine gleiten. Faith’s Blick blieb wieder auf den drei neuesten hängen. Einer davon trug schon einen Namen, die zwei anderen waren leer. „Vi.. „ flüsterte Faith und trat an das Grab heran. Eve, die sich dahinter platziert hatte, lächelte noch immer, als Faith kurz ihre Augen rot aufflackern sah.
 

“Eve, ich schwöre dir, wenn du mich nicht sofort zurück schickst, wo wir hier auch immer sind, werde ich dich noch einmal töten. Und ich werde dich so oft töten, bis du verschwindest. Für immer! Du kranke Schlampe!“ sagte Faith und versuchte Eve zu treten, doch sie stand plötzlich hinter ihnen.
 

“Du bist Schuld daran.. und .. die Zeit läuft. Wer weiß, wann der Nächste dran glauben muss.“ Eve lachte, drehte sich um und öffnete den Hinterausgang der Kathedrale, doch bevor sie eintrat, drehte sie sich noch einmal um. „Viel Glück, du wirst es brauchen!“
 

Faith riss die Augen auf. Sie befand sich im Wohnwagen. Draußen war es immer noch dunkel. „Oh Gott, nein.. bitte nicht..“ flüsterte sie leise, und merkte, dass sie total verschwitzt war.
 

++++
 

Xander’s und Andrew’s Wohung

Nachts

Der Schlüssel drehte sich langsam im Schloss und die, wie es Xander plötzlich erschien, tonnenschwere Tür schwang nach innen auf.

Es war dunkel in dem kleinen Apartment und Xander konnte förmlich spüren, dass sich etwas verändert hatte. Er fingerte nach dem Schalter neben dem Eingang und das Licht flackerte auf, blendete in seinem Auge, so dass er es reflexartig schloss.
 

Zunächst schien alles normal zu sein, doch dann waren es die Kleinigkeiten, die Xander auffielen.
 

Es war aufgeräumt, was eigentlich nie vorkam in der Wohnung. Der Tisch wie leergefegt, bis auf den nun fertigen Dinosaurier, der ihn aus leeren Plastikaugen vorwurfsvoll ansah.
 

Es fehlten die Magazine, die sonst auf dem Sofa verteilt waren und der Schrank wirkte einsam ohne die verschiedenen Raumschiffe aus diversen Star Trek Staffeln.
 

Eine Schranktür stand auf und gähnte ihn leer an. Da wo sonst Andrews Sachen verstaut waren, wenn sie nicht quer im Zimmer verteilt waren. Und ein Blick in die kleine Küche verriet ihm, dass sogar die Tassen mit den Simpsons sorgfältig auf dem Regal aufgereiht waren.
 

Er hatte sogar noch das dreckige Geschirr gespült…
 

Mit einem eleganten Wurf beförderte Xander seinen Wohnungsschlüssel auf die kleine Ablage und warf sich auf das Sofa, die Füße hoch auf den staubfreien Tisch mit dem einsamen Dino, der ihn immer noch anstarrte.
 

Wie machen das die Hersteller eigentlich das, egal aus welcher Perspektive man etwas anschaut, man immer das Gefühl hat angesehen zu werden?
 

Die Fernbedienung lag auf dem Polster und zornig zappte sich Xander durch einige Kanäle, bevor er den Aus-Knopf drückte.
 

Er war wirklich weg… wirklich weg…
 

Immer noch starrte der Dino mit seinen winzigen schwarzen Plastikaugen Xander an.
 

Das verdammte Ding…
 

Bilder schossen durch seinen Kopf, wie sie stapelweise Cornflakes-Packungen aufrissen um nach den neuesten Teilen zu fahnden, immer auf der Suche nach dem nächsten noch fehlenden Stückchen Dinosaurier.
 

Seine Hand griff nach dem Plastikteil, musterte es und es musterte zurück. Anklagend. Tadelnd, mit dem immer gleichen kalten Blick. Minutenlang starrte es in Xanders Auge, das Maul leicht geöffnet, als wenn er gleich zubeißen wollte.
 

„Dann hau doch ab!“ brüllte er auf, holte aus und grünes Plastik flog gegen die Wand, zerbarst in viele kleine Einzelteile, die sich auf dem Teppichboden verteilten.
 

Ein kleiner grüner Schädel kullerte weiter, fast wieder bis vor die Füße von Xander, der zusah, wie er wenige Zentimeter vor ihm liegen blieb, ein wenig hin und her wackelte und aus kleinen schwarzen Knopfaugen vorwurfsvoll zu ihm hoch starrte…
 

Grrr... Arrrgh...

Folge 15: End of Lies?

Title: 8.15 – End of Lies?

Autoren: Mel & Stefan

Co-Autoren: Yamato, Hope, White Magic
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

Bisher bei Buffy:
 

Buffy: „Na ja, Faith, es ist so. Wir Jägerinnen haben visionäre Träume. Träume, die uns helfen sollen, unser Ziel zu erreichen, oder uns bestimmte Hinweise geben sollen. Wusstest du das bisher nicht?“
 

VO: „Einer kam über sie, und alles was zurück blieb, war reine Erde“

Buffy starrt geschockt auf das Dorf, welches von Wassermassen zerstört wird. – 8x01

Faith steht fassungslos neben dem „guten Magier“ und muss mit ansehen, wie ein Wüstendorf in Flammen aufgeht – 8x03

Kennedy wandert im Eis, als sie plötzlich eine verletzte Willow entdeckt, und daraufhin von einem Reiter erstochen wird – 8x09

Dawn steht in dem halb eingestürzten Hochhaus und blickt auf ein Cleveland, welches in völliges Chaos gestützt wurde. - 8x11
 

Maskenträger/Lily: „... die Zeit läuft. Ich denke, dass es nicht mehr lange dauern wird. Bei unserem nächsten Treffen mit Samielle werde ich ihr anordnen, ihren Auftrag zu beenden. Ich kann und will nicht mehr länger warten..” – 8x11
 

Dawn liegt auf dem Bett in Zimmer von Mara und schläft. Bilder raste an ihrem inneren Auge vorbei. Bruchstückhafte Erinnerungen? Blitzbilder. Farben die um sie herumwirbeln. Sie tanzen. Wunderschöne Farben. Es ist so friedlich. Sie kommunizieren mit ihr. Hüllen sie ein. Alles ist in Ordnung. Wärme geht von ihnen aus. Das Universum breitet sich vor ihr aus. Viele Universen zeigen ihre Schönheit. Dawn fühlt sich wunderbar. Es ist alles schön. Sie fühlt sich richtig. Um sie herum Licht. Und wieder Farben, so viele, so schöne, so unterschiedliche, Farben die sie noch nie gesehen hat. Farben, die sie nicht kennt und die doch vertraut sind. Es geht nichts Böses von ihnen aus. Sie existieren nur und sind da.

Auf dem Gesicht des schlafenden Mädchens erscheint ein kleines Lächeln. – 8x13
 

Lily (alleine an Vi's Grab): „Du bist auf keinen Fall so sinnlos gestorben wie Faith und die anderen glauben. Es war für eine gute Sache. Alles hat seinen Grund und das war erst der Anfang. Als Jägerin war dir der Tod sowieso vorher bestimmt. Und es war nicht meine Entscheidung, dich zu einer Jägerin zu machen... eine von so vielen...” - 8x13
 

Eve begrüßt einen leicht nervösen Xander in ihrem Büro. "Hallo! Ich bin Eve Cronenberg, aber nennen Sie mich Eve." – 8x08
 

Eve in Silent Hill: „Du wirst für den Tod von allen verantwortlich sein, Faith. Sie werden sterben, alle drei, und das nur wegen dir! Ich würde ihnen eher Malaria wünschen, als dich als ihre Kameradin!“ Eve lacht kurz, und schnippt dann mit den Fingern. - 8x14
 

Xander sieht während er das magische Auge besitzt, wie Faith in Silent Hill durch das Kirchenschiff geht, und auf den Altar zusteuert, hinter dem Eve steht. Eve greift nach einer Waffe und lächelt. Die Vision verschwindet. Geschockt und verwirrt sieht Xander Faith an. – 8x14
 

Larr: „Oh, ich habe aber etwas, was euch noch mehr interessieren dürfte: Einer aus eurem Team spielt nicht mit offenen Karten, er hintergeht euch, wenn ihr mir garantiert, dass mir nichts geschehen wird, werde ich euch verraten, wer es ist und alles andere was ich weiß. Bitte!" - 8x14
 

Lily steht hinter Giles mit einer Hand auf seiner Schulter: "Vielleicht müsstest du dir Sorgen machen, wenn die alten Strukturen noch gelten würden, oder der alte Rat nach wie vor existierte. Wie soll der neue Rat funktionieren, wenn du nicht einmal selbst an ihn glaubst? Also leg deine Zweifel bei Seite und mach deine Arbeit weiter! Und im Notfall hast du ja immer noch mich!" - 8x12
 


 

TEASER
 

Irgendwo –

Irgendwann

Die Sonne strahlte auf das kleine Wüstendörfchen nieder, welches sich in einer kleinen Oase angesiedelt hatte. Schon die Urahnen hatten die ersten Häuser aufgebaut, und den Bewohnern ging es für ein Wüstenvölkchen mehr als gut.
 

Hell zeigte sich im kalten Nass des mehr oder weniger kleinen Sees das Spiegelbild der Sonne, während eine kleine Windbrise aufkam, und sanft Sandkörner vom Boden hob, um sie einige Meter zu tragen, und dann wieder abzulegen.
 

Buffy schritt langsam, gemächlich durch den warmen Wüstensand. Ein weißes Seidenkleid umspielte ihren Körper, während sie barfuß an den See heran trat, und tief Luft holte. Eine Gruppe von Kindern kam auf sie zu gerannt, und als ein einziger bei ihr stehen blieb, und sie flehend ansah, wurde es Buffy ein wenig mulmig. Etwas stimmte hier nicht. Es wirkte so vertraut... war sie hier nicht schon einmal gewesen?
 

Während der kleine Junge nach Buffys Hand griff, berührten die unbedeckten Füße einer weiteren Jägerin den warmen Sandboden...
 

... Faith schloss kurz die Augen, genoss die Wärme, die der Sand durch ihren Körper fließen ließ, und sah sich noch einmal erstaunt die Pyramide an, die sie gerade herunter gekommen war. Es war einfach ein faszinierendes Gebäude, und Faith fragte sich, ob die Menschheit jemals die Geheimnisse erfahren und verstehen würden, die in den alten Gemäuern ruhten oder ob sie dies überhaupt sollten.
 

Sie wandte sich ab, und erkannte nur wenige Schritte von ihr entfernt einen Strauch mit einer Frucht, einer einzigen, saftig roten Frucht. Sie spürte, wie sich ihr Magen zu Wort meldete, und das Wasser in ihrem Mund zusammen lief.
 

Ohne weiter nachzudenken trat sie auf den Strauch zu, griff nach der Frucht, und in dem Moment, in dem sie diese berührte, wusste die dunkelhaarige Jägerin, dass sie schon einmal hier gewesen war, genau an diesem Ort, genau in dieser Situation.
 

Sie zog langsam ihre Hand zurück, und versuchte sich zu erinnern. Was war hier gleich noch einmal passiert?
 

Langsam trat sie an dem Strauch vorbei, und erkannte einen See, der sich vor ihr ausbreitete...
 

... Buffy schloss ihre Hand um das Geschenk, das ihr der Junge gemacht hatte, versprach ihm, sich wirklich darum zu kümmern, und sah ihm noch kurz nach, als er den restlichen Kindern folgte. Was war hier eigentlich los?
 

Buffy drehte den Kopf wieder zum See und erblickte auf der anderen Seite die Jägerin, die sie selbst schon einmal ins Koma befördert hatte: Faith.
 

Cleveland –

Kennedy’s Schlafzimmer

Eines der Fenster, die einen wundervollen Blick auf das Cleveland im Morgengrauen frei gaben, stand offen, und der Wind ließ die Vorhänge darin wehen. Aber sie waren nicht das einzige, dass sich im Zimmer bewegte:

Kennedy lag in ihrem Bett, doch ihre Decke hatte sie schon längst von sich weg getreten. Sie schlief unruhig, und drehte sich von einer Seite auf die andere. Sie schien etwas im Schlaf zu murmeln.
 

Irgendwo –

Irgendwann

Kennedy war kalt. Es war so fürchterlich kalt. Wo war sie nur?

Sie sah in einiger Entfernung einen See, und ohne weiter nachzudenken, begann sie, darauf zu zulaufen, einfach weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte.
 

Der Boden gab bei jedem Schritt, den sie machte, leicht nach, und als Kennedy endlich am See angekommen war, hatte sie das Gefühl, dass ihre Zehen kurz davor waren, abzufrieren.
 

Sie blieb stehen und versuchte ihre Lungen wieder mit Luft zu füllen, was durch die eisige Kälte nicht wirklich erleichtert wurde. Ihr ganzer Körper zitterte vor Kälte, als sie plötzlich zwei weitere Personen am See ausmachte, die auf der jeweils anderen Seite des Sees standen...
 

„B.. B.. Buffy? Fa.. Faith?“ wollte sie schreien, doch nur ein leises Flüstern kam aus ihrem Mund.
 

Die zwei Jägerinnen schienen sie nicht gehört zu haben, und als Kennedy’s Blick zu Boden wanderte, erkannte sie, worin sie stand. Es war Schnee, BLUTROTER Schnee. Sie wusste plötzlich, dass sie das schon einmal durchlebt hatte.. damals.. war Willow gestorben, und sie selbst.. in diesem.. Alptraum.
 

Sie richtete ihren Blick wieder nach oben, und machte sich auf den Weg, um Buffy zu erreichen.
 

Cleveland,

Dawn’s Schlafzimmer

Ein Beben ließ Dawns Bett erzittern, als sie die Augen öffnete, und aus dem Schlaf gerüttelt wurde. Schläfrig kämpfte sie sich auf, und wankte müde auf die Tür zu. Was war los?
 

Sie öffnete ihre Zimmertür, und konnte einen Schrei nicht unterdrücken, als sie erkannte, dass der halbe Teil ihres Wohnzimmers fehlte, es war einfach weg, verschwunden, weg gebrochen. Sie sah an sich selbst herunter und erkannte, dass sie ein schwarzes Kleid trug.
 

Halt. Sie kannte das. Der Kapitän - er hatte ihr damals diesen... Alptraum geschickt. Sie trat aus ihrem Zimmer und ging auf die Kante des Wohnzimmerbodens zu. Es regnete, und ein Blitz durchzuckte den Himmel, als sie nach unten sah. Doch sie sah nicht Cleveland. Dies war anders, als beim letzten Mal.
 

Sie erkannte eine Oase vor dem Hochhaus, in dessen Zentrum sich ein See befand. Rechts neben dem See erkannte sie eine Pyramide, zwischendrin war ein kleines Dorf zu sehen, beherrscht von einem alles überragendem Gebäude und links erkannte sie.. Berge.. Sie waren weit weg, doch sie waren da, und etwas Schnee schien es bis zum See geschafft zu haben.
 

Dawn trat noch näher an den Abgrund und konnte es nicht glauben, als sie am Ufer des Sees Buffy, Faith und Kennedy verteilt stehen sah.
 

„Oh mein Gott.. was.. was soll das?“ flüsterte sie, und trat einige Schritte zurück.
 

Im nächsten Moment passierte alles viel zu schnell, alles auf einmal. Dawn musste mit ansehen, wie die Pyramide explodierte und Steinbrocken durch die Lüfte flogen, schossen und wirbelten. Der See brodelte, als würde er kochen und plötzlich schoss eine Meterhohe Wasserfontäne in die Luft. Die Häuser des Dorfes begannen zu wanken, und das alles überragende Gebäude zerbrach als erstes und fiel in sich selbst zusammen. Der Eisboden begann zu bröckeln und eine Gletscherspalte brach auf. Heißer Dampf schoss heraus, und Dawn musste mit ansehen, wie Kennedy einige Meter nach hinten geschleudert wurde. Es gab einen lauten Knall, und plötzlich erfüllten Donner den Himmel.
 

Faith, Buffy, Kennedy und Dawn starrten in den Himmel, als vier Reiter auf sie zukamen, gefolgt vom Ende der Zeit.
 

„... und alles, was blieb, war REINE ERDE!“ hallte es durch die Luft.
 

Im nächsten Moment war.. NICHTS.
 

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„Oh ..“ Buffy riss die Augen auf. Schweißbedeckt schlug sie die Decke zurück.
 

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„.. mein ..“ Kennedy fuhr aus dem Schlaf hoch, und atmete heftig. Verängstigt wanderte ihr Blick Richtung Fenster.
 

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„... Gott!“ Faith saß in ihrem Bett. Ihr gesamter Körper zitterte, als Robin langsam seine Hand auf ihre Schultern legte. Sie zuckte zurück, warf die Decke weg, und lief an Ronah vorbei in die frische Luft.
 

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„HILFE!“ Dawn starrte auf die Zimmerdecke. Ihr war kalt. Sie hatte Angst. Was war das nur gewesen? Wieso hatte sie nur diese Träume?
 

+++
 

Cleveland, Lagerhalle

Früher Morgen

Lily stand alleine in der alten, verlassenen Lagerhalle, durch deren Ritze das morgendliche Sonnenlicht einen Weg in die Dunkelheit fand. Staub wirbelte in den schmalen Lichtstreifen und Lily kam sich auf einmal ohne Weatherby sehr einsam und auch alleine gelassen vor. Zwar war Weatherby bestimmt nicht die Art von Wächtern mit denen sie sich unter normalen Umständen abgegeben hätte, aber er hatte dasselbe Ziel vor Augen gehabt wie sie. So etwas verband. Gerade in solchen chaotischen Zeiten wie diesen.
 

Sie drehte sich um ihre Achse, blieb stehen, lauschte in die Stille hinein und schien mit der Einsamkeit auf einmal doch zufrieden zu sein, denn ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen. Sie stellte die Tasche in ihrer Hand auf den staubigen Boden ab, nicht unweit von der Stelle, wo sie gestanden hatte, als Vi erkannte wer sich hinter der Maske versteckte.
 

Für einen Moment zögerte sie und sah zu der Stelle, an der Vi zu Boden gegangen war. Noch immer waren Kreidestriche zu erkennen, mit der ihre Körperstellung von der Polizei festgehalten worden war.
 

Etwas an der Erinnerung an den Vorfall ließ sie frösteln, ehe die Wächterin sich sammelte und sich zur Tasche herunterbückte.
 

Die Metallschlösser der Tasche schnappten auf und Lily entnahm ihr einige Päckchen mit Kräutern, farbigen Pulvern, Augen von einem Ochsen, getrocknete Blutegel, getrocknete Froschhaut, einige Kerzen und eine Schale mit einem Mörser darin.
 

Eigentlich war es verrückt, dass sie hierher gekommen war. Jetzt wo Buffy, Rupert und ihre Freunde ziemlich nah an die Wahrheit herangekommen waren, war die Lagerhalle kein sicherer Ort mehr. Allerdings gab es hier auch nichts mehr, was die anderen finden oder interessieren konnte. Und es war das einzige Versteck, das sie im Moment hatte. Seit dem Debakel in der Kanalisation hatte sie noch keine Zeit gefunden, sich nach neuen Verbündeten und einem geeigneten Versteck umzusehen. Was aber nicht hieß, dass sie nicht schon einen Schritt weiter war und wusste, an wen sie sich zu wenden hatte.
 

„Die Zeit ist reif... und ich bin alleine,“ murmelte sie mit einem recht verstimmten Klang in ihrer Stimme, während sie alles so richtete, wie sie es für ihren kleinen Vorbereitungszauber brauchte. „Die Zeit, um die Linie zu schließen ist gekommen und alle Pläne für ein problemloses Gelingen sind gescheitert,“ sie stieß verärgert die Luft aus, ließ sich elegant in den Schneidersitz gleiten und begann mit dem Mischen der Zutaten. Eine nach der anderen folgte in die Schale und wurde anschließend mit dem Mörser zerstampft.
 

Vor zwei Wochen wäre sie fast wegen einer Dummheit von Xander aufgeflogen.. ein „sehendes“ Auge – Lily konnte noch immer nicht fassen, wie viel Glück sie hatte, dass der junge Mann so ahnungslos gewesen war, dass er nicht das Richtige in ihr gesehen hatte. Sehr viel Glück... und dann dieser schmierige Larr, der nichts besseres zu tun hatte, als sie fast den anderen zu verraten!
 

Zwei Kerzen wurden von Lily angezündet und anschließend in die Hände genommen. Sie hob die Kerzen weit über die Schale und schloss ihre Augen. Es wurde Zeit zu prüfen, ob sie die Richtige gefunden hatte...
 

„Ihr Lichter der Kräfte

Ihr Lichter der Wege

Ihr Lichter des Verborgenen

Vereint euch und schenkt mir die Kraft und Energie....“
 

Lily ließ Wachs von den Kerzen in die Schale vor sich tropfen. Der Inhalt begann unter einem Zischen und beißenden Rauch Feuer zu fangen.

Auf einmal begann schwerer Regen auf das Wellblechdach zufallen...
 

„Schenkt mir die eine und wahre Kraft,

„Vereint euch und ebnet mir den Weg zum Schlüssel und zu der Macht...“
 

Der Inhalt der Schale verglühte – ein regenbogenfarbiger Lichtblitz schoss aus der kleinen Glut nach oben und verpuffte an der Decke. Zurück blieb nur schwarze Asche und ein unangenehmer Geruch....
 

++++
 

Lincoln High

Klassenzimmer, selbe Zeit

Dawn saß gelangweilt auf ihrem Platz im Biologiesaal, fünfte Stuhlreihe, Fensterplatz und starrte nach draußen, suchte sehnsüchtig nach dem ausbleibenden Frühling. Vor ein paar Wochen hatte es vielversprechend ausgesehen, doch heute war alles von einem anhaltenden Regen durchnässt und es sah nicht weniger trüb und grau aus als im Herbst, als sie hierher gezogen waren.
 

Sie seufzte leise über die aufkommenden Erinnerungen über ihre Ankunft in dieser Stadt. Alles war so fremd und trist gewesen. Trotzdem so voller Neuanfang... und wie vieles hatte sich tatsächlich verändert. Sie ging auf eine normale Schule, hatte normale Freunde und einen guten, kleinen Nebenjob. Ihre alten Freunde waren hier und Buffy schien langsam neben der Verpflichtung ihr gegenüber auch das zu erkennen, was sie war – ihre jüngere Schwester, die langsam erwachsen wurde und nicht mehr an die kurze Leine gelegt werden musste.
 

Trotz den Gefahren in Cleveland verlief ihr Leben ziemlich ruhig und auch jetzt wo sie wusste, dass sie eine Jägerin war, gab es kaum Beeinträchtigungen in ihrem Leben – gut, sie musste aufpassen, wenn sie mit Shin im Spaß raufte, oder einen Ball im Sportunterricht warf, aber die Angriffe von Dämonen und Vampire blieben fast aus – gegen Willows Befürchtungen, oder die von Lily.
 

Aber da waren diese Träume.. wie heute Morgen... die der jungen Jägerin ein wenig Kummer bereiteten. Sie wusste von Buffys Prophezeiungsträumen. Aber sie hatte wirklich angenommen, dass Buffy damals diese Träume alleine bekam, weil sie noch DIE Jägerin war.
 

Eine Schauder lief Dawn über den Rücken, als sie die zerstörte Stadt vor ihrem inneren Auge sah, die mächtigen Reiter, die Oase und langsam zu begreifen begann, dass sie vielleicht auch solche Träume haben konnte und irgendetwas Cleveland bedrohte. Vielleicht hatte sie deswegen Buffy, Faith und Kennedy in ihrem Traum gesehen, weil sie ihr am Ende halfen Cleveland zu retten....mit einem erneuten Seufzer, der ihr einen fragenden Blick von Mara einbrachte, die vor ihr saß, beendete sie ihre Gedankengänge mit einem verlegenen Lächeln für ihre Freundin. Sie würde mit jemanden darüber reden müssen. Und zwar bald.
 

Maras mahnender Blick hatte Dawn erinnert, ihre Aufmerksamkeit wieder der spannenden Ausführung über das Leben als Mikroorganismus zulenken, als ihre Gedanken doch weiterwanderten. Diesmal verweilte sie bei den Ereignissen vor ein paar Wochen – Vis Tod, der große Kampf ihrer Schwester und den anderen gegen diese Dämonensekte im Kanalsystem, die Vernichtung von Samielle, die offensichtlich hinter so vielem steckte, was in Cleveland und selbst in Sunnydale passiert war – ihr erster wirklicher und sinnloser Streit mit Shin, die Versöhnung ... sie musste lächeln bei dem Gedanken an Shin, den sie später in Cleveland Rides treffen würde... verträumt sah sie nach vorne zu ihrem Lehrer...
 

...ein grelles Licht mitten vor Dawn, ließ sie erschrocken die Augen weit aufreißen. Doch geblendet, schloss sie ihre Lider schnell und sah dabei bunte Lichter vor ihren Augen tanzen – wie in ihrem Traum nach Vis Beerdigung – schoss ihr durch den Kopf. Als sie ihre Augen erstaunt wieder öffnete, hatte ihre Iris die Farben eines Regenbogens angenommen und Dawn selbst schien zu flackern.. mal war sie da dann wieder nicht. Dabei schien in den sichtbaren Momenten durch ihren Körper etwas zu fließen... wie reine Energie...
 

Dawn starrte auf ihre Hände, die in einem regelmäßigen Takt pulsierten bis es endlich aufzuhören schien. Als sich Dawn ein wenig beruhigt hatte, wagte sie es sich besorgt um zu blicken... doch keiner ihrer Mitschüler schien etwas mitbekommen zu haben – alle blickten gelangweilt nach vorne oder zum Fenster hinaus....Dawn war darüber zwar erleichtert, aber im Ungewissen darüber, was gerade mit ihr passiert war, fühlte sie ihr Herz vor Aufregung so heftig schlagen, dass es ihr im Hals und in der Brust schmerzte...
 

Opening Credits
 

AKT 1
 

Xander’s Wohnung,

Selber Morgen

“Autsch!“ Schmerzhaft verzog Xander das Gesicht, als sein Fuß unangenehme Bekanntschaft mit dem Türrahmen machte. Es blieb ihm jedoch keine Zeit, sich selbst zu bemitleiden, nicht wenn er noch einen Kaffee und eine Scheibe Toast hinunterwürgen wollte, bevor er zur Arbeit ging.
 

Warum verdammt noch mal hatte er gestern schon wieder den Wecker falsch gestellt! Nach zwei verdammten Wochen sollte er doch langsam mal gelernt haben, dass er sich sein verdammtes Frühstück selber machen musste!
 

Von der Hemdenbügelei ganz zu schweigen. Aber egal. Wär’ doch gelacht, wenn er das bisschen Haushalt nicht wieder in den Griff kriegen würde!
 

Hastig schob er zwei Brotscheiben in den Toaster, und suchte nach der Dose mit dem Kaffeepulver. Andrew hatte nichts von sich hören lassen, überhaupt nichts! Hatte einfach seinen Krempel gepackt, und das war’s. Kein Anruf, keine Nachricht, kein gar nichts. Nun gut, wenn er das so haben wollte. Er, Xander, würde ihm bestimmt nicht hinterherlaufen!
 

“Autsch!“ Er schrie ein zweites Mal auf, als er sich an dem heißen Kaffeewasser verbrannte.
 

++++
 

Games In,

selbe Zeit

“Du bist zu spät,“ sagte Scott achselzuckend, und stellte den Karton mit den Marvel Comics ab, den er soeben auspackte. “Hast du meine Nachricht nicht gekriegt, oder nur verpennt? Wir haben heut’ morgen große Lieferung gekriegt.“
 

“Ich hab’ nichts bekommen.“ Verwundert betrachtete Andrew die blutüberströmten Leichen auf dem Cannibal Corpse T-Shirt, welches sich über den massigen Bauch seines Boss’ spannte. Ob Scott heute wieder mal die Mütter seiner Kunden schocken wollte?
 

Er kramte sein Handy hervor, doch auch dort ließ sich keine Nachricht finden. “Ich hab’ dir aufs Festnetz gesprochen.“ Scott wandte sich wieder dem Karton zu, und hob einen Schwung Hefte heraus. “Na ja, egal. Hilf auspacken!“
 

“Ich hab’ dir doch gesagt, du kannst mich nicht mehr auf Festnetz anrufen.“ Andrew bückte sich, um einen Lieferschein aufzuheben, der zu Boden gesegelt war. “Nur noch auf Handy.“
 

“Stimmt, hab’ ich vergessen.“ Scott stapelte die Hefte vor dem Regal, und begann sie durchzuzählen. “Hast du die Avengers auf deinem Zettel?“
 

“Ultimate Avengers?“
 

“Yep. Wir haben fast nur Ultimate bekommen, die ganze Palette durch. X-Men, Punisher, Blade, Daredevil “
 

Normalerweise hätte Andrew sich sofort auf die Comics gestürzt, um sie auf Zeile und Bild genau mit den Originalen zu vergleichen.
 

Aber irgendwie war er heute nicht wirklich bei der Sache...
 

++++
 

Universität, Wohnheim

Früher Nachmittag
 

„... es war verdammt unheimlich, Willow.“
 

„Du hast geflackert?“
 

„Wie ne kaputte Glühbirne..“, sagte Dawn sarkastisch, während sich Willows Gesicht auf einmal verdüsterte. „Was ist los... du machst dieses typische „Das bedeutet nichts Gutes“- Gesicht.“
 

„Ich bin mir nicht sicher, Dawn... aber weißt du, damals, als du plötzlich bei uns warst und Buffy herausfand, dass du nicht wirklich also na ja... als Mensch existierst, sprach sie mit uns darüber und erwähnte, wie sie es herausfand, dass du nicht real bist.. nicht so real wie wir, also was ich meine... na ja, dass du eben nicht nur menschlich bist,“ stotterte Willow herum, aus Angst Dawns Gefühle verletzten zu können. „Sie sagte, dein Zimmer wäre eine Illusion gewesen, es flackerte und zeigte Buffy immer wieder den unbenutzten Raum, den eure Mom als Abstellzimmer benutzte. Und auch auf Fotos wärst du verschwunden, dann wieder aufgetaucht. Vielleicht ist wieder irgendetwas im Busch.. oder es gab ne falsche Schaltung in deinem Körper...“
 

„Hey... ich hab’ keine Knöpfe und Schaltkreise. Ich bin’s Will, Dawn, die kleine – na ja große,“ korrigierte sich Dawn mit Blick an sich herunter, „menschliche Dawn. Aber du hast vielleicht recht... ich hab’ etwas gespürt, das meiner Existenz als Energie sehr nahe kommt. Falls sich das so anfühlt,“ fügte sie unsicher hinzu. „Ich hatte da so einen Traum... nach Vi’s Beerdigung. Alles war so friedlich und ausgeglichen. Ein Gleiten durch Raum und Zeit. Um mich herum Farben. Viele Farben. Andere Wesen... Energie.. so wie ich es wohl gewesen bin, bevor man mich zu einem Mensch formte. Ich hab’ dem Traum nicht wirklich viel Beachtung geschenkt, doch nach der Erfahrung heute Morgen glaube ich, dass er mir etwas sagen wollte.“
 

Willow machte ein nachdenkliches Gesicht und nickte als Aufforderung an Dawn weiterzusprechen. „Klingt sehr interessant,“ murmelte die Hexe. „Und genauso hast du dich heute Morgen gefühlt?“
 

„Ja.. und das macht mir irgendwie angst. Weißt du.. eigentlich dachte ich nach dem Sieg über Glory und der Schließung des Portals wäre dieses Kapitel in meinem Leben abgeschlossen. Vergangenheit. Finito.“
 

„Du hast geglaubt, deine Existenz als Schlüssel hätte mit Glorys Niederlage keine Bedeutung mehr,“ fragte Willow erstaunt aber einfühlsam. Dawn nickte.
 

„Oh Dawnie,“ sagte Willow mitfühlend, die sehr gut verstand, wieso Dawn sich so an diesen Gedanken geklammert hatte. Sie erinnerte sich an Giles Worte, damals in England, als sie über sie, Willow, die Hexe, sprachen und was sich alles verändert hatte – er sagte, dass man am Ende immer der ist, der man war – egal wie sehr man vielleicht dagegen ankämpfte. Und das traf auch sehr wohl auf Dawn als Schlüssel zu. “Ich verstehe zwar, dass du dir in diese Richtung Hoffnung gemacht hast, aber du bist nach wie vor der Schlüssel. Man hat dir menschliche Gestalt verliehen, aber in dir ruhen noch immer Kräfte, von denen wir nichts wissen oder ahnen. Du hast mich doch vor längerer Zeit um Nachforschungen gebeten...,“ Willow stand von ihrem Bett auf und ging zu ihrem Schreibtisch.
 

„Ja...,“ sagte Dawn gedehnt, die ahnte, dass ihr Gespräch noch eine unangenehme Wendung bekommen würde, wenn sie erst einmal von ihr als Jägerin und Schlüssel sprachen.
 

“Nun ich habe tatsächlich inzwischen einiges herausgefunden. Allerdings wollte ich alles erst noch einmal genauer überprüfen, bevor ich dir davon erzähle.“ Willow kramte zwischen Bücher und Ordner in einem Regal über ihrem Schreibtisch herum. „Ah da haben wir es ja.“ Sie zog einen Schnellhefter hervor, der einen recht umfangreichen Papierstapel beinhaltete.

„Aber es schadet bestimmt nichts, wenn ich dir jetzt schon darüber berichte. Es gibt ein paar interessante Foren und man lernt dort interessante Menschen kennen. Menschen mit einem fundierten Wissen,“ lächelte Willow geheimnisvoll und zog ein Blatt aus dem Schnellhefter.
 

„Jetzt mach’s doch nicht so spannend,“ stöhnte Dawn auf.
 

„Dann fass ich mal für dich zusammen,“ lächelte Willow und sah auf ihr Blatt herunter. „Wir sind uns einig, dass die Kraft des Schlüssels noch immer in dir schlummert und niemand von uns kann wissen, für was deine Energie eingesetzt wurde oder eingesetzt werden kann.“ Dawn nickte.
 

„Das heißt, wir müssen immer mit Vorsicht an Dinge herangehen, die unnormal erscheinen.... dieses Flackern zum Beispiel, deine Jägerinnenkräfte, die so lange verborgen waren... bei letzterem habe ich herausgefunden, dass deine reine Energie als Schlüssel sich nicht mit der dunklen Gabe einer Jägerin verträgt. Die beiden ungleichen Kräfte müssen in dir einen Kampf ausgefochten haben und so lange die reine Energie die Oberhand behielt, konnte ich dich nicht spüren und du deine Kräfte nicht einsetzen. Aber etwas scheint dafür gesorgt zu haben, dass die Kräfte einer Jägerin am Ende doch noch gewannen.“
 

„Und was genau bedeutet das für mich?“
 

„Nun... zum einen.. vielleicht sind deine Kräfte einer Jägerin nicht für die Ewigkeit und zum anderen besteht die Möglichkeit, dass diese beiden sich abstoßenden Kräfte in Zukunft noch einige Probleme machen könnten. Muss aber nicht unbedingt sein.“
 

„Na prima.. du meinst damit, ich bin ne tickende Zeitbombe?“
 

„So in etwa,“ gab Willow zögernd zu. „Auf jeden Fall könnte es sein, dass dein Erlebnis heute Morgen eine Auswirkung dieses Kampfes war. Natürlich könnte es auch sein, dass irgendjemand versucht, dich als Schlüssel zu missbrauchen.“
 

„Wirklich Willow...sehr beruhigend,“ Dawn warf ein Kissen nach ihr.
 

„Hey... das steht alles in diversen Foren und geheimer Literatur,“ verteidigte sich Willow. „Ich hab mir das nicht ausgedacht. Aber ich werde speziell in dieser Hinsicht noch etwas weiter recherchieren.“
 

„Danke,“ sagte Dawn erleichtert. „Wieso hat mich eigentlich damals dein Zauber nicht erkannt? Als wir herausfinden wollten wer unerkannt als potentielle Jägerin in Sunnydale weilte und dein Zauber durch mich hindurch ging?“
 

„Gute Frage, nächste Frage,“ grinste Willow unsicher, wurde dann aber wieder ernster. „Der Zauber wurde von Amanda abgelenkt, als sie am Haus vorbeiging. Und ich schätze die Energie deines Schlüssels hatte noch die Oberhand.“
 

“Und wieder ein unerklärliches Phänomen auf dieser Welt mehr,“ seufzte Dawn und sah zur Tür. Sie hatte noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen, bevor sie zu Cleveland Rides musste. Trotzdem gab es noch ein paar Dinge, über die sie mit jemanden reden musste und da Andrew wegen dem Streit mit Xander ein wenig andere Sorgen hatte, wollte sie nicht zu ihm rennen und ihn auch noch mit ihren Problemen belasten. Lily war in letzter Zeit ständig unterwegs und da blieb nur Willow....wenn sie nicht doch langsam mit den anderen darüber reden wollte...
 

„Ist noch etwas?“, Willow räumte den Ordner zur Seite und sah zur unschlüssigen Dawn, die durch sie hindurch blickte.
 

„Ehm.. ja... nein.. nicht wirklich..“
 

„Du kannst mit mir ruhig darüber sprechen.. ich hab noch etwas Zeit...“, der gehetzte Blick auf die Armbanduhr strafte Willow einer Lüge.
 

„Na ja.. ich hatte heute Morgen einen seltsamen Traum. Buffy, Faith und Kennedy waren in ihm. Und merkwürdige Wesen. Reiter genau gesagt....“
 

„Ein Prophezeiungstraum?“, brachte Willow fragend aber fast auch gleichzeitig erschrocken hervor.
 

„Keine Ahnung.. ich hab damit noch nicht viel Übung, wie du weißt.. aber ich hatte so etwas ähnliches schon einmal auf diesem Geisterschiff gesehen... der befreite Geist zeigte mir den Untergang von Cleveland und einem Reiter, der aus dem Eriesee ausbrach... ich weiß nicht was das bedeuten soll, aber vielleicht hängt das alles zusammen?“
 

„Das wäre möglich. Du müsstest mit Giles und Buffy...“
 

„Auf keinen Fall... nicht jetzt. Nicht nachdem wir Vi verloren haben. Buffy würde durchdrehen... ich meine sie würde mich nie wieder auf die Strasse lassen, aus Angst der nächstbeste Vampir lauert mir auf und tötet mich...“
 

Willow seufzte frustriert. “Du weißt, dass es das alles nur noch schlimmer macht, um so länger du schweigst? Giles und Buffy werden nicht begeistert sein, dass wir inzwischen alle irgendwie Bescheid wissen nur sie nicht?“
 

„Ich bin nur gekommen, weil ich... nun... ganz bestimmt nicht um altkluge Ratschläge zu bekommen.“, sagte Dawn nicht wirklich unhöflich, dafür aber resigniert. Als sie die Tür öffnete, drehte sie sich noch einmal zu Willow herum „Ich warte noch ein paar Tage.., dann vielleicht...“
 

Willow sah ihr zweifelnd hinterher, als sie das Zimmer verließ.
 

++++
 

Wächterhaus

selber Nachmittag

Erdgeschoss. Giles Büro

“Ja... ja doch ganz sicher. Sie können mit Dana machen, was auch immer sie für notwendig halten...,“ Lily spielte mit der freien Hand an der Telefonschnur und sah aus dem Fenster von Ruperts Büro. „Ich weiß, dass es schwierig wird....“
 

Der große Schulbus versperrte das meiste an der guten Aussicht und Lily wollte sich nicht vorstellen, was die breiten Reifen für vernichtende Auswirkungen auf den Rasen hatten. Einen gepflegten, englischen Rasen dürfte Rupert wohl vergessen können. „Mister Giles? Natürlich hat er das autorisiert...“, Lily hörte ein Geräusch hinter sich und verstummte. Als sie hinter sich blickte, sah sie Giles in das Büro kommen.
 

Für einen Moment stutzte der Wächter, als er Lily hier unten entdeckte, ging dann aber mit einem Lächeln an ihr vorbei und griff nach einer Notiz, die auf dem Tisch lag. Lily lächelte zurück.
 

„Eh... ja...machen sie das einfach.. ich muss Schluss machen.“, und damit legte sie den Hörer auf die Gabel zurück. „London,“ erklärte sie Giles, der sie fragen anblickte.
 

„Probleme?“
 

„Nein.. nicht wirklich. Nur ein paar Anfragen, die ich dir abgenommen habe.“
 

„Anfragen?“, fragte Giles halb abwesend, als er die Notiz in seinen Händen las und kurz über den Brillenrand zu Lily blickte.
 

„Ich sagte ja, nichts besonderes. Verwaltungstechnisches Zeug. Ob sie die Menge Papier bestellen können, welche Druckerpatronen...“, Lily unterbrach als sie Giles abwinkende Geste sah und grinste. Ihr Blick wanderte wie beiläufig zum Safe hinüber, ehe sie wieder mit einem gewinnenden Lächeln zu Giles blickte.
 

„Wenn du schon einmal hier bist.. ich hätte da noch eine Frage, die mich seit längerem beschäftigt...“
 

„Sicher.. nur zu...,“ Giles steckte die Notiz weg und ließ dabei seine Hände gleich in den Tiefen seiner Hose verschwinden.
 

„Nun.. wegen Dawn – du und Buffy... habt ihr euch jemals die Frage gestellt, ob Dawn, wenn sie aus Buffys Erbmasse oder Blut...,“ Lily sah etwas verwirrt aus, als sie versuchte Dawns Entstehung zu beschreiben, „erstellt wurde, nicht schlummernde Kräfte einer Jägerin in sich hat?“
 

Giles zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. Etwas verwundert über Lilys Frage, suchte er nach einer Antwort. „Nun ja, uhm.. s-sicher gab es den einen oder anderen Gedanken dazu, aber Dawn zeigte nie besondere Kräfte oder Talent. Durch Zusehen und heimliches Üben scheint sie ein...uhm... ein gewisses Geschick mit Waffen gewonnen zu haben. Und zudem hatte Willow vor nicht all zu langer Zeit einen Zauber gewirkt, um potentielle Jägerinnen in Sunnydale zu erkennen... der Zauber ging an Dawn vorbei,“ er dachte kurz über seine eigene Worte nach und schüttelte dann mit dem Kopf. „Nein.. nein, wenn ich darüber nachdenke, bin ich mir sicher, dass Dawn einfach Dawn ist. Sie hat allerdings Talent beim Recherchieren bewiesen. Sie würde eine gute Wächterin abgeben, wäre sie nur etwas früher mit der Materie in Verbindung gekommen.“
 

„Es ist nie zu spät,“ sagte Lily überzeugt. „Und bei unserem momentanen Mangel an Wächtern bestimmt keine falsche Überlegung. Allerdings versuche ich mir vorzustellen, in welcher Weise ihre alte Existenz als Schlüssel ins Bild passen würde. Sicher gibt es noch genug finstere Mächte, die versuchen könnten sie zu missbrauchen.“
 

„Ich glaube nicht, dass Dawn ihr Leben für eine Wächterkarriere freiwillig aufgeben würde. Sie hat zu sehr gesehen, was solch ein Leben ihrer Schwester und mir an Opfern abverlangte. Und was ihre Schlüsselenergie betrifft wissen wir genauso viel oder wenig wie Dawn selbst.“ Giles wusste wie verwirrend Dawns Existenz einmal für sie alle gewesen war, doch wie mochte diese Geschichte erst auf Außenstehende wie Lily wirken? „Sie besitzt die Kraft, um Portale zu öffnen und sicher auch um sie zu schließen. Dabei muss es nicht unbedingt ein sichtbares Portal sein, wie das, was Glory öffnen wollte. Es scheint ihr Blut zu reichen, aber ich habe auch schon in anderen Quellen gelesen, dass sie nur in ihrer Form als reine Energie eine Funktion hat. Es gibt viele Möglichkeiten.“
 

„Hm.. und sie hat diese Kraft noch immer in sich?“
 

„Sicher.. nur weil wir Glory zurückdrängten und besiegten, heißt das nicht, dass ihre wahre Existenz damit erloschen ist.. wieso willst du das eigentlich ausgerechnet jetzt, alles so genau wissen?“, stellte Giles die Frage, ohne seinen belehrenden und erzählenden Tonfall zu verändern.
 

Lily zuckte mit den Schultern und machte ein recht unbeteiligtes Gesicht. „Ach nur so... ich meine schließlich arbeite ich mit euch zusammen und möchte alle Zusammenhänge kennen, nicht nur die, die in deinen Tagebüchern stehen,“ Lily lächelte ihn plötzlich an. „Ich muss doch wissen, auf was ich mich einlasse. Abgesehen von dir...“
 

„Lenk nicht ab,“ brummte Giles mit nicht sonderlich viel Widerstand. „Du kennst mich und weißt genau auf was du dich eingelassen hast.“
 

„Ich weiß. Aber deine Freunde sind noch alle ein ziemliches Rätsel für mich. Nimm Xander – er erschien auf mich immer so vernünftig, ein reifer junger Mann, der sich seinen Humor und kindlichen Spaß bewahrt hatte. Und dann taucht er plötzlich mit diesem Seher-Auge auf und kann nicht verstehen, wieso es eine Gefahr darstellen könnte und wieso es ihm niemand gönnen würde.
 

Dawn dahingegen möchte ein normales Leben führen, und würde gerne alles aus ihrem alten Leben und ihrer Schlüsselexistenz leugnen. Trotzdem versäumt sie fast nie ein Meeting und würde am liebsten in der ersten Reihe an der Seite ihrer Schwester mitkämpfen. Und Andrew erst... er ist auf seine Art kindlich naiv, vergeudet seine Energie mit Comics, Filmen und Serien und auf einmal überrascht er jeden mit Verantwortungsbewusstsein und löst das Geheimnis um Samielle.
 

Bei Buffy wüsste ich gar nicht wo ich anfangen soll... und selbst bei dir muss ich mich manchmal daran erinnern, dass da drinnen,“ sie deutete auf seine Brust, “auch ein paar dunkle Geheimnisse schlummern. Aber gerade das finde ich unglaublich anziehend.“
 

Giles senkte verlegen seine Augen. Auch wenn ihn und Lily so vieles verband konnte er nicht wirklich gut mit Komplimenten dieser Art umgehen. Jedoch verstand er auf was Lily hinaus wollte und gab sich ein wenig die Schuld daran. Er hatte nie ernsthaft versucht Lily zu integrieren. Sie war hier gewesen, um ihm zu helfen, nicht Buffy und den anderen. Als mehr daraus wurde, war sie in seinen Augen neben Kollegin und Verbündete zu einer Freundin und Geliebten geworden... ein Grund mehr, die anderen ein wenig fernzuhalten. Es war sein Privatleben und seine Angelegenheiten. Vielleicht wäre das Verhältnis zwischen Buffy und Lily nicht so lange kühl verlaufen, wenn er nur von sich aus mehr dafür getan hätte, dass sich alle besser kennen lernten.
 

„Oh und wenn wir schon Fragestunde spielen.. hat irgendjemand noch einmal versucht an die Münzen im Safe heranzukommen?“
 

„Was? Oh... die Münzen?“, erneut erstaunt über Lily sah Giles zum Safe und schüttelte dann den Kopf.
 

„Nein, seit Samielles Überfall auf Buffy hat es niemand mehr versucht. Die Münzen liegen sicher im Safe. Und niemand weiß, wieso diese Dämonin hinter ihnen her war.“
 

„Ich glaube Faith und Willow hatten anders zu tun, als diese Dämonenfrau auszufragen. Sie waren bestimmt froh, als sie ihren letzten Atemzug tat. Sicher sind die Münzen magisch.“
 

„Oh ganz sicher. Aber wir haben noch nichts darüber herausgefunden. Willow und ich versuchen seit Samielles Tod einen Anhaltspunkt über sie und ihre Verbindung zu den Münzen zufinden. Oder eine Verbindung zu D’Hoffryn. Schließlich kommen diese Geldstücke von ihm.“
 

„Ich kann euch helfen, wenn ihr noch Hilfe braucht. Vielleicht solltest du mir die Kombination vom Safe geben. Nur für den Notfall, falls ich mal alleine im Haus sein sollte und jemand nach den Münzen sucht. Ich kann sie dann in Sicherheit bringen.“
 

Giles sah sie einen Moment durchdringend an, doch Lilys herbeigezaubertes Lächeln ließ Giles schließlich mit einem Schmunzeln um die Mundwinkel herum nicken. „Das ist in der Tat eine sehr gute Idee.“ Und damit griff er nach Papier und Stift, um die Nummer zu notieren.
 

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Ratszentrale

Giles Büro, später Nachmittag

Mit dem Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt versuchte Buffy in Giles Büro mit der einen freien Hand nach ihrer Kaffeetasse auf dem Fenstersims zu angeln, während sie sich mit der andern Hand eine Notiz machte.
 

„Ich helfe dir,“ flüsterte eine Stimme neben ihr und Buffy wandte sich mit einem dankbaren Lächeln herum und nickte Emma, der rothaarig gefärbten, jungen Jägerin, zu, die auf einem der Besucherstühle saß und sofort in die Höhe spritzte, um Buffy die Kaffeetasse zu holen.
 

„Okay.. gut.. dann können wir den Flug buchen,“ sagte Buffy in den Hörer, schrieb sich wieder etwas auf und legte mit einem „Bis dann“ auf.
 

„Und.. was ist dabei herausgekommen?“ fragte Emma sofort voller Ungeduld, als Buffys Aufmerksamkeit wieder ihr galt.
 

„Das diese Wächter noch immer wie eine ausgestorbene Spezies reden. Hm.. genau genommen sind sie das ja auch dank Caleb...,“ grinste Buffy, doch der Ausdruck in ihren Augen blieb ernst.
 

„Wissen sie nun von Ms. Ushers Empfehlung?“, Emma rutschte unruhig auf ihren Stuhl zurück.
 

„Ja,“ sagte Buffy nachdenklich und gedehnt. „Sie scheinen mit ihr telefoniert zu haben.“
 

„Das heißt ich kann nach England fliegen? Nach Europa?“, ein begeisterter Glanz erschien in Emmas Augen.
 

„Na ja, dass wird sicher keine Touristenreise,“ gab Buffy grinsend zu bedenken. „Ms. Usher will, dass du in der Obhut von einigen erfahrenen Wächtern so viel wie möglich lernst. Und glaub mir.. es war schon schwer zu ertragen von einem Wächter alleine gedrillt zu werden. Andererseits bleibt dir die Bekanntschaft mit einer leerstehenden Villa erspart,“ sie lächelte bei der alten Erinnerung an L.A. und fuhr fort, obwohl Emma Buffy etwas verwirrt ansah. „Allerdings können wir dir hier nicht wirklich viel bieten. Wir haben nur Giles, Robin und Ms. Usher in Cleveland und sie sind gleichzeitig für so viele Jägerinnen im Umkreis verantwortlich, wie auch für all die Sorgen und den Kummer diverser Wächter und Jägerinnen. Ich kann Ms. Ushers Bedenken gut verstehen.“
 

„Fein.. dann ist das ja irgendwie geklärt. Ich möchte sehr gerne gehen. Auch wenn es schwierig wird meine Eltern von der Notwendigkeit eines Auslandschuljahrs zu überzeugen,“ seufzte Emma. „Ich meine... ich hab’ ja nicht mal eine Fremdsprache gewählt.. dann werden sie mir das geschichtliche Interesse an England oder Europa kaum abkaufen. Aber ich muss fliegen... inzwischen kann ich nicht mehr anders und so merkwürdig wie es noch immer ist nachts mit Pflock und Armbrust über den Friedhof zu schleichen, so berauschend und befriedigend finde ich es auf eine irritierende Art und Weise. Ich weiß nicht, ob du das so auch empfindest und verstehst was ich meine... aber es macht süchtig und nach einem Vampir habe ich oft das Verlangen nach weiteren Kämpfen...“, Emma unterbrach ihr nervöses und leicht aufgeregtes Geplapper, um Buffys Reaktion abzusehen.
 

Oh, und wie Buffy verstand was Emma meinte. Sie kannte das Gefühl, das Emma beschrieb. Doch Buffy zog es vor dazu nichts zu sagen. Die Zeit nachdem sie auf Dracula in Sunnydale gestoßen war, ihre nächtlichen Streifzüge, die sie fast schon brauchte, als wäre sie süchtig nach ihnen gewesen, gehörten zu einem Teil ihres Lebens, der sie sehr verwirrt hatte und auch nicht sonderlich stolz machte. Sie erinnerte sich nicht gerne daran, wie sie zum ersten Mal die dunkle Seite in einer Jägerin erforscht und kennen gelernt hatte.
 

Buffy sah Emma noch immer schweigend an, ehe sie begriff, dass Emma nicht mehr sprach und sie abwartend anblickte. Die blonde Jägerin beeilte sich zu nicken und zu lächeln. „Ja, doch... ich verstehe was du meinst. Ich schätze Lily und Giles sind erleichtert, dass du dich für unsere Sache nun doch interessierst.“
 

Emma nickte eifrig. „Ja sehr, denke ich. Allerdings scheint Mister Giles der Meinung zu sein, dass ich in Cleveland genauso gut aufgehoben sei, wie in London. Ich denke er ist nicht so...glücklich... über Ms. Ushers Idee.“
 

„Dennoch hat er es erlaubt und mit London telefoniert,“ wandte Buffy ein. „Du brauchst dir deswegen keine Gedanken mehr zu machen. Ganz so abgeneigt scheint er also nicht zu sein. Wir sind ja auch noch da, und werden sicher mit den paar Vampiren und Dämonen fertig.“
 

„Klasse.... ich bring euch auch etwas mit.. versprochen,“ strahlte Emma über die Aussicht aus Cleveland herauszukommen.. etwas von der Welt zu sehen und dabei interessante Dinge zu lernen, die vor einigen Wochen noch für sie die Ausgeburt kranker Phantasien von Horrorbuch-Autoren oder Film-Regisseuren waren...
 

Emma stand auf und ging zum Ausgang. „Ich ruf morgen an.. wegen dem Flug und so,“ sie öffnete die Tür zum Flur hinaus und prallte erstaunt zurück, als sie fast Xander umrannte, der auf der Türschwelle stand, mit ausgestreckter Hand zum Türknauf. Er wirkte nicht minder überrascht.
 

„Hey.. hi Emma... haltet ihr gerade so was ähnliches wie ein Jägerinnen Pow Wow ab?“, er grinste und trat zur Seite, damit die junge Jägerin das Zimmer verlassen konnte.
 

„So ähnlich, ja“ grinste das Mädchen zurück, winkte Buffy zum Abschied zu und verschwand durch den Hinterausgang ins Freie.
 

„Hey.. Xander.. willst du deiner Freundin etwas Gesellschaft bei ihrer armseligen Arbeit leisten?“
 

„Nun.. eigentlich wollte ich nur mal schnell vorbei schauen und hallo sagen. Armselig?“
 

„Armselig,“ bestätigte Buffy mit einer Grabesstimme. „Die meiste Zeit sitze ich hier rum, spitze Bleistifte,“ sie zeigte zu einem Plastikbecher, in dem gut zwei Dutzend angespitzte Bleistifte steckten. „Nehme Anrufe entgegen, mache Notizen für Giles oder faxe irgendeinem Wächter Informationen zu.“
 

„Ich dachte du hast eine beratende Stelle?“
 

„Nun, die Jägerinnen, die Probleme haben und hier anrufen, kann ich an einer Hand abzählen. Meist sind es Wächter,“ grinste Buffy. „Die Probleme mit ihren Jägerinnen haben. Soweit ich kann helfe ich mit ein paar Tipps aus...“
 

„Ich schätze zu Gunsten der Jägerinnen?“
 

„Betriebsgeheimnis,“ feixte Buffy weiter und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Aber ich kann mich nicht wirklich beklagen, schließlich bekomme ich dafür Geld, dass ich im Sicheren, Warmen sitze, anstatt in einer rauchigen Spelunke Bier und Pizzen serviere. Und ich kann endlich ohne schlechtes Gewissen einkaufen gehen.“
 

„Kling doch gut,“ Xander sah auf die Uhr.
 

„Findest du nicht, dass mich der Job um einige Schritte nach hinten wirft?“
 

„Wie meinst du das?“
 

„Ich habe in den letzten zwei Jahren gelernt, was es heißt selbständig zu sein. Auf eigenen Füssen zu stehen. Und zwar auf eine unangenehme brutale Art und Weise – Giles ging und ließ mich im kalten Wasser alleine schwimmen. Ich wäre fast darinnen ertrunken, wenn ich dich erinnern darf. Meine beste Freundin wurde zu einem rachsüchtigen Wesen, das die Welt zerstören wollte, meine Schwester war zu einer kleinen Diebin avanciert und ich glaubte mir etwas beweisen zu müssen, in dem ich mit dem Feind ins Bett...“
 

„Stop... die Vorstellung reicht mir schon...,“ unterbrach Xander.
 

„Aber siehst du auf was ich raus möchte? Und im letzten Jahr war es nicht besser.. obwohl Giles da war, schien es so, als würde mich alles überfordern. Trotzdem gelang es uns zweimal das Böse abzuwenden...“
 

„Aber das hat doch nichts damit zu tun, ob Giles da ist oder nicht? Du bist schon immer mit allem fertig geworden. Dir fehlt nur ein wenig das Selbstvertrauen. Das Giles hier ist und du für ihn arbeitest ist doch kein Rückschritt? Sei froh, dass du noch immer jemanden hast, der älter und weiser ist als du. Willow und ich haben seit dem Anruf ein paar Tage vor der Zerstörung Sunnydales, nichts mehr von unseren Eltern gehört. Alles was wir wissen, ist, dass sie Sunnydale rechtzeitig verließen. Wir haben niemanden, zu dem wir gehen können, um um Rat zu fragen oder Hilfe zu erbeten. Es ist doch nichts falsches daran zu zugeben, dass man hin und wieder jemanden braucht, der etwas besser kann als man es selbst könnte?“
 

Buffy sah Xander nachdenklich an. Wahrscheinlich hatte er recht...
 

„Schau mich nicht so zweifelnd an. Du weißt, dass ich recht habe...,“ Xander blickte erneut auf seine Uhr. Als er zurück zu Buffy sah, ihren fragenden Blick bemerkte, grinste er verlegen. „Ich werde in ein paar Minuten von Eve.. eh ...abgeholt...“
 

„Eve?“, Buffy zog ihre Augenbrauen in die Höhe. Sie war froh vom Thema abgelenkt zu werden. „Gibt es etwas das ich wissen sollte?“
 

Xander lächelte weiterhin verlegen und setzte sich auf die Tischkante von Giles Schreibtisch.
 

„Nicht wirklich. Außer - sie ist meine Chefin und scheint sehr interessiert an mir zu sein,“ er seufzte leise.
 

„Du siehst nicht gerade sehr glücklich darüber aus?“, Buffy taxierte Xander nachdenklich. „Sie ist doch nicht wieder irgendwie dämonisch?“
 

„Nicht das ich wüsste,“ mit einem schlechten Gefühl im Magen dachte er daran zurück, was er vor zwei Wochen dank dem magischen Auge über Eve gesehen hatte... dieser Kampf mit Faith.. er war sehr beängstigend gewesen und er wusste nicht, was er davon halten sollte.
 

„Aber sie holt dich ab?“, Buffy grinste breiter.
 

„Ja, nichts besonderes, nur ein Essen.. im Blue Rider.“
 

„Ach so,“ sagte Buffy gespielt ernst und grinste dann. Xander sah betrübt an ihr vorbei und Buffys Gesicht wurde schlagartig ernster.
 

„Okay.. ich weiß ja, dass ich im Moment der zu bedauernste Mensch auf dieser Welt bin.. es ist nicht einfach Giles Sekretärin zu spielen, auch wenn er es Beraterin und Ausbilderin nennt....,“ sie machte ein mitleiderregendes Gesicht. „Aber dein Gesichtsausdruck verrät mir, dass du mich um Längen schlägst.. was ist los?“
 

Xander atmete laut durch und wandte seinen Blick zu Buffy. „Vieles.. oder nichts. Eigentlich sind es Dinge, über denen ich stehen sollte... aber zum einen habe ich das Gefühl das mich viele Kollegen nicht wirklich akzeptieren und glauben, ich hätte die Stelle nur bekommen, weil Eve interessiert ist. Sie lästern und tuscheln, wenn ich an ihnen vorbeigehe. Das ist fast wie damals an der Sunnydale High,“ seufzte Xander. „Und obendrein hatten Andrew und ich eine.... nun nennen wir es einfach mal eine Meinungsverschiedenheit.... aber es hat gereicht, dass er ausgezogen ist und ich weiß nicht einmal, wohin. Noch ob es ihm gut geht.. oder ob er unter der nächsten Brücke schläft. Was in Cleveland keine gesunde Alternative zu einer Wohnung ist.“
 

"Oh... das wusste ich noch gar nicht..“ kurz erinnerte sich Buffy, Andrew beim Packen seiner Sachen gesehen zu haben, doch sie hatte ihm keine Beachtung geschenkt. An jenem Tag wollte sie nur Xander sprechen und ihm ihre Meinung über das magische Auge sagen... dabei hatte sie Andrew also beim Auszug erwischt, ohne verstanden zu haben, was da eigentlich vor sich ging.
 

"Mach dir keine Sorgen,“ Buffy lehnte sich wieder nach vorne und legte Xander beruhigend und freundschaftlich eine Hand aufs Knie. "Dawn hat die letzten Tage wieder mit ihm telefoniert, und nichts davon erwähnt, dass er Hilfe braucht, also muss es ihm wohl einigermaßen gut gehen. Er kommt zurecht. Ganz bestimmt. Du kannst nicht ewig für ihn den großen Bruder spielen. Außerdem, wer mit Jonathan und Warren unter einem Dach wohnen konnte, wird das Leben schon meistern...“
 

Bei ihren letzten Worten verdüsterte sich Xander's Miene noch weiter. "Genau das ist ja das Problem," murmelte er, und Buffy blickte ihn verständnislos an. "Was meinst du damit?"
 

Er holte tief Luft. "Ich erzähl' dir das jetzt sicher nicht, um Andrew anzuschwärzen. Aber es muss sein, weil wir uns überlegen sollten, inwieweit wir ihm noch trauen können..." Buffy's Miene wurde zusehends verwirrter, und hastig fuhr er fort: "Nun, ich weiß, dass die Sache mit dem Auge ein Fehler war, aber ich kann die Dinge, die ich dadurch erfahren habe, auch nicht einfach so ignorieren. Und über Andrew habe ich etwas sehr Schlimmes erfahren..."
 

"Etwas Schlimmes?" Die Augen der Jägerin weiteten sich erschrocken. "Was meinst du damit?"
 

"Nun ja..." Einen Augenblick schwieg Xander, er wusste nicht so ganz, wie er es formulieren sollte, ohne Buffy zu schockieren. "Er... trifft sich... heimlich mit Warren!"
 

"Du hast das nicht gewusst?" fragte Buffy entgeistert.
 

"Du hast es gewusst?" fragte Xander ebenso entgeistert zurück.
 

"Na ja..." sie zuckte mit den Schultern. "Er hat's mir nicht unbedingt auf die Nase gebunden, aber es war doch eigentlich... ziemlich offensichtlich."
 

Xander verstand die Welt nicht mehr. "Du hast es tatsächlich gewusst, und nichts unternommen? Der Kerl hat Tara umgebracht, und beinahe auch dich! Ist dir das einfach so egal?"
 

"Du weißt genau, dass das nicht stimmt," entgegnete sie entschieden, und er merkte ihrem Tonfall an, dass diese Unterstellung verletzend gewesen war. "Aber was soll ich denn deiner Meinung nach unternehmen? Andrew einen Vortrag darüber halten, dass wir die Guten sind, und nicht mit bösen Jungs... uhm... Star Trek gucken? Wie überzeugend ist das wohl, wenn es ausgerechnet von mir kommt?"
 

Fast wäre Xander eine zynische Bemerkung rausgerutscht, doch er schluckte sie rechtzeitig hinunter. Er wollte jetzt nicht mit Buffy streiten, und am allerwenigsten wollte er die alten Debatten über Angel und Spike wieder herauskramen. Das würde nur böses Blut geben.
 

Verlegen blickte er zur Seite. Eigentlich hatte er überhaupt nicht von der Sache mit Andrew anfangen wollen, aber er konnte auch nicht verhindern, dass es ihm die ganze Zeit im Kopf herumging. War am Ende Andrew derjenige, den Larr mit seiner zweideutigen Bemerkung gemeint hatte?
 

'Einer aus eurem Team spielt nicht mit offenen Karten... er hintergeht euch...'
 

Ein Hupen vor dem Haus, das gedämpft zu ihnen nach hinten durchdrang, ließ Xander zusammenfahren. "Oh.. das muss Eve sein. Ich muss dann wohl los... und entschuldige bitte,“ sagte Xander mit einem warmen Lächeln. "Ich wollte wirklich nur 'hallo' sagen und dir nicht die Ohren volljammern.“ Er sah nicht sehr von Buffy's Worten überzeugt aus, als er ging, aber sie hoffte, dass sie ihm wenigstens etwas Mut zugesprochen hatte. Was sicher nichts an seinen Grübeleien ändern würde.
 

++++
 

Garten / Vor dem Wächterhaus

Ein paar Minuten später

Ein leichter Windhauch strich über Faith’ Haut, die von Schweißperlen übersäht war. Sie schlug ihr Bein hoch, traf dabei Robin’s Arm, der mit einem Schaumstoffpolster geschützt war, und schrie dabei auf. Robin fasste nach ihrem Fuß, ergriff ihn und schleuderte sie einige Meter zurück.
 

„Was war denn DAS? Solls das gewesen sein?“ schrie Robin, wich einem weiteren Schlag aus, sprang zurück, griff nach einem Messer, welches neben den Waffen auf dem Tisch lag, und schleuderte es in Faith’ Richtung. Diese machte eine Rolle nach rechts, starrte kurz geschockt das Messer an, welches nun in der Wand steckte, sprang auf, und lief auf Robin zu.
 

Diesem verging sein Lächeln, als er plötzlich von Faith gepackt und auf dem Boden geschleudert wurde. Sie stand über ihm, atmete heftig, und sah ihn wütend an.
 

„Spinnst du?“ schrie sie ihn an, während sie nach einem Handtuch griff, um sich damit das Gesicht zu trocknen.
 

Robin stand langsam wieder auf, nahm sich ebenfalls ein Handtuch, und schien zu überlegen, was er ihr antworten sollte.
 

„Was ist los mit dir? Du bist unkonzentriert und aggressiv.. du denkst nicht nach.“ Sagte er zu ihr, legte des Handtuch wieder zur Seite, und drehte sich von ihr weg.
 

„Faith, ich weiß, dass du den Tod von Vi noch immer nicht verarbeitet hast. Wie auch? Keiner von uns hat das.. aber du musst schauen, dass du dich bei den Kämpfen mehr konzentrierst.. es geht dabei um dein eigenes Leben..“ Robin drehte sich wieder um und sah sie besorgt an. Faith wirkte abwesend, und nahm dann eine abwehrende Haltung an.
 

“Du musst es ja wissen… gerade du, der mehr als 20 Jahre nach dem Tod seiner Mutter Spike nur aus eigennützigen Gründen fast umgebracht hätte..“ schnauzte sie zurück, warf das Handtuch auf den Tisch und sah ihn herausfordernd an.
 

„Faith.. was fällt dir eigentlich ein.. !“ schrie Robin, nicht fassend, was die Jägerin gerade von sich gegeben hatte. Spike hatte Nikki getötet, und Nikki war nicht nur irgendeine Jägerin gewesen, sondern seine Mutter. Klar, Spike hatte viel gutes getan, er hat sich für sie alle geopfert. Aber würde er dasselbe noch einmal machen, wenn er erneut die Chance dafür bekäme? Wahrscheinlich schon.
 

„Ach, vergiss es!“ schrie Faith, verfluchte ihren Wächter und Liebhaber innerlich mit allen möglichen Schimpfwörtern, und ging wütend Richtung Strasse davon. Sie musste hier raus, einfach nur raus. Vielleicht sollte sie mal bei Kennedy vorbei schauen? Hmm.. vielleicht.
 

Faith trat aus dem hinteren Garten, ging an dem großen Haus vorbei, welches die Wächterzentrale von Cleveland und den USA war, und trat auf die Auffahrt der Garage. Ungläubig und geschockt blieb die dunkelhaarige Jägerin stehen, als aus einem parkenden Wagen eine blonde Frau ausstieg und auf Xander zu ging.
 

„Hallo Eve!“ begrüßte Xander die junge Frau und streckte ihr mit einem Lächeln und einem guten Gewissen die Hand entgegen. Er wusste, dass er sie nun wieder berühren konnte, ohne irgendwelche Dinge aus ihre Vergangenheit „zu sehen.“
 

„Eve?“ flüsterte Faith ungläubig. „Wie… was.. ich versteh das nicht…EVE?“ Faith konnte es nicht glauben, als sie die Frau erkannte. Da stand Eve vor ihr. Eve aus Silent Hill. Eve aus ihrem Traum. Eve der Dämon, der Racheengel. Eve, die angedroht hatte, alle ihre Freunde zu töten.
 

Faith’ Blick verdunkelte sich, und ihr Hände wurden zu Fäusten, als sie los lief, Eve ansprang und ihr mit der rechten Faust ins Gesicht schlug. Eve schrie panisch auf, stolperte nach hinten, und schlug hart auf dem kalten Betonboden auf. Zitternd fasste die blonde Frau nach ihrer blutenden Nase.
 

„FAITH! WAS SOLL DAS?!“ schrie Xander, sprang vor, und wollte Faith zurück reißen, doch ohne Erfolg. Faith schüttelte ihn ohne Anstrengungen ab, hob Eve wieder vom Boden auf und schleuderte sie gegen die Hauswand.
 

„FAITH HÖR AUF!“ schrie Xander wieder, stellte sich abwährend vor seine blonde Begleiterin und sah Faith bestimmend an.
 

„Hör sofort auf.. oder..“
 

„Oder was?“ antwortete Faith und funkelte ihn böse an. „Ich kenne sie. Sie hat mich beinahe umgebracht. Sie ist ein Dämon. Sie muss sterben!“ fauchte sie aggressiv und wollte Xander aus dem Weg stoßen, als sie plötzlich eine Hand spürte, die sich auf ihre Schulter legte.
 

„Faith.. beruhig dich..“ sagte Ronah, die hinter ihr stand, und Eve geschockt anstarrte. „Sie sieht sehr.. menschlich aus. Denkst du nicht, dass sie sich schon längst.. verwandelt hätte, wenn sie ein Dämon wäre?“
 

Faith drehte sich um und sah Ronah verwirrt an, während Xander Eve aufhalf, der neben dem Blut nun auch Tränen vom Gesicht liefen.
 

„Du kennst sie doch. Sie .. hat dich umgebracht.. in Silent Hill..“ flüsterte Faith verwirrt und sah Ronah an.
 

Ronah musterte Eve, erkannte dabei die Frau, die in Silent Hill zuerst den kleinen Jungen vor ihr und dann sie selbst umgebracht hatte, merkte aber auch, dass irgendwas mit ihr nicht stimme. Irgendetwas fehlte. War es der wahnsinnige Ausdruck in den Augen der Silent Hill Eve? Oder war es einfach der leidende Blick, mit dem diese Eve gerade fassungslos auf den Boden starrte, der sie von der Eve aus Silent Hill unterschied.
 

„Faith.. komm mit. Wir sollten einige Nachforschungen anstellen..“ sagte Ronah, und legte dabei wieder ihre Hand auf Faith’ Schultern. Diese sah sich verwirrt um, musterte Eve noch einmal und wanderte dann mit ihrem Blick zu Ronah.
 

Eve schluchzte, schien langsam wieder zur Besinnung zu kommen, als Faith Ronah’s Hand abschüttelte, sich umdrehte, und vom Wächterhaus Richtung Erie-See lief. Ronah und Xander sahen ihr besorgt nach, wendeten sich dann jedoch Eve zu, um ihr zu helfen.
 

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Universität, Wohnheim

Am Abend, etwas später

Willow sah von ihren Büchern auf, als energisch gegen ihre Zimmertür geklopft wurde. Sie klappte das Buch leicht genervt zusammen, setzte sich auf, und stand vom Bett auf. „Ich komm ja schon!“ schrie sie ungehalten, als sie das Buch noch schnell auf dem Schreibtisch ablegte, zur Tür ging, und endlich öffnete.
 

Ein überraschtes „Oh.. hi!“ entkam ihr, als eine völlig aufgelöste Faith an ihr vorbei stürmte, mitten in den Raum lief, sich kurz verwirrt umsah, und sich dann wieder zu ihr drehte.
 

“Willow, ich brauche deine Hilfe..“, sagte Faith und sah die Hexe ziemlich durcheinander an.
 

Willow runzelte besorgt die Stirn. Sie vergaß beim Anblick von Faith, dass die Störung sehr ungelegen kam. Was war nur geschehen, dass eine aufgelöste Faith auf ihrer Türschwelle stand und sie um Hilfe bat?

Seit dem Tod von Vi schien Faith auf jeden Fall immer mehr die Nerven zu verlieren, ganz davon abgesehen, dass ihre Reizgrenze im Gegensatz zu ihrer Aggressivität deutlich gefallen war.
 

Willow schloss die Tür leise. “Also gut, beruhig dich bitte erst einmal. Was ist passiert? Wie kann ich dir helfen?“
 

Willow trat an Faith vorbei, schob die Balkontür leise zu, und setzte sich dann auf ihr Bett. Faith war viel zu aufgeregt, um sich jetzt nieder zu setzen, stattdessen lief sie in dem Raum auf und ab.
 

„Na ja, es ist so.. ich fürchte ich brauche deine Hilfe als.. Hüterin? Oder einfach als Hexe? Ist auch egal.. aber.. da du mir damals bei der Lagerhalle helfen konntest, denke ich, kann ich dir wirklich vertrauen.. oder?“ Faith blieb abrupt stehen und starrte Willow fragend an.
 

„Ähm..“ Willow war von der Frage total überrumpelt. Natürlich konnte Faith ihr vertrauen. Was sollte diese Frage? Obwohl.. was wenn Faith jemanden.. nein, das hat sie sicherlich nicht gemacht, so was darfst du nicht mal denken, Willow!
 

„Natürlich kannst du mir vertrauen..“ antwortete die Hüterin und sah Faith weiterhin besorgt an. Sie wird doch nicht...? WILLOW!
 

Faith nickte, murmelte ein „Gut“ und begann wieder hektisch auf und ab zu laufen.

„Also.. ich hab .. in letzter Zeit eine Menge Träume. Ich hab mit Buffy gesprochen, und sie meinte, dass Jägerinnen visionäre Träume haben.. ähm.. wie auch immer. In diesen fallen schlussendlich immer vier dämonische Reiter über die Welt her.. und na ja..“
 

Willow unterbrach Faith’s Redeschwall. Redete Faith hier von dem gleichen Traum, den auch Dawn hatte? War das möglich? Konnten Jägerinnen den sinngemäß gleichen Traum haben? War das möglich? Sie musste unbedingt mit Dawn reden, es wurde einfach zu riskant, die Sache weiter geheim zu halten.
 

„Faith, warte einen Moment.. wenn du visionäre Träume hast, die irgendetwas mit einer neuen Apokalypse oder ähnlichem zu tun haben, solltest du das mit Giles, Lily und Robin besprechen, die können dir da sicher viel eher weiter helfen..“
 

Faith blieb wieder stehen, sah Willow an, als hätte sie sie aus einem Traum gerissen.
 

„Nein, Willow, es geht nicht um diese.. Träume. Ich.. ich hab das mit B. schon besprochen, wir werden damit schon zu Giles gehen, sobald etwas Zeit ist, es geht hier eher um einen anderen Traum.. den ich vor kurzem hatte..“ Faith begann wieder hin und her zu laufen.
 

„Was hast du gesehen?“ Willow stand auf und ging langsam auf ihr Bücherregal zu.
 

„Zuerst hab ich Vi gesehen.. sie.. sie hat sich.. selbst umgebracht.. in meinem Traum..“ Faith sah Willow an, die mitten im Weg stehen geblieben war, und sich entsetzt umgedreht hatte.
 

„Und dann sah ich Eve.. und sie hat mich verspottet.. hat mir erzählt, das wir alle sterben würden, und es meine Schuld sei..“
 

„Eve? Xanders Eve?“ ungläubig ging Willow einige Schritte auf die Jägerin zu.
 

“Ja! Nein.. ja.. keine Ahnung. Darum bin ich hier. Ich hab damals in Silent Hill eine Eve getroffen, die haargenau aussah wie Xanders kleine Schlampe, aber sie war ein Dämon, und hat uns beinahe alle umgebracht. Als ich ihr heute begegnet bin, und sie geschlagen habe, fühlte sie sich aber an wie ein normaler Mensch“
 

„Du hast Eve geschlagen? Oh Gott, wie geht es ihr?“
 

„Sie lebt noch, den Rest kann ich dir nicht sagen..“ Willow sah Faith geschockt an, woraufhin diese wieder einmal stehen blieb, und auf Willows Reaktion verwirrt reagierte.
 

„Ich hab ihr wenigstens nicht die Haut abgezogen!“ sagte Faith, als sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Was hätte sie schon machen sollen? Diese Frau ist ein Monster, oder war ein Monster, oder was auch immer. Sie hatte keine Ahnung.
 

"Okay, Punkt für dich!" sagte Willow, ging wieder auf die Balkontür zu, und schob sie leicht auf. Eine frische Briese wehte ihr entgegen, und Willow atmete tief ein. Früher hätte sie sich viel mehr Gedanken über einen kleinen Kommentar von Faith gemacht, und wieder einmal an sich selbst gezweifelt. Doch zum einen hatte Faith ja recht, und zum anderen wusste Willow, dass sie es geschafft hatte, diesen Teil ihrer Vergangenheit abzulegen.

Als sie Faith’ Blick in ihrem Rücken spürte, wandte Willow sich wieder der Jägerin zu.
 

„Und wobei soll ich dir nun helfen?“
 

„Die ganze Sache in Silent Hill und somit auch die Eve in Silent Hill wurden von diesen zwei sonderbaren Magiern erzeugt, ich muss mit ihnen sprechen. Ich hab keine Lust mehr auf ihre kranken Spiele, und ich tippe darauf, dass Eve ein weiteres davon ist. Aber ich muss mir da erst sicher sein. Du musst mir helfen..“ Faith blieb wieder stehen, sah Willow kurz verzweifelt an, und gab sich dann einen Ruck. „Bitte, Willow.“
 

„Okay, die zwei Magier aus Silent Hill. Ich werde Robin’s Bericht durch gehen, und schauen, was ich über sie finden kann..“ Willow schloss die Balkontür wieder und trat einen weiteren Schritt auf Faith zu. „.. aber ich kann dir nichts garantieren. Ich wüsste im Moment nicht einmal wo ich ansetzen soll. Und ehm... ich hab jetzt noch einige wichtige Dinge zu erledigen, aber danach werde ich mich darum kümmern.“
 

Willow lächelte Faith freundlich an, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie Faith zur Zeit wirklich ernst nehmen konnte. War Xanders Freundin eine Dämonin? War sie eine kranke Erfindung von zwei verrückten Magiern, nur, um Faith zu ärgern? Drehte Faith womöglich gar durch? Zeigte die Jägerin erste Anzeichen des Stresssyndroms?
 

„Okay.. danke!“ sagte Faith, nickte der jungen, rothaarigen Frau zum Abschied noch zu, und war so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.
 

++++
 

Eve’s Wagen

zur selben Zeit

Eve saß bereits hinter dem Steuer und kramte aufgelöst im Handschuhfach nach einem Kleenex als Xander dazu kam, und sich vorsichtig neben sie setzte. Ohne ein Wort schob er ihre Hand beiseite und zog eins der weißen Tücher hervor, das er ihr mit einem bedauernden Blick reichte. Ihre linke Hand hielt sich die blutende Nase und ein rotblauer Streifen oberhalb der Nasenwurzel ließ darauf schließen, dass vielleicht sogar etwas gebrochen war.
 

„Lass mal sehen.“ Flüsterte er beruhigend und versuchte ihr die Hand vom Gesicht zu lösen, was sie, mit etwas Widerwillen, dann auch geschehen ließ. Der obere Bereich war bereits angeschwollen und noch immer tropfte dunkelrotes Blut hinunter, traf auf ihre Lippen und lief weiter über ihr Kinn, vermischten sich dort mit den einzelnen Tränen die aus ihren Augen tropften und weiter ihren Weg nach unten suchten.
 

Ganz behutsam wischte er die Flüssigkeit von ihrem Hals. Wanderte weiter nach oben bis zur Oberlippe und streichelte mit der anderen Hand beruhigend ihre Schulter. Er spürte wie sich ihr Atem langsam beruhigte, und nachdem es endlich aufhörte zu bluten, nahm er ein neues Tuch aus dem Fach, um die Reste zu entfernen. „Sieht doch gar nicht so schlimm aus.“ Log er und musterte die Nase, die, nun vom Blut befreit, rötlichblau im Tageslicht glänzte.
 

„Bring mich nach Hause.“ Stöhnte sie heiser und Xander konnte nur nicken. Wieder einmal war das Essen nicht zustande gekommen...
 

Nachdem sie die Plätze getauscht hatten und er den Wagen gestartet hatte, traute sich Eve das erste mal vorsichtig in den kleinen Spiegel der Sonnenblende zu schauen, doch klappte sie ihn erschrocken wieder nach oben nachdem sie sekundenlang ihr Gesicht gesehen hatte.
 

„Weißt du, Faith hat vor kurzem erst eine gute Freundin verloren …“ Okay, die Erklärung war lahm, schimpfte er sich selber und konzentrierte sich besser auf den Verkehr, denn er spürte auch so Eves vorwurfsvollen Blick auf ihm ruhen.
 

Ihre Unterlippe zitterte gewaltig und er befürchtete, dass sie gleich wieder in Tränen ausbrechen würde… „ Warum hat sie das getan? Was hat sie gemeint, als sie sagte ich wäre ein Dämon und müsse sterben?“ So langsam schien sie ihre Fassung wiederzuerlangen, denn er hörte, wie ihre Stimme, die zunächst sehr zittrig war, sich wieder festigte.
 

„Wird sie wieder versuchen mich umzubringen, ich meine …“
 

„Nein, wird sie nicht, das verspreche ich dir.“ Hörte sich Xander selber reden, doch nur um sich selber damit zu beruhigen. „Sie ist in letzter Zeit … etwas angespannt, aber sie wird dir nichts mehr antun Eve. Das war sicher eine Verwechselung. Ich werde das alles klären, glaub mir. “
 

Der Blick, dem sie ihm zuwarf, war voller Skepsis und er hoffte inständig, dass sie ihm glauben würde.
 

„Eine Verwechselung? Mit einem Dämonen? Ist das so etwas wie damals in der Firma?“
 

Sie hatten nie wieder über den Vorfall gesprochen und Xander war auch erleichtert gewesen keine Erklärung mehr dafür abgeben zu müssen, aber er hatte auch nicht ernsthaft geglaubt, dass sie es einfach so verdrängt haben konnte.
 

Zähneknirschend nickte er und trat auf die Bremse, als die Ampel vor ihm auf rot wechselte.
 

„Ich bin kein Dämon!“ Schluchzte sie erneut auf und griff nach seinem Unterarm, der auf dem Lenkrad abgestützt war. „Xander, du weißt, dass ich…“ Er sah in ihre nassen Augen mit dem dunkel verlaufenen Mascara, auf die geschwollene Nase, die das ansonsten perfekte Gesicht verunstaltete, die zitternde Unterlippe und das noch vom Blut bräunlich gefärbte Kinn.
 

Wie in Zeitlupe griff er ihr in den Nacken, zog ihr Gesicht ein Stück näher an sich heran. Und er war sich nicht sicher ob er das wollte, was nun unzweifellos kommen würde. Aber es war die einzige Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen und ihn vor weiteren unangenehmen Fragen zu bewahren
 

Ihre Hände griffen nach seinen Schultern, krallen sich hinein, drängte sich ihm entgegen und wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an den jungen Mann neben ihr.
 

Das ist ein Fehler, schoss es ihm noch durch den Kopf, aber das schaltete sein Verstand kurzerhand ab und er presste seine Lippen auf die ihren bis ein einsetzendes Hupkonzert von hinten ihn wieder in die Realität zurückbrachte …
 

++++
 

Wohnheim

in der Nacht

“Ich komm ja schon!“
 

Ein weiteres Klopfen riss Willow aus ihrer Arbeit. Seufzend speicherte sie die ersten Powerpoint Folien für ihr Referat auf dem PC ab, und ging zur Tür. Ob Faith noch etwas eingefallen war? Oder vielleicht war Dawn endlich zu einer Entscheidung gekommen.
 

“Bist du grad im Stress?“ wollte ein reichlich geknickter Xander von ihr wissen. Am liebsten hätte sie einfach ’ja’ gesagt, und ihm die Tür wieder vor der Nase zugeknallt, aber das wäre wohl ziemlich unfair gewesen. Seinem Gesicht nach wollte er sich wohl bei ihr entschuldigen, und ihre Dienste als Seelentrösterin in Anspruch nehmen.
 

“Bevor du dein Donnerwetter über mich hereinbrechen lässt, hör’ mir kurz zu,“ bat Xander. “Du hattest mit allem recht, und ich war ein Trottel. Ich wollte nur, dass du es weißt.“
 

Seine Offenheit entlockte ihr zwar ein Lächeln, aber es änderte nichts daran, dass sie sich immer noch verletzt fühlte. Bei ihrem Streit hatte er ihr einiges an den Kopf geworfen, selbst wenn er das Meiste davon sicher nicht so gemeint hatte. Die Anspannung unter der er durch seine Visionen gestanden haben musste, hatte wohl einiges zu seinem Ausbruch beigetragen.
 

Aber es war das erste Mal gewesen, dass er ihr Vorwürfe gemacht hatte. Wirkliche Vorwürfe. Vorwürfe wegen damals.
 

Sie schluckte den Gedanken daran hinunter, und bat ihn herein. “Geht es Eve gut?“ erkundigte sie sich. “Faith war vorhin hier, sie hat mir von der ganzen Sache erzählt.“
 

“Ja, es geht ihr gut.“ Er überlegte, ob er Willow Genaueres erzählen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Falls sich herausstellte, dass Eve wirklich ein feindlicher Dämon war, würde es alles nur um so schwerer machen. “Sie ist okay, und wir müssen auch keine Angst wegen einer Anzeige haben. Aber ich weiß immer noch nicht, wer sie in Wirklichkeit ist. Könntest du mir da weiterhelfen?“
 

“Ihre Daten hab’ ich bereits überprüft, scheint alles normal zu sein.“ Willow hob einen Stapel Seminarreader von ihrem Stuhl, damit Xander sich setzen konnte. “Sie ist hier in Cleveland zur Schule gegangen, hat dann auf irgendeiner Uni ihren Abschluss gemacht, und ist wieder hierher zurückgekehrt, um für die Barker Cooperation zu arbeiten.“
 

Ein paar Dinge mehr waren es schon gewesen, aber es wäre wohl nicht richtig gewesen, darüber zu reden. Eine kurze Ehe, ein Studienfachwechsel, das waren eigentlich ganz private Dinge, die weder Xander noch sie selbst etwas angingen. Und sie hatten wohl auch nichts mit der Frage zu tun, ob Eve ein Dämon war.
 

“Ihre Daten mein’ ich gar nicht.“ Xander hockte sich auf den Stuhl, während Willow wieder auf ihrem Bett Platz nahm, wo sie vor wenigen Minuten noch gearbeitet hatte. “Ich meine, es muss doch was anderes geben, was du tun kannst, etwas Magisches...“
 

“Ja, ich werd’ sehen, was ich tun kann,“ versicherte Willow, und erschrak wie genervt ihr Tonfall klang. Diese ganze Sache hatte sie heute schon mal mit Faith durchgekaut, hätte Faith Xander nicht Bescheid geben können? Warum musste sie allen alles immer doppelt und dreifach erklären, nur weil die Leute nicht miteinander redeten? Wenn Dawn endlich mit der Wahrheit rausrücken würde, wenn die Jägerinnen sich gegenseitig von ihren Träumen erzählen würden, dann wären sie alle schon viel weiter, und sie selbst würde nicht immer die Auffangstation für sämtliche Probleme sein.
 

“Das ist aber noch nicht alles,“ setzte Xander vorsichtig an. “Es gibt da noch ein paar mehr Sachen...“
 

Als hätte sie es geahnt. “Worum geht’s denn?“
 

“Dawn,“ begann er ohne Umschweife. “Ist sie wirklich eine Jägerin, und wenn ja, wie ist das möglich? Und warum wissen wir nichts davon? Oder ist’s wieder mal nur Xander, der Trottel, der nichts davon erfährt?“
 

Ohne es wirklich beabsichtigt zu haben, merkte Willow, wie ihre Augen in Richtung Uhr schielten. Wenn sie jetzt wirklich am Anfang begann, würde dies ein langes Gespräch werden, ein verdammt langes...
 

’Dawn,’ dachte sie verzweifelt, ’in was hast du mich da reingeritten?’
 

++++
 

Cleveland, Friedhof

zur selben Zeit

Die Nacht war noch immer kalt, aber der Luft fehlte es an eisiger Klarheit. Manche Büsche und Bäume bekamen die ersten Knospen und Buffy hielt den Frühling für nicht mehr all zu weit entfernt. Wirklich auskennen tat sich Buffy natürlich nicht, schließlich lebte sie den größten Teil ihres bisherigen Lebens in Kalifornien, wo es im Winter so kalt wurde, wie in Cleveland die Sommertage heiß waren. Aber laut Kalender war der Frühling seit ein paar Tagen in Cleveland eingezogen.
 

Die blonde Jägerin stieß das Tor zum Friedhof auf und setzte ihren Weg fort. Ihre Gedanken kreisten um den Traum in der Früh. Die Träume häuften sich, wurden länger, bedrohlicher und das zwei weitere Jägerinnen darin vorkamen beunruhigte sie. Giles war derselben Meinung gewesen.. aber wirklich deuten konnte er ihn noch immer nicht. Aber er war an etwas dran... viel hatte er ihr nicht verraten, aber ihr alter Wächter hatte den ganzen Tag über einen leicht abwesenden Gesichtsausdruck gehabt.. ein deutliches Zeichen, dass er eine vielversprechende Spur verfolgte. Und das war auch gut so. Langsam kamen Buffy nämlich Zweifel über diese Träume und Visionen... in die Richtung, dass sie sich fragte, ob sie überhaupt etwas zu bedeuten hatten.
 

Kies knirschte unter ihren Sohlen und Buffy wechselte auf den Rasenabschnitt neben dem Weg. So war es einfacher Geräusche in der Nacht zu bemerken und selbst unbemerkt zu bleiben. Der Weg war zwar beleuchtet, doch bis zum Rasenabschnitt gelangte das Licht nicht.
 

„Eigentlich sollte das hier ja jetzt ein Ende haben,“ murmelte Buffy und zog ihren Pflock hervor. „Jetzt, da man mich zum „Innendienst“ verurteilt hat.... aber.. nun ja,“ mit sorgenvoller Miene griff sich Buffy an ihre Hüften. „Bevor ich unnötigen Speck ansetze.. die Hose hat schon einmal besser gepasst....kann etwas Bewegung nie schaden...“
 

“RUMMS“
 

Sie verstummte und blieb abrupt stehen, als sie vor sich das laute, krachende Geräusch hörte. Doch für einen Moment blieb es völlig still um sie herum, ehe leisere, aber anhaltende Geräusche folgten, die einen Vampir, der sich aus seinem Grab grub, ausschlossen – zu laut, zu viele Geräusche und sie kamen ihr vertraut vor... Irgendjemand schien in ein Grab einzudringen...
 

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Wohnheim

Einige Minuten später

Xander hatte Willow kein einziges Mal unterbrochen, auch wenn die Verblüffung auf seinem Gesicht wuchs und wuchs, je länger Willow erzählte. Es war unfassbar! Hatte denn jeder aus ihrer kleinen Clique ein großes Geheimnis, das er vor den anderen verbergen wollte? Das war ja schlimmer als eine Dynasty Folge.
 

Der Dawnster – eine Jägerin. Sollte er sich für sie freuen, oder Angst um sie haben? Merkwürdigerweise fühlte er im Moment keines von beiden, eine seltsame Leere hatte von ihm Besitz ergriffen. Nicht, weil er wieder mal der Einzige ohne besondere Kräfte war, das nicht! Oder vielleicht doch? Hatte nicht gerade, die Tatsache, dass sie beide keine Superkräfte besaßen, ihn und Dawn zusammengeschmiedet?
 

Eine Verbindung, die jetzt gekappt worden war?
 

Und warum in aller Welt wollte Dawn nicht, dass die anderen es erfuhren? Weder Buffy noch Giles wussten Bescheid, und er selbst hätte es auch nicht wissen sollen. Wo lag Dawn’s Problem? Hatte sie Angst, ihr normales Leben aufgeben zu müssen, oder wollte sie sich vor der Verantwortung drücken? Vielleicht waren dies Fragen, die Dawn nicht einmal selbst beantworten konnte.
 

“Und was willst du nun tun?“ fragte Xander. “Dein Versprechen Dawn gegenüber halten, oder Buffy endlich die Wahrheit sagen?“
 

“Ich werde in den nächsten Tagen mit Dawn reden, und versuchen, sie zur Vernunft zu bringen.“ Müde schloss Willow für einen Moment die Augen, und lehnte sich gegen die Wand. Um diese Zeit hätte das dumme Referat eigentlich fertig sein sollen, und die Soziologie Hausaufgabe war auch noch nicht gemacht. Ganz zu schweigen davon, dass irgendwo weit entfernt, eine Jägerin gerade um ihr Leben kämpfte. Ihre verzweifelte Angst drang immer wieder zu Willow durch.
 

Und sie wusste nicht einmal, wo dieses Mädchen überhaupt war. Vermutlich auf einen anderen Kontinent...
 

“Ich hoffe, Dawn glaubt jetzt nicht, du hättest dein Versprechen gebrochen, und mit mir über sie geredet.“ Düster starrte Xander vor sich hin. Jetzt im Nachhinein wurde ihm erst richtig bewusst, was für ein Fluch dieses Auge gewesen war. Er konnte die Dinge nicht vergessen, die er gesehen hatte, immer wieder spukten sie ihm im Kopf herum. Dinge, die er nie hätte erfahren sollen...
 

“Es gibt da noch etwas, was ich dir sagen muss. Über Andrew.“ Er hob den Kopf, und sah den erschöpften Ausdruck auf Willow’s Gesicht. Egal, sie musste es erfahren. Sie war von der ganzen Sache genauso betroffen, wenn auch nur indirekt.
 

“Was ist denn diesmal passiert?“ fragte Willow. “Hat Warren irgendwas mit Andrew angestellt? Ihn zu Dummheiten überredet, oder sich wieder mit ihm geprügelt?“
 

Xander sprang hoch. “Du wusstest davon?“ Entsetzen machte sich auf seinem Gesicht breit. “Wieso weißt du davon? Weiß das denn jeder außer mir? Ich dachte, Andrew hätte uns alle angelogen, und jetzt erfahr’ ich nach und nach, dass ihr alle Bescheid wusstet!“
 

“Nicht alle,“ protestierte Willow, in einem halbherzigen Versuch ihn zu beruhigen. “Kennedy hat’s bis heute nicht gecheckt. Sie denkt immer noch, Andrew sei ein kleiner Junge, der nichts im Sinn hat, außer Comics.“
 

“Womit sie auch recht hat,“ brummte Xander. “Aber egal, wir sollten uns überlegen, was wir jetzt machen. Mit Andrew zu reden, hat wohl nicht viel Sinn, er ist so in seiner Abhängigkeit von diesem Kerl gefangen, dass er überhaupt nicht mehr klar denken kann. Es ist genau wie früher in Sunnydale...“
 

“Nein, das sicher nicht.“ Ihre Gedanken wanderten zu dem Tag zurück, als Andrew Warren angegriffen, und Kennedy das Leben gerettet hatte. “Andrew ist jetzt sehr viel reifer als damals, und kann seine eigenen Entscheidungen treffen. Ich denke nicht, dass wir uns in seine Freundschaften einmischen sollten.“ ’...und ich hab’ auch keine Nerven dafür’, fügte sie in Gedanken hinzu.
 

“Nicht einmischen?“ fragte Xander fassungslos. “Du willst das einfach so ignorieren? Was, wenn Warren wieder Rachepläne gegen uns schmiedet, und Andrew da mit reinzieht? Vielleicht benutzt er ihn ja, um uns auszuspionieren, hast du da dran schon mal gedacht?“
 

“Jetzt klingst du langsam paranoid,“ schnitt Willow Xander’s Redefluss ab. “Warren wird sich von uns fernhalten, er ist viel zu eingeschüchtert, um sich noch mal mit uns anzulegen.“ Wieder stieg das Bild von Kennedy’s Rettung vor ihrem geistigen Auge auf. “Abgesehen davon, dass Andrew das niemals zulassen würde. Wir sind... ich meine... ihr seid seine Freunde. Denkst du so schlecht von ihm, dass du glaubst, er würde das einfach vergessen? Das kannst du nicht ernst meinen!“
 

’Das letzte Mal, als er unter Warren’s Einfluss stand, hat er seinen besten Freund umgebracht,’ dachte Xander, doch er sprach es nicht aus. Willow’s Reaktion war ihm unbegreiflich. Gerade sie, sie war doch von diesem Bastard am meisten verletzt worden. Er hatte ihr ihre Liebste genommen, und ihr Leben zerstört, ihr das Schrecklichste angetan, was man einem Menschen überhaupt antun konnte. Und jetzt wollte sie nichts gegen ihn unternehmen?
 

“Denkst du denn, dass so was fair ist?“ fragte er sie. “Dass Unschuldige, wie Tara, und Vi sterben müssen, und so ein Mistkerl eine zweite Chance kriegt?“
 

Willow antwortete nicht sofort. Xander hatte sie an einem wunden Punkt erwischt, und das war ihm auch klar.
 

Sie hatte diese Gedanken bisher verdrängt, sie hatte eigentlich alles verdrängt, was mit Warren’s Rückkehr zu tun hatte, weil die Situation so schrecklich kompliziert war, und ihr Soll an komplizierten Situationen im Moment wirklich mehr als erfüllt war. Sich jetzt über Warren den Kopf zu zerbrechen, hieße, ein Fass ohne Boden zu öffnen, denn diese Gedanken riefen eine Flut von Gefühlen hervor, die alles in ihrer Seele auf den Kopf stellten. Sie dachte an Tara, die ihr so grausam entrissen worden war, und wünschte dem Kerl die Pest an den Hals, sie dachte an das, was sie ihm angetan hatte, und spürte, wie die Schuld in ihr brannte. Und schließlich dachte sie an Andrew, der so sehr unter dem Verlust seines Freundes gelitten hatte, und daran, dass der Schmerz wie eine Lawine war, die immer neue Opfer forderte. Warren hatte Tara getötet, sie selbst hatte Warren getötet, um Tara zu rächen, und Andrew hatte Jonathan getötet, um Warren zurückzubekommen.
 

“Nein, es ist nicht fair,“ hörte sie sich selbst sagen. “Wenn die Welt fair wäre, dann müsste überhaupt niemand sterben, aber so ist sie eben nicht, und ich kann es nicht ändern. Ich muss mich auf die Dinge konzentrieren, die ich ändern kann, und damit hab’ ich schon mehr als genug zu tun...“
 

“Du hättest etwas ändern können,“ sagte Xander düster. “Du hättest Warren in die ewigen Jagdgründe zurückschicken können, gleich nachdem er hier wieder aufgekreuzt ist. Er ist als Dämon zurückgekommen, du hättest es tun können, ohne hinterher ein schlechtes Gewissen zu haben. Und wir hätten jetzt ein Problem weniger!“
 

“Wie kannst du nur so kalt sein?“ fragte Willow bestürzt. Xander’s Verhalten erinnerte sie in erschreckender Weise an ihr eigenes, als sie unter dem Einfluss der schwarzen Magie stand. “Denkst du überhaupt nicht an Andrew? Sind dir seine Gefühle vollkommen egal?“
 

Xander starrte die Wand an. Also war Andrew der Grund gewesen, warum Willow Warren diesmal verschont hatte. Vermutlich hatte er eine große Show abgezogen, und ihr was vorgeheult...
 

Bei Andrew funktionierte so was vielleicht. Oder bei Willow. Buffy war es damals egal gewesen, sie war losgezogen, um Anya zu töten, und sie hatte auf sein Flehen keine Rücksicht genommen. Er hatte hilflos daneben stehen, und zusehen müssen, wie sich eine seiner besten Freundinnen, und die Frau, die er liebte, ein tödliches Duell lieferten.
 

Und Anya war menschlich geworden. War menschlich geworden, nur um von einem Schwert durchbohrt zu werden.
 

Und er hatte sie verloren...
 

---
 

Willow saß noch lange Zeit schweigend da, nachdem Xander gegangen war, und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es war zu viel gewesen, was heute auf sie eingeströmt war, und trotzdem, sie musste es jetzt verdrängen, um endlich ihr Referat fertig machen zu können. Sie konnte morgen schließlich nicht zu ihrer Dozentin gehen, und ihr etwas von Hüterinnenproblemen erzählen.
 

Sie benutzte eine Meditationstechnik, um den Kopf wieder einigermaßen frei zu kriegen, und wandte sich dann ihrem Notebook zu. Sie war bei der vierten Folie stehen geblieben, wo sie...
 

Ein hastiges Klopfen riss sie aus ihren Gedanken, und einen Moment später erklang Kennedy’s Stimme vor ihrer Tür. “Will, bist du da? Ich muss da mit dir über was reden – letzte Nacht hatte ich diesen merkwürdigen Traum...“
 

++++
 

Friedhof

Ein paar Minuten später

Die Gruft war spärlich von Totenlichtern beleuchtet und die vier Gestalten darin waren nur als Schemen wahrzunehmen. Sie suchten nach etwas.. daran bestand kein Zweifel, denn zwei der Einbrecher öffneten einen der drei Särge und wühlten mit ihren Händen im Inneren herum, ohne Rücksicht auf die Überreste des Verstorbenen, die kurz darauf herausgeworfen wurden.
 

Eine andere Gestalt klopfte die Wände ab, auf der Suche nach einem Hohlraum.
 

Der erste Sarg wurde in dem Moment von seinem Sockel gestoßen, als die vierte Person auf die Knie sank, um die Bodenplatten zu untersuchen.
 

Auch der Sockel des Sargs wurde erfolglos abgeklopft und die beiden Suchenden wandten sich an den zweiten Sarg.
 

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Buffy hatte sich der Gruft genähert und stand mit dem Rücken gegen die Steine gepresst da, um einen vorsichtigen Blick ins Innere zu werfen. Sie bemühte sich um eine ruhige und flache Atmung, um ihre Anwesenheit nicht zu verraten, ehe sie sich näher an die Tür heranschob.
 

Das sie die richtige Stelle gefunden hatte, verdankte sie der herausgerissenen Tür, über die sie bei ihrer Suche fast gestolpert wäre und der Tatsache, dass die Einbrecher und Diebe keine Angst vor Lärm zu haben schienen. In diesem Augenblick krachte die Steinplatte des zweiten, alten Sargs mit einem lauten RUMMS auf den Boden und zersprang in zahlreiche kleine und größere Steinbrocken.
 

Buffy konnte vier Personen ausmachen, doch fiel es ihr schwer zu sagen, ob es Dämonen, Vampire oder Menschen waren. Allerdings würde sie das sicher gleich herausfinden... denn sie trat aus dem Schatten der Nacht heraus und betrat die Gruft.
 

„Nun meine Herren... oder Damen...darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten?“
 

Vier beschäftigte Köpfe flogen Richtung Eingang herum und sahen eine kleine, zierliche Gestalt im Türrahmen stehen...
 

AKT 2
 

Cleveland Friedhof

Die Gruft. Nur wenige Sekunden später

In Mitten zerbrochener Sargdeckel, umgeworfenen Kerzenständer und Gebeine, versuchte Buffy mit den vier unbekannten Gegnern fertig zu werden. Sie waren nicht besonders stark, aber eindeutig in der Überzahl. Zudem gelang es Buffy nicht herauszufinden, ob die Angreifer Vampire, Dämonen oder Menschen waren. Sie bewegten sich im Halbdunkeln viel zu schnell, um etwas erkennen zu können. Und das machte den Kampf eigentlich unberechenbar und gefährlich – und ihren Pflock völlig nutzlos
 

Sie fing gerade eine Faust ab, die gestreckt auf ihr Nase zugeflogen kam und stieß mit ganzer Kraft den Angreifer zurück, der gegen zwei seiner Kumpanen flog, die gerade zum Sprung angesetzt hatten. Die Faust, die sie eben noch in der eigenen Hand gespürt hatte, war sehr menschlich gewesen. Wenn es sich um Menschen handeln sollte, musste Buffy sehr vorsichtig sein. Ein Umstand, der ihr nicht sonderlich gefiel.
 

Der Vierte im Bund wagte einen Angriff von hinten mit gestrecktem Bein, doch Buffy hörte ihn kommen, wich zur Seite aus und ließ den Gegner ins Leere laufen. Sie setzte mit einem halb hohen Tritt gegen die Wirbelsäule nach und brachte ihn zum Fall.
 

Für einen Moment schien sich die Jägerin ein wenig Luft zum Verschnaufen geschaffen zu haben, doch als sie die vier Personen anvisierte, musste sie feststellen, dass sie es nun mit gemeinsamer Kraft versuchen wollten – zu viert rannten sie auf Buffy los!
 

Für einen Augenblick überkam die Jägerin Panik, und sie sah hilflos um sich, auf der Suche nach einer Waffe oder einer Fluchtmöglichkeit. Im letzten Moment entschied sie sich dafür, sich mit einem Hechtsprung nach links zu retten. Leider verschätzte sich Buffy ein wenig und die Jägerin krachte gegen die Gruftmauer. Ehe sie wieder auf die Beine kam, war sie von den vier Gestalten umringt.
 

Etwas benommen blickte sie nach oben und erkannte, dass die Angreifer wie Bankräuber Skimützen über ihre Gesichter gezogen hatten. Kein Wunder war es ihr schwer gefallen zu erkennen, gegen wen sie kämpfte.
 

Ein Arm streckte sich ihr entgegen, um sie zu packen, doch Buffy nutzte eine Lücke zwischen den Beinen ihrer Angreifer und schoss unter ihnen hindurch, kam hinter ihnen auf die Beine und bückte sich rasch nach einem der Kerzenständer. Die Vier wandten sich gerade zu ihr herum, als Buffy mit dem Ständer, wie ein Speer in den Händen, einen von ihnen rammte und an die Wand drängte. Ihre Kraft hatte ausgereicht die Spitzen, auf denen die Kerzen normalerweise gesteckt wurden, in das Gemäuer so fest zurammen, dass ihr Gegner sich nicht mehr bewegen konnte. Einer weniger...
 

Buffy wollte sich gerade die Zeit dazu nehmen, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen, als etwas hart gegen ihre Seite schlug und die Jägerin überraschend zu Boden warf. Ein brennender Schmerz fuhr durch ihre Hüfte, und das „Etwas“ zerschmetterte neben ihr auf dem Boden. Buffy erkannte darin entsetzt ein Stück Sargdeckel. Viel Zeit um ihre Verletzung zu beachten blieb ihr nicht, denn als Buffy hinüber zu den übrig gebliebenen Gegnern blickte, musste sie feststellen, dass sie sich hinter einen der beiden Särge verschanzt hatten und die herumliegenden Steinbrocken als Geschosse benutzten.
 

„Ihr wollt wohl nicht so schnell aufgeben, was?,“ Buffy kam auf die Füße, wich einem Stein aus, schlug mit der Faust ein kleineres Geschoss zur Seite und warf sich nach vorne auf den Boden, als die drei zusammen mehr als ein drittel des Sargdeckels aufhoben. Keine Sekunde später zerschmetterte die Platte an der Stelle, an der Buffy eben noch gestanden hatte.
 

Die blonde Jägerin rollte sich über die Schulter ab, griff dabei nach einem weiteren Kerzenständer und sprang in die Höhe.
 

„Da ich heute Nacht auch irgendwann noch mal gerne ins Bett kommen möchte...bringen wir’s zu Ende...?“, sie stürmte nach vorne und überrannte die drei überraschten Gestalten. Einer fiel nach hinten auf sein Gesäß und schlug mit dem Kopf hart auf den Sockel eines Sarges, ein zweiter stürzte rücklings in den offenen Sarg und der dritte befand sich zwischen Wand und Kerzenständer. Allerdings überraschte er Buffy damit, dass er nach dem Ständer griff und seinen eigenen Schwung dazu ausnutzte, um Buffy samt Ständer näher an sich heranzuziehen. Dadurch brachte er Buffy ins Stolpern und sie fiel nach vorne auf die Knie. Trotzdem hielt sie sich krampfhaft am Ständer fest – er war ihre einzige sinnvolle Waffe.
 

Das war vielleicht auch ein fataler Fehler, wie Buffy sofort feststellen musste, als ihr Angreifer sie samt Ständer in die Höhe riss und begann sie um seine eigene Achse drehend in der engen Gruft herumzuschleudern.
 

Ihr wurde schwindlig und es war schwer sich auf eine Verteidigung zu konzentrieren. Entweder ließ sie los und ging die Gefahr ein, hart gegen eine der Wände zu krachen, oder ihr wurde so schwindlig, dass sie nicht mehr kämpfen konnte.. oder aber... – sie rammte mit ihrer ganzen Kraft ihre Füße fest gegen den Boden und machte eine rasche Gegenbewegung. Ihre unfreiwillige Karussellfahrt fand ein rasches Ende, als ihrem Konterfei durch die unvorbereitete Bremsung ein schmerzhafter Ruck durch Arme und Schultern lief und er deswegen den Ständer loslassen musste. Buffy stieß ihm sofort das Ende der Stange in den Magen, warf ihn damit wieder nach hinten, Richtung Wand, und schlug ihm dann mit der Stange gegen den Kopf. Ächzend und stöhnend ließ sich die vermummte Gestalt von Buffy weiter durch die Gruft prügeln.
 

„Lasst uns abhauen,“ rief einer der vier Einbrecher plötzlich hinter ihr laut in den Raum und sprang zur Tür hinaus. Buffy nahm einen Schatten neben sich wahr, als ein zweiter sich davon stahl.
 

„Was ist denn? Ihr haut ab? Ohne mir zu sagen was ihr hier wolltet? Das ist höchst unfair...“ Doch Buffy wusste nur zu gut, dass sie die vier laufen lassen musste.. außer sie brachte in den nächsten Sekunden noch heraus, wer sich unter den Masken verbarg. Doch wenn es Menschen waren, war es besser, wenn sie sie laufen ließ, bevor sie selbst gezwungen wurde unangenehme Fragen zu beantworten.
 

Buffy senkte den Kerzenständer und trat einen Schritt nach hinten, um die geprügelte Gestalt freizugeben, die humpelnd zu den beiden anderen eilte.
 

Mürrisch sah ihnen Buffy hinterher.
 

„Hey.. Leute.. hallo...! Was ist mit mir.. hallo...?“
 

Buffy drehte sich mit einem Grinsen herum.. da hatte sie ja fast ihren großen Fang ganz vergessen....der hilflos mit den Händen wedelte, die ein wenig Freiraum zwischen Kerzenständer und Wand fanden.
 

„Ich schätze, dich lassen sie zurück.. was für ein Glück für mich,“ rasch war sie an seiner Seite, griff nach dem unteren Ende der Maske und riss sie der Gestalt vom Kopf.
 

Überrascht stieß Buffy die Luft aus, als sie den Dämon darunter gewahr wurde, der sie aus schmalen, gelben Reptilienaugen anblickte und beim Versuch ertappt und verlegen zu lächeln, spitze Zähne entblößte. Buffys Blick wanderte weiter zu den kiemenartigen Öffnungen, die die Ohren ersetzten und war über die restliche menschliche Haut erstaunt. Allerdings fehlten ihm Haare, die seine ledrig schuppige Kopfhaut verborgen hätten.
 

„Eine sehr interessante Mischung,“ murmelte sie und trat einen Schritt zurück.
 

„Mach mich los,“ befahl der Dämon, und verriet seine Angst mit einem Zittern in der Stimme.
 

„Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, mir Befehle zu erteilen.. dreh’n wir doch den Spieß einfach mal um.. wer seid ihr und was habt ihr hier gesucht?“
 

„Nur weil du eine Jägerin bist, brauchst du dich nicht so aufzuspielen,“ knurrte der Dämon und kämpfte erneut gegen den Kerzenständer an, musste aber erfolglos und außer Puste aufgeben.
 

„Oh.. sieh an.. du weißt wer ich bin. 1:0 für dich... Zeit sich zu revanchieren... also spuck’s schon aus... wer oder was seid ihr?“
 

„Niemand, der dich interessieren könnte...“
 

Buffys Augen wanderten hinunter zu den Händen des Dämonen. Sie waren so ledrig und schuppig wie seine Kopfhaut und die Stellen an seinen Ohren. Doch einer der Angreifer zuvor hatte eindeutig menschliche Hände gehabt. Hier stimmte etwas nicht.. schon gar nicht wenn Menschen und Dämonen zusammenarbeiteten.
 

„Lass mich raten... die anderen drei waren Menschen, zumindest einer davon und dass sie dich liebend gerne hier zurückließen, unterstreicht meine Theorie...was hat einer wie du mit Menschen gemeinsam hier nachts verloren?“
 

Der Dämon starrte sie weiterhin finster an und zog es vor zu schweigen.
 

„Lass mich mal überlegen... a) Ich spüre Angst... b) du weißt wer ich bin...c) du schweigst lieber, anstatt um dein Leben zu betteln.. also gibt es d) jemanden den du noch mehr fürchtest als mich, eine Jägerin.. deinen Auftraggeber?“
 

„Es.. es gibt keinen Auftraggeber,“ stammelte der Dämon und Buffy war sich sehr sicher, dass der Dämon nervös wurde.
 

„So gibt es nicht.. interessant.. dann hast du ja nichts dagegen, wenn ich mich hier selbst auf die Suche mache, nachdem ich einen lästigen Zeugen los geworden bin...“, sie packte den Kerzenständer und machte ein bedrohliches Gesicht. Der Dämon winselte auf und schloss die Augen.
 

„Nicht... nicht töten... ich...ich kann dir nichts sagen, weil ich nichts weiß. Ich bin nur mitgegangen, weil man mich nach dem Weg zu dieser Gruft fragte. Du... du kennst mich,“ stieß er mit einem leisen, erleichternden Seufzen aus.
 

„Nicht, dass ich wüsste,“ unbekümmert riss Buffy den Kerzenständer aus der Wand und der Dämon sank auf die Knie.
 

„Doch.. ehrlich... die Black Pearl.. du musst mich schon gesehen haben... ich sitze oft am Stammtisch und spiele mit Mo Karten. Du warst mehrmals da, um Mo um Informationen zu bitten...“
 

Buffy schwieg.. weil sie auf einmal in eine verdammte Zwickmühle geraden war. Sie hatte nicht wirklich vorgehabt, den Dämon einfach so zu töten... sie wollte ihm eigentlich die Chance geben sich zu verteidigen oder sich durch eine Flucht noch mehr verdächtig zu machen... ihr einen Grund also lieferte, ihn zu töten. Das er jetzt hier vor ihr kniete und über die Black Pearl, Mo und seine Kundschaft sprach, machte es ihr nicht einfacher.
 

Das Zögern der Jägerin richtig deutend, wagte es der Dämon aufzublicken. „Ich lüge dich nicht an.. frag Mo.. ich bin ein sehr kleiner Fisch...frag ihn nach Regil. Er wird dir bestätigen was ich gesagt habe....“
 

Buffy blickte nachdenklich zu ihm herab und fällte dann ihre Entscheidung. „Verschwinde!“
 

Regil hatte es sehr eilig auf die Füße zu kommen und ohne Buffy eines weiteren Blickes zu würdigen verschwand er nach draußen. „Ich werde Mo wirklich fragen,“ rief sie ihm hinterher. „Und bei Fragen wieder kommen.“ Wirklich glücklich war sie über sich und ihre Entscheidung nicht, aber konnte sie wirklich jemanden von Mo’s Stammgästen töten und Mo noch einmal unter die Augen treten? Nein...
 

Also musste sie selbst herausfinden, was diese Leute hier gesucht hatten. Zwei Särge waren bereits durchsucht worden und einige Bodenplatten befanden sich herausgerissen auf einem Stapel in einer Ecke.
 

Buffy wandte sich an den letzten der drei Särge, schob mit etwas mühe den Deckel zur Seite und verzog das Gesicht beim Anblick des verrotteten Kleiderbündels, das übriggeblieben war.. das und ein paar ausgeblichene Knochen. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck tastete Buffy das Innere ab, konnte aber nichts finden, das ihre Aufmerksamkeit verlangt hätte.
 

Sie trat mit einem Schritt zurück und ließ ihren Blick durch den Raum gleiten. Ein wenig fühlte sich die Jägerin hilflos. Was genau suchte sie eigentlich? Und war es überhaupt so wichtig, um es herauszufinden?
 

Eine Bodenplatte gab plötzlich unter ihr nach, als sie zur Wand gehen wollte. Buffy trat zurück, ging in die Knie und drückte die Bodenplatte mit ihrer Hand nach unten. Ja, sie saß tatsächlich locker und eine Ecke der Sandsteinplatte war bereits abgebrochen.
 

“Perfekt,“ freute sich Buffy und setzte ihre Finger an die angebrochene Ecke an, um die Platte stöhnend in die Höhe zu ziehen. Anschließend schleifte sie sie etwas zur Seite und blickte in das dunkle Loch darunter. Sehr vorsichtig langte Buffy in das Innere, darauf gefasst etwas ekliges zu berühren oder von einer Maus oder Ratte gebissen zu werden. Doch erstaunlicherweise verschwand ihre Hand nur zur Hälfte in dem Loch, denn ihre Fingerspitzen berührten sofort etwas hartes, kühles...ein Buch, wie sie feststellen musste, als sie den Gegenstand herausholte. Ein altes, leicht von der Zeit angegriffenes Buch.
 

„Oh, da wird sich aber Giles freuen....“
 

++++
 

Wächterhaus, selbe Nacht

Eine Stunde später

Giles saß mit nachdenklichem Gesichtsausdruck an dem lange Konferenztisch, das gefundene Buch vor sich und starrte einen Druck an, auf dem vier Reiter zu sehen waren. Buffy lief nervös hinter ihm auf und ab.
 

„Hätte ich gewusst, dass diese Typen so etwas suchen,“ sie machte eine etwas genervte Handbewegung Richtung Buch. „Hätte ich diesen Regil bestimmt nicht laufen lassen.“
 

„Nun ja... du konntest es ja nicht wissen und bevor du einen Menschen getötet hättest, war es wohl die beste Entscheidung, die du treffen konntest...,“Giles begann vorsichtig ein paar Seiten weiterzublättern. „Und noch wissen wir nicht, ob diese Zeichnung einiger Reiter etwas mit deinen Träumen zu tun hat. Ich muss dazu erst einmal meine bisherigen Quellen heranziehen... oh.. was ist das denn...,“ Giles schlug eine Seite auf und zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe: Vier Reiter, die um eine glitzernde Kugel herum angeordnet waren. Kleine Objekte waren um die Kugel herum zu sehen und irgendetwas schien in ihrem Inneren gefangen zu sein. Buffy kam neugierig an den Tisch heran und warf einen Blick über die Schulter des Briten.
 

„Ich würde sagen.. noch eine kranke Zeichnung? Oder eine Zeichnung, die uns etwas sagen möchte, nur wir es mal wieder nicht verstehen? Ich kapier’s einfach nicht - wieso muss man immer alles so verschlüsselt darstellen... könnte da nicht darunter stehen.. „Achtung! Vier Wahnsinnige auf Pferden bringen möglicherweise eine Apokalypse?“
 

„Erstens,“ Giles warf Buffy einen strengen, aber auch belustigten Blick zu. „Wissen wir nicht, was die Reiter wirklich bringen werden, zweitens würde das sicher in derselben, merkwürdigen Schrift darunter stehen, in der das gesamte Buch geschrieben wurde und drittens würde mich jetzt sehr interessieren, was diese Kugel darstellt.“
 

„Sieht aus wie der Mond...,“ Buffy deutete auf das, was für sie wie Sterne aussah und um die Scheibe herum zu sehen waren. Ihr Finger wanderte weiter zu dem, was in der Kugel gefangen gehalten wurde – nur das Buffy es etwas anders sah. „Könnte ne Wolke sein.“
 

„Möglich... aber diese Sterne hier,“ Giles griff nach seinem Vergrößerungsglas. „Sind kleine Blitze.. es könnte auch Energie, wie bei einem Gewitter sein, oder es stellt die Sonne mit ihren Strahlen dar.“
 

„Eine glitzernde Sonne?“, grinste Buffy etwas amüsiert. „Hm.. also.. könnte das Buch etwas mit den Träumen zu tun haben?“
 

„Höchstwahrscheinlich. Oder zumindest etwas mit den Reitern.“
 

„Verdammt.. dann zieh ich los und such nach Regil...“
 

„Wir sollten noch warten. Lass uns erst den Dämon klassifizieren und herausfinden, wieso er nach diesem Buch gesucht hat. Vielleicht war er nur ein Grabräuber und es steckt nichts weiter als der Zufall dahinter.“
 

„An einem Ort wie diesem, mit einem Höllenschlund? Zeit verschwenden mit Recherchen?“ Buffy sah nicht glücklich aus, setzte sich aber schließlich, als Giles ohne mit der Wimper zu zucken einfach nur nickte. „Oder wissen sie etwas, was ich noch nicht weiß?“
 

„Ja, aber nicht sehr viel. Ich habe mit der Hilfe von einigen Textpassagen aus Kiran’s Buch herausgefunden, dass deine Reiter nicht die apokalyptischen Reiter sind, wie ich zunächst vermutet hatte. Allerdings bin ich mir nicht hundertprozentig sicher. Einiges deutet darauf hin, andere Dinge aus deinen Träumen machen es wiederum unwahrscheinlich. Was genau sie sind ist ungeklärt. Ebenfalls was ihre Ziele sind. Wir müssen einfach mehr herausfinden, anstatt loszustürmen.“
 

Buffy verzog kurz das Gesicht, nickte aber dann langsam. „Na ja, das ist doch mehr als nichts zu wissen,“ es klang etwas niedergeschlagen.
 

„Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Hilfe dieses Buches,“ er klopfte mit dem Knöchel auf Buffys Fund. „Bald mehr wissen werden.“ Giles stand auf und ging zu den Regalen, die in den letzten Monaten immer besser bestückt worden waren. Er zog einen Band hervor. „Diese Zeichnung und diese Schriftzeichen geben mir zwar Rätsel auf, aber ich bin mir ebenso sicher, dass sie einmal richtig gedeutet unser Schlüssel zu den Informationen sein werden.“
 

„Würde es ihnen weiterhelfen, wenn ich ihnen verraten würde, dass ich heute Morgen nicht die einzige war, die diesen Traum hatte?“
 

Giles blieb auf dem Weg zurück zum Tisch überrascht stehen und blickt Buffy an. „Das sagst du mir erst jetzt?“
 

„Hey.. wer hat mich den ganzen Morgen zwischen Faxgerät und Telefon herumgescheucht?“, grinste Buffy. „Kaum das ich von meinem Traum erzählt hatte? Ich habe allerdings nach dem ich aufgewacht war, sofort Kennedy und Faith angerufen, als mir bewusst wurde, dass die beiden in meinem Traum waren. Bingo ... sie hatten denselben Traum wie ich. Kennedy erzählte mir zudem, dass sie schon einige Wochen früher eine ähnliche Vision hatte. In dieser brach ein Reiter aus einer Eisspalte hervor.“
 

„Wieso haben Faith und Kennedy nicht mit mir darüber geredet?“, Giles klang ein wenig überrascht und enttäuscht.
 

„Kennedy war zu durcheinander und Faith wollte erst alleine damit fertig werden, bevor sie mich um Rat bat. Für beide war es das erste Mal. Das sollten sie nicht vergessen.“
 

„Natürlich. Ich verstehe,“ nickte Giles verständnisvoll. „Also gut.. dann heißt es jetzt für mich wach bleiben und recherchieren,“ er setzte sich wieder. „Du kannst mir helfen, diesen Dämon zu finden.“ Er schob ihr das Buch zu.
 

„Dämonenlexikon?“, seufzte Buffy und setzte sich mit einem wehmütigen Blick auf die Uhr. „Wenn’s sein muss... allerdings brauch ich meinen Schlaf. Ich glaub’ mein Chef hat wenig Verständnis, wenn ich morgen zu spät käme,“ mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht schlug Buffy das Buch auf.
 

Giles konnte ein kleines, wohlwollendes Lächeln nicht ganz unterdrücken. Es tat gut, dass sich zwischen ihm und Buffy alles recht entspannt entwickelte und nichts mehr von den alten Anspannungen zu spüren war. Auch wenn wieder einmal schwere Zeiten vor ihnen lagen, sofern er weiterhin davon ausging, dass diese vier Reiter mehr als nur den üblichen Ärger bedeuteten, war sich Giles sicher, dass zwischen ihnen so schnell nichts mehr zu Bruch gehen konnte.
 

++++
 

In Giles Büro

Zur selben Zeit

“Wieso haben....geredet....?“
 

„Kennedy.... hat erst.... das erste Mal... “
 

Buffy’s und Giles’ Stimmen drangen als Wortfetzen gedämpft in das dunkle Büro, in dem Lily mit einer Taschenlampe den bereits geöffneten Safe ableuchtete. Der Lichtstrahl fiel auf einen dunkelroten Beutel, nachdem sie griff. Etwas klirrte in seinem Inneren, als Lily ihn aufhob und in ihre Hosentasche steckte. Sie zog aus ihrer anderen Tasche einen Beutel, der identisch im Aussehen mit dem gestohlenen Münzbeutel war, und legte ihn statt seiner in den Safe. Danach schloss sie ihn wieder.
 

Etwas nervös richtete Lily die Taschenlampe auf ihre Armbanduhr. Es wurde Zeit...
 

Sie schlich nach draußen in den Flur, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und ging weiter zur Hintertür. Die Stimmen von Buffy und Giles waren noch immer dumpf zu hören, aber sie schenkte ihnen keine Beachtung.
 

Als Lily die Tür öffnete war in ihrer Nähe in den Gebüschen ein Rascheln zu hören, ein Busch bewegte sich und plötzlich stand Regil vor Lily, die erschrocken nach hinten auswich.
 

„Meine Güte... Sie schleichen sich hörbar an und erscheinen dann wie aus dem Nichts...“
 

„Eine spezielle Fähigkeit meiner Rasse,“ lächelte Regil und zeigte Lily seine Reptilienzähne.
 

„Lassen Sie das einfach bei mir sein,“ Lily zog den Beutel wieder aus ihrer Tasche und reichte ihn Regil. „Passen Sie gut auf die Münzen auf. Man darf sie bei mir nicht finden, also muss ich mich auf Sie verlassen können. Wo ist das Buch?“
 

„Eh.. nun ja..,“ Regil wirkte als würde er sich unter Lilys Blick winden. „Wir...haben es nicht gefunden. Und ehe wir es uns versahen, hat uns Ihre Jägerin angegriffen...“
 

„Meine Jägerin?“
 

„Die Blonde...klein, zierlich...“
 

„Oh.. Buffy,“ stieß Lily genervt aus. „Sie ist mit Sicherheit nicht MEINE Jägerin...“
 

„Wir hatten keine Chance und mussten fliehen.“
 

„Woher wollen Sie dann wissen, dass sie das Buch hat?“
 

„Eh.. ja, wie soll ich das erklären.. sie hat danach gesucht und eh... ich war ihr Gefangener...“
 

„SIE hatten KONTAKT mit ihr?“, nun klang Lily wirklich aufgebracht.
 

„Ich hab ihr nichts verraten.. wirklich... kein Wort...“
 

Lily verdrehte die Augen und wünschte sich Weatherby und Samielle herbei. So gefährlich und unberechenbar die beiden gewesen waren, so dämlich schienen ihre neusten Verbündeten. Sie hätte sich vielleicht mehr Zeit nehmen sollen, nach anständigen Leuten zu suchen, anstatt sich heute Mittag in dieses Abenteuer zu stürzen. „Ohne das Buch bin ich hilflos.. da könnte ich die Münzen gleich in den nächsten Gully werfen...“
 

„Regen Sie sich nicht auf.. es gibt jemanden in der Stadt, der eine Abschrift ihres Zaubers haben könnte. Ich werde ihn für Sie besorgen...“
 

“Das wird mir alleine nicht reichen. Das Buch beinhaltet wertvolle Informationen... aber nun, alles kann man wohl leider nie haben,“ Lily war verärgert und ihr Ton und Mienenspiel veranlasste Regil langsam den Rückzug anzutreten.
 

„Ich bringe Ihnen die Zauberformel...,“ unterbrach er vorsichtig und zog sich in das Gebüsch zurück, gefolgt von Lilys düsterem Blick, die ihm mit gemischten Gefühlen hinterher sah, ehe sie die Tür hinter sich schloss und leise zurück in den ersten Stock schlich.
 

++++
 

Am nächsten Morgen

Ratsgebäude

Willows Blick war starr aus dem Fenster gerichtet. Die Lichtstrahlen die durch die halb zugezogenen Vorhänge geworfen wurden, verursachten ein leichtes Brennen in ihren müden Augen. In der Hand hielt die Hüterin eine Tasse Kaffee, und sie konnte hören, wie Dawn, Xander, und Faith in kurzen Abständen das Ratsgebäude betraten.
 

Kennedy war bereits als erstes gekommen, und hatte sich gerade einen Becher heiße Schokolade in der kleinen Küche zubereitet. Buffy hatte Wind von dem Treffen bekommen, und war aus dem Büro aufgetaucht. Sie setzte sich auf den Stuhl links neben Dawn, um ja nichts zu verpassen. Allerdings fand sie es höchst ärgerlich, dass niemand den Versuch unternahm ihr zu sagen, wieso ein Teil ihrer Gruppe an diesem frühen Morgen ein Treffen mit Willow hatte. Mit einer Willow, die ziemlich müde, unausgeschlafen und etwas ungeduldig wirkte.
 

Willow wusste, dass das, was sie gleich zu sagen hatte ihren Freunden nicht gefallen würde. Aber sie war auch nur ein Mensch, der nicht nur eine Verpflichtung hatte und sich auch hin und wieder um ihre eigene Zukunft kümmern musste.
 

Sich der neugierigen und fragenden Blicke der anderen im Rücken bewusst, drehte sich Willow herum.
 

Alle saßen nun am breiten Tisch und Willow warf ihren Freunden ein gequältes Willkommens-Lächeln zu. Dabei ignorierte sie Buffys etwas verwirrten Blick. Sie war nicht eingeladen, aber wenn sie unbedingt dabei sitzen wollte... sie würde sie nicht davon abhalten.
 

Ein Blick auf die Uhr an ihrem Laptop verriet, dass sie nun schon 15 Minuten über dem gesetzten Zeitpunkt waren. Ein wenig verärgerte das Willow noch mehr, als sie es sowieso schon war.
 

„Du siehst nicht gut aus.“, Kennedy durchdrang die Stille, und das Gezwitscher der Vögel.
 

Faith nahm sich durch Kennedys Bemerkung aufmerksam geworden, die Zeit, sich Willow genauer anzusehen – ja, die Hexe sah wirklich etwas fertig aus. Ihr ganzes Gesicht wirkte blass, und Augenringe zeichneten sich deutlich unter ihren Pupillen ab. Was war los? Gestern Abend hatte Willow noch frisch und munter gewirkt...
 

„Ratet mal, wem ich meine Kopfschmerzen verdanke.“, antwortete Willow resigniert mit einem Seufzen und strengen Blick auf ihre Freunde. „Außerdem ist das einer der Gründe, wieso ich euch herbeordert habe.“ Die Hexe sah fragende Blicke, und wunderte sich, da anscheinend niemand begriff, wieso sie so aufgebracht war.
 

„Wegen mindestens drei von euch, bin ich die halbe Nacht wachgeblieben. Die andere Hälfte, und somit die in der ich noch weniger Konzentration hatte, waren mit allen möglichen Prüfungsfragen vollgestopft.“ Willow stellte die Tasse mit der braunen Flüssigkeit mit einem heftigen Ruck auf den Tisch ab. Ein paar dunkle Tropfen spritzen auf die Tischplatte. „Es ist schön und gut, dass ihr mir alle so großartig vertraut und mit euren Problemen ständig zu mir gerannt kommt, aber hat auch nur irgendeiner von euch je daran gedacht, das ich in letzter Zeit wichtigeres zu tun haben könnte, als in einem Fort den Kummerkasten zu spielen? Das ist mein letztes Semester, in dem ich möglichst gute Noten erzielen muss, und das fällt mir wirklich schwer, wenn ich alle 10 Minuten von meinen Büchern weggeklingelt werde. Meine Referate machen sich übrigens auch nicht von allein.“
 

Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, und sie versuchten Willows Blick auszuweichen. Faith setzte zu einem „Cool Down Willow“ an, doch sie reagierte nicht darauf und fuhr ohne eine Reaktion darauf einfach weiter fort mit Reden.
 

„Es ist nicht so einfach mit weniger als 4 Stunden Schlaf pro Nacht auszukommen, außerdem ist es auch nicht gerade ein angenehmes Gefühl, ständig Jägerinnen in Not zu spüren, geschweige denn von den Sterbenden.“
 

„Aber, ...“
 

„Kein Aber.“, entgegnete Willow, als Buffy mit wirrem Blick versuchte Klarheit in die Situation zu schaffen. Sie hatte keinen blassen Schimmer davon, was eigentlich vor sich ging. Noch wieso Willow jeden so heftig anfuhr.
 

Kennedy, Dawn und Xander schauten betreten zu Buffy, die daraufhin vollkommen verstummte.
 

Dawn hatte keine Ahnung, dass es Willow so schlecht ging, aber sie bemühte sich schon immer um andere. Wahrscheinlich war das der Punkt. Wieso hatte sie nicht schon früher gesagt, dass es ihr auf die Nerven ging, wenn sie zu ihr kam? Sie hätte auch mit Lily oder Andrew reden können... Gestern Mittag jedenfalls hatte Dawn nicht das Gefühl gehabt, dass Willow überfordert war. Im Gegenteil. Willow war nett und hilfsbereit wie immer gewesen. Aber vielleicht hätte sie nicht einfach so annehmen dürfen, dass Willow eine Stunde für sie opferte, ohne nachzufragen, ob sie überhaupt Zeit hatte.
 

Natürlich hatte es Willow schwer, aber sie hatten doch eine Beziehung, wunderte sich Kennedy. Es war doch völlig normal, dass sie ihre Sorgen mit Willow, ihrer Freundin, teilte, anstatt damit zu den anderen zu rennen. Zufälligerweise war es dieses mal eben etwas, das mit Jägerinnen zu tun hatte, außerdem war ihre Freundin doch eine Hüterin. Es war so offensichtlich für Kennedy gewesen, dass Willow sie verstehen würde.... aber.. nun ja, als sie gekommen war, ging Xander gerade und davor hatte Willow Besuch von Faith gehabt... vielleicht, wenn sie etwas sensibler gewesen wäre, hätte sie bemerkt, dass es Willow zu viel wurde. Das es ihr überhaupt in letzter Zeit zu viel wurde...
 

Xander seufzte leise in sich hinein. Er hätte gestern bemerken sollen, dass Willow irgendwie gestresst und gehetzt war. Aber seine eigenen Probleme hatten ihn so blind und unempfindlich gemacht... vielleicht hätte er an einem anderem Tag an Willows Tür klingeln sollen. Doch für solche Überlegungen war es jetzt zu spät, und Willow schien ziemlich frustriert zu sein.

Andererseits.. jeder durfte mal einen schlechten Tag haben und vielleicht war das hier der Ausgleich dafür, dass er Willows gut gemeinte Ratschläge wegen dem magischen Auge zu übertrieben heftig abgelehnt hatte.
 

Faith gähnte teilnahmslos, und zog damit alle Blicke auf sich.
 

Die Hüterin ließ ihren Blick von Freund zu Freund wandern und als sie die betretenen Gesichter sah, fiel es ihr erheblich schwerer, weiterzureden. Sie glaubte an das, was sie sagte, andererseits begann sie auf einmal darüber nachzudenken, ob sie ihnen nicht doch ein wenig Unrecht tat. Sie hätte gestern vielleicht einfach nur von sich aus sagen müssen, dass es zu viel wurde – jetzt stand sie mit schlechter Laune hier und geigte ihnen die Meinung...
 

„Buffy, Ken, Faith...“, Willow sah abwechselnd zu den drei Jägerinnen. „Sucht euch einen besseren Ansprechpartner als mich. Ich schlage mal die Wächter vor, also richtet euch an Giles oder Lily. Zudem - euren Traum verstehe ich sowieso nicht, obwohl ich lange darüber nachgegrübelt habe.“
 

Buffy zog erneut ein erstauntes Gesicht. Faith und Kennedy waren bei Willow gewesen? Wegen ihren Träumen? Langsam verstand sie um was es ging.. wenn auch ihr sicherlich noch der Durchblick fehlte...vor allem wegen Willows Laune.
 

„Faith,“ Willows Blick wanderte weiter. „Was deine Frage betrifft.. es gibt eine Möglichkeit für dich, herauszufinden, was diese Magier von dir wollen. Ich kann dich zu ihnen schicken, und du bekommst die Gelegenheit mit ihnen selbst zu reden,“ ihr Blick richtete sich nun auf Xander, der ihr direkt in die Augen blickte. „Faith wird deine Frage über Eve stellen müssen. Sie scheint ein Bestandteil ihrer Traumwelt zu sein oder was auch immer. Sie hat etwas mit den Magiern zu tun. Zudem wäre es sehr riskant für euch und mich – ich kann mich am besten nur auf einen von euch konzentrieren. Zwei Personen auf die Reise zu schicken, lenkt mich ab und wir könnten auf die dunkle Seite gezogen werden.“
 

„Ich komme mit.“, entgegnete Xander trotzdem. Auch wenn er Faith mit einem zugemachten Auge traute, wollte er die Antwort lieber selbst hören.
 

„Hast du mich nicht verstanden Xander,“ Willow klang ungehalten. „Der Zauber ist kompliziert und komplex. Ein Fehler und ihr kommt nicht mehr zurück.“
 

„Trotzdem.. es wäre mir lieber,“ beharrte Xander mutig.
 

„Xander... ich glaube nicht, dass du hier solche Wünsche äußern kannst.“ Willow sah ihn durchdringend an. Dann seufzte sie. „Ich lasse mich bei dem Zauber mit Mächten ein, die versuchen werden mich mit Versprechungen zu locken. Sofern ich nur Faith habe, auf die ich mich konzentrieren muss, kann ich diese Stimmen ignorieren. Wenn ihr beide reist, ist meine Konzentration geschwächt...“
 

„Wie hoch ist das Risiko, dass sie erfolgreich sein werden?“ Xander ließ nicht locker.
 

„Gering, würde ich sagen...Was mich angeht. Ob du je zurückkehren wirst...,“ ließ Willow offen stehen.
 

„Lass ihn doch mit, wenn er will.“, Faith meldete sich zu Wort. „Wenn das Risiko so gering ist. Und falls was passiert ist er eben selbst schuld.“
 

„Nein, du bist schuld, wenn du nicht auf ihn ‚aufpasst’, Faith.“, antwortete Willow.
 

Die Jägerin ersparte sich eine Antwort, hob ihre Augenbrauen, und lehnte sich mit verkreuzten Armen zurück. „Mit der ist wohl heute nicht zu spaßen.“, flüsterte Faith, die die ganze Aktion etwas zu übertrieben für ihren Geschmack fand.
 

„Dawn!“
 

Die junge, noch unerkannte Jägerin blickte erwartungsvoll zu Willow auf. „Keine Neuigkeiten von meiner Seite aus. So leid es mir tut.“
 

Dawn wirkte niedergeschlagen und richtete fragende Blicke auf sich, die sie unangenehm betroffen machten. Willow hätte mit ihr ruhig alleine darüber sprechen können. Buffy würde sicher gleich über sie herfallen, um zu erfahren, was es für ein Problem gab.
 

„Außerdem werde ich dem Rat reinen Tisch machen.“, fügte die Hüterin hinzu, ungeachtete Dawns Blick, der verriet, dass sie nicht begeistert über das Gespräch war.
 

Willows Augen wanderten weiter zu Xander, der im nächsten Moment einen Arm um die junge Jägerin legte und nickte.
 

Dawn drehte verwirrt ihren Kopf, und verstand, dass die beiden sich über sie unterhalten haben mussten. Wieso hatte Willow ihre Versprechen gebrochen? Wusste es am Ende Buffy schon längst? Das war ein wenig zu viel am frühen Morgen...
 

„Ihr habt über mich geredet?“, entgegnete Dawn aufgebracht, und schüttelte Xanders Hand von ihrer Schulter. „Wer gibt euch das Recht... habt ihr überhaupt eine Ahnung, was das Ganze.... Wieso hast du es einfach so... VIELEN DANK!“, stotterte Dawn aufgebracht herum, immer kurz davor zu viel zu sagen, um fast alles damit noch schlimmer zu machen. Sie vermied es zu Buffy zu sehen. Sie konnte von Glück reden, wenn Buffy nicht nach haken würde. Sonst würde ihre Schwester doch noch alles zum falschen Zeitpunkt herausbekommen. All das verdankte sie ihrer super Hüterin. Geschah Willow ganz recht, dass sie sich die Nacht um die Ohren schlagen musste.
 

Im nächsten Moment sprang Dawn auch schon vom Stuhl auf, und rannte davon. Alle sahen ihr ungläubig nach. Xander schluckte, und warf einen schuldbewussten Blick zu Willow, die einen weiteren Schluck Kaffee hinunterwürgte. Für die nächsten 24 Stunden hatte sie genug davon getrunken.
 

„Was war das denn?“, murmelte Kennedy.
 

„Kann mir mal jemand erklären, was das alles soll?“, Buffy blickte um sich, aber keiner schenkte ihr Beachtung.
 

„Pubertät?“, fragte Faith und zuckte mit den Schultern. „Hoffe wir können den ganzen Hokuspokus heute noch erledigen.“
 

Buffy schien die einzige im Raum zu sein, die noch immer nicht wusste, was hier vor sich ging, noch was zwischen Willow und Dawn vorgefallen war. Aber Zeit zum Weiterfragen blieb ihr keine, den Willow präsentierte auf Faith Frage hin mit einem lauten Seufzer eine Tasche, die aufschnappte. Daraus hervor schüttelte Willow die Zauberzutaten heraus, die sie für den angekündigten Zauber brauchte.
 

++++
 

Ratsgebäude, Wohnung Giles

Kurz darauf

In Giles Wohnzimmer saß Lily über ein paar Bücher gebeugt und wirkte sehr konzentriert. Von Zeit zu Zeit machte sie sich eine Notiz auf einen Zettel neben sich und hörte erst Dawn, als sie die letzten beiden Treppenstufen nach oben gestürmt kam. Erschrocken und ein wenig ertappt, hatte es Lily eilig die Bücher zu zuklappen und so auf einander zustapeln, dass man nicht mehr die Titel lesen konnte.
 

“Oh,“ Dawn stoppte, als sie Lily sah. Sie hatte gehofft hier oben ein wenig ihre Ruhe zu finden. Ruhe zum nachdenken. Sie wollte jetzt mit niemanden reden. Sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
 

„Hallo Dawn. Suchst du jemanden?“, Lily ließ sich nicht anmerken, dass sie Dawns Unwohlsein über ihre Anwesenheit, bemerkt hatte.
 

„Nein.. nicht wirklich.. ich wollte nur... na ja... nachdenken?“
 

„Gibt es ein Problem?“, Lily klopfte auf den Platz neben sich und Dawn kam der Aufforderung zögernd nach. Ihre Wut auf Willow hielt noch an und wenn sich Lily wirklich anbot... schließlich war sie neben Willow und Andrew die einzigste Person, die von ihr wusste. Und bei jemanden Dampf ablassen zu können, tat immer gut.
 

„Ja.. und es heißt Willow.“
 

„Willow?“
 

„Sie denkt, es wird Zeit allen zu erzählen wer und was ich bin. Gerade eben hätte sie es fast Kennedy, Xander, Faith und Buffy erzählt. Ohne mein Einverständnis. Wobei Xander es offensichtlich schon wusste.“
 

„Ich verstehe...“
 

„Und dem Rat der Wächter will sie es auch gleich verklickern. Wieso übt sie auf einmal solch einen Druck auf mich aus? Es besteht doch nicht die geringste Notwendigkeit es jemanden zu erzählen und mein Leben damit zu ruinieren? Die Dämonenwelt Clevelands will ja nicht einmal etwas von mir wissen.“
 

„Ich verstehe dich durch aus,“ führte Lily ihren angefangenen Satz zu Ende. „Aber Willow will dir damit sicher nur helfen. Und falls es dir schwer fällt, jetzt mit Buffy darüber zu reden, frag Rupert um einen Rat. Er ist der Wortgewandteste von uns und weiß sicher wie du es angehen kannst.“
 

“Giles... eh... weiß nichts...davon,“ brachte Dawn zögernd hervor.
 

„BITTE? Du hast nicht einmal mit Rupert darüber gesprochen?“ Lily war offensichtlich entsetzt. Dawn senkte ihren Blick und starrte ihre Schuhspitzen an.
 

„Ich wollte ja,“ seufzte Dawn. „Aber irgendwie ist immer etwas anderes passiert oder war wichtiger...und mit der Zeit bekam ich Angst davor wie meine Freunde darauf reagieren würden. Ich stelle mir oft vor, was sie nach meinem Geständnis noch von mir halten oder in mir sehen würden..“
 

„Ich glaube ich weiß, wo das Problem liegt,“ Lily legte Dawn freundschaftlich und tröstend einen Arm um die Schulter. „Ich denke, du hast es für dich selbst noch nicht akzeptiert. So lange du glaubst, dass es ein Irrtum ist und Willow irgendwann doch noch etwas findet, um diesen Irrtum aufzudecken, so lange bist du nicht bereit mit den anderen darüber zu reden. Aber das bringt dich nicht weiter, denn du bist, was du bist.“
 

„Wahrscheinlich haben sie recht,“ seufzte Dawn, nachdem sie einen Moment geschwiegen hatte, um Lilys Worte zu bedenken.
 

Lily lächelte warmherzig. „Und um so länger du wartest, um so schwer wird es werden und so schlimmer werden die anderen darauf reagieren. Vielleicht übt Willow Druck auf dich aus...“
 

„Sie hat versprochen es nicht zu tun,“ sagte Dawn wie ein trotziges Kind und Lilys Lächeln wurde zu einem gutmütigen Grinsen.
 

„Das hat sie vielleicht, aber jetzt sieht sie die Dinge wohl etwas anders. Das darfst du ihr nicht zum Vorwurf machen. Aber ich hätte da eine sehr gute Idee, um dich ein wenig auf andere Gedanken zu bringen und vielleicht ist danach dein Kopf wieder etwas freier und du siehst das alles auch etwas anders... wie wäre es mit einem Kinobesuch?“
 

„Kino? Mit Ihnen?“
 

„Oh es war nur eine Idee.. wenn du nicht möchtest...“
 

„Das habe ich nicht gesagt.. es ist nur.. ich war schon sehr lange nicht mehr im Kino.. das letzte Mal wurden meine Freunde fast von Vampiren gefressen und Giles drohte mit Hausarrest..,“ Dawn grinste auf einmal. „Okay.. es ist eine gute Idee... aber ich darf den Film aussuchen....“
 

++++
 

Ein Stockwerk tiefer

Etwas später

Um endlich 'endlos' Zeit für ihre Prüfungen zu haben, war es das beste alles andere vorher so schnell wie möglich zu erledigen. Einer der Gründe, wieso Willow gegen ihre Rede bereits alle Zutaten für den Zauber mitgebracht hatte.

Außerdem war es Faith und Xander sowieso eilig mit ihren Anliegen.
 

Xander zog gerade auf Willows Bitte hin die Vorhänge zu, und Buffy, die von Willow grob über den Zauber und den Grund für ihn eingeweiht worden war, verschloss die beiden Türen mit ihrem Zweitschlüssel. Willow brauchte völlige Ruhe.
 

Faith und Kennedy kämpften widerwillig mit dem großen Tisch, den sie auf Willows Wunsch hin, zur Seite trugen. Es folgten die Stühle und Sessel, die im Weg waren und währenddessen bereitete die Hüterin alles für den Zauber vor.
 

Nachdem Faith mit den Aufräumarbeiten fertig war, wanderte ihr Blick durch den Konferenzraum. Auf dem Boden war eine Decke mit Karomuster ausgebreitet, und daneben lag eine einzelne Rose. Rote Kerzen bildeten direkt davor einen ovalen Kreis, die Willow nun mit einem Streichholz nach einander anzündete.
 

Danach holte Willow aus ihrer Tasche ein weißes Pulver hervor. Dieses streute sie in kleinen Mengen über die Kerzenflammen, die dadurch noch mehr aufloderten.
 

Anschließend machte es sich Willow auf der Decke im Schneidersitz bequem, und mischte Zauberutensilien in ein größeres Tongefäß. Danach hob Willow die Rose vom Boden auf, stach sich damit in den Finger, und ihr Blut landete tröpfchenweise bei den anderen Zutaten.
 

Xander und Faith sahen Willow interessiert zu, als diese vorsichtig Magnesiumspäne in den Kreis aus Kerzen streute. Jeder Handgriff saß. Die letzte Zutat, Rosenblätter, vervollständigten das ganze Gemisch.
 

Im ganzen Raum hörte man nur das leise Atmen der fünf Personen, und das lauter werdende Knistern der Kerzen.

Ein süßlicher Geruch bildete sich. Willow wirkte zufrieden.
 

„Ich werde euch jetzt zu den Magiern schicken. Ihr dürft euch nicht verlieren, und Faith ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass du auf Xander aufpassen sollst.“, entgegnete Willow, und zwinkerte Faith zu, die dadurch genervt den Mund verzog.
 

„Wieso traust du mir auch nicht!“, zischte Faith zu Xander, und griff nach seiner Hand.
 

Schließlich zog sie Xander in die Mitte des leuchtenden Kreises, da Willow es ihr mit einer Handbewegung deutlich machte.
 

„Wenn es jetzt etwas laut werden sollte, keine Panik.“, erwähnte Willow beiläufig. Das einzige Problem waren die restlichen Personen im Gebäude, deswegen hatte sie vor dem Treffen mit den anderen einen Schalldichtzauber über diesen Raum gesprochen. So konnte sie sicher sein, dass weder Lily noch Giles dazu kamen und ihre Konzentration störte.
 

„Ich hoffe ich verliere nicht noch ein wichtiges Organ.“, Xander lächelte gequält, und hielt sich mit der freien Hand ein Ohr zu.
 

Willow sah beiden noch einmal in die Augen, dann schloss sie ihre. Konzentriert saß sie etwa eine halbe Minute lang wie angewurzelt da. Die ganze Situation wirkte angespannt, und plötzlich begann sogar Faith’ Herz schneller zu klopfen.
 

Willow hörte die leisen, wispernden Stimmen an ihrem Ohr. Sie wusste, dass sie da waren.. jene Wesen, die versuchten ihr weis zu machen, dass sie zu mehr in der Lage war, dass sie ihre Künste verschwendete und zu Höherem bestimmt war. Aber sie hatte in England eines gelernt – sich zu beherrschen und der Verlockung zu widerstehen... als die Stimmen nur noch ein Raunen war, das sie ohne Probleme ignorieren konnte, öffnete sie leicht ihre Lippen und begann leise zu flüstern:
 

«apporter-vous dans un autre monde,

où les magiciens se vendent le temps,

et chaque question résout… »
 

Sie öffnete wieder ihre Augen und wirkte beruhigt, als sich plötzlich ein kleines Flackern zwischen der Zaubermischung bemerkbar machte.
 

Sie beugte sich nach vorne, und pustete drei mal, als würde sie ein Lagerfeuer damit entzünden wollen. Xander blickte etwas überrascht zu Willow, als diese bereits eine größere Flamme damit erzeugt hatte.
 

Willow fasste das Gefäß mit beiden Händen an, und mit Schwung streute sie die noch verbliebene Mischung, und das übergreifende Feuer auf ihre Freunde in den Kreis, die schon fast mit Panik reagierten, als das Feuer langsam an den Spänen zündete.
 

Kleine Stichflammen folgten, die sich allmählich zu einer großen zusammenschlossen, und nun eine Kuppe bildeten.
 

„Ainsi, il est…“, rief Willow, und damit platze die Feuerkuppe, ein ohrenbetäubendes Geräusch machte sich im ganzen Raum breit, und mit einem letzten lauten Knall, wurde Willow an die Tür geschleudert und Buffy wurde mit Kennedy einfach zur Seite gerissen.
 

Der Boden unter ihren Freunden hatte sich schwarz verfärbt, und die Kerzen hatten sich genauso wie Faith und Xander in Luft aufgelöst.
 

Lediglich ein wenig weißer Rauch ließ vermuten, dass hier vor kurzem noch ein Zauber gewirkt wurde.
 

„Autsch...und ich hoffe mal, dass das gut geht...“ sagte Willow, als sie sich den aufgewirbelten Staub von ihrer Jeans abklopfte und zurück auf ihren Platz ging.
 

++++
 

Ein Höhlensystem

Einen Moment später

Stille. Ruhe. Geborgenheit. Faith war von weißem Licht umgeben, und eine angenehme Wärme durchströmte ihren gesamten Körper. So muss es sich wohl anfühlen, im Himmel zu sein.. schoss es ihr durch den Kopf, schüttelte die Gedanken allerdings sofort wieder ab.
 

Plötzlich wurde ihre Hand wieder stärker gedrückt, und sie spürte einen harten Boden unter ihren Füßen. Sofort öffnete Faith die Augen, und versuchte sich zu orientieren, blieb mit ihrem Blick aber bei Xander hängen, der starr gerade aus blickte, und ihre Hand noch immer festhielt.
 

„Du kannst meine Hand jetzt ruhig los lassen..“ sagte sie leise, und fügte ein lautstarkes „XANDER!“ hinzu, nachdem er nicht sofort reagierte.
 

Er zog seine Hand zurück, und ließ seinen Blick dann ebenfalls durch das Gewölbe gleiten, in dem sie gelandet waren.

„Warst du schon einmal hier?“ fragte er leise und sah sie dabei fragend an.
 

„Hmm.. kann sein, also an dieser Stelle definitiv nicht. Es scheint allerdings ein Teil der Höhle der Magier zu sein.. – hoffe ich,“ murmelte Faith, zuckte mit den Schultern, und setzte sich in Bewegung.
 

„Warte!“ schrie Xander, und sie blieb sofort stehen. „Woher weißt du, wo wir hin müssen?“
 

„Xander, hast du schon mitbekommen, dass wir uns in einer Sackgasse befinden? Es geht nur in einer Richtung..“, antwortete sie, verdrehte dann kurz die Augen, und setzte sich wieder in Bewegung.
 

Er trottete ihr nach, blieb allerdings immer drei Schritte hinter der Jägerin, sicher ist sicher.
 

„Irgendwie ist es unheimlich hier.. es ist so .. ruhig..“ flüsterte er, bekam von Faith als Antwort aber nur ein leises Nicken.
 

Sie kamen zu einer Kurve der Höhle. Die Wände bestanden aus massivem Stein, und das Licht kam aus nicht definierbaren Löchern in der Decke.
 

„Was sind das eigentlich für Magier?“ fragte Xander die Jägerin, die sich gegen die Wand gedrückte hatte, und vorsichtig um die Ecke starrte, um sich zu vergewissern, ob der Weg frei war.
 

„Das weiß ich auch nicht genau.. sie sind auf jeden Fall irgendwie.. wahnsinnig und sehr mächtig. Komm, der Weg ist frei!“ flüsterte sie, nickte mit dem Kopf und bog um die nächste Ecke.
 

„Und was hat das alles mit Eve zu tun?“ fragte er wieder, während er ihr folgte.
 

“Das wollen wir hier gerade herausfinden.. sch.. sei mal ruhig!“ Sie spähte um die nächste Ecke, und entdeckte einen Vampir, der gelangweilt an der Wand lehnte, und in die andere Richtung spähte. Er war anscheinend ein Wachposten, wirkte allerdings mehr als gelangweilt.
 

In Sekundenschnelle zog sie einen Pflock aus ihrer Hose, sprang um die Ecke, griff nach dem Vampir, schleuderte ihn gegen die Wand, und verarbeitete ihn zu Staub, noch bevor er einen Ton sagen konnte.
 

„Komm, weiter geht’s..“ sagte sie unbekümmert, als wäre gerade nichts geschehen, und ging weiter.
 

„Denkst du, sie werden uns wirklich die Wahrheit sagen?“ fragte Xander mit einem raschen Blick zu dem Häufchen Asche.
 

“Kannst du auch mal die Klappe halten? Ich habe keine Nerven für deine ständige Fragerei und ich hab auch keine Antworten auf deine bescheuerten Fragen!“ zischte Faith genervt, erkannte im nächsten Gang eine Holztür, und bedeutete Xander, dass er sich beeilen sollte.
 

Streitgeräusche drangen aus dem Innenraum und Faith erkannte nur zu gut die Stimmen der zwei Magier, die sich hinter dieser Tür über irgend etwas stritten.
 

Ohne einen weiteren Moment zu zögern holte sie mit dem Fuß aus und trat die Holztür ein, woraufhin diese splitterte, und in den Raum flog, wo sie mit einem Knall am Steinboden aufschlug. Überrascht sahen die beiden Magier auf.
 

Zornig trat Faith ein, gefolgt von Xander, der etwas verloren wirkte.
 

Faith und Xander staunten nicht schlecht als sie den Raum vor sich sahen – er wirkte wie eine futuristische Spielhölle. In der Mitte stand ein runder Tisch, worauf sich die Umrisse einiger Gebäude abzeichneten, und einige leuchtende Punkte zu sehen waren. Die Magier standen sich gegenüber, und starrten ihrerseits fassungslos und geschockt Faith an.
 

An den Wänden befanden sich eine Unmenge von magischen Büchern und Gegenständen, die Willows Herz einen Freudentanz hätten aufführen lassen. Xander schluckte.
 

„Na, seid ihr wieder dabei, einige Menschen in Silent Hill zu quälen!?“ schrie Faith und trat auf den Tisch zu. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde bis sie die Kathedrale wieder erkannte, in der sie gegen Eve gekämpft hatte. Es leuchteten zwei Punkte darin.
 

Hektisch fuhr der weiße Magier mit seiner Hand über den Plan, worauf hin dieser verschwand, und trat mit wieder gefundener Selbstsicherheit auf die Jägerin zu.
 

„Das geht dich nichts an, Jägerin. Was machst du hier? Du hast hier nichts zu suchen! Gib uns nur einen Grund, warum wir euch nicht mit nur einem Zwinkern in Flammen aufgehen lassen sollten?!“ zischte er aggressiv und sah sie verärgert an.
 

„Weil dann eine der stärksten Hexen dieser Welt hinter euch her sein würde, und bei Gott, das wollt ihr sicherlich nicht!“ konterte Xander, der sich nun neben Faith aufgebaut hatte, und dafür ein überraschtes aber auch unterstützendes „GENAU!“ von der Jägerin bekam.
 

„Sie sprechen von der Hüterin..“ mischte sich nun auch der dunkel gekleidete Magier ein, der Faith die Vision des Reiters „geschenkt“ hatte.
 

„DAS ist mir schon klar!“ zischte der blonde Magier mit weißer Haut und blauen Augen seinen Kollegen an, und wandte sich dann wieder Faith zu.
 

„Na gut, was wollt ihr dann hier?“
 

„Eve..“ antwortete Xander wie aus der Pistole gestoßen. Die Magier sahen ihn zuerst nur fragend an, als plötzlich ein Grinsen auf dem Gesicht des weißen auftauchte.
 

“Was denn?!“, reagierte Faith prompt aggressiv. „Sag uns sofort, was die Sache mit Eve auf sich hat. Zuerst werde ich hier in eurem kranken Spiel fast von ihr getötet, nachdem sie sich in einen Dämon verwandelt hatte, dann treffe ich sie in Cleveland als Vorgesetzte von Xander hier, und dann stellt sich heraus, dass sie menschlich ist.. oder auch nicht.“
 

“Nein, Eve ist nicht Eve!“ sagte der „gute“ Magier, und trat dabei einen Schritt auf die beiden zu.
 

„Sei still!“ fauchte die blonde Gestalt wieder, und sah ihn hasserfüllt an.
 

„Sie haben verdient, es zu erfahren!“ konterte der andere, und gab nicht nach.
 

„Deine ständige Korrektheit geht mir gehörig auf die NERVEN!“ schrie der weiße Magier, drehte sich um, und ging genervt in einen der Nebenräume.
 

Faith und Xander sahen nun den „guten“ Magier fragend an. „Also?“
 

„Hmm.. also Xander’s Eve ist nicht unsere Eve. Irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht. Es sollte ein kleiner Spaß sein..“ begann er mit der Erklärung.
 

“Spaß?“ fragte Xander und sah ihn fragend an.
 

„Ich verstehe nicht ganz..“ gab Faith von sich.
 

„Nun ja, wir wussten, dass Xander auf Eve treffen würde, und wir wussten, dass du, Faith, auf Xander treffen wirst, also dachten wir uns, dass es doch ein kleiner Spaß wäre, dich mit Eve zu überraschen..“
 

„Das bedeutet was? Ist Eve nur ein Trugbild? Ein Dämon?“ fragte Xander, in dessen Stimme sich langsam Verzweiflung schlich.
 

„Wie krank.. wie.. KRANK. Ihr solltet echt mal zum Psychiater für ausgerastete Magier gehen..“ flüsterte Faith genervt. Was bildeten sich diese zwei Magier eigentlich ein? Das Leben war kein Spiel. Man konnte nicht einfach so mit Leuten spielen?
 

„Nein... wir haben Eve als Vorlage für unsere Eve genommen. Wir haben sie nach ihr.. erstellt.“
 

„Und wieso?“ fragte Faith
 

„Einfach so. Weil es Spaß macht. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie spaßig es war, zu sehen wie du auf Eve getroffen bist.“
 

„Und meine Vision?“ fragte Faith weiter.
 

„Welche Vision?“ überrascht sah er sie fragend an.
 

„Wieso habt ihr mir diese Vision von Eve geschickt?!“ Faith wurde lauter.
 

„Wir haben dir keine Vision geschickt, zumindest nicht, dass ich wüsste, und ich weiß eigentlich alles..“
 

Verwirrt sah Faith den Magier an. Das konnte doch nicht sein. Wenn das eine echte Vision war, dann bedeutete das doch, dass... OH GOTT!
 

“Xander.. gehen wir.. sofort!“ sagte Faith, und drehte sich um.
 

„Moment noch..“ Xander trat einen weiteren Schritt auf den Magier zu. „Also ist Eve ein normaler Mensch?“ hauchte er.
 

„Na ja, wer ist schon normal?“ der Magier lachte kurz, brach aber ab, als Xander seine Hand hob.
 

„Sie ist menschlich.. ja..“ antwortete er hektisch.
 

„Komm endlich! Gehen wir!“ sagte Faith, nahm Xander am Arm und verließ mit ihm den Raum. Sie musste jetzt über einiges Nachdenken, sie konnte nicht auch noch Ronah und Robin verlieren. Und wenn die Vision nicht von den Zauberern kam, und auch Eve unschuldig war, dann konnte es eigentlich nur eines bedeuten.
 

++++
 

Konferenzraum

Ein paar Minuten später

Lily hatte Dawn, die zur Schule musste, an der Hintertür verabschiedet und versuchte die Tür zum Konferenzraum vom Flur aus zu öffnen. Sie war verschlossen. Verwundert runzelte sie die Stirn...
 

Im selben Moment versuchte Giles vom Haupteingang aus in den Konferenzraum zu gelangen und prallte heftig dagegen, als er schwungvoll den Türknauf drehte und eintreten wollte. Sie war verschlossen?
 

Giles zog seinen Schlüssel...
 

...Lily hatte ihren bereits im Schloss stecken und drehte ihn.
 

Beide öffnete im selben Moment die Tür zum Konferenzraum und blieben überrascht wie angewurzelt stehen. Langsam ließen die beiden Wächter ihre Blicke über die konzentrierte Buffy und Kennedy schweifen, die gebannt auf Willow starrten. Diese saß bereits wieder mit geschlossenen Augen, angespanntem Gesicht und im Schneidersitz auf dem Boden. Giles Augen wanderten weiter über die weggestellten Stühle, den verrutschten Tisch und blieben schließlich an der verbrannten Stelle in der Mitte des Raumes hängen. Er nahm eine ungewohnte Spannung im Raum wahr. Magie.. sehr viel Magie. Mächtige Magie... besorgt runzelte sich seine Stirn. Was taten die drei hier? Ohne ihm etwas davon zu erzählen?
 

Die beiden Wächter sahen von Willow weg und ihre Blicke trafen sich kurz, aber verwirrt.
 

Plötzlich tauchte vor Willow eine schmale, rotglühende Lichtspalte auf, die breiter und länger wurde, bis Faith und Xander sich hindurchzwängen konnten und von ihrem Abenteuer zurück in den Raum stolperten. Die Spalte fiel hinter ihnen zusammen und verschwand mit einem leisen elektrisch aufgeladenen Geräusch.
 

Willows geschlossene Augen sprangen auf und ihr Blick, noch leicht von der Macht des Zaubers verschleiert, richtete sich auf Giles. Die Pupillen waren noch schwarz, nahmen aber schnell ihren grünen Glanz an. Sie wurde sich auf einmal bewusst, dass sie nicht mehr alleine waren, aber war natürlich erst einmal darüber erleichtert, dass alles gut gegangen war – gegen all ihre Befürchtungen schienen Xander und Faith heil zurückgekehrt zu sein. Trotzdem hatte es in ihrem Inneren leise Stimmen gegeben.. verlockende Stimmen.. Der Zauber war sehr mächtig gewesen und seit dem finalen Kampf gegen das Urböse hatte sie nicht mehr so viel Macht einsetzen müssen... bei Giles Gesichtsausdruck jedoch wurde es ihr ein wenig unwohl und sie blickte zur Seite, suchte mit ihren Augen Xander und Faith, die beide ein wenig verwirrt drein sahen.
 

„Was geht hier vor sich?“, Giles trat in die Mitte, zwischen Willow, Xander und Faith. Erst jetzt bemerkten auch die anderen, dass sie nicht mehr alleine waren. Buffy stand auf und trat zu Giles hinüber.
 

„Wir haben ein wenig Hokuspokus gespielt.“, witzelte Buffy. „Und unsere kleine Hermine hat ihre Hausaufgaben vortrefflich gemacht.“
 

Giles blinzelte etwas irritiert und sah dann ernst zu Willow: „Ja, das kann man sehen und riechen,“ er sah missbilligend auf Willows Zauberutensilien. „Und fühlen. Aber was genau habt ihr getan und wieso?“
 

„Faith und Xander hatten ein kleines Problem,“ erklärte Willow kühl und stand auf. „Nichts worüber man sich gleich aufregen müsste oder gar sorgen sollte.“
 

„Ich bin mir da nicht so sicher...,“ sagte Giles gedehnt. „Ich vermute, du hast die beiden in eine andere Dimension geschickt?“ Er zeigte an die Stelle, wo gerade eben noch die Lichtspalte gewesen war.
 

„Nicht das ich wüsste.. es ist etwas komplizierter und nicht so einfach zu erklären.“ Willow begann ihre Sachen zusammenzupacken.
 

„Dann versuch es...,“ begann Giles, wurde aber von Lily unterbrochen.
 

„Lass doch einfach Xander und Faith erklären, ja?“ Lily sah ihn bittend an und Giles entspannte sich ein wenig. Er wusste nicht wieso er gerade eben so ungehalten auf Willow reagiert hatte. Nach all den Monaten des neu gewonnenen Vertrauens und der Gewissheit darüber, dass Willow sehr gut mit ihren neuen Fähigkeiten umgehen konnte, sollte Giles es besser wissen. Doch der Raum war von einer sonderbaren, magischen Elektrizität erfüllt gewesen, die ihn hatte spüren lassen, wie viel Macht Willow benutzt haben musste, um Xander und Faith wohin auch immer zu schicken, die ihn sehr überrascht hatte. Vielleicht war es einfach nur der Umstand, dass er einmal mehr das Gefühl hatte, dass hier nicht nur Kennedy und Faith versäumt hatten mit ihm über ihre Visionen und Träume zu reden, die ihn hatten ein wenig verstimmt reagieren lassen.
 

„Ich bin noch etwas durcheinander,“ murmelte Xander und setzte sich zunächst einmal.
 

„Wieso denn? Sei doch froh? Deine Eve ist abgesehen von Crazy Cordy der erste normale Mensch, der sich für dich interessiert,“ Faith klang aufgewühlt und schien nur halb so verwirrt zu sein wie Xander. Doch sie hatte nicht das Bedürfnis allen mitzuteilen, welche Erkenntnis sie durch ihre kurze Reise gewonnen hatte. Das war etwas sehr Persönliches. Es würde reichen, wenn Giles und Lily nur das Nötigste erfuhren.
 

„Würde mir jetzt endlich jemand erklären, was hier passiert ist?“, Giles kehrte zurück zu seinem ungehaltenen Ton und alle Blicke richteten sich wieder auf ihn.
 

“Ich erzähl ihnen die Kurzfassung, okay?“, sagte Xander mit einem schiefen Grinsen. „Meine Chefin wurde als Vorlage für ein krankes Spiel benutzt, das man mit Faith spielte. Faith hielt meine Chefin gestern für einen durchgeknallten Killerdämon und war drauf und dran sie krankenhausreif zu prügeln...“
 

“Was Xander nicht abhielt, mit ihr auszugehen,“ brummte Faith düster, und dieser warf ihr einen mürrischen Blick zu. “Nein, das Ausgehen mit durchgeknallten Killerdämonen überlass ich ausnahmsweise mal jemand anderem,“ bemerkte er spitz, bevor er mit seiner Erzählung fort fuhr: “jedenfalls wissen wir jetzt, dass Eve ein Mensch ist. Was diese Magier mit Faith’ Träumen zu tun haben, hab’ ich allerdings nicht verstanden.“
 

„Du hast einen Menschen...,“ fing Giles an, wurde aber von Willows und Buffys warnenden Blicken zurückgehalten seinen Vorwurf weiter laut auszusprechen. Faith machte eine schwere Zeit durch und man musste vorsichtig sein, um die junge Frau nicht unnötig mehr zu reizen. Sicher hatte es Xanders Chefin überlebt, sonst würden sie nicht alle so ruhig bei einander sitzen. „Uhm.. ja,“ räusperte sich Giles und konzentrierte sich auf den anderen Teil von Xanders Erzählung. „Träume?“, Giles ging zu einem freien Stuhl am Konferenztisch und zog ihn zurück. „Die Prophezeiungsträume? Und ehm... welche Magier?“ Er ließ sich auf den Stuhl nieder.
 

„Es hat nichts mit den Prophezeiungsträumen zu tun, okay?“ beruhigte Faith, obwohl sie selbst innerlich sehr aufgewühlt war. „Und wir reden hier von den Magiern aus Silent Hill.. Monster, Zombies, Dämonen, Kimberly--- Eve... wenn sich ihr greises Gehirn erinnert?“, Faith lief im Zimmer auf und ab. Buffy grinste breit bei Faith letzten Worten und vermied es Giles anzusehen, während Lily mit amüsierten Blick platz nahm und Kennedy Willow half die Reste des Zaubers wegzuräumen, wobei beide unterdrückt grinsen mussten. „Sie erinnern sich doch? Ich habe Robin damals allerdings nicht die ganze Wahrheit erzählt. Ich hab’ verschwiegen, dass mir einer der Magier eine verdammte Vision „schenkte“. Eine Vision über einen Reiter und dieser kehrt in meinen Träumen immer wieder zurück. Aber ich schätze Buffy hat ihnen davon schon erzählt.“
 

„Ja, das hat sie in der Tat,“ Giles nickte beipflichtend. „Fahr ruhig fort.“
 

„Es gibt nicht viel mit dem ich fortfahren könnte. Manchmal habe ich den Traum mit den Reitern, manchmal träume ich von Eve, gegen die ich in Silent Hill kämpfen musste... ich wollt’ von den Magiern nur wissen, ob sie ein neues krankes Spiel mit mir spielen oder ob es einfach nur Träume sind. Mehr nicht.“
 

„Und was kam dabei nun raus?“, meldete sich Kennedy neugierig zu Wort, die unangenehm an ihren eigenen Traum vor einem Tag erinnert wurde.
 

„Kein Spiel, nur Träume.“ Und damit log Faith nicht einmal. Das für sie die Antwort der Magier viel mehr bedeutete, musste niemand interessieren. Und Xander war zu sehr mit Eve beschäftigt, um verstanden zu haben, um was es Faith ging.
 

„Und deswegen solch ein mächtiger Zauber?“
 

„Nur ein komplizierter,“ meldete sich Willow leise und verteidigend zu Wort, aber niemand nahm davon Kenntnis. Wusste Giles, dass dieser Spruch eine Gefahr der erneuten Verlockung geboten hatte, oder hatte er es einfach nur erahnt?
 

"Ja, deswegen ein mächtiger Zauber. Es war einfach notwendig, oder wär’ es ihnen lieber gewesen, dass Willow den Zauber nicht gemacht hätte, und ich dafür durchgedreht wäre?" wütend sah Faith den alten Wächter an.
 

Überrumpelt von der ungewöhnlichen Antwort gab Giles nur ein leises "Äh.. nein natürlich nicht,“ von sich und kramte etwas aus seiner Innentasche heraus.
 

"Na dann is` ja gut!" murmelte Faith gedankenverloren.
 

„Ich hoffe nur ihr habt diese kleine „Reise“ unbeschadet überstanden,“ fügte Giles ermüdet hinzu und faltete den Zettel aus seiner Tasche auf. Sie alle im Raum waren erfahren genug, um zu wissen, wie gefährlich manche Dinge einmal waren. Er ersparte sich eine belehrende Rede.
 

„Na ja mir ist ein wenig schwindlig..“, gab Xander zu.
 

„Und mir brummt der Schädel,“ ergänzte Faith, verstummte jedoch, als ihr bewusst wurde, dass sie damit nur Giles Bedenken recht gab.
 

Doch Giles war mit seinen Gedanken bereits einen Schritt weiter. „Nun.., gut. Wenn wir hier allerdings gerade von Reitern sprechen... ich habe etwas gefunden, das alle interessieren wird.“
 

Gebannt starrten die anderen Giles an, der sich die Zeit nahm seinen Zettel zu studieren, ohne zu bemerken, wie ungeduldig die anderen wurden.
 

„Giles?“
 

„Hm?“ Der Wächter blickte fragend zu Buffy auf.
 

„Würden sie sich einfach etwas beeilen? Wir warten...“
 

„Oh.. natürlich. Ich wollte nur sicher gehen, dass ihr mir alle eure ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt... also... gestern hat Buffy ein altes Buch auf dem Friedhof gefunden, hinter dem eine kleine, unbekannte Gruppe her war. Einer davon war auf jeden Fall ein Dämon. Wir haben gestern Nacht herausgefunden, dass dieser Dämon keiner Gattung angehört, die sich mit Grabräuberei bereichert. Es besteht also die Möglichkeit, dass jemand in Cleveland ist, der ebenfalls Interesse an diesem Buch hat...“
 

„Und wieso?“, unterbracht Lily Giles Ausschweifungen.
 

„Nun, das wissen wir nicht. Ich habe noch nicht herausgefunden, über was dieses Buch genau handelt. Es gab allerdings ein paar interessante Abbildungen darin, die offensichtlich unsere Reiter darstellen. Nach dem Buffy gegangen ist, habe ich weiterhin feststellen können, welche Ziele diese Reiter verfolgen!“
 

Diese Neuigkeit schlug wie eine Bombe ein. Es wurde sofern es möglich war, noch leiser im Raum und Giles konnte sicher sein, dass jeder an seinen Lippen hing.
 

„Es gibt in O’Baily’s Buch sehr viele Querverweise, die mir weiterhalfen. Ich bin mir mit den Übersetzungen hundertprozentig sicher, dass es sich bei diesen vier Reitern um dämonische Wesen handelt, die zusammen Vernichtung bringen werden...“
 

„Erzählen sie uns was neues, Giles,“ murmelte Faith. „Unsere Träume haben uns das längst verraten.“
 

„Nun... aber sie haben euch nicht gesagt, woher diese Reiter kommen werden.. jedenfalls nicht direkt, nur verschlüsselt. Buffy erzählte mir von einer Pyramide, von Eis und Wasser... Ich dachte zu nächst, es hätte etwas mit den Elementen zu tun, wobei mir nicht einfallen wollte, für was die Pyramide steht. Doch dann fand ich einen Hinweis, der leider sehr unvollständig war. Er erwähnte, dass die Wesen, einmal erweckt, aus vier Richtungen kommen werden. Mir ist es leider nur gelungen in Erfahrung zu bringen, das drei der Reiter auf jeden Fall aus Asien, Afrika und Europa aufbrechen werden. Das ist nicht viel, aber wir haben neue Ansatzpunkte. Wenn ihr mir bei den weiteren Recherchen helfen würdet, kämen wir vielleicht voran.“
 

Die Begeisterung hielt sich in Grenzen und Xander sah auf die Uhr. „Eigentlich wollte ich meinen freien Tag mit etwas.. nun entspannenderem verbringen... und wo steckt eigentlich Dawn?“
 

„Sie ist bereits zur Schule aufgebrochen,“ erklärte Lily. „Aber wir könnten Andrew anrufen...“
 

„Der muss arbeiten,“ beeilte sich Xander hastig mitzuteilen und war froh, dass den anderen die Aussage reichte und niemand nachfragte. Buffy schenkte ihm jedoch einen verständnisvollen und wissenden Blick.
 

„Ich hole Robin,“ bot sich Faith an und verschwand ohne auf eine Antwort zu warten. „Und vielleicht ist Ronah noch da,“ rief sie vom Flur aus zurück.
 

++++
 

Einige Minuten später...

“Könntest du dir dieses Bild einmal genauer betrachten?“, Giles schob Lily das Buch vom Friedhof zu, dass er an der Stelle aufgeklappt hatte, wo die vier Reiter um eine Kugel herum abgebildet dargestellt waren. In diesem Moment kam Robin mit Faith herein, während Xander zusammen mit Kennedy am Buchregal nach den aufgetragenen Titeln suchten.
 

„Faith sagte, sie brauchen Unterstützung?“
 

„Jeder Zeit, Robin... setzen sie sich und greifen sie zu,“ grinste Buffy und schob dem jungen Wächter ein paar Bücher zu.
 

„Und nach was suchen wir?“
 

„Textstellen, die Aufschluss darüber geben, wieso vier Reiter aus vier verschiedenen Himmelsrichtungen aufbrechen werden, um Vernichtung über die Welt zubringen.“, fasste Willow trocken das wenige zusammen, das sie alle selbst wussten.
 

„Ach ja...,“ Robin setzte sich mit verwirrtem Gesichtausdruck.
 

„Meine Aufzeichnungen,“ Giles reichte dem Mann einen Notizblock. „Damit können sie sich ins Bild setzten.“ Robin nahm ihm die Aufzeichnungen ab und begann zu lesen.
 

„Ich habe das hier noch nie gesehen,“ unterbrach Lily knapp die Unterhaltung und gab Giles das Buch zurück. Ihre Hand zitterte leicht, doch niemand bemerkte es. „Sieht aus wie eine Sonne oder der Mond... etwas zentrales. Vielleicht ist das der genaue Zeitpunkt, an dem die Reiter ihre Vernichtung beginnen.“
 

„Wäre durchaus möglich,“ überlegte Giles und wurde von Willow in seinen Gedankengängen unterbrochen.
 

„Darf ich’s mal sehen? Vielleicht kann ich es einscannen und in einigen Foren online stellen.“ Giles reichte das Buch an Willow weiter. Lilys Blick folgte der Bewegung und in ihrem Inneren tobte die Verzweiflung.. das war das ersehnte Buch, das Regil nicht beschaffen konnte.. so nah und doch so fern...
 

„Oh du meine Güte,“ entfuhr es plötzlich Willow. „Das ist keine Sonne und schon gar nicht der Mond.. ich kenne diese Kugel.. Jedenfalls glaub’ ich es. Sie hat sehr große Ähnlichkeiten mit der Kuppel in der mich D’Hoffryn festhielt, als er Warren auf Kennedy hetzte. Das sind tatsächlich kleine Energieblitze oder Strahlen, bei mir waren es allerdings kleine Flammen die um die Kugel herum züngelten. Und das hier,“ sie deutete auf den Schatten im inneren der Kugel. „Ist irgendetwas, das festgehalten wird.“
 

„Bist du dir sicher?“, fragte Giles aufgeregt nach.
 

„Nicht hundertprozentig, aber doch ja....“
 

„Ich hab diesem Dämon noch nie über den Weg getraut,“ entfuhr es Buffy. „Jetzt hab ich wohl endlich einen Grund, ihm mal auf den Zahn zu fühlen. Sagen Sie mir bitte, dass er etwas mit den Reitern zu tun hat.“
 

„Das würde ich gerne,“ erklärte Giles, „aber dazu reichen die Beweise nicht. Wir müssen das dringend überprüfen. Vielleicht sieht diese Kugel auch nur Willows Kuppel ähnlich. Es muss nicht unbedingt etwas bedeuten...“
 

Buffys Blick verfinsterte sich. „Ich wüsste jemanden, der uns auf all diese Fragen ein paar Antworten liefern könnte..“
 

++++
 

Black Pearl

früher Nachmittag

Buffy sprang von der Leiter auf den Boden und blickte sich rasch in der verhältnismäßig gut besuchten Black Pearl um. Viele Tische waren belegt und Stimmengewirr erfüllte die stickige Luft, trotzdem behielt Buffy den Überblick über die Tische. Sie fand nach was sie suchte...
 

„Na sieh mal einer an.. wenn das nicht mein Freund Regil ist....“, sie trat an einen der hinteren Tische heran, an dem Regil zusammen mit Mo und zwei spitzohrigen, schlammbraunen Dämonen Poker spielte.
 

Der Echsendämon sah überrascht von seinem Blatt auf und als er Buffy erkannte, fielen ihm prompt die Karten aus der Hand.
 

„Mann eh... Regil hat Full House... Junge... dir sind gerade ein paar Dollar durch die Lappen gegangen,“ der Dämon zu Regils Linken ließ sein schlechtes Blatt sinken. Die anderen beiden waren offensichtlich schon früher aus dem Spiel ausgestiegen. Regil zischte erbost und funkelte Buffy mit seinen gelben Reptilaugen an.
 

„Ihr kennt euch, kleine Jägerin?“, Mo blickte zwischen Buffy und Regil hin und her. Etwas beunruhigte ihn... er wusste nur nicht, ob es Regils nervöser Blick war oder Buffys wütendes Gesicht.
 

„Oh ja.. wir kennen uns.. warte..,“ Buffy zählte jeden Punkt mit ihren Fingern mit. „Seit gestern Nacht...eine zerstörte Gruft später... ein interessantes Buch reicher....“
 

„Du hast Schwierigkeiten mit der kleinen Jägerin, Regil?“
 

„Ohm.. nicht wirklich.. wirklich nicht Mo... es ist nichts Ernstes.. nur ne Meinungsverschiedenheit.“
 

„Na also.. nichts was man nicht regeln könnte, oder?“ Mo sah fragend zu Buffy, die ihren finsteren Blick nun auf Mo richtete.
 

„Ich weiß nicht wie gut ihr befreundet seid und ich werde keine Zeit damit verschwenden, es herauszufinden. Ganz gleich wie... ich habe sicher nicht unser Abkommen vergessen Mo... aber das Abkommen bezieht nur dich und deine Familie ein. Nicht solche kleine Ratten hier, die nachts auf dem Friedhof herumschleichen und Bücher suchen, die mit Prophezeiungsträumen zu tun haben.“ Sie ging um den Tisch herum und ehe Regil reagieren konnte hatte sie ihn am Kragen vom Stuhl gerissen. Der Stuhl fiel polternd um und neugierige Blicke richteten sich auf Buffy und Regil. „Du kommst mit mir mit...“
 

„Halt,“ Mo sprang von seinem Stuhl und legte eine seiner großen Hände beruhigend auf Buffys Schulter. „Du nimmst keinen meiner Kunden einfach so mit. Erstens muss er noch bezahlen, zweitens wüsste ich gerne, um was genau es geht und drittens - wo kommen wir denn dahin, wenn wir hier nicht mal mehr sicher vor den Jägerinnen sind!“
 

Buffy wandte sehr langsam ihren Kopf zu Mo herum, während Regil unter ihrem festen Griff herumzappelte. Der düstere Blick der Jägerin überraschte Mo, aber er hatte nicht vor einfach so zu zusehen, wie Kunden, die sich hier bei ihm in Sicherheit wogen, von einer Jägerin verschleppt wurden. Jeder wusste, das eine Jägerin Dämonen den Tod brachte und niemand konnte mit Sicherheit sagen, dass Regil nicht solch ein Schicksal ereilen könnte.
 

Buffy neigte ihren Kopf zur Seite um besser an Mo hinaufblicken zu können. Als sie sprach, war ihre Stimme leise, aber die Drohung darin war kaum zu überhören. „Ich wüsste nicht, wie du mich davon abhalten könntest. Und verlass dich nicht zu sehr auf deine Unantastbarkeit. Ihr könnt alle froh sein, dass wir diese Bar nicht längst hops genommen haben. Wegen den paar Informationen alleine, die wir bekommen, verschonen wir euch sicher nicht.“

Die Blicke von Mo und Buffy trafen sich und hielten sich einen Moment gefangen, ehe Mo stumm einen Schritt zur Seite trat. Es lag keine Angst in seinen Augen, nur eine Art determinierter Resignation.
 

Er sah ihnen hinterher, als Regil von Buffy die Leiter nach oben gescheucht wurde und fällte eine Entscheidung...
 

++++
 

An Deck

Ungehindert war Buffy mit Regil an Deck gelangt und wenig darauf erpicht Rücksicht auf Regils Gesundheit zu nehmen, warf sie den Dämon von sich. Regil prallte gegen das Führerhäuschen, Holz ächzte und die Planken wankten. Noch ehe Regil auf die Füße kam, war Buffy an seiner Seite. Sie trat mit ihrem Stiefel auf seinen Rücken und bohrte ihre Ferse tief in sein Fleisch, um ihn am Boden zu halten. Er stöhnte auf und versuchte sich zu befreien.
 

„Jetzt reden wir Klartext... hören wir auf mit den Lügen und dem Spiel ‚ich erzähl dir nichts’.“, schlug Buffy eiskalt vor und ignorierte die Ausbrechversuche von Regil.
 

“Ich hab’ keine Ahnung was du meinst, Jägerin,“ wimmerte Regil und wand sich unter Buffys Fuß. Es fiel Buffy langsam doch schwer den Dämon unten zu behalten. So jämmerlich wie er sich gab, hatte Buffy ihn bis lang kraftlos eingeschätzt. Doch da hatte sie sich wohl geirrt.
 

Sie bückte sich herunter, packte aus Mangel an Haaren Regil am Kragen und zog ihn wieder in die Höhe.
 

„Wer hat dir den Auftrag gegeben nach diesem Buch zu suchen?“
 

„Das kann ich dir nicht sagen... oh.. nein....nicht...“
 

Doch Buffy kümmerte sich nicht um Regils Protest, als sie ihn mit sich schleifte und ohne zu zögern seinen Kopf hart gegen die Kurbelanlage eines alten, nicht mehr im Einsatz befindlichen Fischernetzes schlug. „Wir können diese Unterhaltung auf die harte Tour führen, oder ganz zivilisiert.. das hängt ganz von dir ab.“
 

Plötzlich fiel eine schwere Hand auf ihre Schulter und instinktiv griff Buffy nach hinten, umklammerte das Handgelenk und zog daran mit einem gewaltigen Ruck, während sie sich zur Seite drehte. Jemand Großes und Massiges flog über ihre Schulter und landete auf den Planken, die verdächtig nachzugeben drohten...
 

„Oh.. mein Gott.. MO... das tut mir leid... ich wusste nicht...“, verlegen verstummte Buffy und half Mo auf die Füße. „Schleich dich am besten nie wieder an mich ran.“
 

„Das hab ich gar nicht getan,“ murmelte Mo verstimmt. „Aber du warst zu beschäftigt, einen meiner Freunde zu zerlegen.“ Mo deutete zu Regil, der noch immer am Boden lag und sich seinen Kopf hielt.
 

“Er ist selbst schuld.... er muss nur reden...“
 

“Ich kann nicht...“ stammelte Regil. “Sie... sie werden mich töten!“
 

Mo half Regil auf die Beine, und sah ihn eindringlich an. “ ’Sie’ sind jetzt dein geringstes Problem, Regil. Ich rate dir dazu, dein Gewissen zu erleichtern, und ich rate es dir im Guten.“
 

Seltsamerweise schienen diese Worte einen weitaus größeren Effekt auf den schuppigen Dämon zu haben, als Buffy’s Tritte und Schläge. Er schluckte, sah Mo furchtsam an, und begann zu erzählen: “Also gut,“ er blickte sich jedoch noch ein einziges Mal gehetzt um, ehe er fortfuhr: “I-i-ich arbeite für eine Organisation...die Organisation. Sie macht eine Menge krummer Dinger, aber ich bin nur ein kleiner Fisch, ein Handlanger. Ich bekomme Befehle, und führe sie aus. Ein kleines Glied in einer großen Kette, niemand würde mir sagen, wer hinter einem Auftrag steht...“
 

“Die Organisation also...“ Als Buffy Mo verwirrt anblickte, begann er zu erklären. “Von denen haben wir schon gehört. Du kannst sie gerne als das dämonische Gegenstück zur Mafia bezeichnen. Waffenschieberei, Drogenschmuggel, Schutzgelderpressung, Prostitution, Auftragsmord... alles dabei.“
 

Buffy hatte schweigend zugehört und nur kurz erstaunt die Augenbrauen in die Höhe gezogen, als Mo sie noch etwas konkreter ins Bild setzte. Eine dämonische Mafia... was es nicht alles gab und mit was das Böse sie nicht immer wieder zu überraschen verstand. „Und wo finde ich diejenigen, die wissen könnten, wer hinter einem Auftrag steht?“
 

“Bitte, Zaddik... ich hab’ das alles nicht gewusst,“ flehte Regil. “Es ging nur um diesen einen Auftrag, ich wollte ein nur bisschen Geld, ich wollte doch niemals...“
 

“Beantworte die Frage, Regil.“ Mo’s Stimme klang völlig emotionslos, sein Gesichtsausdruck unergründlich.
 

Regil nickte zitternd. “Wie gesagt, sie nennen sich selbst „Die Organisation“ und haben überall einen Sitz. Sie haben sich einen klaren Vorteil damit verschafft, dass sie mit Menschen zusammenarbeiten. Du findest sie überall. Aber wenn du nach jemanden suchst, der etwas zu sagen hat, fängst du am besten mit der McGregorian Fischfabrik an.“
 

„Und wo finde ich die genau?“
 

“Sie liegt im Grenzgebiet.“
 

„Und wie finde ich dort jemanden, der mit etwas zu sagen hat?“, Buffy hasste es, wenn sie alle Informationen einem aus der Nase ziehen musste. Aber natürlich hatte sie dank Mo schon mehr von Regil erfahren, als sie gehofft hatte. Wieso auch immer Regil redete...auch diese Antwort blieb er ihr nicht schuldig. „Ich.. ich kann dir einen Namen nennen... aber den hast du nicht von mir....verstanden?“
 

AKT 3
 

Fabrikanlage „McGregorian“

Nachmittag

Langsam trat Buffy auf das große Tor zu, das den Haupteingang der „McGregorian Fischfabrik“ bildete. Es war ein weitläufiges Gelände, und ein großes Bürogebäude befand sich am Ende des Weges, der von Sträuchern gesäumt war. Soweit stimmte bislang Regil’s Beschreibung.
 

Sie wollte das Betriebsgelände schon betreten, als sie vor dem Haupteingang des Bürogebäudes zwei Sicherheitsmänner erblickte, die langsam auf und ab wanderten. „Oh.. na das ist ja sehr unauffällig..“, flüsterte die Jägerin und entschied sich dafür, doch einen Hintereingang zu suchen.
 

Sie lief das schwarze Eisengitter entlang, bog in eine Seitenstraße ein, und erkannte in einiger Entfernung die Lieferanteneinfahrt. Sie verlangsamte ihre Schritte, bog in die Einfahrt ein und lief beinahe gegen das Gittertor, welches die Einfahrt versperrte.
 

„Na toll..“, flüsterte Buffy, und lächelte den Sicherheitsbeamten freundlich an, der ihr gegenüber hinter dem Tor stand.
 

„Was machen Sie hier?“ fragte er hölzern, und sah sie genervt an.
 

„Ich? Äh.. ich hab mich verlaufen. Ich bin nicht von hier.. wissen Sie..“ Buffy lächelte übertrieben. „.. und noch dazu bin ich blond.. da ist Cleveland einfach zu groß für mich!“
 

„Verschwinde!“ bellte er wieder, und Buffy zuckte lustlos mit den Schultern.
 

Unangenehmer Kerl, ging es ihr durch den Kopf, während sie sich von der verschlossenen Einfahrt entfernte, und wieder den Zaun entlang ging. Nach einigen Metern blieb sie stehen und sah sich um. Der Wachmann hatte sich eine Zigarette angemacht, und lehnte nun mit einem zufriedenen Lächeln an seinem Wachhäuschen.
 

Buffy vergewisserte sich, ob sie irgendeinen seiner Kollegen sah, spannte ihre Muskeln an, und sprang mit einem Salto über den Zaun hinweg. Sie landete auf hartem Betonboden und erkannte in ca. 200 Meter einen Stapel von Kanistern. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern hechtete sich die Jägerin hinter das Versteck, amtete tief ein, und streckte dann ihren Kopf um das rechte Ende des Stoßes, um die Umgebung auszukundschaften.
 

Vor ihr erstreckte sich eine ältere Fabrikanlage, die direkt an das alte Bürogebäude angebaut worden war. Es war einige Stockwerke hoch, und die zum Teil fehlenden Seitenwände gaben Buffy Einblick in das betriebsame Innere.
 

Mächtige Maschinen standen in dem alten Stahlgebäude aneinandergedrängt und neben den Rauchschwaden drang auch noch mächtig viel Lärm aus dem Gebäude. Die quietschenden Geräusche erinnerten Buffy an das Wimmern eines Kindes. Hinter diesem Bau befand sich ein großer Lagerplatz, auf dem sich Buffy nun befand und auf dem jede Art von Ware, die eine Fischfabrik benötigte abgelegt waren. Buffys Blick verdüsterte sich, als sie zwischen den vielen Arbeitern, die durch die Gänge des Fabrikgebäudes liefen, echsenartige Dämonen erkannte. Die Sicherheitsleute waren neben Menschen auch rothäutige Dämonen, so dass sie nicht im Traum daran gedacht hätte, hier auf Regil’s ‚Verwandtschaft’ zu stoßen. „Kleiner Fisch.. ja, wer’s glaubt,“ stieß Buffy mürrisch aus.
 

Das meiste auf dem Gelände wurde jedoch von den Menschen erledigt - sie liefen auf dem Lagerplatz umher, lieferten frische Fische an, holten Kanister voller Fischpaste wieder ab und betrieben die Verarbeitungsmaschinen. Die Echsendämonen hingegen rannten die meiste Zeit umher und gaben irgendwelche Befehle an Mitarbeiter mit niedrigerem Rang weiter oder hatten in einem anderen Teil der Fabrik zu tun, wo zusätzlich eine große Anzahl der rothäutigen Dämonen mit Uniformen patrouillierten. Eines war für Buffy klar – dort hinten wurden sicher keine Fische verarbeitet.
 

Buffy fand es äußerst interessant, wie viel Arbeit sich einige Dämonen machten, um ihre wirklichen Absichten zu vertuschen.
 

Auf einmal stach Buffy ein widerlicher Gestank in die Nase, der ihr den Magen umdrehte. Sie musste sich fast übergeben, bis ihr bewusst wurde, dass ihr der penetrante Fischgeruch die ganze Zeit über gar nicht aufgefallen war. Dafür jetzt um so heftiger.
 

Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, spähte sie wieder um die Ecke, und fand endlich eine Tür, die in das Gebäude führte. Es gab nur ein Problem. Zwischen ihr und der Tür befanden sich sicherlich um die 10 Wachleute, die mehr oder weniger aufmerksam durch die Reihen aufgestellter Fischkanister, Gefriercontainer und Werkzeugkisten patrouillierten.
 

„Verdammt...“ fluchte Buffy, und sah sich Hilfe suchend auf dem Gelände um. Was konnte sie machen? Sie MUSSTE in dieses Gebäude, und jetzt wo sie schon auf halben Weg drin war, würde sie nicht aufgeben. Auf einmal hatte Buffy eine Idee.
 

Sie sprang auf, und trat eine der unteren Tonnen weg. Mit einem lauten Knall schoss sie aus der Konstruktion, fiel zu Boden, und rollte langsam auf das Gebäude zu. In der nächsten Sekunde stürzte der halbe Stoß ein. Buffy machte eine Rolle zur anderen Seite der Lagerfläche, spähte um die Ecke, und erkannte, dass es funktioniert hatte. Es war völliges Chaos ausgebrochen. Die Sicherheitsleute liefern alle direkt auf die Stelle zu, an der die Tonnen zu Boden gekracht waren, und Buffy nutzte den Moment der Unachtsamkeit, lief zwischen den Gefriercontainern mit toten Fischen und den restlichen Tonnen mit Fischpaste hindurch, sprang über ein Rohr, lief an einigen Stahlstangen vorbei, und drückte sich dann ruhig gegen die Wand.
 

Hatte sie jemand gesehen? Ging der Alarm los? Buffy versuchte angestrengt etwas zu hören, doch ein Alarm blieb aus. Erleichtert atmete sie aus, drehte sich zur Tür, und wollte gerade die Türklinke nach unten drückten, als ein lautes „WER SIND SIE DENN?“ von rechts kam.
 

Buffy sah erschrocken auf und blickte in das finstere Gesicht eines rothäutigen Dämons, der die Uniform eines Wachmannes trug.
 

„Ähm, es ist so. Mein Freund John arbeitet hier, und ich muss ihm unbedingt eine freudige Nachricht vorbei bringen..“ log sie, griff sich mit der rechten Hand auf den Bauch und lächelte den Wachmann unschuldig an.
 

„John Wer?..“ kam eine weitere Stimme hinter ihr hinzu.
 

„John Doe!“, grinste Buffy den Wachmann vor sich an und hatte gerade noch Zeit, dem Schlag von hinten auszuweichen, in dem sie eine Rolle nach vorne machte, und damit genau vor dem ersten Wachmann zum stehen kam.
 

“Hi..!“ flüsterte sie. Er sah sie verwirrt an, bevor sie ihm kräftig in die Weichteile schlug. Von einer Sekunde auf die nächste ging schrillend der Alarm los, und Buffy hörte hysterische Schreie. Schritte kamen auf sie zu...
 

Die Jägerin starrte in des Gesicht des zweiten Wachmanns, wich einem weiteren Schlag aus, wurde von hinten gepackt und gegen die Wand geschleudert.
 

„Au.. das hat weh getan!“ schrie Buffy, als sie wieder auf ihre Füße kam und die zwei Angreifer wütend anfunkelte. Aus den Augenwinkeln sah sie mindestens 3 weitere Sicherheitsleute, die sich ihrer Position näherten, auch Menschen waren dabei.
 

Einer der Dämonen schnaufte wütend, wollte Buffy greifen, und bekam allerdings nur ihren Fuß ins Gesicht geschlagen. Benommen stolperte er zurück.
 

„Ich denke ich werde John in den Wind schießen!“ sagte Buffy, drehte sich um die eigene Achse, erfasste den zweiten Sicherheitsmann, bleib stehen, fasste nach seinem Hinterkopf, und schlug diesen kräftig gegen die Hauswand. „Richtet ihm schöne Grüß von mir aus!“ schrie Buffy, lief an einem herannahendem Wachmänner vorbei und lenkte ihre Schritte Richtung Zaun.
 

„HALT!“ schrie plötzlich jemand, und ein Schuss wurde abgefeuert. Buffy stand bereits direkt vor dem Zaun, doch als eine weitere Kugel an einem der Gitterstände abprallte, blieb sie stehen, und hob die Arme.
 

Langsam drehte sie sich um, und erkannte, dass einige Meter entfernt der Wachmann stand, der sie vorhin vom Lieferanteneingang verscheucht hatte.
 

„Ich sagte dir doch, dass du verschwinden sollst!“ sagte er wütend, während sich seine Kollegen von hinten näherten.
 

‚Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, bin ich tot..“ schoss es ihr durch den Kopf, als sie die enorme Anzahl an Wachleuten erblickte.
 

„Okay.. okay. Wie du möchtest!“ sagte sie plötzlich, ging in die Hocke, und machte einen Rückwärtssalto über den Zaun. Ein weiterer Schuss zischte durch die Luft, und verfehlte Buffy nur um haaresbreite, als sie auf der Straße landete.
 

Die Sicherheitsleute begannen alle ihre Waffen zu ziehen, und Buffy blieb nichts anderes übrig, als wie wild um ihr Leben zu laufen.
 

„Das ist ja richtig in die Hose gegangen..“ flüsterte sie leise und verärgert, als sie von der Nebengasse den Schusslärm hinter sich ließ, und auf die Hauptstraße einbog.
 

++++
 

Ratsgebäude

Etwas später

„Es gab einfach keine Möglichkeit reinzukommen,“ regte sich Buffy sichtlich frustriert auf und schloss damit ihren Bericht über den Versuch in die McGregorian Fischfabrik einzudringen ab.
 

„Also ich weiß nicht... draufhauen und rein... die Methode funktioniert doch meistens?“ Faith schob das Buch vor sich zur Seite und streckte ihren verspannten Körper ungeniert in alle Richtungen.
 

„Hey.. du hast die kleine Armee Wachposten vergessen. Die haben bestimmt nicht nur die Fischkonserven bewacht. Jeder normaler Mensch würde bei dem Gestank um die Fabrik das Weite suchen. Dafür brauchen sie keine halbe Robocops.“ Buffy war die ganze Geschichte sehr peinlich, und sie hatte ein enormes Verlangen sich zu verteidigen. Und das einfaches Drauflosrennen nicht viel brachte, hatte sie ja selbst erst bewiesen. Faith schenkte ihr ein zuckersüßes Lächeln, das Buffy mit einem nicht all zu ernst gemeinten bösen Blick erwiderte.
 

“Und du hast vergessen, dass sie auf mich geschossen haben.“
 

Während die beiden Jägerinnen noch darüber zu diskutieren schienen, ob Buffy nun versagt oder einfach nur Pech hatte, wuchsen Giles Bedenken. Er schien sehr besorgt über die Tatsache, dass sie es in dieser Stadt nicht nur mit den gewöhnlichen Finsterlingen zu tun bekamen, sondern zu allem noch mit einem organisierten, dämonischen Verbrechen. Jedenfalls sprach sein Gesicht Bände und die stark aneinandergepressten Fingerspitzen, verrieten seine innere Anspannung. „Das klingt nicht gut.“
 

„Das klingt alles andere nur nicht gut,“ bekräftigte Willow, die ihre Recherche am Laptop abgebrochen hatte, als Buffy außer Atem in den Raum gestürmt war. „Das sind meiner Meinung nach ein paar Interessengruppen zu viel...“
 

„Als hätten wir nicht schon genug Probleme,“ stöhnte Xander und rieb sich die Augen. „Das ist wie bei der letzten Schlacht um Minas Tirith – kaum hat man eine Reihe zerschlagen, rücken gleich die nächsten auf.“
 

„Tja, nur uns stehen keine toten Krieger zur Verfügung,“ seufzte Willow.
 

„Dann müssen wir wohl unsere Recherche ausdehnen,“ fragte Robin etwas überfordert mit den neuen Informationen und wurde von Ronah, die inzwischen auch zu ihnen gestoßen war, mit einem breiten Grinsen aufmunternd auf den Arm getätschelt. Es war offensichtlich, dass es ihr gut tat, auch mal einen Wächter ratlos zu sehen.
 

„Wenn ich das wüsste,“ gab Giles etwas resigniert zu. „Wir haben jede Menge an Informationen, nur kein Schema in das sie passen würden.“
 

„Vielleicht können Faith, Ronah und ich mit Buffy noch einmal los und diese Firma genauer unter die Lupe nehmen,“ schlug Kennedy vor.
 

„Nicht vor Dunkelheit,“ kam Giles Faith zuvor, die sichtlich angetan von diesem Vorschlag zu einer Antwort ansetzte.
 

„Richtig,“ stimmte Buffy zu. „In der Nacht haben wir ein paar Vorteile auf unserer Seite. Und wir haben vielleicht eine Chance ungesehen über die Mauer zu kommen. Willow,“ sie sah zu der Hexe. „Du könntest versuchen, im Netz etwas über diese Organisation herauszufinden. Vielleicht erfahren wir, wo sie überall mitmischen oder einen Firmensitz haben. Regil bezeichnete sie als „Die Organisation“ und bestätigte, dass sie mit Menschen gemeinsam arbeiten. Irgendetwas lässt sich sicher finden.“
 

„Okay. Ich leg gleich los,“ Willow tippte tatsächlich sofort auf ihrer Tastatur herum und setzte ihr konzentriertes Gesicht auf. „Ich versuch auch einen Lageplan der Firma aufzuspüren, vielleicht können wir so eine Schwachstelle finden, oder einen weiteren Hintereingang über den ihr reinkommt...“
 

„Fantastisch,“ stimmte Buffy Willows Plan zu und kam endlich neben Giles am Tisch zur Ruhe. „Wo ist Lily? Und sollten wir nicht endlich Andrew anrufen? Jede Unterstützung wäre gut.“ Dabei sah sie Xander eindringlich an.
 

Der zuckte nur mit den Achseln. “Wenn du meinst. Es sei denn, Klein-Phoebe ist zu beschäftigt, sich mit Cole-Schatzi in der Unterwelt zu amüsieren.“
 

Ehe sich jemand wundern konnte, hörten sie Schritte auf dem Flur und kurz darauf steckte Andrew seinen blonden, verwuschelten Kopf zur Tür herein. „Hab ich gerade meinen Namen gehört?“, er schien fast ein wenig glücklich über den Umstand, dass man ihn hier brauchte und kam sichtlich arbeitseifrig an den Tisch getreten. „Ich soll euch einen schönen Gruß von Dawn ausrichten. Sie war vorhin arbeiten und geht dann mit Lily ins Kino. Mal abschalten. Sie hat mich gebeten einfach vorbeizuschauen, um mal anzufragen, ob ihr noch etwas Hilfe von einem Superhelden gebrauchen könnt. Sie hat mit Buffy vorhin kurz telefoniert und gedacht...“
 

„Wir können jede Hilfe gebrauchen, ja,“ fiel Giles ihm ins Wort, ehe Andrews Ausführung ungebremste Ausmaße annehmen konnte.
 

„Super.. dann komme ich ja wie gerufen,“ mit einem Grinsen für Giles suchte sich Andrew einen Platz. Er sah kurz in die Runde und vermied es, Xander anzublicken. Es war ein Stuhl neben Robin frei, doch dadurch würde Andrew genau Xander gegenüber sitzen und darauf hatte er wenig Lust. Streng genommen blieb Andrew nur die Möglichkeit sich neben Willow zu setzen oder aber auffällig weit von den anderen Platz zunehmen – nur um nicht in Xanders Nähe zukommen. Auffallen wollte er jedoch um keinen Preis und den damit verbundenen, unangenehmen Fragen ging er nur aus dem Weg, wenn er den Stuhl neben Willow wählte. Für wirklich gefährlich hielt er diese Wahl nicht mehr, nicht mehr so, wie er es noch vor Wochen oder ein paar Monaten empfunden hätte.. vieles war passiert, vieles hatte sich verändert.. leider auch einiges in Bezug auf Xander. Innerlich seufzend ging er zu Willow hinüber.
 

„Dawn ist mit Lily im Kino?!?“ Buffy sah fassungslos ihre Freunde an. „Typischer, gedankenverlorener Teenager,“ seufzte sie jedoch sofort resigniert und beließ es dabei. Es blieb so oder so keine Zeit übrig, um sich darüber aufzuregen. Obwohl Dawn wusste, was hier los war. Sie hatten, wie Andrew schon erwähnte, auf dem Weg von der Fabrik zu Giles am Handy telefoniert. „Ich wüsste nur zu gerne, was Lily für eine Entschuldigung hat.“
 

„Vielleicht fassen sie einfach einmal alles zusammen, was wir bisher haben,“ schlug Robin Giles vor, der nickte.
 

„Gut.. dann lasst uns sehen, was wir bereits wissen. Wir haben zum einen von drei Jägerinnen unterschiedliche Visionen und einen gemeinsamen Prophezeiungstraum über vier Reiter, die jedes Mal auf dieselbe Weise erscheinen - aus dem Wasser, aus Eis und aus unterschiedlichen Gebäuden. Zu viert bringen sie Vernichtung, zwei davon durch Wasser und Feuer. Leider wissen wir nicht, was zwei der Reiter für Zerstörungen bringen werden. Wenn es sich um Elemente handelt, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in Anbetracht ihrer Herkunft und dem was wir bereits wissen – über Feuer und Wasser, nun, dann könnte einer der Reiter etwas mit Eis und Schnee zu tun haben, aber das sind noch reine Spekulationen und ein Reiter bliebe übrig. Wenn meine Theorie stimmt, wäre es möglich, dass er etwas mit der Erde oder der Luft zu tun hat.“ Giles machte eine kurze Pause, damit die Anwesenden sich nicht von der Flut der Informationen überfordert fühlten.
 

“Weiterhin haben wir zwei Bücher, in denen die Reiter erwähnt werden – das Buch, das uns Faith von O’Bailey mitgebracht hat, zählt die Reiter im Zusammenhang mit den apokalyptischen Reitern auf, unterstreicht jedoch ausdrücklich, dass sie nicht dasselbe darstellen. Weitere Querverweise haben mich herausfinden lassen, dass alle vier Reiter von vier unterschiedlichen Kontinenten kommen werden – drei auf jeden Fall aus Asien, Afrika und Europa. Folglich fehlt uns somit nur noch eine Richtung, die ich dank fehlender Textstellen nicht ermitteln konnte.“
 

„Da gibt es ja nicht mehr viele,“ überlegte Willow laut. „Australien und Amerika?“ Sie fühlte sich im Moment sehr unwohl in ihrer Haut und war sehr froh, dass sie bei Giles Ausführungen nicht gezwungen war den Wächter anzusehen, sondern die Suche nach der Organisation an ihrem Laptop verfolgen konnte. Denn leider wusste sie nur zu gut, dass Dawn sicher der Schlüssel zu einem Teil von Giles aufgeworfenen Fragen war. Dawn konnte ihm beschreiben, was sie in ihrer Vision gesehen hatte und somit hätten sie zumindest herausgefunden, welche Art der Vernichtung der letzte Reiter im Bund bringen würde oder zumindest konnte Willow mit Giles über ihre Vermutungen offen reden.
 

Willow war überzeugt, dass Dawns Vision auf Amerika hinwies. Wieso sonst hätte Dawn Cleveland zerstört vor Augen gehabt? Aber das konnte sie alles nicht einfach so behaupten, ohne nicht Beweise zu liefern und die hätten schlicht und einfach „Dawn“ geheißen...und obwohl Willow am Morgen noch damit gedroht hatte, dem gesamten Rat reinen Wein einzuschenken, konnte sie jetzt, wieder ein wenig beruhigter, Dawn nicht so einfach hintergehen.
 

„Daran habe ich auch schon gedacht. Aber das werden wir erst herausfinden können, wenn wir mehr Quellen über die Reiter finden oder ich irgendwie an das fehlende Textstück komme, in der davon die rede war. Beides erscheint mir im Moment recht aussichtslos,“ seufzte Giles und blickte kurz auf seine Notizen hinunter. „Zudem müssen wir einen Code finden, der uns das Friedhofsbuch entziffern lässt.“
 

„Ich hätte da eine Idee,“ meldete sich Andrew leise zu Wort.
 

„Oh,“ machte Xander auffällig sarkastisch. „Sei nett zu ihr. Einzelkinder haben es schwer.“
 

Buffy stieß Xander neben sich den Ellbogen in die Seite, die den jungen Mann schmerzhaft das Gesicht verziehen ließen. Andrew jedoch zeigte mit keiner Bewegung im Gesicht, dass ihn Xanders Spitze getroffen hatte. Er sah einfach weiter unverwandt Giles an, der aufmunternd nickte.
 

„Nun... wenn wir vier Reiter haben... und drei Jägerinnen bereits eine Vision über einen der Reiter hatten.. dann.. dann besteht doch die Möglichkeit, dass eine vierte Jägerin eine vierte Vision hatte? Wir müssen sie nur finden...“
 

„Uhm... ich muss gestehen, diese Idee hatte ich letzte Nacht bereits verworfen. Buffy weiß von Emma, dass sie keine Vision hatte und Faith konnte gleiches von Kimberly und.. uhm.. Vi behaupten. Wie sieht es mit dir aus, Ronah?“, wandte sich Giles kurz an die dunkelhäutige Jägerin, die den Kopf schüttelte.
 

„Keine Reiter, keine Träume.“
 

“Wie ich vermutet hatte. Ich schätze, da drei Jägerinnen am selben Ort den Prophezeiungstraum hatten, bezieht sich alles auf Cleveland. Es besteht nur eine geringe Chance, dass außerhalb der Stadt eine Jägerin ähnliche Visionen hatte.. außer uns ist eine weitere Jägerin in Cleveland entgangen.“, fuhr Giles fort. „Und etwas muss es mit Buffy, Kennedy und Faith auf sich haben. Es ist bestimmt kein Zufall, dass sie Träume haben und Ronah zum Beispiel nicht.“
 

„Nun ja, aber Buffy hatte ihre Vision in Australien, Faith in Silent Hill.. es muss nicht an Cleveland gebunden sein....“, fügte Andrew kleinlaut hinzu. Er war von seiner Theorie überzeugt, aber irgendwie wagte er es nicht, weiter zu argumentieren. Er wusste nicht, was Xander den anderen erzählt hatte, er wusste nicht, ob sie vielleicht sauer auf ihn waren, und ob es besser wäre, einfach nur still zu sein, damit er nicht auffiel, und sich ihren Zorn zuzog. Außerdem, Giles musste es doch wissen, er war schließlich das Alpha Männchen im Wächterrudel.
 

Als wirklich niemand mehr etwas dazu sagte, sah Andrew verstohlen zu Willow, die aufsah und ihn anblickte. Sie wussten beide um Dawn, aber Andrew konnte kaum aufspringen und rufen: ‚Es ist Dawn..’ -- Dawn würde ihm den Kopf abreißen oder so beleidigt reagieren, dass sie ihn mit Missachtung bestrafen würde, was unweigerlich dazu führte, dass sie ihn nicht mehr anrief und er nicht mehr erfuhr, wann die Zentrale zu einer Schlacht blies, oder ein Notfall eingetreten war...
 

“Wahrscheinlich willst du nur von den wirklichen Hintermännern oder sollte ich Mann sagen, ablenken,“ knurrte Xander und erntete von Andrew nun doch einen verletzten Blick.
 

Ein betretenes Schweigen breitete sich aus, und die Tatsache, dass niemand nachfragte, was seine Bemerkung zu bedeuten hatte, bestätigte Xander’s schlimmste Befürchtungen. Sie wussten es, sie wussten es tatsächlich, und keiner hatte es für nötig befunden, ihm die Wahrheit zu sagen.
 

Und Andrew hatte ihn die ganze Zeit angelogen...
 

Der blonde Junge starrte auf den Tisch, ehe er langsam den Kopf hob. “Wenn ich weggehen soll, dann sagt mir das bitte gleich,“ Kleinlaut blickte er in die Runde, und sah in bestürzte Gesichter.
 

Xander wollte etwas sagen, wurde aber ungehalten von Giles unterbrochen. “Wie gesagt, wir können jede Hilfe gebrauchen, und wir haben jetzt Wichtigeres auf der Tagesordnung als Andrew's Privatleben, also können wir Streitigkeiten bitte später regeln?“
 

Die beiden jungen Männer nickten stumm und sahen zur Seite.
 

„Gut... dann kann ich nämlich fortfahren. Wo war ich... ah ja... wir haben abgesehen von den spärlichen Informationen eine mögliche Verbindung zu D’Hoffryn auf Grund einer Abbildung im zweiten Buch, in dem die Reiter um eine Energiekugel zu sehen sind, die Willow als jene Feuerkuppel erkannte, in der sie der Dämonenkönig gefangen gehalten hatte. Uns fehlt nur noch die Verbindung oder ein Beweis, dass eine solche besteht.
 

“Zu allem wird uns höchst wahrscheinlich ein Dämonen-Mob das Leben und die Arbeit unnötig erschweren. Sie waren bereits hinter einem der Bücher her. Es wäre natürlich für uns einfacher, wenn sie nicht mit Menschen gemeinsame Sache machen würden. In einem Kampf sind sie so klar im Vorteil. Wir müssen darauf achten wen wir töten oder einfach nur kampfunfähig machen dürfen. Doch ich schätze, sobald wir herausgefunden haben, wer der Auftragsgeber für die Suche nach dem Buch war, haben wir eine weitere wertvolle Antwort in unserem schier unlösbaren Rätsel gefunden.“
 

„Ich.. eh... würde die vierte Jägerin suchen,“ versuchte es Andrew trotz eigenem Entschluss erneut.
 

„Ich versuche.. nun... ehm... eine aufzuspüren,“ stimmte ihm Willow vorsichtig zu.
 

„Schaden kann es natürlich nicht....,“ gab Giles nach. „Aber ich sehe nur geringe Chancen.“
 

„Was ist mit den Münzen,“ warf Robin plötzlich ein. „Willow hat doch diese Münzen hier gelassen? D’Hoffryn’s Münzen?“
 

„Ja, sie sind hier. Im Tresor,“ pflichtete Giles bei.
 

„Und hinter ihnen war schon jemand her – Samielle“, erinnerte Buffy. „Wenn sie denselben Auftraggeber hatte, wie Die Organisation hätten wir ein Rätsel mehr gelöst...“
 

„Ja, nur können die Münzen leider nicht sprechen,“ klagte Faith und stand auf. „Ich schätze, wir kommen hier einfach nicht weiter.“
 

„Leider,“ gab Xander mit einem Seufzer von sich und dachte darüber nach, ob er Pizza spendieren sollte.. einfach nur in Erinnerung an alten Zeiten und weil sie hier viel zu lange saßen. Sein Magen knurrte bereits kaum überhörbar.
 

„Aber wir haben die Münzen und vielleicht haben wir nur etwas übersehen. Sie könnten der Schlüssel zu unseren Fragen sein. Ich hol’ sie schnell.“ Buffy verließ den Konferenzraum.
 

„Gut, sehen wir uns die Münzen noch einmal an,“ gab Giles nach, wobei Buffy bereits verschwunden war. „Auf jeden Fall werden wir sehr gründlich sein müssen. Etwas Großes kommt auf uns zu. Etwas Großen und Unheilvolles.“
 

++++
 

Vor Buffy’s und Dawn’s Wohnung

Früher Abend

Lily fuhr langsam vor dem Hochhaus vor, in dem Dawn und Buffy wohnten und sah schon von weiten, dass Dawn vor dem beleuchteten Eingang auf sie wartete.
 

Für einen Augenblick meldete sich Lilys schlechtes Gewissen.. da stand der Teenager.. kurz vor der Schwelle des Erwachsenwerdens und sie würde dafür sorgen... nein, darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Es war das Richtige, das sie tat. Das richtige, um die alte Ordnung wiederherzustellen. Es war zum besten von allen.
 

Wenn sie Zweifel haben sollte, dann nur darüber, ob alles glatt ging. Dawn durfte keinen Verdacht schöpfen.
 

„Hi, ein schöner Abend um ihn im Kino zu verbringen, nicht?“ fröhlich riss Dawn die Autotür auf und setzte sich auf den Beifahrersitz.
 

„Ja eigentlich fast zu schön um ins Kino zu gehen, meinst du nicht,“ lächelte Lily und deutete zum Eingang. „Das war sehr leichtsinnig.. du hast für jeden Vampir eine leichte Beute geboten. Ich wollte doch als Zeichen hupen...“
 

„Hey.. schon vergessen.. ich bin ne Jägerin. Einen Vampir hätte ich mit links erledigt.“ Sie zog einen Pflock zur Hälfte aus ihrer Umhängetasche, damit ihn Lily sehen konnte. „Und hupen ist keine gute Idee. Die alte Greenwich aus dem dritten Stock sucht ständig nach einem Grund, um sich über uns zu beklagen. Ihrer Meinung nach leben Buffy und ich im wilden Chaos. Ohne Sitte und Benimm.“ Dann wurde Dawn wieder ernster. „Wenn sie den Abend zu schön finden, um ihn mit mir...“
 

Dawns entsetzter Gesichtsausdruck, löste ein kleines Lächeln bei Lily aus, ehe sie dem Mädchen ins Wort fiel: „Keine Angst Dawn, es war nur Spaß. Um nichts in der Welt würde ich das heutige Ereignis verpassen wollen.“ Die feine Ironie in der Stimme der Wächterin entging Dawn vollkommen.
 

„Sie haben mich eben ganz schön erschreckt. Wissen Sie, ich bin wirklich froh, dass Sie mir diesen Vorschlag gemacht haben. Seit dem Morgen musste ich immer wieder über das nachdenken, was Willow und sie gesagt haben. Ich brauche jetzt einfach ne Abwechslung. Und zudem war ich wirklich schon lange nicht mehr im Kino. Außer dem einen mal in London.“ Traurig blickte Dawn aus dem Fenster, den vorrüberziehenden Menschen hinterher.
 

„Und da davor, war ich das letzte Mal mit meiner Mom und Buffy in einem Film.“ Sie schluckte. „Seit Ihrem Tod....“
 

„Ist nichts mehr wie früher.“ Vollendete Lily den Satz der Jägerin mit Mitgefühl in der Stimme.
 

Auf Dawns erstaunten Blick hin erwiderte die Wächterin: „Auch ich habe Menschen verloren, die mir sehr viel bedeutet haben. Einige mussten viel zu früh gehen.. andere, wie mein Vater wurden mir unerwartet genommen. Ich verstehe Dich sehr gut und weiß wie es ist, einen Elternteil zu verlieren. Natürlich ist es etwas anderes, wenn man in so jungen Jahren, wie du und Buffy die Mutter verliert, aber egal wie alt man ist... der Verlust der Eltern ist immer sehr schwer. Es ändert sich alles, aber nur für einen selbst. Für Außenstehende geht das Leben weiter wie zuvor. Es wird Beileid ausgesprochen und nach einiger Zeit haben die meisten es schon verdrängt. Nur man selber nicht. Denn alles ist anders, man ist auf einmal kein Kind mehr und man weiß unweigerlich, dass man jetzt wirklich alleine auf sich gestellt ist.“
 

„Ja, das stimmt wohl. Es sei denn, man hat eine große Schwester, die sich um einen kümmert.“ Dawn verdrängte die traurigen Gedanken und war für Lilys Worte dankbar. Sie nahmen nicht die Erinnerungen, aber das mussten sie nicht unbedingt. „Auf jeden Fall finde ich es toll, dass wir heute zusammen ins Kino gehen. Hm... ich habe mich für Troja entschieden. Für mich Brad Pitt und für sie den geschichtlichen Hintergrund... klingt das nach einem Kompromiss?“
 

Lily musste lachen. „Dawn - ich bin nicht so alt und trocken, wie du vielleicht glaubst.“
 

„Also nein.. ich hab sie nie für trocken und langweilig... äh, also nein.. ich hab das wirklich nicht geglaubt. Das haben die anderen... ach herrje,“ unterbrach sich Dawn verlegen, als sie bemerkte, dass sie sich in eine recht unmögliche Situation hinein manövriert hatte.

Seufzend gab Dawn ihren missglückten Entschuldigungsversuch auf. „Welchen Filmvorschlag haben sie denn?“
 

„Ich wollte dir ja die Wahl überlassen, wobei ich natürlich eher an einen ruhigeren, aussagekräftigeren Film gedacht habe, etwas mit Tiefgang, ohne viel Special Effects und vor allem mit mehr Nähe an der Vorlage...“, mit jedem Wort von Lily wurde das Gesicht der Jüngeren länger....
 

„Aber ich denke, dass uns sicher etwas Geschichtsunterricht mit viel Popcorn nicht schaden wird.“ Meinte Lily schließlich mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
 

Grinsend setzte sich Dawn noch bequemer in den Sitz und fing an die Autofahrt zu genießen. Das konnte ja nur ein super Abend werden.
 

Wie falsch hatten doch die anderen Lily immer eingeschätzt, für Dawn war sie einfach cool.
 

+++
 

Ratsgebäude

zur selben Zeit

“Ich finde hier absolut nichts über Die Organisation“, stöhnte Willow und klapperte auf der Tastatur herum. „Irgendwie gehe ich falsch an die Suche heran. Oder sie sind so vorsichtig, dass man ihnen wohl nichts nachweisen kann.“
 

„Wie wäre es mit den Polizeiakten,“ warf Robin ein. „Vielleicht gibt’s ein paar unaufgeklärte Mordfälle? Serieneinbrüche....“
 

„Und wie sollte uns das weiterhelfen?“ Faith hatte so ihre Zweifel, ob sie wirklich mit dem Verfolgen dieser Spur vorankamen. Diese Dämonen waren sicher nur ein kleines Glied in der Kette, die einen Auftrag ausgeführt hatten und wenn sie mit Kennedy und Buffy jemanden auftreiben konnten, der ihnen darüber Informationen gab, hatten sie doch alles was sie wissen mussten. Unnötig Energie zu verschwenden konnten sie sich einfach nicht erlauben.
 

„Ich versuch’s jetzt bei der Stadtverwaltung. Wenigstens den Lageplan werde ich doch finden...“
 

„Sie sind weg!“
 

Alle sahen überrascht zu Buffy auf, die mit fassungslosem Gesicht zurück aus Giles Büro kam. „Die Münzen.. sie sind einfach weg...“
 

++++
 

Kino

Am Abend, etwas später

„Was darf es sein?“ fragte der freundliche Verkäufer und lächelte Dawn mit seinen dunkelblauen, tiefen Augen an.
 

„Hmm..“, unsicher betrachtete sie die Preisliste, und wanderte dann mit ihrem Blick zu Lily, die neben ihr stand und verträumt ins Nichts starrte. Dawn räusperte sich, woraufhin Lily hoch schreckte, Dawn verwirrt ansah, sich dann aber wieder fasste, und sie anlächelte.
 

“Nimm dir ruhig was du willst. Heute soll ein ganz besonderer Tag sein..“
 

„Danke!“ Dawn überlegte noch kurz und nickte dann lächelnd.
 

„Popcorn XXL, bitte!“
 

„Wow.. okay.“ antwortete der Verkäufer, grinste, gab es in die Kasse ein und kümmerte sich um das Popcorn, während Lily das Geld auf die Theke legte.
 

“Der Rest ist für sie.“ Lily nickte dem Verkäufer zu, und sah auf die Uhr, und blickte dann zum Eingang des Saales, in dem der Film gespielt wurde.
 

Plötzlich drückte ihr Dawn die XXL-Tüte in die Hand, und sah nervös zwischen dem Kinosaal und der Toilette hin und her.
 

„Ich bin gleich wieder da.. ich muss nur noch schnell auf die Toilette.. !“
 

Dawn verlangsamte ihre Schritte und wollte nach der Türklinke greifen, als die Tür aufflog und zwei junge Frauen lachend aus dem Raum kamen. Sie blickte noch einmal kurz in Lily’s Richtung und musste lächeln, als sie die Wächterin nervös vor dem Saaleingang stehen sah, mit dieser riesigen Popcorn-Tüte in der Hand. Einige Leute ließen bereits ihre Karten entwerten und betraten den Vorführraum.
 

Langsam ließ Dawn die Tür hinter sich ins Schloss fallen und durchschritt den mit kalten, hellgrünen Fliesen ausgestatteten Raum. Die erste Kabine war besetzt, und da auf dem Boden der zweiten eine Flüssigkeit klebte, von der Dawn nicht einmal wissen wollte, wo sie her kam, trat sie in die dritte, schloss die Tür hinter sich, und setzte sich auf die Toilette.
 

Stille. Dawn atmete tief ein. Wie wohl der Film sein würde? Sie hatte ja nicht wirklich viel Gutes darüber gehört.. aber andererseits, wer sah sich Troja schon wegen der Story an? Dawn musste lächeln, erschrak aber kurz, als eine Spülung betätigt wurde, und das Wasser laut vom Spülkasten in die Schüssel in die Abwasserrohre schoss.
 

Das Schloss der ersten Tür wurde aufgesperrt und die Tür aggressiv aufgestoßen. Laute und hektische Schritte bewegten sich auf den Ausgang zu, und nachdem diese Tür ebenfalls aufgerissen wurde, und anschließend wieder ins Schloss viel, herrschte wieder tödliche Stille im Raum.
 

Dawn stand auf, zog sich die Hose hoch, und drehte sich langsam um. Warum war es hier eigentlich so leise? War das hier nicht eines der größten Kinos von Cleveland? Sie war hier immerhin auf einer Frauentoilette.. sollte da nicht etwas mehr los sein? Dawn zuckte mit den Schultern und betätigte die Spülung.
 

Laut rauschte das Wasser wieder durch die Leitungen, während schwere Schritte durch den kleinen Raum hallten. Ein Schatten wanderte unter den Türschlitzen ihrer Kabine vorbei, doch sie konnte dank der Spülung weder etwas hören, noch was sehen, da sie mit dem Rücken zur Tür stand.
 

Dawn drehte sich wieder um, griff nach der Türklinke, und öffnete sie langsam. Sie war noch immer alleine, wie sie mit einem raschen Blick feststellen konnte, ließ die Tür nach hinten schwingen und trat aus der kleinen Kabine heraus. --- Hinter der Tür wanderte ein diabolisches Lächeln auf das Gesicht des Echsendämons.
 

Dawn sah auf die Uhr, und stellte geschockt fest, dass der Film gleich angefangen würde. Schnell lief sie auf die Waschbeckenreihe zu, hielt die Hände vor den Sensor, und wusch sich die Hände.
 

Plötzlich stellten sich ihre Nackenhärchen... etwas sagte ihr, dass sie nicht mehr alleine war... Irgendetwas stimmte hier nicht. Ihre Jägerinnensensoren waren angesprungen. Hier war ein Dämon in der Nähe.
 

Panisch sah Dawn auf, und erkannte geschockt im Spiegel, dass etwas hinter ihr stand. Die Haut des Dämons war grün, und statt Ohren besaß die Kreatur Kiemen. Die gelben Augen starrten sie zielsicher an und Dawn musste entsetzt auf die spitzen Reptilienzähne starren.
 

Dawn wollte aufschreien, sich umdrehen, und dem Dämon ihre Rechte in das Gesicht schlagen, doch nichts davon konnte sie in die Tat umsetzen, da ihr die Kreatur auf einmal ein Tuch mit Chloroform auf ihren Mund drückte und für sie die Welt von einem Augenblick auf den anderen schwarz wurde.
 

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Lily stand mit den Karten in der einen und der Popcorn-Tüte in der anderen Hand vor dem nervösen Kartenabreißer. Ungeduldig klopfte ihre rechte Fußspitze immer wieder auf den Steinboden.
 

„Ma’am, es wird wirklich Zeit..!“ nervte der junge Mann, und erntete einen abwertenden Blick von der Wächterin.
 

„Ja ja..“ antwortete Lily gereizt. „Dann starten Sie halt den Film. Wir kommen später nach. Ich weiß ja selbst nicht, was da so lange dauert..!“ Lily zuckte mit den Schultern, warf ihm einen weiteren, abwertenden Blick zu, und ging dann Richtung Toilette davon.
 

++++
 

Kino

Eine halbe Stunde später

Giles, gefolgt von Buffy, Xander, Willow, Kennedy, Faith, Andrew, Ronah und Robin, kamen in das Kino gestürmt. Ungeachtet der wenigen wartenden Personen auf eine der zahlreichen Abendvorstellungen, blickten sie sich nervös und besorgt suchend um, bis sie Lily fanden, die sie gerade auch entdeckte und sichtlich aufgelöst auf Giles zueilte.
 

„Wie bin ich froh, euch zu sehen...“
 

„Was ist passiert,“ verlangte Buffy sofort von Lily zu erfahren und trat mit düsterer Miene neben Giles. Es war schwer zu sagen, ob sie einfach nur über Dawns Verschwinden aufgebracht war oder mehr über den Umstand, dass es unter Lilys Obhut passiert war.
 

„Das weiß ich nicht genau,“ Lily schien den Tränen nah zu sein und Giles legte seinen Arm um sie und zog sie an sich heran.
 

„Beruhig dich erst einmal und erzähl uns dann was passiert ist.“
 

Lily genoss für einen Moment Giles Nähe, und ließ sich von ihm schutzgebend halten, ehe sie sich von ihm löste. Ein wenig beruhigter strich sich Lily eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Buffy nervös an. „Dawn wollte schnell auf die Toilette. Wie hatten noch ein paar Minuten bis zum Filmanfang und ich habe vorne,“ sie zeigte zur geschlossenen Tür in den Vorführraum 2. „An der Tür auf sie gewartet. Als sie nicht kam und der Türsteher mich darauf hinwies, dass der Film anfinge, bin ich sofort nachsehen gegangen. Aber Dawn war nicht im Raum. Ich habe die ganze Zeit die Tür im Auge behalten - sie ist auf keinen Fall unbemerkt herausgekommen...und es waren nur ein paar Minuten vergangen zwischen ihrem Verschwinden und der Zeit, in der ich nachsehen ging.“
 

Lily holte Luft und dieses Mal konnte sie einen aufgebrachten Schluchzer nicht unterdrücken. „Alles was ich gefunden habe ist Dawns Tasche hier,“ sie hielt die Tasche hoch und Buffy riss sie ihr sofort aus den Händen, um im Innern nach einem Hinweis zu suchen. Aber außer Taschentücher, einem Pflock und Dawns Geldbörse fand sie nichts darin.
 

„Es tut mir so unendlich leid,“ flüsterte Lily und ließ sich erneut von Giles in den Arm nehmen.
 

Buffy sah entschlossen in die Runde. „Davon kommt Dawn nicht zurück. Ich mache mich sofort auf die Suche.“
 

„Das ist keine gute Idee,“ wandte Giles vorsichtig ein.
 

„Ach nein? Soll ich hier herumstehen und darauf warten, dass jemand eine Idee hat, wo Dawn sein könnte? Schließlich ist es nichts neues, dass Dawn verschwindet. So langsam bekomme ich im Suchen ungewollt Übung.“
 

„Das hier ist anders. Dawn wird wohl kaum Lily hier einfach so stehen lassen und türmen. Welchen Grund sollte sie haben?“, mahnte Willow die aufgebrachte Buffy.
 

„Das weiß ich, Will... ich möchte es nur nicht laut aussprechen.. oder darüber nachdenken was alles passiert ist. Ich bleibe jedenfalls nicht hier und warte ab, bis man mir eine schlechte Nachricht an der Haustür überbringt...“
 

„Natürlich nicht,“ mischte sich Lily etwas beruhigter ein. “Aber vielleicht habe ich in meiner Panik etwas übersehen.. auf den Toiletten.“
 

Ohne auf die anderen zu warten, drehte sich Buffy herum, um sofort nachzusehen.
 

„Meine Güte,“ stöhnte Giles. „Wenn Dawn etwas passiert ist...“
 

„Wird Buffy mir die Schuld geben. Ich ... wie...“, Lily wirkte niedergeschlagen. „Es hätte doch nur ein schöner Abend werden sollen, um Dawn etwas aufzuheitern.“
 

Buffy kam mit versteinertem Gesicht zurück. „Nichts.. da ist absolut nichts.. keine Kampfspuren, keine Fußabdrücke, keine Gewalteinwirkung.. nur ein offenes Fenster...“
 

„Das bedeutet doch unter Umständen was Gutes,“ meinte Andrew und blickte nervös zwischen Buffy, Giles und Lily hin und her. Dawn konnte nichts passiert sein.. sie war eine Jägerin... wie gerne hätte er das Buffy zur Beruhigung gesagt... doch er war an sein Versprechen gegenüber Dawn gebunden.
 

„Oder aber, dass Dawn doch andere Pläne hatte,“ Faith lehnte an einem Süßigkeitsautomat und betrachtete sich das Geschehen aus einer gewissen Distanz.
 

„Ich hätte... einen Vorschlag... falls Dawns Verschwinden unnatürlich war oder jemand nun... vielleicht war jemand hinter ihr her, wegen ihrer wahren Existenz als Schlüssel... oder aus welchen Gründen auch immer... jedenfalls hätte ich ein paar Informanten an der Hand, die ich deswegen befragen könnte....“, schlug Lily vorsichtig vor.
 

„Dann sollten wir sofort aufbrechen,“ Buffy wollte keine weitere Zeit vergeuden.
 

„Das ist keine gute Idee. Sie sind sehr misstrauisch und scheu.. eine fremde Person in meiner Begleitung und wir erfahren absolut nichts. Ich habe sehr lange gebraucht, um Vertrauen zu gewinnen. In einer Stunde wissen wir bereits mehr...“
 

“Das ist doch verrückt.. in einer Stunde kann Dawn bereits tot sein,“ fuhr Buffy auf und sah hilflos zu Giles, dessen Gesichtsausdruck jedoch deutlich machte, dass er Lilys Vorschlag in Betracht zog.
 

„Es klingt vernünftig,“ meldete sich nun auch Xander zu Wort. „Und was haben wir schon zu verlieren?“
 

„Wie wär’s zum Beispiel mit - Dawn!?“, giftete Buffy.
 

„Ich könnte inzwischen versuchen Dawn mit einem Ortungszauber aufzuspüren,“ schlug Willow vor, um Buffy zu beruhigen.
 

Buffy wirkte nicht sehr überzeugt, gab aber schließlich nach. „Okay.. eine Stunde... falls wir bis dahin nicht mehr wissen oder Sie nicht zurückkommen, mach ich mich selbst auf die Suche...“
 

++++
 

Eine Höhle

zur selben Zeit

Zwei rothäutige Dämonen standen mit Maschinengewehren links und rechts zur Seiten eines runden Durchgangs, der vom Felsenflur in einen kleinen Höhlenraum führte. Drinnen im Raum erhellten Fackeln an den Wänden die Umgebung und gaben den Blick frei auf einen Tisch, auf dem einige beschriebene Blätter lagen, auf einen Stuhl und auf eine kleine Pritsche auf der eine bewusstlose, gut verschnürte und geknebelte Dawn lag.
 

Schritte hallten plötzlich durch den Flur und kamen rasch näher. Die beiden Dämonen nahmen Haltung an, entsicherten aber ihre Gewehre. Kurz darauf tauchte Regil, der Echsendämon, bei den Wachleuten auf und warf einen hastigen Blick ins Innere. Die Dämonen entspannten sich wieder und senkten ihre Waffen.
 

“Sie ist noch nicht da?“
 

„Kommt in den nächsten Minuten,“ brummte einer der Dämonen, ohne viel von seinem Gesicht verzogen zu haben.
 

„Ich.. ich warte,“ schluckte Regil sichtlich nervös und trat von einem Bein auf das andere, während die beiden Wachposten unbekümmert weiter Dawn bewachten.
 

+++
 


 

Ratsgebäude

40 Minuten später

„Ich werd hier drinnen noch wahnsinnig,“ Buffy lief nervös auf und ab, während ihre Freunde geschockt über Dawns Verschwinden schweigend um den Tisch saßen. Alleine Giles beschäftigte sich mit einer Tasse Tee. „Wenn Lily sich nicht bald meldet...“
 

„Gib ihr Zeit,“ bat Giles mit leiser Stimme und drehte die Tasse in seinen Händen. „Sie hat noch zwanzig Minuten...“
 

„Zwanzig zu viel,“ brummte Buffy und lief weiter auf und ab.
 

„Ich würde ja sehr gerne helfen,“ Willow blickte ratlos auf die Karte von Cleveland hinunter, die vor ihr lag. „Aber etwas oder jemand stört den Ortungszauber. Ich kann Dawn nicht finden.“ Dabei ließ sie ihre Finger über die Karte schweben und berührte verschiedene Bereiche. Ein Licht glühte schwach auf und erlosch sofort wieder. „Ich kann nicht einmal uns orten.“
 

„Vielleicht ist sie nicht mehr in der Stadt,“ überlegte Robin.
 

„Aber uns sollte ich zumindest finden,“ gab Willow zu bedenken.
 

„Richtig,“ stimmte Giles alarmiert zu. „Also ist jemand in der Stadt der mächtig genug ist, deine Magie zu stören.“ Die beiden sahen sich düster an. Sie wussten beide, dass das nichts gutes bedeuten konnte.
 

„Ich denke wir sollten uns beruhigen und warten,“ versuchte es Xander. „Wir können uns doch auf Lily verlassen. Wenn sie sagt eine Stunde, dann wird sie nur eine Stunde brauchen. Sie mag doch Dawn und es liegt ihr etwas an ihr...“
 

„Genau... Lily weiß schon was sie tut. Sie hat schließlich Erfahrung,“ fügte Kennedy hinzu.
 

„Und wir wissen ja noch gar nicht, was mit Dawn genau passiert ist. Vielleicht war ja irgendetwas oder wer in der Toilette, das sie verfolgen musste.. ein Vampir vielleicht,“ überlegte Xander.
 

„Ein Vampir?“ Buffy klang wenig beruhigt. „Wieso sollte sie ihm nachgehen? Sie weiß doch wie gefährlich das ist.“
 

„Na ja, sie hat viel gelernt..,“ wandte Willow hastig ein und schoss Xander einen wütenden Blick zu. Xander blickte überrascht zurück und sein Blick schien zu sagen ‚Was denn.. du wolltest es doch sowieso nicht mehr geheim halten.’
 

„Aber das alleine macht sie nicht zu einer Jägerin, die einfach mal so schnell aus dem Toilettenfenster springt und einen Vampir hinterher rennt.“ Buffy blieb stehen und sah ihre beiden Freunde an. Diese fochten gerade stumm ein kleines Gefecht aus, das Buffy sofort misstrauisch werden ließ. Die beiden wurden sich plötzlich bewusst, dass Buffy verstummt war und sie merkwürdig anschielte.
 

„Eh...“ „Uhm..“ machten Xander und Willow gleichzeitig verlegen und zogen damit auch noch die Blicke der anderen im Raum auf sich.
 

„Ihr verheimlicht uns doch was,“ entfuhr es Buffy merkwürdig ruhig.
 

„Na ja.. wenn ich dir jetzt sage, dass Dawn, also dass sie nun...sehr gut auf sich aufpassen kann? Pflöcke, Schwerter und so und eh.. sie hatte Träume? Träume mit Pferden.. was würde euch das sagen?“, Willow blickt nervös zwischen Giles und Buffy hin und her, die wie vom Donner gerührt die Hexe anstarrten.
 

++++
 

Höhle

zur selben Zeit

Kleine Männchen schienen in ihrem Kopf zu sitzen und mit aller Gewalt mit kleinen Hämmerchen dagegen zu prügeln. Eine andere Erklärung hatte Dawn für ihre Kopfschmerzen nicht. Gleichzeitig fühlte sie ihre Augenlider so schwer wie Blei. Sie ließen sich nicht öffnen und irgendwie konnte sie sich nicht bewegen. Was war nur passiert... wo war sie...
 

Leise stöhnte der Teenager auf, als sie Schritte hörte – vielleicht kam jemand, um ihr zu helfen...oh ja.. Kino.. da war etwas gewesen.. Kino.. mit Lily.. du meine Güte.. wie lange musste Lily schon auf sie warten...
 

Die beiden Dämonen vor Dawns Höhle entsicherten erneut ihre Waffen, als sie die Schritte hörten und Regil schielte nervös in beide Richtungen des Flurs. Aus der Dunkelheit trat Lily hervor, ein wenig abgehetzt, aber mit einem zufriedenen, breiten Grinsen im Gesicht. Die drei Dämonen entspannten sich wieder.
 

Lily ging gefolgt von Regil sofort in die Höhle ohne ein Wort mit den anderen zu wechseln und betrachtete sich Dawn. Alles lief endlich nach Plan.. alles würde gut werden...
 

„Die Münzen,“ flüsterte Regil mit Respekt und händigte Lily den roten Beutel aus. „Und hier ist die Abschrift des Zaubers. Es hat einiges gekostet...“
 

„Der Preis spielt keine Rolle...“
 

„Er wird sich freuen, das zu hören,“ Regil gab ihr das Blatt und trat zurück.
 

„Bringt sie nach drüben,“ rief Lily nach draußen und die Wachen kamen herein, um den Befehl auszuführen. Lily überwachte, wie Dawn aufgehoben wurde und folgte ihnen schließlich. Die Dämonen trugen Dawn über einen Steinflur in eine große, runde Höhle, deren Decke sich in der Dunkelheit verlor und selbst die vielen Fackeln kamen nicht gegen diese Schwärze an.
 

„In die Mitte mit ihr. Und nehmt ihr die Fesseln ab,“ die Dämonen richteten ihre Schritte nach dem neuen Befehl aus und legten Dawn an der gewiesenen Stelle auf den kalten Steinboden ab. Mit einem Messer befreiten sie die regungslose Dawn von Fesseln und dem Knebel. Lily trat inzwischen an ein kleines Samtpodest heran, das nicht unweit von Dawn stand und ließ die Münzen aus dem Beutel darauf fallen.
 

Es war gut, dass Dawn noch immer bewusstlos war. Ohne Widerstand würde es Lily ein Leichtes sein, das Mädchen in der Energiekuppel einzuschließen. Sie legte die Zauberabschrift auf einen kleinen Tisch neben dem Podest ab und suchte in einem Berg von Aufzeichnungen und Schriftrollen nach dem entsprechenden Zauber, den sie als erstes benutzen musste. Als sie gefunden hatte was sie suchte, wandte sie sich herum und taxierte Dawn mit ihren Augen.
 

Es dauerte einen Moment, ehe Lily begann mit lauter Stimme die Zauberformel in einer fremden, hartklingenden Sprache herunterzulesen. Schließlich griff sie nach einem Pinsel, der in einer roten Flüssigkeit steckte und bespritzte damit die Münzen auf dem Podest und anschließend damit auch Dawn. Dann las sie den Zauberspruch zu Ende und trat etwas zurück.
 

Die Münzen begannen auf einmal zu glühen und zu vibrieren. Leise klirrten sie gegeneinander und kamen erst wieder zur Ruhe, als ein gelb, rotes Licht von ihnen in die Höhe schoss. Der magische Strahl erreichte jedoch nicht die Decke der Höhle und verlor sich einige Meter über Lilys Kopf in der Dunkelheit.
 

Lily rief ein einziges Wort in der fremden Sprache, machte eine rasche, runde Handbewegung, als würde sie dem Licht den Weg weisen wollen und der Lichtstrahl begann zu wandern, tastete die Höhle Zentimeter nach Zentimeter aber, bis er fand, was er suchte... Dawn.
 

Der gelbrote Strahl umschloss Dawn bis eine glühende Hülle aus Energie um die junge Jägerin herum entstand. Erst als sie vollständig umschlossen war, legte Lily Pinsel und Papier zur Seite und trat näher heran. Die Energiekuppel erhob sich in diesem Moment und mit ihr Dawn in ihrem Inneren, bis sie in der Mitte der Kuppel schwebte. Der Lichtstrahl schien seinen Dienst getan zu haben, denn er fiel augenblicklich in sich zusammen und erlosch.
 

Zur selben Zeit gewann Dawn endlich den Kampf gegen ihre Bewusstlosigkeit und öffnete ihre Augen. Zunächst sah sie nichts... nur Dunkelheit. Doch schnell gewöhnten sich ihre Augen wieder an ihre Umgebung und sie nahm dunkle Schatten wahr, die sich um sie herum zu bewegen schienen. Als sie ihren Kopf ein wenig zur Seite drehte, fühlte sie sich wie in einem Rundumkino – überall bewegte sich etwas und nur langsam erkannte Dawn darin die Höhle, die Dämonen und noch jemanden, der ganz in ihrer Nähe stand.
 

Ganz langsam realisierte Dawn, dass sie umgeben war von einer Hülle, die aus Energie bestand und als sie ihre Finger vorsichtig danach ausstreckte, knisterte es gefährlich, aber Schmerzen blieben aus. Leider auch das Gefühl, dass ihre Finger leicht durch die Hülle schnitten und auf der anderen, sicheren Seite herauskamen...
 

„Hallo Dawn... ich hoffe du hattest viel Spaß im Kino?“
 

Im ersten Moment wusste Dawn nicht, woher die Stimme kam, ob sie nur in ihrer Einbildung oder in den merkwürdigen Bildern vor ihr entstanden war, dann begriff sie langsam... aber unvermeidbar.... Lily... die Gestalt vor ihr war Lily... langsam wanderten Dawns Augen in die Richtung der Stimme.
 

++++
 

Ratsgebäude

kurz darauf

“Eine Jägerin? Dawn?“, Buffy ließ sich geschockt auf einen freien Stuhl fallen. Es war ihr unvorstellbar, wie sie das nicht hatte sehen können.
 

„Na sieh mal einer an,“ grinste Faith. „Ich hätt’s ahnen sollen. Sie hat damals gewaltigen Schneid auf dem Geisterschiff bewiesen.“
 

“Das ist unmöglich,“ hauchte Giles. „Sie hat in Sunnydale nie Anzeichen von besonderer Kraft und Energie gezeigt. Sie war wissbegierig und eine große Hilfe bei den Recherchen...“, er verstummte, als ihm plötzlich der Zwischenfall in London wieder in den Sinn kam.. Dawn hatte sich mit Vampiren angelegt und war gut davon gekommen... knapp aber unverletzt....vielleicht hatte das nicht nur daran gelegen, dass Willow und er rechtzeitig aufgetaucht waren. Und wenn er genauer darüber nachdachte, hatte Dawn oder Willow in letzter Zeit immer dafür gesorgt, dass sie bei einem größeren Einsatz kämpfen durfte.
 

„Buffy hat recht,“ gab Willow kleinlaut zu. „Aber das ganze ist ziemlich kompliziert und wir haben im Moment wohl kaum die Zeit darüber zu diskutieren..“
 

“Allerdings,“ noch immer leicht benommen von der Neuigkeit sah Buffy zu Giles, dann wieder zu Willow. „Ich meine.. ich hätte das doch bemerken müssen.. ich bin ihre Schwester....“
 

„Und ich.. ein Wächter,“ fast genauso fassungslos starrte Giles Willow an. „Wächter bemerken so etwas... ich hätte es kommen sehen sollen...“
 

„Nein... Dawn war sehr vorsichtig,“ erklärte Willow. „Ich kann verstehen, dass ihr darüber schockiert seid und vielleicht auch etwas verstimmt.. schließlich wusste ich das schon sehr lange.... aber wenn wir uns jetzt darauf konzentrieren wollen, Dawn zu retten, sollten wir davon absehen darüber zu diskutieren...“
 

„Sicher...,“ plötzlich sprang Buffy von ihrem Stuhl hoch. „Vielleicht hat ein Dämon Dawn entführt, weil sie ne Jägerin ist?“
 

„Das wäre durchaus denkbar,“ räumte Robin ein, der sich aus dem Gespräch herausgehalten hatte. Er war zwar auch ein Wächter, aber mit weniger Erfahrung als Giles und wer konnte ihm schon sagen, ob ein Wächter tatsächlich erkennen musste wer eine Jägerin war und wer nicht?
 

„Ich hab’ so ein Gefühl,“ murmelte Buffy. „Und zwar kein Gutes.. Erst die Sache mit dem Grab, das Buch, dann verschwinden die Münzen, jetzt Dawn.. ich warte nicht mehr länger auf Lily.. ich denke, wir fangen bei der Fischfabrik an und holen uns selbst Informationen.“
 

„Ich bin dabei,“ Faith stand auf und Ronah mit Kennedy ebenfalls.
 

„An die Waffen!“, Buffy öffnete den Waffenschrank und war bereit sich von niemanden mehr von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen.
 

„Buffy, bitte... das eine hat sicher nichts mit dem anderen zu tun. Falls Lily zurückkehrt und wertvolle Informationen über Dawn hat, bist du nicht hier...,“ versuchte es Giles mit gemischten Gefühlen. Wenn es um Dawn ging, hatte Giles vor Jahren eine schmerzhafte Lektion von Buffy erteilt bekommen – seid dem hielt er es für sehr ratsam sich herauszuhalten.
 

“Vielleicht.. vielleicht auch nicht.. ich muss irgendetwas tun... sonst werde ich verrückt. Ihr seid ja noch da, falls mit Dawn etwas passiert sein sollte, das mit dem ganzen anderen nichts zu tun hat. Ich muss mich jetzt einfach beschäftigen,“ sagte Buffy bestimmt und ließ sich nur noch einmal kurz aufhalten, als Willow aufstand und sie zurückrief.
 

„Wartet.. nehmt das hier mit,“ Willow übergab Buffy einen Ausdruck. „Ich hab’ doch noch nen Lageplan gefunden. Es gibt zwei Möglichkeiten.. entweder hier auf der Rückseite, über diese Tür, wobei ich nicht sagen kann, wie viele Wachtposten dort stehen, oder ihr versucht es über diese Feuerleiter hier,“ sie zeigte auf einen Punkt. „und übers Dach.“
 

„Dach klingt doch gut,“ Buffy nahm Willow das Blatt ab, faltete es und ließ es in ihrer Hosentasche verschwinden.
 

Schweigen begleitete die drei Jägerinnen, als sie das Gebäude verließen.
 

++++
 

In der Höhle...

„Lassen Sie mich hier sofort raus,“ schrie Dawn aufgebracht und versuchte durch die Hülle nach draußen zu gelangen. Aber es war so vergeblich und hoffnungslos, wie bei ihrem ersten zarten Versuch. Nur wollte sich Dawn das nicht eingestehen. Gestorbene Hoffnung war immer eine Niederlage und ein Sieg für den Gegner und das war Lily wohl.. der Feind... die Böse in diesem Spiel von dem sie noch nichts wussten.
 

„Das wird kaum möglich sein, Dawn,“ erklärte Lily nachsichtig. „Jedenfalls nicht in deiner jetzigen Form.“
 

„Ich verstehe nicht.. was.. was hab’ ich Ihnen denn getan?“
 

„Nichts, Dawn. Und glaube mir, dieses Opfer fällt mir nicht leicht – ich habe dich wirklich gerne, aber ich habe keine Wahl. Du wirst für eine sehr große Sache geopfert...“
 

Dawn schloss die Augen und fühlte sich zurückversetzt in eine Zeit, als eine verrückte Göttin hinter ihr her gewesen war. „Was haben Sie mit mir vor,“ flüsterte sie und ahnte doch, was der große Plan von Lily war.
 

„Ich werde die Linie der Jägerin schließen.“
 

Erstaunt blickte Dawn wieder in Richtung Lily. Das klang eben nicht nach „Dimension öffnen“... „Ich verstehe nicht...“
 

„Natürlich tust du das nicht,“ Lily wandte sich herum und ging hinüber auf die andere Seite der Höhle, wo auf einem weiteren Tisch unzählige Zauberutensilien standen. Dawn hörte ihre Schritte dumpf im Inneren der Kuppel hallen und versuchte gegen die Tränen anzukämpfen. Denn wenn sie es genau nahm, saß sie hier ohne Aussicht auf Rettung fest. Jeder ihrer Freunde glaubte sie im Kino mit Lily.... sicher aufgehoben, bei einem guten Film mit warmem, süßem Popcorn, einem riesigen Becher Coke.... eine Träne lief Dawn über die Wange... es hätte ein schöner Abend werden können... ein sehr schöner.... Lily schien doch nicht so cool zu sein, wie Dawn geglaubt hatte... schlimmer noch... Buffy schien mit ihrem Misstrauen gegenüber der Wächterin immer im Recht gewesen zu sein...
 

Lily griff nach einem Totenschädel, dessen Kopfplatte herausgesägt worden war. Eine blubbernde, galleartige Flüssigkeit brodelte darin. Sie kehrte damit zurück zum Podest, nahm die Münzen herunter, die ihren Dienst getan hatten und ersetzte sie gegen den Totenschädel.
 

„Es wird nicht weh tun. Das verspreche ich dir,“ sagte Lily über die Schulter an Dawn gerichtet und ging erneut durch die Höhle.
 

„Ich hab keine Ahnung was Sie hier für ein krankes Spiel spielen, aber Buffy und Giles werden sie bestimmt nicht länger täuschen können,“ rief Dawn aufgebracht. „Und wenn sie erst herausgefunden haben, was Sie getan haben, werden sie sich wünschen uns nie über den Weg gelaufen zu sein.“
 

Lily brachte weitere Dinge, die Dawn nicht erkennen konnte herüber.

„Meine liebe Dawn... das was ich hier tue, tue ich für uns alle. Ich habe Opfer mit einberechnet und wenn eines davon ich selbst sein sollte, so soll es geschehen. Ich werde nicht davor zurückschrecken. Mein Ziel ist viel zu wichtig. Es geht einfach nicht an, dass diese Welt, die Welt von Wächtern und Jägerinnen auf den Kopf gestellt wurde, nur weil eine kleine Gruppe Menschen in einem gewaltigen Land beschlossen hat, das dies zur Rettung der Menschheit dienlich sei.“
 

Es ging hier um Willows Zauber? Die Umkehrung der Gesetze durch Buffy? Wieso war dann sie hier? Wollte sich Lily etwa dafür rächen? Dann müsste doch Buffy hier sein oder Willow?
 

„Ich schätze, du hast ein Recht auf die Wahrheit,“ Lily stand plötzlich ganz nah an der Kuppel und Dawn wäre gerne zurückgewichen, doch die Schwerelosigkeit hielt sie fest. „Du kannst es ja niemanden mehr erzählen.“
 

„Das nenne ich Großzügigkeit,“ murmelte Dawn sarkastisch.
 

„Nennen wir es ... die Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine Jägerin in der Hand und unter der Kontrolle von vielen Wächtern,“ redete Lily unbeeindruckt fort. „Sieh uns an... wir haben nichts unter Kontrolle. Junge, unerfahrene Frauen und Männer werden rekrutiert, um eben so unerfahrene junge Mädchen zu leiten und zu lenken, damit sie das Böse auf der Welt bekämpfen. Rupert blickt optimistisch in die Zukunft, aber übersieht dabei wie viele kleine, rote Fähnchen auf der Weltkarte in London die blauen ersetzen. Tote Jägerinnen, tote Wächter – gestorben aus Unfähigkeit. Nicht immer zählt Quantität im Kampf.“
 

Lily trat weg von der Kuppel und warf einige Zutaten in die brodelnde Masse im Totenschädel. Es zischte und Rauch stieg auf.
 

„Die Probleme werden immer mehr, die jungen Dinger nehmen sich immer mehr heraus und ein Wächter kommt auf zehn Jägerinnen in seinem Umkreis. Und hat es was gebracht? Sind Vampire bereits ausgerottet? Dämonen vor dem Aussterben bedroht? Nicht, dass ich wüsste,“ wieder rührte Lily etwas in die Masse, dieses Mal stieg eine Stichflamme in die Höhe und verschwand in der Dunkelheit über ihnen. „Oh Rupert und seine fantastischen Ideen.. sein Reformationswahn... alles verrückte Ideen, die uns nicht weiterführen. Sie bringen uns weg vom alten Kurs, von Dingen, die unsere Vorfahren mühsam aufgebaut haben. Ich kann und werde es nicht zulassen, dass unser Erbe so in den Schmutz gezogen wird...“
 

„Okay.. okay.. ich glaube ich hab verstanden was ihr krankes Gehirn vorhat. Ehrlich gesagt.. ich bin wirklich froh, dass es nicht schon wieder die alte Leier vom Weltuntergang ist.. aber .. welche Rolle spiele ich dabei?“ Dawn gab sich mutiger, als sie sich fühlte. Aber sie wollte auf keinen Fall Lily zu verstehen geben, dass sie Angst hatte.
 

„Du bist der Schlüssel,“ Lily kicherte. „Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Sie griff nach einem Buch und trat wieder näher an Dawns Kuppel heran. „Das hier ist eine sehr alte Prophezeiungsschrift aus der Sammlung meines Vaters. Er sprach oft davon, dass eines Tages das Gleichgewicht zwischen Böse und Gut gestört werden würde und wir immer darauf vorbereitet sein müssten. Der einzige Weg sei die Schließung der Linie der Jägerin.. ich habe nie verstanden was er damit meinte, bis ich die Prophezeiung nach seinem gewaltsamen Tod und eurer Schlacht gegen das Urböse in seinem Tresor fand – die Rede darin ist von einem Schlüssel, einer Jägerin, die das Gute und das Böse in sich trägt – sie alleine kann Chaos auf der Erde verhindern. Ich irre mich sicher nicht, in dem was ich übersetzt habe. Wäre mir allerdings deine Schwester nicht zuvor gekommen, besäße ich jetzt ein Buch, das mir mehrere Fragen beantworten könnte...“
 

„Das Buch? Das waren Sie? Sie haben diese Mafia-Fieslinge beauftragt.“
 

„Wer sonst. Und nicht nur diese...“
 

„Samielle,“ hauchte Dawn entsetzt.
 

„Oh ja... sie hätte mir einen großen Teil der Arbeit abnehmen sollen.“
 

„In dem sie meine Freunde killt?“
 

„Sie standen mir im Weg,“ erklärte Lily völlig ruhig. „Es war ein guter Plan. Jetzt leben sie noch und könnten eine Gefahr für mich werden.“
 

„Ich will ja nicht schadenfreudig klingen.. aber das geschieht Ihnen ganz recht.“ Dawns Enttäuschung und Lähmung über Lily und ihre Taten wich einer gesunden Portion Wut. „Sie wollen mich also als Schlüssel?“, Dawn schluckte. Sie wusste nur zu gut, was das letzte Mal passiert war, als jemand deswegen hinter ihr her gewesen war.
 

„Falsch.. ich habe dich bereits,“ in diesem Moment hob Lily den Totenschädel in die Höhe, schrie laut: „Enthülle dein wahres Gesicht“ und warf den Schädel in die Kuppel. Er drang mit einem dumpfen schlürfenden Geräusch in die Wände ein, während Dawn krampfhaft versuchte ihm auszuweichen und mit geweideten, schreckerfüllten Augen zusehen musste, wie die Flüssigkeit sich über sie ergoss... es gab einen lauten Knall und die Kuppel schien als würde sie sich aufblähen und gleich zerplatzen wollen.
 

Im Inneren fühlte sich Dawn wie gelähmt und langsam sah sie wie ihre Hände von einem Licht durchströmt wurden, das zu pulsieren schien. Wie an jenem Morgen in der Schule...
 

Die Kuppel verschwand bereits mit dem oberen Teil in der Dunkelheit. Bunte Lichter tanzten über die Wände der Kuppel und mischten sich zu warmen Farben.
 

Erneut gab es einen ohrenbetäubenden Knall und die Kuppel fiel mit einer farbenfrohen Lichtexplosion und –regen in sich zusammen, bis sie wieder auf die alte Größe geschrumpft war.
 

Lily hatte den Kopf instinktiv eingezogen und als sie sich wieder aufrichtete, um nach Dawn zu suchen, tanzten im Inneren der Kuppel bunte, glitzernde Lichter, die sich in der Mitte zu sammeln schienen, nur um sich dann wieder abzustoßen, herumschwirrten, sich wieder zu einer Kugel formten, dann einen langen Schweif bildeten, durch den Energie floss, und auf die Kuppelwand zuflogen. Etwas knisterte, doch die Wände hielten. Dawn, oder was Dawn nun war, konnte nicht entkommen...
 

AKT 4
 

Firmengelände McGregorian

Nachts

Langsam zogen sich die großen Wolkenmassen über dem Himmel zusammen, die nur spärliches Mondlicht auf die Landschaft hindurch ließen. Gespenstische Schatten zogen sich durch die Landschaft, während der Wind sanft in die Zweige der Bäume fuhr, deren erste, vielversprechende Knospen, sich den Weg an die frische Luft erkämpft hatten.
 

Langsam fuhr ein Wagen an den Rand einer leblosen Straße, die sich an der Grenze des Hafens und Wirtschaftsviertels befand. Das Licht des Wagens wurde abgeschaltet, 4 Türen wurden geöffnet und 4 Fußpaare stiegen aus dem Fahrzeug....
 

...die vier Jägerinnen trafen sich vor der Motorhaube des Autos und Buffy legte die Karte auf. Sie verweilte und suchte nach der Straße, auf der sie geparkt hatten, bekam aber gar nicht die Chance, sie selbst zu finden, da Ronah schon ihren Finger auf der richtigen Stelle hatte.
 

Überrascht sah Kennedy die dunkelhäutige Jägerin an.
 

„Erfahrung.. !“ antwortete diese, und lächelte dabei Faith an, die besorgt auf das große Firmengelände blickte.
 

„Okay.. also..“ begann Buffy, und deutete mit einem ihrer Finger auf eine Stelle des Zaunes.
 

„.. hier bin ich heute Vormittag eingedrungen. Gleich dahinter stehen ne menge Tonnen, hinter denen wir uns verstecken könnten..“
 

„Gut..“ antwortete Faith, und widmete sich nun ganz dem Plan, und fuhr fort „.. da du heute bei diesem Hintereingang gescheitert bist..“ Faith deutete auf eine rot eingekreiste Tür, „hat Willow gesagt, dass wir die hier versuchen sollten..“ Faith wanderte mit dem Finger etwas weiter und blieb bei einem grünen Kreis hängen.
 

„Oder über’s Dach,“ gab Buffy zu bedenken.
 

“Versuchen wir’s erst hier. Ist einfacher,“ bestimmte Faith knapp.
 

„Gut.. dann nichts wie los..“ sagte Kennedy, schritt zum Kofferraum des Wagens, und öffnete ihn.
 

Die anderen Jägerinnen folgten ihr und während sich Ronah den Plan nahm, und einsteckte, fing Buffy ein Kurzschwert und Faith eines ihrer Messer auf. Kennedy reichte Ronah eine Armbrust, und nahm sich selbst die Axt. Sie nickten sich zu, Kennedy schloss den Kofferraum, Faith sperrte Giles’ Auto per Funkschlüssel ab, und dann liefen sie los.
 

Scheinwerferlicht geleitete sie über den schäbigen Boden der Fischfirma, während Faith, Buffy, Kennedy und Ronah nach der Reihe über den Zaun sprangen, und sich hinter der zum Teil wieder aufgebauten Tonnenwand versteckten. Sie sprachen kein Wort, immerhin hatten sie schon alles besprochen. Sie mussten vorsichtig sein, und durften keine Fehler machen. Er würde unweigerlich dazuführen, dass ihnen wichtige Informationen verloren gingen und für’s erste reichte es ihnen vollkommen, dass Dawn verschwunden war ohne Anhaltspunkt darauf, wer dahinter steckte.
 

Kennedy deutete mit ihrer Hand nach rechts Richtung Bürogebäude und machte die anderen auf die Sicherheitsleute aufmerksam, die auch zu dieser Zeit noch ihre Runden zogen. Buffy spähte auf der anderen Seite der Tonnenwand hervor, konnte den Eingang, den sie heute schon einmal versucht hatte, erblicken, und entdeckte dort ebenfalls zwei Wachen. Sie versuchte die Tür zu erspähen, die ihnen Willow empfohlen hatte, und wurde ihrer kurz gewahr, als ein Suchschweinwerfer sie erfasste.
 

„Jetzt!“ flüsterte Buffy, sprang hoch und lief durch die Dunkelheit zu ihrem nächsten Ziel; einem Kühlcontainer. Die drei folgten ihr, und Ronah konnte Kennedy gerade noch davor bewahren, von einem der Lichtpegel erfasst zu werden.
 

„Dort..“, flüsterte Faith und deutete an Buffy’s Kopf vorbei.
 

„Verdammt..!“ fluchte Buffy leise, als sie unter dem Licht der kleinen Glühbirne, die über der Tür montiert war, 4 bewaffnete, rothäutige Wachen stehen sah.
 

„Na toll, also doch Plan B.!“ flüsterte Kennedy und warf ihre Axt entnervt von einer Hand in die andere.
 

Buffy, Faith und Kennedy starrten Ronah an, die zu erst gar nicht wusste, was die anderen von ihr wollten, als ihr einfiel, dass sie ja die Karte eingesteckt hatte. Sie nahm sie aus ihrer Tasche und faltete sie auf, während Kennedy eine Taschenlampe aus ihrer Tasche nahm, und den Lichtpegel auf die Karte lenkte.
 

„Denkt ihr nicht, dass sie uns sehen werden?“ flüsterte Faith und sah sich besorgt um.
 

“Nein, wir sind durch den Container geschützt..!“ flüsterte Buffy und sah auf die Karte.
 

„Okay, wir sind hier..“, begann Ronah und deutete mit einem ihrer Finger wieder auf eine Stelle, die sich im hinteren Teil des Lagerplatzes befand. „.. die Feuerleiter, um auf das Dach zu kommen ist nicht weit von hier, oben angekommen suchen wir uns diese Dachluke, dann sollten wir drin sein..!“ sie sah fragend in die Runde. Die Jägerinnen nickten sich zu, und während Ronah die Karte wieder einsteckte, ließ Kennedy die Taschenlampe wieder in ihrer Hosentasche verschwinden.
 

Als sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewohnt hatten, spähte Faith um die Ecke des Containers und dachte nach einigen Sekunden die Konturen der Leiter in einiger Entfernung auszumachen.
 

„Gut, da vorne ist die Leiter, aber passt auf, zwischen uns und ihr befindet sich ein Rohr, also stolpert nicht..,“ flüsterte die dunkelhaarige Jägerin, und lief dann los. Mit einem Sprung hatte sie das Rohr überwunden, rollte sich ab, sprang hoch und starrte entsetzt in das erschrockene Gesicht eines rothäutigen Wachmannes.
 

Buffy landete neben ihr, als Faith in sekundenschnelle die Arme noch oben riss, und dem Dämon das Genick brach. Leise fiel er in dem Augenblick zu Boden, als Ronah und Kennedy bei der Leiter angekommen waren. Sofort stiegen sie so leise wie möglich das alte Stahlgerüst nach oben.
 

Oben angekommen ließ Buffy ihren Blick über das luftige Dach gleiten. Es waren rund 5 Oberlichtfenster zu sehen, aus denen Licht drang, und sonst nichts.
 

„Ich dachte es gebe eine Luke?“, fragte Buffy entsetzt.
 

„Scheint nicht zu stimmen,“ kommentierte Faith trocken. „Nehmen wir doch eines der Fenster...“
 

Gefolgt von Faith, Kennedy und Ronah blieb Buffy bei einem der Oberlichter stehen und sah vorsichtig zu erst einmal durch das Glas in den Raum, der darunter lag.
 

“Laut Plan ist das der Konferenzraum..!“, warf Ronah ein, und Buffy erinnerte sich plötzlich daran, wie sie vor einigen Jahren mit Angel in das Büro des Bürgermeisters eingebrochen war. Sie würde wohl ein Leben lang von Déjà vus verfolgt werden. „Laut Regil wird hier ein Wachmann vorbeikommen,“ erinnerte Buffy und Faith blickte auf ihre Uhr.
 

„5.. 4... 3... 2... 1..“, flüsterte sie, und starrte gespannt in den Raum, als die Tür plötzlich geöffnet wurde, und ein Wachmann den Raum betrat.
 

„MR12 – Alles klar..!“ sprach dieser in sein Funkgerät und verschwand dann wieder.
 

Schweigend ließen die vier Jägerinnen ein paar Sekunden verstreichen, ehe Buffy das Kommando gab.
 

“Okay... los geht’s..!“ Buffy hatte mit einem einzigen Tritt mit der Ferse das Glas eingeschlagen und die Jägerinnen sprangen in den großzügig angelegten Konferenzraum.
 

„Wow.. vielleicht sollten wir Giles einen anderen Innenarchitekten empfehlen..“ flüsterte Buffy, und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. „Okay, ab hier bin ich wieder an der Spitze. Ich weiß wo wir hin müssen, also folgt mir..!“ Buffy öffnete die Tür und spähte in den Gang.
 

“Beeil dich, wir wissen nicht wann der Wachmann mit seiner Runde hier wieder ankommt...,“ drängte Faith und sah ungeduldig auf ihre Uhr.
 

Buffy nickte, und lief gefolgt von den anderen den Gang entlang. Sie öffnete die Tür zum Treppenhaus und die Jägerinnen liefen ein Stockwerk tiefer. Leise öffnete Buffy die Tür, wurde aber von einem Wachmann überrascht, der auf der anderen Seite mit dem Rücken der Tür zugewandt stand und eine Zigarette rauchte.
 

Ohne eine weitere Sekunde zu zögern fasste ihn Buffy, zog ihn mit einem Ruck in das Treppenhaus, schleuderte ihn an den anderen vorbei, sodass er auf die gegenüber liegende Wand krachte, und nickte Kennedy zu. Diese ließ ihre Axt durch die Luft sausen und köpfte den Dämon, woraufhin dieser reglos am Boden liegen blieb.
 

Buffy spähte ein weiteres Mal auf den Gang und erkannte dort noch weitere rothäutige Dämonen.
 

„Verdammt.. ich denke wir müssen uns hier durch prügeln.. !“ fluchte Buffy. Die Zeit verging, und das war eines der wenigen Dinge, die sie nicht hatten.
 

„Gut, wozu sind wir sonst Powerfrauen mit heißen Körpern?“ Faith zwinkerte Buffy lächelnd zu, zog das Messer aus der Scheide, die sie umgebunden hatte, und trat, gefolgt von Buffy, Kennedy und Ronah auf den Gang.
 

“Na, meine Süßen, ist euch langweilig?“ schrie Faith und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Sicherheitsleute uneingeschränkt auf sich.
 

++++
 

Ratszentrale

Zur selben Zeit

Müde, grüne Augen verfolgten den Textlauf auf dem Laptop und erst als Giles eine dampfende Tasse Tee neben Willow abstellte, blickte sie auf. Jedoch mit einem dankbaren Lächeln für die kurze Unterbrechung. Ihr tat alles weh und die Augen brannten. So hatte sich Willow den heutigen Tag nicht vorgestellt. Eigentlich hatte sie nur ihren Freunden einmal die Augen über ihren Stress öffnen wollen, dann hätte der Zauber für Faith folgen sollen und am Ende wäre sie heimgegangen, um zu lernen. Nun... sie seufzte und wandte sich wieder ihrem Monitor zu.
 

Im Raum herrschte völlige Stille, die nur von Zeit zu Zeit von einem Rascheln unterbrochen wurde, wenn jemand weiterblätterte. Hin und wieder gähnte jemand leise oder stand auf, um sich die Beine zu vertreten.
 

Giles nahm wieder Platz und ließ seinen Blick über seine Freunde, Kollegen und Mitstreiter schweifen. Sie wirkten alle müde, frustriert und am Ende ihrer Kraft. Sie waren nicht wirklich vorangekommen. Es gab keine neuen Erkenntnisse. Und das schlimmste – Lily war nicht zurückgekehrt. Giles versuchte zwar es sich nicht anmerken zu lassen, aber seine Sorge um Lily stieg von Minute zu Minute. Das Ganze wurde ihm nicht sonderlich mit Buffys Sondereinsatz in der Fabrik erleichtert. Und sie saßen hier fest und waren zum Warten verdammt. Los stürmen und Lily zu suchen war eines der vielen Dinge, die Giles jetzt am liebsten getan hätte, aber er konnte schlecht das tun, was er bei Buffy zuvor kritisiert hatte.
 

Xander fuhr plötzlich hoch und blinzelte mit seinem gesunden Auge. War er gerade eingenickt? Peinlich.. hatte es jemand bemerkt? Er sah sich rasch im Raum um, aber jeder bis auf Willow und Giles, hatte seinen Kopf in einem der Bücher vergraben. Und Giles blickte in eine andere Richtung... gut... dann konnte er ja jetzt weitersuchen...
 

Durch das Strecken seiner Glieder versuchte Andrew sich wach zu halten. Ständig wurden seine Augenlider schwerer und die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Er verstand nicht, nach was sie suchten, noch konnte er verstehen, wieso niemand aufbrach, um Lily zu suchen oder was viel wichtiger war – wieso niemand nach Dawn suchen wollte. Sicher – sie hatten keine Anhaltspunkte bis auf die Fabrik und alle wollten auf Buffy warten... trotzdem war es Andrew unverständlich.... Aber im Moment hielt er es für das Klügste, ein wenig kürzer zu treten, um unauffällig zu bleiben. Insgeheim rechnete er immer noch damit, dass Buffy oder Giles ihn wieder für böse halten, und ihn rauswerfen würden.
 

Robin legte sein Buch auf einen großen Stapel gelesener Bücher und griff nach dem nächsten. Er verstand zwar zum größten Teil nach was sie suchten, aber die gesamte Literatur gab nichts her. Sie brauchten weitere Quellen, da war er sich ziemlich sicher, aber natürlich mussten sie erst einmal mit dem Vorlieb nehmen, was sie hatten.. egal wie lange es noch dauern würde, aber vielleicht kamen die Jägerinnen bald zurück und sie hatten einen Anhaltspunkt...
 

Willow blickte erleichtert auf die Recherche-Ergebnisse - vielversprechend wenig und Willow war froh darüber, dass sie die Suche soweit hatte eingrenzen können, dass sie im ganzen nur 3 Seiten durchblättern musste. Sie klickte einen der Links an und überflog die Seite. Ein kleines, erleichtertes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und sie blickte voller Freude auf. „Leute ich glaub ich hab hier etwas....war nicht einfach zu finden, aber die Suche war es wert - es ist eine Übersetzungshilfe für unsere merkwürdigen Schriftzeichen in diesem Friedhofs-Buch. Es wurde mit einem Verschlüsselungscode geschrieben.“
 

++++
 

McGregorian

Bürogebäude

Eine Sekunde später

Die Jägerinnen spurteten an den überraschten Wachleuten vorbei und steuerten auf einen Wartebereich zu, der als Nische den Flur erweiterte und mehr Platz zum Kämpfen bot.
 

„Verteilen“, rief Buffy und die anderen drei suchten sich schnell eine gute Position. Schon waren die Wachleute da und offensichtlich von ihrer Überraschung befreit, griffen sie an.
 

Buffy schleuderte ihren rechten Fuß nach oben und verpasste ihrem Angreifer einen heftigen Schlag auf den Vorderkopf. Benommen taumelte er kurz nach hinten, und fiel plötzlich tot zu Boden. Buffy erkannte den Pfeil, der seinen Kopf durchbohrt hatte, und nickte Ronah zu.
 

Kennedy wich einem Schlag aus, indem sie sich bückte, wieder hoch ging, und dem Dämon ihre Rechte ins Gesicht schlug. Unbeeindruckt wollte er nach ihr greifen, wurde aber stattdessen von ihr ergriffen und heftig gegen die Wand geschlagen. Holz splitterte. Kennedy holte mit der Axt aus und schlug dem dämonischen Wachmann eine tödliche Kerbe in den Schädel.
 

Faith bekam einen heftigen Schlag in den Bauch, woraufhin sie dem Wachmann die Füße weg trat. Unsanft landete er am Boden, und tastete hektisch nach seiner Waffe. Nervös wollte er sie aus dem Halfter ziehen, Faith riss sie ihm jedoch sofort aus der Hand und schoss ihm ein Loch zwischen die Augen.
 

“Gut, weiter geht’s!“ schrie Buffy und lief auf einen weiteren Dämonen zu. Dieser zog sofort seine Schusswaffe, zielte auf Buffys Kopf, und drückte ab. Die blonde Jägerin konnte sich durch eine Rolle nach vorne retten, und als sie vor ihm wieder aufsprang, schlug sie ihm mit dem Schwertgriff heftig ins Gesicht. Blut spritzte, als die Nase des rothäutigen Wachmanns brach. Er knurrte die Jägerin an, verstummte jedoch, als sie ihm ihr Schwert in den Magen stieß.
 

„Ich hab heute keine Zeit für blöde Spielchen..,“ flüsterte sie, als sie das Schwert aus dem Dämon zog und ihren drei Gefährtinnen folgte, die bereits weitergelaufen waren und auf sie an der nächsten Biegung warteten.
 

„Buffy, duck dich!“ schrie Ronah plötzlich, und Buffy ging nach unten, als auch schon ein Pfeil aus Ronah’s Armbrust in den Brustkorb des Dämons einschlug, der genau hinter Buffy aus einem der Büros gekommen war. Es war einer der Echsendämonen, und er starrte geschockt auf den Pfeil hinunter.
 

„Ihr werdet sterben!“ schrie er los, und wollte sie angriffen, wurde jedoch von Buffy gestoppt, die ihm ohne zu zögern den Kopf abgeschlagen hatte.
 

„Buffy, welche Tür ist es?“ Faith deutete auf einige Türen, die hinter der Biegung lagen.
 

„Sucht nach einer hinter der ein gewisser Tegul sitzt,“ Buffy wusste leider nicht, ob er menschlich oder dämonischer Natur war. Das hatte Mo ihr nicht sagen können. Bei dem Namen tippte Buffy jedoch stark auf dämonisch. Faith spurtete los und sah von links nach rechts, um die Namensschilder zu lesen. Plötzlich blieb sie stehen und deutete auf eine Tür zu ihre Linken. Die anderen drei eilten an ihre Seite. Ein Namensschild behauptete das ein gewisser M. Tegul sein Büro hier hatte. Faith und Ronah standen links, Kennedy rechts von der Tür, während Buffy langsam vor die Tür selbst trat, tief Luft holte, ihre Muskeln anspannte und dann mit einem gezielten Tritt auf das Schloss, die Tür krachend aus den Angel warf, woraufhin sie quer durch den Raum flog und gegen die gegenüberliegende Wand knallte...
 

++++
 

Ratsgebäude

zur selben Zeit

Verfolgt von den neugierigen Blicken der anderen, tippte Willow auf ihrer Tastatur weiter. „Moment...,“ Willow klickte einen Link an, um anschließend die Schriftzeichen vom Buchrücken einzugeben. Sie bekam ein „Cavaleiros da morte“ angezeigt, das sie sofort an die anderen weitergab.
 

“Hm... portugiesisch,“ klärte Giles die Anwesenden auf. „Die Reiter des Todes...“
 

„Na wunderbar.. da habe ich etwas gefunden und es ist portugiesisch,“ beschwerte sich Willow an ihren Laptop gewand.
 

„Wer braucht das schon außer den Brasilianern?“, fragte Xander müde.
 

„Die Portugiesen, Xander?“, bot Giles hilfreich an und konnte dann jedoch die Enttäuschung unter den Anwesenden etwas schmälern, als er weitersprach. „Es ist nicht so tragisch, wie du denkst. Ich spreche und lese ein wenig portugiesisch.“ Niemand im Raum schien sichtlich überrascht, über Giles Enthüllung und er fuhr fort. „Eine Übersetzung wäre möglich. Es würde natürlich etwas länger dauern, ich habe die Sprache schon sehr lange nicht mehr benutzt...,“ gab Giles zu bedenken, als sich Hoffnung in den Gesichtern zeigte.
 

„Ich nehme an, sehr viel länger, da wir den verschlüsselten Text erst noch ins Portugiesische umsetzen müssen,“ gab Robin zu bedenken.
 

„Richtig, aber mit der heutigen Technik ist das schnell passiert,“ versprach Willow. „Ich kann an der Uni das Buch einscannen und durch ein Codierungsprogramm laufen lassen. In einem Tag haben wir alles.“
 

„Sehr schön,“ freute sich Giles auf seine zurückhaltende Art. „Aber für den Moment würde mich der Text bei der Abbildung mit der Kuppel sehr interessieren...“
 

„Moment,“ Willow blätterte im Buch weiter und griff nach Stift und Papier. Giles stand inzwischen auf und trat zu ihr. Die Zeit arbeitete zwar gegen sie, aber so viel Zeit musste jetzt einfach sein. Es vergingen ein, zwei Minuten, ehe Willow ihm das Blatt Papier zuschob. „Bitte, fertig.“
 

Giles nahm die Übersetzung des Codes in die Hände, rückte seine Brille zurecht und runzelte konzentriert die Stirn. „Ich befürchte, dass Buffy mit ihren Vermutungen über den Zusammenhang zwischen dem Buch, den Grabräubern und der Fabrik recht hatte.“
 

„Machen Sie es nicht so spannend,“ trieb Xander Giles an.
 

„Wer auch immer das Buch wollte, schien zu wissen, was da drinnen stand. Die Kuppel wird hier nämlich damit beschrieben, dass sie durch Magie erzeugt wird. Dazu sind Goldtaler aus Arashmahar notwendig,“ Giles hatte wirklich Mühe zu übersetzen und beschränkte sich darauf den anderen nur sinngemäß mitzuteilen, was er entzifferte.
 

„Soweit die Verbindung zu D’Hoffryn,“ sagte Willow.
 

„Was nicht bedeuten muss, dass er damit wirklich etwas zu tun hat,“ merkte Robin an.
 

„Und darum lässt er die Münzen zufällig hier?“, fragte Andrew in die Runde.
 

„Ich denke in diesem Fall werden wir D’Hoffryn wohl fragen müssen,“ sagte Willow und blickte kurz zur Seite, zu Giles, der stumm nickte. Giles war nicht entfallen, dass Willow ihn vor längerem darum gebeten hatte, sich an den Dämonenkönig wenden zu dürfen, falls Lilys Versuche ihr als Hüterin zu helfen scheiterten. In diesem Fall war es vielleicht gar keine schlechte Idee, wenn Willow ein wenig früher diese Hilfe bei D’Hoffryn suchte. Auch wenn er seine Zweifel hatte.. aber eine Antwort auf die Münzen hätte er zu gerne erfahren.
 

“Gut, dann wissen wir ja jetzt, für was diese Münzen gut sind und was derjenige, der hinter ihnen her ist oder war, vorhat,“ sinnierte Robin.
 

„Nicht ganz,“ unterbrach Giles und als er von dem Blatt aufsah, hatte sich eine tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen gebildet. „Diese Kuppel dient dazu, jemanden festzuhalten, ihn gefangen zu nehmen...“
 

“Genau das, was D’Hoffryn mit mir machte,“ pflichtete Willow bei, erntete aber von Giles einen ärgerlichen Blick über die Unterbrechung.
 

„Aber das ist unwesentlich,“ fuhr Giles schließlich fort. „Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das ganze eine Anleitung, um mit Hilfe von gefangener, unreiner... halt nein..,“ Giles murmelte zwei Worte vor sich hin, ‚pujo’ und ‚sujo’, die den anderen natürlich nichts sagten, aber trotzdem gebannt an seinen Lippen hingen. „Hm... sujo.. rein.. nein.. nein.. halt.. ich habe es... rein.. pujo bedeutet rein... das also mit Hilfe von gefangener, reiner Energie ein Schlüssel zur Verfügung steht, um die vier Reiter des Todes zu befreien...“, Giles Stirn glättete sich, als er langsam zu begreifen begann...
 

„Jemand will Dawn umbringen,“ sprang Andrew aufgebracht von seinem Stuhl auf. „Wir müssen sofort etwas tun...“
 

„Wir dürfen jetzt nicht den Kopf verlieren,“ hob Giles beruhigend die Hände, auch wenn er glaubte sie zittern zu fühlen. „Es besteht zwar die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen Dawns Entführung, den Münzen, dem Buch...“
 

„Natürlich tut es das,“ ereiferte sich Andrew. „Wieso sollen wir es leugnen? Davon wird es auch nicht besser. Rufen wir Buffy an....“
 

„Andrew hat recht,“ musste Xander nicht gerade leichtherzig Andrew beipflichten. Er sah dabei jedoch nicht zu seinem ehemaligen Mitbewohner. „Wir wissen alle was das bedeutet... jemand hat Dawn entführt und die Münzen gestohlen, um sie in ihre reine Form umzuwandeln und diesen Cowboys in die Freiheit zu verhelfen.“
 

„Und wenn wir Buffy in einem heiklen Moment erwischen? Wir könnten sie leicht mit einem Anruf und Klingelgeräusch verraten,“ gab Robin zu bedenken.
 

Giles war aufgestanden, um das Telefon vom Flur zu holen. Es ging um Dawn und Buffy würde es ihnen sicher nicht verzeihen, wenn sie ihr die Neuigkeiten zu spät mitteilten. Ein Versuch war es wert.

Er kam gerade zurück, als Robin seine Meinung kund tat und wählte bereits Buffys Handy-Nummer. „Wir müssen es versuchen. Xander und Andrew haben recht. Buffy würde es uns nie verzeihen, wenn dadurch Dawn erst recht in Gefahr gebracht wird.“ Ein Freizeichen war zuhören, dem sofort die Mailbox-Stimme folgte. Giles verzog das Gesicht und sprach Buffy eine kurze Nachricht darauf. Er bat sie schlicht um einen Rückruf, und legte wieder auf. Kurz spielte er mit dem Gedanken Lily anzurufen, aber egal was es war, das sie aufhielt.. sie würde es ihnen schon ...

Er musste jetzt an andere Dinge denken... planen und Befehle erteilen, sich auf das wesentliche konzentrieren...
 

„Willow.. versuch einen Zauber zu finden, mit dem wie Dawn wieder zurückverwandeln können, falls wir zu spät sind,“ wies Giles Willow an, die ihn ungläubig anblickte. Sie wussten beide, dass solch ein Zauber kaum existieren konnte und das sagten auch Willows Augen. „Gut.. versuche.. versuche an Informationen heranzukommen, wie diese Mönche Dawn in einen Menschen verwandeln konnten...vielleicht gelingt es uns so weiterzukommen. Ich versuche in dem Buch etwas zu finden...,“ Giles schob seine Zweifel über Erfolge zur Seite, so wie die leise Stimme, die ihm zuflüsterte, dass solch ein Zauber für Willow eine gewisse Gefahr bedeuten konnte... es galt jetzt Dawn zu retten, oder zumindest Buffy schlimme Nachrichten zu ersparen, wenn sie das Schlimmste verhindern konnten.
 

++++
 

In der Fabrik, im Büro,

etwas später

Während Ronah einen neuen Pfeil in ihre Armbrust einspannte, sah sie grimmig zu dem echsenartigen Dämon, der ihnen entgeistert entgegeben blickte und wohl nicht so recht wusste, wie ihm geschah.

Kennedy, die rechts neben ihr stand, lächelte, und starrte Tegul ebenfalls unverwandt an, während sie ihre Axt von einer Hand in die andere warf.
 

Die Drohung war eindeutig und Tegul hatte es nicht einmal gewagt, vor Schreck von seinem Stuhl aufzuspringen. Er war nicht einmal in der Lage gewesen, um Hilfe zu schreien.
 

Jetzt war er erst recht nicht mehr in der Lage – denn Faith sah Tegul bedrohlich an, während sein Gesicht sich nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt befand, als sie langsam ihren Griff um seinen Hals verstärkte und ihn vom Boden hob.
 

„Also, du Urwaldechse..,“ begann Buffy und ging in dem Büro langsam auf und ab. Der Dämon folgte ihr mit seinen Augen. Er zeigte keine Spur von Angst.
 

„Ich will gleich vorweg sagen, dass es nur in DEINER Hand liegt, wie lange dies dauert.. und wie schmerzhaft es wird...“, die blonde Jägerin blickte kurz zu ihren Kampfgefährtinnen und funkelte dann den Mafioso-Dämon wieder aggressiv an.
 

„Du kannst mich mal, BLONDY! Ihr könnt mich alle mal.. Ich bin Schmerzen gewohnt, ihr macht mir keine Angst mit..,“ bellte er los, wurde aber unterbrochen, als Faith ihre freie Hand zu einer Faust ballte und in sein Gesicht schlug.
 

„Fangen wir das Ganze noch einmal von vorne an.. hi, ich bin Buffy, eine Jägerin und das hier.. nun sind ebenfalls Jägerinnen,“ Teguls gelbe Echsenaugen begannen auf eine merkwürdige Art zu leuchten. Buffy fasste es als Angst oder Erkenntnis auf. Nichts, das sie ablenkte. „Und wir würden gerne wissen, wieso ihr euch so sehr bemüht habt, um ein spannendes, magisches Buch zu bekommen,“ versuchte Buffy den Dämon zum Reden zu bewegen und ging langsam auf ihn zu.
 

„Welches Buch? Das mit den Zauberern?“ fragte er und sah Buffy gespielt verwirrt an.
 

„Du weißt genau, welches Buch ich meine..!“
 

„Also wenn du von mir wissen willst, wieso so viele Leute hinter Harry Potter her sind.. Mädchen, da fragst du den falschen..!“ Auch für diese Antwort kassierte er wieder einen starken Schlag ins Gesicht. Blut lief ihm aus der Nase...
 

„Wir spielen hier keine Spielchen mehr..!“ Buffy war dabei, die Geduld zu verlieren, und griff nach ihrem Kurzschwert.
 

„Ich werde kein Wort sagen! Lass mich endlich los!“ der Echsendämon versuchte Faith zu treten, und ließ einen Schrei los, als sich plötzlich ein Pfeil ungefähr 2 Zentimeter neben ihm in die Wand bohrte! Ronah lächelte ihn böse an und legte den nächsten Pfeil nach.
 

„Okay.. okay.. wir wollen ja nicht übertreiben.. !“ schrie er, während sich seine Stimme immer mehr mit Panik füllte und dabei zusah, wie Ronah die scharfe Waffe erneut auf ihn richtete.
 

Faith sah ihn schief an und wollte ihm schon wieder eine scheuern, als er plötzlich schrie.
 

„ES WAR EIN MENSCH, KEIN DÄMON! Eine Frau, mittleren Alters, attraktiv..“ murmelte er, und holte tief Luft, als Faith ihren Griff lockerte, und seine Füße wieder den Boden berührten.
 

„Weiter!“ forderte ihn Buffy auf, als er jedoch weiter stumm auf den Boden starrte, und sich den Hals rieb, sprang sie plötzlich auf ihn zu, schlug ihm ihre Linke ins Gesicht, und setzt ihr Schwert an seinen Hals an.
 

„ICH SAGTE WEITER!“ Langsam verlor sie die Geduld. Wenn sie jetzt etwas nicht brauchte, dann ein Dämon, der in Anbetracht der Überzahl von Jägerinnen versuchte den Helden zu spielen.
 

„UND WENN ICH DAS TUE, BIN ICH MORGEN TOT!“, warf Tegul Buffy an den Kopf. Buffy verstärkte den Druck ihrer Waffe auf seine Kehle. Ein Tropfen Blut quoll aus einer feinen Schnittwunde hervor und fiel auf die Klinge herunter.
 

„Du kannst noch immer das Weite suchen, dann finden dich die Bosse nicht,“ sagte sie ohne Mitgefühl. „Aber du kannst auch gerne hier und jetzt durch die Hand einer Jägerin sterben.“
 

Teguls Augen suchten die von Buffy und darin lag so viel Entschlossenheit, dass er ein Einsehen hatte. Sterben wollte er nicht.. nicht in dieser Nacht und nicht für eine menschliche Person, die für den Auftrag bezahlt hatte. Es war nichts, das die Familie betraf.
 

„Eine.. Wächterin..! Es war eine Wächterin,“ flüsterte er in sich hinein, und Buffy ließ geschockt von ihm ab. Entsetzen zeichnete sich in ihrem Gesicht ab, und sie war kurz davor, die Waffe aus ihrer Hand fallen zu lassen.
 

“Lily.. Lily Usher?“ fragte sie in dunkler Vorahnung. Als der Dämon nur stumm nickte, verlor sie vollkommen ihre Beherrschung und schlug mit blinder Wund gegen die Holzwand, die splitternd nachgab und ein großes Loch hinterließ. „Ich habe es gewusst,“ presste sie zornig hervor, atmete dann ein paar Mal tief durch und wandte sich etwas ruhiger ihren Kampfgefährtinnen zu.
 

„Gehen wir.. wir müssen sie finden..!“ sie lief an den drei Jägerinnen vorbei, denen der Schock ebenfalls ins Gesicht geschrieben war, wurde dann jedoch noch einmal von einem lauten Lachen Teguls aufgehalten.
 

„Ihr werdet sie nie finden. Nicht rechtzeitig! Sie ist dabei einen glorreichen Plan zur Tat umzusetzen, und das könnt auch ihr nicht mehr ändern!“ spottete Tegul, der von einer Sekunde auf die andere sein Selbstbewusstsein wieder gefunden hatte.
 

„Welchen?“ fragte Kennedy geschockt, umgriff ihre Axt fester und trat drohend auf ihn zu.
 

„Hmm, wenn ihr noch ein bisschen wartet, müsstet ihr es eigentlich auch selbst herausfinden können, denn dann kann ich drei von euch töten.. einfach so.“ Er lachte laut in sich hinein. ‚Ohh jaa, Ms. Usher machte den Zauber rückgängig. Sie schließt gerade die Linie der Jägerinnen.. und dann wäre es mit diesen vorlauten Gören ein für alle mal vorbei’
 

Buffy stürmte wieder an Kennedy vorbei, schlug Tegul ein weiteres mal und bellte ihn an „Wovon redest du?“
 

Als Tegul nach seiner Nase tastete und das Blut auf seiner Hand bemerkte, blickte er hoch und sah die blonde Jägerin kurz schockiert an. Dann schüttelte er den Kopf.
 

„Wir könnten ihm ja den Bauch aufschlitzen..“ sagte Faith während sie näher an Tegul heran trat, ihr Messer zog und mit ihrem Finger an der scharfen Klinge entlang fuhr. „..das würde mir gefallen..!“
 

Entsetzt starrte der Dämon die dunkelhaarige Jägerin an. Meinte sie das ernst? ERNST? Würde sie das tun? Irgendwie sah sie ja recht wahnsinnig aus. War ihm das Geschäft mit Lily Usher sein Leben wert? Gott.. NEIN!
 

„Okay.. wartet..!“ er hob abwehrend seine Hände. „Die Wächterin, Ms. Usher, ist draußen beim Erie See. Bei den Felsen gibt es ein Höhlensystem.. Cliffords-Klippe... dort bereitet sie etwas für einen großen Zauber vor. Etwas gewaltiges... mit...,“ er sah kurz zur Jägerin und grinste breit. „Etwas für das sie einen bestimmten Schlüssel braucht. Reine Energie. Mehr weiß ich nicht.. ehrlich..!“ ängstlich sah er die vier Jägerinnen an. Mehr musste Buffy auch nicht wissen. Sie hatte verstanden und kaltes Entsetzen nahm von ihr Besitz.
 

Faith nickte, sah Buffy an, und bedeutete dann Kennedy und Ronah mit einer Kopfbewegung, dass es Zeit war, zu gehen.
 

Buffy griff beim Gehen nach ihrem Handy. Sie musste sofort Giles anrufen. Sie sah, dass er sie bereits versucht hatte anzurufen. Offensichtlich hatte sie es im Kampfgetümmel überhört. Sie wandte sich an der Tür noch einmal kurz zu Tegul herum. Es gab noch etwas zu klären, mit dem sie vielleicht auch diesen Ganoven das Handwerk legen konnte. „Hast du hier eigentlich das sagen?!“
 

„Hier.. ja. Aber das Gesamtbild wirst du nie verstehen, dumme Jägerin!“
 

Buffy lächelte kurz, umfasste den Griff ihres Schwertes und lief den anderen dreien nach. Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet auch noch gleich die ganze Mafia-Bande hochzunehmen.
 

++++
 

In der Höhle

zur selben Zeit

Lily betrachtete noch immer fasziniert das Lichtspiel im Inneren der Kuppel, das sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte, als einer der Echsendämonen zu ihr trat und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Eine Sorgenfalte bildete sich auf Lilys Stirn und sie blickte rasch auf ihre Armbanduhr.. meine Güte.. sie hatte die Zeit vollkommen vergessen und sich hier zu lange aufgehalten. Buffy würde sicher wahnsinnig vor Ungeduld sein und sie wollte sich nicht ausmalen, wie das Empfangskomitee bei Rupert im Haus aussah. Langsam bedauerte sie ihren Plan, Buffy und Giles angerufen zu haben, um weiter als die Unschuld dazustehen. Das konnte auch leicht nach hinten losgehen.
 

Sie sah den Dämon an und nickte zustimmend. Daraufhin wandte der Dämon seine Schritte Richtung hintere Höhle, wo einige der Echsendämonen herumlungerten und eigentlich darauf achten sollten, dass Lily ungestört blieb.
 

„Wir brauchen ein paar Männer bei der Fabrik. Jemand macht dort Schwierigkeiten...,“ er gab einen winkenden Befehl und fünf Dämonen folgten ihm, während der Rest weiter zu Lilys Unterstützung blieb.
 

Lilys Augen folgte den Männern mit gemischten Gefühlen, denn sie hatte sich gerade damit einverstanden erklärt, dass die Hälfte der Leute zurück zur Fabrik kehrten. Diese fünf waren die letzten gewesen, die man brauchte. Allerdings wusste Lily auch, dass ihr keine Gefahr entdeckt zu werden drohte. Und wenn sie jetzt noch dafür sorgte, dass Giles’ oder Buffy’s Bedenken zerschlagen wurden, lief alles wieder nach Plan. Sie griff nach einem Handy und verließ die Höhle. Hier drinnen würde sie keinen Empfang bekommen...
 

++++
 

Ratsgebäude

Eine Sekunde später

Das Klingeln des Telefons riss jeden aus seiner Konzentration heraus und nervöse Blicke folgten Giles Bewegung, der sich nach vorne beugte, und den Hörer in die Hand aufnahm. Vielleicht rief Buffy zurück...
 

„Ja?“, Giles Stirn runzelte sich kurz, dann entspannten sich seine Gesichtszüge. „Lily,“ flüsterte er den anderen zu, eine Hand über den Hörer. Dann nahm er sie wieder herunter und fragte besorgt: „Wo steckst du um alles in der Welt? Wir machen uns Sorgen.“
 

„Das müsst ihr nicht. Es hat einfach länger gedauert. Tut mir sehr leid. Sag das Buffy, falls sie sauer auf mich ist. Aber die Informanten waren nicht sehr kooperativ. Es hat mich sehr viel Überredungskunst gekostet, um überhaupt etwas zu erfahren.“
 

„Buffy ist unterwegs.. sie wollte nicht länger warten. Und wir haben auch ein paar Dinge herausgefunden... die dich interessieren werden. Und? Was hast du herausgefunden?“
 

„Dawn wurde entführt, weil man sie als Schlüssel einsetzen möchte. Aber das war auch schon alles..“.
 

„Das wissen wir bereits.“
 

“Das.. das wisst ihr schon,“ in Lilys Stimme schwang ein Hauch Panik mit, doch Giles bemerkte es nicht oder hielt es für Enttäuschung.
 

„Wir konnten das Buch vom Friedhof übersetzen,“ informierte Giles Lily. „Es tut mir leid, falls deine Arbeit umsonst war...“
 

„Nein ist schon in Ordnung. Ich bin in einer halben Stunde bei euch.“
 

“Sei vorsichtig,“ mahnte Giles sichtlich erleichtert, dass es Lily gut ging und sie sich kurz gemeldet hatte. Die beiden verabschiedeten sich neutral, dank der anwesenden neugierigen Ohren und Giles legte auf.
 

Im selben Moment als er auflegte klingelte erneut das Telefon in seiner Hand. Vor Schreck hätte es Giles fast fallen gelassen.
 

„Ja?“, meldete er sich vorsichtig, fast in Erwartung, dass es noch einmal Lily war.
 

„Giles? Ich bin’s - Buffy. . hören sie.. falls Lily in Ihrer Nähe ist und Sie nicht sprechen können, dann sagen Sie jetzt einfach „okay“....“
 

„Eh... b-bitte?... Nein, nein sie ist nicht gekommen wir habe nur eben telefoniert und ich muss dir etwas Dringendes...“
 

„Es ist Lily... Lily hat Dawn!“
 

Giles Gesichtszüge entgleisten, in seinem Kopf herrschte auf einmal eine überraschende Leere, und sein Mund fühlte sich trocken an, während Xander, Andrew, Willow und Robin ihn neugierig und bestürzt zugleich anstarrten. Sie ahnten, dass Giles gerade keine guten Nachrichten erhalten hatte.
 

Dann, als Buffy weitersprach, stürzten tausend Gedanken gleichzeitig auf ihn ein. Einer davon war die leise Hoffnung, dass sich Buffy falsch ausgedrückt hatte und nichts weiter damit sagen wollte, als das Lily Dawn bereits sicher in ihrer Obhut hatte, aber dann hätte Lily sicher gerade eben am Telefon etwas dazu gesagt... und ihr Fernbleiben ergab auch auf einmal Sinn und... und ... und....
 

„..Ich hab jetzt keine Zeit um näheres zu erklären, Giles. Wir müssen uns beeilen... fahren Sie raus zum See.. wir treffen uns bei den ...Cliffords-Klippen....“
 

++++
 

In der Höhle

Mit dem Wissen, dass sie niemals in einer halben Stunde bei Giles sein würde, begann Lily in aller Ruhe vor der Energiekuppel mit Blut Kreise, Linien, Striche und Punkte zu einem wirren Gebilde zu vereinen. Sie trat zurück, begutachtete zufrieden ihr Werk und wünschte sich, dass sie Giles nicht nach Dawns Entführung angerufen hätte. Das verkomplizierte nur alles und sie kam in Zeitnot. Aber die Hoffnung, dass nach dem sie getan hatte, was getan werden musste, nie jemand erfuhr, wer dahinter steckte - sie und Giles hätten vielleicht eine gemeinsame Zukunft vor sich liegen – hatte sie ein paar unüberlegte Schritte machen lassen. Denn gegen all ihre Pläne die Freunde um Dawn herum zu beseitigen, um ein leichtes Spiel zu haben, hatte sie entdecken müssen, dass sie Giles tatsächlich liebte...oder noch immer liebte. Es war anders als damals, als sie jung und frisch verliebt blauäugig in die Zukunft blickten. Vielleicht würde diese Liebe ihr größter Fehler werden, aber im Moment schien noch alles so zu verlaufen, wie sie es geplant hatte.
 

Lily griff in einen Jutesack und holte einen wild zappelnden Hahn hervor. Es war schwierig ihn ruhig zu halten, aber schließlich konnte Lily ohne mit der Wimper zu zucken ihm die Kehle aufschlitzen. Sie ließ sein Blut in die Mitte des gemalten Bildes tropfen und murmelte dabei eine weitere Zauberformel. Langsam begannen die gemalten Linien und Zeichen zu glühen, sobald das Blut des Hahns, dank dem Zauber, zielgenau von der Mitte des Bildes aus über die Linien lief.
 

Kaum glühte auf diese Weise das gesamte Bild, griff Lily nach der Abschrift, die ihr Regil besorgt hatte. Es gab darauf noch einen zweiten, kleineren Zauberspruch, der jedoch so vieles bewirken sollte...
 

Sie trat in die Mitte des blutroten Kreises, schloss die Augen und sammelte sich. Es waren genau fünf Textzeilen, die sie zu lesen hatte.. dann würde es vollbracht sein. Es würde wieder nur eine Jägerin auf dieser Welt existieren und die Wächter bekamen ihren alten Einfluss zurück.
 

Mit wieder geöffneten Augen begann Lily erneut zu lesen:
 

„Befreit ist der eine, der Schlüssel und vereint sei seine Macht“
 

Die Energiekugel begann zu knistern und die bunten Lichter darinnen tanzen wild umher.
 

“Ihr Mächte des Feuers“
 

Ein Lichtblitz zuckte aus der Kugel hervor und die farbenfrohe Hülle nahm einen hellen, roten Farbton an.
 

“Ihr Mächte des Wassers“
 

Ein zweiter Blitz folgte und auf einmal schien in der Hülle der Kugel Bewegung gekommen zu sein, als würde im Inneren Wasser fließen...
 

“Ihr Mächte des Eises“
 

Der Boden der Höhle begann zu vibrieren und die Hülle wurde glasklar.
 

Lily setzte zum letzten Spruch an, als sie aus einem der Tunnelgänge lauten Lärm hörte. Die Dämonen bei ihr entsicherten fast gleichzeitig ihre Maschinengewehre und eilten durch die Höhle zum Ausgang, durch den sie den Lärm kommen hörten. Lily öffnete wieder den Mund, verstummte aber jäh, als ein Schuss durch die Höhlengänge hallte und kurz darauf weitere folgten...
 

++++
 

Xander’s Wagen

Zeitlich etwas vor den Schüssen in der Höhle...

“Ich kann nicht... unfassbar...,“ stammelte Giles hilflos, während er neben Xander in dessen Wagen saß und sich krampfhaft am Haltegriff festklammerte – Xander fuhr ein wenig schneller als erlaubt.. viel schneller und entsprechend schlitterte der Wagen um die Kurven.
 

„Lily... ich... ich... unfassbar....“
 

Willow, eingequetscht zwischen Robin und Andrew auf der Rückbank, griff nach vorne und tätschelte Giles Schultern. Kein Trost, dass wusste sie, aber er sollte wissen, dass sie hier waren und seine Überraschung, seinen Schock, mit ihm teilten. Doch Giles spürte die nette Geste nicht einmal und es war schwer zu sagen, ob die Blässe in seinem Gesicht davon kam, dass Xander um eine Kurve schlitterte und mit der hinteren Stosstande die Leitplanke streifte - eine Leitplanke die normalerweise dafür sorgen sollte, das man nicht die zehn Meter hohen Klippen in die Tiefe stürzte - oder aber wegen der Wahrheit über Lily entstanden war.
 

Wahrheit?, grübelte Willow. Sie wussten ja nicht einmal wieso die Wächterin Dawn entführt hatte.. was genau sie mit ihr als Schlüssel plante....was hatte sie davon, wenn sie die vier Reiter befreite und damit der Welt den Untergang brachte? Giles musste sich furchtbar fühlen und Willow beschloss ihre Fragen, die ihr auf der Zunge brannten einfach noch eine Weile für sich zu behalten.
 

„Wir sind gleich da,“ sagte Xander mit etwas Panik in der Stimme. Sein eigenes Fahrmanöver schien auch ihn erschreckt zu haben.
 

„Hoffentlich,“ stöhnte Robin und hielt sich ebenfalls am Haltegriff fest. „Sonst werden wir Buffy und den anderen keine große Hilfe sein.“
 

In seinen Gedanken war Andrew bei Dawn und der Hoffnung, dass Buffy alles richten würde. Sie war doch die Heldin. Ganz gleich wie viele Jägerinnen es noch gab.. früher hatte Buffy immer alles in Ordnung gebracht.. aber nein – wenn er genauer darüber nachdachte... Buffy war nicht da gewesen, um Willow davon abzuhalten, Warren zu töten oder ihn davon zu bewahren, Jonathan zu killen, sie hatte es auch nicht geschafft, Faith zu retten, als sie Hilfe brauchte, sie hatte auch nicht verhindern können, dass beim Kampf gegen den Bürgermeister Mitschüler ums Leben kamen oder bei ihrer letzten Schlacht... Anya.. die anderen Jägerinnen... - vielleicht kamen sie jetzt zu spät und Buffy konnte auch nichts mehr für Dawn tun.. der Gedanke war zu schrecklich und Andrew versuchte sich mit fiesen Racheplänen an Lily abzulenken.. aber er war zu deprimiert und enttäuscht über Lilys wahres Gesicht, um sich wirklich Schmerzhaftes für sie einfallen zu lassen.
 

„Unvorstellbar, dass ich ihr vertraut habe... Unverschämtheit, dass sie uns vorhin auch noch anrief und unschuldig tat... und... oh du meine Güte..,“ Giles Gedanken wanderten an all die Momente zwischen ihnen zurück, in denen sie sich sehr nahe gewesen waren. Er fühlte sich benutzt ... und das war kein schönes Gefühl. Es war ihm kein fremdes Gefühl. So ähnlich hatte er sich das letzte Mal gefühlt als Buffy ihm die Wahrheit über Jenny sagte.. doch das war etwas anderes gewesen. Jenny hatte niemand mit ihrer Täuschung töten wollen, das war bei Lily ganz anders.. Samielle.. Willow und Faith.. die Jägerinnen... Dawn
 

„Okay.. da vorne steht ihr Wagen, Giles. Wir sind da,“ sie erkannten in der Ferne vier dunkle Schemen, die auf sie zu warten schienen.
 

Xander fuhr mit abgeschalteten Licht näher heran und stellte den Motor ab. Man konnte nie wissen, wer in der Nähe war.
 

Kaum waren sie ausgestiegen und mit Waffen aus dem Kofferraum eingedeckt, kamen Buffy und die anderen näher, um sie einzuweisen. Allen voran Buffy mit einem düsteren Gesichtsausdruck und Entschlossenheit in ihren Augen.
 

++++
 

Höhle

aktuelle Zeit

Lily sah hin und her gerissen zwischen der Zauberformel, der Kuppel und dem Durchgang der Höhle hin und her. Der Tumult wurde lauter und sie hörte weitere Schüsse. Es wurde gekämpft... meine Güte... Lilys Blick wurde panisch. Hatte man sie doch entlarvt? Aber wie nur... die Fabrik.. die Schwierigkeiten in der Fabrik.. Buffy!!! Sie war dort gewesen und hatte sich Informationen beschafft – das hatte Rupert vorhin mit „Unterwegs“ gemeint.... man konnte sich nicht einmal mehr auf Leute verlassen, die man bezahlte. Wut zeichnete sich in Lilys Gesicht ab. Sie musste jetzt nachdenken. Sie durfte nicht panisch abbrechen.. es war nur noch ein Satz, der fehlte... oder war der Zauberspruch bereits hinfällig weil sie unerbrochen hatte? Wenn es doch Buffy war und sie noch nichts von ihrem Verrat wusste, war es auf jeden Fall sehr ratsam zu verschwinden.. aber Dawn... sie wusste wer dahinter steckte...
 

Lily blickte auf das Innere der Kugel und lächelte breit.. Dawn existierte nicht mehr.. sie konnte nichts verraten, weder über sie noch über ihren Plan... trotzdem – Lily entschloss sich dazu zu verschwinden. Wut über die Niederlage war noch zu milde für das, was Lily empfand. Hier war sie ihrem Ziel so nahe gewesen....
 

Ihr Vorteil, die Höhlengänge genau zu kennen, kam Lily nun zu Gute. Sie wählte den kürzeren Weg in die Freiheit, nahm noch rasch einige wichtige Papiere vom Tisch mit und verschwand in der Dunkelheit....
 

++++
 

Am Höhleneingang,

einige Minuten zuvor...

„Okay Leute, los geht’s!“ schrie Buffy, nickte Faith, Kennedy und Ronah zu, die direkt hinter ihr standen, und lief los.
 

Robin, Giles, Andrew, Xander und Willow folgten den Jägerinnen nach geringem Abstand, und kamen kurz nach ihnen beim Eingang zum großen Höhlensystem an.
 

„Verteilen!“ schrie Buffy, machte einen Rolle nach vorne, und trat dem ersten Wachmann sofort den Boden unter den Füßen weg. Überrascht fiel er zu Boden und kam nicht einmal dazu, nach seiner Waffe zu greifen, bevor die blonde Jägerin ihm mit einem heftigen Tritt das Genick brach.
 

Sie blickte auf und erkannte Faith, die gegen zwei rothäutige Dämonen auf einmal kämpfte, während Ronah sich hinter einem großen Stein vor den Schüssen des Dämons versteckte.
 

„Na Prima.. !“ flüsterte Buffy, als sie die herannahende Verstärkung entdeckte, die aus der dunklen Höhle auf sie zu kam. Zu ihrer mehr oder wenig freudigen Überraschung trugen sie nur einige Schusswaffen bei sich, der Rest musste sich mit Schwertern begnügen.
 

„Robin, runter!“ schrie Buffy und bewahrte den jungen Wächter davor, von einer Kugel getroffen zu werden, die ein Wachmann hinter ihm abgeschossen hatte. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern hatte er sich schon umgedreht, sprang hoch und knallte seinem Angreifer seinen linken Fuß kräftig ins Gesicht. Dieser stolperte benommen nach hinten und fiel genau in Andrew’s Schwert, der es grinsend wieder aus dem toten Körper heraus zog.
 

Buffy ließ sich nicht weiter ablenken und lief an Kennedy vorbei, die gerade gegen die harte Steinwand der Höhle geworfen wurde, während Faith den zweiten ihrer Angreifer nieder streckte.
 

„DAWN?!“ schrie Buffy während sie den Gang entlang lief und den großen Kampf etwas hinter sich ließ. Es wurde dunkler und Buffys Augen brauchten einige Sekunden, um sich an die veränderten Lichtbedingungen zu gewöhnen, als sie plötzlich ein lautes Klicken hörte, worauf ein lauter Schuss folgte.
 

Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihren Arm, als die Kugel ihren linken Arm streifte und dabei die Haut aufriss. Erbost fuhr Buffy herum, zog ihr Kurzschwert, holte aus, und köpfte den rothäutigen Wachmann ohne mit der Wimper zu zucken. Die Zeit lief. Es würde knapp werden..
 

Kennedy schrie ein weiteres mal laut auf, als sie von ihren Angreifern wieder gegen die harte Steinwand geschleudert wurde. Schmerzen durchzuckten ihren gesamten Körper. Sie versuchte an ihre Axt heran zu kommen, erreichte diese aber nicht.
 

‚Oh Gott.. ich sterbe.. WILLOW!’ schoss es ihr durch den Kopf, und im nächsten Moment gingen ihre Angreifer in Flammen auf. Willow stand noch immer im Höhleneingang und sah besorgt zu Kennedy.
 

‚Alles in Ordnung?’ hörte sie plötzlich die Stimme der Hexe in ihrem Kopf. Die Jägerin nickte, griff nach der Axt, und widmete sich dem nächsten Dämon.
 

Giles stand neben Willow, während er besorgt das Kampfgeschehen beobachtete. Buffy war bereits im hinteren Teil der Höhle verschwunden. Besorgt blickte er zu Kennedy. Wenn Willow nicht gewesen wäre, wenn sie nicht Magie eingesetzt hätte, wäre sie jetzt wahrscheinlich tot. Willow hätte dies nicht tun sollen, schoss es ihm durch den Kopf. Sie muss ihre Kräfte für das Ritual aufsparen.
 

Giles wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein lauter Schrei von Robin durch die Höhle hallte. Eine große Schnittwunde klaffte an dessen Wange. Giles beobachtete, wie sich Xander zwischen den jungen Wächter und den Dämon schob, ausholte und dem Dämon einen Arm abtrennte. Den Rest erledigte Ronah, die der Rothaut von hinten das Genick brach.
 

„Gut, weiter geht’s!“ schrie Giles, nickte Willow zu und schritt durch den Höhleneingang. Er war froh, dass sie so eine effektive Kampftruppe hatten. Wenn sich nur Buffy um diese Dämonen hätte kümmern müssen, stünden Dawns Chancen noch bedeutend schlechter.
 

Schneller als gehofft drängten sie ihre Angreifer zurück, bis sie einen großen, unregelmäßigen Höhlenraum erreichten. Buffy betrat als erste den Raum und während sie dem Dämon vor sich mit einem Stich den Unterleib bis zum Hals hinauf aufschlitzte, erblickte sie die Energiekugel in der Mitte. Meine Güte... war das etwa Dawn? War das ihre Schwester.. die richtige Dawn? Ihr blieb der Atem weg, als sie ihre Waffe fallen ließ und fassungslos auf die Energiekugel zu trat. Sie bemerkte nicht, wie ihre Freunde hinter ihr die übrig gebliebenen Feinde unschädlich machten und ein kleiner Teil davon das Weite in den angrenzenden Höhlen suchte. Sie sah nur diesen Energiekomet, der im Inneren der Kugel herumflog.
 

Willow und Giles traten, gefolgt vom Rest, hinter Buffy, die sie jedoch nicht bemerkte. Buffy konnte es einfach nicht glauben. Sollte es das gewesen sein?
 

„Na, da hast du dich ja großartig vor ’ner Aussprache gedrückt!“ flüsterte Buffy leise und vorwurfsvoll, während sie die Energiekugel ungläubig anstarrte.
 

„Heb dir das für später auf, Buffy, wenn Dawn wieder Dawn ist!“, sagte Willow sanft neben Buffy und musste selbst fasziniert in das farbenfrohe, lebendige Innere blicken.
 

Erstaunt wanderten Buffys Augenbrauen in die Höhe, während Giles ihr in einer beruhigenden und tröstenden Geste eine Hand auf die Schulter legte. Buffy war unendlich dankbar dafür, wobei sie sich durchaus sehr gut vorstellen konnte, wie schlecht sich Giles in Bezug auf Lily fühlen musste und selbst Trost gebrauchen konnte.
 

Die anderen hatten damit begonnen ihre Waffen zu reinigen, an denen Dämonenblut klebte, nur um nicht der Wahrheit ins Auge blicken zu müssen – zu spät für Dawns Rettung gekommen zu sein.
 

„Also gut,“ Kennedy ergriff als erste wieder das Wort und trat neben Willow. „Du willst damit sagen, dass du eine Möglichkeit, eine Chance für Dawn gefunden hast?“

„Die habe ich,“ bestätigte Willow entschlossen. „Es ist nicht einfach und gefährlich. Das sage ich nicht nur, um euch nun eh.. zu beeindrucken, sondern nur, damit ihr euch im Klaren über die Risiken seid. Wenn wir alles richtig machen und beachten, bekommen wir Dawn zurück. Ein kleiner Fehler und ihr werdet nicht nur für Dawn ein leeres Grab schaufeln müssen....,“
 

Buffy blickte entsetzt zu ihrer Freundin. „Das.. können wir nicht zulassen. Ich meine natürlich Dawn.. sie ist mir wichtig und das wisst ihr, aber wenn es zu riskant...“
 

„Es geht um Dawn, Buffy,“ erinnerte Willow mit einem müden Lächeln. „Ich meine... vor wenigen Wochen wärst du über Leichen gegangen um für sie alles zu tun...“
 

„Das würde ich noch immer. Aber ich habe auch eingesehen, dass manche Leichen nicht nötig sind.... es gibt sicher auch noch einen anderen Weg...“
 

„Nein den gibt es nicht,“ mischte sich jetzt auch Giles ein und nahm seine Hand von Buffys Schultern. „Wir brauchen für das Ritual absolute Ruhe. Am besten gehen alle bis auf Willow und mir selbst hinaus oder sucht die Höhlendurchgänge ab... auf keinen Fall brauchen wir Störung oder Ablenkung. Willow muss ein geistiges Portal öffnen und sich von ihrem Körper trennen. Nur so gelangt sie an den Ort, an dem Dawn ist.“
 

„Sie ist doch hier,“ Faith zeigte auf die Kuppel.
 

„Ja und nein,“ erklärte Giles ruhig. „Ein Teil ja, ein anderer Teile befindet sich auf einer vollkommen anderen Ebene, die wir nicht verstehen. Dieses geistige Portal wird Willow und Dawn zu einem Wesen führen, dass darüber bestimmen kann, was mit Dawn geschieht.“
 

„Ein Lichtwesen,“ fuhr Willow anstelle von Giles fort. „Giles muss mir helfen, da er der einzige ist, der dieser Sprache mächtig ist und ich mir sicher sein kann, dass er nicht durch einen Fehler alles zum Scheitern verurteilt.“
 

„Okay.. soweit klar,“ meldete sich Kennedy zu Wort. „Aber ich lass dich hier nicht alleine mit Giles einer geistigen Konzentration ausgesetzt, die euch leicht angreifbar macht. Ich bleibe hier, der Rest kann gehen.“
 

Es entstand ein kurzer Tumult als alle auf einmal durcheinander quatschten und jeder den anderen davon überzeugen wollte, wieso sie hier bleiben wollten, anstatt Giles Bitte nachzukommen.
 

„Hey..,“ rief Giles auf einmal laut dazwischen und brachte die Anwesenden zum Schweigen. „Ich denke es ist Willows und meine Entscheidung.... und wenn Kennedy hier bleiben möchte und Willow einverstanden ist, ist das in Ordnung. Der Rest... geht bitte!“
 

Willow hatte Kennedy bei Giles Worten angesehen und warm gelächelt. Kennedy fasste das als Zustimmung auf und suchte sich einen guten Platz in der Höhle, von dem aus sie glaubte alles im Blick zu haben. Xander, Ronah und Faith brachen auf, um die hinteren Höhlengänge zu durchsuchen, während Buffy mit Robin und Andrew draußen im Freien nachsehen wollten, ob sie nicht mit neuem, überraschendem Besuch rechnen mussten.
 

Giles und Willow nahmen endlich alleine am Rand des von Lily gemalten Blutkreises platz. Kaum hatten sie eine bequeme Position gefunden bekam Giles von Willow das Buch mit dem Zauberspruch gereicht. Sie hatte es mit einem Lesezeichen versehen und Giles schlug die entsprechende Stelle auf, während Willow anfing für das notwendige Ritual alles vorzubereiten. Sie griff in die Umhängetasche, die sie bei sich getragen hatte und hervor kam ein Tütchen mit zwei Haaren darinnen. Eines war hellblond, ein anderes eher dunkel. „Ich schätze das ist genug DNA von Buffy und Dawn,“ sie holte die beiden Haare heraus und legte sie in eine Messingschale, die sie inzwischen ausgepackt hatte. Giles nickte zustimmend.
 

Als nächstes suchte Willow in ihrer Tasche nach dem Weihrauchkraut, das im getrockneten Zustand, verbrannt, eine hervorragende und wichtige Zauberzutat darstellte. Auch dies wanderte in die Schale. „Ich hoffe es geht alles gut. Ich hoffe vor allem, wir können den Zauber durchbrechen...,“ Willow klang sehr unsicher und Giles fand es an der Zeit die doch so mächtige Hexe an ihre Macht zu erinnern.
 

“Willow,“ er griff nach ihrer Hand, die gerade Blut einer Schlange in die Schale schüttete. „Du tust das Richtige und ich bin hier, damit nichts schief geht. Du schaffst das schon. In den letzten Monaten ist doch auch alles gut gegangen....“
 

„Ich weiß, doch, Giles.“ Sie zog ihre Hand zurück und legte Kerzen, Streichhölzer und ein Reagenzglas mit einer sonderbaren braunen, Flüssigkeit neben die Schale. „Aber wenn Lily in der Lage war, meinen Ortungszauber zu unterbinden, und das hier erschuf,“ sie zeigte auf den magischen Kreis und auf die Kugel, „dann weiß ich nicht, wer hier die mächtigere Hexe ist.“
 

„Wir wissen nicht, ob Lily das aus eigener Kraft getan hat. Noch wissen wir überhaupt etwas... feg die Zweifel zur Seite....“
 

Willow nickte stumm. Viel anderes blieb ihr ja nicht übrig. „Ich bin gleich soweit. Sobald ich anfange mir die Zeichen aufzumalen, müssen sie zu lesen beginnen. Ich werde als erstes den magischen Kreis durchbrechen müssen, um Dawn dort zu erreichen wo sie ist,“ Giles nickte und sah dann dabei zu wie Willow selbst mit einem Zauberspruch beschäftigt, die Zutaten verrührte, zermahlte, vermischte und am Ende entzündete. Es war kein großes Feuer, keine Stichflamme und kein magisches Licht, dass den Zauber bekleidete, aber die Zutaten, die brannten, zerfielen schnell in sich zusammen, vermischten sich zu einer Flüssigkeit, die zu kochen begann, während noch immer eine kleine Flamme züngelte.
 

Als die Flamme erlosch, tauchte Willow ihren Finger in die heiße Flüssigkeit und nickte Giles zu. Während er in einer weichen, sing sang Stimme den Spruch vorlas, begann sich Willow auf ihre Stirn, Nasenrücken, Wangen, Hals, Hände und Unterarme Runen zu malen. Die Flüssigkeit war heiß und die Hexe hatte Mühe gegen den Schmerz anzukämpfen, aber im Vergleich zu anderen Zaubern war es auszuhalten.
 

Giles Worte wurden von einem ständig lauter werdenden Knistern der Energiekugel begleitet und Kennedy wich automatisch von ihr etwas zurück.
 

Giles Stimme wurde lauter und härter, Willows Körper begann sich aufzubäumen, ihre Augen nahmen einen fiebrigen Glanz an und die Energiekugel schickte kleine, feine Blitze aus ihrem Inneren, die sich in der Dunkelheit über ihnen verloren. Ein Wind fegte auf einmal durch die Höhle, der unvorstellbar stark war ... Kennedy sah fragend zu Giles und Willow hinüber, die völlig konzentriert waren und die Jägerin musste sich damit zufrieden geben, dass sie sich eigentlich schon lange nicht mehr über die Begleiterscheinungen von Magie wunderte.
 

Sowohl Willows aufgemalte Runen, als auch der blutige Kreis von Lily glühten plötzlich in einem warmen, hellen Licht auf und in diesem Moment fiel die Energiekugel in sich zusammen. Nicht plötzlich und auf einmal sondern so, als würde ihr Luft entweichen und einen gigantischen Ball schrumpfen lassen. Giles verfolgte alles mit wachsamen Augen und als er die letzte Zeile vorlas, geschahen die Dinge sehr schnell und auf einmal – der Lichtkreis erlosch, die Energiekugel verschwand mit einem deutlich vernehmbaren „Plong“, Willow fiel nach hinten in einen tiefen Schlaf um, und die blutigen, roten Linien und Kreise auf dem Boden lösten sich in Nichts auf.
 

Wo auch immer Willow nun war... sie hatten es geschafft. Jedenfalls für den Moment.
 

„Willow.. meine Güte,“ Kennedy eilte zu der schlafenden oder auch ohnmächtigen Willow und kniete neben ihr. „Ihr geht es doch gut? Ich meine.. das gehört dazu?“
 

„Natürlich,“ nickte Giles ruhig. „In zehn Minuten etwa sollte sie wieder hier bei uns sein, mit oder ohne Dawn. Länger Zeit lassen wollte ich ihr nicht... falls sie nicht von alleine kommt, müssen wir sie zurückholen.“
 

„Das geht?“, fragte Ken voller Hoffnung.
 

„Oh ja.. wir müssen nur die Ritualrunen von ihr abwaschen....“
 

Kennedy’s Gesicht entspannte sich wieder ein wenig, während sie Willow eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
 

++++
 

Irgendwo in der Dunkelheit

Willow trat aus vollkommener Dunkelheit direkt hinein in gleißendes, helles Licht. Geblendet schloss sie ihre Augen und öffnete sie erst nach ein paar Sekunden wieder langsam. Es tat noch immer in den Augen weh, aber sie konnte sie zumindest öffnen und ihre Umgebung besser wahrnehmen. Sie war umgeben von vielen Farben. Sie spürte Wärme, Frieden, Geborgenheit und Gelassenheit. Bunte Lichtschweife schossen über ihren Kopf hinweg, knisternde Energiekugeln jagten sich und stoben an Willow vorbei. Energie in der Luft knisterte und ließ Willows Haare sich wie bei einem leichten Windstoss hin und her bewegen.
 

Es gab keinen Weg, keinen Pfad und Willow wusste nicht wohin sie gehen sollte, um Dawn zu finden. Schüchtern rief sie ihren Namen und erreichte damit nur, dass die tanzenden Lichter offensichtlich angst vor ihr bekamen und in einem wilden Durcheinander vor ihr zurückwichen. Damit gaben sie Willow unfreiwillig den Blick auf eine weitere dunkle Spalte frei, wie die, durch die sie eben erst getreten war. Darauf ging Willow nun zu.
 

Vorsichtig trat sie hindurch. Sie befand sich wieder umgeben von einer schweren Düsternis, in einem Raum oder an einem Ort, der frei von Zeit zu sein schien.. und doch .. dort... am Ende... schien ein kleiner Lichtpunkt zu tanzen.
 

Ihr Herz klopfte schneller, als sie zu hoffen wagte, dass es Dawn sein konnte. Schnell schritt sie darauf zu und sah beruhigend wie der Lichtfleck größer wurde, bis sie vor einer Energiekugel mit Kometenschweif stand, durch den viele Farben wie bei einem Regenbogen hindurch zu fließen schienen.
 

„Dawn?“, fragte sie vorsichtig und ohne zu Wissen warum sie es tat. Es war ein Instinkt. Die reine Energie hüpfte vor ihr auf und ab, anstatt wie die anderen zu fliehen. Ein gutes Zeichen.
 

Plötzlich blähte sich die Energiekugel auf – Willow trat hastig zurück und musste dann doch erleichtert aufatmen, als sich daraus ein menschlicher Umriss formte. Langsam kristallisierte sich Dawns menschliches Antlitz heraus und Willow erkannte den Teenager sofort, obwohl eine strahlende Lichthülle Dawn umschloss und ihr Körper oder das was er sein sollte, von fließender Energie durchströmt wurde.
 

„Gott.. Willow?... Du kannst dir nicht vorstellen... wo bin ich hier eigentlich?“ Dawn wirkte so, als würden ihr ein paar entscheidende Momente der letzten Minuten fehlen und Willow beschloss das nachzuholen. „Und wieso kann ich wieder sprechen?“
 

++++
 

Vor der Höhle

Giles trat auffällig laut aus der Höhle, um Buffy, Andrew und Robin zu erkennen zu geben, dass es nicht der Feind war, der da kam. Trotzdem richtete sich eine Schwertklinge gefährlich nah auf seinen Adamsapfel.
 

„Oh Giles, Sie sind’s,“ Robin senkte die Waffe.
 

„Wie geht es Willow?“, Buffy trat hinter einem Felsen hervor, gefolgt von Andrew.
 

„Ich denke gut. Es hat alles funktioniert. Wenn wir großes Glück haben, wird Dawn bald wieder bei uns sein.“
 

„Sie meinen, sofern Lily nicht durchgeführt hat, was sie vorhatte?“
 

Giles nickte stumm zu Buffys Frage und wurde von einem Klingeln an einer weiteren Antwort gehindert. Drei Augenpaare wanderten anklagend zu Andrew, der mit schulbewusster Miene sein Handy hervorzog und tatsächlich so mutig war auch noch dran zu gehen.
 

„Ja? – Oh.. einen Moment....,“ Andrew reichte Giles den Hörer. „Es ist Angel. Für Sie.“
 

„Für mich?“, überrascht nahm Giles Andrew den Hörer ab. Buffy sah ihn fragend an, aber Giles konnte nur mit den Schultern zucken. Die gleiche Reaktion bekam sie von Andrew.
 

Während Giles mit dem Handy ein paar Schritte von ihnen wegtrat, sahen sie ihm neugierig hinterher.
 

„Angel? Entschuldigen Sie, die Verbindung ist hier etwas schlecht.“ Neben der Überraschung schwankte auch Erstaunen in Giles Stimme mit und er war sich des fragenden Blicks von Buffy in seinem Rücken durchaus bewusst.
 

„Giles, wir brauchen Ihre Hilfe. Es geht um Leben und Tod.“
 

„Oh.. und wie kann ich ihnen dabei helfen?“
 

„Sagen Sie mir, wo und wie ich Willow erreichen kann.“
 

Giles musste einen Moment nachdenken. Nachdem sie Andrew nach L.A. geschickt hatten, um wegen der Jägerin Dana behilflich zu sein, hatte er mit sehr gemischten Gefühlen Andrews Bericht über die Dinge, die dort in L.A. passieren, vernommen. Er war sich nicht sicher ob sie Angel noch immer vertrauen konnten.
 

„Uhm.. Willow ja.. das ist nicht möglich. Sie ist im Moment auf dem Himalaja.
 

„Himalaja? Ich dachte, sie wäre in Südamerika.„Nun gut... schauen Sie,” Angel seufzte schwer.
 

Giles sah über die Schulter und schenkte Andrew einen bösen Blick, den der junge Mann nicht mitbekam. Andrew hätte ihm ruhig verraten können, was er für Lügenmärchen Angel aufgetischt hatte, nachdem er beschloss, Angel misstrauisch zu begegnen. Er musste das schleunigst wieder gerade biegen.
 

„Nicht auf dieser Ebene, Angel.“
 

„Was meinen Sie mit nicht auf dieser Eben?“
 

„Sie befindet sich im Moment in einem Stadium, der es nicht erlaubt sie ans Telefon zu holen. Sie ist auf einer Reise auf einer anderen Ebene.“
 

„Aha – Sie meinen also astrale Projektion? Besteht eine Möglichkeit sie mit dieser astralen Projektion nach L.A. zu bekommen?“
 

„Ich denke nicht..,“ Giles wurde sich etwas unsicher. Angel klang verzweifelt.
 

„Giles... das ist ein Notfall!“
 

„Sicher,“ brummte Giles, der im Kopf eigentlich ganz andere Sorgen hatte, als darüber alleine zu entscheiden, ob sie Angel trauen konnten oder nicht. Und welcher Notfall konnte schon wichtiger als Dawn sein. „Warten Sie einen Moment...“
 

„Nein. Nein, ich werde nicht - halten Sie mich nicht hin.“
 

Giles hörte nicht mehr Angels Protest, als er den Hörer sinken ließ und sich unschlüssig herumdrehte. Es wäre leicht gewesen, jetzt Buffy zu fragen was sie tun sollten, aber möglicherweise hätte er ihr vielleicht auch Spike erklären müssen, um sie ins Bild darüber zu setzen, was Andrew alles für Informationen mit aus L.A. gebracht hatte. Er musste das jetzt für alle alleine entscheiden. Er nahm wieder den Hörer ans Ohr.
 

„Hören Sie, Angel. Arbeiten Sie noch immer für Wolfram und Hart?“
 

“Ja, ich arbeite noch immer bei Wolfram & Hart. Was hat das mit dem Ganzen zu tun?“
 

“Ich schätze sehr viel. Sie wissen, für was Wolfram und Hart steht, oder nicht? Und wir wissen es auch... niemand kann uns sagen, ob Sie noch ehrlich spielen oder in eine andere Liga gewechselt sind...“
 

„Oh ja.. ich verstehe,“ hörte Giles Angel noch sagen bevor ein lautes Krachen und Scheppern ihn annehmen ließ, dass Angel vor Wut den Hörer gegen die Wand geworfen hatte.
 

++++
 

Die andere Ebene

“Ich hab den Zauber von Lily gebrochen. Jenen Zauber der dich an deine Energieform im Inneren der Kuppel band. Du wurdest dadurch an den Ort geschickt, von dem du eigentlich kommst. Darum kannst du auch auf einmal wieder kommunizieren und Formen annehmen, die du möchtest,“ erklärte Willow Dawn, während sie gemeinsam zurück zu jener Spalte gingen, durch die Willow gekommen war. „Buffy hat uns zwar nicht mehr rechtzeitig informieren können, aber uns ist es zum Glück gelungen, eine Lösung zu finden. Giles war zwar der Meinung, dass wir dich selbst zu Dawn machen müssen, aber Robin hatte den rettenden Einfall. Wir brauchten nur herauszufinden, wo wir nach anderen Schlüsseln oder nach reiner Energie zu suchen haben und dorthin musste ich dann reisen.“
 

„Klingt.. sehr spirituell,“ meinte Dawn und ihre Energiehülle knisterte.
 

„Ist es auch,“ lächelte Willow. „Wir bekamen von London eine Abhandlung aus einem neu eingetroffenen Buch über reine Energie und ihre Herkunft zu gefaxt. Wir hatten ungemeines Glück, dass jemand dieses Buch für so wichtig hielt, dass er es von einem Basar mitbrachte. Jedenfalls wird dort ein Lichtwesen erwähnt... ein mächtiges Wesen. Der Hüter über alle reine Energie.. über Wesen wie dich.“
 

„Und er kann mich zurückverwandeln?“
 

„Er kann es.. wenn er will,“ räumte Willow ein.
 

„Woher wusstest du, wie du Lilys Zauber durchbrechen musstest?“
 

„Wir haben das Buch von Buffy geknackt. Wir wissen nun, dass mit dir die Reiter aus euren Träumen befreit werden können.“
 

„Das heißt... Moment... ich glaube Lily weiß von diesen Reitern nichts. Sie wollte nur wieder eine Jägerin auf dieser Erde haben und dafür brauchte sie angeblich mich.“
 

„Davon hören wir glaub ich jetzt zum ersten Mal. Aber heb dir deine Variante für später auf. Wir haben nicht mehr sehr viel Zeit.“ Sie traten durch die Spalte und Willow schloss ihre Augen.
 

„Was hast du vor?“
 

„Wir suchen das Lichtwesen... shht...,“ sie konzentrierte sich, murmelte etwas und auf einmal wurde die Dunkelheit um sie herum durchbrochen von einem sonderbaren, mint grünem Licht, das in einer Spirale auf sie zukam und seinen Radius immer mehr erweiterte, bis Dawn und Willow davon erfasst und in sein Inneres eingesaugt wurden. Ein Tosen begleitete den Wirbel und verschluckte Willows Schrei und Dawns hektisches Energieknistern.
 

Auf der anderen Seite wurden sie unsanft vom Lichtstrudel wieder ausgespuckt.
 

„Wow.. was war das denn?“
 

„Lichtgeschwindigkeit,“ witzelte Willow ohne Ahnung, und stand etwas schwankend auf. Dawn stand bereits oder noch immer, und sie sah nicht so mitgenommen aus wie Willow. Möglicherweise war für sie die Reise als Energiestrom einfacher gewesen als für Willow in Fleisch und Blut.
 

„Also.. wer genau ist dieses Lichtwesen?“
 

“I C H“
 

Die Stimme war unbeschreiblich… sie schien von überall zu kommen, sie war warm und glasklar und weckte Vertrauen. Als sich Willow und Dawn suchend umblickten wurden sie einem übergroßen Kopf gewahr, der über ihnen schwebte und doch zeitgleich auch neben oder hinter ihnen war.
 

Willow wurde beim Anblick des Lichtwesens ein wenig an die Vorstufe einer Computeranimation erinnert, verwarf den Gedanken daran aber sofort wieder.
 

Sie konnten durch seine glühende Regenbogenkontur hindurchsehen, wobei da nichts war außer Schwärze.
 

++++
 

In der Höhle

„Angel? Was um alles in der Welt wollte Angel?“, Buffy holte zu Giles auf, der, nachdem er Andrew sein Handy gereicht hatte, zur Höhle zurückschritt.
 

„Hilfe.“
 

„Was für Hilfe...?“
 

„Lass uns später darüber reden ja? Willow und Dawn sind jetzt wichtiger...“
 

„Einverstanden... aber ich werd’s nicht vergessen.“
 

„Oh da bin ich mir sehr sicher,“ murmelte Giles und führte die drei zurück zu Willow, die noch immer am Boden lag, Kennedy an ihrer Seite. Die anderen waren noch nicht zurück.
 

++++
 

Die andere Ebene

„Und wer ist ich,“ flüsterte Dawn mit einem Knistern in ihrer Stimme.
 

„I C H B I N I C H.“
 

Willow verdrehte die Augen. Götter hatten immer eine recht seltsame Art.
 

„Er hat keinen Namen,“ flüsterte Willow Dawn zu. „Er ist... ein Lichtwesen. Oder besser gesagt DAS Lichtwesen. Ein Lichtergott. Der Lichtgott.“
 

„Das hast du mir schon erklärt,“ flüsterte Dawn ungehalten zurück.
 

„R I C H T I G,“ der glühende Kopf schien zu nicken. Gute Ohren hatte er also...
 

Plötzlich lösten sich seine Konturen auf und tausend bunte Lichter schossen durch den Raum, sammelten sich zu einer gigantischen Kugel, die auf einmal in sich zusammenfiel, als die Lichter anfingen unterschiedliche Formen zu bilden.
 

Erstaunt verfolgten Willow und Dawn das Lichtspiel, ehe der Kopf wieder vor ihnen Form annahm.
 

„DU SIEHST – ICH HABE VIELE FORMEN. ICH BIN DA UND AUCH WIEDER NICHT. ICH WAR DA, ALS DIE UNIVERSEN SICH ERSCHUFEN UND ICH WERDE DA SEIN, WENN SIE SICH ZERSTÖREN.“
 

Willow beschloss mutig zu sein und ihr Anliegen vorzubringen. „Wir sind da...“
 

„WEIL IHR EINES MEINER WESEN ZURÜCKHABEN WOLLT. ICH WEISS. TRITT VOR.“
 

Willow nickte Dawn zu, die unsicher vortrat, begleitet vom Knistern ihrer Energiehülle.
 

„DU HÄNGST AN DEINEM MENSCHLICHEN BILD, NICHT WAHR? ES IST KAUM ZU ÜBERSEHEN. DU WILLST WIEDER SO SEIN WIE DIE ANDEREN?“
 

„Ja, ja, das möchte ich,“ Dawn war durcheinander und auch sehr eingeschüchtert. Man begegnete nicht jedem Tag jenem Wesen, dass für einen verantwortlich war. Man reiste auch nicht einfach so einmal dorthin, von wo man kam...
 

Ihre letzten Erinnerungen gingen zurück zu Lily und wie sie ihr erklärte, was sie mit ihr vorhatte. Danach war ihr Inneres erfüllt gewesen von Ruhe und Geborgenheit. Wie in ihrem Traum... es war genauso gewesen. Dann hatte Willow ihren Namen gerufen und sie daran erinnert, wer sie eigentlich war oder zu sein glaubte. Hier vor diesem Lichtergott wusste Dawn auf einmal gar nichts mehr.
 

„BIST DU DIR DA SICHER? ES WERDEN IMMER MÄCHTE VERSUCHEN EINEN DER SCHLÜSSEL ZUFINDEN UND ZU VERWENDEN. DU WIRST IMMER EINE GEJAGTE SEIN.“
 

Dawn schluckte, sah kurz zu Willow, nickte dann aber doch entschlossen. „Ja, das weiß ich inzwischen.“
 

„DU WIRST DICH EINES TAGES ENTSCHEIDEN MÜSSEN, WAS DU SEIN WILLST. WIRST DU DAFÜR BEREIT SEIN?“
 

„Ich.. ich weiß nicht... genau, was damit gemeint ist?“
 

„DU KANNST NICHT IMMER DEM KAMPF VON GUTEN UND BÖSEN EINFLÜSSEN IN DIR AUSFECHTEN. JÄGERIN, SCHLÜSSEL, MENSCH.... FINDE ZU DIR...“
 

„Das ist leicht gesagt, aber wie und wann....?“
 

„DAS MUSST DU SELBST ENTSCHEIDEN...“
 

„Sehr hilfereich.“ flüsterte Willow grimmig, aber sie war nicht hier um Rätsel zu lösen, sondern um Dawn zurückzubringen.
 

„Muss ich mich jetzt entscheiden,“ fragte Dawn vorsichtig.
 

„DIE ZEIT IST DAFÜR NOCH NICHT REIF. NEIN... DU WIRST NOCH GEBRAUCHT...“
 

„Das heißt, wir bekommen Dawn zurück?“ Willow trat neben Dawn.
 

„ES SPRICHT VIELES DAFÜR UND WENIG DAGEGEN. ABER ICH KANN DIES NUR EINMAL FÜR SIE TUN... PASST AUF SIE AUF, SONST KEHRT SIE FÜR IMMER HIER HER ZURÜCK NACHHAUSE...“
 

Nachhause... das klang so befremdend und doch wusste Dawn ganz genau, was er damit meinte und wie sich das zuhause anfühlte.. sehr gut.. aber sie wollte jetzt noch nicht ihre Existenz als Schlüssel akzeptieren, jedenfalls nicht so, dass sie deswegen hier bleiben wollte. Es gab als Mensch so vieles mehr, das ihr Spaß bereitete und noch ausprobiert werden musste... sie wollte zurück....zu Buffy, ihren Freunden, Shin...
 

„IHR BEKOMMT UM WAS IHR GEBETEN HABT.“
 

Die Konturen lösten sich wieder auf und die kleinen Regenbogenlichter umschlossen Dawn, bis sie nur noch aus sich hektisch bewegenden Lichtern bestand. Einem Imker gleich, der voller Bienen war. Die Lichter vereinten sich zu einer einzigen durchsichtigen Hülle, helles grünes Licht durchströmte sie und Willow konnte Dawn nicht mehr in ihnen erkennen. Das grüne Licht wechselte zu den Regenbogenfarben zurück und auf einmal flogen die Lichter zurück in die Mitte des Raumes und ließen Dawn in Fleisch und Blut zurück.
 

Erstaunt besah sich der Teenager seinen festen, sichtbaren Körper, an dem alles wieder so echt wirkte. Mit einem breiten Lächeln strahlte sie Willow an. Willow umarmte Dawn überglücklich und überschwänglich. Die Erleichterung beider junger Frauen war groß.
 

„NUN GEHT..“
 

„Einfach so.. gehen..,“ fragte Willow erstaunt, die mit mehr gerechnet hatte und löste sich von Dawn. Etwas mehr mit Getöse.. effektvoller.. wobei ihr es inzwischen für einen Tag voll mit Magie und Effekten reichte.
 

„JA.“
 

Willow und Dawn sahen sich hilflos an, aber kehrten dem Wesen den Rücken, um den Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren.. auch wenn die Reise durch die Lichtspirale Willow ein wenig angst machte.
 

„WARTET... ICH HABE ETWAS IN MEINEM SCHLÜSSEL GESPÜRT... ANGST, FRAGEN, VERZWEIFLUNG. ICH HABE KEINE ANTWORTEN FÜR DICH, ABER ICH HABE EINEN NAMEN – SUCHE DEN UNSTERBLICHEN.“
 

„Nach... wem...,“ doch ehe Willow nachhaken konnte, ertönte im Raum ohrenbetäubendes Getöse, der Lichtstrudel erfasste die beiden und saugte sie aus dem Raum, während sich der Kopf wieder auflöste und zu einem großen Lichtball wurde...
 

++++
 

In der Höhle

Willows Körper bäumte sich im Arm von Kennedy auf, ein Blitz schlug aus dem Nichts in die Schale ein, in der Willow ihre Ritualfarbe angerührt hatte, die Runen auf ihrer Haut begannen erneut zu glühen und Kennedy ließ ihre Freundin überrascht auf den Boden gleiten. Unsanft schlug Willow mit dem Kopf auf.
 

Erschrocken darüber wollte Ken schnell wieder zu Willow eilen, doch der Körper bäumte sich erneut so heftig auf, ehe gefolgt von einem grellen Lichtstrahl, Willow die Augen öffnete und panisch nach Luft schnappte.
 

„Willow. Du lebst..,“ Kennedy kniete sofort wieder an Willows Seite. „Falls dir der Kopf weh tun sollte .. sorry,“ unsicher lächelte die Jägerin ihre Freundin an und umarmte sie.
 

„Oh... ich dachte eigentlich, eine geistige Reise wäre nicht mit Schmerzen verbunden,“ stöhnte Willow und ließ sich von Kennedy auf die Füße helfen.
 

„Dawn?“... fragte Buffy vorsichtig und ängstlich. Willow zeigte auf die Stelle, an der der helle Lichtstrahl noch immer weilte.
 

Sie traten näher heran und sahen im Strahl regenbogenfarbige Lichttropfen tanzen. Fasziniert sahen sie dem Spiel zu, bis der Strahl mit einem Puff vor ihren Augen so schnell verschwand wie er aufgetaucht war. An seiner Stelle blieb Dawn zurück, die benommen am Boden lag und in die Dunkelheit mit offenen und etwas wirren Augen blickte.
 

„Dawn.. alles in Ordnung?“, Giles kniete neben dem Mädchen und fühlte ihren Plus. „Sie lebt...“. Buffy ließ sich erleichtert auf Dawns andere Seite nieder, während Giles wieder aufstand.
 

"Sie...lebt,“ stammelte Andrew, und brach an Dawn's anderer Seite in die Knie. "Du lebst", wiederholte er mit zitternder Stimme, und versuchte seine Fassung wieder zu gewinnen.
 

Dawn blickte zu ihm hoch, und ein müdes Lächeln huschte über ihr Gesicht "Ich hab' dir doch versprochen, dass ich nicht sterben werde."
 

Xander, Ronah und Faith kamen aus einem der vielen Höhlengänge zurück, etwas müde und schmutzig, aber beim Anblick von Dawn sichtlich erfreut. Xander war als erstes von ihnen bei Dawn und ließ sich auf die Knie nieder. Sanft streichelte er ihr über die Stirn. „Dawnie.. hey.. schon zurück? Wir haben glatt das Spektakel verpasst. Du hast uns einen gehörigen Schrecken eingejagt.“
 

„Ich euch? Da fragt mal mich....“, stöhnte der Teenager. Ihre Augen waren wieder klar und sie hob ihre Hand vor ihre Augen. „Gott sei Dank.. ich bin noch immer sichtbar.. piekst mich mal einer?“ Xander zwickte ihr in die Wange. „AUA.. das fühlt sich echt an....“
 

„Oh Dawn,“ Buffy beugte sich über ihre Schwester und umarmte sie. Lange währte die Umarmung und die Umstehenden schwiegen dazu, um den Moment nicht zu zerstören. Dann löste sich Buffy auf einmal von ihrer Schwester, stand auf und blickte streng zu ihr hinunter.
 

Dawn war ein wenig verunsichert. Gerade eben dachte sie alles wäre jetzt wieder in Ordnung.. abgesehen von Lily ... meine Güte.. sie musste den anderen davon erzählen.. halt sie wussten ja bereits Bescheid....da waren so viele Dinge, die sie Buffy gerne sagen wollte und musste, vor allem das mit ihr als Jägerin... aber als sie so Buffys verändertes Gesicht sah, wurde ihr klar, dass Buffy bereits alles wusste.
 

"Junge Dame, ich glaube wir müssen uns dringend über ein paar Dinge unterhalten!"
 

++++
 

Afrika

Lily’s VO: „Befreit ist der eine, der Schlüssel und vereint sei seine Macht“
 

„Wir sollten hier nicht filmen, wir haben keine Drehgenehmigung!“ flüsterte John Smith seinem Freund zu, der stur auf den Koffer starrte, den er vor sich geöffnet hatte.
 

Er fasste hinein, griff nach der Digi-Cam und stand auf.
 

„Ach mach dir nicht ins Hemd“ sagte er und drehte sich um. „Ich will doch nur den Sonnenaufgang filmen.“
 

„Oh ja, und den ganzen Rest hier, um es in unserem Film zu verwenden.“ Antwortete John und sah Jimmy genervt an. Wieso hatte er sich auf die ganze Sache nur eingelassen? Er hasste Risiken und diese gesamte Aktion war einfach nichts für ihn.
 

„Los.. geh mit Claire nach oben und spielt die Mordszene..!“ Jimmy zwinkerte Claire zu, die genervt an dem Kameramann vorbei ging und mit John langsam die Stufen der Pyramide nach oben ging.
 

++++
 

Gleicher Ort,

eine Minute später
 

Lily’s VO: “Ihr Mächte des Feuers“
 

„Wooaaahh..“ rief Claire, als die Pyramide zu zittern beginn, und die Sandkörner langsam die alten Stufen herunter rieselten.
 

„Was ist denn jetzt los?“ flüsterte John und sah sich verwirrt um.
 

“Macht euch keine Sorgen. Baut es in die Szene ein. Das ist genial!“ schrie Jimmy und versuchte die gesamte Pyramide ins Bild zu bekommen.
 

Nun begann auch der Boden rund um die Pyramide zu zittern, und Jimmy konnte nur mit Müh und Not stehen bleiben.
 

Es ertönte ein lauter Knall und irgendetwas in dem alten Gebäude schien zerbrochen zu sein. Die Spitze sackte ein, und einige Stufen brachen auseinander.
 

„Oh mein Gott..!“ schrie Claire, stolperte, knallte mit dem Gesicht hart auf den alten Steinen auf und blieb regungslos liegen. Ein weiterer, lauter Knall ertönte und plötzlich flogen überall Steine durch die Luft. Jimmy ließ die Digi-Cam zu Boden fallen, und versuchte zu fliehen, als die Pyramide in sich selbst zusammen fiel und seinen Freund John für immer in sich begrub.
 

Jimmy wurde von einem mächtigen Steinbrocken begraben, als sich ein mysteriöses Wesen brüllend aus den Trümmern erhob.
 

++++
 

China,

fast zur selben Zeit

„Okay, wenn sie mir nun bitte folgen würden..!“ die junge Frau sah die Touristen freundlich an und führte sie von der Treppe aus weiter hinein in den Tempelraum, die dies mit einem lauten „OOOHHH!“ und einem weiteren „AAAHHHH!“ betraten.
 

„Entschuldigung, Ma’am?“
 

Die junge Chinesin fuhr herum und sah in das Gesicht einer hoch gewachsenen, ca. 17-jährigen Amerikanerin, die sie verzweifelt ansah.
 

“Wie kann ich Ihnen helfen?“
 

„Ich müsste ganz schnell auf die Toilette..!“ flüsterte sie und griff sich instinktiv auf den Magen. „Mir geht es nicht gut..!“
 

Besorgt und verständnisvoll zeigte die Touristenführerin der jungen Frau den Weg zur Toilette, als plötzlich dumpf das Gebäude zu zittern begann.
 

Lily’s VO: “Ihr Mächte des Wassers“
 

„Oh Gott.. was ist hier los?“ fragte die junge Touristin, doch auf dem Gesicht der Chinesin zeichnete sich schon eine dunkle Vorahnung ab. Der Tempel begann immer heftiger zu beben, und sie konnte sich nur mit einem Sprung vor dem Tod bewahren, als ein Dachbalken von der Decke knallte.
 

„Folgen Sie mir! Nichts wie raus!“ schrie die Führerin, schnappte sich die Hand des Mädchens und stolperte aus dem bebenden Gebäude.
 

Große Gruppen von Leuten flüchteten aus dem kleinen Kloster, während es immer heftiger durchgeschüttelt wurde, und die Schreie der Mensch immer lauter wurden.
 

Plötzlich schien das Kloster mitsamt der kleinen Insel, auf der es stand, in der Mitte auseinander zu brechen. Das Kloster fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen, während die Leute, die sich noch rechtzeitig über die Steinbrücke an Land retten konnten, geschockt mitansehen mussten, wie einige wenige Touristen, die noch im Kloster waren, von Mauerstücken erschlagen wurden, oder in den Wassermassen, die das Gebäude fluteten, ertranken.
 

„HILFE! WIESO hilft ihnen denn keiner!“ schrie das 17-jährige Mädchen hysterisch, dass zusammen mit der Touristenführerin noch rechtzeitig fliehen konnte, und nun mehr oder weniger sicher an Land stand.
 

Mittlerweile war die Insel komplett in dem See verschwunden, und das Wasser brodelte, als würde es kochen.
 

In dem Moment, in dem plötzlich eine 10 Meter hohe Wasserfontäne aus dem See schoss, schrieen sich die Überlebenden die Seele aus dem Hals, und begannen, um ihr Leben zu laufen.
 

„Oh mein Gott, er wurde befreit..“ flüsterte die Reiseführerin, die als einzige am Ufer stehen geblieben war, und voller Entsetzen auf die Kreatur blickte, die sich auf dem Rücken eines gewaltigen Pferdes aus dem Wasser erhob.
 

++++
 

Island,

fast zur selben Zeit
 

Lily’s VO: “Ihr Mächte des Eises“
 

„CHRIS?“ schrie die junge Frau panisch in die kalte Luft.
 

Chris blieb stehen und drehte sich genervt um. Was war denn jetzt schon wieder los? Sie mussten weiter. Hier wurde es immer kälter und es dauerte noch ungefähr eine halbe Stunde, bis sie bei ihrem Basiscamp ankommen würden.
 

„Was ist los?“ schrie er durch den Wind. Schneeflocken wehten an ihnen vorbei, und gewährten ihnen nur eine Sicht von ca. 10 Metern. Der Schneesturm war jetzt schon stark, und es sah definitiv nicht danach aus, als würde er in naher Zukunft abschwächen. ‚Eigentlich seltsam für die Jahreszeit,’ dachte Chris und rieb sich das kalt gefrorene Gesicht. Schnee und Wind waren nichts Ungewöhnliches auf der Insel, aber nicht so heftig im Frühling.
 

„Irgendwas stimmt hier nicht...!“ Panisch deutete Liz auf einen kleinen Spalt, der sich einige Meter von ihnen entfernt, im Boden befand. Weißer Rauch stieg aus dem sich immer mehr ausbreiteten Riss, und ließ Liz’s Angst immer mehr steigen.
 

Chris verdrehte genervt die Augen.
 

“Ach was. Das ist eine unterirdische Quelle. Jetzt komm!“
 

„Nein.. das war.. letztens.. also vorhin.. noch nicht da.. MEIN GOTT!“ schrie Liz, als es plötzlich laut donnerte und der Boden weiter aufbrach.
 

Chris schrie, kämpfte sich zu Liz vor und zog panisch an ihrem Anzug. „Komm schon.. wir müssen hier weg!“
 

Völlig abwesend starrte sie auf die entstandene Spalte. Heißer Rauch stieg aus dem Loch, während sich das Eis am Rand langsam in Wasser verwandelte.
 

„LIZ!“ schrie er wieder, doch sie hörte ihn nicht. Nicht mehr. Es wäre auch unsinnig gewesen, denn es war sowieso zu spät.
 

Ein weiteres Mal wurde die Luft von einem lauten Donnern erfüllt, als der Eisboden unter den Füßen von Liz und Chris weg brach, und die beiden mit anhaltenden lauten Schreien in die Tiefe stürzten.
 

Heißer Dampf umspielte den Dämon, der auf dem breiten Rücken seines Pferdes durch das Eis brach und mit einem lauten, dumpfen Lachen, das in der unbesiedelten Gegend widerhallte, in die Höhe schoss, während unter ihm die Schneeschicht immer weiter in sich einbrach und in dem großen Spalt in die Tiefe rutschte.
 

Grrarggghhhhh

Folge 16: Silence

Titel: Folge 8.16 - Silence

Autor: HopelezZ

Co-Autoren: Mel, Yamato, Stefan, Steffi, White Magic
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

TEASER
 

China

– 24 Stunden zuvor

Es blieb den Einwohnern der ostchinesischen Küstenstadt keine Sekunde, um darüber nachzudenken, ob das anmutige Pferd mit dem graziösen Reiter darauf nur ein Hirngespinst waren – denn als es sich über der riesigen Flutwelle aufbäumte, die über die Stadt hereinzubrechen drohte, hatte jeder nur eines im Kopf – die Flucht.

Natürlich war ihnen allen bewusst, dass der Versuch zu entkommen zwecklos war, aber insgeheim glaubten und hofften die Einwohner dem Tsunami entfliehen zu können.
 

Wie auf Kommando des Reiters, der sein Dao-Schwert als Zeichen des Angriffs aus der hölzernen Scheide zog, brach die Flutwelle aus großer Höhe in sich zusammen, und die Fluten von Wasser begruben alles unter sich, was ihnen im Weg stand – sämtliche Häuser, andere Bauten, und schlussendlich Menschenleben...
 


 

+++
 

Cleveland, Summers Wohnung,

am Abend,

24 Stunden später

Der Mond warf karges Licht durch das offene Fenster und Dawn glaubte über die Parkplatz suchenden Autos hinweg Wind- und Wasserrauschen vom nahe gelegenen Erie-See zu hören – jedenfalls, wenn sie sich darauf konzentrierte. Und das war durchaus interessanter, als weiter zu Buffy am anderen Tischende zu blicken, die zwar mit ihr reden wollte, aber offensichtlich nicht bereit war, den ersten Schritt zu machen.
 

Im Wohnzimmer lief das Radio, doch dieses wurde von beiden gekonnt ignoriert. Beide starrten gedankenverloren vor sich hin.
 

Wahrscheinlich erwartete ihre große Schwester, dass sie den ersten Schritt machte, was auch angebracht wäre. Immerhin war es Dawn gewesen, die Buffy über Monate hinweg belogen hatte.
 

„I walk into the room

you don't have to scream I can hear you

bad trip, the needle sticks

you get your kicks from confrontation.”
 

„Buffy?“, fragte Dawn so leise, dass es erstaunlich war, dass ihre Schwester sie überhaupt hören konnte.
 

Die Angesprochene drehte ihren Kopf, sodass sie Dawn ansehen konnte. Die Traurigkeit in ihren Augen und die Verletzlichkeit waren schmerzlicher als alles, was Dawn bisher erlebt hatte, weil sie wusste, dass der Schmerz von ihr herrührte und nicht von Xander, Willow, Giles oder ihr beider Vater.
 

„Ich…wollte es dir die ganze Zeit schon sagen, aber…“ Dawn versagte die Stimme. Tränen standen ihr in den Augen und dafür schämte sie sich etwas, denn Buffy schien trotz der angespannten Lage beherrscht. Dawn wollte dieselbe Stärke an den Tag legen, aber irgendwie fiel es ihr sehr schwer, denn Buffys Blick schwankte zwischen Zorn und Verzweiflung. Vermutlich wusste Buffy nicht einmal selbst, was sie fühlen sollte.
 

„Weißt du eigentlich, in welche Gefahr du dich gebracht hast?! Vi war auch eine Jägerin, besser trainiert als du und trotzdem ist sie gestorben!“, fuhr Buffy ihre jüngere Schwester plötzlich aufgebracht an. In ihren Augen tanzten gelbe Funken.
 

Verdammt! Sie hätte wissen müssen, dass mit Dawn etwas nicht in Ordnung war. Wie lange jagte Buffy jetzt Vampire? Fast 9 Jahre? Da dachte man, dass man Erfahrung genug hatte, um solche Dinge ahnen zu können und dann so etwas! Es war ja mehr als logisch, dass Dawn eine Jägerin war. Die Mönche hatten sie schließlich aus Buffys Blut erschaffen. Wie hatten sie nur all die Jahre diese Möglichkeit nie ernsthaft in Erwägung gezogen? Ihr Blut ... eine Tatsache, die Buffy Dawn vor vier Jahren sogar selbst zu erklären versucht hatte, als diese bezweifelt hatte, mit Buffy real verwandt zu sein:
 

„Sieh nur, das ist Blut! Summers-Blut! Das ist genau wie meins!“
 

„I try to make it past

I don't wanna get into it right now

can't this family have one day

to get away from all the pain.”
 

Die Blondine stand auf und wandte sich dem Fenster zu. Dawn sollte die Tränen in ihren Augen nicht sehen, die trotz Wut hervorbrachen und eher Zeichen von Verzweiflung und Angst waren. Verzweiflung, weil sie nicht wusste, wie sie in Zukunft mit Dawn umgehen sollte. Angst, die sie im nachhinein empfand, wenn sie an all die Kämpfe dachte, die Dawn bisher erspart geblieben waren, aber jeder Zeit hätten stattfinden können. „Was habe ich falsch gemacht, Dawn? Habe ich dir das Gefühl gegeben, du könntest…“ Buffy versagte die Stimme und auch ohne sie anzusehen wusste Dawn, dass sie weinte und diese Erkenntnis trieben ihr erneut Tränen in die Augen.
 

„Ich war mir nicht sicher, wie du reagieren würdest. Ich dachte, dass du nicht gerade in Freude ausbrechen würdest, wenn du erfährst, dass ich eine Jägerin bin!“, versuchte die jüngere Summers sich zu erklären. Sie versuchte das Zittern ihrer Stimme zu verbergen.
 

„Mein Gott, natürlich bin ich nicht begeistert!“, erwiderte die ältere Jägerin nun etwas ruhiger und setzte sich wieder hin.
 

„Nicht begeistert“, traf es noch nicht einmal ansatzweise. Buffy hatte Angst und hasste dieses Gefühl mehr als die zahllosen Dämonen und Vampire, die sich hier am Höllenschlund herumtrieben. Die Chancen für Dawn, eines Tages ein normales Leben zu führen, hatten nicht so schlecht gestanden. Nun standen diese Chancen gleich Null.
 

„Du willst immer als reif und erwachsen respektiert werden, aber dieses Verhalten zeugt nicht gerade von Reife. Du hast mit deinem Schweigen nicht nur dich in Gefahr gebracht, sondern jeden anderen, der an deiner Seite nachts durch Cleveland gegangen ist – deine Freunde, diese Mara...“ Buffy runzelte die Stirn, um sich an all die Namen zu erinnern und fast befürchtete sie zu versagen, als ihr doch noch die beiden anderen einfielen: „Josh und Sam. Oder Andrew...“
 

„Ich weiß“, hauchte Dawn niedergeschlagen und ließ den Kopf hängen. „Aber ich ... konnte es dir einfach nicht sagen. Es war nie der richtige Zeitpunkt da – erst sind wir uns in Europa nahe gekommen wie noch nie, dann bist du alleine weitergereist, die Verluste in Cleveland... ich befürchtete, ich würde dich nur noch mehr beunruhigen... ich... ich wollte doch nur, dass du dir keine Sorgen um mich machst.“
 

„Und jetzt... ist irgendetwas anders?“, fragte Buffy behutsam. „Ich mache mir doch immer Sorgen um dich. Selbst wenn du keine Jägerin wärst.“
 

Ein kleines, kurzes Lächeln huschte über Dawns Gesicht.
 

“and through the night I see the light

shining from the neighbor's windows

I dream of life where I'm safe.”
 

„Du weißt, ich habe mir für dich immer ein normales Leben gewünscht, aber manchmal kann man den Lauf der Dinge nicht steuern. Wenn doch, dann stünde es in unserer Macht, vieles zu verändern, was uns nicht gefällt. Wir steuern auf einen großen Kampf zu und ich will mir, wenn es so weit ist, nicht Sorgen machen müssen, dass du getötet wirst. Lily wäre es fast gelungen.“
 

Bedrückende Stille legte sich über den Raum. Buffy kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe, während Dawn wieder zum Fenster hinaussah. In all dem Trubel waren sie noch gar nicht dazu gekommen, mit Giles zu reden. Sicher brauchte er jemanden, der für ihn da war. Alles lag erst knapp 48 Stunden hinter ihnen und der Schmerz in Buffys Oberarm erinnerte sie jede Minute an den Kampf gegen die Echsendämonen in der Höhle.
 

„in a home where I am not alone

some day I will lay me down

on the grass where everything is greener

it always seems so good on the other side.”
 

„Ich wünschte, ich hätte es dir früher gesagt. Vor... Willow...“, sagte Dawn mit Nachdruck und warf ihrer großen Schwester einen Seitenblick zu.
 

Buffy lächelte traurig. „Ja. Das wünschte ich auch!“
 

Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer, um die Unterhaltung mit ihrer Schwester hinter sich zu lassen. Um ihre eigenen Gedanken zu übertönen, drehte sie die Lautstärke des Radios eine Stufe höher und folgte den Worten des Nachrichtensprechers.
 

„Ein 30 Meter hoher Tsunami brach gestern Nacht über die Küstenstadt Lianyungang im Osten von China herein. Derzeit kämpfen hochqualifizierte Ärzte um die Leben der wenigen Überlebenden. Schon seit mehreren Jahren wurde das Land nicht mehr von einer solch verheerenden Katastrophe heimgesucht.
 

++++
 

Nordafrika

– vor 24 Stunden

Der abendliche Himmel über dem kleinen Dorf verdüsterte sich von einer Sekunde zur anderen. Passanten, die zu der heißen Abendszeit unterwegs waren, blickten misstrauisch nach oben und rechneten mit einer schlimmen Regenflut, die in dieser Jahreszeit zwar ungewöhnlich, aber nicht wirklich unausgeschlossen war. Man beeilte sich einfach, ein wenig schneller nach Hause zu kommen oder seine Besorgungen zu machen.
 

Ein Schatten glitt über die Dächer der Häuser, unbemerkt von den Einheimischen, die in Angst vor Regen und durchnässten Kleidern kopflos umhereilten und ihren Blick nicht mehr nach oben richteten. Ansonsten hätten sie beim Anblick des gewaltigen Rosses vor Schreck jeden Gedanken an Regen und Unwetter vergessen. Der dunkelhäutige Reiter zog gebieterisch am Zügel und das Tier stieg auf, um hinter der Front dunkler Wolken zu verschwinden. Kurz bevor sie in die Wolken eintauchten, zog der Reiter mit der Schamanenmaske auf dem Kopf ein gewaltiges afrikanisches Schwert aus Elfenbein aus einer Scheide, die er quer über den Rücken trug, und zeigte damit hinunter auf das Dorf.
 

Ein greller Blitz schoss aus der Spitze der Waffe und schlug unaufhaltsam in das alte, baufällige Haus unter ihnen ein. Ein ohrenbetäubender Knall war zu hören und kurz darauf züngelten Flammen aus den offenen Fenstern des Hauses. Diese griffen schnell auf das nächste Haus über und es dauerte nicht lange, bis der Feueralarm über die Dächer hinweg hallte...
 

++++
 

Cleveland, Ratsgebäude,

am Abend,

24 Stunden später

Giles’ Blick war starr auf das Doppelbett in seinem Schlafzimmer gerichtet. In seinem Kopf herrschte einmal mehr die merkwürdige Leere, die er empfand, als Buffy ihn über das Telefon von Lilys Verrat informiert hatte.
 

Wie in Trance griff er nach dem zweiten Kopfkissen und verstaute es im Kleiderschrank, ehe er die große Decke gegen eine schmalere eintauschte und mit traurigem Blick erneut auf das Bett hinunter starrte, das ihn seit Lilys Enttarnung Nacht für Nacht alleine empfing. Er hatte sich erstaunlich schnell an die Zweisamkeit gewöhnt gehabt.

Schließlich riss sich Giles vom Anblick des verwaisten Bettes los und verließ das Zimmer. Es gab noch weit aus unangenehmere Dinge zu beseitigen, die ihn an Lily erinnerten. Auf dem Flur wurden ihm die letzten Takte von Norah Jones aus dem Wohnzimmer entgegengetragen, wo die Stereoanlage lief:
 

„He was only your fool for a while

Now he’s gone back home

And left you wandering there

Is it lonely

Lonely

Lonely”
 

Er ging weiter, um die leeren Kartons zu holen, die er auf den Couchtisch abgestellt hatte und wollte nicht unbedingt daran denken müssen, dass Lily tatsächlich nur mit ihm gespielt und er sich damit zum Idioten gemacht hatte, Pläne für ihre Zukunft im Kopf zu entwerfen.
 

Etwas unschlüssig stand Giles mit den Kartons in der rechten Hand für einen Moment da, rieb sich den Nacken und blickte zwischen der Bade- und Gästezimmertür hin und her, als im Radio zur Werbung übergeblendet wurde. Er entschloss sich schließlich für das Gästezimmer und drehte den Türknauf herum, um einzutreten. Sofort schlug ihm der leichte, süße Duft von Lily entgegen und es fiel ihm ungemein schwer, vollends über die Schwelle zu treten. Er ließ seinen Blick über die Koffer in der Ecke hinter dem Bücherregal schweifen, die ordentlich aufgeräumt nicht den leisesten Verdacht auf ein baldiges Aufbrechen von Lily aufkommen ließen. Notizen, Kopien und Bücher stapelten sich auf dem kleinen Schreibtisch am Fenster.
 

Mit einem schweren Seufzer verließ er seinen Platz an der Tür und ging durch das kleine Zimmer, um an den Tisch heranzutreten, wo er damit anfing, wahllos Bücher durchzusehen, ehe er sie nach wichtig und unwichtig zu sortieren begann, wobei die unwichtigen in die Kartons wanderten. Sein Gesicht verriet nicht im leisesten seine Gefühle, während er Lilys Sachen durchging. Obwohl in seinem Innersten die widersprüchlichsten Gefühle tobten und über allem die Frage stand, ob Lily ihre Liebe ihm gegenüber wirklich nur gespielt hatte, oder ob es am Ende doch mehr gewesen war, hatte er sich erstaunlich gut im Griff. Erst als er einen kleinen Kodex vom Tisch nahm und sein Blick auf die Notiz darunter fiel, veränderte sich seine Miene. Er runzelte die Stirn, rückte seine Brille zurecht und zu seinem Erstaunen mischte sich auch Erkenntnis, als er sich die Skizze einer Maske genauer ansah, die dem Objekt, das Faith und Willow in der Fabrik gefunden hatten, nicht ungleich war.
 

Er legte achtlos das Buch zur Seite und nahm die Unterlage auf. Rasch überflog Giles die Notizen, die Lily in ihrer schnörkellosen, strengen Handschrift daneben geschrieben hatte, und beschloss, diese den anderen unbedingt zu zeigen. Es fügte ein fehlendes Teil in ihr Puzzle ein und erklärte die Verbindung zwischen Lily und Samielle. Und was viel schlimmer war – es würde auch den Mord an Vi erklären. Mit verhärtetem Gesichtsausdruck trug Giles die Kartons weiter ins Badezimmer, als im Radio die Nachrichten über steigende Haushaltskosten, neue Überfälle auf US-Soldaten im Irak und mögliche Orkanstürme im Landesinneren berichteten und schließlich zu internationalen Meldungen übergingen:
 

"Es wird ausgeschlossen, dass die gestrige Überschwemmung etwas mit dem unerklärlichen Brand in einem kleinen Dorf Nordafrikas zu tun hat, wo ein ungeklärtes, verheerendes Feuer auf Grund eines gewaltigen Blitzeinschlages Tod und Zerstörung brachte. Ebenso wird nicht angenommen, dass ein unerwarteter Eissturm auf Island..."
 

Die Welt schien einmal mehr verrückt zu spielen und mit seiner eigenen, kleinen Katastrophe beschäftigt konzentrierte sich Giles mehr darauf, Lilys Badeutensilien mit gequältem Gesicht in die Kartons zu befördern, als neuen Naturkatastrophen seine Aufmerksamkeit zu schenken.
 

++++
 

Island

– vor 24 Stunden

Natürlich war es selten, wenn in den späten Frühlingsmonaten die Temperaturen auf über 11 °C stiegen, aber es durfte doch auf ein Wunder gehofft werden. Dieses Jahr sah es so aus, als hätte sich der Golfstrom etwas anderes vorgenommen. Von Alt bis Jung, jeder freute sich, einmal eine Ausnahme zu erleben.
 

Doch zur Enttäuschung der Inselbevölkerung waren bereits am frühen Nachmittag dieses Tages vereinzelte, schwarze Regenwolken hoch am Himmel zu erkennen.
 

Als es wenige Minuten später zu regnen begann, kümmerte sich niemand darum, dass auch die eine oder andere Schneeflocke zu erhaschen war. So war der Frühling auf Island einfach – unberechenbar.
 

Am Gipfel des Hekla, dem Tor zur Hölle, stand er – der kolossale Reiter auf seinem Ross, von Leder und Fellen gegen den eisigen Wind geschützt, gekrönt von einem gewaltigen Wikinger-Helm. Sein Pferd bäumte sich auf, und streckte sich dem Himmel entgegen.
 

Der Reiter ließ sich Zeit damit, das schwere Schwert zu erheben, um so den Wolken ein Stück näher zu sein. In Sekundenschnelle kristallisierte sein Schwert, und zeigte winzige Eissterne auf der sonst so blitzblanken Schneide.
 

Er schwang die Waffe durch die Luft, wodurch immer mehr Schneeflocken zu Boden zu fallen schienen, die Kälte nahm zu und der eisige Wind jagte über die Berge, durch Dörfer, Städte und Fischerortschaften. Niemand glaubte mehr an einen harmlosen Frühlingsscherz des Wetters.
 

Das eisige Schwert leuchtete bläulich, als sich langsam eine millimeterdünne Eisspur von der Spitze aus in den Himmel streckte. Als der letzte Regentropfen zu Eis und Schnee kristallisiert war, schob er seine Klinge zufrieden in die Scheide und beobachtete vom höchsten Punkt des Vulkans das aufgebrachte und hektische Treiben im Dorf unter seinen Füssen.
 

Was die Inselbewohner noch nicht ahnen konnten war, dass schon in wenigen Sekunden mehr Schneeflocken als je zuvor dieses Dorf vereisen lassen und der tiefste Winter über sie hereinbrechen würde...
 

++++

Cleveland, Willows Zimmer,

am Abend,

24 Stunden später

Das Klacken der Tastatur war durch die Musik zu hören, die die Boxen von Willows Laptop in den Raum warfen. Der Sender des Webradios spielte seit Tagen nur die selben Lieder, aber die Hüterin war zu faul, sich eine andere Adresse zu suchen. Die angenehme Stimme des Radiosprechers war der einzige Pluspunkt. Langsam wuchsen ihre Kopfschmerzen an. Ob es sinnvoll war, jede einzelne Suchmaschine nach neuen Erkenntnissen über die Reiter des Todes zu untersuchen? Wahrscheinlich nicht. So lange Giles nicht die Übersetzung des Buches hatte, würden alle Versuche ins Leere gehen.
 

„...weder China, Nordafrika noch Island wurden verschont. Wir können nur hoffen, dass wir den Schneesturm auf Island als letzte Katastrophe in kürzeren Abständen bezeichnen können.“
 

Willow horchte auf. Was hatte der Radiosprecher soeben erzählt? Naturkatastrophen auf den verschiedensten Kontinenten? Einerseits war sie überrascht, dass dieser Sender so etwas wie richtige Nachrichten überhaupt brachte, und andererseits, dass der Kontinent Amerika keine Katastrophe erlebt hatte. Insgeheim fühlte sie sich in ihrer Theorie bestätigt. Wenn sie sich ein paar Tage zurückerinnerte, wurde ihr klar, dass sie Amerika bereits als möglichen Herkunftsort des vierten und letzten Reiters gekennzeichnet hatte. Also war Dawns Traum doch ausschlaggebend gewesen. Oder aber sie begann langsam wie Giles in alles irgendetwas hineinzuinterpretieren. Vielleicht steckte überhaupt nichts dahinter.
 

Schließlich gab sie die Suche auf, fuhr ihren Laptop herunter, und packte ihn zusammen mit ihren Notizen in den nächstbesten Rucksack. Sie hatte Kennedy versprochen, sie heute zu besuchen. Vielleicht konnte ihre Freundin sie ja bei ihren Überlegungen weiterbringen, außerdem könnte sie selbst als Hüterin wohl leider keine Naturkatastrophe verhindern.
 

++++
 

Cleveland, Cuyahoga River,

am selben Abend

Ein paar einzelne Boote lagen friedlich am Steg des Cuyahoga River, während durch den leichten Nebel die Röte des Horizontes deutlich wurde. Auf der einen Seite des Flusses hatten bereits die hiesigen Restaurants ihre Terrassen zum Ufer hin geöffnet. Einige Lampen beleuchteten das alte Kraftwerk, sowie die große Brücke, die über den Cuyahoga River gebaut wurde.
 

Die Sonne ging langsam unter und ein paar leise Schritte waren auf der leicht verrosteten Brücke zu hören.
 

Plötzlich durchbrach ein einzelner, gequälter Schrei die Atmosphäre. Er übertönte sogar den Krach, den das Geländer verursachte, als es in den Fluss stürzte. Ein zweiter Schrei folgte, der eindeutig einem Kind gehörte – ein Junge, der versuchte, sich über Wasser zu halten.
 

Der Duft von frisch gewachsenem Gras und der feuchte Boden ließen vermuten, dass es die vorherigen Stunden noch stark geregnet hatte. Doch jetzt nieselte es. Die Höhe des Flusses war angestiegen und die Strömung riss die Boote fast mit.
 

Im nächsten Augenblick, bevor der Junge seine Kraft verlor und sich nicht mehr am Leben halten konnte, bereits mehrmals mit dem Kopf unter die Strömung geriet, packte ihn etwas am Kragen und zog ihn heraus.
 

Atemlos kniete der durchnässte Knabe am Boden und spuckte Wasser. Der kalte Wind ließ ihn nur noch mehr zittern. Sein Blick wanderte ein paar Meter nach vorne, wo er die Füße seines Retters sah. Nachdem ein paar Sekunden vergangen waren, in denen der Junge sich beruhigt hatte, versuchte er sich wackelnd aufzurichten. Das einzige Geräusch, das den Abend durchbrach, war das fließende Gewässer und das Zirpen einer einzelnen Grille, die dem hässlichen Wetter trotzte. Als sein dankbarer Blick seinen Gegenüber fixierte, blieb der Junge geschockt stehen, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet...
 

Mit einem Grinsen packte die dunkle Gestalt den schwarzhaarigen Jungen mit einer Hand am Hals. Mit der letzten Kraft die der Knabe besaß, schrie er um sein Leben, doch langsam verstummte seine Stimme - aus Furcht, weil er gerade erkannt hatte, dass sein Retter grell leuchtende Augen sowie spitze und verfaulte Zähne besaß. Sein dunkelbrauner und mit Narben besetzter Körper war nur noch als Kontrast in der hereinbrechenden Nacht zu erkennen. Langsam gaben die Stimmbänder des Jungen ihre Funktion auf und durch die Dunkelheit, die über Cleveland hereingebrochen war, konnte der Dämon den kristallisierten Atem des Jungen sehen, der ihn mit Panik in den Augen ansah.
 

Das Opfer des Dämons hörte auf zu atmen und die grinsende Gestalt sog den weißen Nebel des Jungen auf. Mit einem zufriedenen Lächeln schmiss er den leblosen Körper des Knaben wieder in den Cuyahoga River. Der Regen wurde zunehmend stärker und die Augen des Dämons leuchteten heller, als die Glühbirnen vor dem veralteten Kraftwerk.
 

Opening Credits
 

AKT1
 

Irgendwo –

Irgendwann

Langsam traten ihre Füße über den Kieselboden, an den sie sich in den letzten Wochen schon so gewöhnt hatte, vorbei an den Grabsteinen anderer Menschen, die entweder zu jung, zu früh oder überraschend gestorben waren.
 

Es dämmerte noch und dünne Nebelschwaden zogen über den Gräbern hinweg, als sie überraschenderweise die Umrisse einer Gestalt vor dem Grab ihrer Freundin sah. Wer das wohl war? Irgendwie kam ihr die Gestalt bekannt vor.
 

Von einem Augenblick auf den anderen wurde sie plötzlich von rechts am Arm gepackt und hinter einen der uralten Eichenbäume gezogen.
 

„Eve?“ Geschockt aber kampfbereit starrte Faith die junge Frau an, die ihr aus Silent Hill so bekannt war.
 

“Scccchhh!“, zischte diese, nickte mit dem Kopf zu der Gestalt beim Grab und trat einen Schritt von Faith zurück.
 

„Was willst du von mir?“, fauchte Faith verwirrt. Was war das hier? DAS war nicht Xanders kleine Büroschlampe, das war IHRE Eve aus Silent Hill. Ein Blick in die verrückten Augen reichten Faith, um das zu wissen.
 

„Beruhig dich, Glückskind!“, antwortete die blonde, mysteriöse Frau und lächelte Faith verschmitzt an. „Wir haben keine Zeit für einen deiner hysterischen Anfälle. Diese Chance hast du nur einmal.“
 

Faith sparte sich die Antwort und sah Eve nur verwirrt an. Sie verstand das ganze Szenario nicht. Hatten ihr die Magier nicht gesagt, dass diese EVE in Wahrheit nicht existierte? Was machte sie dann hier?
 

„Da vorne steht deine Nemesis. Sie hat Vi dorthin gebracht, wo sie jetzt liegt. Viel Spaß“, flüsterte Eve, zwinkerte der verwirrten Jägerin noch einmal zu, und verschwand im Dunkeln, zwischen den Bäumen
 

Ohne eine weitere Sekunde zu warten trat Faith wieder hinter der alten Eiche und ging langsam auf die unbekannte Gestalt zu. Der Kiesel knirschte unter ihren Schritten, bevor sie ruhig neben der Person zum stehen kam. Langsam hob sie ihren Blick und erkannte die Mörderin ihrer Freundin.
 

„Usher?“, flüsterte Faith und sah die Wächterin halb geschockt und halb verärgert an. Diese Frau hatte also Vi getötet. Diese verrückte Wächterin hatte Vi einfach so erschossen?!
 

„Lauf! LOS!“, schrie Faith noch bevor Lily den Mund öffnen konnte.
 

Kein Funke von Angst spiegelte sich im Gesicht der Wächterin wieder, als sie sich zu Faith drehte, und sie anlächelte.
 

„Faith? Willst du mich für etwas strafen, was du selbst getan hast? Der, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Sie lächelte und drehte sich um. „Ich habe Vi nur vor einem erbärmlichen Leben bewah...“, doch Lily konnte den Satz nicht beenden.
 

Faith sprang die Wächterin von hinten an, riss sie herum und knallte ihr die Faust ins Gesicht, sodass sie erschrocken zu Boden fiel.
 

Lily kroch auf allen Vieren nach hinten, bis sie spürte, wie sie mit ihrem Rücken an einen weiteren Grabstein stieß. Wie ein Riese stand die dunkelhaarige Jägerin über ihr.

„Faith... warte. Du willst doch nicht noch einen Menschen töten“, flüsterte Lily und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
 

Die Jägerin holte mit ihrem rechten Fuß aus, traf allerdings nur den harten Grabstein. Lily hatte sich nur Sekunden davor weg gedreht, aufgerappelt und lief nun in die Richtung los, in der sie ein Tor vermutete, das sie von diesem Friedhof wegbrachte.
 

Faith zog ihr Messer aus der Jackentasche, umfasste den Griff und begann die Wächterin zu verfolgen.
 

Schnaufend lief Lily um die nächste Ecke, als sie spürte, wie ihr eigenes Blut aus ihrer Nase über ihr Gesicht lief und schlussendlich von ihrem Kinn tropfte. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Gesicht langsam von ihrem Schädel laufen.
 

Schnaufend wich sie einem umgefallenen, alten Eimer aus, stolperte über eine Wurzel und schaffte es nur mit letzter Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als sie endlich einen Ausgang erreichte.
 

“Nicht so schnell!“, hörte sie auf einmal Faith, die sie irgendwie überholt hatte und nun einige Meter vor ihr auf dem Weg stand. Sie hielt etwas Glänzendes in der Hand.
 

„Nein... Faith... nicht... ich kann es dir... erklären...“, schnaufte die Wächterin, als sie erneut von der dunkelhaarigen Frau gepackt wurde.
 

„Von Ihnen brauche ich keine Erklärungen mehr!“, fauchte Faith und funkelte Lily böse an.
 

Geschockt trafen sich ihre Augen, als die Jägerin zustach und das Messer wie in Butter in den Bauch der Wächterin glitt. Faith ließ Lily los, die mit ihren Händen zu der Wunde tastete, aus der Blut quoll. Geschockt starrte sie die Jägerin an, während sie langsam, unsicher rückwärts stolperte.
 

Wie in Zeitlupe umfasste Lily den Griff des Messers und plötzlich wanderte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
 

„So bekommst du mich nicht, du dreckige Jägerin!“, würgte Lily hervor, schloss die Augen und zog sich mit einem Ruck das Messer aus der Wunde. Triumphierend starrte Lily die Waffe an, lachte und warf es daraufhin in die Büsche. Ohne weiter auf Faith zu achten, drehte sie sich um und stolperte in die Nebelschwaden.
 

„Gut gemacht“, sagte Eve ironisch, als sie neben die Jägerin trat und ebenfalls Lily nachblickte.
 

„Ach halt die Klappe!“, antwortete Faith und wollte schon loslaufen, als sie Eves Hand wieder auf ihrer spürte.
 

„Hier, ein kleines Geschenk von mir...“ Eve streckte die Hand aus und reichte Faith eine Armbrust.
 

„Hast du heute deinen fürsorglichen Tag, oder was?“, antwortete Faith, wartete jedoch nicht auf eine Reaktion, sondern riss Eve die Waffe förmlich aus der Hand, legte an, zielte und schoss.
 

Laut zischte der Pfeil durch die Luft, bevor er sich gefolgt von einem lauten Schrei in das Herz der Wächterin bohrte.
 

Eve lachte und begann zu klatschen, als sie langsam auf Lilys Leiche zuging.
 

“Guter Schuss, Jägerin!“, sagte sie lachend, als Faith schwarz vor Augen wurde und sie...
 

... plötzlich die Augen aufriss. Sie schnaufte viel zu schnell, als sie aus dem Bett hochfuhr und dabei die Decke zur Seite trat. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
 

Eine Hand legte sich auf ihre Schultern, doch sie schüttelte diese sofort wieder ab.
 

„Faith, was ist los?“
 

Langsam drehte sie sich zu Robin um. Nicht in der Lage, einen Ton zu sagen, starrte sie ihn nur geschockt an.
 

++++
 

Cleveland,

Kennedys Schlafzimmer,

früher Morgen

„Mmmh...?“ Kennedy drehte sich um und versuchte die verdrehte Decke von ihrem Körper zu werfen. In den letzten Tagen wurde es immer wärmer, und zwar schon um diese Uhrzeit.
 

„Was ist das für ein ohrenbetäubender Lärm?“, murmelte die Jägerin, als sie langsam ihre Augen aufmachte. Sie tastete mit einer Hand nach Willow, doch sie war nicht da. Leider hatte sie anscheinend etwas Besseres zu tun, als am Morgen mit ihr zu kuscheln. Irgendwie war sie enttäuscht, aber ihre Freundin musste – wie immer in letzter Zeit – sämtliche Bücher studieren.
 

‚Ring – Ring...’
 

Ach so... das Telefon... sie musste irgendwann den Klingelton ihres Telefons umstellen. So früh am Morgen waren Kopfschmerzen nicht besonders gut.
 

Nur noch ein paar mal. Dann würde es endlich aufhören, der Anrufbeantworter würde das Band abspielen und sie konnte wieder in die Welt der Träume eintauchen.
 

Als ein Klicken zu hören war, warf sie sich zurück ins Bett, und machte zufrieden die Augen zu.
 

„Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Kennedy Richards. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Piepton.“
 

Wenn sie sowieso den Klingelton änderte, konnte sie doch auch einmal mit Willow zusammen ein spannenderes Band besprechen.
 

„Hallo, meine Tochter.“ Eine tiefe, leicht reservierte Stimme sprach aufs Band.
 

War das etwa... oh Gott... ihr Vater? „Verdammt!“, stöhnte Kennedy und bekam dieses Mal tatsächlich Kopfschmerzen. Der Tag hätte so schön werden können.
 

Die Jägerin sprang aus dem Bett und hechtete zum Telefon. Im nächsten Moment drückte sie es sofort an ihr Ohr.
 

„Morgen, Dad!“, entgegnete Kennedy, sichtlich geschockt über den Anruf. „Wie kommt es, dass du einfach so unter der Woche anrufst? Hast du meine Kontonummer verloren?“, scherzte sie.
 

„Darf dein Vater dich nicht einmal anrufen, ohne dass irgendetwas Finanzielles besprochen werden muss?“
 

„Doch, schon... aber worüber willst du dann mit mir reden?“ Er hatte schon seit Ewigkeiten nicht mehr angerufen. Wenn sie genau darüber nachdachte, hatte sie sich wohl genauso lange nicht mehr bei ihnen gemeldet. Und so schlimm war das nicht einmal...
 

„Es geht um etwas Berufliches.“
 

„Also doch etwas Finanzielles?“, entgegnete Kennedy verwirrt.
 

„Nein, nein. Ich habe von meiner Firma aus etwas in der näheren Umgebung von Cleveland zu tun. Also haben deine Mutter und ich beschlossen, schon etwas eher loszufliegen, um noch etwas Zeit für einen Besuch bei dir zu haben. Außerdem wollen wir uns vergewissern, dass unser schwer verdientes Geld gut angelegt ist“, antwortete ihr Vater ruhig.
 

Kennedy blieben ihre Worte im Mund stecken. Ihre Eltern, hier? Das konnte doch nur in einer Katastrophe enden.
 

„Kennedy?“, fragte ihr Vater, als die Jägerin für ein paar Sekunden verstummte.
 

„Ja?“ Er riss sie aus ihren Gedanken.
 

„Du antwortest schon wieder nicht. Was ist los?“
 

„Ich...“ Kennedys Blick wanderte durch ihr Zimmer und blieb auf dem Bett ruhen.
 

Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen.
 

„Wah... verdammt, erschreck mich doch nicht so!“, entgegnete Kennedy etwas lauter, als Willow nichts ahnend hinter ihr stand.
 

„Ist da noch jemand?“, fragte ihr Vater etwas gereizt.
 

„Ähm... nein... ja eh...“ Irgendwie verwirrte sie die ganze Situation. „Tut mir leid... es ist nur... ich bin gerade eben erst aufgewacht... ich lag noch im Bett und musste erst einmal richtig wach werden“, antwortete sie schnell, um abzulenken.
 

„Im Bett? Mit wem? Willst du ihn uns nicht vorstellen?“
 

„Ihn?“, dachte sie und starrte Willow mit offenem Mund an. Am besten wäre sie einfach im Bett liegen geblieben. Oder noch besser – sie hätte das Wochenende bei Willow schlafen können und wäre rein zufällig nicht zu Hause gewesen.
 

„Ach... ähm, von wem redest du?“ Kennedy versuchte nichts ahnend zu klingen.
 

„Von demjenigen, der dich vom Telefon ablenkt. Ich kenne doch meine Tochter. Du wolltest schon früher jeden vor uns verstecken. Wer ist es?“
 

Kennedys Augen wanderten von Willow zur Kommode. Dort lag die gestrige Tageszeitung. Darauf prangte das Bild eines mit Ruß verschmierten Feuerwehrmanns, der gerade eine Familie aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Darunter war ein blonder, junger Mann im weißen Arztkittel zu sehen...
 

„Blond“, antwortete Kennedy in Gedanken versunken. Wie sollte sie das alles gerade biegen? Aber diese Lüge war immerhin noch besser, als den beiden erklären zu müssen, dass sie sich eher für das gleiche Geschlecht interessierte und Männer einfach nicht so anziehend fand. Sie hatten ihr eigenes, engstirniges Weltbild und sahen schon bei dem kleinsten Ausrutscher rot.
 

„Du hattest es noch nie mit guten Beschreibungen. Am besten stellst du ihn uns einfach am Wochenende vor.“
 

„Welches Wochenende?“, entgegnete Kennedy schon fast in Panik.
 

„Dieses“, antwortete ihr Vater gelassen und verabschiedete sich. „Deine Adresse haben wir ja!“
 

Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte er den Hörer auf.
 

„Wer war das?“, fragte Willow unwissend, als ihre Freundin das Telefon absetzte.
 

„Mein Vater. Und ich glaube, ‚wir’ bekommen in zwei Tagen Besuch von meinen Eltern. Ich habe nur keine Ahnung, wie ich dich in einen blonden Mann umwandeln soll, und ich glaube auch nicht, dass ich irgendeinen kenne, der so aussieht.“
 

Willow grinste. „Da hast du dich ja in was Schönes reingeritten. Hast du deinen Eltern denn nie erzählt, dass du eine liebenswerte Freundin hast?“ Willow zwinkerte ihr zu.
 

„Nein, irgendwie nicht.“ Kennedy suchte nach den richtigen Worten.
 

„Hm...hast du tatsächlich Angst davor? So kenne ich dich gar nicht. Wer bist du und was hast du mit Kennedy gemacht?“ Willow verkniff sich ein Lächeln. Anscheinend war das ganze doch nicht so witzig. Sie hatte eigentlich noch nie viel mit Kennedy über deren Familie gesprochen.
 

„Ich glaube, du verstehst das nicht. Es geht nicht um dieses ‚Ich habe Angst davor, meinen Eltern zu sagen, dass ich lesbisch bin’. Es geht um etwas anderes.“
 

„Und worum?“, antwortete Willow misstrauisch.
 

„Geld“, sagte Kennedy knapp. Sie hatte keine Angst davor, die Liebe ihrer Eltern zu verlieren. Eigentlich hatte sie diese nie richtig gespürt, sondern stattdessen nur erkaufte Zuneigung erfahren. Eine Entschuldigung, dass sie nie da waren, wenn Kennedy sie brauchte, würde auch nichts mehr bringen. Es war schon so lange her und schließlich hatte sie sich mit Geld abgefunden.
 

„Das... kann doch nicht dein Ernst sein?“, sagte Willow.
 

„Die Arbeitswelt ist einfach nicht für mich geschaffen. Ich glaube, das wäre eine Bestrafung für uns alle. Aber ich denke, ich habe gerade ein anderes Problem. Woher zum Teufel soll ich einen blonden Typen herbekommen? Wie wär’s, wenn wir Xander zum Friseur schleifen?“ Ein siegesgewisses Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
 

„Es wäre mal was neues, aber ich glaube nicht, dass Xander damit einverstanden wäre... Xander... Xander...“ Willow dachte nach. „Auch wenn mir die Idee gerade auch nicht gut gefällt, dich mit ihm ‚teilen’ zu müssen, aber wie wäre es mit Andrew? Er ist blond!“
 

„Andrew?“, fragte Kennedy fast sarkastisch.
 

„Andrew!“
 

„Spinnst du? Ich glaube, er würde vom geistigen Stand aus eher als mein Sohn durchgehen! Die Idee ist absurd. Da steck’ ich dir ja noch lieber eine Socke in die Unterwäsche.“, antwortete Kennedy mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Aber gar nicht so abwegig. Immerhin ist er blond und wenn er sich ein bisschen anstrengt... vielleicht lässt er sich ja mit ein paar Comics gerade biegen.“
 

„Besser als niemand“, entgegnete die Jägerin. Sonst war einfach niemand in Aussicht und einen Wildfremden als ihren Freund auszugeben, wäre auch nicht gerade schmackhaft.
 

„Ich glaube, ich mache mich gleich mal auf den Weg. Kommst du mit?“
 

„Nein, ich hab’ wohl noch eine Verabredung mit meinen Notizen“, antwortete die Hüterin genervt.
 

++++
 

Cleveland,

Xanders Schlafzimmer

– selbe Zeit

Xander drehte sich mehrmals im Bett. Heute Nacht war es anscheinend überdurchschnittlich heiß gewesen, denn einige Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er hatte bereits seine blaue Bettdecke auf den Boden geworfen und lag nun nur noch mit Boxershorts da. Doch ohne spürbaren Effekt. Als sein Blick auf den Wecker fiel, erkannte er, dass es bereits sechs Uhr war.
 

Xander hatte sich gestern kurzfristig frei genommen, um ein langes Wochenende mit seinem neuen Auftrag verbringen zu können. Allerdings sah es an diesem Morgen nicht so aus, als würde ihm dieser das Frühstück ans Bett bringen.
 

Frustriert drehte er sich auf den Rücken und sah zu seinen Vorhängen. Er hatte sich Gott sei Dank nicht überreden lassen, hier irgendwelche Motive von Superhelden oder Dinosauriern auszusuchen, sondern ein schlichtes Weiß gewählt.
 

Da die Wohnung auf der Sonnenseite des Hauses lag, warf die aufgehende Sonne schon ein paar Lichtstrahlen durch das Fenster. Xander blinzelte. Es brannte in seinem Auge. Genauso wie dieses unangenehme Brennen vor etwa zwei Wochen, das ihn 150 Dollar gekostet hatte.
 

--
 

„Aber Clem braucht die Erinnerungen, ich kann sie auch bezahlen!" --- die magisch anziehende Holzschachtel --- "Ich mache dir ein Angebot.“ --- "Ok, ich nehme sie!" --- Larr, Xander die Augen zuschiebend
 

--
 

Xander zuckte zusammen. Hätte er dieses Angebot doch nie angenommen, aber immerhin war es für einen guten Zweck gewesen. Der Schweiß in seinem Gesicht rann langsam weiter hinunter. Das Wegwischen nützte nichts, also vergrub er sein Gesicht wieder im Kopfkissen.
 

--
 

Ein beißender Schmerz durchzuckte seinen Kopf. --- der Wasserhahn, das Waschbecken, die Handtuchständer --- "Xander? Brauchst du noch lang da drinnen?" --- "Nein, alles in..."
 

--
 

Willow hatte Recht gehabt. Dieses Auge wäre fast sein Verhängnis gewesen. Er hätte es nie einsetzen dürfen. Doch wenn er genauer darüber nachdachte...
 

--
 

Willow und Dawn im Ratsgebäude --- „Es geht nicht darum. Zudem ist er selbst schuld.“ --- „Du hast es gewusst?“ --- Dawns ernstes Gesicht ---„Tust du mir einen Gefallen?“
 

--
 

Er erinnerte sich wieder an das Gespräch, das er mit Willow über sein Auge geführt hatte. Durch sein magisches Auge hatte er noch mehr herausgefunden – vielleicht auch zu seinem bedauern. Sie hatten es lange geheimgehalten, dass in Dawn eine Jägerin steckte. Vielleicht sogar zu lang. Trotzdem verstand er Dawns Wunsch und auch ihre Reaktion an diesem Tag, als Willow nicht sehr diplomatisch in Anwesenheit der anderen, vor allem von Buffy, darüber zu sprechen anfing.
 

Xander beschloss, sich ein Glas Wasser zu holen. Seine Boxershorts klebten regelrecht an ihm.

Als er durch das dunkle Wohnzimmer stolperte, erinnerte er sich an Andrew, der beim Aufstehen gerne den Fernseher laufen ließ, um vor der Arbeit noch ein paar Cartoons vom Vortag zu sehen. Doch diesmal war der Fernseher aus.
 

--
 

“Wirklich tolle Ausrede, Andrew!“ --- Xander taumelt zurück --- “Dann stimmt es also nicht, dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem psychopathischen Frauenmörder machst?“ --- Xander höhnisch lachend --- „Freundschaft?“ --- “Ich lebe in der Realität. Ich bin real, Warren ist real.“
 

--
 

Nein, das Letzte was er wollte war, an Andrew zu denken. Als er den Küchenschrank aufmachte, fiel sein Blick auf die japanische Cornflakes-Schüssel, die sein ehemaliger Mitbewohner ihm geschenkt hatte. Wie von selbst ergriff er diese anstatt des Glases und musterte sie. Ein kleiner Manga-Luke-Skywalker sah ihn an, doch seine Haare entwickelten sich bald zu Andrews. Genauso wie seine Augen und sein Gesicht, das ihn angrinste. In seiner Hand hielt er eine Con-Eintrittskarte.
 

Dann fing Xanders Hand zu zittern an. Er erinnerte sich an den Geruch in der Wohnung, der einfach so verschwunden war. Der leichte Duft von alten Comics und Süßigkeiten. Und diversen Deos...
 

„Nein, nie wieder“, flüsterte er und ließ wie in Trance die Schüssel fallen.
 

Dieses verdammte klirrende Geräusch erinnerte ihn an das Fallen rostiger Nägel...
 

Xander wollte sich nicht weiter darauf konzentrieren. Er trank einige Schlücke unter dem laufenden Wasserhahn und ging langsam in sein Zimmer zurück.
 

Wo war er stehen geblieben? Sein Blick fiel auf ein altes Foto über der Pinnwand seines Schreibtisches. Willow, Buffy und er selbst grinsten um die Wette.
 

--
 

„Was ist los Buffy?“ --- „Ich glaube, du tust ihm unrecht.“ --- „Ich finde es auf jeden Fall sehr merkwürdig.“ --- „Ein kleiner... winzigkleiner... du könntest ein Auge auf Lily und Giles werfen.“ --- „Bist du verrückt, Buffy?“ --- „Dann sorgen wir dafür, dass er es nicht herausfinden wird.“
 

--
 

Xander erinnerte sich an das Gespräch zwischen Willow und Buffy. Auch wenn er es verdrängen wollte, so hatte er doch gewisse Dinge mit seinem magischen Auge gesehen, die nicht nur ihn etwas angingen. Vielleicht war es falsch, vielleicht aber auch irgendwie richtig, wenn er mit Giles darüber sprach. Aber würde das gut gehen? Wenn er ohne mit Buffy und Willow zu reden zum Ratsgebäude rannte und seine zwei besten Freundinnen verriet? Mit denen er schon so viel durchgestanden hatte? Die sicher einen guten Grund für dieses geheime Abkommen hatten?
 

Leider war dieses Foto, auf dem sein Blick noch immer ruhte, schon vor einer Ewigkeit geschossen worden. Xander seufzte – am liebsten würde er beide einfach am Wochenende einladen, um sich endlich mal wieder genauso wie früher anzustrahlen und einfach sorgenlose Stunden mit ihnen zu verbringen. Es war hart, erwachsen zu sein.
 

Xander war sich sicher, dass sich seine beiden Freundinnen nicht mehr so ohne weiteres mit ihm treffen würden, nach er erst einmal bei Giles gewesen war.
 

„Was soll’s... am besten erst einmal im Bett bleiben“, dachte Xander müde. Vielleicht würde er Giles auch später einen Besuch abstatten und diplomatisch anfragen. Möglicherweise wusste der Wächter ja schon längst Bescheid...
 

++++
 

Cleveland, Kennedys Wohnung

selber Morgen,

ein paar Minuten später

Kennedy zog sich um und schloss die Tür hinter sich. Hoffentlich würde sie den richtigen Weg zu Xanders und Andrews Wohnung finden. Sie war nicht oft da gewesen. Wenn sie sich recht erinnerte, höchstens dreimal... es hatte nie Gründe gegeben, sich dort zu treffen. Nicht einmal, als sie zu dritt die Stellung hier in Cleveland gehalten hatten, bis Giles mit Willow und später Buffy nachgekommen waren. Und Cleveland war groß. Die Gefahr, sich zu verlaufen, bestand...
 

Doch sie hatte ihren Orientierungssinn stark unterschätzt, als sie einen Häuserblock später vor einem Hochhaus stand, das ihr vertraut erschien. Sie musterte die kleinen Schildchen neben den Klingeln, bis sie den gesuchten Namen fand.
 

„Ja“, drang Xanders leicht gereizte Stimme durch die Sprechanlage, nachdem Kennedy geduldig dauergeklingelt hatte.
 

„Ich bin’s, Ken. Mach auf...“ Ein Summen war zu hören und Kennedy stieß die Tür auf.
 

Ken rannte die Treppen leichtfüßig nach oben, bis sie schließlich vor der Tür mit der 42 stand, neben der auf einem kleinen Schild der Name „A.Harris“ stand. Ein kleines Stück des Papiers war abgerissen. Sie begann wild gegen die Tür zu klopfen.
 

Ein verschlafener Xander öffnete die Tür. „So früh geweckt zu werden ist nicht gerade angenehm. Es ist sieben Uhr morgens!“, sagte er aufgebracht. Nach seinen Überlegungen vor einer Stunde war er endlich wieder eingeschlafen. „Ist irgendetwas passiert? Mit Wi...“
 

„Wo ist Andrew?“, antwortete die Jägerin ohne eine Begrüßung, ohne ihn zu beachten und rannte ihn dabei auch noch halb um.
 

Sie betrat eine unaufgeräumte Wohnung, aber darauf legte sie gerade kein Augenmerk. In der Küche sah es mit den ganzen Scherben auch nicht gerade wohnlich aus. Anscheinend sollte sie ihr Porzellan verstecken. Hoffentlich würde es mit Andrew nicht schon nach fünf Minuten bei ihr so aussehen.
 

Sie öffnete alle Türen, doch keine Sicht von ihm.
 

Xander schloss die Tür und kratze sich am Hinterkopf.
 

„Hast du nicht mitbekommen, dass er nicht mehr hier wohnt?“, entgegnete er etwas genervt davon, dass diese Information anscheinend doch noch nicht die Runde gemacht hatte, wie angenommen.
 

„Wo dann?“
 

“Ich weiß nicht und ich will es auch gar nicht wissen. Vermutlich ist er aber gerade auf der Arbeit, im Games In. Schon mal davon gehört? Ist im Einkaufszentrum.“
 

„Ich glaube, ich bin dort schon vorbei gegangen. Übrigens – du sahst schon mal besser aus. Danke für die Info. Bye.“
 

„Danke für das Kompliment“, murmelte Xander perplex, als Kennedy die Wohnung bereits wieder verlassen hatte. „Und keine Ursache... immer wieder willkommen in Xanders Informationszentrum“, fügte er hinzu und machte sich auf den Weg zurück ins Bett.
 

++++
 

Cleveland, Ratsgebäude

Garten, selber Morgen

„Faith?“ Langsam richtete sich Robin auf und sah die Jägerin besorgt an. Er hob seine Hand und strich ihr über die Schultern, wurde aber sofort wieder abgeschüttelt.
 

„Faith, was ist los?“, fragte er wieder und rückte näher an sie heran.
 

Fassungslos starrte sie ihn an. Sie atmete viel zu schnell und unregelmäßig, während sie ohne eine Regung zu zeigen ins Nichts starrte.
 

Robin streckte langsam wieder die Hand aus und berührte sachte die ihrige.
 

„Was ist los? Was hast du gesehen?“, fragte er, während er noch näher an seine Freundin heran rückte.
 

Als wäre sie aus tiefem Schlaf gerissen worden, sah sie ihn plötzlich geschockt an, riss sich wieder los und sprang aus dem Bett.
 

„Ich... ich muss sofort hier raus...“, brabbelte sie schnell, während sie sich ein T-Shirt über den verschwitzten Körper zog und auf die dünne Schiebetür zuging, die ihren Schlafbereich vom restlichen Bus abtrennte.
 

„Warte!“, schrie Wood, sprang ebenfalls aus dem Bett, packte sie fest bei den Schultern und drehte sie zu sich um.
 

Nur einige Zentimeter waren zwischen seinem und ihrem Gesicht, als er leise zu sprechen begann.
 

„Hör mir jetzt zu Faith. Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Du musst mir sagen, wovon du geträumt hast. Nein, nicht weil ich dein Wächter bin, sondern weil ich dich liebe. Ich mache mir Sorgen um dich. Es scheint, als würden deine Träume immer heftiger und häufiger kommen. Lass mich dir helfen...“
 

Faith verdrehte leicht den Kopf, dachte zuerst daran, ihn mit voller Kraft von sich zu stoßen, entschied sich dann aber dafür, das zu tun, wonach sie sich so sehr sehnte.
 

Sie hob ihren Kopf und sah ihm tief in die Augen. Der Wächter löste seinen Griff, woraufhin Faith ihre Arme hob und sein Gesicht an sich heran zog. Sie küsste ihn zärtlich, schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.
 

„Was hast du gesehen?“, flüsterte er leise in ihr Ohr.
 

„Eve... sie hat mir gesagt, dass Lily Vis Mörder ist...“, antwortete Faith leise, während sie Robin weiter an sich drückte, ihren Kopf auf seine Schultern legte und sich Feuchtigkeit in ihren Augen sammelte.
 

„... und ich habe sie... hingerichtet... ich habe sie in dem Traum wie ein Monster abgeschlachtet...“, flüsterte sie leise.
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus

Giles Büro,

etwas später

„Ich habe in Lilys Büro einige Funde gemacht, die dich interessieren könnten.“ Giles saß mit Buffy in seinem Büro. Die Jägerin blätterte in einem schwarzen Ordner, den ihr der Wächter ausgehändigt hatte.
 

„Oh... vielleicht einen Hinweis wo sie sich jetzt aufhält? Oder vielleicht noch besser... ein Geständnis?“ Buffy sah zu Giles auf und bedauerte zugleich ihre etwas scharfen Worte, als sie sein betretenes Gesicht sah. Giles musste sich furchtbar fühlen... schließlich hatte er den „Feind“ mitten unter sie gebracht.
 

„Nein... nein, es ist eher... hier.“ Er reichte Buffy einen Stapel Notizblätter, die er in eine Mappe gesteckt hatte. Zu oberst lag die Handskizze und Notizen von Lily über die Holzmaske, die sie in der Fabrik gefunden hatten. „Ich schätze, wir wissen nun, wer hinter der Maske steckte und Vi tötete. Zudem sind darunter noch einige interessante Notizen über Samielle...“
 

Buffy sah Giles einen Moment lang schockiert an, als ihr bewusst wurde, was dieser gerade so nebenbei gesagt hatte. Vi... Lily... wobei, wirklich überraschen tat sie diese Neuigkeit nicht mehr. Nicht nach dem, was Lily mit Dawn vorgehabt hatte.

„Oh je... besser wir sagen Faith nicht all zu viel davon... für den Fall, dass sie lieber selbst Hand an Lily legen wollen.“ Buffys Grinsen missling und sie wurde durch ein plötzliches Klopfen an der Tür gerettet.
 

Nachdem Giles ‚Herein’ gerufen hatte, öffnete Xander die Tür.
 

„Guten Morgen... oh, Buffy.“ Er hätte nicht gedacht, sie hier in Giles Büro zu finden. Wie dumm von ihm... sie arbeitete doch hier... innerlich ohrfeigte er sich dafür. Xander war sich sehr sicher, dass ihm sein schlechtes Gewissen ins Gesicht geschrieben stand.
 

„Hey Xander... wieder auf einen kurzen Besuch hier.“ Sie grinste und schloss den Ordner, als sie bei der letzten Seite angelangt war.
 

„Eh... ja... da ich frei habe... dachte ich, ich schau mal vorbei.“ Er lächelte nervös und als Buffy von ihrem Stuhl aufstand, um sich ihre Tasse Tee neben dem Kopierer zu holen, beugte sich Xander verschwörerisch etwas nach vorne, damit ihn nur Giles hören konnte.
 

„Giles, ich glaube ich muss mit Ihnen reden. Alleine.“
 

Giles wirkte überrascht. Es war nicht alltäglich, Xander hier mit einer verschwörerischen Bitte in seinem Büro begrüßen zu dürfen. Also schien es wichtig zu sein. Vorsichtig warf Giles einen Blick auf die Uhr. „Buffy, ich glaube du solltest dich besser beeilen, um rechtzeitig zu deinem Zug zu kommen.“
 

„Müssen Sie mich jetzt daran erinnern, Giles...“ Buffy verdrehte die Augen und stand auf. „Verschonen sie mich bitte in Zukunft mit solchen Aufträgen... da koche ich doch noch lieber den ganzen Tag Tee für sie.“ Buffy warf den beiden noch ein Lächeln zu und legte den Ordner zurück auf Giles’ Tisch.
 

„Worum geht es?“, fragte Xander etwas verwirrt, als Buffy den Raum verließ.
 

„Nicht so wichtig. Nur um einen kleinen Sonderauftrag“, winkte Giles ab. „Und... und um was geht es bei dir?“
 

Xander stand unschlüssig da und kratzte sich am Kopf. Es war schwierig den richtigen Einstieg zu finden. „Na ja, zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich es Ihnen erzählen soll. Aber da ich sowieso immer zwischen den Fronten stehe...“ Xander lächelte gequält.
 

„Das... bedeutet?“, fragte Giles gewohnt ruhig, aber mit hochgezogenen Augenbrauen.
 

„Ich habe eine gewisse Information erhalten, nun ja, als ich das Auge hatte, und irgendwie... brauchte ich Zeit, um mich durchzuringen, um damit zu Ihnen zu kommen“, führte Xander fort.
 

„Moment... eine Information? Durch dein magisches Auge?“, fragte Giles.
 

„So ist es.“ Xander nickte. „Auch wenn Sie vielleicht denken, dass man diesem Auge nicht immer vertrauen kann...“
 

„Das denke ich wirklich nicht.“ Der Wächter setzte seine Brille ab.
 

„Oh... gut... dann... eh... ehm... Was sie mit meiner Info anfangen, überlasse ich ihnen. Ich glaube nur, dass Sie es wissen sollten.“
 

„Wir drehen uns im Kreis. Xander... was sollte ich wissen?“
 

„Verdammt!“ Xander verpasste sich in Gedanken sich erneut eine Ohrfeige. „Sehr diplomatisch, Mr. Harris, wirklich sehr diplomatisch. Du kannst das bei weitem besser“, ermahnte sich der junge Mann selbst, sah aber ein, dass es jetzt zu spät war, um noch irgendetwas vorsichtig zu hinterfragen. Giles würde sicher nicht eher Ruhe geben, bis er alles wusste. Und zudem – wie sollte man etwas zur Sprache bringen, wenn man es nicht direkt erwähnte?
 

Buffy würde ihn dafür umbringen... keine Frage... besser, er sprach mit ihr, bevor Giles es tat.
 

“Nun... sagen wir mal, ich wüsste von zwei Personen, die Ihnen nahe stehen, dass sie ein kleines Bündnis gegen sie, Lily und den Rat hatten... so ’ne Art... Agentensache.“
 

Giles Gesicht nahm einen schwer deutbaren Ausdruck an, als er Xanders Worte zu folgen versuchte. „Xander, es tut mir leid. Wenn du nicht klar sagst, was du meinst, wird es mir schwerfallen, dir beim Erleichtern deines schlechten Gewissens zu helfen.“
 

Gut, dass hieße dann wohl, dass Giles wirklich noch nicht darüber Bescheid wusste und er sich dummerweise keine Hintertür offen gelassen hatte. Wer A sagt, muss auch B sagen...
 

„Eh, na ja... jemand Bestimmtes sollte von jemanden anderes Bestimmtes...“
 

„Xander!“ Giles Stimme nahm etwas Drohendes an und Xander zuckte resigniert die Schultern.
 

„Okay, Mann... ich kann dann wenigstens behaupten, sie haben mich gefoltert, damit ich das verrate, was ich weiß.“ Giles verdrehte kurz die Augen über Xanders Worte, der fortfuhr: „Buffy wollte, dass Willow ein Auge auf Sie wirft. Sie schien kein Vertrauen gehabt zu haben. Keine Ahnung, wie lang das her ist... hab’ noch nicht mit einer der beiden deswegen gesprochen.“
 

Giles Rücken straffte sich, als sein Verstand zu begreifen schien, was Xander ihm gerade anvertraute.
 

„Ich meine... genauer gesagt, wohl eher auf Sie als Wächter und Lily...“, fuhr Xander vorsichtig fort, stand auf und schob seinen Stuhl wieder so hin, wie er ihn vorgefunden hatte. „Es tut mir leid, dass Sie es durch mich erfahren mussten und gut möglich, dass es falsch von mir war, nicht vorher mit Buffy oder Willow gesprochen zu haben... ach, ich weiß auch nicht“, murmelte er verlegen, bevor er sich von Giles mit einem halbherzigen Winken verabschiedete und den Wächter mit seinen Gedanken zurückließ.

++++
 

Cleveland, Einkaufszentrum

Eine Stunde später,

am Morgen

Kennedy stand vor dem Games In und warf rasch einen Blick nach links und rechts. Nur für den Fall, dass irgendjemand den sie kannte in der Nähe war. Niemand sollte sie beim Betreten des Ladens beobachten. Schließlich wanderte ihr Blick wieder auf das Geschäft. Ob es die richtige Entscheidung war, an diesem roten Gipsdrachen vorbei zu gehen? Sie biss die Zähne zusammen und trat dann ein.
 

So weit das Auge reichte, sprangen ihr sämtliche Comics und Actionfiguren, die sie noch nie gesehen hatte, entgegen. Um die DVD’s machte sie gleich einen großen Bogen. In der Luft hing ein leichter Plastik- und Gummigeruch, der sich mit Druckerschwärze mischte und auch nicht von der laufenden Klimaanlage vertrieben werden konnte.
 

Plötzlich stand ihr etwas im Weg, das sie zugleich fast umrannte. Von diesem weichen Etwas ging eine Stimme aus, die über den Laden hinweg dröhnte:
 

„Andrew, steh nicht so gelangweilt herum, arbeite!“
 

Kennedys Blick wanderte nach oben und musterte die langen und fettigen Haare eines Monstrums, das sich gerade zu ihr umdrehte, und sie beängstigend anlächelte. Die grässliche Szenerie auf seinem T-Shirt wirkte abstoßend und Ken war sich nicht sicher, ob sie lieber einem Dämon begegnen wollte, als diesem Kerl, der wohl Andrews Chef war.
 

“Was kann ich für dich tun?“ Er versuchte freundlich zu wirken, aber das gelang ihm nicht wirklich. Jedenfalls fühlte sich Kennedy nicht wohl bei diesem Grinsen.
 

„N-Nein, ich suche nur etwas.“ Insgeheim hoffte sie, dass er bald hinter dem Perlenvorhang verschwinden würde, den sie gerade hinter der Theke erblickt hatte.
 

„Klar. Aber wie heißt es so schön: nicht lesen, kaufen!“ Mit diesen Worten packte er noch einen vollen Karton und machte sich auf den Weg, um tatsächlich hinter dem Perlenvorhang zu verschwinden. ‚Was für ein Glück.’
 

Als endlich die Sicht frei war, entdeckte sie auch gleich ihren Retter in der goldenen Rüstung, der im hinteren Teil des Ladens stand und aus einem Karton neu eingetroffene Spielfiguren in ein Regal einsortierte. Jedenfalls nahm Ken dies an, denn Andrew wirkte etwas abwesend, während er jede Figur einzeln herausnahm und sie erst einmal in den Händen hielt und drehte, als wäre sie Gott persönlich oder aus purem Gold.
 

„Andrew!“
 

Erschrocken drehte er sich um. Fast wäre ihm eine der Figuren aus den Händen gerutscht. Er hatte Mühe, das Unglück zu verhindern und während er noch dastand und ungeschickt in der Luft mit den Händen wedelte, um den Absturz der Figur zu vermeiden, steuerte die Jägerin auf ihn zu.
 

„K-Kennedy?“ Als sie näher auf ihn zu kam, ging er einen Schritt zurück und stieß gegen das Drehregal hinter ihm, das glatt ins Wanken geriet. Bevor ihn die alt riechenden, dicken Bände unter sich begruben, packte die Jägerin Andrew am Kragen und hinderte ihn so am Fallen. Mit einem Fuß fing sie das Regal auf halbem Weg auf. Trotzdem polterten die Comic-Bände zu Boden.
 

„Ich hab’ doch gar nix gemacht! Was immer Xander dir über mich erzählt hat, es ist nicht wahr. Okay, vielleicht ist es wahr, aber du machst schließlich genau dasselbe, nur dass Willow nach England gegangen ist...“ Andrew plapperte erschrocken drauf los.
 

„England?“ Die Jägerin hob eine Augenbraue. „Das ist ein gutes Stichwort! Los, nimm dir ’ne Kaffeepause und komm mit!“, antwortete sie energisch, ließ ihn dann aber los.
 

„England ist cool! Da gibt es Dr. Who, Herr der Ringe wurde dort erschaffen und Harry Potter und man kann dort lernen, dass man keine Leute umbringt.“
 

“Was auch immer...“ Kennedy verdrehte die Augen. Das würde lustig werden, aber auch viel Arbeit bedeuten.
 

In Kennedys Blick erkannte Andrew, dass sie es ernst meinte.
 

„S-Scott?“ Nichts rührte sich, als Andrew Richtung Vorhang rief. „Scohooott“, rief er lauter und lächelte dabei nervös Ken an.
 

Nach ein paar Sekunden kam sein Chef durch den Perlenvorhang geschlendert, und war sichtlich stolz auf sein neues Slayer T-Shirt, das ihm anscheinend mehr als eine Nummer zu klein war. Was ihn aber nicht daran hinderte, seinen Bauch in die Höhe zu strecken, damit es jeder sehen konnte. Am liebsten wäre Kennedy im Erdboden versunken.
 

„Darf ich mir eine Kaffeepause nehmen?“, fragte Andrew unschuldig.
 

Scott warf Kennedy einen vielsagenden Blick zu. „Du brauchst wirklich ein Auto, Kleiner!“, antwortete er Andrew.
 

Kennedy traute ihren Ohren nicht. Nachdem Andrew rot wurde, zog sie ihn am Ärmel seines T-Shirts aus dem Laden, nicht ohne ein paar Action-Figuren auf den Boden zu befördern.
 

„Hey... erst räumst du die Sauerei hier auf“, brüllte Scott, als seine Augen auf das umgestürzte Drehregal fielen.
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus

Konferenzraum,

früher Mittag

Nachdem Kennedy die Wohnung verlassen hatte, wurde Willow klar, dass die halbherzig geschriebenen Informationen über die Inquisition aus dem Internet nicht reichten, um ein gutes Referat abzuliefern. Nicht ohne sich noch einen Kaffee zu holen, machte sie sich auf den Weg zu Giles, um Bücher über Hexenvernichtung zu suchen. Vielleicht würde ja hier etwas Brauchbares zu finden sein. Natürlich hatte sie sich früher schon zusammen mit Tara über das ganze unterhalten, aber sachliche Informationen würden sie einen weiteren Schritt nach vorne bringen.
 

Als sie die Tür öffnete, war weit und breit keine Spur von Giles zu sehen. Anscheinend saß er in seinem Büro, und ihn zu stören war bestimmt keine gute Idee, nicht nachdem sie nach Lilys Verschwinden noch mehr Rätsel aufbekommen hatten. Sie würde schon selbst finden, wonach sie suchte.
 

Nun stand sie vor den Bücherregalen und suchte nach den passenden Titeln. Nach kurzer Zeit zog sie ein verstaubtes Buch hervor und blätterte es durch. In Gedanken vertieft bemerkte sie nicht, wie eine Person hinter sie trat.
 

„Ähem“, räusperte sich Giles und versuchte gelassen zu wirken, während Willow so heftig erschrak, dass sie zugleich Kaffee auf dem Boden und auf ihren Schuhen verschüttete.
 

„Guten Morgen, Giles. Erschrecken sie mich doch nicht so!”, antwortete die Hüterin und drehte sich mit einem gequälten Lächeln um.
 

Giles schaute etwas anklagend auf den Boden unter ihren Füßen. Willows Blick folgte dem seinigen. „Oh, tut mir leid. Ich werd’ das gleich wieder in Ordnung bringen.“
 

„In Ordnung“, sagte Giles knapp und ein wenig reserviert. Er griff instinktiv nach der Brille, um sie gerade zu rücken, ehe er bemerkte, dass er keine auf hatte und die Hand wieder sinken ließ. „Du hast nicht zufällig Xander getroffen?“ Eigentlich hatte er nach Xanders Besuch und dem Gespräch mit dem jungen Mann beschlossen, die Sache ruhig und sachlich anzugehen: Als erstes würde er mit Buffy sprechen. Er musste wissen, was sie dazu bewegt hatte, hinter seinem Rücken Willow dafür auszunutzen, Lily und ihn zu bespitzeln. Danach hätte er noch immer mit Willow reden können. Doch Buffy war außerhalb Clevelands unterwegs und würde nicht vor Abend wieder zurückkehren. Das bedeutete für Giles, voller Ungeduld auf ihre Rückkehr warten zu müssen, da er das ganze nicht am Telefon besprechen wollte. Und von seiner selbst auferlegten Selbstbeherrschung war nicht mehr sehr fiel übrig, während Willow vor ihm stand, unschuldig den Kopf schüttelte und nicht wusste, was los war. Er fühlte sich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, ein wenig verraten und hintergangen.
 

„Stimmt... stimmt etwas nicht?“ Willow blickte ihn verwirrt an.
 

„Ich weiß nicht, sag du es mir!“, Giles ging um sie herum an den Konferenztisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Kante.
 

„Ich verstehe nicht?“ Willow runzelte die Stirn.
 

„Nun, dann werde ich deinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen müssen.“ Giles Blick war auf Willow gerichtet und seine Augen fixierten ihre. Sie fühlte sich unbehaglich und schuldig, auch wenn sie schwören konnte, dass sie nichts angestellt hatte. Aber irgendetwas war geschehen... das letzte Mal als er sie so angesehen hatte, standen sie beide in Buffys Küche und sie hatte ihm voller Stolz, in Hoffnung auf ein Lob, von Buffys Wiedererweckung erzählt.
 

„Nun... zugegeben“, fuhr Giles schließlich fort. „Lily erwies sich, ganz wie Buffy vermutet hatte, als uhm... nicht vertrauensvoll. Ich war blind und unvorsichtig. Buffy mag vielleicht aus der Vergangenheit klug geworden sein und richtig damit gehandelt zu haben, mit mir nicht über Lily und ihren Verdacht zu sprechen. Aber dann kam... uhm... nun... ein magisches Auge hat doch auch seine Vorteile...“
 

„Worum geht es hier eigentlich?“, fragte Willow vorsichtig, leicht verwirrt, aber mit einem leisen Verdacht.... sie hatte Buffy damals gesagt, dass es eine schlechte, eine sehr, sehr schlechte Idee wäre, hinter Giles’ Rücken ein Auge auf den Rat zu werfen...
 

„Das ich dachte, wir wären alle älter und klüger geworden. Das wir gelernt hätten, uns zu vertrauen und miteinander zu reden. In Gottes Namen, Willow, ich hätte nie von dir erwartet, dass du auf Buffys Vorschlag eingehen würdest!“, sagte der Wächter aufgebracht. „Nicht nachdem ich, ohne zu wissen, was eine Hüterin ist, oder ob dich deine Fähigkeiten zu einer machen, dir eine vorläufige, vertrauensvolle Stelle im Rat eingeräumt habe.“
 

Der Hüterin ging ein Licht auf. Xander hatte doch nicht etwa diese Unterhaltung gesehen? Und Giles davon erzählt... Oder doch? Was hatte sich Xander dabei nur wieder gedacht?
 

„Aber Giles... ich... so war das nicht“, fing Willow unsicher an, wurde aber von einer raschen Handbewegung von Giles unterbrochen.
 

„Ich frage mich gerade, ob dein über die Monate gezeigtes Interesse an mir, meiner Arbeit und an den Fortschritten des Rates nur vorgespielt war, um für Buffy Informationen zu sammeln.“
 

„Jetzt warten sie mal Giles“, fiel ihm Willow mutig und langsam etwas aufgebracht ins Wort. „Es ging doch nicht so sehr um sie, sondern vor allem um Lily und den Rat. Ich habe es ja Buffy ausreden wollen, aber sie war damals... so verunsichert über ihre Stellung, ihre Zukunft, dass ich ihr zuliebe zugestimmt habe. Und ich denke, gewisse Ereignisse haben uns gezeigt, dass es doch mehr als nötig gewesen wäre, darauf ein noch genaueres Augenmerk zu legen“, antwortete Willow um sich zu verteidigen.
 

„Es ging genauso um mich und auch, wenn ich vielleicht einen Fehler in bezug auf Lily gemacht habe, ist das kein Grund, hinter meinem Rücken solche Dinge... zu... uhm... besprechen.“ Giles spürte seinen neu entflammten Zorn bereits wieder verebnen. Er wurde ruhiger und nahm die Arme von der Brust. Das letzte was er wirklich wollte, war ein Streit mit Willow. Dafür hatten sie seit ihrer Zeit in England zu hart um Vertrauen gekämpft. Vielleicht fühlte er sich auch gerade deswegen mehr von Willow enttäuscht, als von Buffy. „Ich wäre der letzte, der in bezug auf den Rat irgendwelche vorschnellen Entscheidungen treffen würde. Du hättest zu mir kommen und mit mir über Buffys Ängste sprechen sollen.“
 

„Das habe ich doch getan“, verteidigte sich Willow.
 

„Richtig. Aber du hättest weiterhin von Buffys Wunsch dir gegenüber reden müssen... anstatt es mir zu verheimlichen. Das Buffy mir nicht vertrauen wollte, dass sie und ich nicht miteinander reden konnten... das verstehe ich alles – jetzt, irgendwie. Aber wir... wir beide hatten genug Zeit, das alte, gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen. Erinnere dich an England, die Hilfe, die ich dir entgegengebracht habe, obwohl du mich für deine Rache töten wolltest, wie ich versucht habe, dir nach Taras Tod beizustehen...“
 

„Nicht...“ Willow hob lahm eine Hand und brachte Giles zum Verstummen. Es war nicht fair, wenn er jetzt davon zu reden anfing. Auch wenn sie verstand, dass er versuchte sie wachzurütteln. Aber das war nicht nötig. Sie wusste, dass das, was Buffy von ihr vor Monaten verlangt hatte, unmoralisch war. „Bitte reden sie nicht davon... ich... ich verstehe, dass sie sich gekränkt und verletzt fühlen. Und das habe ich alles Buffy gegenüber als Einwand hervorgebracht. Das können sie mir glauben, Giles. Und ich habe nie wirkliche Versuche unternommen, an irgendeine Information zu kommen. Buffy wollte nur, dass meine Vertrauensstelle, mich näher an die Geschehnisse heranbringen, um sie dann zu informieren. Das ist doch alles passé.“ Willow machte einen unsicheren Schritt auf Giles zu. „Diese kleine Aktion von Buffy hat niemandem geschadet und am Ende hat sie doch sogar recht behalten. Aber wenn sie unbedingt jemanden anklagen wollen, wenden sie sich an Buffy!“ Willow spürte auf einmal tatsächlich Wut. Es war doch nicht einmal ihre Idee gewesen, wieso fiel nun all das auf sie zurück? Sie hatte Buffys Wunsch nur halbherzig erfüllt und immer versucht, dass Giles nichts mitbekam von all dem Misstrauen, dass ihm Buffy vor Monaten noch entgegengebracht hatte.
 

Und jetzt, wo zwischen Wächter und Jägerin alles wieder in Ordnung war, musste diese Geschichte herauskommen. Sie hoffte inständig, dass dadurch nicht wieder alles kaputt gemacht werden würde, was sich Giles und Buffy in den letzten zwei Monaten hart erkämpft hatten.
 

„Das werde ich auch!“, antwortete der Wächter müde und richtete sich wieder auf. „Das sollte ich wohl auch.“
 

Beide sahen sich schweigend an. Man konnte förmlich die elektrisierende Stimmung im Raum spüren, als sich die beiden noch immer mit ihren Blicken gefangen hielten. Sie waren beide überrascht, dass das Gespräch ruhig geblieben war, die Vorwürfe nicht all zu verletzend waren und doch... lag etwas zwischen ihnen.
 

„Ich glaube, ich suche mir meine Bücher heute besser woanders“, sagte Willow nach ein paar Sekunden kleinlaut und ließ Giles allein im Haus zurück, der mit dem schlechten Gefühl, die falschen Dinge gesagt zu haben, auf den Punkt starrte, wo Willow eben noch gestanden hatte.
 

++++
 

Cleveland,

Shopping Center

Selbe Zeit

„Vielleicht kann ich dem bösen Monster entkommen“, flüsterte Andrew, als er auf Zehenspitzen aus dem Einkaufszentrum schleichen wollte, während Kennedy die Tafeln mit den Wegweisern studierte um ein Cafe zu finden.
 

„Nicht so schnell!“ Ertappt blieb Andrew stehen. Wieso musste diese automatische Tür auch so laut sein? Er wagte nicht noch einen Versuch, wegzulaufen. Schließlich war sie eine Jägerin und konnte somit dem stärksten Superhelden leicht hinterher rennen.
 

„Was willst du eigentlich von mir? Es ist nicht gerade alltäglich, dass du einfach so bei mir vorbeischaust, mich vor meinem Chef blamierst, und mich dann einfach entführst!“
 

„Wer hat hier wen blamiert?“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie in Richtung Aufzug. „Hoffentlich muss ich ihm nicht auch noch eine Hundeleine umbinden“, murmelte sie und warf Andrew einen Blick zu, damit er ihr folgte.
 

Nach wenigen Minuten saßen sie sich im nächstbesten Café gegenüber.
 

„Du musst mir einen Gefallen tun!“, entgegnete Kennedy, während Andrew seine heiße Schokolade mit extra viel Schlagsahne entgegennahm.
 

„Schon wieder?“, antwortete Andrew genervt und schlürfte die Sahne hinunter. „Ich hab’ dir doch letztes Jahr erst das Leben gerettet. Du hast nicht einmal ’danke’ gesagt!“ Er fing an zu schmollen.
 

„Das ist kein Gefallen, das ist eine Selbstverständlichkeit! Ich hätte das selbe auch für dich getan!“, antwortete die Jägerin entschieden.
 

Andrew hob die Augenbrauen. „Sogar wenn du Willow deswegen mit einem Schwert aufspießen müsstest?“
 

Kennedy grummelte. „Dankeschön, dass du mir das Leben gerettet hast! So, können wir jetzt zum geschäftlichen Teil kommen?“ Sie klang enthusiastisch. „Ich brauche einen Verlobten!“
 

Nach dem letzten Satz sah Andrew sie total geschockt an.
 

„Soll das etwa deine Version von einem romantischen Heiratsantrag sein?“, fragte er verwirrt.
 

„So in etwa.“ Kennedy lächelte gequält. „Meine Eltern kommen dieses Wochenende zu Besuch und erwarten einen blonden Musterverlobten.“
 

„Wieso verpasst du Willow nicht einfach einen neuen Look?“, fragte Andrew. Irgendwie musste er sich doch herausreden können.
 

„Das geht nicht so einfach.“ Sie sah ihn enttäuscht an. „Wie wär’s, wenn ich dir dafür Comics und Actionfiguren kaufe?“ Irgendwie musste sie ihn doch anlocken können.
 

„Damit werde ich leider schon bestochen! Du musst dir was anderes überlegen.“ Andrew rollte mit den Augen.
 

„Ich... ich könnte auf Ebay einen neuen... einen neuen Star Wars Anhänger für dich kaufen!“
 

Im nächsten Moment holte Andrew seinen halben Anhänger unter seinem T-Shirt hervor. „Zu spät!“
 

Nach ein paar Sekunden sah er Kennedy hoffnungsvoll an. „Hmm... wie wär’s mit einem Pontiac Firebird?“
 

„Hab’ ich ’ne Geldhexe?“ Sie sah ihn wütend an. Doch dann kam ihr eine Idee. „Wie wäre es mit ein paar coolen Anzügen, in denen du aussiehst wie James Bond, und als Extra-Plus noch eine richtig coole Sonnenbrille?“ Schließlich musste sie ihm sowieso noch Anzüge besorgen. Ihre Eltern würden so etwas wie Alltagslook nicht akzeptieren.
 

„Deal!“ Andrew strahlte sie an. „Wann gehen wir shoppen?“, wollte er wissen.
 

„Morgen nachmittag. Zusammen mit einem Termin beim Friseur!“
 

++++
 

Albany, Bahnhof

Nachmittag

Der Zug kam langsam zum Stehen, rollte noch ein kurzes Stück auf den Gleisen aus und öffnete dann automatisch die Türen. Die wenigen Fahrgäste stiegen aus, darunter auch Buffy, die mit misstrauischem Blick den einzigen Bahnsteig rauf und runter schaute. Trist... absolut trist und tote Hose. Wenn sie hier geboren worden wäre, hätte sie sich spätestens mit 16 freiwillig erschossen. Laut Giles lebten hier 810 Menschen und die einzige Attraktion des Kaffs eine kleine Einkaufsstrasse, die gleichzeitig auch die Hauptstrasse bildete. Sah man davon mal ab, gab es speziell für Jägerinnen eine Sonderattraktion – eine Horde Vampire, die sich hier niedergelassen hatte.
 

Buffy sprang auf die alte, vom Zahn der Zeit aufgeplatzte Betonplatte des Bahnsteigs und erblickte sofort das junge Mädchen, das sie abholen kam. Eine unerfahrene Jägerin namens Robia, der man einen ebenso unerfahrenen, jungen Wächter zur Seite gestellt hatte. Bedauerlicherweise hatte er vor zwei Tagen das Zeitliche gesegnet. Darum war sie nun hier – sie würde Robia bei Sonnenuntergang dabei helfen, Albany wieder zu einem friedlichen Ort zu machen.
 

“Buffy Summers?“ Robia kam schüchtern näher.
 

„Ja... das bin wohl ich... hey... nett habt ihr es hier...“ Buffys Lächeln war aufgesetzt, aber nett... während sie Robia vor den Bahnhof folgte...
 

++++
 

Cleveland, Lincoln High School

Nachmittag

„Ich hasse diesen Lehrer“, beschwerte sich Tiffany bei ihrer besten Freundin.
 

„Als würde dir diese Eins Minus etwas im Notenschnitt versauen“, entgegnete Betty, als die beiden gefolgt von einem weiteren Mitschüler die High School verließen.
 

„Ich halte dass nicht mehr aus. Ich wette, er hat etwas gegen mich.“ Aufgebracht kickte sie eine Cola-Dose vom Gehsteig auf die Strasse.
 

„Das kenn’ ich gar nicht von dir. Was machst du Donnerstag Mittag schon außerhalb der Schule?“, grinste Dennis, als er die beiden einholte.
 

„Ich nehm’ mir einfach mal eine Auszeit. Wieso soll ich den ganzen Tag in dieser Schule verbringen, wenn es viel besseres zu tun gibt? Lernen für die Prüfung morgen zum Beispiel!“, antwortete Tiffany mit neuem Eifer.
 

Die beiden seufzten. Sie war immer noch die Alte.
 

„Es ist ziemlich heiß heute. Glaubst du wirklich, dass du dich dabei konzentrieren kannst?“, fragte Betty. „Komm doch lieber mit zum Schwimmen in die Halle.“
 

„Ist doch nur Mittags so. Was soll’s, das ist meine Kreuzung.“ Tiffany blieb stehen und drehte sich zu den anderen um. „Bye, bis morgen.“ Sie ging rückwärts weiter.
 

Dennis und Betty verabschiedeten sich von ihrer Freundin, die ihnen noch nachwinkte und bogen links ab, während Tiffany die Strasse überqueren musste.
 

Wenn sie schon früher abhaute, sollte sie auch kein Lehrer dabei erwischen, und sie war noch nicht besonders weit von der Schule entfernt.
 

In Gedanken lief sie weiter, zu sehr um ihre Noten besorgt als sich um ihr schlechtes Gewissen, das ersten Mal in ihrem Leben den Unterricht geschwänzt zu haben, kümmern zu können.
 

So bemerkte sie nicht, dass am anderen Ende der Strasse ein weißer Wagen um die Kurve gerast kam. Mit überhöhtem Tempo hielt das Fahrzeug direkt auf Tiffany zu, die gerade die ersten Schritte über die Strasse machte. Es war mehr die Gewohnheit, die sie schließlich doch noch nach allen Seiten Ausschau halten ließ. Sie sah das Auto, blieb völlig geschockt mitten im Schritt stehen und dachte ‚das war’s gewesen.’

Doch irgendetwas machte in ihrem Kopf klick und befahl ihr loszulaufen – so schnell sie konnte. Im letzten Augenblick erreichte sie noch das letzte Drittel der Strasse, fühlte sich gerettet, nur um doch noch von dem PKW an der Hüfte erwischt zu werden. Mit einem Aufschrei wurde sie in das Gebüsch neben dem nächsten Baum geschleudert. Als sie sich nach dem Auto umsah, stellte Tiffany schockiert fest, dass der Fahrer nur kurz das Lenkrad herumgerissen hatte und bereits weiter fuhr.
 

„Autsch“, stöhnte sie. Und als sie versuchte aufzustehen, sank sie wieder unter Schmerzen zurück. Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Anscheinend hatte ein Passant das ganze bemerkt und war ihr zur Hilfe geeilt.
 

Sie griff nach seiner Hand, die er hilfsbereit ausstreckte, um ihr auf die Beine zu helfen.
 

„Danke“, entgegnete Tiffany und verstummte sofort, als sie ihrem Helfer in die Augen sah.
 

Eine abscheuliche Gestalt stand ihr gegenüber. Ohne dass sie etwas weiteres sagen konnte, packte er sie am Kragen. Er war äußerst erfreut über ihr Auftauchen, schließlich hatte er schon den ganzen Tag nach einem neuen Opfer gesucht. Er brauchte Kraft und die bekam er nun. Der kleine Junge von gestern Abend hatte nicht wirklich seinen Bedarf gedeckt. Aber er musste sie von hier fort schaffen. Der Platz war zu öffentlich...
 

Das Mädchen riss die Augen auf und konnte sich im nächsten Moment nicht mehr bewegen. Sie spürte einen unermesslichen Schmerz. Das Brennen ihrer Hüfte war ein Nichts dagegen.
 

Der Dämon grinste erneut, während er das Mädchen fest an sich zog...
 


 

AKT 2
 


 

Cleveland, Hauptstraße

Ein, zwei Stunden später

Buffy hatte Dawn vor ihrem Aufbruch nach Albany den Auftrag erteilt Lebensmittel für das Abendessen zu besorgen. Doch etwas anderes hatte Vorrang. Dawn würde sich sowieso nur wieder anhören müssen, wie ungesund die Fertiggerichte die sie aussuchte waren. Verärgert lief sie durch die Innenstadt Clevelands, auf der Suche nach einem Elektrogeschäft.
 

Ihr tragbarer CD-Spieler machte nicht mehr das was er sollte. In letzter Zeit hatte sie sich oft über das störrische Gerät geärgert. Was hatte sie auch von ihm erwartet, immerhin war er ein Erbstück ihrer großen Schwester.
 

In Ordnung, eher ein unfreiwilliges Erbstück. Glücklicherweise war Buffy nie aufgefallen, dass sich dieser nun im Besitz von Dawn befand, die ihn wirklich gut gebrauchen konnte.
 

Sie grinste in sich hinein. War doch praktisch eine große Schwester zu haben. Aber nun war das Gerät doch schon sehr alt. Sie könnte sich ja mal umschauen, was sie ein Neues kosten würde. In ihrem Nebenjob lief es echt gut, und da Buffy ja nun auch für den Rat arbeitete und Geld verdiente, hatte auch Dawn mehr von Ihrem selbst verdienten Geld.
 

Als sie um die Ecke bog, sah sie schon die Schaufenster.
 

In der Auslage standen nur Fernseher und ein paar Handys lagen dekorativ in Mitten von Lotusblüten dazwischen. Sie musste wohl in den Laden gehen. Drinnen nahm sich Dawn kurz die Zeit, um sich umzusehen. Vielleicht fand sie ja selbst die Abteilung für CD-Spieler und konnte sich ohne Hilfe informieren.
 

Sie schlenderte an der Fernsehwand vorbei, über die gerade die aktuellen Nachrichten vom CL1 Fernsehen flimmerten. Der Verkäufer weiter hinten schaltete gerade am Plasma-Gerät die Lautstärke höher, um dem interessierten Kunden die Tonqualität vorzuführen:
 

“Für CL1, hier ist Cindy Logan. In Cleveland ist ein weiterer Drogenmord geschehen...”
 

Dawn versuchte die Stimme auszublenden, um sich auf die vor ihr liegenden CD-Spieler zu konzentrieren. Es gab einen im Sonderangebot, ein Reststück vom letzten Jahr. Plötzlich stutzte Dawn. Was hatte sie da eben gehört? Ihr Blick wanderte durch die Reihen, und ruhte auf einem der TV-Geräte. Die Nachrichtensprecherin interviewte gerade einen ihrer Reporter. Was hatte sie eben so überrascht?
 

“Peter, es handelt sich bei dem Mordopfer also um eine Schülerin der Lincoln High Scool?”
 

Der Reporter antwortete: “Ja Cindy. Es handelte sich bei dem Opfer um Tiffany Clark. Die Polizei......”
 

Tiffany!
 

Bei der Nennung ihrer Schule erschrak Dawn. Bei der Erwähnung des Namens, erstarrte sie sogar. Tiffany war tot? Tiffany Clark, der Liebling aller Lehrer? Die Einser-Schülerin? Sie hatte sich zur Schülersprecherwahl aufstellen lassen. Es gab kaum jemanden der sie nicht mochte. Sie war lieb, nett und immer hilfsbereit ohne dabei arrogant zu wirken. Dawn richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher.
 

“...man geht davon aus, das es sich um einen weiteren Mord in der hiesigen Drogenszene handelt. Die Schülerin Tiffany wurde hier in dieser üblen, stadtbekannten Viertel gefunden. Die Polizei vermutet, dass sie auf der Suche nach einer der Modedrogen einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Das Opfer weist deutliche Spuren von äußerer Gewaltanwendung auf. Die Ermittlungen werden.....”
 

Drogen? Das klang gar nicht nach Tiffany. Jemand der drogenabhängig war, sah anders aus und benahm sich auch anders. Den Rest der Nachrichten hörte die junge Jägerin schon nicht mehr. Die Jägerin war aus dem Geschäft gestürmt. Sie musste mit den anderen reden. Tiffany hätte niemals Halluzinogene genommen. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht.
 

++++
 

Cleveland, vor dem Wächterhaus

zur selben Zeit

Willow kam in Gedanken um das Ratsgebäude herum, um über den Hintereingang in die alte Baptistenkirche zu gehen. Im ersten Moment nahm sie Faith nicht wahr, die etwas weiter hinten, halb verborgen vom parkenden Schulbus, auf eine Holzpuppe einschlug.
 

Eigentlich hatte Willow heute nicht so schnell wieder in Giles‘ Nähe kommen wollen. Nicht nach dem unangenehmen Gespräch von heute früh, bei dem Dinge unausgesprochen geblieben waren. Dinge, über die sie längst einmal hätten reden sollen. Zum Beispiel, wieso sie Dawn so lange gedeckt hatte... es ging Giles heute Mittag nicht nur um das, was Xander ihm erzählt hatte, das hatte Willow spüren können. War der Streit mit Giles wirklich nötig gewesen? War es überhaupt ein Streit gewesen? Jedenfalls hatte sie dummerweise ihren Schreibblock mit einigen Notizen im Konferenzraum liegen gelassen und den brauchte sie jetzt. Ein plötzlicher Schrei, gefolgt von einem lauten Krachen ließ sie herumfahren.
 

Geschockt starrte sie in Faith’ Richtung, die vor einer halb zerschlagenen Holzpuppe stand, die anscheinend für Trainingszwecke dort aufgestellt wurde. Willow hatte sie bisher allerdings noch nie gesehen.
 

Faith schien die Hüterin nicht zu bemerken, als sie tief Luft holte, einen weiteren Schrei heraus ließ, und mit ihrem rechten Fuß so fest gegen die Figur trat, dass sich einer der Arme löste und leblos zu Boden fiel.
 

Die Jägerin sank auf die Knie, und wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn.
 

“So hart am Trainieren?” fragte Willow, nachdem sie einige Schritte näher gekommen war und Faith freundlich anlächelte.
 

Faith fuhr herum. Sie hatte nicht erwartet jemanden um diese Zeit hier im Garten anzutreffen Eigentlich wollte sie ja alleine sein.
 

“Was machst DU denn hier, Willow?”, fragte sie überrascht, während sie aufstand, den abgebrochenen Arm aufhob, ihn kurz an die Stelle hielt an der er vorher gesteckt hatte, und ihn mit einem Schulterzucken wieder fallen ließ, als sie merkte, dass dies nicht mehr zu reparieren war.
 

“Ich hab’ etwas bei Giles vergessen. Und muss jetzt noch mal da rein. Er ist irgendwie... nicht gut drauf.”, Willow lächelte gequält.
 

Die Jägerin drehte sich um, und klopfte den Dreck von ihren Knien, den der Boden verursacht hatte.
 

“Die Sache mit dieser Schlampe von Wächterin lässt ihn wohl auch nicht ganz kalt”, sagte sie noch immer außer Atem, während sie sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn wischte.
 

“Hmm... stimmt schon, aber das war nicht der Grund, warum wir gestritten haben.”, Willow lehnte sich an den Bus. “Er hat Dinge erfahren die er nie hätte wissen sollen. Und obwohl Buffy die Schuldige ist, hat er alles an mir ausgelassen.”
 

Faith legte das Handtuch beiseite, nahm sich die Wasserflasche und lehnte sich neben die Hüterin an die Stoßstange des Busses.
 

”Auch wenn ich absolut keine Ahnung habe worum es geht.. und es ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal ..aber, bist du irgendwie.. angepisst?”
 

“Bitte?” Willow sah Faith überrascht an und musste dann kurz lächeln “Ja--- ja, irgendwie trifft es das ganz gut. Ich bin sauer. Auf Giles, Buffy... Xander. Und irgendwie wohl auch gerade auf die ganze Welt!”
 

“Davon merkt man aber nicht viel!”, grinste Faith.
 

“Was soll ich denn tun? Die Welt noch einmal zum Untergang verdammen?” erwiderte Willow und lächelte schwach. “Oder mich genau wie du an dieser armen Puppe abreagieren, die doch eigentlich nichts dafür kann?” Sie deutete auf die Trainingspuppe, der neben dem Arm auch schon die linke Hälfte des Gesichtes fehlte.
 

“So in etwa.”
 

“Ich glaube ich tue lieber irgend etwas was ich schon lange nicht mehr getan hab’. Ich brauch’ eine Pause, und muss irgendwie auf andere Gedanken kommen... und diese Pause nehme ich mir heute Nachmittag, indem ich ausgiebig shoppen gehe!”, Willow strahlte.
 

“Hmm.. na ja, wenn dich das glücklich macht,” Faith nahm einen Schluck aus der Flasche und versank dann wieder in Gedanken. Wegen Lily konnte Vi nicht mehr shoppen gehen. Und sie hatte das Shoppen geliebt. Sie hatte Lily vertraut. Vi hatte Lily vertraut. Wie konnte die Wächterin ihnen allen das nur antun?
 

“Was ist eigentlich mit dir los? Es muss ja einen Grund geben, wieso du den armen Bob hier zur Brei schlägst.”
 

”Bob?” Faith sah sie gedankenverloren und verwirrt an. Willow nickte zu der Puppe und Faith musste kurz lächeln.
 

”Ach so.. nein. ich .. ähm..” Faith hielt inne. Sollte sie es Willow anvertrauen? WILLOW? Wieso eigentlich nicht? Ihr Verhältnis war im letzten Jahr um einiges besser geworden, und vielleicht konnte sie ihr weiterhelfen.. immerhin hatte die junge, rothaarige Frau auf diesem Gebiet mindestens genau so viel Erfahrung wie sie selbst.
 

“Ich hatte einen Traum. Oder besser gesagt einen Alptraum.”, die Jägerin stieß sich von der Stoßstange ab, trat einen Schritt vom Bus weg, drehte sich dann um und sah Willow direkt in die Augen. “Wieder einen Eve-Traum. Obwohl du mir geholfen hast und die Magier mir die Antworten gegeben haben, träume ich noch immer von dieser Irren. Sie... ich... sie hat mir Lily am Grab von Vi gezeigt. Es war mehr.. ich habe “visioniert”.., falls es so ein Wort überhaupt gibt. Na ja, egal. Eve hat mir damit Vi’s Mörderin gezeigt.” Faith holte Luft und sah auf den Boden.
 

“Anschließend habe ich Lily gejagt, als wäre sie ein Dämon und schließlich habe ich sie.. förmlich hingerichtet.. und es war ein ziemlich blutiger Traum..” Faith sah wieder auf.
 

“Das ist ein...sehr ereignisreicher Traum.”, Willow suchte nach den richtigen Worten.
 

“Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Eve die Wahrheit erzählt hat. Sie hat mich mit Waffen versorgt, und ich war ihr dankbar dafür. Auch wenn ich es nicht erwartet hätte, durch ihre Hilfe konnte ich Lily so töten wie sie Vi getötet hatte. Wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich mir für einen Augenblick gewünscht es hier in der Realität zu tun.”
 

Faith machte wieder eine Pause, sah kurz zu der Puppe und blickte dann wieder zu Willow
 

“Um ehrlich zu sein, war es nicht nur ein Augenblick. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich Lily über den Weg laufe. Ich.. ich weiß nicht ob ich mich beherrschen kann. Ich möchte sie töten, ihr das Herz heraus reißen, mit meinen eigenen Händen, aber auf der anderen Seite weiß ich, dass das falsch wäre.. VERDAMMT!” Faith drehte sich um und verpasste der Figur einen weiteren Tritt, woraufhin das Holz splitterte und ein großes Loch im Brustraum der Trainingspuppe zurück blieb.
 

“Ich verstehe dich Faith. Wie du weißt habe ich meinen Gefühlen damals leider nicht nur in einem Traum Ausdruck verliehen. Und es ist auch nicht einmal so abwegig das Lily auch hier die Schuldige ist... Vielleicht versuchst du es einfach für den Anfang mit Lilys Gesicht auf dieser morschen Puppe, oder ein paar Dartpfeilen.”, Willow zwinkerte Faith zu.
 

“Pff...” Faith verlor das Interesse am Gespräch und griff wieder nach der Wasserflasche.
 

“Nein Faith, ich meine es Ernst. Du musst deinen Aggressionen freien Lauf lassen, sonst fressen sie dich auf. Schlag diese Puppe zu Brei, wenn es dir hilft. Geh auf den Schrottplatz und verarbeite einige Autos zu Schrott. Lass es raus...,” Willow zwinkerte ihr erneut zu, stieß sich von der Motorhaube ab und machte sich bereit zum Gehen.
 

“Auch wenn ich keinen Menschen töten will...ich spüre dieses Verlangen danach...”, antwortete Faith in Gedanken, ohne auf Willows Worte genauer einzugehen.
 

+++
 

Cleveland, Hauptstraße

Selber Nachmittag,

etwas später

“Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Drogen genommen hat.” Dawn war immer noch geschockt über den Tod ihrer Mitschülerin und hatte sich zur Ablenkung mit ihren Freunden zum Einkaufen verabredet.

Aber sie sprachen alle über den Mord, also war es doch nichts mit Ablenkung.
 

“Ach komm, hör doch auf. Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie so toll war und trotzdem völlig normal geblieben ist. Solche perfekten Leute haben meist eine Leiche im Keller.” Mara sah die Sache völlig anders als Dawn.
 

”Schau mal, Klassenbeste, Jahrgangsbeste und Chefin vom Debattierclub, vom Schachclub und vom Wissenschaftsclub.” Nacheinander zählte ihre Freundin diese Dinge an den Fingern ab. “Sie war das Aushängeschild der Schule und eine totale Streberin.” Zwei weitere Finger bogen sich. “Alleine die Zeit und die Energie die sie dafür gebraucht hat. Von den ganzen Nachhilfestunden ganz zu schweigen.”
 

“Sie hat Nachhilfe gegeben?” Josh war völlig überrascht. „Na das hätte ich mal früher wissen sollen. Ich hätte sie engagiert und wäre dann vielleicht besser in Mathe gewesen.” murmelte er in sich hinein. Seine letzte Matheklausur hatte Josh völlig verhauen.
 

“Klar,” lachte Sam “Du hättest dann den Winkel ihres Ausschnittes gemessen, aber sicher kein Mathe gelernt.”
 

“Hey!” Josh versuchte seinem Freund an die Schulter zu boxen.
 

“Hilfe!” rief Sam und versteckte sich hinter Dawn “Große Herrin hilf mir armer Seele, er will mir weh tun.”
 

“Komm raus du Feigling.” lachte Josh.
 

“Ich denk nicht dran! Hier hinten gefällt’s mir ganz gut.” Während dessen sprang Sam ständig hinter Dawns Rücken hin und her, während er sich festhielt. Die beiden gaben dadurch ein völlig kindisches Bild ab, so das Mara gespielt erwachsen die Augen verdrehte.
 

“Jungs!”
 

Sie befreite Dawn mit einem kräftigen Griff und hakte sich bei ihr ein.
 

“Jetzt mal wieder zurück zum alten Thema. Du glaubst doch nicht dass Tiffany eine weiße Weste hatte, oder?”
 

“Doch. Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie Drogen genommen hat.”
 

“In gewisser Hinsicht gebe ich Dawn aber recht,” mischte Sam sich in das Gespräch ein.

“Die Polizei macht es sich manchmal sehr einfach. Es gab schon viele Gerichtsverfahren die abgeschmettert wurden, weil die Polizei bei Beweisen geschlampt oder nicht richtig recherchiert hatte.”
 

“Das bringt doch jetzt eh nichts, dass wir hier herum diskutieren. Lasst uns shoppen gehen.” Zielstrebig zog Mara Dawn zum nächsten “GAP” dessen Werbeschild soeben an der Ecke aufgetaucht war.
 

“Muss das sein,“ maulte Josh, "Klamotten hab ich genug, ich gehe rüber in den Comic-Shop.”
 

Allein diese Bemerkung brachte ihm einen zweifelnden Blick der Clique ein. Mara zuckte mit den Schultern. “Ich will dich ja nicht zwingen.”
 

Während Dawn die endlosen Reihen an Kleidern und Röcken abschritt, gingen ihr mehrere Gedanken durch den Kopf. Was war wirklich mit Tiffany passiert? Wie konnte sie heraus finden, ob das Mädchen wirklich Drogen genommen hatte?
 

“Cool, schaut mal was ich gefunden habe. Das T-Shirt und die Capri-Hose sehen ja wohl voll geil aus. Ich verschwinde mal.” Sam hatte sich mit einer blauen Hose und einem farblich abgestimmten T-Shirt in Richtung Umkleidekabine verzogen, und grinste dabei. Mara sah dem Jungen höchst amüsiert hinterher, während Dawn in Gedanken versunken einen Rock vom Ständer nahm.
 

Vielleicht könnte man ja an den Autopsiebericht herankommen. Ob es übernatürliche Ursachen hatte? Am Höllenschlund war das sicher nichts ungewöhnliches.

Aber mit ihren Freunden hier konnte sie das nicht besprechen.
 

“Hey Dawn, ich geh mal nach den Parfüms gucken, Klamottenmäßig ist heute nichts für mich dabei. Das ganze habe ich schon letzte Woche gesehen.” Mara verschwand in den oberen Stock.
 

Je länger Dawn über die ganze Situation nachdachte umso merkwürdiger kam ihr das Ganze vor.

Auf jeden Fall musste sie mit jemandem darüber reden. Die Frage war nur, mit wem.

Ohne das sie es gemerkt hatte, war Dawn in Richtung der Umkleidekabinen gegangen und stand davor, als ihr plötzlich Willow in einem engen, neuen Rock gegenüberstand, an dem noch die Preisschilder hingen.
 

“Oh. Hi Dawnie.”
 

“Was machst du denn hier Willow? Bei deinem Klausurstress... Aber erst einmal hallo!”
 

“Ich habe beschlossen mir einmal einen freien Nachmittag zu gönnen. Heute Nacht werde ich sowieso wieder kein Auge zu machen können.” Willow lächelte gequält. Doch das war Dawn‘s Chance.
 

“Willow, darf ich dir was komisches erzählen? Ich würde gerne mal deine Meinung dazu hören.”
 

++++
 

Albany, Stadtmitte

zur selben Zeit

“Und hier haben sie erst gestern den Besitzer und seine Angestellten umgebracht und anschließend neben der Kasse die meisten Filme mitgenommen,” Robia war mit Buffy vor einem Filmverleih stehen geblieben, dessen Scheibe eingeschlagen war. Ein Holzbrett war auf die aufgebrochene Tür genagelt geworden und ein gelbes Absperrband wies darauf hin, dass hier eine Ermittlung lief.
 

“Sie sind ziemlich fleißig,” murmelte Buffy. “Wie viele sind es?”
 

“Keine Ahnung. Wir haben sie nicht gezählt. Ich befürchte aber fast, dass sie jeden den wir töten konnten mit zwei Menschen aus der Stadt ausgeglichen haben. Es sind immer einige verschwunden, die wir danach nie mehr gefunden haben.”
 

“Wir bekommen das schon hin,” Buffy tätschelte etwas ungeschickt die Schulter der jungen Jägerin und fühlte sich an die Geste von Giles erinnert, die er immer für sie bereit hatte, wenn sie den Kopf hängen ließ. Überrascht über sich zog sie die Hand wieder zurück. “Wo ist ihr Versteck?”
 

“Sam und ich haben es verzweifelt gesucht, aber weder in den leerstehenden Gebäuden noch auf dem alten Friedhof haben wir eine Spur gefunden.”
 

“Gibt es hier Höhlen?”
 

“Nein.. aber halt.. doch die alte Mine...”
 

Buffy‘s Gesicht hellte sich auf. “Na das ist doch schon einmal ein Anfang....”
 

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Cleveland, GAP

Ein paar Minuten später

“Jedenfalls bin ich fest davon überzeugt, das Tiffany keine Drogen genommen hat und ihr Tod irgendwie übernatürlich war.”, mit diesen Worten schloss Dawn ihren Bericht für Willow.

Die Hexe war während der ganzen Erzählung erstaunlich desinteressiert gewesen. Willow hatte kaum Rückfragen gestellt.
 

“Ach weißt du Dawnie. Du fängst schon an überall mystische Dinge zu sehen. Wie Giles. Er scheint abzufärben,” sie grinste. “Du kanntest die Schülerin doch kaum. Wahrscheinlich haben sie die ganze Sache nur aufgebauscht um Einschaltquoten zu bekommen.” Tiffany‘s Name war Willow entfallen. Interessiert schaute sie sich einen Jeansrock an. Ob er zu kurz war? Kennedy würde das sicher nichts ausmachen.
 

“Erde an Willow! Hörst du mir überhaupt zu?”, langsam wurde Dawn wütend, ihre Freundin begeisterte sich anscheinend mehr für Klamotten, als für ihre Geschichte.
 

“Klar, ähm...was hast du gerade gesagt? Sorry, ich war gerade in Gedanken. Wie findest du den Schnitt?” Willow hielt Dawn den Rock hin.
 

“Wie? Ja er ist in Ordnung. Ich sagte, dass ich sie nicht gut kannte, aber immerhin so gut um zu wissen, dass sie keine Drogen nimmt. Die Polizei denkt zwar, dass es damit etwas zu tun hat, aber das nur, weil sie sie in einer Drogengegend gefunden haben und sie glauben, dass die Merkmale ihres Todes etwas damit zu tun haben könnten. Kannst du dich nicht mal in die Datenbank der Polizei hacken und den Autopsiebericht checken? Dann wissen wir vielleicht schon etwas mehr.”, die Jägerin sprudelte nur so vor Ideen.
 

“Dawn, ich könnte das tun, aber ich mache das nur in Ausnahmefällen, wo wir sicher sein können, das wir auch etwas herausfinden. Die Polizeidatenbank ist kein Selbstbedienungsladen.”, antwortete Willow konsequent.
 

“Ja das weiß ich...” Dawn wurde mittlerweile sehr ungeduldig. Wollte die Hexe sie nicht verstehen? Oder war ihr die Sache wirklich so egal. “Aber es hätte doch jemand an der Schule gemerkt, dass sie so ein Zeug nimmt. Das wäre der richtige Stoff für Gerüchte gewesen. Jemand hätte sie dabei erwischen können und es hätte die ganze Schule gewusst. Außerdem sind doch die Anzeichen für Drogenmissbrauch bekannt, dass sieht man doch den Leuten an.”
 

Willow holte tief Luft: “Dann haben sie sich vielleicht im Namen geirrt. Du darfst nicht alles glauben, was die Reporter erzählen. Was meinst du, ist der Rock zu kurz?”
 

“Will’, das ist nicht der richtige Augenblick um über Röcke zu diskutieren!” Dawn war sauer. “Verschließ nicht die Augen vor der Wahrheit!”
 

Willow drehte sich zu Dawn und packte sie an den Schultern.

“Dawn, jetzt hör mir mal zu. Ich verschließe meine Augen nicht. Ich bin nur realistisch. Ich sehe nicht hinter jeder Ecke einen Dämon stehen und du solltest das auch nicht. Genieß die Zeit die dir noch bleibt, bevor dich die Mühlen der Wächter einholen. Buffy wäre damals froh gewesen, wenn sie mal einen ‚normalen’ Todesfall gehabt hätte.” Hatte Willow in letzter Zeit denn nie erwähnt, wie kurz und kostbar ihre freie Zeit war?
 

“Ich bin aber nicht Buffy und ich glaube hier nicht an einen normalen Tod!”
 

“Na dann hat die Polizei vielleicht voreilig gehandelt und es nur vermutet, aber ich kann an dieser Sache wirklich nichts unnatürliches entdecken. Morde geschehen nun einmal. Tut mir leid, aber ich möchte diese Diskussion damit beenden. Ich habe auch noch ein Leben neben dem Übernatürlichen und dazu gehört dieser Rock, den ich jetzt anprobiere.”
 

Dawn verdrehte die Augen, aber schwieg. Sie fühlte sich ein wenig verloren und hilflos. Offensichtlich musste sie die Sache alleine in die Hand nehmen.
 

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Cleveland,

eine Autobahnbrücke

’Hallo mein kleiner Bruder’, ertönte im Kopf des jüngeren Dämons die leicht ironische Stimme seines großen Bruders. Dieser stand plötzlich vor ihm, siegessicher. Durch die dunkelbraune Haut der beiden, waren sie kaum von der Autobahnbrücke zu unterscheiden. Beide standen im Schatten, und außerdem prangten einige Schriftzüge auf der baufälligen Betonbrücke. Es nieselte leicht, und der Himmel war voller grauer Wolken.
 

Die Straße war um diese Zeit nur leicht befahren, also war dies ein sicheres Versteck. An diesem ruhigen Nachmittag war nur ab und zu das Quietschen der Autoreifen zu hören.
 

‚Du bist im Rückstand.’ Der Ältere grinste. Er war schon immer der Stärkere gewesen, und nach seinen beiden neuen Opfern stand sein Bruder noch weiter unter ihm. Er war der ältere, und der der den Stolz ihres Vaters verdiente. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er seinen Bruder nicht einmal als solchen bezeichnen. Gewisse Schuld am Tod ihrer Eltern traf immer noch ihn.

Natürlich war der Jüngere neidisch auf seinen großen Bruder. Wenn er es nicht bald schaffen würde einige Opfer auf seiner Strichliste einzutragen, würde er nie die Reife seines Bruders erreichen.
 

‚Gib mir lieber Tipps, anstatt mir das Ganze vorzuhalten. Unsere Eltern haben dich immer mehr bevorzugt, und da sie kurz nach meiner Geburt starben, hatte ich nie die Chance so eine Ausbildung wie du von Vater zu bekommen.’ Grimmig sah er seinen Bruder an. Mit den Wülsten unter seinen Augen sah er noch furchterregender aus, doch sein Verwandter war ihm auch hier einen Schritt voraus und war noch hässlicher als er selbst.
 

‚Wenn du die Opfer angreifst die ich für dich ausgesucht habe, wirst du ein leichtes Spiel mit allen weiteren haben. Sie sind nicht von der normalen Sorte. Zwei Jägerinnen.’ Mit einem Lächeln legte der Große seine von Kämpfen gezeichnete Hand auf die Schulter des anderen. Einige großflächige Verbrennungen und Narben ließen nur vermuten, dass er bereits einige Kämpfe mit anderen Dämonen hinter sich hatte. Durch diese hatte er immer ein leichtes Spiel mit gewöhnlichen Menschen gehabt.
 

‚Jägerinnen? Du glaubst doch nicht wirklich dass ich darauf hereinfalle? Die sind doch noch schwerer zu bekommen als andere Sterbliche.’ Er ging ein paar Schritte weiter weg, um seinem Bruder wieder in die Augen zu sehen.
 

‚Keine Sorge mein Freund. Sie sind noch recht neu im Geschäft, ein leichtes Spiel für dich. Beide wohnen hier in der Umgebung. Sie sind leicht zu finden.’
 

‚Aber was ist, wenn sie doch stärker sind als ich?’, fragte der Jüngere verunsichert.
 

‚Stell keine solchen Fragen! Was glaubst du was unser Vater von dir halten würde, wenn du dich nicht einmal zwei schwachen Frauen stellst. Du bist eine Schande für unsere Familie!’, der Ältere sah den Jüngeren durchdringend an.
 

‚Du hast Recht...ich werde schon noch aufholen. Darauf kannst du dich verlassen.’ Das konnte er einfach nicht auf sich sitzen lassen.
 

++++
 

Cleveland, eine abgelegene Lichtung

Später Nachmittag

Mit jedem weiteren Schlag krachte der Baum erneut.

Ronah trainierte in einem etwas abgelegenen Gelände. Ein paar Bäume standen vereinzelt auf der Lichtung, sowie ein verrosteter Metallzaun, der überhaupt nicht in diese Idylle passte.
 

Hier war sie ungestört, und konnte sich für weitere Kämpfe rüsten. Nachdem was mit Vi geschehen ist, durfte sie sich keinen Ausrutscher mehr leisten. Eine Unachtsamkeit konnte sie das Leben kosten.
 

Der Kampf vor zwei Tagen hatte Spuren hinterlassen, auch wenn die heilenden Kräfte einer Jägerin, schon dafür gesorgt hatten, dass es kaum noch weh tat. Aber die blauen Flecken im Gesicht erinnerten noch jeden Morgen daran, was in den Höhlen am Erie-See geschehen war.
 

Nach ein paar Minuten stand Ronah schweißgetränkt unter dem größten Baum. Sie hatte mit etwas zu viel Einsatz gegen die Bäume geschlagen, und nun war etwas Haut auf ihrem Handballen aufgeplatzt. Sie versuchte die Blutung zu stillen, was ihr auch schnell gelang.
 

Plötzlich hörte sie ein Knistern. Was war das? Wahrscheinlich nur irgendein Tier, dass sich hierher verlaufen hatte. Aber als sie erneut ein Geräusch wahrnahm, spitzte sie ihre Ohren. Doch bald war dies nutzlos, da nach wenigen Sekunden ein starker Regen einsetzte. Sollte sie weiter trainieren? Am besten wäre es, schnell auf die Straße zu rennen und sich einen anderen Ort dafür zu suchen. Einen, der trockener war.

Der Himmel verdunkelte sich relativ schnell. Hatte sie etwa auch die Zeit übersehen?
 

Sie trat einen Schritt nach vorn. Wieder dieses Geräusch. Verunsichert drehte sie sich im Kreis.

Der Regen war inzwischen schon so stark geworden, dass der Baum nicht mehr seine Wirkung tat. Nach ein paar Sekunden hingen ihre schwarzen Haare schlaff herunter, und ihre Kleidungsstücke klebten an ihrem Körper.
 

Plötzlich stand ein Dämon hinter ihr. Seine Augen leuchteten, und waren trotz der einsetzenden Dunkelheit gut zu erkennen.
 

‚Ich glaube dein Training war umsonst. Es hat ohnehin dein letztes Stündchen geschlagen.’
 

Sie wusste nicht woher die Stimme kam, aber Ronah wirbelte um ihre Achse herum. Sie fixierte ihn erschrocken mit ihren Augen. Hatte er so laut geschrien oder war die Stimme nur in ihrem Kopf?
 

“Das glaube ich nicht!”, antwortete die Jägerin, doch sie konnte nicht einmal ihr eigenes Wort hören.
 

‚Du wirst bald nicht einmal mehr die Stimme dazu haben, um um Hilfe zu schreien!’, er grinste in sich hinein. Das war seine Chance, seinem Bruder zu beweisen, dass er auch nicht ganz ohne war.
 

Im nächsten Augenblick rannte er auf sie zu. Ronah ging in Abwehrstellung, und ließ den Fuß des Dämons ins Leere treten. Sie duckte sich, als ein weiterer ihren Kopf treffen sollte. Mit einem Faustschlag traf sie den Dämon in den Brustkorb, doch er fing sich auf, bevor er auf dem Boden aufprallte.
 

‚So einfach zu besiegen sind diese Jägerinnen ja doch nicht.’, murmelte der Dämon in sich hinein.
 

Siegessicher rannte Ronah auf ihn zu. “Sie hatte sich zuvor ihren Speer, welcher im Boden steckte, gegriffen, und zielte nun erneut auf seinen Brustkorb. Er wich nach rechts aus, und sie streifte nur seine Schulter. Dunkles Blut rann seinen Oberkörper entlang.
 

Wütend packte er sie, und drehte sich im Kreis. Er schleuderte sie gegen die große Eiche. Ronah schnappte nach Luft. Ihr ganzer Körper fühlte sich nicht besonders gut an, doch so einen Möchtegern-Gegner würde sie allemal besiegen können.
 

Vor ihrem Gesicht tauchte seine Fratze auf. Er grinste. Doch dann sammelte sie wieder neue Kräfte. Mit einem Fußtritt schleuderte sie den Dämon von sich weg und stand auf.
 

“Na warte!”, schrie sie, und rannte auf ihn zu. In seiner Verwunderung bemerkte der Dämon nicht, dass sie bereits kurz vor ihm stand, und ihm ins Gesicht schlug. Beim nächsten Schlag duckte er sich, und konterte sofort mit seiner Faust, die die Jägerin genau im Bauch traf.
 

Sie wurde weiter zurück geschleudert und ihr Seitenstechen wurde nur noch schlimmer. Schnell atmend richtete sie sich auf. Als sie auf den Boden sah, bemerkte sie, dass ihr Speer nicht weit entfernt von ihr lag. Bevor der jüngere Dämon reagieren konnte, hielt sie die Waffe schon sicher in ihrer Hand.
 

Als er erneut auf sie zu rannte, rammte sie den bereits blutigen Speer in seine andere Schulter. Er schrie auf, doch nichts kam aus seiner Kehle. Ein gewaltiger Schmerz machte sich in seinem ganzen Körper breit.
 

‚Mein eigener Bruder, hat mich verraten.’, dachte er sich. Das verlangte nach Rache, doch vorher musste er sich noch erholen.
 

Bevor er auf die Knie ging, funkelte er Ronah an. ‚Dann eben beim nächsten Mal.’, hörte sie, als er aufstand, über den Zaun sprang, und im Wald verschwand.
 

“Dass darf doch nicht wahr sein!”, murmelte sie. “Hat man denn nie seine Ruhe vor denen?”
 

Der Regen wurde langsam schwächer, und sie rannte so schnell sie konnte zur nächsten Telefonzelle. Gott sei Dank hatten die Rabauken, die sonst immer die Telefonhörer von den Angeln rissen, hier nicht ihr Werk verrichtet. Hastig tippte sie Robin‘s Handynummer ein.
 

Dieser Angriff roch nach einer neuen Scoobie Sitzung.
 

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Cleveland, eine Autobahnbrücke

Etwas später

‚Was fällt dir eigentlich ein!’, der jüngere Dämon trat gegen eine Holzkiste, die quer über seinen großen Bruder flog. Dieser hatte sich schon einen Schlafplatz eingerichtet. Ein paar zertretene Getränkedosen und zerfetzte Decken waren noch vom Vormieter geblieben, und ließen das ganze wohnlich wirken. Vielleicht würde er hier ja länger sein Lager aufschlagen müssen, wenn sein Blutsverwandter weiterhin Schwäche zeigte.
 

‚Was ist dir denn über die Leber gelaufen?’, fragte der Ältere mit Unschuldsmiene, doch er grinste in sich hinein. ‚Hat dich diese kleine Jägerin fertig gemacht?’ Er sah seinen kleinen Bruder an, und erkannte dass seine Schultern verletzt waren. Sein dunkles Blut tropfte in langsamen Abständen auf den Boden. ‚Ruinier mir nicht das Ambiente!’
 

‚Du hast mir diesen Tipp gegeben. Doch diese schwarze Jägerin hättest du bestimmt auch nicht erledigen können. Gibt es denn keine andere Jungfrau in dieser Gegend?’, er funkelte seinen Gegenüber an, und schlug gegen eine weitere Kiste, die sein Bruder fast liebevoll zu einem Tisch umfunktioniert hatte.
 

‚Natürlich...aber mit deiner Kraft, ist doch jede zu stark für dich.’
 

Der Jüngere wurde wütend, und ballte seine Faust. Sein eigener Bruder wollte ihn einfach so abschlachten lassen.
 

‚Du bist einfach dumm. Leuchtet es dir nicht ein, dass du mit der schwächeren Jägerin anfangen hättest sollen? Dann hättest du genug Kraft für diese gehabt. Mach dich auf den Kampf mit ihr bereit. Falls du in Schwierigkeiten kommst, wird es wohl wieder an mir hängen bleiben dir zu helfen!’
 

‚Ob ich dir noch trauen kann?’, fragte der Jüngere Dämon.
 

‚Wem sonst? Wir sind die einzigen zwei unserer Rasse hier. Es existieren nicht mehr viele von uns, und wir beide müsse stärker werden um wieder an mehr Macht zu kommen.’, antwortete der Ältere. ‚Erinnere dich was mit unseren Eltern passiert ist.’
 

‚Na gut...’, schließlich war er immer noch sein Bruder, und ohne ihn würde er nicht mehr lange zu leben haben. Wenn es mehrere von diesen Jägerinnen gab, würden sie seinen großen Bruder ohne mit der Wimper zu zucken erledigen.
 

‚Dann streng dich mal an Bruderherz!’
 

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Albany, Mine

Der Kampf war in vollem Gange und Buffy hatte, mit Hilfe von Robia, alle Hände voll zu tun die halb schlafenden, halb wachen Vampire in die ewigen Jagdgründe zu schicken.

Einen Teil der Vampire hatten sie tatsächlich im Schlaf gepfählt. Ein schneller und leiser Tod für diese Monster, die dem kleinen Ort so viel Leid angetan hatten. Doch schnell bekamen die anderen in der breiten Höhle, in welcher der Minenschacht endete, mit, was um sie herum geschah. Manche reagierten panisch und flohen, nur um in den letzten Sonnenstrahlen des Tages zu verglühen. Einige versuchten die beiden Jägerinnen mit bloßen Händen anzugreifen, während der Rest so etwas wie eine durchdachte Abwehrstrategie auf die Beine stellen wollte.

Nichts davon hielt Buffy lange auf.
 

Am Ende stand ihnen nur noch ein kleines Grüppchen Vampire gegenüber, die Eisenpickel oder einfache Holzstangen als Waffen in den Händen hielten. Buffy, trotz ihrer Erfahrung und Stärke deutlich vom harten Kampf gegen die kleine Übermacht gezeichnet, schubste Robia in den Hintergrund. Das hier war eine Angelegenheit, die eine erfahrene Jägerin erledigen musste.
 

Sie griff fest um ihr mitgebrachtes Schwert und sprang zwischen die Vampire, die überrascht über so viel Mut, erst angriffen, als Buffy bereits einen Vampir geköpft und einen weiteren mit dem Pflock in der anderen Hand gepfählt hatte.
 

Auf einmal war Buffy damit beschäftigt Holzstangen, die auf sie einprügelten mit der flachen Seite ihres Schwertes abzublocken. Kurz sah die Jägerin über ihre Schulter. Hinter ihr war die Felswand. Wenn es ihr gelang, die Vampire dort hin zu locken, hatte Robia eine Chance, von hinten den einen oder anderen zu pfählen.
 

Langsam ließ sich Buffy nach hinten drängen und konnte gerade noch im letzten Moment einen der Pickel abfangen, dessen Spitze bedrohlich auf ihr Gesicht zugerast war. Dann fühlte sie die kalte Wand in ihrem Rücken.
 

Ihre Gegner lächelten siegessicher, doch letztendlich war es Buffy, die breit grinste, als vor ihr drei Vampire schnell hintereinander zu Staub zerfielen. Hinter der Aschewand tauchte Robia auf, die ihren Pflock ansetzte, um einen der letzten beiden Vampire zu pfählen. Doch dieser witterte die Gefahr, wirbelte herum und schlug der jungen Jägerin ins Gesicht, während der andere den kurzen Moment der Ablenkung nutzte, um Buffy am Kragen zu packen.
 

Der Vampir über Robia spuckte auf die Jägerin und verzog sein wulstiges Gesicht zu einer abfälligen Miene. “Hast dir wohl Hilfe holen müssen. Dein kleiner, süßer Wächter hat dir nicht gereicht. Übrigens... er war ein vortrefflicher Jahrgang...”, seine Stimme ging in einen schmerzhaften Schrei über, als Robia ihren Mut sammelte und dem Vampir zwischen die Beine trat.
 

“Das ist für Sam, du Schwein,” sie sprang auf ihre Füße und rammte ihren Pflock dem durch den Schmerz wehrlosen Monster in den Rücken. Mit einem “Puff” zerfiel er zu Staub.
 

Buffy war es inzwischen gelungen mit einem raschen Griff, die Arme um ihren Hals aufzubrechen, schlug ihren Kopf dem Vampir auf die Nase und brachte ihn mit einem halb hohen Beintritt von sich fort. Sie sprang nach, griff nach dem Pickel am Boden und schlug ungebremst auf das Monster ein. Der Pickel drang in den Brustkorb ein und brachte den Vampir zu Boden, der sich schreiend und um sich tretend von links nach rechts wandte.
 

“Er gehört dir,” sagte Buffy und trat zurück. Robia suchte nach einem Pflock und alles was ihr blieb war eine der Holzstangen, die sie aufnahm und damit zu dem Vampir trat. Sie starrte ihn für einen Moment lang an, ehe sie ausholte und seinem Leiden ein Ende setzte. Sie sah zu Buffy.. nicht erleichtert, über das Ende der Gang, sondern eher traurig und niedergeschlagen. “Das war mal mein Biologielehrer...,” Buffy und Robia starrten auf das Häufchen Asche vor ihnen und die blonde Jägerin verstand sehr gut, wie sich die jüngere fühlte... das alles hatte sie auf ihre Art ebenfalls durchlebt. Doch der Spuk in Albany war vorbei...
 

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Straßen von Cleveland

Später Abend

Müde kickte Dawn einen kleinen Stein vor sich her. Willow‘s Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wie konnte die Hexe nur so stur sein? Sie war total abwesend und hatte Dawn nicht einmal richtig zugehört. Leider war Dawn‘s Ausbruch am Schluss der Diskussion auch überflüssig gewesen. Jetzt wanderte sie schon seit Stunden in der Stadt umher, um sich über ihre Gedanken klar zu werden. Die Sonne war bereits am untergehen... und mit einem Blick auf ihre Uhr, wurde ihr bewusst, dass Buffy bald nach Hause kommen würde. Sie hatte nicht einmal eingekauft, wie abgesprochen...
 

Doch Tiffany ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Es war absurd einfach den Nachrichten glauben zu schenken, ihre Schulkameradin würde nie auf so eine schiefe Bahn kommen, um gar umgebracht zu werden.
 

“Hey Kleine hast mal ’n bisschen Kleingeld?”, eine zerlumpte Gestalt taumelte auf die Jägerin zu, und hielt seine ungepflegte Hand in Dawn‘s Richtung.
 

“Ähh, nein, hab’ ich nicht.”, stotterte Dawn und beeilte sich um weiter zu gehen.
 

“Hey, gib mir Geld, du hast doch genug!” rief er ihr laut hinterher.
 

Wo war sie nur gelandet? Wieso musste sie immer ihren Kopf durchsetzen, und war den Straßenschildern gefolgt die sie in die Richtung von Tiffany‘s Fundort geführt hatten?
 

Als sie sich umschaute wurde es ihr ganz anders, ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wo sie hinsah lagen und husteten einige fürchterlich aussehende Personen. Genauso standen an den meisten Straßenecken tätowierte Männer beisammen, und unterhielten sich.
 

Ob sich Tiffany nicht selbst zu schade war um freiwillig in so eine Gegend zu gehen? Ansonsten hatte ihr wohl eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand gefehlt.
 

Jetzt wo sie schon einmal hier war, könnte sie sich ja auch genauer umsehen. Insgeheim hoffte sie, dass ihr nichts passieren würde, schließlich sahen diese Gestalten finster aus, aber ihr als Jägerin konnte sobald keiner etwas anhaben. Jedenfalls niemand von menschlicher Gestalt.
 

Dawn‘s Blick fiel auf einen alten und verunstalteten Friedhof. In den Nachrichten stand die Sprecherin ein paar Meter neben diesem. Also dürfte der Fundort nicht weit davon entfernt sein. Vielleicht würde ihr ja das ein oder andere Indiz übernatürlicher Art auffallen. Auch wenn es ihr nicht gefiel um diese Uhrzeit an einem solchen Ort zu sein.
 

‚So ein kleines Mädchen noch so spät unterwegs? Müsstest du nicht schon im Bett sein?’
 

Wer sprach da zu ihr? Aber vor allem wo war er? Eigentlich hörte es sich eher wie ein Hallen in ihrem Kopf an.
 

‚Rate!’
 

Dawn drehte sich, und in ihr Blickfeld drängte sich der jüngere Dämon. Die dunklen Gestalten in diesem Viertel kamen nicht einmal annähernd an seine Abscheulichkeit heran, obwohl er den Körperaufbau eines Menschen hatte. Die dunkelbraune und vermoderte Haut war kaum von den Bäumen hinter ihm zu unterscheiden. Seine Augen leuchteten grellgelb, und seine verschimmelten Zähne konnte sie noch einige Meter entfernt von ihm riechen.
 

”Was hast du vor?”, schrie Dawn.
 

‚Lass mich überlegen,...’, er ging ein paar Schritte auf sie zu. ‚Eine Jägerin zum Nachtisch wäre nicht schlecht.’ Er wollte mit neuem Mut in den Kampf ziehen.
 

Der Dämon grinste. Auch wenn es eigentlich nicht seine Art war, war es vielleicht die richtige Methode um seine Gegnerin physisch einzuschüchtern, wie es sein Bruder immer mit ihm tat.
 

“An mir wirst du dir die Zähne ausbeißen! Ich bin zäh.” Trotz ihrer Selbstsicherheit hatte sie das Viertel vorhin eingeschüchtert. Außerdem war sie nicht so ausgebildet wie andere Jägerinnen. Das meiste hatte sie sich von den anderen abgeschaut, und nun stand sie einem ausgewachsenen Dämon gegenüber. Ja, mit ihrer Selbstsicherheit war es nicht so weit her.
 

‚Sieh dich um Jägerin, du weißt dir wird hier keiner helfen wollen und können. Es wird weh tun.’
 

Mit dem würde sie fast spielend fertig werden. Wenn sie eins von ihrer Schwester gelernt hatte, dann das Dämonen die eine große Klappe haben, meist leicht zu besiegen sind.

Ihr Selbstvertrauen wuchs wieder.
 

“Komm doch wenn du dich traust.”, rief Dawn während sie sich in Abwehrstellung begab.
 

Mit einem Leuchten in den Augen griff der Dämon an und schmetterte ihr blitzartig zwei Schläge mit den Fäusten in‘s Gesicht, die sie voll trafen. Von der Wucht des Angriffs traten ihr sofort die Tränen in die Augen.
 

Sie konterte mit einem Fußtritt, der allerdings nicht den gewünschten Erfolg hatte. Der Dämon ging sofort wieder auf sie los und deckte sie mit Schlägen und Tritten in einer solchen Geschwindigkeit ein, dass ihr nichts weiter übrig blieb als sie abzuwehren und auszuweichen.
 

‚Ist doch einfacher als ich geglaubt habe, mein Bruder hatte Recht!’, dachte sich der jüngere Dämon, und biss die Zähne zusammen. Auch wenn seine Verletzungen vom letzten Kampf noch schmerzten, so war er nun neu motiviert und ließ sich nichts anmerken.
 

Für eine vernünftige Taktik gab ihr Gegner ihr gar keine Zeit. Langsam wurde Dawn klar, dass sie sich überschätzt hatte. Ein Gefühl von Angst machte sich in ihrem Bauch breit.
 

Verdammt, wenn doch nur Buffy hier wäre. Sie würde ihn fix und fertig machen. Mit solchen Dämonen wurde sie schon vor einigen Jahren fertig.
 

‚Sie wird dir nicht helfen können!’, sie hörte seine Stimme.
 

Was war dass? Konnte der Dämon etwa…
 

‚..deine Gedanken lesen? Ganz recht.’ Er grinste erneut. ‚Und ich lese auch deine Angst. Du wirst sterben, genau wie alle anderen die auf das Konto von meinem Bruder gingen. Niemand wird mich daran hindern dich zu töten und mir deine Lebensenergie zu holen.’
 

Nachdem er sie ein weiteres mal mit einem brutalen Fußtritt niederstreckt hatte, verzweifelte Dawn. Ihre Kraft ließ von Schlag zu Schlag nach und wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde, würde dass ihr letzter Spaziergang gewesen sein.
 


 

AKT 3
 


 

Cleveland, Buffys Wohnung

Später Abend

Buffy ging müde die Stufen zu ihrer Wohnung nach oben. Jeder einzelne Schritt tat weh. Der Kampf vor wenigen Stunden in Albany hatte Spuren hinterlassen. Wenigstens war sie so schlau gewesen und hatte den kleinen, örtlichen Flugplatz dafür genutzt mit einer kleinen Maschine nach Hause zu fliegen. Noch einmal stundenlang im Zug zu sitzen, hätte sie nicht überlebt. Die Rechnung ging an Giles - bei dem Gedanken musste sie grinsen und als ihr Magen laut knurrte, hoffte sie, dass Dawn etwas gekocht hatte.
 

Als sie die Tür aufschloss, war weit und breit keine Spur von Dawn zu sehen. Nicht einmal Tüten mit Lebensmitteln standen auf dem Küchentisch. Anscheinend hatte Dawn auch keinen Zettel hinterlassen. Wahrscheinlich hatte sie die Zeit vergessen, während sie sich mit ihrer Clique herumtrieb.
 

Buffy ging ins Badezimmer, um ihre Wunden und Kratzer zu versorgen, ehe sie hektisch nach ihren ‚Notrufnummern’, wie beispielsweise dem Lieferservice, suchte. Dabei fielen ihr die Nummern von Xander und Willow auf, die direkt darunter standen. Schon lange hatten sie nichts zusammen unternommen. Jedenfalls nichts, das nicht mit einem Kampf oder Recherchen zu tun hatte. Es wäre doch schön sich den Abend zusammen zu vertreiben, außerdem hatte sie sonst nichts zu tun. Jetzt, wo Dawn auch nicht zu Hause war.
 

Fünf Minuten später saß Buffy enttäuscht im Wohnzimmer. Xander war mit seinen Firmenunterlagen beschäftigt, würde sich aber wieder melden sobald er Zeit hatte. Das konnte dauern. Willow nahm nicht einmal ab, anscheinend war sie zu sehr beschäftigt.
 

Die Jägerin beschloss sich auf den Weg zu Willow zu machen, um sie ein bisschen abzulenken. Schließlich waren Rendezvous mit Büchern auf die Dauer auch langweilig. Wenn sie sich jetzt eine Pizza bestellen würde, würde dass einen längeren Zeitverlust bedeuten, als wenn sie bei ihrer Freundin vorbeischaute, und sich eine Pizza direkt im Restaurant besorgte.
 

++++
 

Cleveland, Willows Zimmer

Eine halbe Stunde später

„Pizza Service!“, rief Buffy, als sie an Willows Tür klopfte. Die Hüterin öffnete ihr. „Du siehst nicht gut aus.“, entgegnete Buffy, als sie in Willows Zimmer kam.
 

„Ich weiß, Augenringe stehen mir leider nicht sonderlich.“, der köstliche Duft der Pizza drang in ihre Nase. „Was machst du eigentlich hier?“ Die beiden setzten sich auf Willows Bett und Buffy öffnete den Pizzakarton.
 

„Ich hab’ spontan beschlossen vorbei zu schauen. Nach einem anstrengenden Tag habe ich mir gedacht, dass es doch mal wieder Zeit wäre sich zusammen den Abend zu vertreiben ... Xander hat leider zu tun, und da du nicht abgehoben hast ...“ Die Jägerin hob ein Pizzastück und biss herzhaft hinein. Endlich etwas zu essen!
 

„Verdammt. Tut mir leid, aber ich habe es wohl geschafft dem Hörer mit Einkaufstüten einen Knockout zu versetzen.“ Ihr Blick wanderte ans Ende des Bettes. Vor ein paar Stunden hatte sie mit Kennedy telefoniert, und sich danach gleich auf ihre Präsentation gestürzt.
 

„Einkaufstüten? Seit wann gehst du so ausgiebig shoppen?“, fragte Buffy mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Seit ich eine Auszeit gebraucht habe. Außerdem habe ich eine schlechte Nachricht.“
 

„Ist unsere ganze Lebensmittelversorgung durch einen atomaren Angriff vernichtet worden, und es existiert nur noch diese Salamipizza?“
 

„Sorry, aber da muss ich dich leider enttäuschen.“, antwortete Willow verwirrt.
 

Nun griff auch sie sich ein Pizzastück. Seitdem sie vor ein paar Stunden von ihrem Einkaufsbummel zurückgekommen war, hatte sie nichts gegessen.
 

„Hätte ja sein können. Schließlich ist dieser Vorort von Albany fast am anderen Ende der Welt. Also was ist nun die schlechte Nachricht?“
 

„Giles hat anscheinend erfahren, dass du mich angeheuert hast, ihn zu bespitzeln.“ Sie erwähnte Xander vorläufig nicht. Wenn Buffy keine Einzelheiten verlangte, konnte sie das mit Xander alleine und in Ruhe klären.
 

Buffy riss die Augen erschrocken weit auf und verschluckte sich fast ehe sie ein „Wie bitte?“, entsetzt hervorbrachte.
 

„Als ich heute bei ihm war, war er wie ausgewechselt und ziemlich grantig. Ich halte es für eine gute Idee, wenn du morgen gleich mit ihm offen darüber sprichst.“, Willow bereute, dass sie ihre Freundin angeschwärzt hatte, aber schließlich war es ihre Idee gewesen.
 

„Ich glaube, diese Nachricht ist fast so furchterregend, wie das mit der Pizza.“, antwortete Buffy; sie schluckte. Aber schließlich war es kein Fehler gewesen, Willow vorzuschlagen Lily zu beobachten. Da musste Giles doch mit ihrer Meinung übereinstimmen. Natürlich war es falsch ihren eigenen Wächter beschatten zu lassen, aber schließlich hätte ihn diese Frau genauso gut beeinflussen können.
 

Beide griffen sich noch ein Stück. Für ein paar Minuten wechselten sie kein Wort miteinander.
 

„Weißt du eigentlich wo Dawn steckt?“, fragte Buffy um die Stille zu unterbrechen. Sie war nicht hierher gekommen, um sich anschweigen zu lassen, oder Schuldgefühle zu bekommen. Außerdem hatte sie sich schon, als sie nach Hause gekommen war gewundert, wo ihre Schwester um diese Zeit war.
 

„Dawn? Ich habe sie heute beim Einkaufen in einem Laden getroffen.“
 

„In einem Lebensmittelladen?“, Buffy hob eine Augenbraue.
 

„Nein, aber sie hat mir bei einer Kaufentscheidung geholfen ... und mir eine Geschichte über einen Mord erzählt. Sie glaubt, dass etwas Übernatürliches dahinter steckt, aber ich meine, täglich passieren Morde, und nur weil ein Mädchen in ihrer näheren Umgebung getötet wurde, muss dass nicht heißen, dass ein Mord dahinter steckt.“
 

„Das hört sich nicht gut an.“ Buffy warf einen Blick auf die Uhr. Als sie nach Hause gekommen war, war es schon spät gewesen, und wenn Dawn jetzt noch nicht zurück war...
 

„Darf ich telefonieren?“, wenn ihre Schwester abhob, war kein Grund zur Sorge, aber wenn sie es nicht tat...
 

Die Jägerin wühlte sich unter den Einkaufstüten durch. Nachdem sie es zweimal versucht hatte, war immer noch kein „Dawn Summers am Apparat“ zu hören.
 

„Ich habe kein gutes Gefühl, Buffy.“, entgegnete Willow, als Buffy, in Gedanken versunken, den Hörer – diesmal richtig – auf die Gabel legte.
 

„Ich auch nicht unbedingt ...“
 

„Aber ich meine das anders.“, die Hütern sah Buffy durchdringend an.
 

„Du meinst ... du spürst es?“
 

Bevor Willow antworten konnte, durchzuckte ein Gefühl von Schmerz ihren Körper. Sie fühlte Dawns Angst. In ihrem Nacken stellen sich die Härchen auf. Im nächsten Augenblick zitterte Willow bereits.
 

Ihr Kiefer stach vor Schmerz. Ihre Zähne fühlten sich taub an, als hätte sie etwas mit voller Wucht getroffen.
 

Buffy sah ihre Freundin schockiert an, saß aber gleichzeitig wie festgewurzelt da.
 

Willow schloss ihre Augen, doch dieses Stechen in ihrem ganzen Körper ebbte nicht ab. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Geschwindigkeit ihres Herzschlages, der ihre eigenen Gedanken übertönte.
 

„Willow?“, fragte Buffy unsicher und kniete sich vor die Hüterin.
 

Willow konnte Buffys Stimme hören, allerdings weit von ihr selbst entfernt, als würden sie einige Meter trennen.

Plötzlich brannte ihre Stirn, es fühlte sich an als wäre ihre Haut dort aufgeplatzt. Instinktiv presste die Hüterin ihre Hände gegen ihren Kopf.
 

Im nächsten Moment hörte sie Buffys Stimme erneut. Diese versuchte sie aus ihrer Welt zurückzuholen.
 

„Konzentrier dich Willow. Denk an Dawn, wir müssen sie retten!“
 

Vielleicht war es falsch gewesen Dawn heute nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Spätestens diese Schmerzen bewiesen ihr dies. Doch jetzt war es ihre Aufgabe, Buffy Dawns Standpunkt zu verraten.
 

„Ganz ruhig, Will’“, sagte Buffy. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren.
 

Buffys Stimme in ihrem Kopf hörte sich von Wort zu Wort klarer und lauter an.
 

Dann öffnete Willow die Augen. Zunächst musste sie noch gegen das brennende Licht blinzeln, doch ihre Pupillen hatten sich schon nach ein paar Sekunden an die Helligkeit des Zimmers gewöhnt.
 

Der Schmerz in ihrem Körper wurde von Atemzug zu Atemzug weniger, doch in ihrem Kopf hämmerte es immer noch und ihr Herzschlag wollte sich einfach nicht beruhigen.
 

Gebannt starrte Buffy auf Willows Stirn. Ein paar Tropfen Blut rannen langsam ihr Gesicht herunter.
 

„W-Was ist?“, flüsterte Willow.
 

„Ich glaube diese Schmerzen wirken sich nicht nur auf deinen seelischen Zustand aus ...“
 

Willow tastete ihre Stirn ab. Als sie ihre Finger ansah, war sie ebenso schockiert wie Buffy. Blut klebte an ihren beiden Händen, aber die Blutung schien bereits zu stoppen.
 

„Auch wenn ich dich gerade nicht allein lassen will, sollte ich vielleicht Dawn finden ...“, Buffy wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es sah so aus, als hätte Willow gerade die Schmerzen ihrer Schwester erlebt.
 

Sie nickte. Willow lehnte sich nach hinten, und versuchte nicht überzukippen. Ihr Gleichgewichtssinn hatte sich anscheinend gerade verabschiedet. Sie öffnete eine Schublade und durchstöberte diese. Bevor sie nach wenigen Sekunde eine Straßenkarte von Cleveland hervorholte, presste sie ein Taschentuch auf ihre Stirn.
 

„Sie hat mir etwas vom Drogenviertel erzählt, und ich glaube genau so wird dieser Straßenteil genannt.“ Willow deutete mit einem Finger auf ein paar gelb markierte Striche, und fuhr sie nach Richtung Norden nach.
 

„Ich glaube da war ich schon mal, als ich mich auf die Suche nach einer Wohnung gemacht habe ... Bist du dir ganz sicher?“
 

„Es spricht alles dafür, Buffy. Ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn ich dir nicht bei der Suche helfe ... Ich glaube, ihr Schwestern schafft das schon allein.“, sie zwinkerte ihrer Freundin zu.
 

„Es tut mir leid, dass ich dich jetzt allein lassen muss.“, besorgt sah sie Willow an.
 

„Nun geh endlich.“, die Hüterin lächelte Buffy an, überspielte dadurch aber nur, dass sich ihr Zustand nur langsam besserte.
 

„Hmm ... Die Pizza muss wohl leider auch warten.“, antwortete die Jägerin und machte sich auf den Weg zur Tür.
 

++++
 

Straßen von Cleveland

Der Gedanke, dass Dawn irgendwo da draußen allein war und vermutlich in größter Gefahr schwebte, machte Buffy Angst. Genauso wie sie Willows Schmerzen sehr beängstigend fand. Wenn sie nur annähernd das waren, was Dawn fühlte... Die Panik in ihr wuchs langsam aber stetig. Irgendetwas stimmte schon seit Längerem nicht mehr zwischen ihr und ihrer Schwester. Seit dem Tod von Vi. Ob es vielleicht daran lag, dass sich Buffy als Jägerin von ihrer jüngeren Schwester mehr distanzierte? Hieß eine Jägerin zu sein automatisch, dass man zu Beziehungen, egal ob zum Freund oder der Familie, nicht fähig war?
 

Ihre Beziehung zu Riley war durch Buffys Dasein als Jägerin zerstört worden.

Was, wenn Buffy sich inzwischen auch schon so weit von Dawn entfernt hatte, dass sie nicht mehr an sie herankam? Hinzu kam jetzt allerdings noch die Tatsache, dass ihre Schwester ebenfalls zu einer Jägerin geworden war.
 

Das Brummen des Motors machte Buffy auf den vorbeifahrenden Wagen aufmerksam. Gequält stellte sie fest, dass ein großer Aufkleber mit dem Schriftzug „Joe’s Pizza“ darauf prangte. Aufdringlich und drängelnd knurrte ihr Magen. Auch wenn sie vor wenigen Minuten ein paar Bissen Pizza gegessen hatte, baute sich ein Gefühl von Hunger weiter in ihrem Bauch aus.
 

Kampfgeräusche, erst leise, dann immer lauter waren plötzlich zu hören. Vielleicht hatte irgendein Vampir wieder Lust auf frisches Blut bekommen oder – und diese Ahnung verstärkte das flaue Gefühl in ihrem Magen, das neben dem Hunger in ihr wütete, noch zusätzlich – Dawn kämpfte. Sie hatte den Ort erreicht, den Willow ihr hatte verraten können.
 

Ohne sich weiter um den Pizzawagen zu scheren, stürmte Buffy auf die dunkle Gasse, die vor ihr lag, zu. Sie kümmerte sich nicht um die Bettler, die sich auf dem Boden ein Plätzchen eingerichtet hatten, und ihr etwas Unverständliches zuriefen. Umfallende Kisten waren zu hören, genauso wie leises Keuchen. Dem folgte ein spitzer Schrei. Jetzt gab es für die blonde Jägerin keinen Zweifel mehr, dass Dawn in diesen Kampf verwickelt war. Immer schneller rannte Buffy und verfluchte dabei die schier endlos wirkende Gasse, die zum Friedhof führte.
 

Dawn hatte die Kraft des Dämons unterschätzt. Es sah nicht gut aus. Dunkelrotes Blut lief an ihrer Stirn herunter, lief ihr in den Mund als sie ihn öffnete um Luft holen zu können. Der Dämon hingegen schien noch bei besten Kräften zu sein, auch wenn er ebenfalls schwerer atmete. Welche Strategie war jetzt die Beste? Weglaufen? Dawn erinnerte sich, dass Buffy den Anwärterinnen damals geraten hatte auf ihren Instinkt zu hören. Wenn er sagte rennen, dann sollten sie genau dies tun.
 

Der Dämon setzte zu einem Sprung an, den er mit gestrecktem Bein ausführte und die junge Jägerin so mit voller Kraft gegen den nächsten Kistenstapel schleuderte, der zerberstend in viele kleine Holzsplitter zerbrach. Der braunhaarige Teenager stöhnte, rappelte sich auf und hielt sich die Rippen. Bei ihrem Sturz musste sie sich ein, zwei Rippen angeknackst haben.
 

Die Gestalt machte sich schon bereit erneut anzugreifen, doch dazu kam es nicht mehr.
 

„Dawn!“ zerschnitt eine altbekannte Stimme die Nacht. Dawns Kopf fuhr ruckartig herum. Doch der Dämon rührte sich nicht. Es war Buffy, die einen Ausdruck grimmiger Entschlossenheit im Gesicht hatte.
 

Der Dämon folgte schließlich Dawns Blick, und sah direkt in Buffys Augen. Dawn nutzte die Abgelenktheit des Dämons, um ihm einen Tritt zu verpassen, was sie gleich darauf bereute, denn ihre angeknacksten Rippen meldeten sich schmerzhaft zu Wort. Das Mädchen biss die Zähne zusammen, lehnte ihren Rücken gegen die Wand an die er sie gedrängt hatte, und setzte sich in den Haufen aus zerbrochenen Kisten.
 

Trotz ihrer Verletzung war Dawn immer noch stark genug gewesen, um das Monster so weit aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass es taumelte und schließlich zu Boden fiel.
 

Obwohl Buffy wusste, dass Dawn eine Jägerin war, war es trotzdem verblüffend zu sehen, welch enorme Kräfte sie besaß, aber dass der Kampf nicht zu ihren Gunsten ausgegangen war, zeigte deutlich, dass Dawn noch nicht annähernd gut genug trainiert war, um sich ausreichend schützen zu können. Von diesem Standpunkt aus, war es verantwortungslos von Dawn gewesen sie nicht gleich über ihr Jägerinnen Dasein zu informieren. Buffy hätte zwar nicht gerade Luftsprünge gemacht, hätte sich damit aber schließlich irgendwie arrangiert.
 

Schließlich hatte sich das Monster wieder erhoben, wandte sich aber nicht Buffy zu, wie sie erwartet hatte, sondern wieder an das verwundeten Mädchen. Die blonde Jägerin sprintete auf das Wesen zu bevor es bei ihrer Schwester ankommen konnte, drückte sich im Lauf vom Boden ab und sprang dem Monster mit ausgestreckten Beinen in den Rücken. Der Dämon schwankte und fiel zu Boden. Gleich darauf war es wieder erstaunlich schnell auf den Beinen.
 

Fußtritte und Faustschläge wurden ausgetauscht, die Dawn abgelenkt durch ihre Schmerzen, nur noch halb wahrnahm.
 

Buffy spürte, dass der Dämon stark war, aber nicht unbesiegbar zu sein schien. Er blutete an mehreren Stellen leicht und erste Ermüdungserscheinungen ließen ihn ein wenig unachtsam werden. Buffys Faustschläge kamen fast jedes Mal ohne Mühe durch seine Deckung hindurch. Die blonde Jägerin musste nicht einmal sonderlich einfallsreiche Kampftechniken anwenden.
 

Doch anscheinend hatte sich Buffy, was die Konzentration und Kondition des Dämons betraf, getäuscht – er gab nicht klein bei. Also wagte die Jägerin doch ein kleines Kampfmanöver, um den Kampf endlich zu beenden. Sie täuschte einen Schlag auf Magenhöhe vor, damit er nicht mitbekam, wie sie ihren ausgestreckten Fuß dafür benutzte, um ihn zu Fall zu bringen. Sie fing den Körper des Dämons auf, griff rasch nach seinem Hals und brach ihm mit einem Ruck das Genick.
 

Der Dämon riss den Mund auf vor Schmerz, doch zu ihrer Verwunderung hörte sie keinen Laut, sondern nur das Knacksen seines Genicks.
 

Nachdenklich sah die Blonde auf seinen Körper. Wäre Dawn heute gestorben aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung, wäre das zum Teil auch Buffys Schuld gewesen. Statt sich auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren hätte sie die Zeichen nicht ignorieren dürfen. Aber hatte sie das wirklich? Die Zeichen ignoriert? Oder hatte Dawn es gut genug vor ihr verborgen?
 

Durch Dawns schmerzerfülltes Stöhnen, das hinter Buffy ertönte, wirbelte die Jägerin herum und starrte ihre kleine Schwester besorgt an. Sofort war sie an ihrer Seite und sah sich die Verletzungen an. Dawn grunzte vor Schmerz, als ihre Schwester eine Hand an ihre Rippe legte um festzustellen ob sie gebrochen war. Sie war nur angeknackst.
 

„Rettung in letzter Sekunde!“ stöhnte das Mädchen leise mit dem Anflug eines Lächelns, das Buffy mit einem ernsten Gesicht sofort erlöschen ließ.
 

Vorsichtig half sie Dawn dabei aufzustehen, stützte sie so gut es irgendwie ging und machte sich daran sie nach Hause zu bringen. Sie mussten dringend miteinander reden. Noch war längst nicht alles zwischen ihnen geklärt. Immerhin hatte Dawn ihre Schwester monatelang belogen, was wohl am Schlimmsten an der ganzen Sache war.
 

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Cleveland, Wohnwagen

Zur selben Zeit

„Alles in Ordnung?“, fragte Faith besorgt, als sie die Tür des Wohnwagens hinter sich schloss.
 

Schnaufend und mit einer Hand auf den Bauch gepresst ging Ronah zu ihrem Bett und setzt sich langsam nieder. Robin riss die Tür des Wohnwagens auf und trat schnell auf Ronah zu.
 

„Okay, lass mal sehen ...“, sagte er leise, während sie sich stöhnend nach vorne beugte und er ihr Shirt nach oben schob. Ein großer, roter Fleck zierte die untere Hälfte des Rückens der jungen Jägerin, und während Faith besorgt näher trat, schmierte Robin den Rücken mit einer Wundcreme ein, die er aus dem Wächterhaus geholt hatte.
 

„Der Aufwand zahlt sich doch gar nicht aus, so schlimm ist es nicht ...“, sagte Ronah, wurde aber von einem „Ach sei still ...“ von Faith abgewürgt.
 

„Das nächste Mal suchst du dir einen Trainingsort in der Stadt aus. Das war ja eine halbe Weltreise.“, klagte Faith scherzhaft. Robin sah sie kurz anklagend an und konzentrierte sich dann auf das, was Ronah im Wagen erzählt hatte.
 

„Er ist also einfach so aus dem Wald aufgetaucht? Was wollte er?“, fragte Robin nachdem er das Shirt wieder nach unten geschoben und die Tube wieder zugeschraubt hatte.
 

Langsam lehnte sich die dunkelhäutige Jägerin zurück und betrachtete Faith und Robin, die ihr gegenüber auf Vis altem Bett saßen und sie besorgt anstarrten. Auf Robins Wange prangte ein kleiner Verband, der die genähte Wunde aus dem Kampf vor zwei Tagen verbarg.
 

„Ihr übertreibt maßlos. Was soll er schon gewollt haben? Er war ein Dämon, ich bin ’ne Jägerin ... folgerichtig wollte er mich töten.“, stellte sie fest, griff nach der Flasche Wasser, die neben ihr lag und nahm einen kräftigen Schluck.
 

„Nein ... da muss mehr dahinter steckten...“, Faith stand auf und ging Richtung Ausgang. ‚Eve hat es gesagt. Sie werden sterben ...’, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf und besorgt drehte sie sich um.
 

„Okay, ganz egal was seine Motive waren, er hat den Kampf überlebt. Er wird seine Kräfte sammeln und zurück kommen. Er wird für dich zurück kommen, Ronah ...“
 

„Aber ...“, wollte Ronah Faith unterbrechen, kam aber nicht dazu, noch ein weiteres Wort zu sagen.
 

„Nein, lass mich ausreden. Er wird warten; auf einen Moment warten, indem du dich nicht richtig verteidigen kannst. Du wirst also ab jetzt nicht mehr alleine auf Jagd gehen, und du wirst außerhalb dieses Gartens auch nicht alleine trainieren, verstanden?“
 

Wenn Ronah nicht gewusst hätte, dass Faith dies absolut ernst meint, hätte sie laut losgelacht. War das ihr Ernst? Sie wollte sie hier nur wegen diesem lächerlichen Kampf einsperren? Sie hatte schon gegen viel stärkere Gegner gekämpft.
 

„Ach bitte Leute, was ist denn los mit euch? Der Kampf war doch harmlos!“ Ronah zuckte mit den Schultern und wollte aufstehen, als Faith auf sie zutrat.
 

„Hast du mich verstanden? Du wirst dich daran halten, bis wir den Dämon vernichtet haben.“
 

Ronah verdrehte die Augen, drängelte sich an der älteren Jägerin vorbei und öffnete die Tür.
 

„OB DU MICH VERSTANDEN HAST?“ schrie Faith, als sie sich umdrehte und Ronah besorgt aber bestimmend nachsah.
 

Überrascht sah sie Faith an. „Wow ... ich wusste ja nicht ... ähm.“ Sie sammelte kurz ihre Gedanken, dann fuhr sie fort: „Ja, okay. Ich werde mich daran halten. Mach dir nicht so viele Gedanken darüber!“ Daraufhin verließ sie den Wohnwagen.
 

Überraschend legte Robin seine Arme auf Faith’ Schultern. Diese reagierte nicht, sondern starrte ihrer jungen Kampfgefährtin besorgt nach.
 

“Faith, ich wollte nicht vor Ronah darüber reden, aber ich denke, dass du übertreibst.“
 

Von einer Sekunde auf die andere schüttelte sie seine Hand ab, drehte sich um und sah ihn aggressiv an.
 

“Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe!“ bellte sie den Wächter an, drehte sich wieder um und verließ ebenfalls den Bus.
 

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Cleveland, Ratszentrale

Einige Minuten später

„Buffy? Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann komm so schnell wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist wichtig!“
 

Es gab einen Piepton, dem ein Klicken folgte. Giles seufzte entnervt.

Wie sehr er doch diese Anrufbeantworter hasste, aber so war wenigstens sichergestellt, dass Buffy seine Nachricht bekam und so schnell wie möglich kommen würde.
 

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Buffy’s und Dawn’s Wohnung

Eine Sekunde später

Gerade als der Wächter aufgelegt hatte, wurde die Tür geöffnet und Buffy bugsierte eine schwer lädierte Dawn durch die Eingangstür. Auch wenn ihre kleine Schwester das alles als harmloser abstufte als es aussah, war Buffy besorgt. Dieser Dämon war bestimmt nicht nur hinter Dawn her gewesen, weil er einen Spaß daran hatte Teenager zu ängstigen, sondern vielleicht auch weil sie eine Jägerin war. Wenn das so weiter ging, konnte Buffy sich auf harte Zeiten und schlaflose Nächte gefasst machen, bei denen sie sich fragen musste, ob ihre Schwester nicht vielleicht von einer Horde Vampire angegriffen wurde, oder vielleicht sogar schon tot war. Wie hatte ihre Mutter das immer nur ausgehalten?
 

Buffy verzog den Mund ein wenig, als hätte sie die gleichen Schmerzen wie ihre Schwester, was ja auch stimmte, denn die Erinnerung an ihre Mutter war auch Jahre nach ihrem Tot noch schmerzlich. Und gerade in Zeiten wie diesen wo sie Joyce´ Rat gut hätte gebrauchen können, merkte die blonde Jägerin erst wie sehr ihre Mutter fehlte. Nicht nur ihr. Auch Dawn.
 

„Mir geht es gut, Buffy. Ehrlich. Das ist nur ein Kratzer!“, versuchte Dawn ihre Schwester zu beruhigen und somit davon abzuhalten sie weiterhin wie ein rohes Ei zu behandeln, denn das war genau das, was sie vorausgesehen hatte - weshalb sie Buffy verschwiegen hatte, dass sie eine Jägerin war.
 

„Nein, es geht dir nicht gut!“ erwiderte Buffy ruhig und berührte Dawn leicht an der verletzten Rippe. Das Mädchen stöhnte sofort auf und verzog das Gesicht, was ihre große Schwester mit einem grimmigen Lächeln quittierte. „Ich hole Verbandszeug. Rühr dich nicht von der Stelle, Dawn!“, bestimmte die blonde Frau und setzte ihre jüngere Schwester vorsichtig auf einen Stuhl. Jede Erschütterung schmerzte wie tausend Messerstiche. Hoffentlich begann die Wunde auch wirklich schnell zu heilen.
 

Dawns Befürchtungen zerstreuten sich jäh als sie einen Blick auf die Blessuren an ihren Armen warf. Sie begannen sich zu verkleinern, worüber Dawn dankbar seufzte.

Buffy kehrte mit etwas Verbandszeug zurück, nahm Dawn gegenüber Platz und verband ihre Rippen. Die jüngere Summers zischte ein paar Mal, als Buffy mit dem Verband ihre verletzte Rippe streifte. All das geschah schweigend.
 

Vielleicht war es nur reine Einbildung, aber Dawn hatte das Gefühl, dass Buffy sich zwar mit dem Gedanken anzufreunden versuchte, dass ihre Schwester jetzt eine Jägerin war, es ihr aber mehr als schwer fiel. Und ihre Lügerei der letzten Monate hatte nicht gerade dazu beigetragen es Buffy leichter zu machen.
 

„Das müsste erstmal reichen. Die anderen Verletzungen fangen schon an zu heilen.“, sagte Buffy leise, packte die Erste-Hilfe-Utensilien wieder in den Koffer aus dem sie sie genommen hatte und musterte Dawn, als sehe sie sie zum ersten Mal.
 

Dawns Blick hingegen glitt an ihrer Schwester vorbei. Sie konnte sie nicht ansehen, konnte die Traurigkeit und Sorge in ihrem Blick nicht ertragen. Da leuchtete etwas. Der Anrufbeantworter!
 

Erleichtert endlich etwas zu Buffy sagen zu können, wandte sich Dawn an ihre Schwester: „Jemand hat eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“ Um zu unterstreichen was sie meinte, wies Dawn kopfnickend auf das blinkende rote Lämpchen.
 

„Buffy? Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann komm so schnell wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist wichtig!“
 

„Klingt übel! Wir sehen uns dann später!“, Buffy schien genauso erleichtert zu sein, abgelenkt zu werden, denn so schnell wie sie an der Wohnungstür war, roch es förmlich nach Flucht. Doch Dawn sprang auf, was sie augenblicklich wieder schmerzlich an ihre verletzte Rippe erinnerte. Sofort war ihre große Schwester bei ihr.
 

„Ich komme mit!“, brachte die Braunhaarige hinter zusammengepressten Lippen hervor.
 

„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist verletzt und solltest dich ausruhen!“
 

„Buffy ich bin eine Jägerin! In ein paar Stunden wird es mir besser gehen. Außerdem hat Giles gesagt, dass es wichtig ist. Vielleicht kann ich euch helfen.“
 

Auch wenn Buffy davon überzeugt war, dass Dawn in ihrem Zustand niemandem eine Hilfe war, willigte sie ein. Auch deshalb, weil für eine Diskussion jetzt der falsche Zeitpunkt war.
 

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Cleveland, Wächterhaus

Etwas später

„Dieser Dämon passt auf deine Beschreibung.“, sagte Giles überzeugt, als er das Buch vor sich umdrehte, damit Ronah und die anderen einen Blick auf die Zeichnung werfen konnten.
 

„Das ist er.“, nickte die Jägerin und versuchte den restlichen Text zu entziffern.
 

„Gib dir keine Mühe, außer du kannst Altgriechisch.“ Der Wächter nahm das Buch wieder auf, und lehnte sich gegen die Tischkante. Im selben Moment kamen Buffy und Dawn herein. Schockiert über Dawns körperlichen Zustand wurden beide begrüßt.
 

„Was ist passiert?“, Robin trat helfend auf die beiden zu.
 

„Ach nichts,“ winkte Dawn ab. „Nur ’ne kleine Prügelei ...“
 

Giles horchte auf, aber außer einem besorgten Gesicht blieb ihm nicht viel Zeit, nachzufragen, da Buffy ihrer Schwester rasch aber fürsorglich einen Stuhl hinstellte und sich dann selbst neben Giles setzte, wobei ihr Blick auf die Zeichnung im alten Buch fiel.
 

„Das ... Das ist er!“, stellte sie schockiert fest. „Ich glaube ihr wart schneller, als ich denken konnte. Dieser Dämon hat Dawn angegriffen!“
 

„Ronah aber auch.“, warf Faith ein.
 

Buffy fuhr herum, um sich Ronah genauer anzusehen. Also hatte er nicht nur ihre Schwester im Visier gehabt.
 

„Wir müssen ihn so schnell wie möglich erledigen!“, entgegnete Robin, nicht ohne Dawn einen besorgten Blick zuzuwerfen. „Wenn er gezielt Jägerinnen angreift, können wir uns ausrechnen, wann ihm dies bei dieser Auswahl irgendwann gelingen wird.“
 

„Schon erledigt.“, Buffy grinste und verschränkte ihre Arme. Ihr Blick wanderte durch die Runde, die sie nur erstaunt ansah. „Ich habe ihm das Genick gebrochen.“
 

Doch noch bevor sich Erleichterung bei allen zeigte, las Giles ohne auf Buffy zu reagieren den Text des Buches laut vor.
 

„Der Kodakan Dämon ist ein taubstummer Dämon aus der Mythologie der Hindukush. Gegen ihn helfen keine Bannsprüche, weil er sie nicht hört. Er riecht die Gewalt, und ist sofort zur Stelle wenn er ein neues Opfer für sich gutschreiben kann. Er saugt ihnen die Lebensenergie aus.“
 

„Taubstumm?“, fragten Dawn und Ronah im Chor. Das erklärte die Stimme in ihren Köpfen.
 

„Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, ob er was gesagt hat ... eigentlich war es mehr so, als würde er meine Gedanken lesen.“, sagte Dawn und Ronah nickte zustimmend, als alle Blicke auf sie gerichtet waren.
 

Giles las ungerührt weiter. „Sie können die Gedanken ihrer Opfer lesen und per Gedankenübertragung mit ihnen kommunizieren. Sie saugen ihren Opfern die Lebensenergie aus, um selbst einen längeren Lebensstatus zu haben, länger zu leben, und schlussendlich einen höheren, gottesähnlichen Status zu erreichen.“, Giles sah besorgt auf, als er ein paar Zeilen weiter stumm überflogen hatte.
 

„Ist das nicht alles unwichtig? Ich habe ihn bereits getötet!“, ließ Buffy etwas enttäuscht über den ausbleibenden Applaus verlauten.
 

„Die einzigen Möglichkeiten ihn zu töten ist ihm selbst die Energie auszusaugen, ihn einzufrieren und ihn anschließend zu zerschlagen, oder ihm das Herz zu zerreißen.“
 

„Ihre Bücher klingen immer mehr wie Horrorbücher,“ stöhnte Buffy. „Was heißt das genau?“
 

„Genick brechen hilft nicht ...“, antwortete Giles, um Buffys Hoffnung zu zerschlagen.
 

„Wir werden uns an die Beschreibung halten müssen,“ meinte Faith. „Ich hab kein Problem dieses Mistding einzufrieren. Wir brauchen nur einen Köder.“
 

„Und wieso konnte ich den Dämon nicht hören? Ich bin während der Kampfzeit doch auch zu einem seiner Opfer geworden.“, entgegnete die blonde Jägerin.
 

„Nun, das ist nicht so einfach. Der Kodakan Dämon saugt nun ... Um ...,“ etwas unbehaglich sah Giles zwischen Ronah und Dawn hin und her. „Ja ... Er ... ähem,“ ein nervöses Räuspern von Giles ließ alle ungeduldig zu ihm hinübersehen. „Nun ja, er saugt nur Jungfrauen die Lebensenergie aus, weil nur diese eine Art reine Energie in sich tragen.“, antwortete Giles. „Und deswegen kommuniziert er nur mit diesen Opfer.“
 

„Wie bitte? Diese Einstellung ist doch total veraltet, und frauenfeindlich dazu!“, Buffy war empört.
 

„Ich glaube darum kümmert sich unser Dämon nicht sonderlich,“ murmelte Faith mit einem ziemlich breiten Grinsen.
 

„Also wenn er nur Jungfrauen tötet ... dann bleiben Männer verschont?“, fragte Andrew vorsichtig.
 

„Fragt da einer aus Sorge um sein Leben?, antwortete Kennedy spitz.
 

„Pass lieber auf dein eigenes auf!“ grinste er zurück. „Wenn es nämlich ein politisch nicht korrekter Dämon ist, bist du für ihn auch eine Jungfrau!“
 

„Einige von den Opfern sind männlich, vielleicht ist es ein emanzipierter Dämon.“, entgegnete Willow, als sie den Text des Buches überflog, das nun auf dem Tisch vor ihnen lag.
 

„Gut, dann gehen wir mal davon aus, dass der Dämon auf beide Geschlechter steht.“, warf Buffy in die Runde.
 

„Ist das nicht genauer im Buch definiert?“, fragte Willow, die den Band bereits wieder Giles zugeschoben hatte.
 

„Wieso hatten Sie früher in der Bibliothek eigentlich nie solche interessanten Bücher?“, meldete sich Xander.
 

„Weil ich dich kannte,“ gab Giles trocken zurück und Xander musste grinsen.
 

„Was sollte denn genauer definiert sein?“, schaltete sich Robin dazwischen.
 

„Na, definiert der Dämon nicht die biologische Jungfräulichkeit?“, Willow blickte zu Giles.
 

„Das können wir nicht definitiv wissen und das Buch gibt nicht viel her.“, antwortete ihr der ältere Wächter.
 

„Kann doch sein, dass er bei Lesben eine Ausnahme macht.“, Kennedy hob ihre Augenbrauen.
 

„Ich glaube, wir sollten wieder auf unsere ursprüngliche Diskussion zurückkommen!“, ließ Giles verlegen verlauten, als das Gespräch in die falsche Richtung geriet.
 

„Sehe ich auch so.“, Faith stimmte ihm zu. „Also nur Jungfrauen? Wieso hat er gerade Ronah und Dawn ausgesucht?“
 

„Vielleicht nur, weil sie Jägerinnen sind. Es könnte doch sein, dass ihre Energie noch reiner und stärker ist als die von normalen Menschen.“, antwortete Willow. „Und sicher gab es schon vorher andere Opfer.“
 

„Also ich möchte doch schwer hoffen, dass meine kleine Schwester neben ihren Jägerinnenkräften auch noch ihre Unschuld besitzt,“ sie sah fragend und drohend zu Dawn hinüber. Die junge Jägerin nickte eifrig. Mit dem Hauch eines schlechten Gewissens dachte sie an jenen Tag zurück, an dem sie so gerne mit Shin geschlafen hätte. Ronah dahingegen blieb auffällig stumm. „Und zudem.“, fuhr Buffy leicht reserviert fort. „Was für ein Glück, dass der Dämon erst jetzt hier in Cleveland aufgetaucht ist. Stellt euch vor, wenn der Dämon früher in diese Gegend gekommen wäre! Wir hätten nicht gewusst das Dawn in Gefahr schwebt ... Es ist gut, dass wir es endlich auch wissen.“
 

„Soll das eine Anspielung sein, Buffy?“, entgegnete Willow bevor Dawn protestieren konnte.
 

„Vielleicht ... Wenn du und Dawn nicht geheimgehalten hättet, dass ...“
 

„Könntet ihr euer Gespräch zurückhalten?“, fragte Giles etwas angekratzt. „Ich denke nicht, dass wir jetzt Zeit für private Probleme haben. Noch dazu die Zeit für Streitereien ...“
 

„Ich will mich ja gar nicht streiten. Ich bin nicht mal wirklich sauer auf Willow. Ich würde nur gern wissen, wieso sie keine Probleme hatte mich zu verraten.“, fuhr Buffy ungehindert von Giles drohendem Zwischenwurf fort.
 

„Ich? Frag doch Xander!“, antwortete Willow etwas sauer, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte. Schuldbewusst blickte sie zu Xander hinüber und deutete ein „es tut mir leid“-Schulterzucken an.
 

„Aber ...“, mischte sich Xander. Doch bevor ein Streit wirklich ausbrach, beeilte sich Willow in Anbetracht der stark umwölbten Stirn von Giles, das Ruder herumzureißen:
 

„Wartet Leute ... Giles hat recht. Uns jetzt anzufauchen, bringt doch nichts. Reden wir später in Ruhe darüber. Wir haben genug andere Probleme. Vergessen wir die Reiter nicht.“, Willow griff nach ihrer Tasche und zog einen dicken Stapel Blätter hervor. „Ich habe nämlich auch noch eine gute Nachricht an diesem etwas verpatzten Tag. Das Buch ist decodiert.“ Sie schob Giles die Blätter zu. „Und ich glaube Dawn hat zu den Visionen noch etwas hinzuzufügen ...“, sie nickte der jungen Jägerin auffordernd zu.
 

„Na ja, was Will meint ... ich hatte damals auf dem Geisterschiff eine Vision von einem Reiter und als ihr alle diesen mysteriösen Traum hattet ... da hatte ich ihn auch.“ Etwas geschockt starrten die anderen, ausgenommen von Willow, Dawn an, die sich sehr unwohl fühlte. Langsam erzählte sie von Cleveland, dem Erdbeben, der zerstörten Stadt, dem Wasser und schließlich von jenem Reiter, der aus dem Wasser hervorbrach und in den Himmel aufstieg.
 

„Heißt das ... der vierte Reiter ist hier?“, Buffy sah entsetzt zu Giles, der langsam nickte.
 

„Durchaus möglich ... ich kann erst mehr sagen, wenn ich das Buch gelesen habe. So lange sollten wir uns wohl auf diesen Kodakan Dämon konzentrieren. Sobald ich es gelesen habe und uhm. .. Lilys Notizen durch habe, weiß ich mehr.“
 

„Lily.“, Faith drückte sich von der Wand los. „Gutes Thema ... wissen sie was diese...“, Faith unterdrückte den Wunsch all ihre Verwünschungen laut auszusprechen. Sie wollte Giles’ Gefühle nicht verletzten. Etwas überrascht über ihr plötzliches Feingefühl, blinzelte sie unsicher, fing sich aber rasch wieder. „Sie hat Vi ermordet.“
 

„Ich weiß.“, sagte Giles ruhig und sanft. „Ich habe ihre Aufzeichnungen gefunden.“
 

„Und was wollen Sie dagegen unternehmen?“
 

„Ich schätze, sie wird dafür büßen müssen, wie jeder normale oder andere Verbrecher auch....“
 

„Sie wollen sie einem Gericht überlassen?“, brauste Faith auf.
 

„Wir können sie wohl schlecht selbst richten.“, mischte sich Robin ein.
 

„Und ich werde den Rat benachrichtigen.“, fügte Giles hinzu. „Wenn sie sich in London blicken lässt. .. werden wir sie sofort verhaften lassen.“
 

Faith machte eine skeptische Miene. Sie wollte Giles Worten glauben und darauf vertrauen, aber sie rechnete damit, dass dieses Miststück von einer Wächterin noch einige Asse im Ärmel hatte.
 

„Hm ...“, machte Dawn plötzlich nachdenklich. „Also ich weiß nicht ... Lily hat mir ziemlich genau erklärt, was sie plante. Das habe ich euch allen ja schon berichtet. Dabei hat sie keine Reiter erwähnt.“
 

„Es ist möglich, dass sie von ihnen wirklich nichts weiß. Hätte sie das Buch vom Friedhof gehabt ... wer weiß.“, überlegte Giles laut. „Vielleicht wäre dann einiges anders gelaufen. Aber wenn wir gerade erneut vom Thema abgekommen sind ... dieser Unsterbliche, den ihr erwähnt habt ...“
 

Willow und Dawn horchten auf.
 

„Nun ... dieses Lichtwesen hat euch nicht doch noch mehr darüber erzählt?“
 

„Das hätten wir ihnen doch längst erzählt,“ ereiferte sich Dawn.
 

„Gut ... dann werden wir wohl das alles Schritt für Schritt herausfinden müssen ... sofern uns die Zeit dafür bleibt. Vielleicht steht über diesen Unsterblichen etwas in der Literatur. Ansonsten ... suchen wir diesen Kodakan Dämon.“
 

„Heißt das jetzt auch noch Nachtschicht?“, fragte Buffy ohne viel Begeisterung. „Albany war anstrengend ...“
 

„Vielleicht könnten Faith und Kennedy losziehen.“, beruhigte Giles, während die anderen bereits aufbrachen. „Ich würde sowieso ... Nun ... könnte ich dich bitte für einem Moment alleine sprechen?“, Giles sah Buffy eindringlich an. Es fiel ihm überraschend leicht seine einstige Jägerin darum zu bitten und es fühlte sich auch richtig an. Vor einigen Monaten wäre er nie dazu in der Lage gewesen. Als er Buffy zwar zögernd aber zustimmend nicken sah, ohne Skepsis im Blick oder Ablehnung, wusste er, dass es ihr wohl ähnlich erging.
 

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Giles Büro

Sie hatten wirklich andere Probleme und Sorgen und wie es schien, hielt sich der örtliche Höllenschlund nicht damit zurück ihnen zu der bevorstehenden Katastrophe mit reichlich exotischen Dämonen das Leben zu erschweren. Trotzdem war es Giles wichtig, dass diese erneute unausgesprochene Sache zwischen Buffy und ihm geklärt wurde.
 

Buffy hatte noch nicht die Tür hinter sich geschlossen, als sie Giles mit ihren Worten hastig zuvorkam:
 

„Hören Sie, Giles, ich weiß, weswegen sie mit mir sprechen wollen. Willow und ich haben darüber geredet. Und ich verstehe auch wieso sie nun ... Ehm ... darüber verärgert sind.“, sagte Buffy unsicher und registrierte Giles’ nach oben wandernde Augenbraue. „Verstimmt?“, fragte sie sich selbst verbessernd nach, und als auch die andere Augenbraue von Giles nach oben wanderte, versuchte sie es mit einem kleinlauten: „Gekränkt?“
 

Giles musste schließlich schmunzeln, auch wenn ihm nicht gerade danach war, und schüttelte den Kopf. „Verletzt würde es eher treffen. Du hättest zu mir kommen sollen und mit mir offen über deine Befürchtungen reden können.“
 

„Sind Sie sich da sicher?“, Buffy trat von der Tür weg und setzte sich auf einen der Besucherstühle. Sie fühlte sich nicht gerade wohl in ihrer Haut, aber die Gewissheit, dass sie beide in ihrer Beziehung gereift waren und offener miteinander umgehen konnten, gab ihr ein wenig Sicherheit. „Ich meine, Sie waren vor einem halben Jahr sehr euphorisch und in allem was Sie taten sehr.. unbeirrbar. Zudem waren Sie verliebt. Der Versuch leise Zweifel anzubringen, wurden so gut wie alle übersehen, überhört und missachtet. Und zu allem...“, Buffy spielte nervös am Saum ihrer Bluse herum, ehe sie etwas leiser die Worte hervorbrachte: „Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit.“
 

Giles senkte seinen Blick, um das erneute Lächeln zu verbergen. Buffy hatte ja recht und eigentlich tat es ihm bereits sehr leid, dass er Willow für das, was Buffy ihr aufgetragen hatte, so barsch angegangen war. Er würde sich bei ihr entschuldigen müssen. Und es gab auch keinen Grund wirklich länger böse auf Buffy zu sein. Er verstand ja, was sie getan hatte.
 

Er setzte sich neben sie auf den zweiten Besucherstuhl, weil er ihr nicht durch den Platz hinter seinem Schreibtisch die alte, kühle Distanz entgegenbringen wollte, und beide sahen für einen kleinen, schweigsamen Moment in verschiedene Richtungen. Buffy fand die alte Schriftrolle neben dem Eingang sehr interessant, während Giles Blick zum Fenster hinausging. Noch immer regnete es, wenn auch nicht mehr so stark. Es war ein trister Frühlingstag gewesen, der irgendwie zu dem ganzen Tag passte.
 

„Uhm ... Ja.“, begann Giles zögernd und räusperte sich erneut, während sie beide weiter in die jeweils gewählte Richtungen blickten. „Das haben wir ja jetzt dafür ganz gut hinbekommen.“
 

„Haben wir, ja.“, Buffy drehte ihren Kopf und blickte ihren ehemaligen Wächter mit einem sanften Lächeln an. Nicht im Traum hatte sie nach Willows Offenbarung daran geglaubt, dass es so friedlich ablaufen würde. Sie hatte mit mehr Vorwürfen und einem sehr verletzten Engländer gerechnet.
 

„Und ich meine ... du hast ja nicht so vollkommen unrecht gehabt, was Lily betraf. Und es ist ja auch nicht so, dass nun ... Willow in deinem Auftrag Aufzeichnungen, Notizen und Gespräche ausspioniert hätte. Sie war nur. .. aufmerksam.“ Auch Giles wandte sich wieder Buffy zu. „Vielleicht ... wäre ich vor einigen Monaten wirklich ... verletzt gewesen und verärgert.“
 

Buffys Gesicht verzog sich ein wenig. Kam jetzt doch die befürchtete Ansprache?
 

„Darum denke ich ... vergessen wir die Geschichte?“
 

„Oh, darauf können Sie wetten.“, sagte Buffy erleichtert und konnte das erste Mal seit sie das Büro betreten hatte wirklich befreit lächeln. Sie lehnte sich entspannt zurück. „Und ... wie gehen wir jetzt wegen Lily weiter vor? Haben Sie schon den Rat informiert?“
 

Giles schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was wir tun werden oder tun können. Lily scheint vom Erdboden verschwunden zu sein. Ich habe mit England telefoniert ... aber sie sagen, sie hätte sich noch nicht gemeldet.“
 

„Wissen sie dort Bescheid?“
 

„Ich war... vorsichtig in dem was ich ...,“ Giles unterbrach sich, als er Buffys anklagendes Gesicht sah und seufzte. „Ich hatte nicht den Mut, ihnen zu sagen, was Lily getan hat. Es ist so viel Schreckliches passiert und wir sind auf jeden so angewiesen ... es hätte sicher dazu beigetragen, dass die Anderen an ihrer Arbeit und am Aufbau zu zweifeln begonnen hätte. Zudem wusste ich wegen Vi ja selbst noch nichts.“
 

„Emma!“, Buffy saß auf einmal kerzengerade im Stuhl und Giles war sichtlich verwirrt über Buffys Reaktion auf seine Worte.
 

„Emma?“
 

„Ja, Emma. Sie ist doch gestern Morgen nach London geflogen. Auf Lilys Vorschlag hin ... sie verstehen?“
 

„Großer Gott ...,“ Giles Gesicht verdüsterte sich. „Ich rufe sofort an und frage nach.“, dabei griff er bereits nach dem Hörer und wählte die Nummer. Buffy saß gespannt da und hoffte, dass sich ihre Sorge verflüchtigen würde.
 

„Rupert Giles. Ja ... ja ich weiß, dass niemand hier ist. Aber es ist ein Notfall. Versuchen Sie es bei Lenhardt. Er gehört zu den Frühaufstehern.“ Meine Güte, dachte Giles, es musste etwas vor oder nach fünf Uhr morgens in London sein. Daran hatte er im ersten Moment gar nicht gedacht. Er wurde vom Nachtportier in die Warteschleife geschaltet und während er auf eine Reaktion wartete, sah er über seine Brille hinweg zu Buffy. Er fühlte, dass die Jägerin große Angst um die junge, neue Jägerin hatte. Und er Trottel hatte die Reise auch noch genehmigt. „Oh ... Mr. Lenhardt,“ auch wenn Giles mit dem Mann gerechnet hatte, war er nun doch erstaunt. „Es tut mir leid, wenn ich so früh anrufe ...“
 

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London -

Hauptsitz Rat der Wächter

„Aber nicht doch, Mr. Giles.“, Lenhardt lehnte sich mit einem breiten, zuckersüßen Lächeln in seinem Stuhl zurück. „Ich bin meist so früh im Gebäude, weil man ungestört ist, ehe die anderen gegen acht eintreffen und einem das Leben mit Meetings und Problemen erschweren. George sagte etwas von einem Notfall?“
 

Cleveland

“Es geht um eine junge Jägerin aus Cleveland. Emma Perkinson. Wir haben sie gestern in ein Flugzeug gesetzt ...“
 

London

„Ja, der Name ist mir vertraut. Ms. Usher und Sie haben uns erst vor einigen Tagen ihre Anreise mitgeteilt. Was ist mit ihr?“
 

Cleveland

“Sie sollte inzwischen angekommen sein ... haben Sie etwas von ihr gehört?“ Giles wurde nervös. Das waren keine guten Zeichen.
 

London

„Nein, nicht das ich wüsste. Und das Meiste geht über meinen Schreibtisch, wie Sie wissen.“ Lenhardt beugte sich nach vorne und nahm die dampfende Teetasse in die Hand. „Was ist passiert?“
 

Cleveland

„Das wüsste ich selbst gerne.“, seufzte Giles. „Hören Sie ... sobald Emma ankommt, rufen Sie mich umgehend an. Und dasselbe gilt auch für Ms. Usher. Es gab hier Probleme und wir wissen nicht in wie weit wir ihr noch trauen können ...“
 

London

„Hört sich wirklich nach einem Notfall an.“, sagte Lenhardt kühl, nippte an der Tasse und stellte sie zurück. „Aber natürlich melde ich mich wieder bei Ihnen, sobald sich eine der Damen bei mir meldet.“, sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln und sein Blick richtete sich nach vorne, während eine zweite Tasse Tee vom Schreibtisch aufgenommen wurde – Lily Usher schlug ihre Beine übereinander, stellte die Untertasse auf ihrem Knie ab, und schenkte Lenhardt in diesem Moment eines ihrer gewinnenden, warmen Lächeln.
 

Cleveland.

„Danke, Mr. Lenhardt. Ich melde mich bald noch einmal und werde Ihnen alles über Ms. Usher berichten sobald wir das Gesamtbild erfasst haben,“ Giles schüttelte den Kopf, als Buffy ungeduldig drein sah und ihre Enttäuschung und ihre Sorge wuchs.
 

London

„Aber natürlich. Ich bin sehr gespannt. Auf Wiederhören.“, Lenhardt legte auf und blickte erwartungsvoll zu Ms. Usher. „Wo waren wir stehen geblieben?“
 

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Cleveland, Shin’s Haus

Nächster Tag, Nachmittag

„Shin ... es tut mir leid wenn ich wieder so einfach hereinplatze.“, Dawn stand vor Shins Tür, und wackelte von einem Bein aufs andere.
 

„Hallo Dawn. Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, als er bemerkte wie aufgebracht sie war.
 

„Ja ... mehr oder weniger. Darf ich reinkommen?“
 

„Na ja ... Tradition hin oder her ... Natürlich. Schließlich muss ich ja nichts mehr verstecken.“ Er lächelte. „Aber beruhig dich erst mal.“ Liebevoll legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Was ist los?“
 

Beide steuerten auf seine Zimmertür zu. Shin blieb im Türrahmen stehen. „Setz dich bitte. Soll ich dir etwas zu trinken bringen?“
 

„Nein danke.“, Dawn setzte sich auf sein Bett, und bewunderte die verschiedenen Drachen die auf die Decke gestickt waren.
 

Also schloss er die Tür hinter sich, und setzte sich auf die andere Bettkante.
 

„Was willst du mir denn erzählen?“, fragte er erneut.
 

„Dieser Mord, an einer meiner Mitschülerinnen. Ich ... Ich bin mir nicht sicher, ob die Polizei recht hat.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Das Mädchen war eine Musterschülerin. Sie wurde ermordet ... aber nicht von einem Junkie.“ Tief in sich fühlte Dawn, dass sie mit Shin auch über das andere Problem reden konnte ... doch diesen Dämon behielt sie erst einmal für sich.
 

„Ich habe erst heute von dem Mord erfahren. Aber so etwas geschieht nun mal. Bist du dir wirklich sicher?“
 

„Ja, ich weiß auch nicht wieso. Aber es ist so ein Gefühl. Na ja ...“, Dawn suchte nach den richtigen Worten. Sie hoffte, dass wenigstens ihr Freund ihr glauben würde.
 

„Lass der Polizei einen Tag Zeit ... vielleicht haben sie sich getäuscht und alles klärt sich auf. Weißt du was ... ich hab dich vermisst. Du hast dich rar gemacht ... selbst auf der Arbeit. Wie war’s eigentlich mit Lily im Kino?“, fragte Shin, um etwas von der annahenden Stille zu verdrängen. Anscheinend ging das ganze Dawn sehr Nahe, und vielleicht gab es ja noch etwas was sie bedrückte. Shin setzte sich im Schneidersitz hin und rückte ein Stück näher zu Dawn.
 

„Ich hab dich auch vermisst.“, sie streichelte über seinen Arm. „Aber ... es war... alles etwas stressig ... und das mit dem Kino ... meine Güte. .. Lily ... ich hab dir davon ja noch gar nichts erzählt ... sagen wir so, ich kam in den Genuss mich wie Jack Bauer zu fühlen ...“
 

Nachdem Dawn Shin alles erzählt hatte was sie glaubte, dass er wissen musste, ausgenommen jene Stellen, die ihre Existenz als Jägerin und Schlüssel betrafen, wurde ihr klar, dass sie Shin eines Tages die Wahrheit darüber sagen musste. Auch wenn er ein Dämonenjäger war, und vor kurzem ganz offen mit ihr über seine Familientradition gesprochen hatte, war ihre Geschichte doch eine ganz andere ...
 

Besorgt sah Shin sie an und legte erneut einen Arm um sie. „Entführt ... ? Mein Gott, was war denn mit der los? Da hast du wohl nicht wenig durchgemacht. Aber ich verspreche dir immer für dich da zu sein! Falls da mehr ist, dass du mir erzählen möchtest ...“
 

Er ahnte etwas - ganz bestimmt. Sie konnte es fühlen. Oder bildete sie es sich nur ein? Doch darüber wollte sie jetzt nicht so genau nachdenken. Sie wollte sich einfach in seinen Arm kuscheln und dem Gefühl nachgeben, sich zum ersten Mal seit den letzten Tagen richtig entspannen zu können.
 

„Danke.“, flüsterte sie, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
 

Nach ein paar Minuten fing es an erneut leicht zu regnen. Dawn hob ihren Kopf. „Ich liebe es, wenn ich den Regen höre.“ Sie lächelte ihren Freund an. „Und ich liebe es, hier in deinen Armen zu liegen.“
 

„Ich seh’ das wohl auch so.“, er strahlte und warf Dawn ein zuckersüßes Lächeln entgegen. „Obwohl es jetzt langsam genug geregnet hat.“
 

Dawn konnte nicht anders, als ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Doch diese Sekunde kam ihr so kurz vor, und sie wollte mehr von seinen Lippen schmecken. Aber sie konnte sich nicht rühren, ihr Herz klopfte einfach immer schneller.
 

Shin versank in ihren Augen, und da sie ihm gerade einen Vorgeschmack gegeben hatte, lehnte er sich etwas nach vor, um erneut seine Lippen mit ihren zu vereinen. Wie hatte er sie in den letzten Tagen vermisst ...
 

Für ein paar Sekunden saßen sie einfach nur so da. Doch dann legte Dawn ihre Hände um seinen Hals, und langsam begannen ihre Zungen sich zu erforschen. Er liebte den Geruch ihres Shampoos, und spielte mit ihren Haaren, bis seine Hände langsam ihren Rücken hinunterwanderten.
 

Dawn fühlte dieses angenehme Kribbeln, das seine Zunge und seine Hände verursachten. Er machte sie verrückt nach ihm. Sie hatte keine Ahnung wie lang sie schon so beisammen saßen, und lehnte sich zurück, um vollständig auf dem Bett zu liegen.
 

Ohne ihre Zunge für eine Sekunde missen zu müssen, folgte Shin ihr, und schmiegte seinen Körper an ihren.
 

Dawn wollte mehr von ihm fühlen, und ließ ihre Hände über seinen Rücken streifen. Als sie weiter unten angekommen war, fuhr sie mit ihren Händen unter sein Shirt, und genoss es seine weiche Haut zu fühlen.
 

Dawn ließ Shin einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Es war einfach so unglaublich schön sie zu küssen, sie zu schmecken ...
 

Für eine Sekunde löste Dawn ihre Lippen von Shins, und sah ihm einfach nur in die Augen. Wie von einer oberen Macht gesteuert, zog sie sein T-Shirt hoch, und über seinen Kopf.
 

Mit einer Hand fuhr sie die Konturen seines Oberkörpers nach, während ihre andere Hand noch auf seinem Rücken ruhte.
 

Sie machte ihn nur noch abhängiger. Anstatt sie wieder auf den Mund zu küssen, wanderte sein Mund zu ihrem Hals, und hinterließ sanfte Küsse auf diesem. Währenddessen streiften ihre Hände noch immer seinen Körper entlang.
 

Als er an ihrem Shirt angenommen war, sah er ihr in die Augen.
 

Dawn nickte, und gab sich vollständig seinen Berührungen hin....
 

++++
 

Kennedys Wohnung

Selber Zeit

„Morgen ist der wichtigste Tag in deinem Leben!“, sagte Kennedy, als sie wie ein Feldwebel vor Andrew stand. Zufrieden ließ sie ihren Blick über die Einkaufstüten auf dem Boden schweifen, die mit aller nötigen Kleidung und wichtigen Accessoires vollgestopft waren.
 

Andrew stand wie ein Häufchen Elend vor ihr und versuchte beleidigt die Krawatte etwas zu weitern, da sie ihm fast die Luft abschnürte. Zu seinem Bedauern hatte Kennedy ihm verboten ein Comic Motiv zu wählen, und ihm einen schlichten, schwarzen Schlips ausgesucht. Wenn er genauer darüber nachdachte, wäre so etwas bei James Bond allerdings auch lächerlich gewesen.
 

Kennedy blätterte in ihrem ledernen Terminplaner. „Also, shoppen und beim Friseur waren wir schon, jetzt bringe ich dir bei wie man sich bei Tisch benimmt, und heute Abend werden wir...“
 

„Heute Abend? Heute Abend wollte ich aber mit Warren ins Autokino und das Spiderman Double Feature gucken! Wir müssen analysieren, ob die Szene mit dem Split Screen in der Brille aus Matrix geklaut ist!“
 

Kennedy blieb der Mund offen. „Huh? Hältst du mich denn für bescheuert? Kein Mensch geht in ein Autokino, um sich Filme anzugucken. Meinst du, ich wüsste nicht, was ihr da macht?“
 

Andrew sah sie mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag an. „Huh?“
 

„Ihr guckt den ganzen Liebespaaren beim Rummachen zu und ärgert euch darüber, dass solche nervigen Typen wie ihr es seid, keine Freundinnen abkriegen!“
 

Andrew schaltete von verwirrt auf beeindruckt um. „Wow, du hast aber eine schmutzige Phantasie!“
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, sah sie ihn schockiert an. Es war besser diese Diskussion ein andermal fortzuführen.
 

Nachdem sie die Einkaufstüten in Andrews Armen gestapelt hatte, beorderte sie ihn in ihre Wohnung. Als sie sorgfältig den Esstisch gedeckt hatte, begann Kennedy mit den ersten Erziehungsversuchen.
 

„Also, stell dir einfach vor, du bist James Bond. Kopf hoch, Brust raus, Lächeln. Du hältst die Gabel in der linken Hand und das Messer in der Rechten, so isst man in England. Das Besteck von Außen nach Innen. Und sitz’ gerade ...“
 

Andrew seufzte. „Und das soll ich alles gleichzeitig machen?“
 

„Ja, ja ich weiß schon, ihr seid nicht multi-tasking fähig, weil eure Gehirnhälften nicht richtig miteinander verbunden sind. Deshalb habt ihr auch kein sprachliches Denken und keinen multiplen Orgasmus!“
 

Er sah Kennedy hoffnungslos verwirrt an. „Männer haben keinen multiplen Orgasmus?“
 

„Das muss ich dir jetzt nicht erklären, oder?“, Kennedy rollte mit den Augen.
 

„Heißt das, sie werden davon blind und kriegen Leberschäden?“, fragte er verzweifelt.
 

Kennedy stieß einen Seufzer aus und nahm ihm das Besteck aus der Hand. “So, jetzt proben wir das richtige Trinken!“
 

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Cleveland, Park

Etwas später am Nachmittag

Das Licht einzelner Sonnenstrahlen brach sich in den Pfützen, die nass schillernd den schmutzigen Parkweg überzogen. Die zartgrünen Blätter auf den Bäumen, und die blühenden Krokusse verbreiteten einen Hauch von Frühlingsstimmung, auch wenn die prasselnden Regentropfen und das Gedränge, der durch den Schauer hastenden Menschen so rein gar nichts Frühlingshaftes an sich hatten.
 

Ein kleines Mädchen in einem gelben Regenmantel stand mit ihrer Mutter am Ufer des Teichs und verfütterte Brotreste an die Gänse.
 

Dawn musste über diese Szene schmunzeln. Manche Dinge änderten sich wirklich nie.
 

Heftiges Fußgetrappel riss sie aus ihren Gedanken und im nächsten Moment stieß sie beinahe mit einem tütenbepackten Andrew zusammen, der um die Ecke gerannt kam. “Entschuldigung,“ keuchte er, “Oh, hi Dawn, was machst du denn hier?“
 

“Ich bin auf dem Heimweg.“, stammelte sie. “Ich war bei Shin und jetzt bin ich auf dem Heimweg! Weg von Shin. Zu mir.“
 

“Hast du’s eilig?“, fragte Andrew. “Falls nicht, dort drüben ist ein Café und ich könnte dir ’ne Coke spendieren ...“
 

“Uhm ... das ist lieb, danke, aber ich bin grad’ nicht in Kaffee-mit-Coke Stimmung.“ Sie lächelte vor sich hin.
 

“Willst du lieber ’ne Karotte?“, Andrew zog eine solche aus einer seiner Einkaufstüten. “Haben viel Vitamin A, das ist sehr gesund für die Augen. Ich hab’ gleich ’nen ganzen Packen mitgenommen ...“
 

Er brach ab und blickte Dawn an. Irgendwie schien ihr Lächeln heute strahlender zu sein, als sonst und in ihren Augen lag dieser ganz besondere Glanz. “Du siehst verändert aus.“, stellte der Junge fest, und musterte sie neugierig, doch ihre Kleidung war wie immer. “Neue Frisur?“, versuchte er es vorsichtig.
 

Dawn blickte ihn verwirrt an, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. “Abgesehen davon, dass meine Haare klatschnass sind? Selbe wie immer!“
 

Sie überlegte, wie sie das Gespräch auf ein unverfänglicheres Thema bringen konnte und stellte fest, dass sie das eigentlich gar nicht wollte. Alles in ihr war noch so warm und so hell und sie wollte dieses Licht und diese Wärme solange wie möglich auskosten bevor sie wieder in den Alltag zurückkehrte.
 

Alles hatte sich heute Nachmittag verändert. Auch wenn ihre Probleme dadurch nicht kleiner geworden waren.
 

“Kommst du nicht von selbst darauf?“, fragte sie leise.
 

“Na ja.“, murmelte Andrew verlegen, “weißt du, ich hab’ immer gedacht, dass das nur in Filmen so sei. Dass man hinterher anders aussieht, mein ich ... Und ich hab’ mich oft gefragt, warum so ein Riesenwirbel, um diese eine Sache gemacht wird ... ob sie das eigentlich wert ist.“
 

“Wie meinst du das?“, wunderte sie sich. “Willst du mir jetzt etwa erzählen, der erste Kinobesuch sei ein bedeutenderer Augenblick im Leben eines Mensch?“
 

“Ich denk’ mal, es hängt von jedem Menschen selbst ab, welche Augenblicke in seinem Leben bedeutend sind.“, sagte Andrew, “aber das hab’ ich jetzt gar nicht gemeint. Ich meine, alles hängt immer nur an dieser einen Sache fest, so als ob es nichts Anderes gäbe. Das ist wie beim Essen, es gibt ein Steak als Hauptgericht und alles andere ist nur Vorspeise und Nachtisch und Beilage.“
 

Dawn kicherte: “Ja, genau, und wenn man irgendwann einen Vegetarier trifft, fragt man ihn als erstes: ’Wovon lebst du eigentlich? Ohne Steak wird man doch nicht satt!’
 

Ohne Übergang wurde sie wieder ernst. “Ich hab’ das immer ein bisschen wie eine Pyramide gesehen, wo ein Stein auf dem anderen aufbaut und man geht einen Schritt und noch einen Schritt und irgendwann, wenn man dazu bereit ist, geht man dann den letzten Schritt. Aber es stimmt schon, warum soll es eine Regel für alle Menschen geben, welches der letzte Schritt ist?“
 

“Gibt es ja auch nicht.“, widersprach Andrew, “und wie soll es überhaupt einen letzten Schritt geben, wenn es noch Hunderte anderer Schritte gibt, die man vielleicht bloß deshalb nicht macht, weil man nicht checkt, dass der Weg noch weiter geht?“
 

“Jeder Schritt ist etwas Besonderes.“, Dawn dachte an den Tag zurück, als sie Shin zum ersten Mal bei Cleveland Rides getroffen hatte. Dann die Katastrophe mit dem Ball, und wie lange es gedauert hatte, bis sie sich endlich ausgesprochen hatten. Und schließlich die Teezeremonie und ihr erster Kuss ... und dann...
 

“Du lächelst wie die Monalisa.“, stellte er fest und sie erwachte aus ihrem kurzen Tagtraum.
 

“Es hat alles gepasst.“, hauchte sie leise. “der Zeitpunkt, die Stimmung, einfach alles. Es war etwas Besonderes für mich, für uns beide. Und das nicht nur wegen der einen Sache, wenn du verstehst, was ich meine. Es gab so vieles, das einfach so wunderschön war. Er war bei mir, er hat mich in den Armen gehalten und ich habe...“
 

“Sein Herz klopfen gehört?“, fragte Andrew leise zurück. “Du hast deinen Kopf auf seine Brust gelegt und zugehört, wie es schlägt und dich gefragt, ob es nicht einfach nur ein Wunder ist, dass es jemanden wie ihn für dich gibt, und dass er hier bei dir sein kann ...“
 

“Woher...?“, setzte Dawn überrascht an, doch Andrew unterbrach sie mit erhobener Hand.
 

“Nenn’ es Intuition!“, lächelte er, wandte seinen Blick von Dawn ab und wieder der endlos scheinenden Straße aus Regentropfen und vor Nässe glänzenden Bäumen zu.
 

++++
 

Cleveland,

eine Autobahnbrücke

’Und ich dachte, dir würde etwas an mir liegen.’, der ältere Dämon drehte sich um. Sein Bruder stand hinter ihm, mit weit aufgerissenen Augen, die blutunterlaufen waren.
 

‚Hast du es etwa schon wieder nicht geschafft?’, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er seinen Bruder an. Einige seiner verfaulten Zähne waren abgebrochen, und waren nur noch als Stummel zu erkennen. Dunkelbraunes Blut rann langsam aus seinem Mund.
 

Ohne ein weiteres Wort stürzte sich der Jüngere auf seinen großen Bruder. Er vergaß all den Schmerz, den er durch den Kampf mit den Jägerinnen erlitten hatte. Er verdrängte die Scham, die sich in ihm angesammelt hatte, und den Gedanken, dass er seinen Vater nie würde stolz machen können.
 

Doch sein Schlag ging ins Leere. Sein Bruder stand schon hinter ihm. Schockiert starrte der Jüngere die Wand an.
 

‚Ganz ruhig, mein Kleiner. Denkst du wirklich, dass du mir etwas anhaben kannst? Schade, dass die Jägerinnen nicht herausgefunden haben, wie sie dich hätten töten können. Aber eine dieser zwei Möglichkeiten werde ich gern anwenden.`
 

‚Nein...!’, das durfte doch nicht passieren. ‚Ohne mich kannst du hier erstrecht nicht überleben!’
 

‚Doch, dass kann ich.’, antwortete der Ältere ruhig. ‚Ich habe deinen Kampf doch still und heimlich beobachtet. Ich kenne deine Schwachstellen, und schade, dass sie dir nur das Genick, und nicht sämtliche andere Knochen gebrochen haben.’
 

Im nächsten Moment startete der große Bruder seinen Angriff, um etwas von seiner Kunst zu zeigen. Er stützte sich an der Wand ab, sprang hoch und umklammerte anschließend den Hals seines Bruders mit beiden Beinen. Das Abschütteln war zwecklos, denn langsam verließen den Jüngeren die Kräfte. Auch der Druck auf sein Genick war alles andere als angenehm.
 

Der Ältere grinste, und schleuderte seinen Bruder mit einer Umdrehung hart gegen den Boden.
 

‚Uuh...’
 

Der Jüngere lag kraftlos auf dem Boden. Mit lauten Schritten ging der Ältere auf und ab.
 

‚Wie kann ich dich richtig leiden lassen?’, fragte dieser und packte seinen Bruder an den Schultern um ihn hochzuheben, und ihm von hinten sein Knie gegen den Rücken zu rammen.
 

‚Du bist eine Schande für unsere Familie! Du bist Schuld, dass Vater starb! Und er hat dich beschützt!’
 

Der Jüngere krümmte sich am Boden. Seine ganzer Körper zitterte, und er spürte jedes einzelne Glied. Wenn er überleben wollte, war die einzige Möglichkeit aufzustehen und gegen seinen Bruder anzutreten.
 

Schließlich stand er auf, zuerst wackelig auf den Beinen. Er schaffte es nicht sich ganz aufzurichten, da sein Rücken mit jedem Millimeter, den er sich erhob, mehr schmerzte.
 

‚Glaubst du wirklich, dass du eine Chance hast? Ich glaube, ich sollte deine Lebensenergie sammeln bevor sie endgültig draufgeht.’, sein Bruder lachte höhnisch.
 

‚N-Nein...’, antwortete der Jüngere leise und starrte auf den Boden. ‚Aber ich kann es doch versuchen!’ Im nächsten Augenblick griff er an und schlug auf seinen Bruder ein. Ein paar Mal streifte er ihn sogar. Doch als sein Bruder anfing sich zu wehren, wurde die ganze Sache schon schwieriger. Anstatt nur die Angriffe abzublocken, schlug er belustigt zurück und ein Hauch von Wahnsinn legte sich in seine Augen.
 

‚Können wir endlich mit den Kinderspielchen aufhören?’ Er stoppte einen Fußtritt seines Bruders mitten in der Luft und hielt sein Bein fest. Danach schleuderte er ihn mit einer Hand gegen die Mauer der Autobahnbrücke. Die Autos, die vorbeifuhren, kümmerten ihn nicht.
 

Bevor der Jüngere auch nur seine Augen aufmachen konnte, stand sein Bruder schon in voller Größe vor ihm.
 

‚Noch einen letzten Wunsch?’
 

Doch sein kleiner Bruder hörte ihn nicht mehr.
 

‚Pah, dann eben nicht!’ Er packte ihn am Hals und sog langsam jeden Funken Lebensenergie aus seinem Blutsverwandten. ‚D-Das war’s schon?’, schockiert ließ er seinen Bruder sinken. Anscheinend hatte er etwas zu hart reagiert. Aber immerhin war er selbst durch diese minimale Energie stärker geworden. Stark genug, um gegen diese mickrigen Jägerinnen anzutreten, und endlich die nächste Ebene zu erreichen...
 

AKT4
 

Straßen von Cleveland

Am Abend

“Buffy!”
 

“Dawn.”, die blonde Jägerin fuhr herum, und sah ihre Schwester vor sich stehen, die außer Atem angerannt kam. Bevor sie zum Reden ansetzten konnte, fuhr Buffy fort. “Du weißt dass ich nicht sonderlich einverstanden damit bin, wenn du so leichtsinnig in die verschiedensten Kämpfe ziehst. Auch wenn es sich nur um Kleinzeugs handelt.”, sie hob ihre Hand, in der sie einen Holzpfahl hielt.
 

“Aber Buffy... ich habe es gerade in den Abendnachrichten gesehen. Der Dämon hat ein neues Opfer gefunden,” betreten sah sie auf den Boden.
 

“Anscheinend hatte Giles Recht, und ich habe ihn mit meinem Genickbruch nicht getötet...”
 

“Hör zu... die Polizei glaubt wieder an einen harmlosen Mord, obwohl man vermutet, dass es derselbe Mörder sein könnte wie bei Tiffany und in einigen anderen Fällen, die vor ein paar Tagen.. ”
 

“Was ist.. habt ihr ihn? Den Dämon?”, begeistert rannte Ronah auf die beiden zu, gefolgt von Faith.
 

“Was macht ihr denn hier?”, fragte Dawn, als die vier auf gleicher Höhe waren.
 

“Falsche Straße genommen.”, antwortete Faith knapp.
 

“Du wirst sicher nicht mitgehen Dawn!”, entgegnete Buffy um die Diskussion mit ihrer Schwester wieder aufzunehmen. “Erinnere dich was bei dem Kampf gestern passiert ist.”
 

“Buffy, ich glaube wir zwei sollten dass allein übernehmen.”, sagte Faith, bevor Dawn erneut protestieren konnte.
 

“Aber...”, Ronah sah Faith verwirrt an. Schließlich war Faith bei ihr, und sie hatte ihr nur verboten allein zu kämpfen.
 

“Ronah, ich weiß was in dir vorgeht, aber ich will kein Risiko eingehen.”
 

“Faith hat Recht.”, antwortete Buffy, und nickte den beiden Jüngeren zu. “Vor allem wenn es der Dämon auf Jungfrauen abgesehen hat und nicht speziell auf euch als Jägerinnen.”
 

“Woher wollt ihr wissen, dass ich nicht...,” begann Ronah, wurde aber von vielsagenden Blicken von Buffy und Faith unterbrochen. Sie grinste verlegen und ersparte sich weitere Worte.
 

Dawn sah ihre Schwester beleidigt an. “Ich bin auch eine Jägerin. Ob es dir passt oder nicht. Aber wenn du meinst.”, murmelte sie, und drehte sich auf der Stelle um. Sie rannte in die entgegengesetzte Richtung. Vielleicht würde der Dämon ja ihr über den Weg laufen, dann musste sie kämpfen. Und wenn Giles‘ Informationen stimmten, konnte ihr der Dämon nicht mehr sehr viel anhaben und das wollte sie auskosten. Dank Shin, lächelte sie in sich hinein.
 

“Aber...”, Buffy war verwirrt. “Was sollte das jetzt wieder?”, rief sie ihr nach, aber bekam keine Antwort. “Ich hoffe sie geht nach Hause...”, murmelte sie in sich hinein.
 

“Ronah...”, Faith sah ihr in die Augen. “Geh nach Hause.”
 

Doch bevor sie antworten konnte wurde die restliche Stille der Nacht von einem lauten Schrei durchschnitten. Dawn....
 

Ohne eine Sekunde zu warten setzte Buffy zum Sprint an, und versuchte die Richtung aus der der Schrei kam ausfindig zu machen. Der Schrei ihrer eigenen Schwester ging ihr durch Mark und Bein.
 

‚Wen haben wir denn da?’, fragte der ältere Dämon belustigt, als er direkt vor Dawn auftauchte, und seine Faust ein paar Millimeter vor ihrem Gesicht zum Ruhen kam. ‚Hey, Zu faul mir zu antworten?’
 

Der Kodakan Dämon fixierte sie mit den Augen. Dawn starrte ihn an. Er war größer und furchterregender als jener, den sie gestern getroffen hatte. Es gab also zwei.... oder wie viele noch?
 

‚Mach dir keine Sorgen. Um meinen Bruder habe ich mich längst selbst gekümmert... es gibt jetzt nur noch mich.’ Seine Augen waren kalt und drückten Grausamkeit aus, und durch die Straßenscheinwerfer war zu erkennen, dass einige Narben auf seinem Körper prangten. Ein Teil seiner Kopfhaut wies große Brandspuren auf.
 

“Du kannst nicht mehr so einfach mit mir spielen!”, die junge Jägerin ließ sich leicht nach hinten fallen, stützte sich mit ihren Händen am kalten Asphaltboden ab, und schlug mit einem Fußtritt seine Faust weg. Doch der Dämon zog rechtzeitig seinen Arm zurück, sodass Dawn nur seine Fingerknöchel traf. Er grinste.
 

Mit der anderen Hand packte er ihren Fuß, und schleuderte sie wie seinen Bruder ein paar Meter weiter. Kurz bevor Dawn gegen einen Laternenpfahl schlug, schützte ihre Schwester sie mit ihrem eigenen Körper, und wurde selbst gegen den Pfahl geschleudert.

“Uh...”
 

“B-Buffy?”, nachdem sie von ihrer Schwester vor erneuten Schmerzen gerettet wurde, verlor sie ihr Gleichgewicht, und fiel wieder auf die Straße.
 

“Wenn du glaubst dass ich nicht schneller als du rennen kann, hast du dich geschnitten!”, Buffy lächelte trotz der Schmerzen. Es war kein guter Start für einen Kampf gegen diesen Dämon. Er war bereits einige Schritte näher gekommen, doch auch Faith und Ronah waren bereits am Kampfort eingetroffen.
 

“Das ist ein anderer,” stöhnte Dawn. “Wir hatten gestern die Ehre mit seinem Bruder,” erklärte Dawn weiter.
 

‚Welche nehm’ ich mir jetzt?’, fragte sich der Dämon, und musterte eine nach der anderen. Er erkannte Ronah, die seinen Bruder allein nahezu fix und fertig gemacht hatte. Egal ob er eine von den starken oder von den Schwächeren wählte, eine würde reichen, um die Stufe nach oben zu steigen. Und zwar eine nach der anderen. Aber was er wollte, war die unbefleckte, reine Lebensenergie.
 

‚Der sieht aber nicht gerade freundlicher als der Letzte aus.’, dachte sich Ronah, und ihr wurde klar, dass der Holzpfahl ihr nicht viel nützen würde.
 

‚Jägerin!’, der Dämon grinste Ronah an. Diese würde ein leichtes Opfer werden, und ihm Unmengen an Energie schenken. Vorerst waren die anderen uninteressant. Er konnte ihre Gedanken lesen, und das hieß dass sie ein gefundenes Fressen war.
 

Erschrocken zuckte Ronah zusammen. “Habt ihr das auch gehört?”
 

“Was denn?”, fragte Dawn besorgt, als sie sich wieder aufgerappelt hatte, und Buffy half das Gleichgewicht zu bewahren.
 

”Diesen verdammten Dämon!”
 

Im nächsten Augenblick war der Dämon hinter ihr aufgetaucht, und schlug ihr mit einer Faust ins Genick. Ronah fiel nach vorn, doch bevor sie auf dem Boden aufschlug, trat der Dämon mit voller Wucht erneut schräg gegen ihren Hals, und um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen sprang er hoch, und versenkte seine spitzen Ellbogen direkt in Ronahs Schlüsselbeinen.
 

Bevor er sich über seine gezielten Schläge freuen konnte, stand Faith direkt vor ihm, bereit zum Schlagabtausch. Ohne eine Sekunde zu warten rammte sie ihm ihr Knie direkt in den Magen, und als der Dämon für einen kurzen Moment nach vorn kippte, schlug sie ihm mit ihrem Ellbogen schräg ins Genick. Er durfte Ronah nichts antun, nicht nachdem was mit Vi passiert war. Er hatte kein Recht dazu, aber er hatte die Bestimmung zu sterben. Genauso wie Lily, genauso wie jeder andere der Ronah oder einem anderen ihrer Freunde etwas antun wollte.
 

Nachdem sie kurz von ihm abließ, taumelte er ein paar Meter zurück, doch die Jägerin rannte erneut auf ihn zu. Mit Schwung trat sie ihm in den Oberkörper, und brachte ihn zu Fall. Ohne dass er reagieren konnte, sprang sie auf seinen Bauch, und schlug ihm mit ihren Fäusten direkt ins Gesicht. Bei jedem Schlag konnte sie hören wie seine Zähne in Einzelstücke zerbrachen, und seine zerfranste Lippe aufquoll, und platzte.
 

Zufrieden rammte sie ihre Fäuste weiter gegen ihn, doch als sie das nächste mal ausholte, stellte sie erschrocken fest, dass der Dämon ohne Mühe ihre beiden Unterarme gepackt hatte. All die mobilisierten Kräfte stockten in dieser einen Sekunde die Faith vorher heraufbeschworen hatte, um sich endlich an jemandem zu rächen, auch wenn sie es nicht schaffen würde das Gesicht von Lily an seinen Kopf zu tackern.
 

Er schleuderte sie nach hinten, jedoch nicht ohne weiter ihre Arme festzuhalten. Am liebsten würde er sich noch länger mit ihr beschäftigen, und ihre Angriffe einstecken, doch vielleicht würde sein wahres Opfer dann schon längst verschwunden sein.
 

Er ließ Faith‘ Unterarme los, und trat über die Jägerin. Mit einem weiteren Grinsen trat er genüsslich auf ihre Hände, bis sie anfing sich zu winden, und sich langsam die Haut aufwetzte. Er drehte seinen Kopf, und verfolgte Ronah mit seinen Augen. Buffy und Dawn hatten sie wieder auf die Beine gebracht. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Um Faith für ein paar Minuten außer Gefecht zu setzten packte er sie erneut an ihren Armen, und trat ihr mit seinem Knie immer wieder gegen den Kopf. Sie konnte förmlich fühlen wie ihre Nase splitterte. Warmes Blut schoss aus ihrer Nase, und verteilte sich auf dem Boden und dem Körper des Dämons. Die Versuche der Jägerin sich aus seinen Fangen zu befreien waren zwecklos. Immer bevor sie ihn wegtreten wollte, war er bereits ausgewichen. Nachdem sie das Gleichgewicht verlor, und leicht nach hinten fiel, lies er sie mit einem Arm los, und schlug ihr mit diesem immer weiter ins Gesicht, nicht ohne sie mit seinen Füßen weiter zu treten.
 

Um dem ganzen ein Ende zu bereiten, schleuderte er sie mit Wucht auf den Boden, und rammte ihr seinen Ellbogen in den Bauch. Sie spuckte Blut, und verlor dass Bewusstsein.
 

Ohne eine Sekunde zu warten rannte er auf die restlichen drei zu. Er sprang hoch, hielt sich mit seinen Händen an Ronahs Schultern fest, und trat Buffy und Dawn mit seinen Beinen direkt in den Oberkörper. Durch den Aufprall wurden beide nach hinten geschleudert. Mit einem lauten Krachen landete Dawn in einem Gestell einer Feuerleiter, und Buffy wurde gegen ein paar Mülltonnen geschleudert. Allein durch das Geräusch war die Alarmanlage eines nicht weit entfernten Autos losgegangen. Doch ohne sich darauf zu konzentrieren winkelte der Dämon seine Beine an, und drückte damit gegen Ronahs Hals.
 

Sie rang nach Luft, doch nachdem er den Druck verstärkte, war nicht einmal mehr das anfängliche Husten zu hören. Lediglich ein Keuchen drang durch ihre Lunge.
 

‚Ich muss etwas tun!’, schoss ihr durch den Kopf.
 

‚Du kannst nichts tun. Ich werde dich töten, ich werde dir jeden Funken Energie aussaugen, und du wirst leiden!’, antwortete der Dämon, und lachte höhnisch.
 

Seine Stimme hallte immer wieder in Ronahs Kopf, und langsam bekam sie Panik. Sie war doch eine Jägerin, wieso sollte sie sich nicht richtig wehren können? Sie würde Faith beweisen dass ihre Sorge umsonst gewesen war.
 

Sie sammelte ihre Kräfte um sich dann mit Wucht nach hinten zu schmeißen, und dem Dämon sein Gleichgewicht zu rauben.
 

Dieser stellte erschrocken fest, dass Ronah schneller gehandelt hatte, als er ihre Gedanken lesen konnte. Diese hatte aber dennoch keinen Vorteil im Kampf daraus gezogen.
 

‚Na warte!’, das reichte. Schon vom Kampf mit der anderen Jägerin war er wütend geworden, und diese konnte er doch mit Links besiegen. Er würde dem ganzen schnell ein Ende bereiten. Bevor Ronahs Atem sich wieder beruhigt hatte, packte er sie mit einer Hand am Hals und hob sie hoch. Mit letzter Kraft schrie sie so laut sie konnte, doch nach wenigen Sekunden verstummte ihre Stimme.
 

‚Es war schön euch minderwertige Wesen gekannt zu haben!’, ertönte die Stimme des Dämons in Ronahs Kopf, gefolgt von einem hysterischen Lachen.

Das Ringen nach Luft war zwecklos, und mit der kleinsten Bewegung versiegte der restliche Sauerstoff der sich in ihrem Körper befand. Langsam fühlte sie sich viel schwächer als sie eigentlich war. Ronah verlor jegliches Gefühl in ihren Gliedmaßen. Doch sie spürte, wie der Dämon mächtiger wurde. Mächtiger als die Ausgabe die Faith besiegt hatte.
 

Nach ein paar Sekunden verschwamm die Gegend, die Lichter der Straßenlaternen wurden unklar, und ihr Blick fiel auf Faith’ Körper der am Boden lag. Ronah fühlte dass ihre Panik überhand nahm. Doch dann hatte sie keine Kraft mehr, ihre Augen offen zu lassen.
 

Siegessicher hob der Dämon ihren Körper noch etwas höher, um sein neues Opfer der ganzen Welt zu präsentieren. Er konnte förmlich fühlen wie ihre Kraft in seinen Körper überging, und seine Muskeln vibrierten.
 

Doch im nächsten Augenblick konnte Ronah ihre Rettung hören. Auch wenn sie nur leise in ihrem Kopf ankam. Mit einem lauten Schrei rannte Buffy auf den Dämon zu, auch wenn ihr insgeheim klar war, dass er sie nicht hören konnte. Mit dem gleichen Angriff wie er vorhin Ronah das erste mal richtig außer Gefecht gesetzt hatte, schlug sie auf ihn ein, und rammte ihre Ellbogen in seinen Körper.
 

Auch wenn sie es nicht gerade gern sehen wollte, konnte sie den Dämon nur mit der Hilfe einer weiteren Jägerin besiegen. Nachdem der Dämon im Überraschungsmoment seinen Griff lockerte, rannte auch Dawn auf ihn zu, sprang hoch, und traf mit einem geschickten Fußtritt seinen Arm. Doch kurz nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, packte der Dämon erneut fester zu. In seinem inneren wurde er wahnsinnig, wenn er nicht bald den Rest seiner Energie bekam.
 

Als Buffy ihn von hinten mit Schlägen eindeckte, versuchte er sie einfach abzuschütteln. Doch als sie erkannte das Faustschläge nichts halfen, umklammerte sie seinen Körper mit ihren Beinen, und rammte ihm ihren Holzpfahl in den Rücken. Ein Gefühl von Schmerz kroch durch seinen Körper als sie immer wieder von vorn begann, und ihr schwarzes Blut entgegen spritzte. Sie löste sich von seiner Gestalt, und rammte ihm ohne Pause Fußtritte von der Seite schräg in den Magen, während Dawn noch immer mit seinem Arm beschäftigt war. Mit einem weiteren Schlag schaffte die junge Jägerin es, seinen Griff entgültig zu lockern und Ronah zu befreien.
 

Während Buffy nachdem sie von ihm erneut zurück geschleudert wurde wieder auf ihn zu rannte, nutzte Dawn die Zeit um sich an ihm für den letzten Kampf mit seinem Bruder zu rächen. Nacheinander schlug sie ihre Fäuste gegen seinen Magen. Sie drehte sich, und landete mit voller Kraft einen Treffer mit einem Fußtritt, den sie gekonnt auf seinen Oberkörper ansetzte. Nicht ohne sich zu wehren. Der Kodakan Dämon setzte zum Gegenangriff an, und nachdem er einige Schläge von Dawn geblockt hatte, holte er mit seiner Faust aus, und traf sie an der Schulter. Doch Dawn hatte sich bereits geduckt, um Buffy besseren Einstieg für ihren Angriff zu gewähren. Ihre Schwester sprang mitten im Lauf hoch, und trat ihm in den Oberkörper. Für kurze Zeit verlor er das Gleichgewicht, und nachdem Buffy sich an ihm festhielt, rammte sie ihre Fäuste gegen sein Gesicht, dass noch Spuren von Faith’ Angriff aufwies.
 

“D-Dawn!”, rief Ronah, als sie wieder genug Kräfte gesammelt hatte, und es geschafft hatte zu Faith zu gelangen. Mit letzter Kraft hob sie ein Messer hoch, das Dawn im schlechten Licht zuerst nicht erkannt hatte. Da Buffy mit dem Dämon beschäftigt war, holte sie sich die Waffe. Mit einem lauten “Buffy!”, machte sie ihre Schwester auf sich aufmerksam, und warf ihr das Messer zu.
 

“Wir haben hier leider keine Kühlbox, also werde ich dir dein Herz leider herausreißen müssen!”, schrie diese, und nahm das Messer so in die Hand, um ihm dieses in die Schulter zu rammen. Er stolperte nach hinten, und mit einem lauten Krachen landeten beide in ein paar kaputten Holzkisten. Ohne es zu bemerken waren beide an einer baufälligen Häuserwand angelangt, nicht weit von der Feuerleiter entfernt.
 

Der Dämon starrte sie verwirrt an. Er war nicht auf diesen Verlauf des Kampfes eingestellt gewesen. Er versuchte sie abzuschütteln, doch dass half nichts. Im nächsten Moment packte er ihren Hals. Auch wenn sie unrein war, um sich zu retten würde er alles in Kauf nehmen... ‚Nur noch etwas Energie für meine Perfektion!’
 

Buffy rang nach Luft, und ein Gefühl von Übelkeit baute sich auf. Auch wenn für einen kurzen Moment ihre Kräfte sanken, zog sie das Messer aus seiner Schulter, und stach ihm damit immer wieder in seine Arme. Nach ein paar weiteren Messerstichen hingen einige Hautfetzen von seinen Armen, und das Blut hatte sich auch auf Buffy‘s Körper verteilt. Doch dieser Angriff zeigte Wirkung, und sein Griff lockerte sich erneut.
 

Um sich vollkommen aus seinen Fängen zu befreien, verlagerte Buffy ihr Gewicht nach hinten, und stand nun über ihm. Bevor er sich auch aufrichten konnte, schleuderte sie das Messer in seinen Oberkörper. Für einen kurzen Moment stockte er, und spuckte immer wieder Blut. Nachdem sie ihn so von sich abgehalten hatte, kniete sie sich erneut auf seinen Körper.
 

Da ihr Messer sich schon in seinem Oberkörper befand, packte sie es, und zog es mit aller Kraft nach unten. Das Blut das aus diesem Schnitt quoll, klebte nun an ihren Händen.

Wenn sie daran dachte, dass sein Blutsverwandter ihre Schwester angegriffen und verletzt hatte, bauten sich in ihrem Körper noch mehr Kräfte auf. Faith wäre fast draufgegangen, und sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass er wieder aufstand, und erneut ein Opfer auswählen würde.
 

Immer wieder schlitzte sie mit dem Messer seinen Oberkörper auf, bis sie durch das ganze Blut nichts sehen konnte. Sein ganzer Körper war von Maden zerfressen, und warf ihr einen bestialischen Gestank entgegen. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, rammte sie das blutbeschmierte Messer ein letztes Mal in seinen Körper. Für einen kurzen Moment, eine einzige Sekunde, konnte sie seinen schmerzerfüllten Schrei hören, der ihr das Blut in den Adern gefrieren lies. Es erinnerte sie an Faith, als sie trotz seines Todesschreis noch einmal mit voller Wucht in seinen Oberkörper stach.
 

Außer Atem kippte sie leicht nach vorn. Angeekelt vom Gestank richtete sie sich dann aber auf, und ging mit wackeligen Beinen auf ihre Schwester zu, die sie die ganze Zeit über beobachtet hatte. Sie hatte das Messer bei ihm gelassen, und wischte sich nun die Überreste seines Bluts von ihrer Handfläche. Danach half sie Dawn auf.
 

Die beiden stolperten in Richtung von Ronah und Faith, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, nur mit einem siegerischen Lächeln auf den Lippen, hoben Buffy und Dawn Faith hoch, um sie nach Hause zu bringen. Insgeheim hofften sie, dass ihre Verletzungen nicht zu schwer waren, aber immerhin war sie eine Jägerin, und sie würde im aussichtslosesten Kampf um ihr Leben kämpfen. Auch wenn ein Todeskampf damit gemeint war.
 

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Straßen von Cleveland /

Ratsgebäude

Sie hatten Dawn nach Hause gebracht und von dort aus Robin angerufen, damit er wusste, was auf ihn mit Faith zukam. Buffy hatte darum gebeten, dass er Willow und Xander informierte. Vielleicht würden sie ja in die Ratszentrale kommen und sie ein bisschen vom Geschehen ablenken. Sie wollte verdrängen, dass ihr der Kampf nahe ging. Außerdem machte sie sich sorgen um Faith, die es seit der Bombe nicht mehr so schwer erwischt hatte.
 

Buffy hatte auch das Gefühl, dass sie dringend mit ihren beiden Freunden über ein paar Dinge reden musste, die sie nicht mehr länger vor sich herschieben wollte.
 

Robin stand auf der Strasse und erwartete sie ungeduldig. Er kam sofort auf sie zugerannt und wollte wissen, wie es allen ging... obwohl seine größte Sorge natürlich Faith galt. Sie klärten ihn über den Kampf und dessen Ausgang auf, während sie Faith um das Gebäude zum Wohnwagen trugen.
 

“Ich schau mal bei Giles rein,” entschuldigte sich Buffy leise, als sie das Gefühl hatte zu stören.
 

Niemand hielt sie zurück und an der Hintertür angelangt fand sie diese überraschend unverschlossen. Eine alte Angewohnheit von Giles...
 

Sie sah ins Büro, doch das lag einsam und dunkel vor ihr. Ein Geräusch aus dem Konferenzraum ließ sie dort nachsehen. Verwundert sahen Xander und Willow in die Richtung der Tür, als Buffy in ihr Blickfeld rückte.
 

“Hallo Buffy! Geht’s dir gut? Was macht Faith,” Willow kam auf ihre Freundin zu geeilt. “Wir haben gehofft, dass du noch vorbeischaust.”
 

“Du gehörst ins Bett,” mahnte Xander. Hat dir der Kampf nicht genug Kräfte geraubt?”, fragte er, als sie ein paar Schritte näher kam.
 

“Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich einfach nur reden. Es schien mir sinnvoller, als mich in mein Bett zu legen und seelenruhig zu schlafen, als hätten wir nicht gerade zu viert einen gewaltigen Dämon ums Eck gebracht.”
 

“Bist du dir da sicher?”, Willow lächelte, und folgte der Freundin zurück an den Tisch.
 

Buffy nickte. “Sicher. Ihr seid wirklich nur wegen mir noch hier?” Sie lehnte sich auf die Tischkante neben Xander.
 

“Eigentlich hatte ich Giles versprochen noch ein paar Recherchen zu tätigen. Da konnte ich auch noch ein paar Minuten länger bleiben,” Willow gähnte. “Ich bin das Nachtarbeiten ja schon gewohnt, auch wenn der Kaffee mit der Zeit etwas langweilig schmeckt.” Unmotiviert schüttete sie das braune Gebräu in ihre Tasse.
 

“Und mich hat Robin aus dem Bett geklingelt,” gestand Xander. “Aber was tut man nicht alles für seine liebste Buff.”
 

Buffy sah ihn kurz zweifelnd an. Ein böser Gedanke stellte sich ein: ‚Schleimer’. Erst bei Giles petzen... halt.. sie wollte nicht anfangen kindisch zu werden, sondern sich lieber darüber freuen, dass sie beide auf sie gewartet hatten – wie früher. “Eigentlich könnte ich auch irgend etwas koffeinhaltiges vertragen,“, antwortete Buffy, und blickte über Xanders Schulter, der durch ein Buch mit kryptischen Buchstaben blätterte. „Es ist gut, dass ihr hier seid. Ich wollte mit euch reden.“
 

“Oh, über was denn?”, fragte Willow mit keiner guten Vorahnung, als sie sich wieder auf ihren Sessel setzte, und die Tasse auf den Tisch stellte.
 

“Nun darüber, dass ihr beide vor mir wusstet, dass meine Schwester eine Jägerin ist.” Buffy sah Willow durchdringend an, und Xander drehte sich um. “Es ist einfach nur so... so schockierend, dass Dawn es zunächst einmal jemanden anderem anvertraut hat, als damit zu ihrer eigenen Schwester zukommen.”
 

“B-Buffy...es ist anders als du denkst. Es war schwer für Dawn es mir zu erzählen. Und ich war mir selbst bei meinen Vermutungen über sie nicht sicher, bis es sich nach einiger Zeit bestätigte....”, antwortete Willow.
 

Buffy schüttelte uneinsichtig den Kopf. “Wäre es so schwer gewesen, es mir direkt zu erzählen? Außerdem warst du ja nicht die einzige, die davon erfahren hat Willow! Oder Xander?”, nun sah sie ihren besten Freund an.
 

“Sie hat es mir nicht erzählt Buffy. Ich habe es erst erfahren, als ich es mit meinem magischen Auge gesehen habe, ich wollte es nicht wissen.”, antwortete er ruhig, nachdem er seinen Stuhl in ihre Richtung gedreht hatte.
 

Buffy blickte ihn düster an. Kurz musste sie daran denken, dass Giles von ihrem Abkommen mit Willow über Xander erfahren hatte. Kein netter Zug von ihrem Freund, wenn sie es sich genauer betrachtete. Aber früher oder später hätte sie es vielleicht Giles selbst erzählt. So war ihr das unangenehme Geständnis erspart geblieben. Es war ja nichts schlimmes gewesen, nur eine reine Vorsichtsmassnahme gegen Lily und im Gespräch mit dem Wächter hatte Buffy erleichtert feststellen können, dass er nicht wirklich böse auf sie war. Darum konzentrierte sich die Jägerin lieber wieder auf die Sache mit Dawn. Diese war ihr erheblich wichtiger:

“Und du hast nicht einen Moment daran gedacht, diese Information an mich weiterzuleiten?”, Buffys‘ Stimme wurde etwas lauter. Sie musste sich eingestehen, doch nicht so einfach damit fertig zu werden.
 

“Buffy, ganz ruhig. Dawn wird schon ihre Gründe gehabt haben es dir nicht zu erzählen!”, entgegnete Willow, bevor sich Xander verteidigen konnte.
 

“Natürlich hatte sie die. Wir haben geredet. Aber es geht hier nicht um Dawn und das sie mich belogen hat. Jetzt geht es nur um euch und mich!” Buffy erhob sich von der Tischkante, und ging langsam auf und ab, ohne ihren Freunden in die Augen zu sehen. “Ich bin ihre Schwester! Ich hätte die erste sein müssen die es erfährt, und nicht du Willow. Oder du, Xander!” Sie verschränkte ihre Arme.
 

Die Hüterin suchte nach den richtigen Worten, aber sie fand sie nicht. Nachdem Giles ihr zuletzt den schwarzen Peter zuschieben wollte, würde es denn heute auch so sein? Was konnte sie dafür, dass Dawn es Buffy nicht erzählen wollte.
 

“Gibt es denn noch etwas, das ich vielleicht wissen sollte?”, Buffy funkelte sie an.
 

“Ich bin mir nicht einmal sicher ob ich die erste war, die es erfahren hat.”, antwortete Willow, und versuchte ruhig zu klingen. “Andrew und Lily wussten es genauso.”
 

Schockiert sah Buffy sie an. Sie wollte sich einreden, dass es das dämmrige Licht war, das ihre Augen langsam glasig werden ließ, aber es war ihre Traurigkeit, die sie nur mit Wut überspielen wollte. Mit einer Hand ballte sie eine Faust, mit der anderen fuhr sie sich durchs Haar, nicht ohne weiter auf und ab zu gehen, und auf den Boden zu sehen.
 

Ihre Schwester vertraute diesem...diesem Freak und dieser Möchtegern-Wächterin mehr als ihr?
 

“Jeder außer mir wusste es. Heißt das jetzt, meine kleine Schwester vertraut euch mehr als mir?“ Buffys Stimme zitterte.
 

Weder Willow noch Xander konnten ein Wort sagen, und folgten wie gebannt Buffys Schritten, die den Holzboden noch lauter klingen ließ.
 

“Meine Güte, Willow. Xander... fast wäre Dawn durch ihre und eure Leichtsinnigkeit fast erneut umgebracht worden!” Mit Tränen in den Augen sah sie ihre besten Freunde an.
 

“Ich weiß...,“ begann Willow zögernd und ruhig. „Aber schau...“, ihr gingen die Worte aus und sie sah hilfesuchend zu Xander.
 

„Buffy, es geht doch nicht darum, welches Vertrauen wir oder sie dir entgegengebracht haben Buffy. Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich selbst überrascht war, und ich es für besser gehalten habe, dass Dawn es dir selbst erzählt, was sie aber nicht getan hat,“ erklärte Xander. “Wir sind genauso ihre Freunde wie die deinen. Sie hat ein Recht darauf sich die Person auszusuchen, mit der sie im Vertrauen reden möchte. Versteh das doch!”
 

“Dawn wollte einfach nur Dawn sein, und nicht offiziell durch die Gegend rennen und Vampire jagen. Es gibt Tausende Jägerinnen auf der Welt, und sie hat dir nun einmal angemerkt, dass das Ganze nicht so einfach an dir vorbeigezogen ist. Du bist nun einmal nicht mehr die einzige Jägerin auf der Welt, und nun leider auch nicht mehr die einzige in eurer Familie..”, entgegnete Willow und stand auf. “"Es tut mir leid, dass es so offensichtlich ist, aber du wirst es akzeptieren müssen..."
 

Buffy schüttelte unter Tränen den Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Ihre besten Freunde sahen nicht ein, dass sie sich verletzt und übergangen fühlte. Das hatte doch nichts damit zu tun, dass sie nicht mehr die Nummer eins war. Nein wirklich nicht...
 

“Vielleicht reden wir ein anderes Mal in Ruhe darüber,” schlug Xander vorsichtig und leise vor. “Wenn du dich vom Kampf erholt hast. Okay?”
 

“Okay,” flüsterte Buffy und war dankbar, dass wenigstens einer von ihnen seinen kühlen Kopf bewahren konnte. Vielleicht sah sie alles zu eng, vielleicht auch nicht. Möglicherweise waren ihre Gefühle vollkommen in Ordnung, andererseits... konnte man es ihr wirklich übel nehmen? Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie sich um, und war auf dem Weg Richtung Tür. Vielleicht musste sie wirklich einfach damit fertig werden...
 

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Cleveland, Schulbus

zur selben Zeit

“Wie lange wird sie noch bewusstlos sein?” fragte Ronah, während sie Faith’ Stirn langsam mit einem feuchten Tuch abwischte.
 

“Sie wird sicherlich Morgen wieder wach sein..” antwortete Robin, der ebenfalls besorgt zu Faith sah.
 

Die dunkelhaarige Jägerin war mit Wunden übersät und aus irgendeinem Grund hatte sie starkes Fieber.
 

“Ich denke das liegt an den Jägerinnenkräften in ihr..” flüsterte Robin, während er sich auf einen der Stühle setze und Ronah beobachtete, wie sie Faith’ Decke weiter nach oben schob, und sich dann neben ihn setzte.
 

“Wir sind heute Nacht fast gestorben.. sie hat mir das Leben gerettet..” flüsterte Ronah, als sie sich setze, und traurig zum Bett der Jägerin sah.
 

“Wenn Faith heute Nacht nicht dabei gewesen wäre, wäre ich drauf gegangen.. ich.. ich kann das einfach nicht glauben..” Tränen bildeten sich in den Augen der jungen Frau, und sie begann zu schluchzen, als der Wächter seinen linken Arm um ihre Schultern legte und sie fest an sich heran drückte.
 

“Faith wird es Morgen schon wieder besser gehen.. du wirst es sehen..” sagte er leise, und er hatte auch keine Zweifel daran. Klar sah Faith zur Zeit schrecklich aus, aber sie war eine Jägerin. Sie würde Morgen zwar noch keine Saltos schlagen, aber das Schlimmste würde sie hinter sich haben.
 

Er konnte nur nicht glauben, dass Faith und Ronah heute Nacht fast gestorben waren.. er hätte sie beinahe verloren, und irgendwie schien Faith die große Gefahr geahnt zu haben. Waren diese Träume mit dieser Eve, von der sie ihm erst gestern erzählt hatte, etwa richtige Visionen?
 

Ronah schluchze ein weiteres Mal, und er drückte sie wieder an sich, während er Faith besorgt anblickte.
 

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Kennedys Wohnung,

nächster Vormittag

Während Kennedy versuchte Willows Unterwäsche in ihrem Schrank zu verstauen, saß Andrew im Wohnzimmer und war dabei, sich mit einem Filzstift Notizen in seine Handinnenfläche zu schreiben. Sein neuer Anzug saß perfekt, und durch das Gel, das Kennedy ihm vorher in die Haare geschmiert hatte, war so gar nichts von dem Haarwirbel zu sehen.
 

„Ich bin ein ganz normaler Junge! Ich bin kein Geek! Ich bin ein normaler Junge und ich bin mit einem Mädchen verlobt. Weil das nämlich normal ist, jawohl. Normale Menschen sind... „
 

„...heterosexuell. Weil das nämlich normal ist. Ich bin ein ganz normales Mädchen und bin mit einem Jungen verlobt. So gehört sich das!“ Während Andrew ein Gespräch mit dem Wohnzimmerspiegel führte, stand Kennedy vorm Waschbecken im Bad.
 

Mit einem lauten Krach zuckte Kennedy zusammen. Andrew hatte anscheinend irgendetwas umgeschmissen. Als sie einen Blick aus dem Badezimmer warf, konnte sie Andrew im Wohnzimmer sehen, der eine Vase in der Hand hielt, und grinste. Anscheinend war das Material so stark, dass nichts zerbrochen war. Kennedy rollte mit den Augen. Hoffentlich würde so etwas nicht auch passieren, wenn ihre Eltern kamen.
 

Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn im nächsten Moment läutete es an ihrer Tür.
 

Erneut zuckte sie zusammen. Sie warf ein gespieltes Lächeln auf, und zog Andrew mit sich.
 

Als sie die Tür öffnete, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter, als hätte sie nicht realisiert, dass ihre Eltern zum Besuch kamen.
 

„Herzlich Willkommen!“, ließ Kennedy betont fröhlich verlauten, und stieß Andrew mit ihrem Ellbogen in die Rippen.
 

„Ja, Herzlich Willkommen“, er lächelte. “Mein Name ist Wells. Andrew Wells.“
 

Mit einem Nicken trat ihr Vater ein, mit seiner Frau im Arm. Zuerst musterte er Andrew, nicht ohne darauf zu achten, ob die Bügelfalten seines Anzugs exakt waren. Anschließend ließ er seinen Blick durch die Wohnung schweifen, während ihre Mutter sich einen Augenblick länger die Zeit nahm Andrew zu mustern, dem langsam aber sicher der Angstschweiß auf die Stirn trat.
 

„Ich glaube, unser Mädchen hat ihr Geld gut investiert, nicht wahr Schatz?“, fragte er seine Frau, die es ohne Widerspruch bejahte.
 

„Wollt ihr uns denn nichts anbieten?“, fragte Kennedys Mutter leicht pikiert.
 

„Uhm, ja! Folgen Sie mir bitte.“, Andrew verstand sein Stichwort, und drehte sich auf der Stelle um. Mit lauten Schritten ging er ins Wohnzimmer wo sie einen Begrüßungschampagner bereitgestellt hatten. Bevor Andrew in der Tür verschwunden war, hakte sich Kennedy bei ihm unter, und mit einem Seufzen verschwand ihr Dauerlächeln, das sofort wieder erschien, als ihre Eltern ebenfalls eintraten.
 

Mit einem perfekten Handgriff öffnete Andrew die Flasche, ohne einen Tropfen der Flüssigkeit zu verschütten, und füllte drei der Gläser. „Aber...“, flüsterte Kennedy, bevor sie schockiert feststellte, dass Andrew plötzlich eine Packung Apfelsaft in der Hand hielt, und das letzte Glas für sich einschenkte.
 

„Ich trinke keinen Alkohol, das ist schlecht für die Leber!“, entgegnete Andrew, als Kennedy ihn mit offenem Mund anstarrte, und ihre Eltern ihn ebenfalls musterten.
 

„Das lobe ich mir, mein Herr!“, antwortete Kennedys Vater mit einem Lächeln, und Kennedy selbst fiel ein Stein vom Herzen.
 

Um ihre Eltern von ihrem Glück zu überzeugen, legte sie Andrews Arm um ihre Taille. Dieser ruhte nun schwer auf ihr, und Kennedy wurde klar wieso sie Frauen bevorzugte.

Als Andrew die peinliche Stille durchbrechen wollte, in der sich alle nur ansahen, stellte er schockiert fest, dass sich seine Notizen durch die Kälte und Feuchtigkeit der Gläser in unleserliche Buchstaben verwandelt hatten.
 

Plötzlich öffnete sich mit einem Quietschen die Tür. „Hallo mein Schatz!“, war laut vom Eingang zu hören, und Kennedy stellte schockiert fest, dass Willow im Türrahmen stand.
 

Verblüfft flogen die Blicke der Eltern zwischen ihrer Tochter und der fremden, jungen Frau hin- und her. Was war denn hier los?
 

Willow schluckte heftig. Natürlich, Kennedy’s Eltern waren heute zu Besuch. Wie hatte sie das vergessen können? Was hatte sie da jetzt nur angerichtet?
 

“Schatz, ich kann dir alles erklären!“ Andrew fiel vor Kennedy auf die Knie und nahm ihre Hand. “Es war nur ein One-Night-Stand, nichts weiter. Sie bedeutet mir nichts, überhaupt nichts. Du weißt, dass ich nur dich liebe!“ Er setzte seinen Unschuldsblick auf.
 

“Du hast mich betrogen!“ Fieberhaft ging Kennedy alle Seifenopern durch, die sie irgendwann in ihrem Leben gesehen hatte. Eine theatralische Szene war jetzt angebracht, und ach ja, richtig, die Ohrfeige!
 

“Du Schuft!“ schrie sie, sprang von ihrem Platz auf und klebte ihm eine, wobei sie natürlich wieder mal ihre Kräfte vergaß und sich im ersten Moment wunderte, warum Andrew zu Boden ging. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, und schimpfte dann weiter: “Du bist doch nur hinter meinem Geld her!“
 

“So, ich war also nur ein One-Night-Stand für dich!“ schaltete sich Willow ein. “Oh Andrew, wie konntest du mir das nur antun?“
 

Sie hielt sich rasch die Hand vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken und schaffte es gerade noch rechtzeitig, dieses in ein Schluchzen umzuwandeln. “Du hast nur mit mir gespielt,“ schniefte sie.
 

Mr. Richards baute sich vor Andrew auf. “Verschwinden Sie von hier und kommen Sie niemals wieder in die Nähe meiner Tochter. Sonst werden Sie mich kennen lernen, oder besser gesagt, unseren Anwalt!“
 

“Ja, Sir.“ Andrew rappelte sich vom Boden auf und wetzte Richtung Tür davon, gefolgt von einer immer noch hysterisch schluchzenden Willow. “Wie konntest du nur so mit meinen Gefühlen umgehen? Hast du überhaupt kein Herz?“
 

Mit einem Seufzer ließ Kennedy sich aufs Polster zurücksinken. Das war ja gerade noch mal gut gegangen.
 

“Mach’ dir nichts draus,“ sagte ihre Mutter beruhigend. “Schon, als ich ihn gesehen habe, war mir klar, dass er ein typischer Frauenheld ist. So einer, auf den die Mädchen scharenweise reinfallen. Aber..."
 

“... du wirst schon noch den Richtigen finden,“ fügte ihr Vater hinzu.
 

++++
 

Ost-Russland

Dicke Schnee- und Eismassen befanden sich unter den Füßen Silijas, als sie der eingehüllten Gestalt nachsetzte, die in enormen Tempo in die Schneestürme lief.
 

“ Стой демон!“ schrie die junge Jägerin, deren langes, kastanienfarbenes Haar unter einer grauen Mütze steckten.
 

Der Dämon grunzte ein weiteres mal, bevor er plötzlich stehenblieb, und verwirrt durch den Vorhang aus Schnee starrte. Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, stieß sie sich vom Boden ab, streckte die Arme aus, rammte den Dämon, und stürzte mit ihm zusammen zu Boden.
 

Laut brüllte er auf, dann leuchteten plötzlich seine hellgrünen Augen gelb auf, und Silija wurde einige Meter durch die Luft geschleudert, bevor sie hart auf dem gefrorenen Schnee aufschlug.
 

„Ты об этом ещё пожалеешь!“ schrie sie, während sie sich wütend den eiskalten Schnee aus dem Gesicht wischte.
 

“Ich bin nicht von hier, ich versteh kein Wort!” antwortete der Dämon plötzlich, grunzte wieder, und wollte an der Jägerin vorbei, zurück in das kleine Dorf laufen. Die andere Richtung war.. falsch.
 

Bevor er sie jedoch passieren konnte, zog sie ein Messer aus ihrer Jacke und schleuderte es ihm in das rechte Bein.
 

“Au.. verdammt!” schrie der Dämon, bückte sich, zog das Messer und warf es entnervt in den Schnee. Während violettes Blut aus der Wunde lief und im Schnee zu seinen Füssen eine Spur zog, humpelte er weiter auf die Stadt zu.
 

“ Куда ты идёшь?“ schrie Silija wieder auf russisch, holte ihn erneut ein, und schleuderte ihn zu Boden. „Сука, куда ты спрятал дети?“ sie holte wieder mit ihrer rechten Hand aus und schlug ihn in das blauhäutige Gesicht. Sie musste unbedingt wissen, wohin dieses Monster die Kinder verschleppt hatte... bei dieser Kälte hatten sie kaum eine Chance zu überleben.
 

Sie schlug hart auf ihn ein und seine Nase brach mit einem hässlichen Geräusch. Er schrie unter Schmerzen auf, und versuchte sich unter ihr weg zu ziehen, hatte jedoch keine Chance.
 

Silija zog ihre Mütze vom Kopf und schüttelte ihre langen Haare aus, bevor sie aus der Mütze ein kleines Fläschchen nahm, indem sich eine grün leuchtende Flüssigkeit befand.
 

Sie zog den Stöpsel aus der Flasche und hielt sie direkt an seine Nase. Ein bestialischer Geruch stieg ihm in diese, während sie ihn weiter anschrie.
 

„Эта жидкость может убить тебя! Скажи правду, иначе я буду использовать её!“
 

“Ich versteh dich nicht, du Schlampe!” schrie er wieder, und wollte seine letzten Kräfte aufwenden, um sie von sich zu stoßen, als er plötzlich Wasser rauschen hörte.
 

Siljia hörte das Geräusch ebenfalls und drehte alarmiert den Kopf langsam Richtung Himmel. In der nächsten Sekunde flog plötzlich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ein Pferd über sie hinweg. Sie war sich bewusst, dass es sich dabei um ein dämonisches Reittier handeln musste, doch vom Reiter selbst sprang ihr nur eine schrecklich verzerrte Freskenmaske sofort ins Auge, bevor er wieder in den dicken Nebelmassen und den Schneewolken verschwunden war.
 

Das penetrante Rauschen wurde immer lauter, und Silija ließ vor Schreck das Fläschchen fallen, als sie eine Flutwelle auf sich und den Dämon zukommen sah. Sie sprang auf, und blickte auf den Gegner nieder, der gerade schreiend von der Flüssigkeit zerfressen wurde.
 

Wo um alles in der Welt kam hier in den kalten Steppen auf einmal so viel Wasser her....
 

“ Боже мой!“ flüsterte sie, als sie von der Flutwelle erfasst wurde, die zu Land dem Reiter in der Luft zu folgen schien. Silija wurde von den Wassermassen mitgerissen, und sie schrie, als sich ihre Lunge mit Wasser füllte – doch alles was herauskam war ein ersticktes Gurgeln.
 

Sie wusste, dass sie sterben würde....
 

Einen Augenblick später wurde ihre Leiche von den Wassermassen freigegeben, und blieb auf dem zum Teil geschmolzenen Eisboden zurück.
 

Und da lag sie, ihre Leiche, in der Eiswüste, mitten im Nichts, während der Wind wieder aufkam, und das geschmolzene und zurück gebliebene Wasser wieder einfror. Der Wind wurde stärker und trug starke Schneemassen mit sich, die sich über den leblosen Körper der Jägerin legten und sie kurz darauf unter sich begruben.
 

GrrrrARRRGH

Folge 17: Betrayed Ones

Titel: Folge 8.17 - Betrayed Ones

Autor: lion

Co-Autoren : Mel, Stefan, Hope, Yamato, White Magic
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

Lily (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Giles: „Aus jeder Generation wird ein Mädchen auserwählt. Eine Jägerin, die sich allein dem Kampf gegen Dämonen und Vampire, gegen die Mächte der Finsternis stellen muss.“ – 1.01
 

Giles in der Bibliothek zu Buffy: „Die Jägerin jagt sie, und der Wächter...“ Buffy: „...bewacht sie.“ Giles: „Ja, äh nein nicht doch. Er... Ich bin eine Art Trainer, der dich vorbereiten soll.“ – 1.01
 

Giles spritzt Buffy ein Mittel, um ihre Kräfte zu rauben. Quentin Travers und seine Leute, Giles trifft sich mit ihm. Buffy wird von Kralik verfolgt, Giles rettet sie: „Steig ein!“

Giles verschränkt die Arme: „Ja. Allerdings interessieren mich die Anweisungen des Rates in keiner Weise. Die Prüfung wird nicht stattfinden.“

Quentin Travers: „Nun, das ist gegen die Anweisungen des Rates, wie sie wohl wissen. - Wir führen einen Krieg gegen das Böse. - Ich habe dem Rat empfohlen, und er ist einverstanden, sie auf der Stelle von ihren Pflichten als Wächter zu entbinden. Sie sind gefeuert.“ - 3.12
 

Quentin Travers vor versammelten Wächtern: „Meine Freunde, dies sind die Zeiten, die uns formen. - Denn durch Überlegung gewinnst du den Kampf.“ Das Ratsgebäude explodiert. – 7.09
 

Die Anwärterinnen stehen vor Buffys Tür. – 7.10
 

Willow, wie sie den Zauber spricht, ihre Haare werden weiß. Die Anwärterinnen werden Jägerinnen: „Von nun an wird jedes Mädchen, die eine Jägerin sein könnte, eine Jägerin werden! Jedes Mädchen, dass die Kraft haben könnte, wird die Kraft auch haben!“ – 7.22
 

Der neu aufgebaute Rat. Lily Usher: „Ordnung ist das richtige Wort. Die Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben. Gut und Böse hält sich gewissermaßen in einem leichten Gleichgewicht, aber wir Wächter sind dafür zu wenige. Wir müssen neue rekrutieren, Wächteranwärter, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, so sehr das einigen vielleicht widerstrebt.“ – 8.01
 

Lily: „Wir haben es nie darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des Rates nicht. Es war höchstens ein Nebeneffekt unserer Arbeit, unsere eigentlichen Ziele sind höher, wir bewahren die gesamte Menschheit vor dem Untergang, Jahr um Jahr, Tag um Tag. Wenn wir dabei Opfer bringen müssen, dann müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es unvermeidlich ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss!“ Giles: „„Wir alle müssen Opfer bringen in diesem Kampf, glaub mir, keiner weiß das besser als ich, doch was du befürwortest ist Wahnsinn! Man kann nicht auf Verdacht hin tausende Menschen töten!“ - 8.10
 

Lily lässt den Talisman in den Kanal gleiten: „Alles hat seinen Grund und das war erst der Anfang. Als Jägerin war dir der Tod sowieso vorher bestimmt. Und es war nicht meine Entscheidung, dich zu einer Jägerin zu machen... eine von so vielen...” - 8.13
 

D´Hoffryn. – 8.09
 

Kan Hsirg zu Mo: "Sollte es mir zu Ohren kommen, dass die Jägerinnen Dinge erfahren, die sie nichts angehen, werden wir ihnen unsererseits ein paar Geheimnisse flüstern. Und ich glaube nicht, dass es Malkuth besonders gut bekäme…“ – 8.06
 

Der Kampf gegen die Statur die Thug'saha Dämonen – 8.13
 

Die Dämonen der Organisation. Regil, Mo´s Freund wird von Buffy in der Gruft befragt. Tegul, der Leiter der Fischfabrik. Lily in der Höhle zu Dawn: „Nennen wir es ... die Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine Jägerin in der Hand und unter der Kontrolle von vielen Wächtern. Sieh uns an... wir haben nichts unter Kontrolle. Junge, unerfahrene Frauen und Männer werden rekrutiert, um eben so unerfahrene junge Mädchen zu leiten und zu lenken, damit sie das Böse auf der Welt bekämpfen. Rupert blickt optimistisch in die Zukunft, aber übersieht dabei wie viele kleine, rote Fähnchen auf der Weltkarte in London die blauen ersetzen. Tote Jägerinnen, tote Wächter – gestorben aus Unfähigkeit. Nicht immer zählt Quantität im Kampf.“ – 8.15
 

Die Zerstörungen der Reiter. Lily, die Lenhardt freundlich anlächelt. „Aber natürlich. Ich bin sehr gespannt. Auf Wiederhören.“, Lenhardt legt den Hörer auf und blickt Lily an, „Wo waren wir stehen geblieben?“ – 8.16
 


 

Teaser:
 

England, Notting Hill, Neues Ratsgebäude:
 

Lily (V.O.): „Wir alle lügen. Es liegt wohl ganz einfach in unserer Natur, ist ein angeborener Trieb, wie so viele andere Dinge auch, die unser Leben maßgeblich bestimmen. Wo wäre die Menschheit ohne ihre Triebe? Längst ausgestorben!“
 

Die schwere Tür aus tiefrot lackiertem Holz wurde in Eile aufgestoßen, und Lily nahm umringt von zwei niedrigeren Angestellten des Rates die letzte Stufe der Treppe, sie betraten einen langen Flur. Die Dame an der Rezeption unten warf ihnen einen beunruhigten Blick nach, als würde sie überlegen zum Telefon zu greifen und den Besuch voranzukündigen. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter Lily wieder ins Schloss.
 

Lily (V.O.): „Ein Lüge ist etwas alltägliches, wir wachsen mit ihnen auf, benutzen sie um uns selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen oder um Menschen, die wir lieben vor der Wahrheit zu schützen. Wir benutzen sie um im Leben weiter zu kommen und um anderen gegenüber nicht unfreundlich sein zu müssen. Was ist es also, was sie so an uns zehren lässt, dass wir das Gefühl haben wegen ihnen keine Ruhe mehr zu finden?“
 

Der hohle Klang ihrer Schritte hallte im hohen, mit Mahagoni-Holz getäfelten Gang wieder, während die ersten Strahlen der Morgensonne, die durch die Fenster fielen ihren Weg in ein helles, durchdringendes Licht tauchten. In ihrem Gesicht konnte man förmlich ihre Anspannung sehen, die Wörter, die sie sich zurechtgelegt hatte liefen immer wieder vor ihrem inneren Auge ab.
 

Lily (V.O.): „Sicher, uns wird von der Kindheit an erzählt, dass Lügen etwas böses sein, doch begreift wohl jeder schon bald, dass unser Leben, wie wir es kennen nur mit Lügen funktionieren kann. Wir brauchen sie.“
 

Die beiden Angestellten warfen sich fragende Blicke zu, die Lily keineswegs entgingen, sie schienen eine Antwort irgendeiner Art zu erwarten, doch Lily hatte keine Zeit sich mit so kleinen Rädchen im Getriebe des Rates zu beschäftigten; Zeit war es, woran es ihr generell mangelte.
 

Lily (V.O.): „Doch vielleicht ist es wirklich gerade diese warnende Stimme unserer Eltern, die hinter unserem schlechten Gewissen steckt, wer weiß.“
 

Sie bogen um eine Kurve, ihr Ziel rückte in greifbare Nähe, es war zu spät für einen Rückzieher, es würde entweder klappen, all die kleinen Rädchen würden sich in ihrem Rhythmus drehen, oder sie würde alles verlieren, was sie je erreicht hatte. Das Getriebe war gut vorgeölt.
 

Lily (V.O.): „Womöglich kann man so die kleinen und großen Lügen des Alltags vor sich selbst rechtfertigen, doch was ist wenn es eine andere Art von Lüge ist? Lügen die unumgänglich waren, obwohl wir sie nicht aussprechen wollten? Wie kann man sich rechtfertigen und von der Last befreien einen Menschen angelogen zu haben, den man liebt? Einen Menschen für den man fast alles getan hätte, außer die eigenen Prinzipien aufzugeben.“
 

Mit einem Schlag entspannte sie ihr Gesicht, ihr Schauspiel musste authentisch wirken, sogar ihre Schritte, die auf den frisch gebohnerten Marmorboden hämmerten, wurden langsamer und klangen nicht mehr so hektisch.
 

Lily (V.O.): „Dies sind wohl die Lügen, die man sich nie wird selbst verzeihen können, egal wie viel Zeit vergeht. Man kann nur hoffen, dass der den man liebt es kann. Nur hoffen und beten!“
 

Sie erreichten die Tür, der linke Angestellte trat etwas ehrfürchtig hervor und drückte die Klinke langsam herab, und mit leisen Knarren öffnete sich der rechte Flügel. Kaum merklich zeichneten sich auf Lilys Lippen zwei letzte Worte ab, bevor sie die Höhle des Löwen betrat: „Verzeih mir!“
 

Die Wächter waren wohl gerade in eine Diskussion vertieft gewesen, und blickten etwas verärgert auf, als die Tür geöffnet wurde. Einer schien kurz davor zu sein laut loszubrüllen, dass sie jetzt nicht gestört werden wollten, doch als er sah, wer in den Raum eintrat verkniff er es sich. Die anderen verstummten ebenso und richteten ihre Blicke überrascht zur Tür.
 

Lenhardt, der am Ende des Tisches saß erhob sich, für einen kurzen Augenblick bemerkte Lily ein aufmunterndes Lächeln in seinem Gesicht, was jedoch schnell wieder einer aufgesetzten Überraschung wich: „Ms. Usher, wir dachten Sie wären in Amerika, bei Mr. Giles! Ist irgendetwas vorgefallen?“, in einer übertrieben freundlichen Geste bot er ihr seinen Stuhl an, „Setzen Sie sich erst einmal, Sie sehen ja völlig fertig aus!“
 

Idiot! Wenn man dieses Spiel spielte sollte man es auch beherrschen, jeder der ein bisschen auf Mimik des gealterten Wächters geachtet hätte, hätte sofort gemerkt, dass seine Überraschung nur gespielt war, doch keiner der anderen schien darauf zu achten, vielleicht wollten sie es auch einfach nicht.
 

Lily warf einen Blick in die Runde. Viele bekannte Gesichter von früher blickten sie interessiert und etwas beunruhigt an. Doch sie waren so leicht zu durchschauen, dass es ihr fast Angst machte. Man konnte all die Gedanken, die ihnen durch den Kopf gingen, nur allzu einfach erraten.
 

Lily erhob ihre Stimme: „Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, doch die Angelegenheit, in der ich mich an Sie wende, meine verehrten Damen und Herren des Rates der Wächter, ist eine sehr ernste, und sie kann keinen Zeitaufschub mehr vertragen.“
 

Inzwischen war diese Tatsache ihnen wohl auch klar gewesen.
 

„Es ist mir unangenehm, mich in dieser Angelegenheit zu äußern, denn es geht um einen Mann, dem wir alle sehr viel verdanken, und in anbetracht dessen scheint das was ich jetzt zu sagen habe noch weitaus unangebrachter, und dennoch, dennoch muss es gesagt werden.“
 

Verhaltenes Schweigen. Einige warfen sich gegenseitig Blicke zu. Unsicher, wie ihr Gegenüber das ganze auffasste.
 

„Rupert Giles.“, sein Name schmeckte bitter, als er über ihre Zunge glitt, „Wie die meisten von ihnen wohl wissen habe ich Mr. Giles in den letzten Monaten in den USA assistiert, eine neue Wächterzentrale aufzubauen. Die Arbeiten dort liefen gut, wir kamen gut voran, nichts worüber man sich ernste Sorgen machen müsste. Dennoch ist mir eine Entwicklung aufgefallen, die mich sehr beunruhigt hat, und mich daran zweifeln lässt, dass wir Mr. Giles den Rat in dem Maße anvertrauen, in dem wir es im Moment tun.“
 

Alle Blicke waren starr auf sie gerichtet.
 

„Was genau wollen Sie damit sagen?“, fragte Lenhardt von der Seite, seine Stimme klang etwas überzeugender, doch sein Schauspiel war immer noch nicht ideal.
 

„Genau das, was ich gesagt habe. Ich hatte die Gelegenheit Mr. Giles die ganze Zeit über zu beobachten, und es fällt mir schwer, gegen ihn Anschuldigungen zu erheben, denn er war immer sehr zuvorkommend zu mir, doch dennoch…“, sie blickte auf den Boden und schwieg für einen Moment, dann fuhr sie fort: „Ich habe begründete Zweifel daran, dass Mr. Giles in seinem momentanen Zustand kompetent genug ist um den Rat zu leiten. Er scheint...“
 

Sie schwieg für einen Augenblick, als ob sie es nicht über die Lippen bringen würde, dann, mit einem gut platzierten Seufzer, überwand sie sich doch dazu: „Ich glaube er hat ernste psychische Probleme, was man ihm vermutlich auch nicht verdenken kann, nach all dem was ihm widerfahren ist, doch trotzdem kann man ihn nicht weiter als Leiter des Rates tolerieren.“
 

„Was meinen Sie konkret?“, wollte Roger Wyndham-Price von der rechten Seite wissen.
 

„Nun ja, er ist über die Maßen paranoid, es verging kein Tag, an dem er mir nicht von irgendwelchen Verschwörungen gegen ihn, oder anderen Anschuldigungen gegenüber den Wächtern erzählt hat, einmal ging er sogar so weit zu behaupten, dass einer aus unseren Reihen Ms. Rosenberg bewusst physischen Schaden zufügen würde, und stellte Mutmaßungen darüber an, dass die Wächter etwas damit zu tun hätten, dass keine Information über die Hüterinnen mehr zu existieren scheint!“
 

Die Wächter schauten sie erwartungsvoll an, sie dachten wohl, dass sie noch eins drauf legen würde, um ihre Vorwürfe zu untermauern, und das tat sie.
 

„Er sieht in allem und jedem einen Feind, auch wenn es ihm die Wächter besonders angetan haben, doch auch das Militär der USA ist für ihn ganz klar in eine Verschwörung gegen ihn und seine Jägerin verwickelt gewesen. Aber um auf seine Jägerin zu sprechen zu kommen: Er hat eine unglaublich starke Bindung zu ihr, jegliche Distanz zwischen ihnen, die in einer Notsituation für sie sowie auch für ihn selbst lebenswichtig sein könnte, scheint nicht mehr zu bestehen. Wenn es um sie und ihren Freundeskreis geht wirft er einfach alle unsere Prinzipien über Bord, sogar wenn es darum geht eine dämonische Bedrohung einzudämmen ist er nicht dazu bereit die nötigen Mittel zu ergreifen!“
 

Margaret Elliot, eine etwas beleibtere, ehemalige Angestellte des Rates erhob sich: „Und haben Sie irgendwelche Beweise, um diese Vorwürfe zu rechtfertigen?“
 

„Nicht direkt, doch wie Sie sicher wissen hatte Mr. Giles schon immer Probleme mit dem Rat, er wurde sogar bereits einmal aus dem Rat ausgeschlossen, als er sich weigerte die alt bewehrte Reifeprüfung an seiner Jägerin durchzuführen.“
 

„Das war aber was anderes!“, meldete sich die Tochter der alten Cromwells zu Wort, „Außerdem haben wir uns inzwischen selbst gegen diese bestialische Prüfung entschieden!“
 

„Mag sein, doch es beweist, dass Mr. Giles noch nie bereit war sich den Anweisungen des Rates zu fügen, wenn sie ihm nicht in den Kram passten und er sich immer nur sich selbst gegenüber verpflichtet gefühlt hat! Nein, beweisen kann ich meine Beobachtungen nicht wirklich, Sie müssen sich wohl entscheiden, wem Sie eher vertrauen.“
 

Diese Anschuldigungen hatten gesessen. Sie atmete einmal kurz durch, nächste Runde.
 

„Außerdem haben er und seine Jägerin regen Kontakt mit Dämonen aller Arten, statt sie zu jagen verbünden sie sich mit ihnen und helfen ihnen sogar. Erst vor wenigen Wochen habe ich selbst erlebt, wie sie einem bösartigen und überaus gefährlichem F´rilar-Dämonen dabei halfen, eines seiner magischen Augen wieder zu finden, was sich dummerweise einer von Mr. Giles „Freunden“ hatte transplantieren lassen! Ganz zu Schweigen von ihren ganzen dämonischen Freunden und ihrem guten Ansehen unter der gesamten Dämonenwelt Clevelands. Mr. Giles vertraut dahergelaufenen Dämonen mehr als uns Wächtern, was ihn als Leiter das Rates vollkommen disqualifiziert!“
 

Sie blickte erneut in ihre Gesichter, Zahnräder knirschten, Überlegungen gingen zu allen Seiten.
 

„Mr. Giles scheint, wie ich es sehe im Moment generell emotional sehr verwirrt zu sein, einige Male habe ich erlebt, wie er schreiend aus dem Schlaf aufgewacht ist. Er schien die ganze Zeit über leicht erregbar und hat mich einige Male völlig grundlos angeschrieen, nur weil ich nicht seiner Meinung war. Er erwartete von mir, dass ich alle seine Entscheidungen, egal wie sinnlos sie waren unterstützte ohne sie zu hinterfragen; er konnte es einfach nicht ertragen, nicht die totale Kontrolle im Rat zu haben und andere in seine Entscheidungen einbeziehen zu müssen.“, beendete sie ihre Ausführungen.
 

„Sicher sind das schwere Anschuldigungen, doch vielleicht sollte man mit ihm reden, ich bin sicher, Mr. Giles ist noch so weit bei Sinnen, dass er uns zuhören würde, oder?“, wollte Lenhardt wissen.
 

„Ich bezweifle, dass Sie bei ihm Gehör finden würden, denn genau das ist der Anlass, warum ich mich entschieden habe, mich an Sie zu wenden: Lange versuchte ich vor mir selbst seine Fehlverhalten und Paranoia, auf Grund unserer alten Freundschaft herunterzuspielen, doch schließlich war es mir nicht mehr möglich, ich entschloss mich also, ihn in einem privaten Gespräch mit meinen Sorgen und Beobachtungen zu konfrontieren. Darauf reagierte er zu erst ruhig und gefasst, hörte sich an, was ich zu sagen hatte, ich dachte, dass er sich meinen Rat zu herzen nehmen würde. Als ich aber mit dem was ich sagen wollte fertig war reagierte er plötzlich völlig unkontrolliert und sagte etwas davon, dass er von mir enttäuscht sei, und das ich genauso auf der anderen Seite stehen würde, wie alle anderen Wächter auch.
 

Er machte mir Vorwürfe, dass ich irgendeinen Dämonen beschworen hätte, der für den Tod von Vivian Claimore, einer seiner Jägerinnen in Cleveland verantwortlich war und dass ich eine Dämonen-Mafia bezahlt hätte und damit Buffy und Dawn absichtlich in Gefahr gebracht hätte; kurz er warf mir weitere völlig aus der Luft gegriffene Anschuldigungen, die nicht den geringsten Sinn ergaben an den Kopf, und sagte mir, dass er mich nie mehr sehen wollte. Ich nahm mir darauf hin den ersten Flug nach England, um ihnen meine Beobachtungen persönlich berichten zu können. Wie ich auf dem Flug von einem befreundeten Wächter erfuhr ging Mr. Giles sogar so weit seine Geschichten über mich zu verbreiten und seine Jägerinnen auf mich anzusetzen, deswegen wollte ich ihnen das ganze lieber persönlich berichten!“, das Sahnehäubchen, das dem ganzen Kuchen einen viel süßeren Geschmack gab, würden sie zugreifen und ihn probieren?
 

„Ich verstehe.“, sagte Lenhardt knapp, „Und was… Welches weitere Verhalten würden Sie in dieser Sache vorschlagen, Ms. Usher? Lily.“
 

„Das würde mich auch brennend interessieren!“, pflichtete Charles Prescott ihm bei, scheinbar ohne das Spiel, das hier gespielt wurde, zu durchschauen.
 

„Nun ja, es wäre sicher falsch Mr. Giles nur auf Grund meiner Anschuldigungen zu suspendieren, denn alles was ich ihnen erzähle, könnte natürlich genauso an den Haaren herbeigezogen sein wie seine Geschichten. Auch wenn Sie mit Sicherheit wissen, dass dem nicht so ist, wäre es nicht gerecht, und auch keinesfalls dem Kodex unseres Rates entsprechend, wenn wir so verfahren würden. Aber dies ist nicht die Zeit für einen in die Länge gezogenen Prozess, der Rat ist schwach, und könnte einer neuen, bevorstehenden Apokalypse nicht standhalten, wenn er von jemandem wie Rupert Giles geführt wird, genauso wenig könnte er es aber, wenn er untereinander zerstritten ist. Und diese Bedrohung ist nicht nur hypothetisch: Wer die Omen zu deuten weiß wird sehen, dass etwas großes, gefährliches bevor steht; wir können es uns einfach nicht mehr leisten, schwach zu sein!
 

Daher schlage ich ein Misstrauensvotum meinerseits gegen Rupert Giles vor, wenn zwei Drittel von uns hier meine Ansichten Mr. Giles betreffend teilen wird er für unbestimmte Zeit aus dem Rat ausgeschlossen, bis wir genauer wissen, was im Busch ist und uns darauf vorbereiten können. Nach einer abgelaufenen Frist wird Mr. Giles vor einem Tribunal des Rates die Chance haben die hier getroffene Entscheidung anzufechten. Wäre das in ihrem Interesse?“
 

Die anwesenden Wächter wechselten einige Worte, doch sie waren zu leise, als dass Lily etwas verstehen könnte.
 

„Ja, ich denke das wäre wohl die effektivste Lösung.“, stimmte Lenhardt ihr zu, er wirkte inzwischen wirklich fertig und am Ende mit seinen Nerven, war er vielleicht doch ein besserer Schauspieler, als sie gedacht hatte, oder spukten in seinem Kopf Sorgen, dass sie mit der ganzen Sache nicht durchkommen würden? „Wer dem Misstrauens-Antrag von Ms. Usher zustimmt möge jetzt bitte die Hand heben!“
 

Die erste Hand die sich mit einem tiefen Seufzer erhob war die der alten Lady Ashcroft, deren Ehemann beim Attentat auf den Rat umgekommen war: „Ich vertraue auf das, was Sie sagen Mädchen, wir können es uns nicht leisten nicht zu handeln!“
 

Lily warf ihr ein kaum merkliches Lächeln zu, das den anderen im Saal wohl entging, doch Lady Ashcroft antworte nur mit einem kühlen Blick, der die allgemein in ihrer Familie vertretene Meinung über die Ushers deutlich wiedergab.
 

Ihr folgten unmittelbar die wenigen, die noch vom alten Schlag übrig waren, so wie die neuen Mitglieder aus den alten Wächterfamilien, einige der neuen Mitglieder, die Giles angeworben hatte guckten sich zu erst zweifelnd um, fügten sich dann aber der Allgemeinheit.
 

Mit jeder Hand, die sich nach oben streckte wurde es für Lily schwerer ein befriedigtes Lächeln zu unterdrücken, doch auch der fade Beigeschmack in ihrem Mund wurde stärker, sie hatte es geschafft. Verzeih mir!
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus,

Morgen

Es war ein herrlicher Morgen, die Sonne war gerade über den Horizont gestiegen und tauchte die ganze Stadt in ein helles, freundliches Licht. Der Zeitungsbote fuhr durch die kleine Wohnsiedlung, und trug die Zeitungen aus und man konnte den heilen Familien in der Nachbarschaft durch die Fenster dabei zu sehen, wie sie frühstückten. Wenig später machten sich die Kinder auf zur Schule, und ihre Eltern guckten ihnen voller Stolz hinterher und winkten ihnen zu.
 

Lily (V.O.): „Wieso muss das Leben nur so grausam sein, dass man dazu gezwungen wird Lügen zu leben? Lügen die man gar nicht leben will.“
 

Als der Schulbus, voll mit den Kindern gerade um die Ecke gebogen war, schob sich langsam ein tiefschwarzer Mercedes mit verdunkelten Fenstern in die kleine beschauliche Straße hinein, der Fahrer hielt Schrittgeschwindigkeit, während der Beifahrer mit dem Blick den Hausnummern nachging.
 

Lily (V.O.): „Wieso können wir nicht einfach mit den Menschen die wir lieben zusammen sein, ohne das alles so kompliziert ist, warum müssen wir sie anlügen und ihnen schließlich sogar so weh tun?“
 

Die Reifen drückten sich auf den durch die Morgensonne erhitzten Asphalt und die schwere Karosse bewegte sich unerträglich langsam vorwärts, von Haus zu Haus, bis sie schließlich stehen blieb.
 

Lily (V.O.): „Man wollte ihn nie anlügen, doch es blieb nichts anderes übrig, es war der einzige Ausweg. Doch trotzdem hat man es getan und es ist mehr als nur unverzeihlich.“
 

Die Tür öffnete sich und der Beifahrer stieg aus, ein Brillenträger, förmlicher Anzug, er selbst wohl etwa Mitte 30, doch seine Haare zeigten schon graue Ansätze. Er rief dem Fahrer noch etwas zu, dann ging er zum Kofferraum und öffnete ihn.
 

Lily (V.O.): „Wie kann man mit dieser Last leben ohne sich selbst anzulügen? Es ist schwer. Nahezu unmöglich, doch mit der Zeit lernt man es. Man redet sich immer wieder ein, dass es für die gute Sache ist, dass er in dieser Position genauso gehandelt hätte, man sagt sich, dass er es verstehen wird; auch alles Lügen?
 

Ein Aktenkoffer auf dem in goldenen Lettern die Firma „Simons and Partner“ verewigt war kam zum Vorschein. Geschickt öffnete der überaus korrekt gekleidete Anwalt das Zahlenschloss, während er sich auf den Weg zur Haustür machte, und zog ein Schreiben hervor, auf das ein Wachssiegel gepresst worden war.
 

Lily (V.O.): „Ich denke nicht; ich hoffe dass nicht. Denn wenn all das auch Lügen wären, wie sollte man sich dann vor dem den man liebt rechtfertigen, wie sollte man ihm je wieder in die Augen blicken können?“
 

Er drückte die Klingel tief ein, einige Sekunden lang, dann stellte er den Koffer neben sich ab und wartete.
 

Lily (V.O.): „Die Frage um die es hier wohl geht ist, welche Lügen nötig sind, welche unumgänglich sind, und welche aber nur eigennütziger Natur sind und nicht einem höheren Zweck dienen. Dies ist wohl die Frage, die mich immer beschäftigen wird, bis ich ihm eines Tages wieder Angesicht zu Angesicht gegenüber stehe.“
 

Mit einem etwas irritierten Ausdruck öffnete Giles die Tür, er trug einen Morgenmantel und seine Haare sahen unordentlich aus. Er guckte den Anwalt für einen Moment an, dann fiel sein Blick auf das Schriftstück in der Hand des anderen Mannes und sein Blick verfinsterte sich. Eine düstere Vorahnung, was im nächsten Moment über ihn hereinbrechen würde.
 

Vorspann
 

AKT 1
 

Cleveland, College,

Vormittag

Mit einem leichten Brennen in den Augen warf Willow einen Blick durch den Vorlesungssaal. Obwohl diese Unterrichtstunde vom Dozenten vorverlegt wurde, hatte sich niemand gescheut sein Bett früher zu verlassen. Die Hüterin blätterte in ihrem Notizblock, und suchte nach den letzten wichtigen Details zu diesem Fach.
 

Mit einem Ohr versuchte sie dem Lehrstoff zu folgen, doch auch wenn sie sich stark darauf konzentrierte, wurden ihre Überlegungen von dem zuerst leisen Getuschel abgelenkt. Es war untypisch für den leicht grauhaarigen Dozenten, so etwas zu dulden. In ein paar Tagen würde die letzte Prüfung für dieses Fach abgehalten werden, also schob die Hüterin seine Lockerheit darauf, dass er sich schon im nächsten Semester auf einige von ihnen freuen würde.
 

Die lauten Worte des Professors hallten durch den ganzen Saal. Insgeheim hoffte sie dass ihre Mitstudenten sich doch noch disziplinierter verhalten würden, da sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, und sich an diesem Morgen bereits leichte Kopfschmerzen zu Wort gemeldet hatten.
 

Mit einem Grinsen auf den Lippen schob der Dozent eine der beiden Tafeln beiseite, und eröffnete den Studenten eine Vielzahl an mathematischen Formeln die anscheinend um den letzten freien Platz auf der Tafel kämpften. Einige Seufzer wurden vom Flüstern der Zuhörer untermalt, und als Willow die anderen beobachtete, zog auch sie widerwillig ihren Kugelschreiber.
 

Doch wenn sie sich auf die Tafel konzentrierte, verschwommen die Ziffern vor ihren Augen, und wurden immer unlesbarer. Der Versuch auf die erklärenden Worte des Dozenten zu hören scheiterte kläglich, als das immer lauter werdende Reden ihrer Kollegen nun eine etwas höhere Lautstärke erreicht hatte.
 

Als sie ihre Versuche aufgab, glitt ihr Blick in die Richtung aus der die Stimmen zu kommen schienen. Etwas verwirrt stellte sie fest, dass es den Anschein machte, als würden die ganzen Studenten nur stumm ihre Notizen vervollständigen.
 

Sie schloss die Augen, und versuchte sich mehr auf die Stimmen zu konzentrieren, um der Unterhaltung zu folgen.
 

„Ich krieg’ dich du Monster!“, eine jugendlich klingende Frauenstimme ließ Willow aufschrecken, mit einem leisen knackenden Geräusch fiel ihr Kugelschreiber auf die Treppe, und rollte langsam die Stufen hinunter. Einige warfen den Blick in ihre Richtung, wandten dann aber ohne Interesse ihre Köpfe ab. Erneut sah Willow durch den Hörsaal, doch nun fühlte sie sich nur noch mehr in ihrer vorher herausgefundenen Erkenntnis bestätigt.
 

Die Hüterin atmete tief durch, und konzentrierte sich auf die kaum leserlichen Buchstaben auf ihrem Block. Ihre Finger, die sie vor ein paar Sekunden auf den Rand des kleinen Pultes vor ihr gelegt hatte, fingen langsam an sich zu verspannen und umklammerten das Holz.
 

„Das hat weh getan du Blutsauger!“, die Hüterin zuckte zusammen, und traute ihren Ohren nicht. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken dass eine Frau mittleren Alters direkt neben ihr stand, und zum Angriff ansetzen würde.
 

Auch wenn sie sich insgeheim sicher war, dass so etwas unmöglich war, fing ihr Herz an schneller zu schlagen. Die Versuche, ihren Atem regelmäßig zu halten, schlugen fehl.

‚Nein, nicht hier!’, Willow holte tief Luft, und versuchte sich einfach nur auf den trockenen Lehrstoff zu konzentrieren, von dem aber in diesem Moment nichts in ihrem Gedächtnis hängen blieb.
 

Ihr ganzer Körper verspannte sich. ‚Ich prügele dich windelweich!’
 

In dieser Sekunde hob Willow den Kopf, und sah direkt in die dunkelblauen Augen eines Mädchens. Vielleicht etwas jünger als sie selbst. Ihr ganzer Körper war gezeichnet von Wunden, und auf ihrem Kopf prangte seitlich eine Platzwunde. Ihre blonden und verdreckten Stirnfransen hingen ihr ins Gesicht. Mit einem Feuer in den Augen startete das Mädchen zum Angriff. Instinktiv versuchte Willow sich zu ducken, doch bis auf einem kurzen Windhauch auf ihrer Haut war nichts mehr von dem Mädchen zurückgeblieben.
 

Im nächsten Augenblick drangen weitere Stimmen in ihren Kopf vor. Schweiß rann von Willows Stirn, und auch wenn sie sich einredete dass das alles nicht passieren konnte, fing sie plötzlich an heftig zu zittern. Die Schreie, die langsam aber stetig lauter wurden, ließen sie ihre Hände gegen ihre Ohren pressen. Doch das einzige was sich an der Situation veränderte war, dass ein stechender Schmerz ihre Wirbelsäule zur Erstarrung brachte. Als sie die Augen schloss, wurde das blondhaarige Mädchen in ihre Richtung geschleudert.
 

Ein zerfressendes Stechen meldete sich zu Wort, und jeder einzelne Herzschlag den sie hören konnte steigerte ihre Kopfschmerzen, die sich langsam zu einem dumpfen und unangenehmeren Gefühl ausbreiteten. Als Willow Hilfe suchend ihren Blick durch den Hörsaal warf, sich gleichzeitig aber ermahnte nicht laut los zu schreien, verschwamm die Umgebung immer mehr. Als sie sich auf die Tafel konzentrierte, verdunkelte sich der Hörsaal, und Graffiti auf den Wänden wurde sichtbar.
 

Willow atmete tief durch, und legte ihren Kopf auf das Pult vor ihr. Insgeheim war sie froh, dass die Stimmen in ihrem Kopf vom Regen der langsam auf ihren Körper prasselte übertönt wurden. Doch als sie auf den Asphaltboden unter ihren Füßen starrte, weiteten sich ihre Augen.
 

Ein weiterer, schmerzerfüllter Schrei ließ ihre Adern gefrieren. Mit einem lauten Klirren wurde die Jägerin gegen die Feuerwehrleiter in der Seitengasse geschleudert. Die Hüterin rang nach Luft, doch jeder Atemzug brannte in ihren Lungen. Als Willow ihren Körper zitternd wieder aufrichtete fiel ihr Blick auf den Gegner der Blondine. Ein großer wie breiter Vampir stand mit einem siegessicheren Grinsen vor ihr. Seine vernarbte Vampirfratze strahlte nahezu, als die Jägerin sich wackelnd aufrichtete, nicht ohne sich an der verrosteten Leiter abzustützen.
 

Im nächsten Moment rannte er auf sie zu. Die Jägerin konnte gerade noch rechtzeitig reagieren und den Angriff abwehren, wurde aber vom nächsten Schlag des Vampirs genau in den Bauch getroffen. Willow wollte schreien, doch das einzige was aus ihrer Kehle kam war das Blut, das die Blondine in der selben Sekunde hustend ausspuckte. In Panik versuchte Willow die dunkelrote Flüssigkeit abzuwischen, doch ihre noch immer zitternden verkrampften Hände konnte sie nicht richtig bewegen.
 

Der Vampir griff erneut an, und ohne sich um die Angriffe seiner Gegnerin zu kümmern, packte er ihren Hals, und hob sie hoch. Willow blieb der Atem stehen. Das Blut schnürte langsam ihre Kehle zu. Gleichzeitig schmerzte ihr Rücken, und die Wunde an ihrer Schulter der der Vampir der Jägerin soeben mit einem gekonnten Schlag zugefügt hatte.

Ihr Herz pumpte das Blut wie wild durch ihren Körper, und ihre Schläfen hämmerten gegen ihren Kopf.
 

Mit einem hysterischen Lachen wuchtete der Blutsauger seine zerkratzte Faust erneut gegen die Jägerin.
 

Die Hüterin wurde nach hinten geschleudert, doch die Jägerin befand sich wie vorher noch in der Klaue des Vampirs. Willows ganzer Körper brannte vor Schmerz. Als sie auf die Stufen des Hörsaals neben ihr geschleudert wurde, konnte sie ein schreien nicht unterdrücken.
 

Mit letzter Kraft packte die junge Jägerin den Holzpflock den sie an ihrem Gürtel befestigt hatte. Es gelang ihr den Vampir mit einem Fußtritt ins wanken zu bringen. Mit Schwung konnte sie ihren Gegner gegen die Wand schleudern. Sein Griff lockerte sich, und dass nutzte das Mädchen, um den Vampir mit einem weiteren Fußtritt zu schädigen. Seine Augen weiteten sich als er sie panisch ansah, und spürte wie sich der Holzpflock der Jägerin in seinen Brustkorb bohrte. Mit einem zerrissenen Schrei in Willows Kopf kam die Hüterin wieder zur Besinnung.
 

Verwirrt starrte sie auf die Treppe unter ihr. Erst ein paar Sekunden später registrierte sie, dass sie jeder im Hörsaal fixierte. Als sie spürte wie einige Tropfen Blut aus ihrem Mund tropften, stand sie mit wackelnden Beinen auf, und packte so schnell es ging ihre Unterlagen.
 

Belustigt über den so eben gehörten Schrei, drang Kichern in ihre Ohren, welches dieses Mal wirklich durch ihre Mitstudenten verursacht wurde. Auch der Dozent konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch Willow würdigte sie keines Blickes, und lief einfach die Treppen hinauf. Es war etwas anderes was sie zu Recht beschäftigte. Ihr ganzer Körper fühlte sich ungewohnt an, als wäre es nicht ihr eigener. In ihren Gliedmaßen steckte noch immer die Furcht, und auch ein Teil des Schmerzes den sie so eben erlebt hatte.
 

Als sie auf ihre Finger sah, wurde ihr bewusst dass es wirklich ihr Blut war, und dass sich diese Vision sehr real angefühlt hatte. Noch leicht schwindelig auf den Beinen machte sie sich auf den Weg zur Frauentoilette.
 

Als sie vor dem Spiegel stand, wurde ihr bewusst dass sie einfach fürchterlich aussah. Dunkle Augenringe hatten sich unter ihren Augen gebildet, und ihr ganzer Körper hatte eine ungesunde, weiße Farbe. Ihre zerzausten Haare sahen so aus, als wären sie gerade frisch getrocknet.
 

Mit noch immer leicht zitternden Händen betätigte sie den Wasserhahn, und kühlte ihr Gesicht mit dem frischen Wasser. Als sie erneut in den Spiegel blickte, war sie sich nicht sicher ob der leicht blaue Schimmer in ihren Augen wirklich da war, oder ob es ein Funken Farbe von den blauen Augen der Jägerin war.
 

Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als plötzlich ihr Handy vibrierte. Leicht erschrocken holte es sie aus ihrer Hosentasche hervor.
 

„Hallo? Giles! Sie rufen gerade richtig an.“, der Wächter hatte wie auf Knopfdruck angerufen. Doch in seiner Stimme spiegelte sich Verzweiflung wieder.
 

„Wie bitte? Lily hat den Rat übernommen?“, schockiert über diese Information, und Giles Gemütszustand stellte sie ihr eigenes Anliegen zurück. Immerhin hatte diese Jägerin den Vampir besiegt, und es war nicht so als würde sie immer noch in Gefahr sein. Vorerst hatte Giles Vorrang.
 

„Ich komme.“, mit diesen Worten legte Willow auf, und machte sich auf den Weg zu Giles, nicht ohne noch immer ein leichtes Stechen in ihren Gliedern zu spüren.
 

++++
 

Außerhalb von London, Lilys Pferdegestüt,

Früher Vormittag

Die Wächter waren noch dabei einige formale Kleinigkeiten zu regeln, doch Lily hatte das getrost Lenhardt überlassen, der schwierigste Teil des Unterfangens war vorüber, die wichtigeren Wächter waren mehr oder weniger überzeugt, oder zumindest auf ihrer Seite, jetzt ging es nur noch darum eine Fassade weiter aufrecht zu erhalten; ein Gebiet in dem sie bereits oft genug geglänzt hatte.
 

Langsam trat sie in ihr altes Zimmer, hängte ihre Jacke auf und setzte sich auf ihr übergroßes Bett. Wie lange war sie jetzt schon nicht mehr hier gewesen? Es war komisch nach allem was vorgefallen war wieder „zu Hause“ zu sein.
 

Kritisch sah Lily ihrem eigenen Spiegelbild entgegen und für einen Moment betrachtete sie ihr Gesicht – das war die Lily Usher, die alle kannten und liebten. Sie ließ ihre Hand über ihr Kinn gleiten und dabei nahm ihr Ausdruck etwas Müdes und angespanntes an, als sie ihren Gedanken weiterspann: war es denn auch ihr wahres Gesicht, oder auch nur eine Fassade, wie so vieles in ihrem Leben?
 

Sie streifte ihre Schuhe ab und griff zu einem mit einigen Notizen bekritzelten Stück Papier, das auf ihrem Nachttisch lag. George ein alter Freund ihres Vaters gab heute Abend zum Anlass ihrer Rückkehr einen kleinen Empfang, und es war wohl besser, sich eine Rede und ein paar Antworten auf Fragen zu Recht zu legen, denn es war kompliziert eine Lüge dieses Ausmaßes zu verbergen, das wusste sie aus ihren Erfahrungen nur zu gut.
 

Details waren wichtig, man musste sich über die eigene, erfundene Version der Ereignisse ohne irgendwelche Zweifel oder Ungenauigkeiten klar sein, denn sonst brach ein mühselig gestricktes Netz aus Lügen schneller zusammen als jedes Kartenhaus. Jede Lüge hatte ihre Schwächen, die nicht immer in der Planung, sondern oft auch beim Lügner selbst lagen. Man konnte sich eine noch so geschickte und glaubwürdige Geschichte überlegen, wenn man es nicht schaffte sie überzeugend rüberzubringen war sie nutzlos.
 

Ihr Netz war sehr dicht und sie musste zu geben, dass sie ein bisschen stolz darauf war, wie sie alles in so kurzer Zeit, nachdem ihr Vorhaben mit Dawn in Cleveland gescheitert war, zusammengefügt hatte. Allerdings war es eine Art von Stolz, die sie nur sehr schwer genießen konnte, denn sie wusste wie viel sie mit diesen Lügen zerstörte.
 

Ohne richtig bei der Sache zu sein, hatte sie einige Worte auf den Zettel geschrieben, sie dann jedoch wieder durchgestrichen, ihre Rede musste etwas Feuriges haben, etwas, das die Wächter wieder wachrüttelte, ihre eingerosteten Herzen weckte, sie an die alte Zeit erinnerte und sie für die alte Tradition begeistern ließ.
 

Für einen Moment klang die Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf wieder, wie ein lang vergessenes Echo, doch sie verlor sich schnell wieder. Wäre er doch an ihrer Stelle gewesen, er hatte es verstanden Menschen von seiner Sache zu überzeugen. Vielleicht würden seine Worte ja bei der Rede helfen?
 

Lily versuchte sich an ihn zu erinnern, seine Sprache, die Dinge, die er gesagt hatte, und begann erneut Dinge zu notieren, die ihr für die Rede einfielen. Es klappte eine Weile, doch dann kam sie ins Stocken, es ging aus irgendeinem Grund nicht mehr weiter.
 

Frustriert legte sie ihre Kritzeleien bei Seite und ließ sich zurück fallen auf die weiche Matratze: „Verflucht Rupert, warum musstest du es sein, der die Regeln geändert hat, warum konnte es nicht einer dieser normalen, langweiligen Bürokraten sein, von denen der Rat sowieso überquillt? Jemand, den man mit Leichtigkeit um den Finger wickeln und ohne irgendwelche Gewissensbisse belügen kann? Warum du?“, sie seufzte. Und dann war es zu allem Überfluss und wider ihren ursprünglichen Plänen auch noch so weit gekommen, dass sie den Rat hatte an sich reißen müssen.
 

Eines Tages, da war sie sich sicher, würde er es verstehen, und sie könnten zusammen glücklich werden. Eines Tages. Doch mit jeder Lüge rückte dieser Tag in weitere Ferne.
 

Sie fragte sich, was er wohl gerade tat. Hatte er die Nachricht des Rates schon bekommen? Dachte er genau so viel an sie, wie sie an ihn? Vermutlich schon, doch seine Gedanken waren wohl nur erfüllt von Wut und Verzweiflung über ihren Verrat.
 

Vor ihren Augen formte sich ein Bild von ihm, wie er in seinem Arbeitszimmer saß, allein vor sich ein Glas Scotch, in seinem Gesicht ein Ausdruck der Verletztheit. Sie schob dieses Bild so schnell wie möglich aus ihrem Verstand heraus.
 

Über Giles könnte sie immer noch nachdenken, wenn das alles vorbei war, sie könnte sich überlegen, was sie ihm sagen würde, und wie sie die Sache wieder ins Reine bringen könnte, doch im Moment gab es Dinge, die wichtiger waren als er, wichtiger als ihre Liebe, wichtiger als alles andere in ihrem Leben. Denn noch immer galt es umzukehren, was eine eifrige Jägerin und ihr höriger Wächter umgekrempelt hatten. Die Ziele, die ihr Vater gelehrt hatte waren das, was im Moment zählte.
 

Sie schüttelte über sich und ihre Abgelenktheit den Kopf, ehe sie wieder zu ihrem Entwurf der Rede griff und sich erneut zu konzentrieren versuchte. Sie würde sich erst andere Gedanken gestatten, so bald sie ihre Rede beendet hätte.
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus

Mittag

Stille. Allen Anwesenden war der Schock ins Gesicht geschrieben, Andrew hatte aufgehört mit dem Handy zu spielen, und Xander hatte über diese Nachricht beinahe den vorwurfsvollen Blick vergessen, den er seinem ehemaligen Zimmergenossen unentwegt zuwarf. Kennedy hatte Willows Hand ergriffen, Buffy starrte Giles an, als wäre es ein Scherz, den er gleich auflösen würde und Dawn blickte befangen in die Runde, vom einen zum anderen.
 

Keiner von ihnen wollte der erste sein, der etwas sagte, und so herrschte andächtiges Schweigen, seit Giles seinen Bericht beendet hatte. Der alt gediente Wächter umklammerte die Nachricht des Rates immer noch, als ob sie sein einziger Halt wäre.
 

Buffy warf einen flüchtigen Blick zu den anderen, alle schienen abzuwarten, ob irgendjemand etwas sagen würde, also machte Buffy schließlich den Anfang: „Kann Lily das denn so einfach entscheiden? Ich meine, sie haben den Rat neu aufgebaut, für die Gelder gesorgt und das alles, da kann Lily doch nicht einfach kommen und… Oder doch?“
 

Mit einem Schlag waren alle Blicke auf sie gerichtet, es war etwas unangenehm, doch sie sah auch ihre Erleichterung, dass jemand etwas gesagt hatte.
 

Langsam erhob Giles, der sich dazu zwingen musste überhaupt noch irgendetwas zu dem Thema sagen zu können, seine Stimme, um ihr zu antworten: „Sie hat einen Misstrauensantrag gegen mich gestellt und dieser wurde von den anderen Wächter mindestens zu zwei Dritteln angenommen. Das heißt, dass ich vorerst vom Rat ausgeschlossen werde, bis ein Tribunal einberufen werden kann, das darüber entscheidet, ob der Misstrauensantrag rechtmäßig war und ob die Entscheidung von Dauer ist, bis dahin muss ich alle meine Rechte und Pflichten als Mitglied des Rates aufgeben.“ Seine Stimme klang resigniert, als ob er über das Wetter oder etwas anderes völlig belangloses Reden würde.
 

„Gab es so etwas auch schon als Sie das erste Mal aus dem Rat verbannt worden sind? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie damals nach England gefahren sind!“, fragte Xander etwas unsicher, er wusste nicht, ob es nicht besser wäre, wenn er einfach seine Klappe halten würde. Immerhin hatte er zu diesem Thema nicht viel zu sagen, und bevor er irgendwelchen Unsinn plapperte, wäre es vermutlich besser gar nichts zu sagen, so sehr er Giles auch helfen wollte.
 

„Nein“, räumte Giles zähneknirschend ein, die traurige Ironie hinter seinen Worten entging wohl keinem, „um ehrlich zu sein habe ich diesen neuen Verfahrensweg eingeführt, um mich im Notfall so schnell wie möglich von alteingesessenen Wächtern mit gefährlichen Gedanken schützen zu können.“
 

„Und was passiert nun mit uns Jägerinnen?“, wollte Kennedy wissen, sie hielt es für das Beste eine praktische Frage zu stellen. Bevor Giles antworten konnte meldete sich Wood zu Wort, er sah nicht gerade glücklich aus: „Ich erhielt heute morgen einen Anruf vom Rat: Lily hat mir die Stelle von Mr. Giles in Cleveland anvertraut, vermutlich will sie vermeiden, dass jemand, der Einfluss im Rat hat in Kontakt mit Giles kommt, und schiebt es deswegen „großzügig“ mir zu.“
 

„Heißt das, dass Sie jetzt nach ihrer Pfeife tanzen?“, rutschte es Xander entrüstet heraus.
 

„Sie hat es befohlen, es gibt leider nichts, was ich tun kann, außerdem ändert es am Endergebnis nichts. Ansonsten käme sie vielleicht noch auf die Idee unsere Jägerinnen hier in Cleveland über den ganzen Globus zu verteilen!“, Wood zuckte resigniert mit den Schultern, damit war das Thema für ihn erledigt und selbst Xander musste einsehen, dass der Wächter recht hatte.
 

„Und es gibt wirklich nichts, was wir dagegen unternehmen können?“, Buffy starrte ihren Mentor entgeistert an, „Es kann doch nicht sein, dass Lily ein grausames Spiel mit uns spielt – Menschen ermordet und andere entführt - und dann von einem Tag auf den anderen den Rat übernimmt, Sie müssten sich doch wenigstens verteidigen können!“
 

„Ich bezweifle, dass ich den Rat dazu bringen könnte die Wahrheit über Lily zu glauben, ihre Familie ist unter den Wächtern viel zu gut angesehen, außerdem zweifle ich nicht daran, dass viele ihre Ansichten teilen werden. Sie haben sich bisher nur nicht getraut etwas gegen mich zu sagen, doch jetzt, wo ich in Ungnade gefallen bin werden sie aus ihren Löchern kriechen und sich auf ihre Seite schlagen. Es war so klar, dass das geschehen würde, nachdem ihre Pläne mit Dawn misslungen waren. Doch ich war zu blind, um schnell genug zu handeln!“, Giles ballte seine Faust, „Ich war seit wir erfahren haben, wer Lily wirklich ist zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, um mich gut genug um den Rat zu kümmern, das wusste sie, sie kennt mich einfach zu gut.“
 

„Und wenn ich versuchen würde, mit ihnen zu reden? Immerhin kennen Sie mich!“, schlug Willow vor, und Xander der neben ihr saß nickte zustimmend, doch Giles wirkte den Vorschlag sofort ab: „Es hätte keinen Sinn, sie würden dich nicht akzeptieren, außerdem schafft Lily es bestimmt auch, sie davon zu überzeugen, dass ich dich gegen sie aufgehetzt habe.“
 

„Nun sicher hat Lily einige Macht im Rat, aber es sind ja auch einige unserer eigenen Leute in wichtigen Positionen, und ich bin mir sicher, dass wir eine Chance hätten gegen Lily anzukommen, wenn wir einige wichtige Wächter auf unsere Seite ziehen würden.“, schlug Wood vor.
 

„Ja, da muss doch irgendwie etwas zu biegen sein, Sie haben schließlich auch Freunde im Rat, sonst wäre es ihnen nie gelungen ihn alleine wieder aufzubauen!“, pflichtete Buffy ihm bei, ohne die Situation wirklich einschätzen zu können.
 

„Sicher. Sicher, das könnten wir wohl versuchen.“, Buffy bemerkte erneut wie gleichgültig Giles Stimme klang, er wirkte gebrochen. Es tat weh ihn so leiden zu sehen, ein Grund mehr Lily endlich in die Finger zu kriegen, und ihr die selben Schmerzen zufügen, die sie ihnen bereitet hatte.
 

„Gut, dann werden wir das als erstes versuchen, das ganze muss systematisch angegangen werden, wir brauchen eine Tafel oder so etwas, und eine Liste von Wächtern.“, Wood wirkte sehr angespannt.
 

Andrew, der sich bisher ruhig gehalten hatte, sprang auf: „Ich habe da in Mr. Giles Keller was gesehen, einen Moment!“
 

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Cleveland, ein Cafe

Gleiche Zeit

“Also, habe ich Sie richtig verstanden, Sie wollen einen Krieg führen...“, D’Hoffryn nahm eine weitere Gabel von seiner Sachertorte nach original wienerischem Rezept, “Sie haben keine Ahnung, wie mächtig ihr Gegner ist, geschweige denn, wo er sich überhaupt aufhält, aber Sie wollen ihn bekämpfen. Mit einer derzeit noch nicht existenten Armee...“
 

“Sie haben es erfasst.“, Kan Hsirg, oder besser gesagt, Mr. Romero – ein öffentliches Café war sicher nicht der richtige Ort um sich in seiner wahren Gestalt zu zeigen – zog mit einem bestätigenden Nicken an seiner Zigarre, “Ein Krieg. Und wie Sie sicher mitbekommen haben, befinde ich mich noch im Anfangsstadium meiner Planung.“
 

“Darauf wäre ich nie gekommen“, entgegnete der oberste Rachedämon mit feiner Ironie in seiner Stimme.
 

“Nun, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, ich gebe offen zu, dass ich mich hier auf Neuland bewege“, fuhr der Läufer des Htogrom Clans mit seinen Ausführungen fort. “Natürlich führen ich und meinesgleichen einen Krieg gegen die Menschheit, aber das ist ein völlig anderes Thema und hat nichts mit dieser Sache zu tun. Hier geht es nämlich um einen Krieg im eigentlichen Sinne – angreifen – zuschlagen – vernichten. Können Sie mir folgen?“
 

“Gewiss.“, D’Hoffryn nahm das nächste Stück Sachertorte und fragte sich, warum er sich überhaupt auf dieses Treffen eingelassen hatte. Normalerweise interessierte er sich nicht im Geringsten für die Geplänkel zwischen den Dämonen in der irdischen Dimension. Seinen Informationen zufolge stand der HtoGrom Clan irgendwo auf der langen, langen Liste der Dämonengruppierungen, die sich um die Weltherrschaft in dieser Dimension stritten. Nichts Erwähnenswertes, also. Abgesehen davon, dass diese Welt so rein gar nichts an sich hatte, worüber es sich zu herrschen lohnte.
 

“Ich habe mir dieses Buch hier besorgt.“ Hsirg zog eine zerfledderte Ausgabe von General Sun Tsu’s “Die Kunst des Krieges“ aus seiner Aktentasche hervor. “Meinen Sie, dass es hilfreich sein könnte?“
 

“Gewiss.“ Am liebsten wäre der Rachedämon auf der Stelle nach Arashmaharr zurückgekehrt, um sich dieses langweilige Geschwafel zu ersparen. Wäre es nicht um dieses leckere Stück Kuchen gewesen, welches er auf keinen Fall im Stich lassen wollte.
 

“Mit Hilfe dieses Buches habe ich bereits einen Schlachtplan erstellt.“, Hsirg klappte seinen Laptop auf, “Punkt eins, mehr über meinen Gegner – Malkuth – herausfinden. Punkt zwei, eine Armee aufstellen. Punkt drei, einmarschieren und vernichten.“
 

“Na, das klingt doch großartig!“ D’Hoffryn verzog das Gesicht zu einem betont jovialen Lächeln, als spräche er mit einem fünfjährigen Kind.
 

“Ja, das finde ich auch.“ Hsirg schien der Sarkasmus in den Worten seines Gesprächspartners völlig entgangen zu sein. “Aufgrund einiger Probleme an Informationen zu kommen, habe ich allerdings eine Kleinigkeit an meinem Plan geändert, ich habe die Punkte 1 und 2 miteinander vertauscht. Ich konzentriere mich nun zuerst darauf, die Armee aufzustellen und werde mich erst danach mit Malkuth beschäftigen. Vielleicht habe ich mit dieser taktischen Änderung mehr Erfolg.“
 

“Und wie soll ich Ihnen bei der Erstellung dieser Armee behilflich sein?“ fragte der Rachedämon mit hochgezogenen Augenbrauen. “Gehören Sie nicht zu irgendeinem Kult oder einer Gruppierung, die Ihnen da weiterhelfen könnte? Ihr habt doch immer irgendeinen Kult...“
 

“Wie ich Ihnen bereits sagte, diese Angelegenheit hat nichts mit den Zielen meines Clans zu tun, “ entgegnete Kan Hsirg frostig. “Ich bin in dieser Sache auf mich allein gestellt. Mehr noch, ich habe noch nicht einmal Unterstützung von meinen Bauern, da ich der letzte Überlebende meines Spiels bin. Die Jägerinnen haben alle anderen Figuren ausgelöscht...“
 

“Dann handelt es sich bei Ihrem so genannten Krieg um einen persönlichen Rachefeldzug?“ wollte D’Hoffryn wissen. “Aber warum Malkuth? Warum nicht die Jägerinnen, die für Ihr Leid verantwortlich sind?“
 

“Die Jägerinnen?“, der Iah K’uru nahm eine neue Zigarre aus seinem Etui und zündete sie mit der alten an, “Aber ich bitte Sie. Jägerinnen und Dämonen sind natürliche Feinde, das ist wie Schwarz und Weiß auf dem Schachbrett. Ein Dämon, jedoch, der andere Dämonen an Jägerinnen verrät, das ist ein Frevel. Ein Frevel, der nicht ungestraft bleiben darf...“
 

“Sie haben Recht,“ stimmte D’Hoffryn zu und diesmal meinte er es ehrlich. “Trotzdem, ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Meine Rachedämonen sind keine ’Armee’, die man so einfach in den Krieg schickt. Sie können zwar Wünsche erfüllen, aber diese Macht gilt nur für Menschen, nicht für andere Dämonen. Außerdem – aus Rache fängt man keinen Krieg an. Das ist einfach zu billig. Rache muss vielschichtiger sein und natürlich subtiler.“
 

“Was wäre denn, Ihrer Meinung nach, ein anständiger Grund, um einen Krieg anzufangen?“ fragte Kan Hsirg lauernd.
 

D’Hoffryn lächelte. “Warum nicht eine Frau?“
 

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Wächterhaus, Giles Büro,

Früher Nachmittag

Giles blickte von dem alten Prophezeiungsbuch auf, dessen letzte Seite er noch immer nicht ganz entschlüsselnd übersetzt hatte, als Buffy in den Türrahmen trat.
 

Sie beobachtete ihn für einen kurzen Moment, bevor sie leise und bedacht das Wort ergriff: „Andrew ist mit seiner „Einsatzzentrale“ gleich fertig, und dann können wir anfangen mit den Planungen.“, sie trat einen Schritt vor, „Giles wir sollten reden.“
 

„Worüber, über die Wächter?“, er blickte nicht einmal von dem Buch auf.
 

„Über Lily, aber vor allem über sie.“, sie zog einen der Stühle zurück und setzte sich, „Bitte Giles, so kann es nicht weitergehen!“
 

„Ich möchte aber nicht mit dir darüber reden.“, die Worte klangen sehr bestimmend, ohne dass sie einen Zweifel zulassen würden. Vorsichtig zog er aus einem Fach eine Lupe heraus und betrachtete eine kleine Abbildung genauer.
 

„Wie Sie meinen“, Buffy machte sich bereit wieder aufzustehen, „ich finde nur, dass Lily schon genug angerichtet hat und Sie sich nicht auch noch alles von ihr zerstören lassen sollten. Ich weiß, dass wir eine Chance haben, und wenn die Wächter erst einmal die Wahrheit über Lily kennen, dann werden sie Sie so oder so wieder in den Rat aufnehmen müssen! Dawn kann das alles bezeugen!“
 

Giles ließ für einen Moment von seinem Buch ab: „Sie hat aber bereits alles zerstört, was ich mir wieder aufgebaut hatte!“
 

„Das ist kein Grund nicht darum zu kämpfen, ich weiß, dass Sie stark sind! Mein Gott, wir haben das erste Böse zusammen zurückgeschlagen, dagegen ist ein Haufen von unentschlossenen Bürokraten doch wohl eine Kleinigkeit!“
 

„Vermutlich hast du Recht, doch es ist etwas anderes dieses Mal, es ist Lily.“, für einen Moment schien in seinen Augen etwas aufzublitzen, dann richtete er seinen Blick wieder auf das Buch.
 

„Ja, ich weiß, wie nahe Sie sich gestanden haben, und ich kann Sie mehr als nur gut verstehen. Ich weiß wie es ist, wenn jemand den man liebt plötzlich ein anderes Gesicht zeigt, und man ihn bekämpfen muss. Es tut mehr weh als alles andere! Doch Sie sind mehr als Lily, und auch mehr als der Rat, ich weiß, dass Sie es schaffen werden! Wir werden es zusammen schaffen, und irgendwann werden Sie auch Lily vergessen können!“
 

„Ich denke nicht, dass ich sie vergessen werde, ich habe sie auch vorher nie vergessen.“, Giles zögerte für einen Moment, etwas in ihm sträubte sich dagegen Buffy die ganze Wahrheit zu sagen, doch wenn er es jetzt nicht könnte würde er es vermutlich nie mehr können, „Immerhin war sie einmal meine Verlobte und wir hatten wirklich vor zu heiraten, zumindest für eine Zeit lang. Das war damals auch der Grund, warum ich den Verlobungsring für Jenny gekauft hatte: Sie war die erste Frau nach Lily, die ich wirklich geliebt habe, und ich dachte nur so könnte ich wirklich mit Lily abschließen. Wie ich damals als du von dem Ring erfahren hast schon sagte, es war wirklich eine dumme, unüberlegte und vor allem verfrühte Entscheidung!“
 

Buffy schwieg betroffen über das, was er ihr gerade offen gelegt hatte. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte; sollte sie ihm sagen, wie leid es ihr tat, dass es so schwer für ihn war? Er begann wieder sich mit dem Text zu beschäftigen, doch sie hörte nicht auf ihn zu fixieren. Beide schwiegen sich für eine Weile an, dann ergriff Buffy wieder das Wort: „Sie werden es schon irgendwie schaffen, und es wird alles wieder gut werden! Wenn auch natürlich nicht mit ihr…“
 

„Natürlich, das ist es!“, Giles sprang plötzlich auf und ließ die Lupe etwas unsanft zurück in ihr Fach gleiten.
 

„Freut mich wirklich dass ich Ihnen helfen konnte!“
 

„Nein, die Übersetzung!“
 

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Wächterhaus,

Besprechungszimmer

Andrew hatte das Risiko Spielfeld aus dem Karton genommen und auf dem Tisch ausgebreitet, nun war er dabei, die kleinen Figürchen nach Farbe und Art zu ordnen: „Die Infanteristen stehen für einfache Wächter, die Reiter für einflussreichere, und die Kanonen stehen für größere Bedrohungen und für andere „unbeteiligte“ Parteien.“, erklärte er beinahe beiläufig, während er die schwarzen Reiter peinlich genau in einer Reihe anordnete, „Grün sind die Wächter auf unserer Seite, Rot die auf Lilys und schwarz, die die Unentschieden sind!“
 

Als er mit der Reihe fertig war griff er zu der übergroßen Plakatrolle, die neben dem leeren Spielekarton lag und begann sie zu entrollen, eine farbige Frau, mit einem Afro-Haarlook der 60er kam zum Vorschein.
 

„Wow! So was liegt in Giles Keller rum?“, fragte Kennedy irritiert, Andrew zuckte nur mit den Achseln: „Da unten sind noch viel mehr, und die meisten sehen noch bizarrer aus, als das hier. Giles scheint wirklich eine wilde Jugend gehabt zu haben!“
 

Kennedy lachte bei dem Gedanken, und selbst Faith konnte sich zu einem kleinen Lächeln hinreißen: „Wir sollten unbedingt mal jemanden fragen, der ihn früher gekannt hat!“, mit einem Schlag wurde ihr klar, was sie gerade gesagt hatte. Sie kannten alle bereits eine Person, die Giles früher gekannt hatte.
 

Unsicher warf sie Robin einen kurzen Blick zu, doch er erwiderte ihn nicht. Verdammt, eines Tages würde sie Lily dafür töten, was sie ihnen angetan hatte. Und dass sie auch noch die Kühle besaß Robin nach alle dem zu „befördern“, hatte dem ganzen eine Krone aufgesetzt. Sie hielt sich wohl für unbesiegbar, Faith hasste sie, hasste sie mehr als alles andere.
 

Es herrschte wieder Stille, und alle beobachteten Andrew dabei, wie er vergeblich versuchte das Plakat zu glätten, ohne dabei an die Figuren zu stoßen und die mühsam erlangte Ordnung wieder zu zerstören.
 

„Das ist doch nicht etwa mein original Marsha Hunt Konzertposter?“, Giles betrat den Raum gefolgt von Buffy.
 

„Doch, ich dachte man kann auf der Rückseite gut Notizen machen!“, Andrew gab schließlich auf es zu glätten und griff zu zwei Heftzwecken.
 

„Aber es ist… Es ist fast schon antik!“, Giles missbilligender Blick wirkte fast schon schockiert, und Andrew stockte, doch schließlich schüttelte Giles nur mit dem Kopf: „Nimm es ruhig, es ist nicht mehr wichtig.“
 

Als Andrew mit seinen Vorbereitungen endgültig fertig war nahmen alle am Tisch Platz, Andrew selbst war der letzte: „ Willkommen in unserer Einsatzzentrale, von hier aus werden alle Pläne geschmiedet werden und wichtige Entscheidungen getroffen werden, für diesen globalen, alles bedeutenden Konflikt.“
 

„Danke Andrew!“, Giles Stimme hatte einen sarkastischen Beigeschmack, und Buffy bemerkte erfreut, dass er, wenn auch nur sehr langsam zu seinem alten selbst zurückfindend, den Schmerz, dass Lily ihm den Rat streitig machte mit der Zeit überwinden würde, da war sich Buffy sicher.
 

„Also wir haben hier sie, Giles, und dort unten in England Lily!“, Xander platzierte einen grünen und einen roten Reiter auf dem Spielfeld, „außerdem haben wir noch den Willow-Hüterinnen-Bonus.“, ein weiteres grünes Pferd fand seinen Weg nach Cleveland.
 

„Dafür hat Lily aber fast alle Wächter in London, die entscheidende Positionen tragen, in ihren Händen!“
 

Eine rote Kanone wurde bei Lily positioniert.
 

„Doch viel wichtiger sollten für uns die Wächter sein, die nicht in England sind, die nicht direkt bei Lily sind, und die sie nicht so einfach kontrollieren kann, denn ich denke davon gibt es viele, und wenn wir nur die Hälfte von ihnen auf unserer Seite hätten, dann wären wir schon sehr gestärkt!“, warf Wood ein, er verteilte einige schwarze Soldaten willkürlich auf der Weltkarte.
 

„Ja, nur das wir sie nicht alle einzeln ansprechen können, wenn wir einen Wächter in China haben, der uns unterstützt, und einen in Europa, dann bringt uns das herzlich wenig, wir brauchen eine gute Basis, von der aus wir Lily angreifen können!“, Giles Blick war starr auf die Weltkarte gerichtet.
 

„Was schlagen Sie vor?“, Wood schaute Giles fragend an, doch er blickte nicht einmal zu ihm auf, er begann zu erklären: „Wenn wir die Wächter in Europa oder auch Nordamerika gegen Lily aufbringen können, dann müsste sie uns Gehör schenken, eher, als wenn wir nur vereinzelte Wächter überall auf der Welt auf unsere Seite ziehen!“
 

„Sicher, doch wie wollen wir das anstellen?“, mischte Willow sich ein.
 

„Wir brauchen Wächter mit Einfluss auf unserer Seite, die uns unterstützen und die Wächter in ihrem Umfeld überzeugen können: Romano Belussci in Rom, Daniel Westmann in Deutschland, Anne Cargo in Russland und viele weitere, sie alle sind alt eingediente Wächter, die schon ewig in ihren Bereichen für die Geschäfte des Rates verantwortlich sind, auf sie werden die Wächter in ihrem Umfeld hören!“, Giles Stimme war etwas leiser und nachdenklicher geworden, und man konnte ihm an seinem entrückten Gesichtsausdruck ansehen, dass er bereits in Gedanken an Ort und Stelle weilte und die betreffenden Personen zu überzeugen versuchte.
 

„Gut, dann wäre unser Vorgehen ja schon etwas klarer. Aber vielleicht sollten wir uns einen allgemeinen Überblick über Feinde, Verbündete und mögliche Freunde verschaffen? Was das alles zum Beispiel mit den Reitern zu tun hat...“, warf Buffy ein, „Zumindest ich denke, dass es einige Fragen zu beantworten gibt. Was haben Sie neues über die Reiter herausgefunden?“
 

Andrew guckte Giles etwas unsicher an, während er den schwarzen Filzstift aufschraubte und die Rückseite des Konzertplakates bei Buffys Worten in drei Spalten unterteilte: „Feinde“, „Verbündete“ und „potentielle Verbündete“.
 

„Nun ja“, Giles nahm seine Brille ab und begann sie zu putzen, „wenn man dem Buch „Die Reiter des Todes“ glauben schenkt, das im übrigen unsere wichtigste Quelle ist, handelt es sich um vier Reiter, deren Ziel die Vernichtung allen Übels ist, dazu tragen sie die Kraft der vier Urgewalten, also Elementarkräfte in sich, was die beunruhigende Vermutung nahe legt, dass sie in irgendeiner Weise mit den Naturkatastrophen zusammenhängen, von denen seit Tagen immer wieder berichtet wird. Wie auch immer, scheinbar verfügen sie über noch eine viel größere Kraft in sich, die frei wird, wenn sie sich alle vereinigen. Diese Kraft wird in dem Buch als die eine Urkraft bezeichnet, und sie führt eine große Reinigung unserer Welt von allem Bösen und Unreinen herbei, und zurück bleibt nur reine Erde!“
 

Die vier Jägerinnen horchten mit einem Mal auf.
 

„Die Vernichtung alles Bösen in dieser Welt? Sie stehen also auf unserer Seite!“, meldete Xander sich hoffnungsvoll zu Wort.
 

„Dann hätten wir wenigstens eine Sorge weniger!“, pflichtete Kennedy euphorisch bei.
 

„Ich denke nicht“, musste Giles sie enttäuschen, „denn es heißt, dass die vier Reiter vor Urzeiten von Magie gewandten Personen mit Hilfe von reiner Energie verbannt wurden. Aus den verschiedenen Völkern übernahm je eine kleine Gruppe die Verantwortung – Schamanen in Afrika, Medizinmänner in Nordamerika, ein Zauberzirkel in Europa und in Asien ein alter, japanischer Familien-Clan namens Tetsu. Auf diesen Namen bin ich früher schon öfters gestoßen, “ sinnierte Giles nachdenklich weiter, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Ich schweife ab... Wie auch immer, ich glaube nicht, wenn sie auf unserer Seite stehen würden, dass es einen Grund gäbe sie an einem sicheren Ort zu verwahren.“
 

Dawn zuckte zusammen. Tetsu? Das war Shins Familien Name! Sie müsste ihn bei Gelegenheit danach fragen, ob er und seine Familie in irgendeiner Verbindung zu alle dem standen, vielleicht war es nur ein Zufall, doch nach allem, was er ihr erzählt hatte war es vermutlich doch mehr als das.
 

Ohne einen wirklichen Grund musste sich Buffy plötzlich an die Ninja aus dem chinesischen Tempel erinnern und auch an den mysteriösen Reiseleiter, dem sie sowohl in China, als auch in Australien begegnet war, ihr Jägerinneninstinkt sagte ihr, dass das alles irgendwie in Verbindung mit dem ganzen gestanden hatte, doch es war wohl nicht der richtige Moment Giles mit ihren wagen Vermutungen zu konfrontieren, er hatte andere Gedanken im Kopf. Sie machte sich in ihrem Kopf eine kleine Notiz ihn irgendwann wenn die Dinge besser standen, oder alles ruhiger war darauf ansprechen zu müssen.
 

„Definitiv Feinde!“, Andrew griff erneut zum Stift.
 

„Ich denke wir sollten die Bedrohung durch die Reiter sehr ernst nehmen, doch im Moment können wir in dieser Sache wohl nur abwarten was geschieht. Ohne den Rat auf unserer Seite können wir nur sehr schwer in Erfahrung bringen, was überall auf der Welt vor sich geht.“, beendete Giles seinen Vortrag.
 

„Es gebe da noch jemanden, an den wir bisher noch gar nicht als Verbündeten gedacht haben – Angel!“, schlug Willow plötzlich vor.
 

Buffy sah langsam zu ihrer Freundin und machte ein nachdenkliches Gesicht. Angel. ja.. er hatte ihnen beim Kampf gegen das Urböse geholfen. Sicher würde er erneut auf ihrer Seite kämpfen. Auch wenn Cleveland und L.A. nicht gerade nebeneinander lagen. Aber Angel bedeutete auch noch ein kleines Gespräch mit Giles, dass sie seit einer Woche führen wollte und irgendwie in den ganzen hektischen Tagen nach Dawns Rettung vergessen hatte. „Richtig.. Angel, “ Buffy sah zurück zu Giles. „Wollten Sie mir wegen Angel nicht noch etwas erzählen? Zum Beispiel, wieso er Sie vor ein paar Tagen angerufen hat?“
 

Giles starrte sie für einen unendlich langen Moment an, dann gab er langsam und betont eine Antwort: „Ich weiß. Ich bin dir deswegen noch eine Antwort schuldig. Und sie ist nicht sehr aufregend - er wollte Willow sprechen. Aber sie war gerade dabei Dawn zu retten und offensichtlich war es nicht wichtig genug für Angel, um zu warten...,“ das war zwar so nicht ganz korrekt, aber Giles hatte keine Lust auf eine lange Diskussion mit Buffy, „Und ich glaube weniger, dass wir uns an ihn wenden sollten. Er arbeitet immer noch bei Wolfram und Hart, und selbst wenn wir ihm vertrauen könnten, ihnen können wir nicht vertrauen! Wenn wir Angel um Hilfe bitten würden, würden wir mit ihm auch uralte, grausame und berechnende Dämonenlords, die diese Welt seit Anbeginn der Zeit terrorisieren um Hilfe bitten; ein Pakt mit dem Teufel ist das was wir im Moment noch am wenigsten gebrauchen können.“
 

Buffy wollte etwas erwidern, doch noch bevor sie angefangen hatte zu sprechen, verstummte sie wieder, er hatte Recht, auch wenn es ihr sehr schwer fiel sich damit abzufinden, dass Angel nun auf der anderen Seite stand, doch wenn Giles es so sah, dann hatte er vermutlich auch recht damit.
 

Andrew der den Stift bereitgehalten hatte verschloss ihn wieder, in seinem Gesicht zeigte sich ein leichter Ausdruck von Bedauern.
 

„Und was ist mit diesem mysteriösen Unsterblichen? Haben die Nachforschungen schon was ergeben?“, Willow lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorne.
 

„Nein, dieser Name scheint unter Dämonen sehr beliebt zu sein, es gibt wohl tausende „Unsterbliche“ unter den Dämonen, davon sind die meisten aber bereits tot.“, berichtete Giles mit leisem, jedoch nicht wirklich motiviertem Sarkasmus in der Stimme.
 

Buffy lächelte, und Kennedy und Faith stimmten mit ein: „Dämonen neigen wohl generell dazu sich ein bisschen zu überschätzen!“
 

„Ja, doch das hilft unserer Sache wohl kaum weiter!“, Giles setzte seine Brille wieder auf, „Es gestaltet sich eher schwieriger ihn zu finden, ich werde aber mein Bestes tun, denn er spielt offensichtlich eine wichtige Rolle!“
 

„Naja, vielleicht hilft das mit den Dämonen unserer Sache schon, wenn die Reiter zum Beispiel nur Steckenpferde hätten…“, Kennedy führte ihren Gedankengang jedoch nicht zu Ende, als sie Giles ermahnenden Blick bemerkte: „Ist dann soweit alles geklärt?“
 

Die Gruppe am Tisch schwieg ihn an. Der eine oder andere nickte leicht mit dem Kopf.
 

„Gut, an die Arbeit!“
 

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Wächterhaus, später Nachmittag,

Schulbus

Ein Schrei, gefolgt von einem lauten Schlag hallte durch die Luft. Robin sah besorgt auf, griff nach der Tasse Kaffee, die er sich bereit gestellt hatte, und widmete sich dann wieder Giles Notizbüchern, die mit etlichen hundert Telefonnummern von Wächtern und Mitarbeitern des Rates voll gekritzelt waren. Er hatte freiwillig die Aufgabe übernommen, die Telefonnummern aller Wächter auf der Liste heraus zu suchen. Die Ruhe kam ihm gut gelegen. Bei C blieb er für einen Moment stehen, sein Finger fuhr über die Seite nach unten.
 

Ein weiterer Schrei ließ ihn allerdings hochfahren. Als ein lauter Knall folgte, stellte er die Tasse auf den Tisch und sprang hoch. Ohne etwas anderes als den Ausgang ins Visier zu nehmen, stürmte er durch den engen Bus, stieß die Tür auf und trat hinaus in den Garten.
 

Erleichtert amtete er wieder ein, als er Faith alleine in dem Garten sah. Die Besorgnis war jedoch nicht von seinem Gesicht verschwunden. Die Jägerin kniete schnaufend am Boden, während ihr die Schweißperlen von der Stirn hinab liefen.
 

Robin trat langsam die kurze Treppe nach unten und näherte sich Faith vorsichtig.
 

„Ich.. hab sie. getötet...“ sagte Faith plötzlich, starrte allerdings weiter auf den Boden. Ein Windstoß wehte durch den Garten und ließ die dunkelhaarige Jägerin kurz frösteln. Sie strich sich langsam die Haare aus dem Gesicht und drehte den Kopf in die Richtung ihres Wächters.
 

“Ich hab sie. ruiniert...“ sagte sie wieder, völlig von Sinnen, starrte dann jedoch wieder auf den Boden.
 

Robin ließ seinen Blick durch den Garten wandern und erkannte kurz darauf, was seine Freundin überhaupt meinte. Völlig leblos und zersplittert lag die Holzpuppe in verschiedenen Teilen am Boden verstreut herum.
 

Robin trat näher an Faith heran, reichte ihr seine Hand, die sie nach kurzem Zögern ergriff und zog sie hoch.
 

„Was ist los?“ fragte er leise, und sah von den Bruchstücken der Trainingspuppe zu Faith.
 

„Ich hab sie völlig zerstört. und ich fühle mich nicht besser...!“ sagte Faith plötzlich verärgert. Sie schien langsam wieder zu sich zu kommen. Die Jägerin war vorhin anscheinend in Rage verfallen, als sie voller Wut und Hass getrieben auf die Puppe eingeschlagen hatte.
 

„Der Hass auf Lily wird auch nicht so schnell vergehen...“ erwiderte der Wächter, hob die Hand und strich Faith eine Strähne aus dem Gesicht. Diese zuckte sofort zurück, drehte sich um, griff nach der Wasserflasche und nahm einen großen Schluck.
 

„Willow hat gesagt, dass es helfen würde…“
 

„Was machen die anderen?“, wollte Robin wissen, um Faith etwas abzulenken.
 

“Sie diskutieren, recherchieren und verrücken kleine Figuren, statt etwas gegen sie zu unternehmen!“, Faith stellte die Flasche wieder auf den Tisch, griff nach einem Messer, welches auf dem Trainingstisch lag, und schleuderte es direkt auf den Oberkörper der Puppe, der einige Meter von ihr entfernt auf dem Boden lag.
 

„Willst du nicht wieder rein zu ihnen gehen? Du darfst deinem Hass und deiner Wut nicht nachgeben. Sie leiten dich in die falsche Rich...“ sprach Robin, wurde jedoch von einer wütenden Faith unterbrochen.
 

„Ach, und du denkst, dass ich das nicht weiß? Ihr seid alle so oberschlau. aber eure Tipps helfen auch nur in der Theorie!“ schimpfte Faith wütend, trat auf den Torso zu und zog genervt das Messer wieder heraus.
 

„Denkst du, dass nur du einen geliebten Menschen verloren hast?“ antwortete plötzlich Robin harsch. Verwundert drehte sich die Jägerin um und sah den Wächter erstaunt an.
 

“Du versinkst hier in Selbstmitleid und Trauer, die dir bestimmt zu einem gewissen Grad zustehen, aber irgendwann ist genug. Reiß dich zusammen, Faith! Du bist kein kleines Kind mehr. Wir alle haben schon geliebte Menschen verloren. Ich meine Mutter, du deine Wächterin, den Bürgermeister. Es ist nicht das erste Mal“
 

„Aber es ist anders...“ konterte Faith, trat näher an ihren Wächter heran und sah ihm direkt in die Augen.
 

“Es ist verdammt nochmal anders! Ich .. ich kann ihren Killer nicht jagen, weil diese blöde Schlampe menschlich ist! Ich.. ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll! Ich habe damals Kakistos getötet, für das, was er meiner Wächterin angetan hat. Ich hab gegen Buffy gekämpft, wegen dem, was sie dem Bürgermeister antun wollte, aber ich kann Lily nicht töten. Ich kann nicht einmal an den Ort gelangen, an dem sie sich befindet!“
 

Faith funkelte ihn wütend an, trat genervt gegen die Holzstange, an der die Puppe montiert war, und wartete auf eine Antwort, die ihr der Wächter jedoch schuldig blieb. Ratlos blickte er sie besorgt an.
 

„WAS? Fällt dir jetzt nichts mehr ein?“
 

Wood trat ebenfalls an den Tisch, griff sich ein Messer und schleuderte es mit voller Wucht an Faith vorbei direkt in den rechten, oberen Teil des Torsos der ramponierten Puppe.
 

„Faith, du bist erwachsen. Es sind so viele Menschen hier, die dir ihre Hilfe anbieten. Rede noch mal mit Willow. Oder sprich mit Giles. Rede mit Buffy wenn du möchtest. Aber werde damit fertig, sonst wirst du noch mal drauf gehen, weil du dich nicht konzentrieren kannst!“ sagte er, sah sie noch einmal besorgt an, drehte sich dann um und ging wieder zum Bus zurück.
 

„Wie sollen sie mir denn helfen? Du kannst mir ja anscheinend auch nicht helfen!“ schrie sie ihm wütend nach, bekam aber als Antwort nur das Knallen der Tür zu hören, als sie ins Schloss fiel.
 

„Na toll...“ fluchte die Jägerin und brachte mit einem Fußtritt auch endlich die Holzstange zu Bruch.
 

„Was ist denn hier los?“ hörte sie plötzlich Ronahs Stimme, und drehte sich erschrocken um. Die dunkelhäutige Jägerin stand neben dem großen Baum und sah Faith fragend an. Diese sah überrascht, dass Ronah nicht alleine gekommen war.
 

„Ach, übrigens, das hier ist Cliff.“ Ronah grinste zuerst den dunkelhäutigen, groß gewachsenen, 17 jährigen Jungen und dann Faith an.
 

„Cliff?“ fragte Faith und verdrehte den Kopf. Sollte sie den Typen kennen?
 

„Wir haben uns vor ein paar Wochen in der Stadt kennen gelernt. Ich wollte ihm mal zeigen, wo ich lebe. Er ist mein Freund.“ sagte Ronah stolz.
 

„Hi!“ sagte Cliff, trat einige Schritt auf Faith zu und hielt ihr die Hand entgegen. „Schön sie endlich kennen zu lernen. Ronah sagt immer, dass sie wie eine große Schwester für sie wären.“
 

Cliff lächelte Faith freundlich, aber etwas unsicher an, während diese verwirrt seine Hand schüttelte.
 

„Ähm, ja. Sag doch du. Schön dich kennen zu lernen, Cliff“ grüßte Faith ihn verwirrt. Ronah hatte einen Freund? War ihr da etwas entgangen? Und warum musste sie gerade jetzt mit ihm hier auftauchen? Naja wenigstens war zwischen ihm und Ronah wohl noch nicht mehr passiert, das konnte sie sich sicher sein, nach der Sache mit dem Dämonen letzte Woche.
 

„Okay, Ronah du kennst dich ja hier aus. Ich muss leider... äh... weg!“ Faith schnappte sich die Trinkflasche, nickte Cliff und Ronah noch einmal zu, und lief dann am Haus vorbei auf die Straße Richtung Erie See. Sie brauchte jetzt etwas Ablenkung.
 

„Sie ist ziemlich fit...“ sagte Cliff, während er Faith nachstarrte.
 

„Ja, das ist sie. Und ich denke nicht, dass du Ärger mit ihr haben möchtest.“ sagte Ronah lachend, während sie auf Cliff zutrat, und ihre Arme um seine Hüfte legte.
 

„Schön hier...!“ flüsterte er leise, während er sie an sich heran zog, und sie langsam, leidenschaftlich küsste.
 

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England, außerhalb von London, Landsitz der Martins

Abend

Lily zog den zusammengefalteten Zettel aus ihrer Hosentasche und überflog die Rede noch einmal, sie war gut geworden, verdammt gut, ihr Vater wäre wohl stolz auf sie gewesen. Sie befand sich in Georges Arbeitszimmer, es war sehr groß, sogar eine Hausbar war vorhanden, deswegen beschloss sie sich einen Schluck zu genehmigen, sie könnte es wahrlich gut gebrauchen, zumindest musste sie die Wächter heute Abend bei Laune halten.
 

Als sie sich einen Whiskey eingoss fiel ihr Blick auf ein Foto, es zeigte sie, ihren Vater, ihre Mutter und George mit seinem Sohn und seiner Frau, Maria, sie war vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Seit ihrem Tod war George nicht mehr der Mensch gewesen, den sie gekannt hatte, zwar immer noch sehr freundlich und zuvorkommend, doch in seinen Augen lag immer eine fast greifbare Trauer, die Lily oft einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.
 

Sie konnte sich noch gut an die Gelegenheit erinnern in der dieses Foto entstanden war, in dieser Zeit waren sie und ihre Eltern noch oft weg gefahren. In diesem Urlaub waren sie wohl in Schottland gewesen, Lily musste um die zehn Jahre alt gewesen sein, Georges Sohn Leonard, der inzwischen die Betriebe seines Vaters übernommen hatte, war gerade mal ein Jahr alt gewesen.
 

Sie konnte sich noch an den Klang des Meeres erinnern und an den Geruch, der in der Luft gelegen hatte. Sie müsste unbedingt mal wieder mit jemandem ans Meer fahren, doch sie bezweifelte, dass die einzige Person die dafür in Frage käme je wieder darüber nachdenken würde mit ihr irgendwo hin zu fahren.
 

Sie nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. Und stellte es als es leer war wieder zurück.
 

Die Tür öffnete sich und George trat ein: „Lily, Kleines, ich freue mich dich wieder zu sehen, tut mir Leid, dass ich im Rat nicht mit dir sprechen konnte; wie ist es in Amerika gelaufen?“
 

Sein Haar schien noch grauer geworden und die Glatze noch größer zu sein. Sein Gesicht war verschwitzt und auf den Wangen waren rote Flecken zu sehen, dank der hektischen Vorbereitungen.
 

„Auch einen Schluck, Onkel George!?“, sie goss sich ein weiteres Glas ein und guckte den alten Freund ihres Vaters fragend an, bevor sie die Flasche zurück stellte.
 

„Nein danke, Lily, du weißt, mein Herz verträgt nicht mehr so viel; und hör mich auf Onkel zu nennen, da fühle ich mich noch älter!“
 

„Du bist alt! Und ich auch, trotzdem nennst du mich noch Kleines!“, ihr Protest klang nicht allzu ernst gemeint.
 

„Wie auch immer, wie ist es denn jetzt in Amerika gelaufen?“, wollte der gealterte Wächter nun mit nachhaltigem Interesse wissen.
 

„Das meiste so, wie ich es geplant hatte, auch wenn es leider einige kleinere Probleme gab.“, versuchte sie seine Frage mit einer knappen Antwort abzuhaken, doch George ließ nicht locker: „Welche Art von Problemen?“
 

„Nichts, dass man nicht hätte bewältigen können, ich hatte Buffy ein wenig unterschätzt, doch es ist alles mehr oder weniger gut ausgegangen, abgesehen davon, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe. Hör zu ich will jetzt nicht darüber reden, lass uns lieber später darüber sprechen, an einem anderen Ort, der dafür besser geeignet ist.“
 

George verstand ihre Andeutung und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung: „Hast du auch Schwierigkeiten gehabt, wieder mit ihm zusammen zu arbeiten?“
 

Lily antwortete nicht, stattdessen nahm sie einen weiteren tiefen Schluck und blickte George vorwurfsvoll an, weil er ein Thema angeschnitten hatte, über das sie mit keinem sprechen wollte. Verdammt, es war ihre Privatsache!
 

„Es tut mir Leid, wenn du nicht darüber sprechen willst, dann kann ich es verstehen, ich wollte dir nur sagen…Jetzt wo dein Vater tot ist, du kannst mir alles erzählen, ich werde dir so gut helfen, wie ich kann!“
 

Lily sah den alten Mann einen Moment ruhig an. Ein kleines Lächeln formte sich auf ihren Lippen und ein warmer Glanz trat in ihre Augen. Es tat gut, zu wissen, dass es noch immer jemanden gab, der zu ihr stehen würde, egal was passierte. Trotzdem fiel es ihr nicht leicht, darüber zu reden. Auch wenn sie wusste, dass es ihr hinterher sicher besser gehen würde. Nur widerstrebend begann Lily: „Ich weiß das zu schätzen, aber ich will wirklich nicht darüber reden, aber… Na ja, zu erst war es leicht. Wir waren einfach nur Kollegen mit einer gemeinsamen Vergangenheit. Es war nett an alte Zeiten erinnert zu werden, und auch darüber zu reden. Doch dann... als meine Pläne reiften, wurde es schwieriger den Schein zu wahren. Ich musste mich verstellen - es war wie eine Maske aufzusetzen, doch mit der Zeit…“, ihr letzter Widerstand war nun gebrochen.
 

„Mit der Zeit begann ich daran zu zweifeln, wie viel von der Maske ich selbst war, wie viel von dem was ich sagte und tat nur gespielt war und was die Wahrheit, und auf der anderen Seite, wenn ich frei war und mich nicht mehr verstellen musste, dann war es nur wie eine weitere Maske, die ich aufzog. Ich habe begonnen mich zu fragen, wer von den Rollen, in die ich schlüpfen musste ich wirklich war? Bin ich die freundliche Wächterin? Der Dämonen beschwörende Fiesling? Die liebende Tochter? Jemand, der das richtige tut? Ich weiß es langsam wirklich nicht mehr.“
 

George starrte sie für einen schrecklich langen Moment an, dann trat ein Lächeln in sein Gesicht: „Du wirst deinem Vater immer ähnlicher, Richard hat mal etwas ganz ähnliches zu mir gesagt, nach dem Tod deiner Mutter; ich bin mir sicher, auch du wirst es eines Tages herausfinden!“
 

Ein Klopfen an der Tür riss die beiden aus ihrem Gespräch, und eine rundliche Haushälterin trat verlegen ein: „Verzeihung, Mr. Martin, die Edinburghs sind eingetroffen!“
 

„Entschuldige mich bitte, Lily!“, so schnell wie er aufgetaucht war, war er wieder zu den Vorbereitungen für den Empfang zurückgekehrt.
 

Lily blieb etwas ratlos zurück, die Fragen, die sie das erste Mal laut ausgesprochen hatte schwebten ihr im Kopf rum, als ihr Blick auf das Urlaubsfoto fiel und an dem glücklichen Gesicht ihres Vaters hängen blieb: „Hast du es am Ende gewusst?“
 

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England, Süden, Landsitz der Ushers

1969

Der Regen prasselte gegen die vorgeschobenen Fensterladen, während die wenigen Lampen das Büro ihres Vaters in ein mattes Licht tauchten.
 

Es war ein Tag wie so viele, draußen trieb ein typischer englischer Landregen sein Unwesen, der Nebel hing tief über der kleinen Ortschaft, an die ihr Anwesen angrenzte und die Sonne war keine einziges Mal aus der dicken Wolkenschicht hervorgekommen.
 

Lily saß im großen mit dunkel braunem Leder überzogenen Sessel und wartete auf ihren Vater. Ihre rechte Hand umklammerte die Lehne, während sie mit der linken ihre traditionelle, englische Schuluniform zurecht zupfte. Alles sollte perfekt sein.
 

Sie war aufgeregt, wie sie es noch nie zu vor gewesen war, nicht einmal an ihrem Geburtstag oder Weihnachten. Dies war der Tag auf den sie so lange gewartet hatte, ihr Vater hatte es ihr versprochen, seit sie fähig war ihn danach zu fragen.
 

Sie sah sich um, sie war nicht oft in diesem Raum gewesen nur manchmal, wenn ihre Mutter sie schickte um ihren Vater zum Essen zu holen. Er mochte es nicht, wenn man sein „Reich“ betrat, und er hatte sie immer irgendwie komisch angeguckt, wenn sie ihn geholt hatte, ihr Blick war immer auf die Dämonenschädel gefallen, die an seiner Wand hingen, und auf die abertausenden Bücher in seiner eigenen kleinen Bibliothek.
 

Lily konnte nie aufhören ihm Fragen über Dämonen, Jägerinnen und vor allem die Wächter zu stellen, manchmal konnte auch er gar nicht aufhören begeistert von seiner Arbeit und dem Rat zu berichten, doch an anderen Tagen war er sehr verschlossen, und wollte nicht auf ihre Fragen eingehen. Zum letzten Geburtstag hatte er ihr ein großes Dämonenlexikon geschenkt, um alle ihre Fragen zu beantworten.
 

Lily konnte sich daran erinnern, am Tag davor aus ihrem Bett gekrochen zu sein, ihre Mutter und ihr Vater hatten sich bis zu letzt gestritten, was sie ihr schenken sollten, ihr Vater war gegen das Lexikon gewesen, er hatte gesagt, dass sie zu jung dafür sei und dass sie wenn sie einmal in diese grausame Welt kommen würde ihr nicht mehr entkommen könnte, er sie also, lieber erst so spät wie möglich an seiner Arbeit teilhaben lassen würde, doch ihre Mutter hatte ruhig erwidert, dass es immer klar war, dass Lily eine Wächterin werden würde und er nichts mehr daran ändern könnte, egal wie lange er es herauszögerte, er solle lieber stolz darauf sein, dass seine Tochter bereit wäre so eine große Verantwortung zu übernehmen.
 

In dieser Nacht hatte Lily davon geträumt, wie es wäre mit ihrem Vater Seite an Seite in die Schlacht gegen das Böse zu ziehen. Heute war ihr Traum in so greifbare Nähe gerückt: Ihre erste Lehrstunde zur Wächterin stand bevor.
 

Die Tür schwang auf und ihr Vater trat ein, gefolgt, von einer in schwere Umhänge gehüllten Gestalt: „Tut mir Leid, dass ich etwas länger gebraucht habe, Schatz, aber ich musste Lekath hier abholen.“
 

Der Fremde lüftete seine Kapuze und ein rotes, etwas lang gezogenes Gesicht mit kleinen Schwarzen Hörnern, einem schwarzen Bart und weißen Haaren am Hinterkopf kam zum Vorschein, er reichte ihr sein rote, knochige Hand und machte komische Zischlaute, während er sprach: „Sei gegrüßt, kleine Lily Usher! Ich hab schon viel von dir gehört!“
 

Unfähig etwas zu entgegnen ergriff Lily seine Klaue, sie fühlte sich rau und kalt an. Sie sah ihm nicht ins Gesicht und wand sich statt dessen ihrem Vater zu: „Ein Lemurten-Dämon, vermutlich aus Sibirien, er ernährt sich von Unglück und…“, sie stockte, als sie bemerkte, wie er für einen kurzen Moment verunsichert guckte, doch dann fasste er sich wieder: „Kannst du mir auch sagen, was für Fähigkeiten er hat?“
 

Lily überlegte krampfhaft, da war etwas gewesen, doch es fiel ihr nicht mehr ein, schließlich guckte sie beschämt auf den Boden: „Nein, ich weiß es nicht mehr.“
 

„Ist nicht so schlimm, selbst ich muss vieles nachschlagen und weiß es nicht auf Anhieb, das gehört in unserem Beruf dazu! Ich kann dir versichern, dass er nicht feindselig ist!“
 

Unser Beruf. Als sie ihren Vater diese Worte ganz beiläufig sagen hörte, machte ihr Herz einen Sprung, es würde alles so werden wie sie es immer gewollt hatte, seit sie ihn das erste Mal von dem Rat hatte sprechen hören, und wie wichtig und ehrbar seine Aufgabe war.
 

„Lekath ist hier, um dich über seine Spezies zu unterrichten, damit du ein Gefühl dafür kriegen kannst, wie Dämonen leben und was sie die ganze Zeit machen. Ich werde euch beide alleine lassen!“
 

Fragend schaute sie ihren Vater an, doch bevor sie sich durchringen konnte etwas zu sagen hatte er schon die Türen hinter sich zugezogen und sie mit diesem roten Ungetüm alleine zurückgelassen und dann sollte sie sich auch noch mit diesem „Etwas“ unterhalten, von dem sie ihren Vater immer nur abfällig reden gehört hatte, solche Kreaturen musste man töten, nicht mit ihm reden.
 

„Zuerst will ich dir sagen, dass du keine Angst vor mir zu haben brauchst, kleine Lily Usher. Wenn ich hier wäre, um dir zu schaden, wäre ich nie an deinem Vater vorbei gekommen, geschweige denn mit ihm. Er beschützt dich vor allem, so fern es in seiner Macht liegt.“
 

Lily nickte nur.
 

„Nun, vermutlich hast du trotzdem Angst, und das ist auch nicht verwunderlich, denn ich bin wohl der erste lebende Dämon, den du zu Gesicht bekommst.“, sein Blick fiel auf die Dämonenschädel an der Wand und sein Mund verzog sich zu einem faltigen, freundlichen Lächeln, „Wollen wir es einfach so machen, dass ich dir das beibringe, worum dein Vater mich gebeten hatte, ok?“
 

Lily nickte wieder und bemühte sich zu lächeln, doch es gelang ihr nicht ganz.
 

„Wie du ganz richtig bemerkt hast bin ich ein Lemurten-Dämon, genauer gesagt komme ich aus dem Khal-Stamm, wir leben in Wäldern, Erdlöchern und Felsspalten, und sind in der Regel Einzelgänger, nur zur einer Zeit im Jahr treffen wir uns mit unseren Artgenossen.“
 

„Zur Paarungszeit?“, fragte Lily und wurde plötzlich rot, als ihr klar wurde, was sie diesen Mann, der einem Menschen gar nicht so unähnlich war, gerade gefragt hatte.
 

„Ja, aber dieses Thema wollte ich eigentlich umgehen, es sei denn du bist daran interessiert!“, er lachte, es war ein tiefes freundschaftliches Lachen, und Lily antwortete mit einem ehrlich gemeinten Lächeln, ohne groß darüber nachzudenken, wen oder besser was sie da anlächelte.
 

„Also ich denke einfach mal es wäre falsch zu sehr ins Detail zu gehen, auf jeden Fall kannst du davon ausgehen, dass jedes Weibchen danach bis zu neun Eiern legen wird. Aber es geht bei dem ganzen nicht nur um die Fortpflanzung, es ist auch einfach nur ein Familientreffen, wir feiern, tragen Turniere aus und betrinken uns; hast du schon einmal slawischen Blutsekt getrunken?“
 

„Nein, ich glaube nicht, dass mein Vater das erlauben würde, ist der aus echtem… ich mein…?“
 

„Er wird aus Ziegenblut gemacht, denkst du ernsthaft, wir würden etwas vom Menschen essen?“
 

„Ich meine, warum nicht? Ihr seid doch Dämonen!“, Lily wirkte etwas verlegen, sie hatte sich Dämonen immer nur als absolut böse Kreaturen aus der Hölle vorgestellt, die kleine Kinder fraßen und Menschen Unglück brachten, doch Lekath hatte dieses Bild relativ schnell zerstört.
 

„Denkst du wirklich wir sind alle böse? Die meisten von uns wollen doch nur in Ruhe und Frieden leben, wie ihr auch. Und essen in dem Sinne, wie ihr das Wort gebraucht tun wir auch nicht.“
 

„Ihr ernährt euch von Unglück, oder? Das hab ich zumindest gelesen.“, sie wusste nicht wirklich, was sie sich darunter vorstellen sollte.
 

„Ja, das stimmt. Du musst nicht glauben, dass es mir Spaß macht, eigentlich mag ich die Menschen, manchmal beobachte ich einige von euch über mehrere Tage hin weg. Naja, auf jeden Fall müssen wir uns von eurem Unglück ernähren, wie ihr anderes Leben zerstören müsst, um zu überleben. Es liegt in unserer Natur, ist ein Teil von uns. Meistens tun wir es, während ihr schlaft und zwingen euch uns von eurem Unglück zu berichten, wir brauchen es, wir haben Hunger, genau wie ihr. Und du glaubst nicht, wie köstlich ein Mann sein kann, der das Mädchen, das er liebt nicht bekommt, oder eine Mutter, die ihr Kind verloren hat. Wir schüren ihr Leid nicht, genauso wenig, wie wir es ihnen nehmen, wir stillen nur unseren Hunger daran, mehr nicht.“
 

„Bist du im Moment hungrig?“
 

„Nein, ich hatte gerade eine ganz gute Mahlzeit!“
 

Für einen Moment überlegte Lily, ob sie ihn fragen sollte, wovon er sich ernährt hatte, doch als sie sich gerade entschied, dass diese Frage unpassend war öffnete sich die Tür und ihr Vater trat wieder ein, er wirkte versteinert: „Und hast du viel gelernt Lily, Schatz?“
 

„Ja, es war sehr interessant, Lekath hat mir viel erzählt von sich und seinem Volk!“, Lily war ganz aufgeregt, ihrem Vater ihre Erfahrungen zu berichten.
 

„Schön, Kind, ich befürchte nur, wir müssen jetzt auf Lekath verzichten!“, er wand sich dem Dämon zu und reichte ihm die Hand, „Vielen Dank für alles!“
 

Plötzlich ging alles so schnell, dass es schon fast vorbei war, als Lily begriff, was vor sich ging, es dauerte nur wenige Sekunden. In der linken Hand ihres Vater blitzte etwas auf, ein Messer, mit einem gezielten Stoß trieb er es direkt in Lekaths Herz, schwarzes Blut spritzte, der freundliche Dämon schrie auf vor Qual, ein Feuer entzündete sich und von einem Moment auf den nächsten, war er nur noch ein Häufchen Asche.
 

Lily starrte entsetzt von der Stelle, wo eben noch ihr neuer dämonischer Freund gestanden hatte zu ihrem Vater, der das Messer an einem Tuch reinigte: „Warum hast du das getan?“ „Weil er ein Dämon war.“, seine schlichte Antwort kam wie aus einer Pistole geschossen.
 

„Aber er war ein friedlicher Dämon, er hätte niemandem etwas getan!“, Lily sprang aus ihrem Sessel auf, sie schrie ihren Vater fast an und Tränen standen in ihren Augen.
 

„Er war ein Dämon, es ist unsere Aufgabe, Dämonen zu vernichten, und wenn wir bei ihm einen Unterschied machen, wo fangen wir dann an? Wenn wir uns schon fragen, welcher Dämon böse ist und welcher nicht, dann müssten wir sie gleich hoch ansehen, wie Menschen, und nicht ohne Grund ist es einer Jägerin strikt untersagt, sich in menschliche Angelegenheiten einzumischen, weil sie einfach nicht das Recht hat solche Entscheidungen zu treffen.

Alle Dämonen sind unsere Gegner, weil sie einfach nicht in unsere Welt gehören, wir können es uns nicht leisten, sie zu bemitleiden, es ist einfach nicht möglich.“
 

„Aber die Wächter können es doch nicht für gut heißen, wenn Lebewesen getötet werden, die vollkommen unschuldig sind!“, es wurden immer mehr Tränen in ihren Augen, sie konnte sie nicht mehr aufhalten.
 

„Setz dich wieder hin und hör zu, Kind!“, seine Stimme klang streng und gebieterisch. Lily zuckte zusammen, nahm aber wieder platz, „Willst du wissen, warum ich ihn getötet habe? Wir Wächter müssen Dinge tun, die wir nicht tun wollen, es ist unsere Bestimmung, wir haben die Verpflichtung, alles zu tun, was getan werden muss um die Menschheit zu retten, dabei sind die Dämonen unsere Feinde, seit alters her. Und glaub mir Lily, viele Menschen sind grausamer, kaltherziger und gefährlicher, als es die meisten Dämonen je sein könnten, und sie werden es mit Sicherheit irgendwann selbst fertig bringen sich zu zerstören, doch unsere Aufgabe ist es nur sie vor Dämonen zu schützen, und nicht vor sich selbst. Es geschehen so viele grausame Dinge in dieser Welt und die wenigsten von ihnen haben mit Dämonen zu tun, doch was die Menschen betrifft interessiert uns nicht. Ein Dämon ist ein Feind, egal wie freundlich er ist, oder ob er Kinder hat, die um ihn trauern werden, sie sind Feinde und gehören zur anderen Seite, das darfst du nie vergessen!“
 

Lily schaute ihren Vater an, sie wollte ihm glauben schenken, sie wollte das kennen lernen, wonach sie sich schon ihr ganzes Leben sehnte, doch sie konnte ihm nicht verzeihen, was er getan hatte.
 

„Wächter zu sein heißt, Opfer zu bringen, um die heilige Pflicht zu erfüllen, die uns gegeben wurde, es ist nie leicht, aber du wirst es lernen. Diese Welt ist so komplex, das nur ein kleiner Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen kann, wir können es uns einfach nicht leisten, zimperlich zu sein, denn wenn wir es an der falschen Stelle sind, wenn wir anfangen Kompromisse einzugehen, werden wir irgendwann bitter dafür bezahlen und feststellen, dass wir zu nachsichtig waren und dass wir uns aus Bequemlichkeit selbst angelogen haben.

Wir sind das letzte Schild zwischen der Menschheit und ihrem Untergang, Ordnung ist das was zählt, Chaos ist der Untergang, es wird irgendwann der Tag kommen, an dem das Chaos über die Ordnung siegt und wir die alles entscheidende Kontrolle verlieren. In dieser Zeit wird es auf mutige Frauen und Männer ankommen, die sich dem Chaos stellen, und die Ordnung wieder herstellen! Und wir, du und ich werden unter ihnen sein, wenn wir dann noch leben.
 

Mitleid wäre etwas sehr menschliches, doch Menschen sind schwach, und wir können es uns nicht leisten schwach zu sein. Menschen, wissen nicht was sie wollen, unter einer Monarchie kreischen sie nach Freiheit, aber in einer Demokratie sind sie nicht bereit einen Finger für andere zu rühren; wir können es uns nicht leisten unentschieden zu sein. Wir sind Wächter. Wächter über die Jägerinnen. Wächter über die Ordnung. Wächter über uns selbst! Wir müssen Entscheidungen treffen, die keiner treffen will und Dinge tun, die keiner tun will, bist du bereit eine Wächterin zu sein? Willst du diese Last wirklich tragen?“
 

Lilys Herz rutschte in die Hose, das war es also gewesen, was ihr Vater die ganze Zeit gemeint hatte, wieso er sie vor dem Rat schützen wollte. Wie er so da stand sah er fast hilflos aus, irgendwie entblößt, Lily konnte die Last, die auf seinem Rücken ruhte förmlich spüren: „Ich will eine Wächterin werden, so wie du einer bist! Ich will dem Rat dienen, und seinen Idealen! Ich will unserem Namen Ehre machen! Und vor allen Dingen will ich nie vergessen, was du mich heute gelehrt hast!“
 

Sie stand auf und streckte ihre Hände aus, er schloss sie in seine Arme: „Ich bin stolz auf dich kleines Mädchen! So stolz!“
 

In seinen Augen standen Tränen, doch sie würde wohl nie erfahren, ob es Tränen der Freude oder Tränen der Trauer waren.
 

Der Regen hämmerte immer noch unerbittlich gegen die hölzernen Fensterläden.
 

++++
 

England, Landsitz außerhalb von London

2004

„Ms Usher?“, mit einem Schlag wurde Lily zurückgerissen in die Realität, die alte Haushälterin stand direkt hinter ihr, „Ms. Usher, es ist alles so weit fertig, alle Gäste sind eingetroffen, Mr. Martin lässt Sie rufen!“
 

„Ja, ich komme gleich, einen Moment noch!“, Lily war gefasster, als sie es erwartet hatte, „Sagen Sie George, er kann auch ohne mich anfangen!“
 

„Wie Sie meinen!“, als wäre es eine persönliche Beleidigung gewesen machte die rundliche Angestellte eine Kehrtwende und verschwand irgendwelche unverständlichen Worte murmelnd im Flur, Lily blickte ihr für einen Moment nach, dann fiel ihr Blick wieder auf das Bild ihres Vaters: „Gib mir Kraft! Ich werde sie brauchen, und mit ein bisschen Glück wird dort wo jetzt Chaos ist bald wieder Ordnung sein. Deine Ordnung!“
 

Sie zog den Zettel wieder aus der Tasche und machte sich auf den Weg.
 

Als sie die breite Treppe, die nach unten in den Empfangsraum führte herunter schritt konnte sie förmlich spüren, wie die Blicke aller Wächter auf sie gerichtet waren, sie alle hatten Fragen, wollten mit ihr sprechen, sich mit ihr gut stellen oder auf Distanz stellen, eine wunderbare Spielwiese, hier konnten Bündnisse geschmiedet und Zwietracht gesät werden, genau das was jetzt von Nöten war.
 

Als sie die unterste Stufe der Treppe erreicht hatte, glitt sie in das Meer aus Menschen hinein, dass sich im nicht allzu großen Empfangssaal versammelt hatte, doch die Wächter machten es ihr nicht schwer, sie wichen zur Seite und es schien, als ob sie ihr direkt einen Weg zu George frei machen wollten, der am Buffet stand und peinlich genau darauf achtete, dass sich noch niemand etwas nahm.
 

Aus den Menschenmassen trat eine Wächterin hervor. „Kathryn!“, begrüßte Lily die Frau übertrieben freundlich, „Wie lange ist es her, dass ich dich gesehen habe?“
 

Doch Kathryn, Erbin des Hauses Lionsbridge, schien sich nicht an Lilys künstlicher Art zu stören: „Es ist nicht ganz so lange her, das letzte Mal auf der Beerdigung deines Vaters, doch davor eine ganz lange Zeit nicht, ich hab dir immer Briefe geschrieben, aber du hast nie geantwortet!“
 

„Tut mir Leid, aber ich war fast nie zu Hause, du weißt ja, wie es mit der Arbeit ist, man kommt einfach nicht dazu solche kleinen Dinge zu tun.“, rechtfertigte sich Lily und die beiden Frauen lachten. Kathryns Lachen war beinahe künstlicher, als Lilys.
 

„So, ich muss jetzt weiter, es gibt noch viele andere, die mit mir sprechen wollen, und ich sollte George auch nicht zu lange warten lassen! Wir können uns ja irgendwann einmal zum Tee treffen und über alte Zeiten plaudern.“, mit diesen Worten ließ sie ihre alte Jugendfreundin hinter sich, ohne eine Antwort zu erwarten. Kathryn war unwichtig, sie war zu schwach, um sich gegen sie zu stellen, also fraß sie Lily so oder so aus der Hand, ob sie nun freundlich zu ihr war oder nicht.
 

Zwischen den ganzen Wächtern erblickte sie für einen kurzen Moment Lady Ashcroft, dicht gefolgt von ihrem Sohn Michael. Lily nickte ihr zu und die alte Frau antwortete ihr auf die gleiche Weise. Auch wenn die Ashcrofts sich noch nie mit den Ushers verstanden hatten, und auch wenn Marianne seit dem Tod ihres Mannes eine verbitterte alte Frau war, würde sie keine Probleme machen, dafür waren ihre Ansichten und Interessen zu ähnlich. Michael wäre schon eher eine Gefahr gewesen, doch seine Mutter behandelte ihn wie einen Schoßhund an kurzer Leine. Wenn seine Mutter es nicht erlaubte würde er sich nie trauen, etwas gegen sie zu sagen.
 

Am Rand der Halle fielen ihr zwei düster blickende Frauen auf, sie standen etwas abseits von der Menschenmasse, also bahnte sich Lily einen Weg: „Ladys, das ist ein Empfang, es wäre sicher nicht falsch sich ein bisschen zu amüsieren!“
 

Die beiden starrten immer noch finster drein, schließlich erhob Laurel Cromwell das Wort: „Unsere Familien waren noch nie Freunde, doch mit diesem abgekarteten Spiel werden Sie nie durchkommen! Sie sind zu weit gegangen!“
 

Die Wächterin zu ihrer Linken pflichtete ihr bei: „Vielleicht glauben Sie heute feiern zu können, doch die Lust dazu wird ihnen vergehen, so bald es zum Tribunal kommt!“
 

Lily hielt an ihrem künstlichen Lächeln fest: „Wir tun alle nur, was wir für das richtige halten, kein Grund deswegen ausfallend zu werden, doch wir sollten heute Abend wirklich nicht mehr über das geschäftliche reden, als unbedingt nötig!“, scheinbar ohne Luft zu holen fuhr sie fort, „Claudia, wie geht es eigentlich ihrer Familie in Thailand, ich habe gehört, dort unten soll das Wetter im Moment ziemlich verrückt spielen!“
 

In dem charmanten Lächeln ging die unterschwellige Drohung kaum unter: Sie kannte ihre Schwachstellen, und sie würde nicht davor zurückschrecken, das schamlos auszunutzen, wenn sie nicht in ihrem kleinen Spiel mitspielten.
 

„Ihnen geht es so weit ganz gut, so viel ich weiß.“, antwortete Claudia trocken.
 

„Er ist auch ein Wächter, nicht war? Hoffentlich kommt niemand auf die Idee ihn an den Untersuchungen dieser Phänomene zu beteiligen! Immerhin haben sie schon eine Jägerin das Leben gekostet!“, legte sie noch eins drauf und verabschiedete sich dann charmant mit einem kleinen Winken und stürzte sich wieder in die Menge.
 

„Ms. Usher, haben Sie kurz Zeit für mich?“, es war Charles Prescott, seine Familie war schon vor langer Zeit nach Amerika übergesiedelt, er stand Giles Ideen sehr offen gegenüber. Aufpassen!
 

„Charles, schön Sie hier zu sehen, wir hatten leider nie die Gelegenheit uns näher kennen zu lernen.“, ein freundlicher Anfang, wie immer.
 

„Nein, das hatten wir wohl nicht. Ich wollte noch einmal mit ihnen über Mr. Giles reden, doch wenn es ihnen jetzt nicht passt, dann…“, Prescott war nicht so direkt wie Lady Cromwell es gewesen war, doch er vertrat offensichtlich die gleiche Ansicht, außerdem kam er Lily weit aus intelligenter vor, als die junge Erbin.
 

„Nun ja, ich denke nicht, dass wir dieses Thema diskutieren sollten, bis es zur Verhandlung kommt, sonst wirft uns nachher noch jemand Vorverurteilung vor!“, sie blickte sich um und sah George, der auf seine Uhr zeigte, sie formte mit ihrem Mund ein „Ich komme gleich.“.
 

„Wie auch immer, ich sollte jetzt wirklich meine Rede halten!“, sie ließ den etwas enttäuscht dreinblickenden Prescott zurück und bahnte sich ihren Weg.
 

„Ms. Usher? Entschuldigen Sie bitte...“, sie drehte sich um und vor ihr stand Bernard Crowley, er war in die Jahre gekommen, das sah man ihm an, auch wenn Lily ihn nur früher einige Male flüchtig gesehen hatte: „Entschuldigung, Ms. Usher, wollte Sie nur begrüßen!“
 

„Mr. Crowley, es ist mir eine Freude Sie zu sehen, Sie sehen gut aus, haben Sie sich eigentlich überhaupt verändert!“
 

„Hören Sie mit den Schmeicheleien auf, Ms. Usher, die durchschaue ich, ich bin in die Jahre gekommen, wie wir alle, doch ich bin immer noch bereit dem Rat zu dienen, so gut ich kann!“
 

„Ich denke, das sind wir alle!“, Lily ging nicht weiter darauf ein und überlegte für einen Moment, ob dieser alte Mann vielleicht mehr verbarg, als sie wusste, sie würde sich bei Zeiten darum kümmern müssen.
 

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden!“, schaffte Lily es schließlich ihm zu entkommen.
 

Als sie George erreichte wirkte ihr alter Freund sichtlich gestresst: „Wo warst du? Ich habe schon die ganze Zeit auf dich gewartet, wo warst du?“
 

„Ich habe ein paar alte Kontakte aufgefrischt, das wird doch nicht verboten sein, schließlich ist das ein Empfang!“, George schien ernsthaft aufgebracht, „Wenn schon, dann solltest du mit den wirklich Mächtigen reden; du hast noch kein Wort mit den Edinburgh Geschwistern gewechselt, seit du hier bist, genau so wenig wie mit Norman Oldcastle!“
 

„Warum soll ich meine Zeit mit sicheren Verbündeten verschwenden?“, sie tat etwas entnervt, „Kann ich jetzt diese gottverdammte Rede halten?“
 

Er nickt nur, also griff sie zu einem Glas mit Sekt und einer Gabel. Das Klingeln riss die Wächter aus ihren Gesprächen, und der Lärm, der sich langsam aufgebaut hatte verstummte abrupt.
 

„Meine Damen und Herren, ich will Sie nicht lange aufhalten, ich weiß, Sie alle haben Hunger, Hunger und Durst, also werde ich mich kurz fassen: Zuerst einmal möchte ich ihnen danken, dass Sie zu zahlreich erschienen sind, um mich zu begrüßen, Danke! Ich bin mir im klaren darüber, dass dies eine schwere Zeit ist und zwar für uns alle, viele sind sich unsicher, was als Nächstes geschehen soll, wie es mit uns weitergehen soll, und das sollten Sie auch!

Ich selbst habe auch Zweifel, doch ich denke, wir können es uns nicht leisten uns von diesen Zweifeln davon abhalten zu lassen Dinge zu tun, die getan werden müssen, Dinge die man nicht aufschieben kann, bis sie irgendwann zu so gewaltigen Problemen werden, dass sie alles, was wir aufgebaut haben wieder zerstören!
 

Lassen Sie uns auf eine gemeinsame, bessere Zukunft für den Rat trinken, lassen Sie uns auf alle trinken, die sich für unsere Sache geopfert haben, unsere Väter und Mütter und so viele andere. Lassen Sie uns darauf trinken, dass sie genau das gleiche tun würden an unserer Stelle!“
 

Sie erhob ihr Glas und trank einen Schluck, die Nacht war jung und es gab noch viel zu tun.
 

„Das Buffet ist eröffnet!“
 

AKT 2
 

Cleveland, Buffys Wohnung

Nächster Morgen

Buffy hatte sich Zeit gelassen, aufzustehen, es war gestern Abend sehr spät geworden, und Giles hatte ihr etwas Zeit zu gestanden. Auch wenn ihr nicht danach war, und sie lieber nach ihm gesehen hätte, immerhin schien die Sache mit dem Rat und Lily ihn verständlicher Weise ziemlich mitzunehmen, genehmigte sie sich trotzdem ein ausgedehntes Frühstück, aber es würde wieder ein langer, harter Arbeitstag werden, und es konnte sicher nicht schaden, wenn sie ordentlich etwas in den Magen bekam, bevor sie anfing, denn sie bezweifelte, dass sie später dazu kommen würde.
 

Genüsslich schmierte sie die Marmelade auf ihren Toast und wollte es gerade zum Mund führen, als die Haustürklingel läutete. Sie blickte einmal unentschieden zwischen dem Toast und der Tür hin und her, und entschied sich dann schweren Herzens für die Tür.
 

Für einen kurzen Moment dachte sie darüber nach, dass sie nur ihren Pyjama trug, doch dann war es schon zu spät, und vor ihr stand ein äußerst charmant aussehender Postbote: „Ich habe Post für Sie!“
 

Er hatte trotz seiner charmanten Art eine irgendwie komische, fast bösartige Ausstrahlung, die Buffy für einen Moment an jemand anderen denken ließ, doch es verflog schnell. Ein Vampir konnte er wohl auch schlecht sein, bei dem Beruf.
 

„Lady, ihre Post!“, er hielt ihr einige Briefe entgegen.
 

„Oh ja, natürlich.“, sie nahm sie entgegen, während ihr Blut in ihren Kopf schoss.
 

Scheinbar merkte er es, denn er setzte ein schiefes, belustigtes Lächeln auf: „Schicker Schlafanzug!“
 

„Danke!“
 

Er zog die Tür hinter sich zu und sie fiel ins Schloss. Schicker Schlafanzug? Oh Gott! Sie müsste wirklich mal wieder mit Männern ausgehen, und wenn nur um wieder ein bisschen mehr in Übung zu kommen! Das war ja entsetzlich, früher hätte sie einen frechen Kontre bereit gehabt, doch heute bedankte sie sich nur? Was war bei ihr so falsch gelaufen?
 

Sie setzte sich wieder an den Tisch und schmollte ein bisschen, während sie die Briefe durch sah, Ermahnung des Zahnarztes, Rechnungen und geschäftliches des Rates, das aber wohl nun überholt war. Es hatte sich nicht wirklich gelohnt sich gegen den Toast und für die Tür zu entscheiden, selbst wenn man die peinliche Situation nicht zählte.
 

Unwillig öffnete sie den Brief des Zahnarztes mit einem antiken Brieföffner aus reinem Silber, der eigentlich mal für die Dämonenjagd hatte herhalten sollen.
 

Sie überflog die Zeilen, dann stöhnte sie leicht auf, es war im Moment nicht wirklich Zeit für so etwas.
 

Sie wollte sich gerade dem nächsten Brief von einem gewissen Charles Prescott, wohl einem Wächter, widmen, als es erneut klingelte.
 

Mühsam stand sie ein weiteres Mal auf und schleppte sich zur Tür, die Briefe immer noch in ihren Händen. Bevor sie öffnete warf sie einen kurzen Blick durch den Spion, um nicht wieder von einem überaus gut aussehenden Postboten überrascht zu werden. Doch was sie sah ließ sie zurückschrecken: Vor ihrer Tür stand ein ihr nur zu gut bekannter Dämon.
 

Regil, Mo´s Freund, den sie bei der Plünderung eines Grabmals überrascht hatte, ein echsenartiger Dämon, der ein tiefer anzusiedelndes Mitglied der Organisation war. Mit einem Schlag riss Buffy die Tür auf, packte den Dämonen am Kragen und drückte ihn gegen die Wand: „Was machst du hier?“
 

Er rang nach Luft, während er versuchte zu erklären: „Wir beide sind weiß Gott keine Freunde Jägerin! Nun ja, aber auf jeden Fall bist du Mo´s Freund, und Mo ist mein Freund, und ich denke er wäre nicht gerade glücklich, wenn dir etwas zustoßen würde, auch wenn ich nicht verstehen kann, warum. So oder so: Ich schulde ihm noch einiges, und deswegen bin ich hier, auch wenn er es nicht weiß und auch nicht wissen muss.“
 

Buffy starrte ihn fragend an, was wollte er hier? Konnte sie ihm trauen? Vermutlich nicht, dennoch sollte sie sich anhören, was er zu sagen hätte. Langsam und misstrauisch ließ sie ihn herunter und zupfte seinen Kragen zu Recht.
 

„Also, Jägerin, ich werde dir jetzt etwas sagen, was du wirklich wissen solltest, aber vorher musst du mir versprechen, dass danach jede Schuld, die ich je bei dir hatte beglichen ist.“
 

„Ich verspreche es, wenn die Information wirklich so wichtig ist!“, zog sich Buffy demokratisch aus der Affäre.
 

„Gut, mehr kann ich wohl nicht verlangen!“, er nickte, als ob er es erst hätte mit sich selbst ausmachen müssen, dann streckte er die Hand aus und machte ihr mit einer unmissverständlichen Geste klar, dass sie ihm die Briefe geben sollte. Für einen Moment stockte sie zu erst, doch er meinte es offensichtlich ernst, also gab sie die Post weiter.
 

Er nahm den schon geöffneten Brief vom Zahnarzt, legte die restlichen bei Seite, und betrachtete ihn für einen kurzen Moment, dann hielt er seinen Finger an eine Stelle und zeigte ihn ihr: „Hier sieht man es am deutlichsten!“
 

Er hielt ihr den aufgeschnittenen Umschlag hin, doch Buffy fiel zu erst nicht auf, was er meinte, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Der Rand war eingerissen und es war eine deutliche Klebespur zu erkennen.
 

„Jemand liest deine Post!“
 

Sie hielt den Umschlag zwischen ihren Fingern, ihr Atem ging schneller, wer sollte sich für ihre Zahnarzttermine interessieren?
 

„Aber es kommt noch besser!“, er griff zu dem Telefon und öffnete das Batteriefach, ein kleiner rot blinkender Sender kam zum Vorschein, „Sie hören dein Telefon ab; kurz sie überwachen dich!“
 

„Wer sind sie?“
 

„Das kann ich dir nicht sagen, es ist schon riskant für mich überhaupt hier zu sein, ich dachte nur, dass dich das vielleicht interessieren würde, denn der, der hinter dem ganzen steckt wird nicht zurückschrecken, bis er dir furchtbar wehgetan hat!“, erklärte der Echsendämon.
 

„Warte, ich kann dich beschützen, wenn du mir hilfst!“, Buffy packte ihn am Arm, dass er ja nicht weg laufen konnte, doch er riss sich los: „So, wie du Mo geholfen hast? Hast du bisher einmal den Finger für ihn krumm gemacht?“
 

„Ich hab alles getan, worum er mich gebeten hat!“, Buffy begann ein schlechtes Gewissen zu bekommen, obwohl die Anschuldigung ihrer Meinung nach völlig ungerechtfertigt war.
 

„Du kennst ihn doch nicht einmal, du weißt nicht einmal etwas über Malkuth!“, mit diesen Worten drehte Regil sich um und verschwand, für einen Moment überlegte Buffy, ob sie die Antwort aus ihm herausprügeln sollte, doch dann entschied sie sich dagegen, er hatte ihr schon einen großen Dienst erwiesen.
 

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Wächterhaus

Wenig später

„Ja, ich verstehe ja, dass Sie nichts dazu sagen wollen, bevor Sie mit ihren Freunden in London sprechen können, doch Ms. Usher ist dort und sie manipuliert den Rat, ich bezweifle, dass Ihre Freunde eine unvoreingenommene Meinung haben!“, Giles presste den Telefonhörer krampfhaft an sein Ohr. Die Ringe unter seinen Augen machten deutlich, dass er die ganze Nacht kein einziges Auge zu getan hatte, auch wenn er es Buffy versprochen hatte, und sie selbst nach Hause geschickt hatte.
 

Das Ganze war frustrierend, immer wenn er jemanden anrief wurde er mit vorgeschobenen Argumenten hingehalten, irgendwelche höheren Instanzen mussten gefragt werden, Jägerinnen waren auf irgendwelchen gefährlichen Missionen, oder die Verbindung war schlecht. Langsam war er es leid, immer so abgewimmelt zu werden. Hatte, er wirklich so wenig erreicht, als er den neuen Rat aufgebaut hatte, dass es ihm nicht mal möglich war die Ohren der Wächter für die Wahrheit zu öffnen.
 

Einzig Kieran O´ Baley hatte sich kooperativer gezeigt und ihm Gehör geschenkt, doch dieser eine amerikanische Wächter war nicht wirklich viel Wert, dennoch war Giles froh, dass er wenigstens eine Person im Rat hatte, die ihm Gehör schenkte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob Kieran wirklich auf seiner Seite war.
 

„Ja, ok, Sie melden sich wieder, wenn Sie etwas in Erfahrung gebracht haben, ja!“, frustriert knallte er den Hörer in die Halterung: Es würde nie etwas werden!
 

Er wollte sich gerade dem nächsten Namen auf seiner Liste annehmen, als Buffy von hinten in den Raum gestürmt kam. Ihr Gesichts Ausdruck war ziemlich aufgebracht und schien förmlich „Ich muss mit ihnen reden Giles, jetzt!“ zu schreien.
 

„Buffy, was ist mit dir los? Ist irgendwas geschehen?“, er legte sein Notizbuch auf den Tisch und trat einen Schritt in ihre Richtung.
 

„Lily, sie hat ihre Spitzel von der Dämonenmafia losgeschickt, um mich zu überwachen!“, brauste Buffy auf, „Sie hat irgendwas mit uns vor!“
 

„Bist du dir da sicher?“, fragte Giles und bemühte sich besorgt zu klingen, doch auch wenn er sich dafür schämte waren seine Gedanken im Moment an einem anderen Ort, und er konnte sie nicht wirklich auf Buffys Ängste richten.
 

„Ja, ich habe eine Wanze gesehen und meine Briefe werden geöffnet und gelesen“, sie reichte ihm den Umschlag, er betrachte ihn gründlich: „Nun ja, ich muss leider zu geben, dass es in der Tat danach aussieht, aber was willst du tun? Außerdem bezweifle ich, dass sie an deiner Zahnarztrechnung interessiert ist! So Leid es mir tut das zu sagen, aber ich denke Lily kennt uns gut genug und hat es nicht nötig uns zu überwachen! Von wem hast du eigentlich die Information?“
 

„Regil, falls Sie sich noch erinnern? Ich sehe keinen Grund wieso er mich nach allem anlügen sollte. Vermutlich geht es Lily darum herauszufinden, in wie weit wir Erfolg damit haben, gegen Sie vorzugehen. Vielleicht überwacht sie uns ja auch alle, um uns immer einen Schritt voraus sein zu können?“, mutmaßte Buffy.
 

„Ok, dann sollten wir das einfach schnell überprüfen, um festzustellen, ob du recht hast“, schlug Giles vor und zeigte zu seinem Telefon, während er einen Brief von seinem eigenen Poststapel nahm. Buffy griff nach dem Hörer und schraubte die Muscheln auf.
 

„Der Brief sieht ganz normal aus!“, stellte er schließlich erleichtert fest, wenn er Buffys Sorge auch nicht wirklich geteilt hatte.
 

“Hm und hier ist auch keine Wanze drinnen, “ sagte Buffy nachdenklich. „Komisch.“
 

„Hör zu Buffy... ich weiß nicht was das bedeuten soll, dass man dein Telefon verwanzt hat, noch verstehe ich den Grund für Regils Tipp. Vielleicht fragst du mal bei Mo nach oder suchst nach Regil, um mehr Informationen zu bekommen. Ich bin im Moment wirklich mit ganz anderen Problemen beschäftigt, um mich jetzt auch noch darum zu kümmern. Hör dich etwas um, während ich mich weiter um die Sache mit dem Rat kümmere.“
 

„Ok! “ sagte Buffy gedehnt und fast ein wenig beleidigt. Der Rat lief ihnen nicht weg, wenn aber jemand ihr Telefon überwachte, sah das doch schon ganz anders auch. Aber sie verstand Giles und wollte nicht noch mehr Sand ins Getriebe streuen. „Dann mach ich das und ihnen.... Viel Glück!“
 

„Dir auch!“
 

Und schon war sie verschwunden. Giles sah kurz zur Tür und runzelte die Stirn. Vielleicht hätte er Buffys Problem gegenüber etwas mehr Interesse zeigen sollen oder sich über die neuen Entwicklungen ernsthafte Sorgen machen müssen, doch schließlich war Buffy erfahren genug für den Anfang damit alleine zu Recht zu kommen. Sie verstand sicher, wieso er im Moment einfach anderes im Kopf hatte.
 

Und wieso sich darüber den Kopf zerbrechen? Sie hatte ja nicht einmal gefragt, wie er voran kam, doch das schlimmste war, dass er nicht wusste, ob er sich darüber aufregen oder eher freuen sollte, weil er ihr nicht die schlechten Nachrichten hatte überbringen müssen.
 

Er wollte sich gerade wieder seiner Liste zu wenden, als das Telefon klingelte. Er hob ab so schnell er konnte: „Ja? Was sagen Sie, wie ist Ihr Name?... Prescott? Charles Prescott?“
 

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Kanalisation, unterirdischer Tempel

Gleiche Zeit

“Ein heiliger Krieg, sagst du?“ Der Thug'saha Dämon faltete seine vier Hände über der bemalten Brust und blickte nachdenklich auf seinen Gebetsteppich hinunter. “Wir werden das Orakel der Göttin befragen, “ entschied er schließlich. “Sobald sie uns ihre Entscheidung mitgeteilt hat, werden wir wissen, ob wir uns deinem Feldzug anschließen werden...“
 

“Wie lange wird das denn ungefähr dauern?“ erkundigte sich Kan Hsirg erschöpft. “Bis wann kann ich mit einer Antwort rechnen?“
 

“Hm...Schwierig.“ Der Knochenkranz in den Händen des Thug’saha klackerte leise. “Im Moment haben wir den Äon der heiligen Kuh, also können wir frühestens im Äon des heiligen Esels das Orakel befragen. Normalerweise sind die Antworten der Göttin jedoch recht schwierig zu deuten, also wird der Hohepriester wohl zusätzlich die Eingeweide eines Dragnesi Hörnchens zu Rate ziehen müssen. Ein Dragnesi Hörnchen darf allerdings nur im Äon des Affen geschlachtet werden...“
 

“Vielen Dank für deine Zeit.“ Kan Hsirg verbeugte sich, und wandte sich ab. Auch hier würde er nicht weiterkommen. Man sollte nicht meinen, dass es so schwierig wäre, aggressive blutrünstige Dämonen zu einem Krieg zu überreden!
 

“Eine Frage noch...“ Der Thug’saha zog an einer Wasserpfeife. “Warum bekriegst du nicht die Jägerinnen, wenn diese doch deinen Klan auslöschen?“
 

“Natürlich bekriegen wir uns auch, “ seufzte Hsirg und öffnete sein drittes Auge, um es einmal genervt zu rollen. “Aber das mit Jägerinnen und Dämonen ist was völlig anderes, sie sind einfach natürliche Feinde...“
 

“Ich danke dir für deine Zeit, “ wiederholte er noch einmal und verließ mit raschen Schritten den unterirdischen Raum.
 

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London, Lilys Pferdegestüt

Früher Vormittag

Ein leises Klopfen an der Tür veranlasste Lily kurz zusammenzuzucken, dabei griff sie sich leise stöhnend an den Kopf. Sie lag auf dem Bett, alle Gliedmaßen von sich gestreckt. Lily hatte schreckliche Kopfschmerzen und die dummen Tabletten halfen kein bisschen. Woher kamen sie nur? Die paar Gläser Sekt am vorigen Abend konnten es unmöglich gewesen sein, vermutlich war es der Druck das Richtige zu tun, und die ganzen Gedanken, die ihr die ganze Zeit im Kopf rum schwirrten, selbst jetzt noch, wo sie es vor Schmerzen kaum aushalten konnte, um nachzudenken.
 

„Herein, die Tür ist offen!“, Lilys Stimme klang matt, als George die Tür aufschob und sie erblickte, die Haushälterin musste ihn wohl herein gelassen haben: „Mein Gott, Lily, was ist denn mit dir los?“
 

„Kopfschmerzen, könntest du bitte die Tür hinter dir schließen? Ich ertrage das Sonnenlicht nicht! Warum bist du gekommen?“
 

Der alte Mann schloss die Tür vorsichtig, kam dann rüber zu Lily, setzte sich auf die Bettkante und fühlte ihre Stirn: „Fieber hast du jedenfalls keins!“
 

„Oh bitte, Onkel George, ich bin kein kleines Kind mehr!“, sie entzog sich seiner Reichweite.
 

„Erinnerst du dich noch, an die Nacht als deine Mutter in Ferien war und dein Vater musste Geschäfte für den Rat erledigen? Du hattest hohes Fieber und ich und Juliane sollten uns um dich kümmern, doch es wurde irgendwann so schlimm, dass ich mit dir ins Krankenhaus fahren musste!“, man sah seinen alten und traurigen Augen förmlich an, wie er immer mehr in der Vergangenheit versank.
 

„Warum bist du gekommen?“, Lily bemühte sich möglichst entnervt und abgeklärt zu klingen, denn sie konnte es sich nicht leisten, darauf einzugehen, sie hatte schon genug eigene Probleme, um sich auch noch um Georges Gefühlswelt zu kümmern.
 

„Ach ja richtig, ich wollte mit dir über unser weitere Vorgehensweise reden!“, er rückte wieder etwas näher zu ihr.
 

„Und, was liegt dir auf dem Herzen, schieß los!“, Lily setzte sich im Bett auf und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht, so dass die Frisur einigermaßen geordnet aussah.
 

„Nun ja, ich finde nur, dass du einige Dinge etwas anders handhaben solltest, zum Beispiel die Edinburghs. Sicher mag es für dich unnötig aussehen, Zeit mit Verbündeten zu verschwenden, doch wenn du dich nicht mit ihnen beschäftigst solltest du dich langsam fragen, wie lange du sie noch als Verbündete haben wirst.“, monierte er ihr Verhalten, „Ebenso Lady Ashcroft und all die anderen, du verbringst einfach viel zu viel Zeit mit deinen Feinden, die du natürlich, weiß Gott nicht unterschätzen solltest! Doch ich würde dir nahe legen, die die du als deine Verbündeten siehst auch nicht zu unterschätzen!“
 

„Sie sind dem Rat treu ergeben, so wie ich auch, ob sie mich nun leiden können, oder nicht, sie werden mich unterstützen.“, erklärte sie ihm geduldig, während sie in einem Spiegel einige widerspenstige Haare zurück an ihre Stelle brachte.
 

„Trotzdem könnte es nicht schaden, wenn du dich etwas mit ihnen beschäftigst!“, auch er war nun aufgestanden.
 

„Sag du mir nicht, was ich tun oder lassen soll!“, ihr Blick fiel aus dem Fenster, es regnete in Strömen.
 

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England, London, altes Ratsgebäude,

1973

Lily spürte den warmen Atem ihres Vaters in ihrem Nacken, er stand direkt hinter ihr und zupfte einige ihre Strähnen zu recht: „Alles ok bei dir? Wie fühlst du dich?“
 

Das schwarze Kleid passte nicht zu ihr. Sie hätte es sich am liebsten wieder heruntergerissen, doch wenn heute, an diesem Tag von ihr verlangt wurde, dass sie es trug, dann musste sie sich wohl fügen, immerhin war es der Tag auf den sie so lange gewartet hatte: „Ganz gut. Du hast mir schließlich alles beigebracht, ich werde das schon schaffen!“
 

„Oh, unterschätze niemals die alten Giftschlangen, sie sind gefährlicher für dich als viele Dämonen!“, er lachte resigniert, „Aber sie sind unsere „Verbündeten“ und nicht unsere Feinde, das musst du dir immer merken. Egal, wie sehr du sie hasst, du musst sie respektieren, genauso wie sie dich respektieren müssen, wer nicht nach den Regeln des Rates spielt wird über kurz oder lang dieses Spiel verlieren.“
 

„Wie lange versuchst du jetzt schon mir das einzubläuen? Ich bin kein kleines Kind mehr, ich habe verstanden, was du gesagt hast!“, sie legte ihre Hand auf seine, „Ich werde keinen Fehler machen, du wirst stolz auf mich sein!“
 

„Das werde ich sowieso!“, er warf noch einen kritischen Blick auf ihre Haare und zog eine letzte Strähne zu Recht, „Ja, jetzt ist es ok!“
 

Sie drehte sich um, und er betrachtete sie noch einmal von oben bis unten: „Du bist wunderschön!“
 

„Hoffen wir nur, dass ich mehr als das bin, denn sonst bin ich hier im Rat definitiv falsch!“, ein schmales Lächeln schlich ihr ins Gesicht, das er mit einem breiten beantwortete: „Ich glaube, du hast wirklich gut gelernt!“
 

„Dann lass uns mal los gehen, wir können es auch nicht ewig aufschieben!“, schlug Lily vor und ergriff die Hand ihres Vaters. Während sie langsam und andächtig durch die Gänge des Ratsgebäudes schritten wechselten sie kein einziges Wort.
 

Schließlich erreichten sie das Bankett, die anderen waren alle schon da.
 

Quentin Travers, den sie schon aus ihrer Ausbildungszeit kannte, erhob sich. Er war für sein hohes Amt noch sehr jung, doch er hatte es nach dem Tod seines Vaters mit einer überwältigenden Mehrheit im Rat übernommen: „Mein sehr verehrten Damen und Herren, Kollegen und Freunde, wir sind heute zusammen gekommen, um eine der wohl talentiertesten Anwärterinnen, die der Rat je gehabt hat, in unseren Kreis aufzunehmen: Ms. Lily Usher!“
 

Wie von selbst, sie war diese Prozedur mit ihrem Vater Hunderte Male durchgegangen, stand Lily auf und lächelte fröhlich in die Runde. Travers fuhr fort: „Willst du, Lily Usher dem Rat der Wächter dienen, auf Lebenszeit, und so gut du kannst, mit all deinen dir zur Verfügung stehenden Kräften? Willst du bis zum Ende aller Tage diese Welt vor dem Bösen verteidigen, bereit jedes Opfer zu bringen? Dann antworte nun mit einem Ja!“
 

Sie hob ihre Hand: „Ja, ich will und ich schwöre all dies zu tun!“, es war vollbracht, ihr Traum hatte begonnen wahr zu werden, nun könnte sie in seine Fußstapfen treten und versuchen ihren Vater stolz zu machen.
 

„Gut, dann ernenne ich dich hier mit zur Wächterin auf Lebenszeit!“, er nahm einen Blumenstrauß, den er hinter sich abgestellt hatte und überreichte ihn ihr: „Willkommen im Rat der Wächter!“
 

Ihr Vater nahm ihr die Blumen ab, während auf allen Seiten Leute auf sie einstürmten, die ihr gratulieren wollten.
 

„Ich freue mich, dass Sie endlich dabei sind, ihr Vater hat uns schon viel von Ihnen erzählt!“, eine überaus aufgeschlossene und fröhliche Frau, die sie als Lady Ashcroft erkannte schüttelte ihr die Hand, und ihr schweigsamer, streng dreinblickender Gatte tat es ihr gleich ohne ein weiteres Wort zu sagen.
 

Lily erinnerte sich an die Worte ihres Vaters: `Die Ashcrofts sind eine nicht zu unterschätzende Macht, das waren sie schon immer. Sie mögen uns nicht, aber sie stehen trotzdem auf unserer Seite, denn sie verfolgen die gleichen Ziele wie wir. Du darfst es dir nicht mit ihnen verscherzen, hörst du Mädchen? Sie sind gleichzeitig unsere schlimmsten Feinde und unsere besten Verbündeten!´
 

„Vielen Dank, Mr. Und Mrs. Ashcroft, ich weiß das zu schätzen!“, antwortete sie, immer noch das gleiche Lächeln im Gesicht.
 

Von links drängte sich mehr oder weniger höflich Roger Wyndham-Price auf: „Lily, meine teuerste, herzlichen Glückwunsch! Ich wünschte mein Sohn wäre nur halb so fähig wie Sie, ich könnte mich glücklich schätzen!“
 

`Viel Geld, aber keinen wirklich Einfluss. Geld und Einfluss, das sind zwei Dinge, die man nie verwechseln sollte. Sicher könnte Roger seinem Sohn, den er selbst als Versager einschätzt, eine hohe Position im Rat einkaufen, doch das heißt nicht, das die anderen ihn wirklich respektieren, oder seine Meinung ernst nehmen! Der Respekt, den du durch Reichtum erhältst, ist kein wirklicher; wenn du im Rat langfristig überleben willst brauchst du beides, Geld und Einfluss!´
 

Etwas unerwartet umarmte George sie, Lily hatte ihn nicht mal kommen sehen: „Ich wusste immer das du es schaffen würdest!“
 

„Danke, Onkel George!“
 

`Versteh mich nicht falsch, ich kann George gut leiden und wir Ushers sind den Martins sicher zu viel Dank verpflichtet, dennoch muss ich sagen, dass George sehr naiv ist, er würde alles machen, was wir ihm sagen. Er vertraut uns, doch Vertrauen zu den falschen Leuten kann sehr gefährlich sein, im Rat, wie auch sonst überall in diesem Leben!´
 

„Herzlich willkommen im Rat!“, gratulierte Edward Edinburgh, mit dessen Kindern Barbara und Dean Lily früher oft gespielt hatte.
 

`Exzellente Taktiker diese Edinburghs, allesamt, doch leider haben sie nicht genug Einfluss um ihr Talent innerhalb des Rates nutzen zu können, wirklich sehr bedauerlich – für sie!´
 

Mr. Lenhardt trat vor und reichte ihr seine Hand, die sie sofort ergriff: „Willkommen!“
 

`Eine Wächterfamilie aus Deutschland, sie haben sich damals nach der Bombardierung des Ratsgebäudes im zweiten Weltkrieg sehr für den Rat eingesetzt und genießen ein sehr hohes Ansehen unter den anderen Wächtern. Das sollten sie auch bei dir! Gute Leute, ihnen könntest du wohl noch am ehesten vertrauen, abgesehen von denen, die dir vertrauen, wie George. Trotzdem darfst du es mit diesem Vertrauen nie zu weit kommen lassen, es ist ein bisschen wie ein Drahtseilakt.´
 

Als nächstes war John Cromwell an der Reihe: „Ich freue mich schon auf unsere hoffentlich gute Zusammenarbeit!“
 

`Vorsicht, liberal. Er gehört zu den Wächtern, die eine Veränderung des Rates wollen, so etwas ist immer gefährlich. Auf ihn und seines gleichen musst du achten, sonst werden sie den Rat reformieren, während du gerade mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt bist; wirklich sehr gefährlich!´
 

Es waren noch so viele Leute, die ihr etwas zu sagen hatten, der Abend würde lang werden!
 

Plötzlich spürte sie ihren Vater neben sich, er flüsterte ihr etwas zu, doch zuerst verstand sie es nicht, er musste es noch mal wiederholen: „Lass dir nicht zu viel Zeit mit ihnen, wir haben gleich noch etwas wichtigeres vor!“
 

„Was Wichtigeres?“
 

„Eine andere Einweihungsfeier, etwas privater.“
 

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London, Pferdegestüt,

2004

Wie kleine Fäden zogen sich die Regentropfen vom Himmel hinab. Es waren so unendlich viele, dass es wohl sinnlos gewesen wäre sie zu zählen. Lily beobachtete einige, wie sie auf dem Boden des Balkons aufschlugen. Nach so einem langen Flug hatte das Schicksal nichts Besseres für sie übrig, als solch ein hartes Ende. Sie hörten auf zu existieren, waren einfach nicht mehr da, doch das Wasser aus dem sie bestanden hatten blieb, und es würde nie ganz verschwinden, es war für immer ein Teil dieser Welt.
 

Sie wand sich wieder George zu: „Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen, und glaub mir, wenn die Dinge anders liegen würden, dann würde ich mit dir über alten Geschichten plaudern, mit dir zusammen über sie lachen und ich würde mit dir trauern um das, was wir verloren haben! Doch die Dinge liegen nun mal so wie sie sind, und du musst mich nicht beraten. Der Rat der Wächter ist schon zu lange meine Spielwiese, als dass ich ihn nicht einschätzen könnte. Vermutlich sitzen die Edinburghs gerade bei Lady Ashcroft beim Tee und verschwören sich gegen mich, und? Das haben sie schon immer getan, und das werden sie auch immer wieder tun, doch im Moment habe ich rein gar nichts von ihnen zu befürchten, denn ohne mich werden sie Rupert Giles nicht los! Das heißt, dass es für sie eine Entscheidung zwischen mir und ihm ist, und sie wären wirklich sehr dumm, wenn sie es darauf ankommen lassen würden. So lange sie mich brauchen, weil ich das kleinere Übel bin, so lange werde ich mir um sie auch keine Sorgen machen, und bis dahin werde ich noch Zeit genug haben, um mir etwas einfallen zu lassen. So bald mein Plan gelingt werden sie mir so oder so zu Füssen liegen!“
 

George schaute sie an, als ob er versuchte irgendetwas in ihr zu sehen, als ob irgendwas auf ihrer Haut geschrieben stehen würde, er es aber nicht entziffern könnte: „Du hast ja Recht, Lily! Doch ich will nicht einfach nur in der Ecke stehen und nichts machen, ich will dir helfen so gut ich kann, das bin ich dir und deinem Vater schuldig!“
 

„Ich weiß, was du meinst, und ich verstehe dich auch, doch ich glaube für mich ist es das Beste, wenn du weiter den alten, gutmütigen Kauz spielst, als der du im Rat bekannt bist. Ich schaffe das ganze schon irgendwie!“, sie ergriff seine Hände, „So wärst du mir am wertvollsten, und würdest mir und meinem Vater den größten Dienst erweisen.“
 

„Gut, wenn du meinst.“, gestand George schließlich widerwillig ein, „Da ist aber noch etwas wegen dem ich zu dir gekommen bin: Ich denke, du brauchst jemanden der für dich Arbeiten erledigt, Botengänge und ähnliches, du weißt schon. Wie auch immer, wenn du für jemanden etwas zu tun hast, dass du nicht selbst erledigen kannst, dann ruf einfach bei mir an und sag Mrs. March, dass du jemanden brauchst. Sie wird dir dann so schnell wie möglich jemanden vorbei schicken, ok?“
 

„Gut, für diese Art der Hilfe bin ich dir auch sehr dankbar!“, sie umarmte ihn, „Doch ich befürchte, du musst jetzt gehen, ich habe noch einige Besorgungen zu machen!“
 

„Und die Kopfschmerzen?“
 

„Die sind praktisch weg!“
 

++++
 

Cleveland, Schule

Gleiche Zeit

"Mara warte mal." Pustend kam Dawn ihrer Freundin hinterhergelaufen.
 

"Was ist denn los??", wollte Mara irritiert wissen, als sie Dawn endlich bemerkte.
 

"Mensch die alte McGoogle will uns am Montag eine Klausur in Politik schreiben lassen. Ich werde bestimmt durchrasseln, wenn du mir nicht hilfst. Hilfst du mir? Bitte, bitte!" Dawn versuchte einen Hundeblick zu Mara zu werfen, sie sah dabei aber so komisch aus, dass beide Mädchen lachen mussten.
 

Er durfte sich nicht erwischen lassen.
 

"Klar du Politiktrampel, ich helfe dir. Kann dich doch nicht durchrasseln lassen.", munterte Mara sie auf.
 

"Prima.", freute sich Dawn.
 

"Was ist prima?" ertönte plötzlich eine männliche Stimme im Hintergrund. Josh gesellte sich zu den beiden Mädchen.
 

"Ach wir schreiben Montag eine Politikklausur und unser Ass hier rettet mich, indem sie am Wochenende mit mir lernen will.", erklärte Dawn.
 

So viele Kinder hier, hoffentlich bemerkte ihn keins von denen.
 

“Klar.“, grinste Josh, „als wenn ihr beiden lernen würdet. Ihr werdet doch eh nur die süßen Jungs der Schule und die Cheerleader durchhecheln. Dann noch ein bisschen Keanu Reeves und der Lernnachmittag ist perfekt.", langsam zählte Josh seine Finger ab. Kaum hatte er zu Ende gesprochen, fielen beide Mädchen über ihn her.
 

Das musste sie sein. Sein Boss hatte sie ihm genau beschrieben.
 

"Das stimmt doch gar nicht!!" rief Dawn und versuchte wütend zu klingen, während sie so leicht, wie es ihr als Jägerin nur möglich war auf seine Schulter einhämmerte.
 

"Hilfe, ich werde geschlagen", jammerte Josh zwischen seinen Armen hervor, die er zum Schutz über den Kopf hielt.
 

"Meine Damen, mein Herr. Ich verbiete mir das.", erklang plötzlich eine herrische Stimme, Sam stand grinsend hinter den dreien. Sie hatten ihn nicht bemerkt.
 

„Ach Sam, das ihr Männer immer zusammenhalten müsst.“, grinste Dawn. Plötzlich bemerkte sie, dass sie sich beobachtet fühlte. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Unauffällig versuchte sie ihren Blick über den Schulhof schweifen zu lassen.
 

Hatte sie ihn etwa bemerkt?
 

Da hinter der Ecke zur Cafeteria sah sie ihn. Er beobachtete sie und Dawn erschrak, als sie den Dämon erkannte: Es war genauso ein Echsendämon wie bei ihrer Entführung. Diese Gesichter würde sie sicher nie vergessen. Was wollte er wohl von ihr?
 

Die Sache würde sie mit den anderen besprechen müssen, doch erst mal hatte sie etwas Wichtigeres vor.
 

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Cleveland, Black Pearl,

Nachmittag

Mo war gerade dabei einige Kisten zu kontrollieren, als Buffy an Deck trat, er war so damit beschäftigt, die Etiketten der Schnapsflaschen zu überprüfen, dass er Buffy nicht bemerkte, bis sie direkt hinter ihm stand. Erschrocken fuhr er herum: „Meine Güte, kleine Jägerin... willst du mich umbringen?“
 

Buffy schmunzelte sanft. „Unseren besten Informanten? Nein. Aber jetzt sind wir quitt.“
 

„Nur wenn ich dich auch einmal kurz über die Schulter werfen darf“, Mo machte einen Schritt auf sie zu und grinste. Buffy hob abwehrend die Hände. „Ich verzichte.“
 

„Ok, und was ist es dieses Mal?“, wechselte Mo das Thema und kam damit gleich zur Sache. In seinen Augen blitzte ein entnervter Ausdruck auf, den er jedoch schnell wieder fallen ließ.
 

„Die Organisation. Wieder einmal. Nur dieses Mal wird mir Regil nicht helfen können. Sie hören mich ab, überwachen mich... wir haben wirklich ganz andere und gewaltigere Probleme, als uns jetzt mit diesem Kindergarten herumzuärgern. Ich wüsste einfach nur zu gerne, was dahinter steckt, ob die Organisation aus eigenen Stücken handelt.“, erklärte Buffy ihr Problem.
 

Mo´s Antwort kam rasch, gleichzeitig stemmte er die schwere Kiste, die er vorher geprüft hatte hoch: „Ich verstehe, was du meinst, Jägerin, aber ich befürchte ich kann dir nicht helfen, selbst wenn ich es wollte.“
 

Seine muskulösen Arme spannten sich an, während er sich auf den Weg machte die Kiste runter in seine Bar zu bringen.
 

„Kein Hinweis? Nicht mal ein ganz kleiner?“, hakte sie nach, als sie ihm nach unten folgte.
 

„Hör zu, ich weiß es wirklich nicht, aber wenn ich es wüsste wäre es vermutlich so oder so zu gefährlich um es dir zu sagen. Aber ich habe etwas, dass dir vielleicht weiter helfen könnte es herauszufinden: eine Adresse.“, er stellte die Kiste in seinem Lagerraum ab und fingerte einen Block und einen Stift aus seiner Hosentasche heraus.
 

„Wieder eine Hochburg der Organisation?“, wollte die blonde Jägerin etwas misstrauisch wissen.
 

„Nein, ein ganz normaler Club“, erklärte er, „aber es kann gut sein, dass du dort jemanden triffst, aus dem du die Antworten auf deine Fragen herausprügeln kannst!“
 

„Oh, so etwas würde ich doch nie tun!“, entgegnete sie bestürzt, bevor sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzufügte: „Es sei denn es geht nicht anders.“
 

Der dämonische Barbesitzer guckte sie für einen Moment an, dann schüttelte er verständnislos den Kopf und wand sich wieder dem Zettel zu. Als er fertig war gab er ihn ihr, in kaum leserlicher Handschrift waren eine Adresse und ein Name auf ihm notiert: „The Project 42“
 

„Danke Mo!“, für einen Moment ging ihr das durch den Kopf, was Regil angedeutet hatte, „Sag mal, Mo, wenn du unsere Hilfe bei irgendwas brauchst, würdest du es sagen, oder?“
 

„Natürlich Jägerin, sonst würde ich dir diese ganzen Informationen doch nicht zukommen lassen!“, er lächelte freundlich. „Ich vergesse unser Abkommen sicher nicht.“
 

„Gut!“, Buffy lächelte zurück, für einen Moment lag eine Frage auf ihrer Zunge, doch vermutlich war das seine Privatsache. Wenn er wollte, dass sie etwas darüber wusste, dann würde er es ihr früher oder später schon noch sagen und bis dahin würde sie ihre Neugier zurückhalten.
 

„Ich würde ja gerne noch etwas plaudern, aber ich hab viel zu tun. Noch einen schönen Tag Jägerin!“, verabschiedete er sich.
 

„Dir auch!“
 

Er blickte ihr nach und fragte sich, was mit ihr los war, sie hatte sich noch nie wirklich für seine Probleme interessiert. Während er sich auf den Weg nach oben machte, überlegte er, wie sie wohl reagieren würde, wenn er ihr alles über Malkuth und sich erzählen würde.
 

++++
 

England, London,

Green Park

Die Dunkelheit der Nacht begann sich am Horizont zu sammeln, während auf der anderen Seite noch die tief gelben Strahlen der langsam aber stetig untergehenden Sonne den von Regenwolken durchzogenen Himmel erhellten.
 

Alles schien nass zu sein und außer Charles Prescott war keine Menschenseele weit und breit auszumachen. Er saß auf der durchnässten Parkbank, sein Aktenkoffer neben sich und beobachtete die Vögel, wie sie vollkommen unbeeinflusst von der Außenwelt auf dem nassen Rasen umherhüpften und nach etwas essbarem suchten.
 

Langsam begannen sich Zweifel bei ihm einzuschleichen, - was wenn er nicht kam? Dann hätte er sich dem ganzen Risiko umsonst ausgesetzt, ein Risiko, das er wohl nie hätte eingehen sollen. Er wusste nicht, wie gefährlich Lily war, doch durch das was Mr. Giles ihm erzählt hatte, hatte er einen Eindruck gewonnen, der nichts gutes erahnen ließ.
 

Vermutlich wäre es das Beste, wenn er sich keine Sorgen machen würde, aber dennoch konnte er nicht aufhören darüber nachzudenken. Auf der anderen Seite war er sich aber auch sicher, dass es manche Dinge gab, die getan werden mussten, denn wie oft in der Geschichte der Menschheit waren die schlimmsten Katastrophen daraus hervorgegangen, dass sich niemand getraut hatte etwas gegen sie zu unternehmen, bevor es zu spät war?
 

Plötzlich bemerkte er eine Gestalt, auf einen Gehstock gestützt, die sich im trotzdem schnellen Schrittes näherte. Ja, das war er! Sein Herz machte einen kleinen Sprung, und er stand auf um ihn zu begrüßen: „Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, Mr. Crowley!“
 

Bernard Crowley, der inzwischen schon ziemlich in die Jahre gekommen war galt unter den Wächtern als widerspenstig und eigenartig, dennoch war Charles Prescott davon überzeugt, dass er mehr als nur ein guter Wächter war, vermutlich einer der besten und weit besser als Prescott selbst.
 

„Ich freue mich auch Sie zu sehen, danke! Auch wenn ich von Ihrem Anruf etwas überrascht war“, er lehnte seinen verzierten Gehstock gegen die Bank und nahm Platz, „Was sagten Sie noch mal, worum es ging?“
 

„Die momentane Situation im Rat, und wie Sie dazu stehen. Ich meine, Sie sind ja wirklich schon lange in dem Geschäft, und hatten selbst auch schon einige Probleme mit dem Rat und seinen Ansichten, daher dachte ich mir Sie wären ein geeigneter Ansprechpartner!“, begann Prescott mir seinen Ausführungen.
 

„Und jetzt wollen Sie von mir, dass ich Ihnen helfe die richtige Entscheidung zu treffen?“, fragte der alte Mann, während er seinen Stock wieder ergriff.
 

„Nein, das nicht: Ich habe mich bereits mit Mr. Giles in Verbindung gesetzt, und er hat mir seine Version der Ereignisse geschildert, die mir weit aus schlüssiger vorkam als Ms. Ushers!“
 

„Mag sein.“, Crowleys Blick richtete sich auf die Vögel, er wirkte irgendwie abwesend.
 

„Mag sein? Mehr haben Sie nicht dazu zu sagen?“, Prescott schien aufgebracht.
 

„Nun ja, wem von uns war nicht klar, dass Lily Ushers Auftritt eine Phrase war? Wir alle wussten, dass es im Endeffekt nur eine Vertrauensfrage war, entweder sich für sie zu entscheiden oder für Mr. Giles. Haben nicht sogar Sie selbst den Finger für sie erhoben? Worüber beschweren Sie sich dann!“
 

„Ja, aber damals kannte ich die Umstände auch noch nicht! Fühlen Sie denn gar keine Loyalität zum Rat, können Sie so etwas einfach hinnehmen ohne es zu hinterfragen?“
 

„Hören Sie, wenn ich keine Loyalität empfinden würde, wäre ich gar nicht hier, doch was macht es schon für einen Unterschied, ob nun Ms. Usher oder Mr. Giles den Rat leitet? Warum soll ich mir deswegen Ärger machen, wenn ich es eh nicht ändern kann? Der Rat wurde schon immer von einflussreichen Familien beherrscht, die noch nie mit offenen Karten gespielt haben, zuletzt Quentin Travers. Was ist daran so schlimm, wenn es wieder so ist? Ich bin nicht wegen Mr. Giles hier, oder wegen Ms. Usher, ich bin hier, weil ich hier eine Aufgabe habe, die erfüllt werden muss, die Jägerinnen brauchen uns. Eine Jägerin, die einsam stirbt irgendwo auf der Welt interessieren irgendwelche Ränkespiele im Rat herzlich wenig, sie interessiert nur, warum sie nicht gut genug ausgebildet wurde um überleben zu können, und dafür sind wir Wächter da! Lassen Sie die großen Familien doch einfach diese Spiele miteinander treiben, wenn wir uns da einmischen, dann wird das auch nur die normalen Geschäfte des Rates beeinflussen!“
 

Prescott lauschte den Ausführungen des alten Mannes, das meiste ergab durch aus Sinn, dennoch hatte er noch einen Trumpf im Ärmel: „Sie hat dafür gesorgt, dass Jägerinnen verschwinden, außerdem ist es ihre Absicht, die…“
 

„Hören Sie auf, ich will es gar nicht hören! Warum sollte ich Mr. Giles abenteuerlichen Geschichten eher glauben, als denen von Ms. Usher? Fakt ist, dass sie beide nur um die Kontrolle im Rat kämpfen, und Fakt ist auch, dass weder sie noch ich etwas daran ändern könnten, selbst wenn wir es wollten. Wir könnten einzig und allein zwischen die Fronten geraten, und glauben Sie mir, Ms. Usher schießt mit scharfer Munition!“, er machte sich bereit zu gehen.
 

„Also wollen Sie einfach so aufgeben, obwohl Sie wissen, dass es falsch ist?“, Prescott ließ die ganze Wut die sich angestaut hatte aus seinem Bauch heraus.
 

„Warum einen Kampf kämpfen, den wir nur verlieren können, für eine Sache, die am Ende doch keinen Unterschied macht?“, er zuckte mit den Schultern, erhob sich und verschwand ohne ein weiteres Wort.
 

++++
 

Cleveland, „The Project 42“

Abend

„Oh Mann, jetzt merke ich erst, wie sehr ich das Bronze vermisse!“, rief Buffy Faith zu, während sie sich durch die Menschmassen, die sich, einige mehr, andere weniger, rhythmisch zur sehr laut aufgedrehten Techno-Musik bewegten, „Ich könnte wirklich mal wieder einen Mann in meinem Leben brauchen, nicht unbedingt was ernstes, und auf keinen Fall einen Vampir!“
 

Faith lachte, doch es klang irgendwie leer und hintergrundlos.
 

„Erst heute Morgen habe ich gemerkt, wie sehr ich aus der Übung bin!“, sie stöhnte leise auf bei dem Gedanken an den Briefträger, „Naja, für dich scheint das ja kein Thema zu sein, man sieht dir und Robin wirklich an, wie sehr ihr zu einander passt.“
 

„Ja“, bestätigte Faith Buffys Beobachtung, „ich wüsste nicht, wo ich heute stehen würde, wenn ich ihn nicht hätte, er ist wie ein Anker, der mich vor jedem Sturm schützen wird, so lange er da ist.“
 

„Du wirst ihn schon nicht verlieren!“, Buffy musste langsam feststellen, dass es irgendwie schwierig war ein tiefgründiges Gespräch zu führen, in mitten von lärmender Musik und dazu tanzenden, nass geschwitzten Menschen.
 

„Nein, das werde ich wohl nicht.“, Faith schaute Gedanken verloren in die Scheinwerfer, die im Nebel eine wilde Lichtshow bildeten.
 

„Wir sollten langsam damit anfangen das zu tun, weswegen wir gekommen sind!“, sie wurden von einem etwas übergewichtigem Paar getrennt, das sich in voller Ekstase der Musik hingab.
 

Als die beiden vorbei waren entgegnete Faith: „Vermutlich sollten wir das! Und Mo hat wirklich nicht mehr gesagt?“
 

„Nein, nur, dass ich hier jemanden finden könnte, der mir weiterhilft!“, bestätigte Buffy.
 

Faith warf einen prüfenden Blick in die Menge: „Hm, ich glaube nicht, dass sich hier irgendwo ein Dämon aufhält unter den ganzen Leuten, vielleicht sollten wir unser Glück lieber im hinteren Bereich versuchen?“
 

Buffy nickte nur, während sie versuchte den Tänzern so gut wie möglich auszuweichen; so schlimm war es im Bronze aber nie gewesen!
 

Schließlich schafften sie es der kämpfenden Masse zu entkommen, und Buffy wand sich erneut Faith zu: „Danke übrigens, dass du mitgekommen bist. Man sieht gleich unauffälliger aus, wenn man in einem solchen Schuppen nicht alleine aufkreuzt.“
 

„Kein Problem, B! Ich bin eigentlich ganz froh von Giles, Robin und ihren ganzen Geschäften mit dem Rat wegzukommen.“, sie deutete auf eine kleine, unauffällige Tür mit einem „Zutritt verboten!“ - Schild, die offensichtlich in den hinteren Teil des Clubs führte, „Vielleicht sollten wir dort unser Glück versuchen!“
 

Als sie die Tür erreichten, warf Buffy misstrauische Blicke in alle Richtungen: „Okay, denkst du die Luft ist rein?“
 

„Lass es uns herausfinden!“, Faith griff nach vorne, drückte die Klinke nach unten und ließ die Tür aufgleiten, „Siehst du, kein Problem!“
 

„Moment!“, eine tiefe, sehr männliche Stimme erklang von links und eine Türsteherin, die sie schon vom Eingang kannten kam angerannt. Ihre roten Haare hingen in Rastazöpfen von ihrem Kopf herab, ihr ganzer Körper war mit Muskeln übersät. Ihr Gesicht glich eher dem eines Gorilla, als dem einer Frau, kein Zweifel: Sie hatte genau den Beruf ergriffen der zu ihr passte.
 

„Können Sie denn nicht lesen? Zutritt verboten!“, brauste die Gorillafrau auf und funkelte Buffy und Faith dabei bedrohlich an.
 

„Oh, verzeihen Sie, wir haben nur die Toilette gesucht!“, ergriff Faith gerade rechtzeitig die Initiative, „Sie können mir nicht zufällig erklären wie ich sie finde?“
 

„Natürlich kann ich das!“, begann die Türsteherin zu erklären, Faith zwinkerte Buffy zu, die nun hinter dem Rücken der Gorillafrau vorsichtig die Tür öffnete, eintrat und leise wieder schloss.
 

Diese Hürde war genommen, doch nun war sie allein. Der Gang war dunkel, und sie wagte es nicht das Licht anzumachen. Ganz am anderen Ende, fiel ein schwacher Lichtstreifen aus einer nicht ganz verschlossenen Tür. Aber nicht nur das: Aus dem Raum drangen laute Stimmen und Gelächter.
 

Vorsichtig schlich sie weiter, bereit sich zu verteidigen, falls irgendetwas Unerwartetes passieren sollte, doch es geschah nichts. Schließlich erreichte sie die Tür und lauschte.
 

„Das war nicht fair, M´vrik, du hast die Karte im Ärmel gehabt, gib es schon zu!“
 

„Was denn, Frank, nur weil ich ein Dämon bin kannst du mir nicht vertrauen?“
 

Lautes Gelächter.
 

Das war wohl ihr Dämon! Sie machte sich bereit und stieß mit einem gezielten Tritt(?) die Türe auf: „Ich befürchte ich muss dieses Spiel kurz unterbrechen!“
 

Sechs Gesichter fuhren herum, fünf gehörten Menschen, eins einem dieser Echsendämonen, die einen großen Teil der Organisation ausmachten, einem ähnlichen Exemplar, wie auch Regil. Einer der Menschen griff nach etwas, doch Buffy war schneller, mit einem Satz war sie bei ihm und hatte die Waffe aus seiner Hand geschlagen: „Wagt es ja nicht!“
 

Offensichtlich hatte sie die lustige Gesellschaft gerade bei einem Pokerspiel gestört, neben den Spielkarten stand auf dem Tisch noch eine aus einem Totenkopf bestehende Wasserpfeife, die offensichtlich auch vor nicht allzu langer Zeit benutzt worden war.
 

„Wie sind Sie überhaupt hier rein gekommen?“, wollte ein etwas massigerer Typ wissen, der verdammt reich und verschwenderisch aussah. Aus seinem ausgeprägten Interesse schloss Buffy, dass er so etwas wie der Leiter dieses Schuppens war.
 

„Ihren Gorilla ablenken, Tür öffnen und reingehen, es war nicht wirklich schwierig!“, erläuterte Buffy ganz sachlich, „Aber Sie müssen sich wegen dem ganzen wirklich keine Sorgen machen! Ich will nur ihren Dämonenfreund hier kurz entführen, und wenn er artig ist, dann haben Sie ihn auch bald wieder!“
 

Die Anwesenden wechselten einige viel sagende Blicke, schließlich teilte der füllige Besitzer eine Entscheidung mit: „M´vrik, geh mit ihr, wir können keinen Ärger gebrauchen!“
 

Der Dämon war offensichtlich sehr betroffen, dennoch nickte er und stand auf, während er der Jägerin misstrauische Blicke zu warf.
 

Buffy war darauf bedacht die anderen am Tisch keine Sekunde aus den Augen zu lassen, während sie dem Dämon folgte, bis sich die Tür hinter ihnen schloss.
 

„Okay...,“ Buffy dehnte ihre Stimme und kniff die Augen zusammen, als hätte sie Mühe sich auf ihre nächsten Worte zu konzentrieren. „M´vrik.. richtig, “ sie gab dem Dämon Zeit zu nicken, während sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht strich, „Sicher wird es dich nicht überraschen, wenn ich dir sage, dass ich eine Jägerin bin und ich habe irgendwie das schlechte Gefühl, dass die überaus freundliche Organisation mich beschattet und bespitzelt. Irgendeine Ahnung, wieso?.“
 

Der Dämon starrte sie für einen Moment verwirrt an, dann antwortete er: „Paranoia?“
 

„Ich bin nicht hier, um mich zum Narren halten zu lassen!“, ihre Hand schnellte vor und schloss sich um seine Kehle, so dass er anfing zu winseln und sie um Gnade zu bitten: „Bitte, ich will auch keine Spiele spielen, wirklich! Außer Poker.“
 

„Dann erzähl mir alles was du weißt, hat die Organisation einen Auftrag bekommen, mich zu beschatten? Vielleicht von Ms. Usher, die sie schon einmal beauftragt hat?“
 

M´vrik rang nach Luft, während er versuchte zu antworten: „Nein, nein bestimmt nicht! Davon wüsste ich! Aber ich weiß, wer dahinter stecken könnte!“
 

„Wer?“, Buffy lockerte ihren Griff ein wenig.
 

„Tegul, der Leiter der McGregorian-Fischfabrik? Er könnte ein Motiv und die Ressourcen haben!“, man konnte M´vrik förmlich ansehen, wie die Räder in seinem Kopf ratterten.
 

„Ich dachte seine Bosse würden ihm das Versagen nicht verzeihen? Das hat er zumindest zu mir gesagt, er wollte sich aus dem Staub machen, so lange es noch ging!“, hakte Buffy nach.
 

„Nun ja, das wollte er auch, doch sie haben ihn gestellt, aber statt ihn zu töten ließen sie ihn in seiner Position, ganz einfach weil sie niemand Besseren für die Stelle hatten, und sie sich bei ihm sicher sein konnten, dass er alles tun würde, um ihr Vertrauen wiederzugewinnen, ja, ich bin mir fast sicher: wenn es stimmt, was sie sagen, dann kann es eigentlich nur er sein, der dafür verantwortlich ist!“
 

Buffy überdachte seine Antwort für einen Moment, dann löste sie ihren Griff ganz: „Ich glaube dir!“
 

Sie beobachtete ihn noch, wie er sich auf den Weg zurück zu seinen menschlichen Freunden machte, dann drehte sie sich um.
 

Als sie die „Zutritt verboten!“ – Tür wieder öffnete, sah sie, dass Faith sich immer noch mit dem Gorilla unterhielt, also schlich sie sich vorsichtig zu ihr hin, woraufhin die dunkelhaarige Jägerin sich von der Türsteherin verabschiedete.
 

„Wie kann man sich nur so lange über den Weg zum Klo unterhalten?“, wollte Buffy etwas belustigt wissen.
 

Faith setzte eine vollkommen irritierte Unschuldsmiene auf: „Aber die Architektur dieses Gebäudes ist einfach ziemlich kompliziert!“
 

Beide Jägerinnen lachten schallend, doch dann wurde Faith wieder ernst: „Was hast du herausgefunden?“
 

„Genug! Wir müssen etwas unternehmen, komm mit!“
 

++++
 

Wächterhaus

Gleiche Zeit

Charles P. Prescott. Ein einziger Name hatte seinen Weg in die Spalte „Verbündete“ gefunden, ein einziger, gegen die erdrückende Anzahl der Gegner. Giles war versucht, Kierans Namen auch auf die Liste zu setzen, doch was hatte es für einen Sinn, wenn er sich nicht sicher war, auf welcher Seite er stand?
 

Wenigstens hatte er durch Prescott einige Informationen über die Lage in London erhalten, bedenkliche Informationen, aber wenigstens wusste er jetzt, was dort vor sich ging und konnte darauf reagieren. Wenn er es denn konnte.
 

Er machte ein kleines Kreuzchen in seinem Notizbuch, der Anruf bei Romano Belussci, dem römischen Wächter hatte ergeben, dass er im Moment im Krankenhaus war und keine Zeit hatte sich um geschäftliches zu kümmern. Wenn es Giles gelingen würde mit ihm Kontakt aufzunehmen und ihn auf seine Seite zu ziehen, dann wäre es ein großer Schritt nach vorne, doch er bezweifelte, dass dieser Schritt sehr nahe war.
 

Scheinbar schienen alle Wächter in letzter Zeit im Krankenhaus, in Ferien, oder wo auch immer zu sein, eine überaus interessante Erscheinung.
 

„Echsendämonen!“, Giles schreckte auf, er hatte Dawn, die sich von hinten genähert hatte nicht bemerkt.
 

„Was ist passiert?“, fragte er verwirrt und etwas ungehalten, weil sie ihn von seiner Arbeit ablenkte.
 

„Ich habe heute morgen in der Schule einen Echsendämonen gesehen, so welche wie die von dieser Organisation, der mich beobachtet hat!“, berichtete sie sehr dramatisch.
 

„Ach du auch? Buffy sagte schon so etwas.“, bemerkte Giles und begann nicht sonderlich beeindruckt von ihrer Geschichte seine Brille zu putzen, „Sie sollte gleich wieder da sein, dann kannst du ihr davon berichten!“
 

Er wand sich wieder seinen Notizen zu, ohne sie weiter zu beachten.
 

„Und, wie läuft es?“, erkundete sie sich neugierig, „Ich meine der Rat, haben Sie schon etwas erreicht?“
 

„Nein, leider nicht wirklich viel, aber ich und Mr. Wood arbeiten daran!“, erläuterte Giles, wenigstens eine die sie nach dem Fortschritt fragte.
 

„Lassen Sie den Kopf nicht hängen, irgendwie kriegen Sie das schon wieder hingebogen! Ich habe die Wächter gesehen, sicher kann jemand wie Lily sie auf ihre Seite ziehen, doch ich bin mir sicher, dass Sie den Spieß genau so gut umdrehen können und das werden Sie auch!“, irgendwie klangen die Worte, die aus ihrem Mund herauskamen für Dawn wie etwas, das Buffy genauso gesagt haben könnte, Giles schien es auch zu bemerken, er lächelte sie für einen kurzen Moment an.
 

„Es ist etwas Ernstes, es ist persönlich!“, Buffys Stimme ließ die beiden aufschrecken. Gefolgt von Faith betrat sie Giles Büro.
 

„Was ist persönlich?“, wollte Giles jetzt vollkommen irritiert wissen.
 

„Die Sache mit der Organisation, sie wollen mir persönlich Schaden zufügen!“, erklärte sie kurz und knapp, „Wir müssen etwas gegen sie unternehmen, auch wenn ich noch nicht genau weiß was sie vorhaben!“
 

„Vielleicht kann Dawn dir was deren Plan betrifft weiterhelfen!“, regte Giles an.
 

„Dawn? Was ist schon wieder mit Dawn?“, fragend blickte Buffy zwischen ihrem Wächter und ihrer Schwester hin und her.
 

„Ich habe heute Morgen in der Schule einen von diesen Echsenfreaks gesehen, der mich offensichtlich beobachtet hat!“
 

„Du hast was? Warum erfahre ich das erst jetzt? Warum bin ich immer die letzte, die so was erfährt!“
 

„Beruhig dich, ich bin erst vor wenigen Minuten hier angekommen, ich war bei einem Freund!“, sie bemühte sich den letzten Teil des Satzes so unauffällig wie möglich unterzubringen.
 

„Und warum hast du dich vorher nicht gemeldet? Du weißt doch, dass diese Kerle verdammt gefährlich sein können!“, Buffy war nahe daran, sich wirklich aufzuregen.
 

„Beruhig dich, ich wusste, dass ihr wichtigeres zu tun habt, außerdem habe ich es ja jetzt erzählt!“, Dawn legte ihre Hand auf den Arm ihrer Schwester, die darauf hin einsah, dass es keinen Sinn machte sich aufzuregen: „Egal, auf jeden Fall ist die Sache mit der Mafia etwas, das wir nicht einfach ignorieren können, gerade in dieser schweren Zeit nicht, wir müssen die Situation irgendwie so schnell wie möglich beseitigen.“, resigniert blickte sie in die kleine Runde und fügte schließlich hinzu: „Außerdem gefällt mir der Gedanke, dass diese Organisation jederzeit bereit wäre uns in den Rücken zu fallen auch nicht. Irgendwelche Ideen?“
 

Als keiner eine Antwort gab nahm sie selbst die Initiative, ergriff den schwarzen Filzstift und trug die Organisation unter den Reitern als Gegner ein: „Ok, ich werde mir schon etwas einfallen lassen, was wir machen können, aber ich brauche Jägerinnen, mehr Jägerinnen, als wir hier in Cleveland haben! Kriegen Sie das hin, Giles?“
 

Ihr Wächter nickte gedankenverloren: „Ich kann dir nichts versprechen, aber ich werde mein bestes geben, auch wenn es vielleicht schwer werden wird!“
 

„Gut, tun Sie das!“, dann wandte sich Dawn zu, „Und wir beide gehen jetzt erst einmal zusammen nach Hause, ich will doch nicht, dass sich diese Organisationstypen an dir vergreifen!“
 

„Danke, aber ich kann wohl auch auf mich selber aufpassen!“
 

Giles achtete nicht auf den kleinen Streit zwischen den Schwestern, sein Blick fiel auf das Schaubild auf der Rückseite des Plakates. Verdammt! Vier zu Eins, das war einfach zu wenig, und der eine Verbündete, war auch nur ein kleiner Strohhalm, an den man sich klammern konnte, der einen jedoch nie halten würde. Wie sollte man da nicht die Hoffnung verlieren?
 

AKT 3
 

Wächterhaus, vor dem Schulbus

Später Abend

Faith schloss die Tür des Wächterhauses hinter sich, und horchte auf, als sie Schritte im Garten hörte. Sie hatte die Lampe auf der Veranda nicht eingeschaltet, und so schlich sie in der Dunkelheit auf die Treppe zu, und versuchte, jemanden, oder etwas, im Garten auszumachen, hatte aber zuerst kein Glück.
 

Auf einmal trat eine dunkle Gestalt hinter dem Baum hervor, und Faith erkannte erleichtert, dass es sich nur um Ronah handelte, die stumm im Garten stand.
 

„Ronah, was gibt’s?“ Faith trat auf sie zu, und legte ihrer jungen Freundin die rechte Hand auf die Schulter, woraufhin sich diese umdrehte.
 

Unbehagen zeichnete sich in dem Gesicht der Jägerin ab.
 

“Was ist los?“
 

„Na ja… ich weiß, dass ich eigentlich versprochen habe, dass mich die Sache keineswegs bei meinen Verpflichtungen stört, aber wir sind so viele, und ich sehe nicht ein, dass immer nur ich die ganze Arbeit machen soll, während Dawn ihren faulen Arsch nicht aus ihrer Wohnung bekommt. ... Und es ist auch nicht so, dass es immer vorkommen würde... es ist nur... morgen Abend... und... ich habe... keine Lust es abzusagen... aber.“ sprudelte Ronah los und sah Faith die ganze Zeit bettelnd an.
 

„Wow.. wow... langsam. Ich bin ja kein Großrechner. Alles der Reihe nach. Was ist denn überhaupt los?“ Faith sah Ronah besorgt an.
 

„Cliff hat mich morgen zu sich nach Hause eingeladen. Er möchte, dass ich seine Familie kennen lerne... und deren Haus ist der Hammer. Es ist glaub ich doppelt so groß wie das Wächterhaus hier, und sie haben einen riesigen Garten, mit Pool, und all dem.“
 

„Und wo liegt das Problem?“ Faith musste lächeln. Ronahs erster, fester Freund. Zumindest der erste, von dem sie wusste. Und wie man vor kurzem an der Sache mit dem Dämonen gesehen, war Ronah in dem Gebiet ja noch nicht wirklich erfahren.
 

„Na ja, Robin hat mich morgen für eine Streife eingeteilt. Schon wieder. Mir geht das langsam auf die Nerven. Ich bin doch nicht sein Roboter. Wir haben hier in Cleveland insgesamt 5 Jägerinnen, warum muss ich dann jeden Abend auf Streife gehen. Miss „ich bin so arm, und klein.. lass mich bitte keine Jägerin sein“ - Dawn wurde noch nie auf Streife geschickt.“ verärgert dachte Ronah an Buffy’s Schwester, die sich schon fast ein Jahr vor ihren Pflichten als Jägerin gedrückt hatte. Dieser Waschlappen.
 

„Kein Problem. Ich übernehme dein Gebiet morgen. Mach dir einen schönen Abend bei Cliff. Und schau dass du uns einige wertvolle Sachen heraus schmuggeln kannst!“, Faith lachte, und öffnete dann die Tür des Busses.
 

Ronah starrte sie geschockt an.
 

“Das war doch nur ein Scherz“, Faith musste weiter lachen, und stieg dann in den Bus.
 

++++
 

England, außerhalb von London, dunkler Ort

Selbe Zeit

Durch eine Öffnung in der Wand trat Lily aus der Dunkelheit hinein in ein schwach schimmerndes Licht. Die Quelle war ein antiker Brunnen aus Marmor, der in der Mitte des großen Raumes stand und imposant mehrere Meter in die Höhe ragte. Wasser sprudelte aus seiner Tiefe hervor und fiel an den runden Seiten der Brunnenschale hinab in ein Auffangbecken, das zu Lilys Füssen begann und in dem das Wasser einige Zentimeter hoch stand. Lilys Spiegelbild schwamm verzerrt auf der Wasseroberfläche und wenn man genauer hinsah, konnte man Goldfische darin schwimmen sehen.
 

Aber nicht nur das Wasser drang aus der Tiefe des Brunnens, sondern auch das Licht. Es wurde in einem Strahl nach oben an die hohe Decke geworfen und verlor sich in der Weite des Raumes, und warf lange Schatten an die Wände, die von einem Säulengang geziert wurden. Ansonsten war der Raum leer und wirkte kühl und nüchtern.
 

Lily presste das alte Buch, das ihr Vater in seinem Safe als Schatz gehütet hatte, fest an ihre Brust und blickte fasziniert dem Licht- und Wasserspiel zu.
 

„Ihr seid gekommen, um mir eine Frage zu stellen.“
 

Die warme und sympathische Stimme riss Lily aus ihren Gedanken und sie blickte sich überrascht im Raum um. Doch sie sah niemanden. Sie wusste nicht wirklich was sie von einem Orakel erwartet hatte. Aber auf keinen Fall eine gestaltlose Stimme, die von allen Seiten des Raumes widerhallte.
 

„Ja“, antwortete die Wächterin schließlich zögernd und als darauf das Orakel schwieg, räusperte sie sich und hob das Buch etwas in die Höhe. Nur weil das Orakel nicht zu sehen war, hieß das nicht, dass es nichts sehen konnte. „Ich... habe hier eine Prophezeiung...nach ihr soll der Weg zu alten Gesetzen durch den Schlüssel, reine Energie, geebnet werden. Ich dachte ich wüsste, wie ich die Linie der Jägerin zu schließen habe. Ich glaubte ich hätte alles berücksichtigt, als ich loszog, um die alten Gesetze wieder herzustellen, doch wie es scheint, habe ich versagt. Was ist schief gelaufen?“
 

„Die Damaskus-Prophezeiung?“, sagte das Orakel sanft, nachdem es einen Moment lang geschwiegen hatte und Lily vor Ungeduld begann, um den Brunnen herumzulaufen. „Damit wolltet ihr die Linie der Jägerin schließen?“
 

„Beantwortet ein Orakel nicht nur Fragen?“, blieb Lily überrascht stehen, schüttelte dann den Kopf und setzte ihren Weg fort. „Ich hatte noch ein zweites Buch. „Die Reiter des Todes.“ Doch ist es mir gestohlen worden.“ Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber das brauchte das Orakel nicht auch noch zu wissen. „In diesem Buch war erneut die Rede von reiner Energie und von der Schließung einer Linie, von der Wiederherstellung alter Gesetze, der Reinigung des Neuen... aber ich brauche wohl jetzt Hilfe. Eine Jägerin steht mir mit ihren Freunden im Weg. Was soll ich tun?“
 

Wieder schwieg das Orakel. Das Licht begann zu pulsieren, und als es wieder sprach, nahm der Lichtschein an Intensität zu. „Ihr habt eine alte Macht entfesselt, statt neues gegen das alte zu vertauschen. Mächtige Wesen wurden befreit, die für immer verborgen hätten bleiben sollen und nun Unheil über diese Welt bringen werden. Eine Katastrophe nach der anderen wütet, während drei Reiter den einen suchen, der ihnen die Macht gibt, alles zu bereinigen.“
 

Lily blieb bei diesen Worten abrupt stehen und ihre Augen weiteten sich. Hatte sie so daneben gelegen? Hatte sie etwas derart gefährliches beschworen? Oder war es nur ein Übersetzungsfehler ihres Vaters gewesen? Hatte er am Ende mehr gewusst, als er ihr je erzählt hatte? Oder war sie einfach nur falsch an die Sache herangegangen? War nicht Dawn der Schüssel zur Bereinigung ihres Problems, sondern eine alte, gewaltige Macht, gegen die selbst Buffy machtlos sein würde?
 

„Was für Reiter“, hauchte Lily entsetzt und doch fasziniert zu gleich.
 

„Die Reiter des Todes.“
 

„Was für Ziele haben sie?“, Lily drückte das Buch enger an sich.
 

„Alte Gesetze wieder herzustellen.“
 

Lily musste nachdenken. Die Worte des Orakels waren geheimnisvoll und noch einmal wollte sie nicht falsch interpretieren. Was hieß schon die Herstellung alter Gesetze? Diente es ihrem Zweck? Oder hatten diese Reiter ganz andere Ziele? Ziele die gefährlich waren?

Leider wusste sie zu gut, dass ein Orakel in Rätseln sprach und umso direkter man fragte, umso geheimnisvollere Antworten erhielt man.
 

„Und mein Problem mit der Jägerin?“
 

„Sie ist der Schlüssel.“
 

Der Schlüssel... Lily seufzte frustriert. So weit war sie schon gewesen, als sie hier her kam. Sie bekam nicht noch einmal eine Chance an Dawn ungehindert heranzukommen, um den Zauber zu vollenden. Wobei.. wenn sie die Worte des Orakels richtig deutete, hatte der Zauberspruch überhaupt keine Wirkung gehabt, sondern nur diese Reiter des Todes erweckt. Sie musste unbedingt in der Literatur nachschlagen und mehr über sie herausfinden.
 

„Ich spreche von Buffy. Die Jägerin die mir im Weg steht...,“ versuchte es Lily noch einmal.
 

„Sie wird der Schlüssel sein. Lasst sie gegen die Reiter kämpfen und seht, was passieren wird.“ Das Licht nahm an Kraft ab und reduzierte sich auf den schwachen Schimmer, der aus dem Brunnen gegen die Decke strahlte.
 

Zurück blieb eine nachdenkliche Lily, die glaubte, sie habe das Orakel richtig verstanden – nicht Dawn würde die Linie schließen, sondern ihre große Schwester. Wenn sie Buffy töten würde, würde Willows Zauber vielleicht an Kraft verlieren. Nein – kein vielleicht. Vielleicht war zu unsicher. Lily war auf einmal fest davon überzeugt. Der Zauber war Buffys Idee gewesen, sie hatte veranlasst, dass alle möglichen Jägerinnen die selben Kräfte bekamen wie sie. Niemand wusste so recht, wie dieser Zauber funktionierte. Es waren sicher nur geborgte Kräfte, die erloschen, wenn die Geberin starb. Aber es war wichtig Buffy von ihren Freunden und Giles zu trennen und was das bedeutete, war ihr schon in Cleveland bewusst gewesen.
 

Weniger euphorisch verließ Lily den Ort des Orakels mit der Gewissheit, dass ihr Giles wohl sicherlich nie verzeihen würde. Denn egal wie es ausgehen würde... Buffys Tod war bei jedem Szenario das Ende, das Lily ihrem Ziel näher zubringen schien.
 

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Cleveland, Wächterhaus

Nächster Vormittag

„Ich werde Ihnen helfen, doch glauben Sie nicht, dass wir so etwas wie Verbündete sind, Lily Usher ist einfach eine zu starke Macht im Rat, als dass ich mir das leisten könnte ohne meinen Kopf zu riskieren!“, Kierans Worte gingen Giles nicht mehr aus dem Kopf.
 

Hatte er überhaupt eine Chance, wenn die meisten Wächter so dachten? Wenn sie ihre eigene Haut alle nicht riskieren wollten, war es sinnlos gegen diese Wand aus Untätigkeit anzureden.
 

Wenigstens hatte Kieran ihm zwei seiner Jägerinnen für Buffys Anliegen, was auch immer sie genau vorhatte, zur Verfügung gestellt. Die restlichen waren wie er erklärt hatte mit einer Dämonen-Motorrad-Gang beschäftigt und standen nicht zur Verfügung. Eine weitere Jägerin hatte er von einem von Prescotts Brüdern, die in Amerika lebten, wenn auch nur widerwillig und mit gutem Zureden von zwei Seiten, zugesichert bekommen.
 

Drei Jägerinnen. Das waren vermutlich zu wenige für Buffy.
 

„Ich hab die Briefe kopiert und zur Post gebracht, wie Sie es wollten!“, Buffy schien einigermaßen gut aufgelegt, als sie von ihrem kleinen Auftrag zurückkehrte, „Wie läuft es mit den Jägerinnen!“
 

„Ich arbeite daran!“, war seine schlichte Antwort, während er das Telefon zur Seite legte und sein Blick langsam über das Risikobrett glitt.
 

„Gut, ich wollte heute Abend zuschlagen, wenn Sie bis dahin genug Jägerinnen aufgetrieben haben!“, eröffnete Buffy ihm, doch er schien abgelenkt, fast schon fanatisch betrachtete er die ganzen kleinen Figuren auf dem Spielbrett: „Das ganze ist falsch, so ist es nicht richtig!“
 

„Was meinen Sie?“, wollte Buffy wissen, sie ging in die Knie, so dass die Figürchen auf ihrer Augenhöhe waren.
 

„Die Farben sind falsch!“, er griff einen schwarzen Soldaten, der einen Wächter in Südamerika darstellen sollte und ersetzte ihn durch einen roten, „Die, die schwarz sind müssten alle rot sein, die Wächter sind nicht unentschieden, sie sind gegen uns und zwar geschlossen!“
 

Mit einer raschen Handbewegung fegte er über das Spielbrett und riss alle Spielfiguren mit. Ein regelrechter Regen aus schwarzen, roten und ganz wenigen grünen Soldaten ging auf den Teppich nieder: „Wie ist Andrew überhaupt auf diese schwachsinnige Idee gekommen? Er muss endlich begreifen, dass das Leben kein Spiel ist, es gibt keine Gewinner!“
 

Buffy richtete sich auf und legte ihre Hände auf seine Schultern: „Mag sein, doch das heißt noch lange nicht, dass man jeden Kampf gleich verliert, es gibt viele kleine Siege, und irgendwann wird aus ihnen, wenn es genug sind ein großer, richtiger Sieg, das geschieht jeden Tag, warum sollte es uns anders ergehen?“
 

„Ich weiß es nicht!“, auch er richtete sich wieder auf und begann völlig aufgelöst seine Brille zu putzen, „Doch ich kann langsam einfach keine neue Hoffnung mehr finden. Es will sich mir einfach nicht erschließen, wie alles was ich hatte, alles, was wir aufgebaut hatten, in so kurzer Zeit einfach an sie übergehen kann, nur wegen einigen absurden Anschuldigungen!“
 

„Und genau das ist es Giles, es sind einige absurde Anschuldigungen, Lily hingegen ist eine Mörderin und eine Verräterin, wenn wir einen Weg finden das zu beweisen kann der Rat nicht mehr an ihr festhalten, und diesen Weg werden wir finden bis das Tribunal ausgetragen wird. Lily wird sich nicht ewig in dieser Position halten können und ihr Fall wird genauso schnell kommen, wie ihr Aufstieg!“, sprach Buffy ihm Mut zu.
 

„Ich wünschte wirklich ich könnte es glauben.“, er lächelte, „Aber es wird auch nicht besser, je öfter du es mir sagst!“
 

Sie lächelte zurück: „Und trotzdem werde ich nicht damit aufhören. Tut mir leid, dass ich Sie neulich nicht nach ihrem Fortschritt gefragt habe, ich war in Rage, wegen der Organisation! Ich weiß, dass einiges zwischen uns war und wir alle in letzter Zeit einige Probleme miteinander hatten, aber wir sind trotzdem alle für Sie da, so gut wir können, und ich hoffe das wissen Sie!“
 

„Ja, das weiß ich, auch wenn ich manchmal dazu neige es zu vergessen!“, für einen Moment war eine sehr enge Verbindung zwischen ihnen da, die beide schon lange nicht mehr gespürt hatten.
 

„Soll ich Sie jetzt in den Arm nehmen?“, scherzte Buffy.
 

„Nein, ich denke, das wird nicht nötig sein!“, nicht nur dass er lächelte, seine ganze Miene schien sich für einen Moment aufzuhellen, nur um dann wieder düsterer zu werden: „Du bekommst deine Jägerinnen, damit du mit der Organisation ein für allemal abschließen kannst, ich weiß jetzt, was ich tun muss!“
 

++++
 

England, London

Schlecht beleuchtetes Gewölbe

Die Mauern waren sehr alt und das sah man ihnen auch an, hier und da fehlten einige Steine und Risse bildeten sich. Das war jedoch kein Wunder, vermutlich war dieses Gewölbe so alt wie der Rat der Wächter selbst. Wenn man einmal darüber nachdachte war es eigentlich noch in einem top Zustand, immerhin musste man sich wohl keine Sorgen machen, dass die Decke allzu bald herunterkommen würde, dazu war es zu robust gebaut worden.
 

Lily hatte noch einige grobe Erinnerungen an diesen Ort, dennoch war er ihr unheimlich, und trotz des geraden, einfachen Weges begann eine Angst zu wachsen, sich hier unten zu verirren. Mit einem Kopfschütteln wischte sie das alles bei Seite, es war lächerlich, streng genommen gehörte das ganze hier sogar ihrer Familie, also was konnte ihr hier unten schon groß passieren?
 

Lily versuchte vergeblich mit ihren teuren Schuhen den dreckigen Pfützen auszuweichen, die sich am Boden gebildet hatten. Doch nur selten gelang ihr das Unterfangen – ein mehrmaliges, fast unheimliches Platschen hallte im halbdunklen Gewölbe wieder und zeugte von Lilys Missgeschick.
 

Die Beleuchtung hier unten konnte man fast als modern bezeichnen - vereinzelte Neonröhren waren angebracht. Als Lily diesen Komplex das erste Mal betreten hatte, waren noch Fackeln an den Wänden angebracht gewesen. Ach ja, die guten alten Zeiten!
 

Schließlich erreichte sie eine bereits rostende, schwere Metalltüre, in die eine Klappe eingelassen war. Sie klopfte dreimal kurz.
 

Jemand zog die Klappe zur Seite und ein brutales, unrasiertes Männergesicht kam zum Vorschein. Seine Haare waren tiefschwarz und hingen von seinem Kopf hinab, dennoch war bereits der Ansatz einer Glatze und einige graue Haare zu erkennen: „Sie wünschen?“
 

„Ich würde gerne eine kleine Inspektion durchführen!“, sie strahlte über beide Ohren, „Ich habe gehört, es soll alles gut laufen!“
 

Das anfängliche Misstrauen verschwand aus dem Gesicht des Mannes: „Willkommen zurück, Ms. Usher! Ja, es läuft alles hervorragend!“
 

Fast euphorisch streckte er ihr seine schmutzige Hand entgegen, nachdem er alle Riegel gelöst und die Tür geöffnet hatte. Widerwillig ergriff sie sie. Er wäre vom Erscheinungsbild wohl am besten als abgerissen einzuordnen gewesen, hätte er nicht einen tadellosen Smoking getragen. In seiner Stimme lag ein kaum überhörbarer Sadismus: „Darius Payne, mein Name! Nun ja, eigentlich mein Künstlername. Wächter aus Leidenschaft! Willkommen zu unserem kleinen Experiment, das ich in ihrer ganzen Güte für Sie beaufsichtigen darf.“
 

Er wies ihr den Weg in den hinteren Teil des Raumes, aus denen Schreie und dumpfe Kampfgeräusche drangen. Sie schaute Payne fragend an, doch er beruhigte sie: „Oh keine Angst, Lady, sie trainieren nur.“
 

Er öffnete die Milchglastür, die den Blick auf eine bizarre Szene freigab: circa zwanzig Mädchen, alles Jägerinnen, die verbissen auf Sandsäcke einprügelten, sie alle folgten dabei genau dem gleichen Bewegungsablauf, als ob sie nur Spiegelbilder ohne eine eigene Persönlichkeit wären.
 

„Sehr gute Arbeit!“, lobte Lily, während sie an ihrer Reihe von Rekrutinnen vorbei schritt, die sie nicht einmal bemerkten.
 

Bei einem der Mädchen hielt Payne an: „Hier diese kennen Sie!“, er legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie sanft aber bestimmt vom Sandsack weg, „Sieh mal Emma, wir haben Besuch!“
 

Die aufgeschlossene junge Jägerin, die Lily in Cleveland kennen gelernt hatte, sah etwas dünn und blass aus, schwarze Ringe hatten sich um ihre Augen gebildet, dennoch strahlte sie ihr entgegen: „Hallo, Ms. Usher! Danke, dass Sie mir diese Chance gegeben haben, es ist wirklich toll hier!“
 

Lily lächelte freundlich: „Nichts zu danken, das habe ich gerne für dich gemacht!“, dann wand sie sich Payne zu, das Lächeln immer noch in ihrem Gesicht: „Sie hätten ihr mehr von dem Zeug geben müssen, sie dürfte sich im Moment nicht mal mehr an meinen Namen erinnern! Das müssen sie erst alles loswerden, bevor wir es sie wieder finden lassen, natürlich in einer Richtung, die eher in unserer Vorstellung liegt.“
 

Payne wirkte peinlich berührt und zog eine kleine Schatulle aus seiner Jackettasche: „Entschuldigen Sie, mein Fehler, ich werde ihn sofort korrigieren.“
 

Er bereitete die Spritze vor, drehte Emmas Arm zu Recht und injizierte die durchsichtige Substanz an der richtigen Stelle in ihre Ader. Die Nachwuchsjägerin verzog ihre fröhliche Miene um keinen Millimeter, doch als sich die Spritze näherte funkelte für einen ganz kurzen Moment der Gedanke nach Widerstand in ihren Augen auf. Er verging schneller, als er gekommen war. Sofort begann das Mittel auf ihr Gehirn einzuwirken, und mit jeder Sekunde wurde ihr Ausdruck leerer, die Fassade eines Gefühls, das sie einmal gekannt hatte.
 

„Das sollten Sie bei ihnen allen öfter machen, offensichtlich reicht es nicht ihnen das Mittel unters Essen zu mischen, trotzdem gute Arbeit, wie ich sehe sind die Mädchen bei ihnen in guten Händen!“, lobte Lily, „Welche von ihnen ist Dana?“
 

Er deutete auf eine Dunkelhaarige mit starrem Blick nach vorne, die mit erschreckender Gleichgültigkeit auf den Sandsack einschlug: „Das Juwel unserer Sammlung!“
 

„Gut, ich habe schon viel von ihr gehört, ich hoffe nur, sie hält, was sie verspricht!“
 

Payne lächelte nur vielsagend.
 

Plötzlich begann Lilys Handy zu klingeln, eine der Jägerinnen zuckte zusammen, die anderen schienen es gar nicht mitzukriegen. Sie nahm den Anruf an: „Usher. Was sagst du? Verräter?“
 

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Cleveland, Wächterhaus

Mittag

Xander zog die Tür hinter sich zu, als er eintrat. Er kam gerade von der Arbeit zurück, und neben seinem teuren Anzug baumelte noch sein Aktenkoffer an seiner rechten Hand: „Und wie geht es voran?“
 

Sein Blick fiel auf das verwüstete Risikobrett und glitt dann zu den trüben Gesichtern von Buffy, Faith und Wood, die im Wohnzimmer saßen, ohne irgendwelche Worte zu wechseln. Sie guckten ihn alle ein bisschen vorwurfsvoll an, und seine mehr oder weniger unbetrübte Stimmung verging schnell.
 

„Was den Rat betrifft gibt es keine nennenswerten Veränderungen, außer dass wir einen Informant in London gefunden haben“, begann Wood, „Was Giles selbst betrifft…“
 

Buffy übernahm: „Er ist jetzt schon seit mehreren Stunden in seinem Arbeitszimmer, und sagt wir sollen ihn nicht stören, aber er will uns auch nicht verraten, was vor sich geht!“
 

„Hört sich ja sehr beunruhigend an.“, er stellte seinen Aktenkoffer ab und nahm neben seiner alten Freundin Platz, „Denkst du, dass wir uns deswegen Sorgen machen sollten?“
 

„Ich weiß es nicht, ich denke er geht eigentlich sehr gut mit der Situation um, doch es macht ihn fertig, und manchmal hat er Momente“, Buffy deutete auf das Risikobrett, „Momente, in denen er nahe daran ist aufzugeben.“
 

„Ich verstehe.“, Xander nickte, mehr für sich selbst als für Buffy. Sie schwiegen.
 

Plötzlich drang aus Giles Arbeitszimmer ein wütender Schrei, Buffy zuckte zusammen, und wollte instinktiv aufspringen, doch Xander hielt sie zurück: „Was immer er auch tut, ich befürchte er muss alleine da durch. Wir können ihm nicht helfen.“
 

Sie schwiegen.
 

Nach einer Weile stand Robin auf: „Ich habe auch noch Arbeit zu tun, entschuldigt mich!“, Faith schloss sich an: „Ich habe heute Nacht ein paar Vampire zu erledigen und will nicht unvorbereitet sein!“
 

„Und was ist mit der Organisation?“, fragte Buffy etwas ungehalten.
 

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass Giles heute noch genug Jägerinnen auftreibt, B? Und wenn doch kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht an!“, versuchte sie sich zu rechtfertigen.
 

„Aber auf eine Erfahrene! Ich habe dich fest eingeplant!“, Buffy schien ernsthaft betroffen, sie war davon ausgegangen, dass sie ihren Plan heute durchführen könnte, um sich endlich keine Sorgen um die Organisation mehr machen zu müssen.
 

„Wenn du es wirklich heute noch machst, dann werde ich so schnell dazu kommen, wie ich kann, aber ich muss mich zu erst um diese Vampire kümmern, das habe ich jemandem versprochen!“
 

Buffy gab sich schließlich zufrieden und winkte ab: „Aber beeil dich!“
 

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London, Ratsgebäude, unbenutzter Trakt

Selbe Zeit

„Wie schlimm sieht es aus?“, fragte Lily George nach der Lage, während sie ihm schnellen Schrittes durch den leer stehenden, unbenutzten Gang folgte.
 

„Jemand ist mit Mr. Giles in Kontakt getreten, von einem Telefon in diesem Gebäude aus!“, erläuterte er ihr, „Wir sind uns nicht sicher, wer es war, allerdings haben wir Grund zur Annahme, dass es sich bei dieser Person um Bernard Crowley handelt, denn einer meiner Leute hat beobachtet, wie er sich aus dem Ratgebäude geschlichen hat, und offensichtlich Angst hatte beobachtet zu werden!“
 

„Crowley?“, sie hatte sich gleich gedacht, das dieser Mann Ärger machen würde, ihre Nase hatte sie also nicht getäuscht, doch sie hatte immer gehofft ihn aus dem Verkehr zu räumen, bevor er irgendwelchen Ärger machte. Seine Vergangenheit alleine musste einem schon zu denken geben.
 

George öffnete eine Tür und sie betraten einen Raum, der hauptsächlich mit unbenutzten, abgedeckten Möbeln zugestellt war. In der Mitte auf einem Stuhl saß Bernard Crowley, offensichtlich eingeschüchtert durch die zwei muskelbepackten Bediensteten von George, die ihn hier her gebracht hatten. Soweit Lily es beurteilen konnte hatten sie ihn nicht angerührt, noch nicht.
 

„Mr. Crowley, bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, Mr. Martin hat wohl etwas überreagiert, doch ich muss gestehen, ich war auch etwas betroffen, als ich von ihrer kleinen Verschwörung erfuhr!“
 

Er schaute sie nur irritiert an: „Welche Verschwörung?“
 

„Wollen Sie etwa leugnen, dass Sie mit Mr. Giles Kontakt hatten?“, ihr ohnehin schon gespannter Geduldsfaden begann zu reißen.
 

„Nein, ich hatte keinen Kontakt zu ihm, und ich kann ihnen versichern, dass ich auch nicht gedenke mit ihm in Kontakt zu treten! Auch wenn mir das Theater was Sie hier aufführen, wohl endgültig klar macht, dass Sie nicht mit offenen Karten spielen!“, er brach kurz ab, als er merkte, dass er zu weit gegangen war, „Ich will nur dem Rat dienen, auf Ärger oder Einmischung in irgendwelche Machtspiele kann ich wirklich verzichten!“
 

„Ach kommen Sie schon, das können Sie mir nicht weiß machen! Jeder kennt Ihre Geschichte! Nikki Wood und ihr Versteckspiel mit dem Rat als ihr Wächter, während sie schwanger war, ich weiß wie Sie über den Rat und über mich und meine Familie denken, Sie brauchen nicht so zu tun, als ob Sie keine Probleme damit hätten!“, sie schrie ihn fast an, irgendetwas brachte sie ungemein aus der Ruhe.
 

Er schwieg für einen Moment, dann setzte er zu einer Antwort an: „Ja, ich war Nikki Woods Wächter, und ich kenne das wahre Gesicht des Rates, doch wenn ich diesen alten Geschichten noch nachhängen würde, oder auf Rache aus wäre, dann wäre ich nie zurückgekommen! Es geht mir nur darum meine Arbeit zu machen, nicht mehr und nicht weniger.“
 

Für einen Moment überlegte sie, ob sie ihm wirklich trauen sollte, doch es fiel ihr schwer, er passte einfach zu gut in das Bild eines Verräters, außerdem hatte er vielleicht noch Kontakt zu Robin Wood in Cleveland, den er immerhin bei sich aufgezogen hatte.
 

Während sie noch überlegte öffnete sich plötzlich wieder die Tür und eine Angestellte trat ein, sie warf Crowley, der zusammen gekauert auf dem Stuhl hockte, einen misstrauischen Blick zu, entschied aber, dass es offensichtlich nicht das sein konnte, wonach es aussah: „Ms. Usher, da ist ein Anruf für Sie, es ist Mr. Giles!“
 

Bevor ihre inneren Alarmglocken klingeln konnten drückte sie schon den Hörer an ihr Ohr: „Usher. Ja?“
 

„Ich bin es.“, Giles Stimme erklang von der anderen Seite, sie wirkte gefasst, aber es klang sehr bemüht.
 

„Rupert, warum rufst du an?“, ihre Miene versteinerte sich, sie musste die tausend Gefühle und Gedanken, die ihr auf einmal durch den Kopf jagten zurückhalten! Verdammt, warum rief er ausgerechnet jetzt an?
 

„Ich will nicht über das sprechen, was du getan hast, denn ich habe dir nichts dazu zu sagen. Normalerweise würde ich nie mit kaltblütigen Mördern wie dir verkehren, doch es geht um etwas anderes!“, es war wie ein Schlag in ihren Magen, seine Stimme das sagen zu hören. Ihre steinerne Fassade begann zu bröckeln, ihre Stimme zitterte, wenn auch kaum merklich: „Du weißt, dass das absolut irrationale Anschuldigungen sind, auf die ich nicht weiter eingehen werde.“
 

„Ach du bist also nicht alleine im Raum?“, er lachte sarkastisch und ihr wurde bewusst, wie verbittert er sein musste. Sie warf Crowley einen kurzen Blick zu, der sie interessiert anstarrte, als ob er durch sie hindurch blicken könnte.
 

Schließlich rang sie sich durch zu einem: „Was willst du von mir?“
 

„Wir haben hier in Cleveland einige Probleme, mit der Organisation, an die du dich eigentlich noch sehr gut erinnern solltest. Wir brauchen einige Jägerinnen, und leider will mir, warum auch immer, kein Wächter welche zur Verfügung stellen. Daher wollte ich dich bitten, ob du nicht vielleicht ein gutes Wort für mich einlegen würdest? Es geht hier bei nicht um die Sache zwischen uns, sondern schlicht und einfach um die Bekämpfung von Dämonen, ich hoffe das bedeutet dir wenigstens noch etwas!“, seine Worte waren scharf, wie Messer, die in offene Wunden gerammt wurden.
 

Tausende Antworten und Entschuldigungen schossen durch ihren Kopf, und sie spürte, wie ihre Augen nass wurden, doch sie erlaubte es ihnen nicht: „Du kriegst deine Jägerinnen, noch heute Abend!“
 

Sie legte auf.
 

George der das Geschehen bis zu diesem Zeitpunkt besorgt beobachtet hatte schritt zu Lily vor: „Alles in Ordnung?“
 

„Ja, es geht schon.“, der Blick der beiden glitt zu Crowley und George teilte Lily die Neuigkeiten mit, die ihm die Angestellte gerade überbracht hatte: „Er ist nicht der den wir suchen!“
 

Lily überdachte die Lage für einen Moment, doch dann entschied sie, dass zwei tote Wächter an einem Tag keine gute Sache wären: „Sie können gehen, es tut mir Leid, dass wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet haben!“
 

Aber ihre Gedanken waren nicht wirklich bei Crowley, sie waren in der Vergangenheit.
 

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England, Oxford University

1974

Kerzen auf dem Fensterbrett, im Buchregal über einem der beiden Schreibtische und in Weinflaschenhälse gesteckt, sowie zahlreiche Teelichter auf dem schäbigen Teppichboden, erhellten das kleine Zimmer, das sich zwei junge Studenten teilten. Die Flammen flackerten leicht, fast im Takt zu den leisen Klängen von The Doors, die aus alten Boxen drangen.
 

Eines der Betten war ordentlich gemacht und der in der Halbdunkelheit stehende Schreibtisch war ähnlich pedantisch aufgeräumt. Dahingegen zeugte der mit Kerzen überladene Tisch von Unordentlichkeit und Chaos – Bücher stapelten sich in zahlreiche kleine Berge in die Höhe. Dazwischen steckten mit Notizen beschmierte Blätter oder häuften sich auf den einzigen freien Stellen auf der Tischoberfläche auf. Dazwischen lag eine Gitarre, die alt und benutzt wirkte und die irgendwie das Kunststück fertig gebracht hatte Platz gefunden zu haben, ohne das einer der Stapel ins rutschen gekommen war.
 

Ein Kichern war plötzlich unter der Bettdecke des anderen Bettes zu hören, über das ein großes Konzertplakat von Marsha Hunt hing.
 

Es kam Bewegung unter die Decke und wieder kicherte die klare, weibliche Stimme, ehe sich zwei verschwitzte Köpfe unter der warmen Decke freikämpften.
 

„Rupert du bist unmöglich...“
 

„Du willst doch nicht behaupten, Lily, dass es dir nicht gefallen hat“, grinste der junge Rupert breit und frech, während er sich im Einklang mit Lily weiter rhythmisch unter der Decke bewegte.
 

„Das habe ich nicht behauptet... aber das ziemt sich nicht...“
 

„Wir sind verlobt, Lily“, verdrehte Rupert die Augen und küsste ihre Stirn.
 

Lily lächelte zu ihm hoch. „Ah ja, verstehe... ein Freibrief also... aber was ist wenn Dean zurückkommt und uns...“
 

„Ich hab ihn in den Pub geschickt und ihm dazu noch zehn Pfund in die Tasche gesteckt. So schnell kommt er nicht wieder... Also...soll ich noch einmal,“ das diabolische Grinsen war wieder auf seinem Gesicht erschienen und er rutschte bereits wieder unter die Decke nach unten, als das Telefon im Zimmer laut und unnachgiebig aufschrillte. Lily und Rupert zuckten gleichzeitig zusammen und während er wieder nach oben kam, starrten sie beide zu dem Apparat auf Ruperts unordentlichem Tisch.
 

„Na prima,“ sagte Rupert als erster, frustriert und enttäuscht zu gleich, als das Telefon weiterschrillte. „Erwartest du noch einen Anruf?“
 

„Nein... eigentlich nicht. Denkst du sie sind es?“, Lily sah besorgt zu Rupert auf.
 

„Und wenn schon... wir könnten auch fort sein,“ Rupert begann ihre Lippen zu küssen, doch Lily drehte ihren Kopf zur Seite.
 

„Du solltest ran gehen. Du weißt, dass sie immer alles wissen. Wir sollten die Regeln einhalten.“
 

„Bist du dir sicher?“, und um seiner Frage Nachdruck zu geben, ließ er seine Hüfte ein wenig kreisen. Doch Lilys Gesicht blieb angespannt und nahm Rupert jeden weiteren Spaß.
 

„Natürlich bin ich mir sicher.“
 

Rupert seufzte laut auf und rollte sich von Lily auf die Seite hinunter. Sein Gesicht drückte die Enttäuschung und Frustration mehr als deutlich aus. „Aber nur weil du es bist.“ Er rutschte ans Fußende seines Bettes schlüpfte zurück in seine Unterwäsche und ging zum Telefon. „Ja?... ja sicher Mr. Usher,“ Rupert warf Lily einen strafenden Blick zu. Vom Rat beim Liebesspiel gestört zu werden hätte er noch verkraftet, aber von seinem zukünftigen Schwiegervater.. das war fast ein wenig peinlich. Auch wenn der alte Usher sicher nicht wusste was hier gerade passiert war. „Für dich,“ sagte er überflüssig und hielt Lily den Hörer entgegen.
 

Sie wickelte Ruperts Decke um sich und stand mit einem entschuldigenden Blick zu ihm auf.
 

„Was ist, Daddy?,“ sie kehrte Rupert den Rücken zu und es war ihm schwer zu erkennen, ob die Mitteilung etwas Gutes oder weniger Gutes bedeutete.
 

„Wir haben hier ein Problem. Ich brauche dich dringend hier im Zirkel.“
 

„Oh ich verstehe.. ja natürlich.. ich komme sofort. Was ist genau los?“ Der Zirkel also... sie würde Rupert nicht unbedingt die Wahrheit sagen können, wieso sie so dringend los musste.
 

„Wir haben eine Schrift gefunden, die uns auf die Spur der letzten Hüterin führen könnte. Aber niemand ist in der Lage, sie zu übersetzen. Außer dir. Und wir brauchen dringend eine neue Spur, wenn unsere Geldgeber nicht langsam abspringen. Ist Rupert ein Problem... oder kannst du ohne Bedenken los?“
 

„Rupert? Ja, ja doch er wird das verstehen.“ Sie drehte sich dabei zu Rupert herum und lächelte ihn gewinnend an, aber er sah zur Seite und lehnte sich an die Wand. „Bis gleich,“ und damit legte sie langsam auf.
 

Rupert hatte genug gehört, um zu wissen, dass sie gehen musste...und Lily brauchte nichts mehr zu erklären. Der Ausdruck in seinem Gesicht sagte alles. Sie bückte sich rasch nach ihren Kleidern und fühlte sich sehr unbehaglich unter seinem beobachtenden Blick. Schließlich hielt sie die Stille nicht mehr aus. „Es tut mir leid, Rupert. Aber was soll ich denn machen? Es ist ein Notfall. Der Rat braucht mich und mein Wissen... irgendetwas wegen einer jungen Anwärterin. Mein Vater braucht mich. Du würdest doch das gleiche tun, wenn dich deiner anrufen würde. Auch wenn wir unterschiedliche Meinungen über unsere Pflicht dem Rat gegenüber haben.“
 

Rupert schwieg weiterhin und beobachtete sie. Schließlich war sie fertig und suchte nach ihrer Handtasche. „Könntest du mir wenigstens deinen Wagen leihen?“
 

Rupert griff nach dem Schlüsselbund auf dem Nachttisch und warf ihn Lily zu.
 

„Danke.. ich.. ich beeile mich und komme sofort zu dir zurück.. versprochen...“, sie ging begleitet von den enttäuschten Augen von Rupert. Es war schwer zu gehen, nicht nur weil sie einen so schönen Abend vor sich gehabt hätten, sondern auch weil Rupert seit dem Anruf nichts mehr gesagt hatte. Das war das schlimmste daran.
 

Drei Stunden später öffnete Lily leise die Tür zu Ruperts und Deans Zimmer. Es war dunkel, die Kerzen brannten nicht mehr, aber der beißende Geruch des Rauches stand noch im Zimmer. Sie schlich sich leise zwischen den Kerzen hindurch zum Fenster und öffnete es. Erleichtert stellte Lily dabei Deans leeres Bett fest. Allerdings musste sie enttäuscht herausfinden, dass Rupert bereits schlief. Ohne Decke, nur mit seinen Shorts begleitet und auf dem Rücken. Ein Buch lag aufgeklappt mit dem Deckel nach oben auf seiner nackten Brust und sie nahm es vorsichtig auf. „Handbuch für Wächter-Anwärter“, stand auf dem Einband und mit einem kleinen Lächeln legte sie es auf seinen Nachtisch. Sie bedauerte, dass es länger gedauert hatte und sie bedauerte, dass er bereits schlief. Ihr liebevolles Lächeln verschwand von ihrem Gesicht und machte einem verschlossenen, sorgenvollem Ausdruck platz. Ihre Beziehung würde nie einfach sein. Und wenn sie erst einmal geheiratet hätten, würde alles nur noch komplizierter für sie werden. Denn sie würde Rupert immer wieder anlügen müssen... daran führte kein Weg vorbei... so wie heute Nacht... sie hatten zu verschiedene Ansichten, zu verschiedene Pflichtgefühle.
 

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Cleveland, Wächterhaus, Abend,

2004

Misstrauisch blickte ihr das Rudel von jungen Frauen entgegen, das sich vor Giles Haustür versammelt hatte, so als wartete in diesem Haus die größte Gefahr auf sie, die sie in ihrem noch jungen Leben als Jägerin bisher erblickt hatten.
 

Buffy bemühte sich möglichst freundlich zu gucken, was ihr aber gar nicht so einfach fiel, bei den unfreundlichen Blicken. Kennedy und die anderen waren bei ihrem ersten Treffen weit aus freundlicher gewesen, auch wenn sie sie regelrecht überfallen hatten: „Kommt doch rein!“
 

Sie drehte sich um, bevor sie die Reaktionen sehen konnte. Mit so einer Ablehnung hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Es war erschreckend.
 

Den Geräuschen nach wagten sich einige Mutige vor in die Höhle des Löwen und die anderen folgten vorsichtiger und langsamer.
 

Es waren etwa zwanzig Mädchen, die Giles irgendwie aufgetrieben hatte, jedoch hatte er vermieden mit irgendeiner Silbe zu erwähnen, woher.
 

Liz, Angela und Lena, die Jägerinnen von Kieran O´Bailey und Robert Prescott saßen bereits im Wohnzimmer und warteten geduldig auf die Neuankömmlinge, die die drei nun etwas unsicher beäugten.
 

„Setzt euch irgendwo hin, ich will euch in eure Aufgaben einweisen!“, bat Buffy sie, es war gut, dass Giles bei der Post war, um die restlichen Briefe loszuschicken. Es war besser, wenn er das hier nicht mit ansehen musste.
 

Was mussten ihre Wächter ihnen nur erzählt haben, damit sie so ängstlich und unsicher waren, und vor allem wie hatte Giles sie dann überzeugt ihre Jägerinnen dennoch zu ihm zu schicken?
 

Kennedy betrat das Besprechungszimmer. Sie war die einzige der Cleveland-Jägerinnen, die Buffy mitnehmen würde. Faith und Ronah waren nicht da, und Dawn hatte Buffy nicht erlaubt mitzukommen, denn der Gedanke, dass die kleine Schwester eine Jägerin war, war ihr noch immer fremd. Auch wenn es ein kleine Familienkrise ausgelöst hatte.
 

„Sind inzwischen alle angekommen?“, fragte Kennedy
 

„Ja, ich denke schon, es müssten genug sein!“, Buffy überflog die Neuankömmlinge mit einem kurzen Blick, wenigstens sahen sie gut trainiert aus.
 

Eine von ihnen trat nach vorne. Sie hatte kurze blonde Haare, einen etwas kräftigeren Körperbau und war für die anderen wohl so etwas wie ihre Anführerin: „Damit das klar ist, wir werden nicht an irgendwelchen Selbstmordmissionen teilnehmen, oder irgendetwas tun, dass dem Rat oder anderen Jägerinnen schadet! Wir sind hier, weil es von uns warum auch immer verlangt wurde. Wir sind nicht hier, weil wir mit ihnen und Mr. Giles in irgendeiner Weise sympathisieren oder weil wir hier sein wollen!“
 

Langsam begann Buffy der Kragen zu platzen: „Ihr denkt also wirklich, dass wir euch absichtlich mehr gefährden würden, als es unbedingt nötig ist? Ihr denkt wir würden euch für einen Kampf gegen andere Jägerinnen einsetzen wollen?“, sie funkelte die Meute von jungen Frauen wütend an, „Doch wisst ihr was? Wenn Mr. Giles nicht gewesen wäre würde vermutlich die Hälfte von euch heute bereits unter der Erde sein! Dieser Mann hat es fertig gebracht den Rat der Wächter in Rekordzeit wieder aufzubauen, er hat dafür gesorgt, dass so viele Jägerinnen wie möglich mit Wächtern versorgt wurden und nicht mehr auf sich allein gestellt waren! Und ich kann euch versprechen, dass er sich mehr um das Leben einer Jägerin sorgt, als Ms. Usher es je könnte!“
 

Die Mienen der Jägerinnen schienen etwas aufzuklaren, auch wenn immer noch mehr Zweifel als Zustimmung durchkam. Die blonde Anführerin nickte nur stumm und setzte sich zurück zu den anderen.
 

„Und nun zu dem wofür ich euch brauche: Es wird nicht wirklich einfach werden, aber ich denke, wenn ihr alles so macht, wie ich es euch sage werden wir es ohne große Probleme schaffen!“
 

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London, dunkle Seitenstraße

Etwas später

Charles Prescott war umringt von George´s Bediensteten, als Lily eintraf, er drückte sich gegen eine Wand und schaute ihr missbilligend entgegen.
 

„Das Sie so weit gehen hätte ich nie gedacht, das war ihr Todesurteil, ihr Einfluss im Rat wird nicht mehr haltbar sein!“, platzte es aus ihm heraus, er war offensichtlich ängstlich, und versuchte sich mit Drohungen davon abzulenken. Typisch menschlich, er tat Lily fast leid.
 

„Entschuldigen Sie die Grobheit meiner Freunde hier, doch sie werden, wie ich auch, leider immer sehr wütend, wenn sie erfahren, dass jemand den Rat hintergeht! Wir wissen, dass Sie von einem Telefon im Ratsgebäude aus mit Mr. Giles telefoniert haben!“, Lilys Stimme klang beherrscht und kühl wie immer, doch in ihrem Kopf hallte immer noch Giles Stimme und die Worte, die sie mit ihm gewechselt hatte wieder. Es tat weh, mehr als sie gedacht hatte.
 

„Wer von uns hat den Rat verraten? Sie haben mehrere Jägerinnen getötet, versucht die Linie zu schließen, und haben Mr. Giles hintergangen. Und Sie wollen dennoch behaupten, ich sei derjenige, der sich falsch verhalten hat?“, er schüttelte den Kopf, als ob er es nicht glauben konnte, „Wie kann jemand nur so eine verdrehte Weltanschauung haben?“
 

„Verdreht? Ich habe begriffen, was für unsere Aufgabe getan werden muss, wenn Sie das nicht können, dann haben Sie im Rat der Wächter nichts verloren!“, entgegnete sie mit fester Stimme, ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt.
 

„Seit wann fällt Mord darunter?“, fragte er gerade heraus, nur um mit einer direkten Antwort konfrontiert zu werden: „Schon immer! Es kommt bei diesen Dingen nicht auf irgendwelche allgemeingültigen Wertevorstellungen an, es kommt nur darauf an, was getan werden muss, um die Ordnung zu halten. Wenn ein Mord nötig ist, dann ist es halt so, und es liegt nicht an mir oder irgendeinem anderen Wächter das zu ändern. Selbst wenn wir tausende Menschen töten müssten, um den Rest der Menschheit vor dem Untergang zu bewahren, dann kann es für den Rat der Wächter nur eine zu treffende Lösung geben!“
 

„Aber ihre Taten haben Sie nicht begangen, um eine Bedrohung für die Menschheit aufzuhalten, sondern nur um eine veraltete Ordnung wieder herzustellen!“
 

„Ordnung! Was wir im Moment haben nennt man ein Chaos, und Chaos ist die größte Bedrohung von allen. Es bedeutet, dass wir die Kontrolle verlieren, und ohne Kontrolle verlieren wir auch unsere Macht; Kontrolle ist das einzige, was zwischen uns und dem Ende dieser Welt steht!“
 

„Wenn wir bereit sind für unsere Ziele so weit zu gehen, dann sind wir auch nicht besser als jeder Dämon!“, er schien sich inzwischen so in den Streit mit Lily hineingesteigert zu haben, dass er George´s Leute gar nicht bemerkte.
 

„Habe ich je behauptet, dass wir es sind? Wir müssen unseren Gegner gnadenlos und ohne zu zögern mit den gleichen Mitteln bekämpfen, die sie auch verwenden würden um uns zu zerstören, Rücksicht wäre unser Tod.“
 

„Was hat Sie nur zu dieser schrecklichen Person gemacht, die Sie heute sind?“, erstaunlich, seine ganze Angst schien dem Zorn gewichen zu sein, wirklich sehr erstaunlich.
 

„Sie wollen wissen, was mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin? Die Welt in der wir leben, die Welt des Rates und der Dämonen! Wer in dieser Welt lebt, kommt irgendwann zur gleichen Einschätzung der Lage wie ich, oder wird daran kaputt gehen. Es gibt immer Leute, die nicht bereit sind, das zu tun, was getan werden muss. Ich bin jemand der immer alle nötigen Dinge unternimmt, und die meisten der Wächter werden mir dafür danken, dass ich ihnen so unangenehme Entscheidungen abnehme; was glauben Sie, warum ich so schnell die Kontrolle hatte? Sie alle wissen, wofür ich stehe, und dass ich nie dabei zögern werde dem Rat zu dienen. Auch wenn Sie es vielleicht nicht sehen wollen, Sie wissen, dass jemand all diese Dinge tun muss und Sie billigen es! Mein Vater hat mir all das beigebracht, und es gibt kein größeres Geschenk, was er mir hätte auf meinen Weg mitgeben können!“
 

Er starrte sie an, als sei sie der schrecklichste Alptraum, den er je zu Gesicht bekommen hatte, dann wandte er sich von ihr ab, so dass er ihre Augen nicht mehr sehen musste: „Was werden Sie jetzt mit mir tun?“
 

Sie dachte für einen Moment über ihre Antwort nach, dann entschied sie sich: „Sie können gehen, die anderen Wächter werden Sie für genauso verrückt halten, wie Rupert! Ich werde Sie leben lassen, schließlich bin ich kein Monster!“
 

Er atmete auf, auch wenn er sichtlich misstrauisch war. Ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück bahnte er sich seinen Weg an George´s Leuten vorbei und durch die dunkle enge Gasse. Er ging sehr schnell und fing dabei beinahe an zu rennen.
 

Traurig blickte Lily ihm nach, es tat ihr in der Seele weh, einen Menschen, der sich so an seine naiven Weltvorstellungen klammerte zu beseitigen, doch als er mit Giles in Kontakt getreten war hatte er seine eigenes Todesurteil unterzeichnet.
 

Ein einzelner Tropfen schlug auf der rauen Straße vor ihr auf. Es würde wieder einen Schauer geben. Dies war England, sie war zu Hause!
 

Langsam wandte sie sich einem der Männer zu, der etwas unsicher wirkte: „Keine Angst, ich habe die Sache schon im vornhinein geregelt! Wissen Sie zufällig, ob George alles bereit gemacht hat, für meine kleine Reise?“
 

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Cleveland

Dunkle Gasse

Laut hallten die langsamen Schritte der jungen Frau von den alten, modrigen Wänden wieder, während sie Schritt für Schritt weiter in die Dunkelheit der Gasse eintrat. Sie kramte kurz in ihrer kleinen Handtasche, nahm sich einen dunkelroten Lippenstift heraus, und bedeckte sich damit ihre Lippen, während sie weiterhin langsam in der Dunkelheit der Gasse verschwand.
 

Als sie mit der Auffrischung fertig war, steckte sie den Lippenstift wieder in ihre Tasche, hängte sich diese um ihre Schultern und strich sich eine lose Strähne aus dem makelosen Gesicht, die sich aus dem straffen, schwarzen Pferdeschwanz gelöst hatte.
 

Plötzlich vernahm sie ein lautes Knurren. Überrascht verlangsamte sie daraufhin ihren Schritt, wobei sie versuchte, wenigstens einige Umrisse in der Finsternis auszumachen.
 

Ohne eine weitere Vorwarnung ertönte ein weiteres Knurren, woraufhin etwas auf sie zuflog, sie an der Schulter packte, und gegen die Wand schleuderte.
 

Sie holte tief Luft, und schrie daraufhin wie verrückt um Hilfe, als der Vampir sie fest gegen die Wand drückte, und seine scharfen Eckzähne in ihre Haut bohrte.
 

Er knurrte auf, ließ dann von ihr ab und sah sie verwundert an. Er legte den Kopf schief und versuchte, sich umzudrehen, als sie ihn an seinem Handgelenk fasste.
 

“Streng dich gefälligst etwas mehr an!“ flüsterte sie, zwinkerte ihm zu, und riss ihn gewaltvoll an sich heran. Sie hob ihre rechte Hand und drückte seinen Kopf fest gegen ihren Hals. „Mach deinen Job!“ flüsterte sie und begann wieder schrill zu schreien.

Plötzlich sauste ein Pfeil durch die Luft, und der Vampir wimmerte noch kurz, bevor er zu Staub zerfiel. Die junge Frau sah geschockt auf, und blickte auf Faith.
 

„Oh mein Gott... was.. was war das?“ stammelte sie, und ging langsam auf Faith zu, wobei sie stolperte, und Faith sie gerade noch auffangen konnte, bevor sie im Dreck gelandet wäre.
 

„Ein Alptraum..!“ antwortete die Jägerin und sah die Frau verwundert an. „Du solltest echt einen anderen Weg nach Hause nehmen… einen der vielleicht etwas mehr beleuchtet ist.“ sagte Faith, drehte sich um, und wollte die Gasse schon wieder verlassen, als sie auf einmal die kalte Hand der jungen Frau auf ihrem Ellbogen spürte.
 

„Ja?“ Faith drehte sich um und sah sie fragend an.
 

„Ich,.. ähm.. es ist mir .. ein bisschen.. peinlich..“ sie lächelte gespielt, wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und sah die Jägerin hilfesuchend an. „Könntest du mich bitte.. nach Hause begleiten?“
 

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Cleveland, Hinterraum eines Reisebüros

Nacht

“Ich denke, ich kann dir weiterhelfen.“
 

“Tatsache?“, Kan Hsirg traute seinen Ohren kaum. Wie lange hatte er auf diese Worte gewartet?
 

Das Grinsen des zerfledderten M’ Fashnik Dämon wurde noch eine Spur schmieriger. “Es ist alles nur eine Frage der ...hm...richtigen Bezahlung.“
 

“Geld stellt kein Problem dar.“ Hsirg dachte an sein Nummernkonto in der Schweiz und an die Gewinne der Barker Cooperation, die er bis Ende letzten Jahres hatte beiseite schaffen können. Das sollte wirklich reichen, um sich sämtliche Schlägerdämonen von dieser “Organisation“, oder wie immer sich die Kerle nannten, zu mieten.
 

“Das hört man gerne.“ Der M’Fashnik wollte offensichtlich noch mehr sagen, wurde aber in diesem Moment von einem schrillen Telefonklingeln unterbrochen. “Hör zu, hier hast du meine Visitenkarte, damit gehst du am besten gleich zu meinem Boss. Tegul ist sein Name, er leitet die McGregorian Fischfabrik. Er kann dir Schlägertrupps zu einem vernünftigen Preis beschaffen... gute Leute. Damit könntest du sogar die Jägerinnen persönlich fertig machen... warum willst du dich nur mit ein paar Dämonen zufrieden geben?“
 

“Ich bin dir zu Dank verpflichtet.“ Kann Hsirg rollte mit allen drei Augen, erhob sich, und wollte sich gerade abwenden, als der M’Fashnik ihm zurief: “Moment, das ist mein Boss, der grad anruft, wir können das gleich besprechen...“
 

“Natürlich.“, Mit einem Seufzer ließ sich Hsirg wieder in seinen Stuhl fallen.
 

AKT 4
 

Cleveland, McGregorian Fischfabrik

Selbe Zeit

Der Schreibtisch quoll über vor Dokumenten, Bildern und kleinen Notizzetteln und im Raum selbst waren überall Tafeln aufgestellt, die mit Gebäudeplänen und Bildern von Personen oder Orten behangen waren. Die drei Dämonen, die außer Tegul im Raum standen, hatten durch sie kaum noch Platz.
 

Teguls Finger fuhren nervös durch die Unordnung, bemüht, irgendetwas zu finden, dass ihm helfen konnte. Der Dämon fühlte sich hin und her gerissen in seinem Zorn über die Jägerin und seiner Verzweiflung darüber, dass sie ihm alles genommen hatte.
 

Einmal abgesehen davon, dass er sich seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte. Sicher, die Organisation hatte an ihm festgehalten, aber deren Ansichten konnten sich schneller drehen als man Wind buchstabieren konnte. Immerhin hatte er ständig versagt. Und daran war nur diese verfluchte Jägerin schuld. Sie musste bestraft werden...aber wie?
 

Ihre Freunde waren vielleicht ihre einzige Schwachstelle. Doch es gab ein Problem: Sie waren fast alle zu mächtig. Sie zu überraschen mochte möglich sein, aber dann müsste man sie alle direkt nacheinander erwischen. Teguls Augen leuchteten auf, als ihm eine Idee kam.
 

Schnell griff er zum Telefon, wobei er die Hälfte der Papiere auf seinem Schreibtisch zu Boden fegte, und wählte eine Nummer. Seine Finger trommelten nervös auf die Tischplatte, als sich nach dem fünften Klingeln noch niemand meldete.
 

„Verdammt, geh ran“, zischte er unruhig.
 

„Zehj’ran“, meldete sich plötzlich eine Stimme, die irgendwie an das Knarren von morschen Türen erinnerte.
 

Tegul atmete auf: „Na endlich. Ich bin es, Tegul. Hör zu, du musst da was für mich erledigen. Ist ziemlich wichtig.“
 

„ Klar, Boss... schießen Sie los.“, sein Bediensteter klang etwas zu unterwürfig. Für einen Moment überlegte Tegul, ob es vielleicht nur Show war, mit der M’Fashnik jemand anderen beeindrucken konnte, doch dann drangen seine Rachegedanken wieder zu stark vor, als dass er sich näher mit diesem Gedanken hätte beschäftigen können.
 

„Das muss aber auch klappen. Wenn irgendwas schief geht, sind wir alle geliefert.“, nicht, dass ich das nicht auch so schon wäre, dachte er, behielt diesen Gedanken aber lieber für sich.
 

„Boss, Sie können sich auf mich verlassen. Was gibt’s denn nun? Soll ich jemanden zum Schweigen bringen? Oder brauchen Sie Geld? Sie wissen doch, der alte Zehj erledigt das. Keine Spuren, keine Zeugen, keine Probleme.“
 

„ Ja ja, schon gut, weiß ich ja. Hör genau zu...“, wollte er beginnen, doch er brach sofort irritiert wieder ab, als ein lauter Knall an seine Ohren drang. Vor Schreck ließ er das Telefon fallen.
 

Es folgten weitere ähnliche Geräusche.....Schüsse, wie er erst jetzt bemerkte. Was war da los? Er wollte gerade zur Tür eilen, als diese so heftig aufschwang, dass er zurücktaumelte. Entsetzt riss er die Augen auf, als die blonde Jägerin, gefolgt von mehreren Mädchen, in den Raum trat. Die drei Wächter stürmten auf sie zu, doch sie kamen nicht weit.
 

Der erste von ihnen verlor seinen Kopf durch einen Schwung von Buffys Axt, ein anderer starb durch einen Messerwurf genau zwischen die Augen. Der dritte erhielt einen Schwertstich ins Herz.
 

„Die Sicherheit lässt hier aber auch immer mehr zu wünschen übrig. Sie sollten schnellstens mal etwas dagegen unternehmen. Schließlich leben wir in unsicheren Zeiten.“, bemerkte Buffy sarkastisch.
 

Tegul spürte, wie Zorn in ihm brodelte. Wie konnte sie es wagen, ihn auch noch zu verspotten? Hatte sie ihm denn nicht bereits genug Schaden zugefügt?
 

„Von wegen“, zischte er, „ ich hab sie nur anders aufgeteilt Jeden Moment werden meine Leute hier sein. So einfach ist das nicht, Jägerin. Auch wenn du mich umbringst...so leicht kommst du hier nicht mehr raus.“
 

„Stimmt. Leicht wird’s bestimmt nicht. Auch wenn ich nicht mit Wachen rechne“, stimmte sie ihm zu und der gleichgültige Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht ließ ihn zögern, „Wissen Sie, worauf man achten sollte, wenn man explosive Stoffe lagert, wie Sie? Dass sie nicht explodieren!“
 

Was ging hier vor? Welche Teufelei hatte sie geplant?
 

Plötzlich bebte die Erde und ein lauter Knall erschütterte die Fabrik. Die Fensterscheiben im Büro erzitterten kurz und zersprangen dann mit einem lauten Klirren.
 

Buffys Mund verbreiterte sich zu einem Lächeln, als sie das entsetzte Gesicht von Tegul sah: „Das war Lager Nummer eins.“
 

Es krachte erneut, lauter diesmal. Und noch einmal. Und ein drittes Mal. Jedes Mal zählte die Jägerin mit sichtlicher Genugtuung mit. Es war ein schwacher Sieg in Anbetracht der momentanen Lage, vielleicht war es sogar ein unnötiger Einsatz gewesen, aber es war zumindest etwas gewesen, dass Buffy tun konnte, um nicht einfach nur rum zu sitzen, während Giles und Robin versuchten alles zu unternehmen, um Lily zu stürzen. Sie hatte zumindest dafür gesorgt, dass dieser Dämon nun wusste, wie mächtig die Jägerinnen am Ort waren.
 

„Götter des Abgrunds, nein!“ kreischte Tegul, als er den Brandgeruch wahrnahm.
 

„Doch. Ich habe meine Jägerinnen in ihren Waffenlagern ein kleines Feuer legen lassen. Hier geht gleich alles den Bach runter.“
 

„Nein...nein...“, Tegul hatte das Gefühl, ihm würde der Boden unter den Füßen weggerissen.

Sie hatte ihm soeben jede Möglichkeit genommen, wieder auf die Beine zu kommen. Nichts war ihm geblieben. Absolut nichts.
 

„ Das...das...kann nicht sein“, stammelte er. Das Entsetzen hatte ihn dermaßen gelähmt, dass er nicht reagierte, als ihre Axt auf seinen Kopf zusauste. Sein Gestammel brach sofort ab, Blut spritzte und er sackte mit gespaltenem Schädel zu Boden: „Um ehrlich zu sein: Ich hab mich schon ewig darauf gefreut das zu tun, nicht böse gemeint, aber du jammerst einfach zu viel!“
 

Buffy wollte sich gerade abwenden, als sie noch eine Stimme hörte: „Hallo? Hallo? Tegul? Ist da irgendwer?”
 

Buffys Augen spähten suchend durch den Raum, bis sie den Telefonhörer entdeckte, der auf dem Boden lag. Vorsichtig nahm sie ihn auf: „Mit wem spreche ich?“
 

„Oh, eine Frau? Tja, nachdem, was ich grade gehört habe, sieht es wohl so aus, als hätte Tegul...sich verabschiedet. Ich schätze, Sie schmeißen jetzt den Laden, was? Na, dann will ich mich gleich vorstellen. Ich bin Zehj’ran. Wenn Sie was brauchen, einfach anrufen, der alte Zehj kann alles kriegen. Kann alles, weiß alles, macht alles, da können Sie Gift drauf nehmen. Also, was kann Zehj für Sie tun? Champagner, um den Führungswechsel zu feiern? Oder...“, begann die Stimme am anderen Ende zu erzählen.
 

„Sie können was für sich selbst tun“, unterbrach Buffy den knarrenden Monolog.
 

„Huh? Was denn?“, wollte er interessiert wissen.
 

„Verschwinden Sie aus der Stadt bevor ich raus finde, wer Sie sind.“, die Drohung saß.
 

„Oh....gründliche Flurbereinigung, was? Sie brauchen vor Zehj keine Angst zu haben, ich arbeite gern für Sie. Ich will nur hin und wieder...“
 

Buffy seufzte und schmetterte den Hörer gegen die Wand. Zehj’rans Stimme verstarb.
 

Plötzlich wackelte der Boden erneut und Staub rieselte von der Decke. „Wir sollten dringend raus hier“, sagte sie zu den anderen Jägerinnen und gab ihnen ein Zeichen, dass sie ihr aus dem Raum heraus folgen sollten.
 

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Dunkle Gasse

„Okay, kein Problem!“ sagte Faith, nachdem sie einen kurzen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte.
 

„Danke sehr. Mein Name ist übrigens Gretchen..“ sagte die Frau, während sie die Jägerin freundlich anlächelte, für einen kurzen Moment stockte sie, das Lächeln verschwand: „Es.. es ist nämlich so. Meine .. meine kleine Schwester, sie hieß Claire, wurde vor einem Jahr von so einem Monster getötet. Und.. und ich.. ich habe das total verdrängt. Es war genau dort in dieser Gasse. Ich weiß nicht einmal, warum ich in die Gasse hinein gegangen bin..“ erzählte die Frau mit zitternder Stimme, während sie in ihrer Handtasche ein Taschentuch hervorkramte und sich die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht wischte.
 

Faith schluckte und sah Gretchen kurz an, dann sah sie wieder zu Boden. Was sollte sie schon sagen?
 

Gretchen warf Faith einen raschen Blick zu, ehe sie wieder nach vorne blickte und weiter erzählte.
 

“Und es ist noch immer sehr schmerzhaft. Ich sehe sie ständig vor mir. Überall. Ich weiß nicht warum. Ich kann einfach nicht mit ihrem schrecklichen und sinnlosen Tod abschließen. Du musst wissen, dass ich sie gefunden habe. Wissen Sie, wie schrecklich es ist, seine eigene Schwester zu finden, blutüberströmt?“
 

Faith sah auf, entschied sich, nichts zu sagen, sondern die Frau einfach nach Hause zu bringen, ohne auf sie einzugehen. Einfach weiter gehen, das würde das Beste sein. Besser auf jeden Fall als sich dadurch an Vi erinnern zu müssen.
 

„Was ist denn passiert?“ fragte Faith schließlich doch und sah sie fragend an.
 

„Das Herz wurde ihr von so einem… Monster… heraus gerissen...“ schluchzte Gretchen weiter, während sie sich weiterhin mit dem Taschentuch die Wangen trocknete.
 

„Kannst du dir vorstellen, wie das ist?“ sie sah Faith durchdringend an.
 

‚Na ja, was soll’s?’ ging es Faith durch den Kopf, als sie tief Luft holte, und mit dem Erzählen begann.
 

„Vor einigen Wochen ist eine sehr gute Freundin von mir gestorben..“ sagte Faith, und ihre Gedanken begannen, abzugleiten. Jetzt war es doch passiert, die Erinnerungen kamen hoch.
 

Gretchen sah die Jägerin mit großen Augen erwartungsvoll an, während sie an einer aufwendig verzierten Kette spielte, die um ihren Hals hing.
 

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Cleveland, McGregorian Fischfabrik

Selbe Zeit

Es war wirklich allerhöchste Zeit, dass sie aus dem Bürogebäude herauskamen. Durch den Boden zu ihren Füssen zog sich bereits ein recht breiter Riss und ein Stück Decke löste sich über ihnen. Das riesige Trümmerstück raste direkt auf Buffy zu, die nur dank ihrer übernatürlichen Reflexe die Gefahr rechtzeitig spürte, nach oben blickte und zur Seite springen konnte. Der Betonbrocken krachte auf den Fußboden und riss ein gewaltiges Loch hinein, ehe er in die Tiefe stürzte. Buffy sah mit geweiteten Augen hinterher und spürte helfende Hände, die ihr auf die Füße halfen.
 

„Das war knapp und Glück gehabt,“ murmelte sie ein wenig schockiert. „Okay.. lauft los... wir müssen raus hier.“
 

Während sie losrannte, stellte sie fest, dass andere dieses Glück wohl nicht gehabt hatten.

Mehrere tote Dämonen lagen unter einem großen Stahlträger und rührten sich nicht mehr während ihr dunkles Blut den Boden bedeckte.
 

„Kommt schon...“, rief sie noch mal nach hinten gewandt. Die anderen ließen es sich nicht zweimal sagen und rannten, so schnell sie konnten.
 

Mehr als einmal kamen sie an völlig aufgelöst umher rennenden Dämonen vorbei, die sich jedoch keinen Deut um die Jägerin und ihre Gruppe scherten, sondern eher ihr eigenes Überleben im Sinn hatten.
 

Ähnlich erging es ihr selbst und den anderen. Nur einmal, als einer der Dämonen halb blind vor Panik praktisch direkt in ihre Gruppe hineinrannte, trennte ihm eine der Jägerinnen den Kopf ab.
 

Um sie herum fiel die Fabrik langsam in sich zusammen, vom schnell ausbreitenden Feuer verzehrt und von weiteren, leichteren Explosionen erschüttert. Es krachte mehrmals, als ein weiteres, wohl versteckt liegendes Lager vom Feuer erreicht wurde. Metall- und Betonteile wurden durch die Luft gewirbelt.
 

Buffy sah, wie sich die Augen einer recht jungen Jägerin vor Entsetzen weiteten und konnte sie gerade noch rechtzeitig zur Seite stoßen, bevor das glühende Metallrohr sie erreichte. Sie selbst zog sich dabei allerdings eine höllisch schmerzende Brandwunde an der Schulter zu.
 

Mit dem Gedanken, den Jägerinnen vielleicht vor ihrer Abreise eine zusätzliche Trainingsstunde zukommen zu lassen – man blieb nicht stehen, wenn irgendwas auf einen zugeflogen kam – half sie dem jungen Mädchen auf.
 

„ Los, weiter!“ rief sie, doch das war leichter gesagt als getan, als sie nämlich um eine Ecke bogen, baute sich vor ihnen eine gewaltige Feuerwand auf. Die Hitze war atemberaubend.
 

Buffy fluchte leise. Das war ihr einziger Fluchtweg gewesen. Sie mussten sich schnell umstellen. Wohin nur?
 

„ Zurück!“ rief sie und sprang danach zur Seite, um der kreischenden lebenden Fackel, die mal ein Dämon gewesen war, aus dem Weg zu gehen.
 

Wo sollten sie jetzt hin?
 

Es gab wirklich keinen Ausweg. Um sie herum stürzte bereits alles zusammen. Eine rothaarige Jägerin wurde von einem herabfallenden Betonstück getroffen, bevor Buffy etwas tun konnte; eine ziemlich übel blutende Armwunde war die Folge.
 

Die Zeit wurde knapp. Buffy sah noch einmal hinter sich, dann wieder auf die Feuerwand und nickte.
 

Es würde nicht angenehm sein und es war ziemlich waghalsig, aber sie hatten keine Wahl. Jeden Moment konnte hier die Decke komplett herunterkommen.
 

„Ok, wir müssen da irgendwie durch. Ich weiß, das klingt jetzt verrückt, aber wir müssen da durch. Konzentriert euch ganz fest und versucht so hoch und weit zu springen wie es geht. Anders kommen wir hier nicht raus. Bitte vertraut mir...wir schaffen das.“
 

Sie wusste genau, dass viele der anderen Jägerinnen sie jetzt für wahnsinnig halten würden. Aber viele von ihnen waren sich ihrer eigenen Kräfte immer noch nicht komplett bewusst.
 

„Gut...jetzt gilt es....“ murmelte sie, holte noch einmal tief Luft, nahm Anlauf...und sprang in einem einzigen Anlauf über die Flammen hinweg. Nun blieb ihr nur noch, zu warten. Sie hoffte nur, dass die anderen es schaffen würden...
 

Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, als Buffy wartete....und dann kamen sie.

Eine nach der anderen wagte den Sprung durch die Flammen. Viele kamen nicht so hoch wie sie und manche versengten sich wohl auch, aber wie durch ein Wunder blieben die meisten relativ unverletzt. In Gedanken zählte Buffy mit, als ein Mädchen nach dem anderen auf dieser Seite des Feuers erschien. Schließlich waren sie alle durch und Buffy atmete auf.
 

Das wäre geschafft.
 

„Weiter! Ausruhen können wir erst draußen!“ rief sie und wie zur Bestätigung krachte ein metallenes Geländer scheppernd zu Boden.
 

Sie rannten weiter und schließlich, nach einem schier endlosen Lauf durch Flammen, Lärm und Rauch, kamen sie nach draußen und stockten.
 

„Das war klar“, murmelte Buffy, als sie und ihre Gruppe sich plötzlich von rothäutigen Dämonen mit Maschinenpistolen umringt sahen.
 

Auf dem Vorplatz, etwas hinter der Gruppe, stand eine große schwarze Limousine, deren Türen sich gerade öffneten.
 

Ein massiger Dämon mit einer Haut deren Farbe so glühend rot war wie Lava stieg aus und ging langsam auf die Gruppe zu. Er war sehr elegant gekleidet und hatte irgendwie sogar einen Schneider gefunden, der ihm einen Anzug verpasst hatte, in dem er trotz seiner Körperfülle nicht lächerlich wirkte.
 

Grinsend schritt er durch die Reihen seiner Leute hindurch und stand nun vor Buffy.

„Die Jägerin. Das hatte ich erwartet. Erschießt sie!“
 

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Dunkle Gasse

Selbe Zeit

“Und sie wurde einfach so vor deinen Augen erschossen?“ fragte Gretchen, als sie mit Faith zusammen über eine kleine Brücke ging, und danach an einer Ampel stehen blieb.
 

„Von einer deiner Vorgesetzten? Das ist ja schrecklich!“ sie hörte auf an ihrem Anhänger zu spielen und warf das Taschentuch in den Mülleimer, dann suchte sie sich wieder ihren Lippenstift, und zog ihn ein weiteres Mal nach, bis die Ampel endlich auf Grün umschaltete.
 

Faith hatte die ganze Zeit geschwiegen, und daher ergriff Gretchen wieder das Wort: „Wieso, denkst du, hat sie das gemacht? Hatte es irgendeinen Grund?“
 

„Nein, ich glaube sie ist einfach durch gedreht…“, log Faith, stärkte ihren Griff um die Armbrust, und sah Gretchen verzweifelt an.
 

“Und weißt du, was das Schlimmste ist. Ich würde sie liebend gerne töten. Sie verdient den Tod, und nichts Besseres. Aber als Mensch kann man ja anscheinend nicht einfach andere Menschen töten. Das nennt sich Selbstjustiz. Ich frag mich echt was daran so schlecht ist. Würde dem Staat ne Menge Geld sparen.“
 

„Oh ja, als würde es dir ums Geld ge...ähm… Entschuldigung.“ Gretchen sah verwirrt zu Boden, ärgerte sich kurz über sich selbst und lächelte dann die Jägerin wieder freundlich an.
 

“Da vorne, in dem großen Haus, neben dieser Lagerhalle, da wohne ich.“ Gretchen deutete mit der Hand nach vorne. Wieso wohnte eine Person wie Gretchen in so einem heruntergekommenem Viertel?
 

„Ab und zu ist es echt.. beschissen. Ich wünschte wirklich, dass..“ Faith machte eine Pause und schien zu überlegen.
 

Gretchen blieb stehen, drehte sich zu Faith und sah sie erwartungsvoll an. „JA?“
 

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Cleveland, McGregorian Fischfabrik

Selbe Zeit

Die Jägerinnen sahen sich verunsichert um. Gegen Kugeln konnten sie nichts ausrichten, wie gut ihre Reflexe auch sein mochten. Umso überraschender war es, dass Buffy ziemlich ruhig blieb, selbst als die Dämonen ihre Waffen hoben.
 

„Ganz ruhig bleiben, Leute...ich hab so etwas erwartet“, flüsterte sie.
 

„Ganz ruhig? Spinnst du? Die knallen uns gleich ab!“ erwiderte die blonde Jägerin, die sich wie eine Anführerin benommen hatte, zugleich verwirrt, wütend und leicht panisch.
 

„Nein, machen sie nicht“, gab Buffy zurück und als wäre dies ein Kommando gewesen regte sich plötzlich etwas hinter den Dämonen
 

Sie sahen sich verwirrt um...und erstarrten, als sie sahen, dass hinter ihnen eine Menge Mädchen aufgetaucht waren, die Armbrüste auf sie gerichtet hatten. Buffy erkannte Kennedy, die ihre Waffe direkt auf den Dämonenboss gerichtet hielt, in ihrem Gesicht war Trauer und Wut zu erkennen, und auch die anderen hinzugekommenen Jägerinnen sahen mitgenommen aus. Jemand von ihnen hatte es nicht geschafft, das wurde Buffy mit einem Schlag klar.
 

„Waffen weg“, befahl Buffy, und versuchte den Gedanken an Opfer zu verdrängen. Die meisten Dämonen zögerten nicht lange. Waffe um Waffe klapperte zu Boden und Buffy lächelte flüchtig.
 

Der große Dämon sah sich verwirrt um, gewann aber erstaunlich schnell seine Fassung wieder.
 

Er lächelte Buffy breit an, entblößte dabei ein Gebiss das an einen Haifisch erinnerte: „Und jetzt? Du kannst diese Trottel vielleicht erschießen, aber mich stören Bolzen nicht. Meine Haut ist zu dick für so etwas.“
 

Buffys gezwungenes, verbittertes Lächeln näherte sich erschreckend seinem an als sie kurz auf ihre Axt und dann in sein Gesicht blickte: „ Ich habe Äxte, Schwerter, Wurfdolche...suchen Sie sich was aus.“
 

Aber sie winkte ab, bevor er etwas erwidern konnte. „ Ich will Sie nicht umbringen. Mit Toten kann man schlecht verhandeln.“
 

„Verhandeln?“, zischte Kennedy, ihre Verwirrung war offensichtlich, „ Warum bringen wir den Kerl nicht einfach um?“
 

„Weil dann mehr kommen. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe reden“, gab Buffy zurück, bevor sie sich an den Dämon wandte.
 

„Soweit ich das sehe, seid ihr eine Bande von ziemlich gewöhnlichen Verbrechern.“
 

„Gewöhnlich? Ich muss doch sehr bitten“, murmelte der Dämon leicht pikiert.
 

„Verbrecher seid ihr auf jeden Fall. Und die Jägerin jagt keine Verbrecher. Immerhin besteht ein nicht zu kleiner Teil eurer „Organisation“ aus Menschen, außerdem seid ihr weder auf den Weltuntergang aus, noch darauf Leid zuzufügen, euer Hauptinteresse ist Profit; ihr seid für mich also nicht mehr als ganz normale Verbrecher - wenn ihr uns in Ruhe lasst natürlich nur. Oder aber ich könnte ihnen und allen ihren Freunden das Leben zur Hölle machen. Sie sehen schon an dem was hier vorgefallen ist, wozu ich in der Lage bin, und das ist nur der Anfang einer sehr langen, und immer noch erweiterbaren Skala, die wohl keiner von uns beiden weiter erforschen will.“, um ihre Worte zu unterstreichen, deutete sie auf die Fabrik, die nunmehr ein Haufen rauchender Trümmer war.
 

„Pfff! Wenn ich wollte, könnte ich dich einfach ausradieren, Jägerin...genau wie all die anderen.“, der Dämon schien sehr von sich überzeugt zu sein, doch jeder hätte bemerkt, wie unsicher er war. Es gelang ihm nicht wirklich zu verbergen, dass er über den Verlust der Fabrik eigentlich ziemlich erschüttert war.
 

„ Jaja...lassen Sie das großspurige Getue. Sie lassen uns in Ruhe und ich behandle Sie wie ganz normale Verbrecher und lasse Sie und ihre ganze Bande in Ruhe.“
 

Der Dämon runzelte die Stirn und schien ernsthaft zu überlegen.
 

Einer der anderen Dämonen blickte ihn an und flüsterte: „ Boss? Sie wollen doch nicht wirklich...“
 

Weiter kam er nicht, denn der Dämonenboss packte ihn und brach ihm mit einer schnellen Handbewegung das Genick, was die anderen merklich zusammen zucken ließ.
 

Der große Dämon wandte sich jetzt wieder Buffy zu: „Ich nehme an. Du lässt uns in Ruhe und wir behelligen euch nicht weiter. Ich hab sowieso besseres zu tun als mich mit einner Horde junger Mädchen rum zu schlagen.“
 

Ohne auf eine Reaktion zu warten drehte er sich herum und verschwand zwischen den zerstörten Gebäuden, um sich den Schaden genauer anzusehen.
 

In den Gesichtern der Jägerinnen spiegelte sich Verwirrung. Sie konnten noch immer nicht ganz begreifen, was gerade geschehen war. Hatten sie wirklich Frieden mit einem Dämon geschlossen?
 

Die anderen Dämonen nutzten die Gelegenheit und verdrückten sich. Niemand verfolgte sie.
 

„Das glaub ich einfach nicht“, fluchte Kennedy und packte Buffys Schulter, „ Du hast mit einem Dämonen...Geschäfte gemacht! Noch dazu mit so einem....Mafiatypen.“
 

„ Ja… so sieht es wohl aus“, gab Buffy zurück, sie bemerkte, wie die Blicke der Jägerinnen sich auf sie richten, „Ich hatte keine andere Wahl, es war das einzige, was ich tun konnte. Tegul war eine Bedrohung, doch, wenn ich nur ihn ausgeschaltet hätte, dann wäre die Mafia auf mich aufmerksam geworden, und das wäre der Situation nicht gerade dienlich gewesen. Nein, ich musste ihnen zeigen, wozu ich in der Lage bin, um sie einzuschüchtern, denn auf einen Krieg konnten wir uns in dieser jetzigen Situation nicht einlassen!“
 

Es war wichtig, dass sie nun Entschlossenheit zeigte, obwohl ihr das alles nicht leicht gefallen war. In ihrem Kopf schrie alles, dass es die falsche Entscheidung gewesen war, was sie gerade getan hatte. Doch sie konnten sich einfach nicht auf die Probleme mit Lily, den Reitern und was auch immer sonst noch kommen mochte, konzentrieren und sich gleichzeitig mit der Dämonen-Version der Mafia rumschlagen. Es war einfach nicht möglich. Zweifrontenkriege gingen nie gut aus.
 

„Verdammt, für diese Aktion sind zwei unschuldige junge Mädchen gestorben!“, zischte Kennedy, „Wie willst du das ihren Wächtern das erklären? Wie?“
 

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Dunkle Gasse

Selbe Zeit

Faith schossen Tausende Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Sie starrte ohne jegliche Emotionen in die Dunkelheit, während Gretchen, die immer noch an ihrer Kette spielte beinahe die Zahnräder in Faith’s Kopf rattern hörte.
 

„Faith?“ fragte die junge Frau ungeduldig nach, und biss sich danach unabsichtlich auf die Lippen, „Was würdest du dir wünschen?“
 

Eine weitere, für Faith fast unendliche Sekunde verging, bevor sie alles von sich abschüttelte, tief Luft holte, und Gretchen dann direkt in die Augen sah.
 

“Ich bin eine Jägerin. Du bist doch nicht wirklich so bescheuert zu glauben, dass ich nicht erkennen würde, dass du ne Rachedämonin bist, Flittchen!“, Faith zog ihr Messer und hielt es drohend hoch.
 

„Ich hätte mich niemals auf eines deiner falschen Spiele eingelassen! Wünsche… pah! DU dachtest wohl ich kann der Verlockung nicht widerstehen!“
 

Die Jägerin funkelte Gretchen böse an, die überrascht einige Schritte nach hinten machte.
 

Plötzlich begann sie zu lächeln, zuckte mit den Schultern und trat dann wieder auf Faith zu.
 

„Ja klar.“ sie lachte wieder, “Es ging nur um einen Sekundenbruchteil… dann hättest du mir gehört… und das weißt du genau! Menschen sind so witzig, wenn sie versuchen sich selbst etwas einzureden! Du weißt genau, dass das hier deine einzige Chance auf Rache war. Große Dinge kündigen sich an, und sie bedeuten unendliche Schmerzen für dich. Du hast davon geträumt, nicht wahr? Dies war deine letzte Chance, die Welt zu verändern, nun wirst du mit ihr leben müssen, so wie sie ist. So wie sie bald sein wird.“
 

Gretchen zwinkerte der dunkelhaarigen Jägerin noch zu, bevor sie sich noch ihre Haare richtete, und in einem aufblitzenden Feuerwirbel verschwand.
 

Faith blieb alleine auf den dunklen Straßen zurück. Sie starrte auf die Stelle, an der Gretchen vor einer halben Minute noch gestanden hatte, und steckte das Messer dann wieder in die Scheide, die sie in ihrer Tasche eingesteckt hatte.
 

„Niemals wäre ich auf dieses Angebot eingegangen…“ sagte die Jägerin zu sich selbst, während sie sich an die Wand lehnte und sich zu Boden sinken ließ. „Niemals...“.
 

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Straßen von Cleveland,

Nicht allzu weit entfernt

Kennedy ging so schnell, dass Buffy fast rennen musste um auf einer Höhe zu bleiben. Sie hatte kein Wort mehr gesprochen, seit sie sich von den anderen Jägerinnen getrennt hatten, die es vorgezogen hatten direkt nach Hause zu fahren.
 

„Kennedy, warte mal, was ist denn los?“, wollte Buffy wissen.
 

„Was los ist?“, Kennedy blieb stehen, „Du fragst mich nachdem du das alles durchgezogen hast, was los ist? Wenn du dir das nicht denken kannst, dann kann ich dir auch nicht mehr weiterhelfen!“, sie wollte weitergehen, doch Buffy hielt sie zurück: „Warte, lass uns darüber reden, ok?“
 

„Dann sag was du sagen willst, ich bin gespannt!“, sie verschränkte ihre Arme und setzte eine vernichtende Miene auf, verdammt, was hatte Buffy sich nur dabei gedacht?
 

„Es war nötig, wir haben keine Zeit uns wegen der Organisation Sorgen machen zu können, wir haben schon genug mit dem Rat zu tun, außerdem sind sie wie ich ja schon gesagt habe normale Verbrecher, und das fällt nicht in unseren Aufgabenbereich!“, versuchte Buffy ihre Entscheidung zu verteidigen, auch wenn die Stimme ihres schlechten Gewissens in ihrem Kopf langsam begann noch lauter zu werden. Die ganze Zeit über war sie sich sicher gewesen, dass ihr Plan der einzige Weg war, um sich den Rücken frei zu halten, doch jetzt wo sie ihr Vorhaben durchgeführt hatte fühlte es sich einfach nur noch falsch an.
 

„Es geht mit nicht darum, ob es nun richtig war oder nicht, aber du hättest es mir sagen können, damit ich weiß für was ich diese Mädchen in den Tod führe! Verdammt! Aber meine Meinung scheint dich ja nicht einmal zu interessieren.“, beklagte Kennedy sich.
 

„Ich war mir nicht sicher, ob du es so gesehen hättest wie ich, deswegen konnte ich es nicht riskieren dich einzuweihen.“, mit jedem Wort war sie sich selbst weniger sicher, es klang alles nur nach vorgeschobenen Rechtfertigungen.
 

„Also ist es besser mich gar nicht einzuweihen, und zusammen mit den anderen Jägerinnen als Puppen in deinem Spiel zu benutzen? Aber ok, wenn du es so siehst.“, war Kennedys einzige Antwort, dann drehte sie sich um und stürmte weiter.
 

„Das ist die falsche Richtung, wir müssen in die andere…“, begann Buffy nur um wieder von ihr abgewürgt zu werden: „Ich will nicht zu Giles!“
 

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Wohnheim,

Willow´s Zimmer

Willows Augen waren weit aufgerissen. Ihre Pupillen hatten sich erweitert, und das Weiße in ihren Augen wurde von rotem Blut gezeichnet. Das Pochen ihres Herzens drückte gegen ihre Schläfen, und sie hatte das Gefühl dass ihr Blut langsam ihre Adern aufplatzen lassen würde.
 

Insgeheim fragte sie sich, ob es sich für Warren so angefühlt hatte, als seine Haut von seinem Körper gerissen wurde. In ihren Ohren hallten die Schreie von Jägerinnen. Todesschreie. Sie war sich nicht sicher ob es zwei oder mehr waren. Willows ganzer Körper verkrampfte sich.
 

Mit einer plötzlichen Bewegung wurde sie auf ihrem Bett nach hinten gerissen, und krachte mit dem Kopf gegen das Kopfende und die Mauer. Es kam der Hüterin so vor, als würde dieser unglaubliche Schmerz in ihrem Inneren sie ganz und gar auffressen und zerstören wollen.

Es war ihr nicht klar, ob sie nicht vorher sterben wollen würde, als diese Qualen erneut über sich ergehen zu lassen.
 

Diese zerfressenden Schmerzen bohrten sich in ihren Brustkorb. Vor ihren Augen tauchten lodernde Flammen auf. Der Geruch von Schwefel hing in der Luft. Willow versuchte sich zu beherrschen und ruhiger zu atmen. Doch auch wenn sie sich genau darauf konzentrierte konnte sie es nicht. Nach ein paar anstrengenden Versuchen schaffte sie es, ihre Hand zu bewegen. Doch nach ein paar weiteren Millimetern wurde ihr klar, dass sie nie die Schublade erreichen würde. Außerdem konnte sie ohne Hilfe den Zauber sowieso nicht durchführen.
 

In ihrem Bauch breitete sich immer mehr Panik aus, und langsam schnürte sich ihre Kehle zu. Ein weiterer, quälender Schmerz kroch durch ihre Adern, gefolgt von einem erneuten Schrei der Jägerinnen, bis diese langsam verstummten. Wenn sie genauer hinhörte, konnte sie nur noch das Knistern der Flammen wahrnehmen.
 

Ihr ganzer Körper fühlte sich so an, als würde er zerbersten. Doch im nächsten Moment schaffte sie es, tief durchzuatmen. Ihre Finger krallten sich an der Bettdecke fest, und langsam rann Blut aus ihren Nägeln. Ihr Herz schlug lauter, aber doch wieder regelmäßiger.
 

Nach ein paar Minuten richtete sich die Hüterin langsam auf, und fuhr sich mit einer Hand durch die schweißnassen Haare. Mit wackelnden Beinen ging sie Richtung Waschbecken, und sah mit halboffenen Augen in den Spiegel. Ihr Körper hatte sich wieder beruhigt, aber dennoch wackelte ihr Spiegelbild noch.
 

Nachdem sie ihr Gesicht gekühlt hatte, öffnete Willow mit zitternden Händen das Fenster ihres Zimmers. Was sie gerade dringend brauchte war Sauerstoff. Es war nicht gerade angenehm gewesen, dieses Brennen auf der Haut zu spüren, die noch immer leicht gerötet war. Mit einer Hand wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, die andere umklammerte noch immer den Fenstergriff.
 

Sie konnte nicht sagen wie viel Zeit vergangen war, als ein Klopfen sie plötzlich aus ihren Gedanken riss. Im nächsten Moment betrat Kennedy mit einem Lächeln das Zimmer. Die Hüterin zwang sich, ebenfalls ein Lächeln aufzusetzen. Kennedys Lippen verzogen sich zu einer besorgten Miene, als sie Willow musterte.
 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte die Jägerin besorgt, und ging mit ein paar Schritten auf ihre Freundin zu.
 

Die Hüterin zwang sich, nicht mehr zu zittern. „Ja, ist es. Wie geht’s dir Süße?“, antwortete sie, und legte behutsam ihre Hände auf Kennedys. Damit sie ihr nicht mehr in die Augen sehen musste, lehnte sie ihren Kopf an Kennedys Schulter. Auch wenn sie noch immer diesen grauenhaften Schmerz in ihren Gliedern wie einen Muskelkater spüren konnte, wollte sie kein Wort darüber verlieren. In letzter Zeit hatten sie sich noch seltener gesehen, und da wollte sie die Zeit mit ihrer Freundin anders verbringen, als über Schmerzen zu reden.
 

„Bist du dir sicher? Mir geht es ganz gut... jetzt wo ich bei dir bin.“

Doch insgeheim sah Kennedy noch immer die gequälten Augen der beiden Jägerinnen, die sie vorhin gesehen hatte. An die schmerzerfüllten Schreie der beiden konnte sie sich noch immer erinnern. Sie hatte so eine unglaubliche Wut auf Buffy, und in ihrem Inneren tobte wahrlich ein Sturm. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hätte sie selbst eine der beiden Jägerinnen sein können, und durch Buffys Schuld hätte sie selbst krepieren können.
 

Kennedy wollte es einfach nur verdrängen. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen, und küsste Willows Stirn.
 

„Ja bin ich. Ich habe nur im Moment so einen unglaublichen Stress.“, Sie drehte sich zur Seite, und ließ ihre Freundin einen Blick auf ihre Unterlagen werfen, die zum Teil auf dem Boden lagen.
 

„Wenn du dieses Semester nicht schaffst, machen wir einen Urlaub und tauchen einfach unter.“, sie lächelte die Hüterin verschmitzt an. Diese hob den Kopf.
 

„Ich schaffe das schon. Aber Urlaub könnte ich trotzdem gebrauchen.“, sie seufzte leise. „Nachdem wir bei meiner Abschlussparty einen drauf gemacht haben.“, Willow funkelte ihre Freundin an. Diese erwiderte Willows Blick mit einem zögernden Kuss.
 

Langsam, so dass Willow es kaum spüren konnte, streichelte Kennedy Willows Rücken, während sich ihr Oberkörper dem von Willow entgegendrängte. Mit der anderen Hand spielte sie mit den roten Haaren ihrer Freundin. Sie liebte diesen Duft.
 

Willow sah gleichzeitig so wunderschön und verletzlich aus. Kennedy war sich sicher, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber vielleicht würde sich das Wohlbefinden ihrer Freundin ja steigern lassen...
 

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Wächterhaus

Selbe Zeit

Das Wohnzimmer war vollgestellt mit Kartons, Giles hatte sich die Zeit genommen, während Buffy und die anderen weg waren, Lilys Sachen ins Wohnzimmer zu bringen, damit er sie morgen endlich auf den Sperrmüll geben konnte. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er in der Wohnung, die vor nicht allzu langer Zeit noch für vier Leute hatte herhalten müssen, nur noch alleine lebte.
 

Er stellte gerade den letzten Karton ab, als das Telefon zu klingeln begann, was ihn aufspringen ließ. Er hechtete an den gepackten Kisten vorbei zu seinem Telefon, vermutlich war es Prescott, der ihm Neuigkeiten mitzuteilen hatte.
 

Er sah, dass es eine englische Nummer war, jedoch nicht die, die Charles Prescott immer benutzt hatte. Vielleicht war er gezwungen gewesen von irgendwo anders anzurufen? Etwas besorgt nahm Giles ab: „Cleveland Wächterzentrale, Mr. Giles.“
 

„Was sagen Sie, ist passiert? Wer spricht da?“
 

Er lauschte dem, was der Anrufer ihm zu erzählen hatte, mit jeder Sekunde wurde seine Miene dunkler: „Ja, ich verstehe. Tragisch.“
 

In ihm schien sich etwas zusammen zu ziehen, das gleich explodieren würde, doch dann war da plötzlich nur noch Leere: „Ja, ihnen auch noch einen schönen Tag.“
 

Er legte auf.
 

Wie in Trance schleppte er sich in das Besprechungszimmer, sein Blick glitt über das verwüstete Risikobrett zu dem Marsha Hunt Poster aus seiner Jugend. Der Rat, Lily, die Reiter und schließlich noch die Organisation waren unter Feinde eingetragen worden, auf der anderen Seite unter Verbündete aber ausschließlich Charles Prescott.
 

Er trat vor, griff nach einem schwarzen Stift, strich den Namen des Wächters von der Liste und trat wieder einen Schritt zurück, um das Bild erneut zu betrachten. Ernüchternd. Sehr ernüchternd.
 

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Wächterhaus,

Eingang

Faith saß auf der untersten Stufe und blickte nach oben in den Sternenhimmel. Die Nacht war ganz klar, und man konnte hunderte kleine Lichter aufblinken sehen, über den ganzen Himmel verteilt.
 

Der Wind kühlte die Luft ab und strich über ihr Gesicht, es gäbe so viele bessere Dinge, die sie nun tun könnte. Robin wartete bestimmt schon auf sie, müde von der ganzen Arbeit, oder sie hätte Buffy zur Hilfe eilen können, wie sie es versprochen hatte, doch statt dessen saß sie alleine hier draußen und dachte nach.
 

Hätte sie es tun sollen? Sie war so kurz davor gewesen, der Gedanke der Rache war in verführerischer Nähe gewesen, zu verführerisch. Und dennoch war ein zu großer Teil von ihr bereit gewesen es zu tun; was wenn es wirklich ihre einzige Möglichkeit gewesen wäre jemals Rache zu nehmen? Was wenn ihre kryptischen Prophezeiungen stimmten, und nicht nur ein Anfall von Wut gewesen waren, weil Faith nicht auf das Angebot eingegangen war?
 

Sie schämte sich für den Gedanken, doch sie konnte ihn nicht verdrängen, genauso wenig, wie sie sich einreden konnte, dass die Entscheidung, die sie getroffen hatte die einzige richtige gewesen war.
 

Warum musste das Schicksal ihr so übel mitspielen und sie dann auch noch in Versuchung führen? Verdammt, es war nicht fair.
 

Buffy war wohl auch ohne sie erfolgreich gewesen: irgendwo in der Nähe des Hafens stieg eine Rauchsäule auf, und immer wieder waren die Sirenen von Polizei und Feuerwehr zu hören. Wenigstens in dieser Beziehung musste sie sich wohl keinen Vorwurf machen.
 

Als sich gerade aufraffen wollte, um Robin Gesellschaft zu leisten hörte sie plötzlich Schritte, die auf sie zu stürmten. Für einen Moment spannte sie sich instinktiv an, auf einen Angriff vorbereitet, doch dann tauchte Buffy vor ihr auf.
 

„Faith?“, sie wirkte irgendwie aufgewühlt, so als sei etwas nicht nach Plan gelaufen, „Wieso bist du nicht mehr gekommen?“
 

„Ich habe ewig gebraucht, bis ich Vampire gefunden habe, und dann war es gleich ein ganzes Nest; ein harter Kampf!“, log Faith.
 

Buffy merkte, dass es ein bisschen gezwungen klang, als sei es nur vorgeschoben, doch es war so oder so egal, vielleicht sollte sie sogar froh sein, dass Faith nicht dabei gewesen war, auf diesem Weg hatte sie es sich wenigstens nicht auch noch mit ihr verscherzt.
 

„Wollen wir reingehen und gucken, was Giles so treibt?“, schlug Buffy vor, um vom Thema abzulenken. Faith nickte nur, auch sie hatte nicht das Bedürfnis über die Ereignisse dieser Nacht zu sprechen.
 

Als sie das Haus betraten sahen sie Giles zuerst nicht, bis sie ihn schließlich fanden: Er saß in seinem Ohrensessel, in der einen Hand ein Glas, in der anderen eine halbleere Flasche Scotch, um ihn herum waren Kartons mit Lilys Sachen aufgestapelt, die er verträumt anstarrte. Als er sie bemerkte blickte er auf: „Buffy, Faith. Guten Abend. Wie ist es gelaufen?“
 

„Alles ist so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.“, gab Buffy zurück.
 

„Gut, das ist sehr gut.“, er wandte den Blick wieder auf die Kisten, als gebe es nicht mehr dazu zu sagen. Buffy und Faith wechselten besorgte Blicke.
 

„Vielleicht sollten wir eben unser Schaubild ändern, es ist sicher aufbauend, wenn wir wenigstens die Organisation wegstreichen können!“, schlug Buffy vorsichtig vor, sein Reaktion genau abschätzend.
 

Sein Blick blieb immer noch stur auf die Kartons gerichtet: „Ja, das wäre vermutlich gut.“, einige endlose Sekunden vergingen, bevor er sich aufrichtete und lustlos runter ins Besprechungszimmer schleppte. Die beiden Jägerinnen folgten ihm zögernd.
 

Als sie die Rückseite des Posters sah, wurde ihr mit einem Schlag klar, wieso Giles so abwesend wirkte: Der Name seines einzigen Verbündeten in London, war durchgestrichen, sie hatten keinen Verbündeten mehr!
 

Giles entfernte die Organisation aus seiner Liste, und kommentierte es mit einer kaum versteckten Verbissenheit: „Drei zu Null sieht doch gleich viel besser aus als Vier zu Null.“
 

„Ja.“, Buffy bemühte sich seinen überdeutlichen Unterton zu überhören, „Wir schaffen das schon irgendwie!“
 

„Ganz bestimmt!“, pflichtete Faith ihr bei, doch ihre Gedanken waren an einem anderen Ort, einem Ort, an dem all das hier bedeutungslos war und sie ihre Rache haben konnte, einem Ort, dem sie heute Nacht sehr nah gewesen war, „Sehen sie es mal positiv: Es kann kaum noch schlimmer werden!“
 

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Cleveland,

Angemietetes Büro

“Und wie geht es Ihrem Krieg, mein Bester?“
 

“Könnte nicht besser sein.“ Kan Hsirg nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre und grinste D’Hoffryn an. “Ich denke, ich kann Punkt 1 – ich meine natürlich Punkt 2 – auf meiner Liste als abgehakt betrachten.
 

“Tatsächlich?“ D’Hoffryn zog eine Augenbraue hoch. “Wenn mich meine Informationen nicht täuschen, wurde die letzte Armee, die Sie anwerben wollen, von den Jägerinnen vernichtet.“
 

“Allerdings, das ist wahr.“ Hsirg erhob sich, strich seinen Anzug glatt, und begann in seinem neuen Konferenzzimmer auf und ab zu gehen. Im Vergleich zu den Räumlichkeiten, die ihm in der Barker Cooperation zu Verfügung gestanden hatten, war dies hier nur provisorisch, doch für den Moment sollte es genügen. Er wollte sein Schweizer Nummernkonto schließlich nicht zu sehr strapazieren.
 

“Aber genau genommen sind es die Jägerinnen, die mich auf die entscheidende Idee gebracht haben, deshalb sollte ich ihnen dankbar sein. Sehr dankbar.“
 

“Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen...“
 

Hsirg nahm wieder Platz und legte seine Zigarre im Aschenbecher ab. “Die Lösung all meiner Probleme lag die ganze Zeit über direkt vor meiner Nase, aber ich war zu blind, um sie zu erkennen. Sehen Sie, ich will einen Krieg gegen Dämonen führen. Womit führt man einen Krieg gegen Dämonen?“
 

In diesem Moment konnte man draußen im Gang das Klacken halbhoher Absätze vernehmen und einen Augenblick später öffnete sich die Schiebetüre zum Konferenzzimmer. D’Hoffryn’s verwirrte Miene hellte sich sofort auf, als er erkannte, wer dort im Türrahmen stand. Kan Hsirg hatte vollkommen Recht gehabt, die Lösung lag wirklich auf der Hand.
 

Die beiden männlichen Dämonen sprangen zu ihren Füßen, als die Dame eintrat, setzten ihr jovialstes Lächeln auf und sanken abwechselnd in tiefe Verbeugungen.
 

“Willkommen, Gnädigste, ich bin überaus entzückt, dass Sie uns mit ihrem Besuch beehren.“ Kan Hsirg führte sie zu ihrem Platz und D’Hoffryn rückte ihr den Stuhl zurecht. “Ich hoffe, die Reise aus England war nicht zu beschwerlich? Was darf ich Ihnen denn zu trinken anbieten?“
 

“Trinkt man in einem solchen Fall nicht Champagner?“ fragte Lily Usher mit einem Hauch von Ironie in ihrer dunklen melodiösen Stimme. “Schließlich haben wir mehr als nur einen Grund zum Anstoßen. Der Beginn unserer Zusammenarbeit, den baldigen Triumph über unsere Feinde...“
 

“Die Vernichtung Malkuth’s!“ zischte Kan Hsirg leise.
 

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Tief unter der Erde

Selbe Zeit

“Wenn du mir sagst, dass wir es schaffen, dann werd’ ich dir glauben!“
 

Der Gong schlug, die Zeiger rasten, das archaische Kupferpendel der großen Unruh’ schwang surrend hin und her. Sein Glanz ließ die seltsamen Schriftzeichen rötlich aufleuchten, als es an den beiden Gestalten vorüber zog.
 

“Reloaded. Nein, Quatsch, Revolutions, natürlich. Trin zu Neo in Revolutions. Der war zu einfach!“
 

Schon bald konnten sie das Rattern endloser Zahnräder hören, die kreisend ineinander griffen.

Federn spannten sich, Ketten wurden angezogen und Hebel wechselten quietschend ihre Position.
 

“Ach ja? Lass’ dir ’nen besseren einfallen!“
 

Dann verklang es hinter ihnen. Das Ticken und Rattern erlosch.
 

“Ich bin ein Killer! Ein mordender Bastard. Und wenn man das Herz eines mordenden Bastards bricht, dann hat das Konsequenzen...“
 

Nur das Geräusch ihrer Schritte hallte noch im Gang wieder, wurde von den Wänden zurückgeworfen und von der Dunkelheit verschlungen.
 

“Duh! Bill zur Braut, wie langweilig! Knack den: Von all den hastigen und mitternächtlichen Versprechungen im Namen der Liebe, wird’s keins so schnell gebrochen, wie ’Ich werde dich nie verlassen!’“
 

“Das ist der Anfang von Cabal, du Bakakopf! Und das zählt nicht, denn es ist aus dem Buch und nicht vom Film!“
 

Der strahlende Feuerschein tausender Fackeln erhellte den Gang, als die mächtigen Torflügel aufschwangen und den Weg zur Halle von Tipharet freigaben. Turmartige Säulen ragten hoch zur Decke hinauf, verloren sich in den Schatten ihrer gotischen Spitzbögen. An den Seiten wanden sich Gänge und Wendeltreppen in alle Richtungen, dazwischen klapperten Türen und Fenster, um die seltsamsten Wesen auszuspucken, die ein menschliches Auge je erblickt haben mochte.
 

Schlangengleiche Naga Dämonen glitten um die Säulen herum, ihre schillernden Schuppen brachen das Licht der Flammen. Wendigos huschten vorbei, und ließen die Planen der zahllosen Marktstände unter ihren Windstößen erzittern. Ein wilder Fyarl stritt sich mit einem zischenden Kappa um den Preis von etwas, das aussah wie ein Fisch mit Tentakeln. Eine bildschöne, menschlich wirkende Frau drehte ihren Kopf um 180° Grad, um einem potentiellen Kunden zuzulächeln, der interessiert die Insekten betrachtete, die auf ihrem Stand herumkrabbelten.
 

Lily (V.O.): „Keiner kann wohl behaupten, dass jede Lüge etwas Schlechtes sei, denn wer würde einer Mutter einen Vorwurf machen, die ihr Kind vor dieser grausamen Welt beschützen will, oder einem Arzt, der seinem Patienten verschweigt, dass er keine Hoffnung mehr hat?“
 

Die Halle war erfüllt von Stimmengewirr in Hunderten verschiedener Sprachen...Lachen, Rufen, Schimpfen, Singen, dem schrillen Klang einer Flöte begleitet vom ohrenbetäubenden Jaulen eines Höllenhundes. Gerüche aller Arten mischten sich in der stickigen Luft, stiegen empor, legten eine Spur durch die endlosen, sich verzweigenden Gänge der Stadt.
 

Lily (V.O.): „Doch es gibt so viele verschiedene Lügen in dieser Welt? Wer hat da das recht zu entscheiden, ob eine Lüge richtig ist oder nicht? Wer kann das schon sagen?“
 

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Andere Orte

Der russische Junge traute seinen Augen nicht, als er auf der anderen Seite des Tales undeutlich die Gestalt eines fremdartigen Reiters erkannte, die sich ihren Weg durch die Nebelschwaden bahnte. Er wandte seinen Blick ab, und rannte so schnell er konnte, er wollte zurück zu seinem Haus, in dem ein warmer Ofen auf ihn wartete, und eine Mutter, die ihn vor allen Schatten der Nacht beschützen könnte.
 

Lily (V.O.): „Oft sind es nicht mal andere, die wir anlügen, sondern nur wir selbst. Wir reden uns ein, dass Dinge nur Einbildungen sind, und das wir sie nicht wirklich gesehen haben, wie sonst ist es zu erklären, dass ein großer Teil der Menschheit nicht an die Existenz von Dämonen glaubt? Verdrängung, eine weitere, tückische Form der Lüge!“
 

Als Faith den Schulbus betrat schlief Robin schon, sie legte sich neben ihn, jedoch ohne ihn zu berühren. Wie hätte er wohl entschieden? Doch tief in ihrem Inneren wusste sie es, er hätte nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, doch warum fiel es ihr dann so schwer?
 

Lily (V.O.): „Zweifel. Jeder hat sie, doch viele versuchen sie mit Lügen wegzuwischen, sich einzureden, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, auch wenn sie tief in ihrem Herzen wissen, dass sie diese Entscheidung nicht treffen wollten, egal ob sie richtig waren oder nicht.“
 

Buffy drehte den Schlüssel um, doch die Tür zu ihrer Wohnung öffnete nicht. Sie versuchte es erneut, wieder das gleiche. Noch einmal, dieses Mal mit all ihrer Kraft, das Schloss ächzte, doch es blieb nach wie vor standhaft. Verdammt! Sie konnte ihre Faust gerade noch bremsen, doch man hörte ihren Schlag gegen die Tür wohl trotzdem noch zehn Blöcke weiter. Von innen öffnete plötzlich eine verschlafen aussehende Dawn: „Was ist denn los?“

„Nichts, tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken, die Tür hat nur geklemmt und ich habe ein bisschen die Nerven verloren!“, ihr Gesichtsausdruck sprach Bände.
 

Lily (V.O.): „Zweifel sind sehr gefährlich, wenn man über wichtige Dinge entscheiden muss. Wer sich in so einer Situation zu einer Lüge hinreißen lässt, und sei sie nur gegen ihn selbst gerichtet, muss immer die Konsequenzen tragen, so viel steht fest, deswegen sollte man nur Entscheidungen treffen, mit denen man wirklich leben kann.“
 

Die zwei rothäutigen Dämonen prügelten auf den am Boden liegenden Mann ein, er wand sich unter ihren Tritten und Schlägen auf dem kalten Asphalt der Straße. Einer der Dämonen zog eine Pistole. Todesangst zeichnete sich in seinen Augen ab, während er um sein Leben winselte: „Nein, bitte nicht! Bitte!“
 

Lily (V.O.): „Was ist mit Lügen aus Liebe? Wenn wir anderen Menschen, die wir lieben nicht die Wahrheit sagen, um sie nicht damit zu belasten?“
 

Willow kuschelte sich an Kennedy, ihre Augen waren geschlossen, und sie schien zu schlafen. Die Augen der jungen Jägerin waren weit geöffnet, Willow war nicht bei der Sache gewesen, genauso wenig wie sie selbst, so als ob sie beide an anderen Orten gewesen waren. Sie küsste sanft ihre Stirn: „Nächstes Mal sprechen wir darüber, versprochen!“
 

Lily (V.O.): „Ist Liebe vielleicht der einzige Grund, der eine Lüge wirklich rechtfertigen kann?“
 

Gedankenverloren saß Lily an ihrem Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Der Schrei einer Eule hallte durch die allgegenwärtige Dunkelheit, weit am Horizont konnte Lily sehen, wie sie ihre Kreise zog. Es würde nicht mehr lange dauern bis die Sonne aufging und ein neuer Tag begann.
 

Lily (V.O.): „Auf jeden Fall ist es ein guter Grund, aber rechtfertigt er auch eine Lüge?“
 

Giles nahm noch einen Schluck Scotch, das Glas wurde immer leerer und leerer, als die Flüssigkeit seinen Hals hinab rann. Er müsste Lilys Sachen so schnell wie möglich loswerden, sie waren einfach mit zu vielen Erinnerungen behaftet, als dass er es ertragen konnte die ganzen Kisten weiter um sich zu haben.
 

Lily (V.O.): „Ich denke nein! Doch was ist es dann, was eine Lüge rechtfertigt?“
 

Die Blitze der Fotografen erhellten die dunkle Gasse, die Polizei hatte den Tatort abgesperrt. Ein Leichenwagen war vorgefahren, um den leblosen, übel zugerichteten Körper von Charles Prescott abzuholen. Auf dem Pflaster waren noch einige Spuren von Blut zu erkennen, doch das meiste hatte der Regen bereits weggewaschen.
 

Lily (V.O.): „Wonach sollte man gehen? Nun ja, wenn jemand nicht davon überzeugt ist das richtige zu tun und Zweifel hat, wenn er eine Lüge nur ausspricht um sich selbst zu schützen, dann kann es sich hierbei wohl nicht um ein gute und nötige Lüge handeln!“
 

Bernard Crowley saß allein in sich zusammen gesunken in einem Sessel, neben ihm ein Telefonhörer. Verdammt er hatte sich raushalten wollen, doch nach Ms. Ushers Vorstellung und dem was mit Prescott geschehen war, war er sich nicht mehr sicher, was er überhaupt wollte. „Von Dämonen überfallen.“, immer wieder hallten die gleichgültigen Worte der Angestellten in seinem Kopf wieder, wer würde wohl als nächstes „von Dämonen überfallen“ werden? Langsam griff er zum Hörer.
 

Lily (V.O.): „Wenn aber das Gegenteil der Fall ist, was ist dann? Wenn wir absolut davon überzeugt sind das richtige zu tun, und das aus reinstem Gewissen heraus? Diese Art einer Lüge könnte man wohl niemandem vorwerfen; und von welchen Lügen kann man das behaupten, wenn nicht von meinen?“
 

Mit einem leeren Blick hämmerten Emmas Fäuste auf den Boxsack ein, immer im gleichen Rhythmus, ohne Pausen. Es war das einzige was noch für sie zählte, es war ein Befehl gewesen. Wer sie war? Unbedeutend, wenn man ihr einen anderen Namen geben würde, würde sie ihn tragen. Sie war eine von vielen, darauf programmiert zu dienen.
 

Grrr... Arrrgh...

Folge 18: Abide With Me

Titel: Folge 8.18 - Betrayed Ones

Autor: Yamato

Co-Autoren: White Magic, Stefan, Lion, HopelezZ, Mel, Cthulhu, Steffi

Bilderstellung: HotWitch und Mel
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 

Mo (V.O.): ”In jeder Generation werden Hunderte von Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um sich den Dämonen, dem Bösen und den Mächten der Finsternis entgegenzustellen...”
 

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
 

Buffy kämpft gegen die dämonischen Ninjas im chinesischen Tempel – 8.01
 

Faith trifft in Silent Hill auf die beiden Magier – 8.03
 

Die Ninjas überfallen den HtoGrom Clan in einer japanischen Firma – 8.08
 

Warren gibt Andrew die Hälfte des Anhängers – 8.09
 

Gretchen spricht mit Mo über Warren und D’Hoffryn’s Energie – 8.10
 

Willow hat eine Vision von einer Jägerin (Emma) in Gefahr – 8.11
 

Warren und Andrew prügeln sich – 8.13
 

Kan Hsirg will Clem’s Gedächtnis kaufen – 8.14
 

Dawn trifft auf Yui und Gendou, Shin’s Eltern – 8.14
 

Andrew verlässt die gemeinsame Wohnung nach dem Streit mit Xander – 8.14
 

Xander erfährt von den Magiern, dass Eve ein Mensch ist – 8.15
 

Buffy kämpft gegen Regil, den Echsendämon – 8.15
 

Die drei Reiter brechen aus ihren Kontinenten hervor – 8.15
 

Dawn und Shin schlafen miteinander – 8.16
 

Lily übernimmt den Rat der Wächter in London – 8.17
 

Regil “entschuldigt“ sich bei Buffy – 8.17
 

Kan Hsirg, Lily und D’Hoffryn schließen sich zusammen, um Malkuth zu vernichten – 8.17
 

Warren und Andrew betreten die Hale von Tipharet – 8.17
 

Teaser
 

November 2003,

Black Pearl

Schummriges Licht schlug ihm entgegen, eine Vielzahl unbekannter Gerüche mischte sich mit Stimmengewirr, dem leisen Schaukeln der Wellen, und seltsamerweise – dem betäubend süßen Duft überreifen Pfirsichs. Pfirsiche waren so ziemlich das Letzte, was man in einer Dämonenbar erwarten würde, aber dann, wer konnte schon wissen, was einen dort erwartete? Obwohl er das letzte halbe Jahr praktisch ein Dämon gewesen war, hatte er ebensoviel Ahnung von ihrer Welt, wie ein Vulkanier vom Partyfeiern.
 

Zaddik Bartholomew erwartete ihn in seinem winzigen Büro, seine massige Gestalt in einen quietschenden Bürosessel gestopft. Sein einfaches Aussehen, die lockere Begrüßung, das freundliche Funkeln in den rötlichbraunen Augen, all dies konnte Warren nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einem mächtigen Mann gegenüberstand.
 

Mann? Oder Monster?
 

”Ich stecke in Schwierigkeiten, und mir wurde gesagt, dass Sie in einem solchen Fall helfen könnten.” Genauso hilflos hatte er sich damals gefühlt, als er vor Rack stand, und ihm Schutzzauber gegen die Jägerin hatte abschwatzen wollen. Nur dass Rack’s billige Tricks ihm nicht hatten helfen können. Und was würden dieser Zaddik und seine Spießgesellen gegen einen mächtigen Rachedämon wie D’Hoffryn ausrichten? Noch mehr blinkende und krachende Special Effects?
 

”Du bist also ein ehemaliger Rachedämon, hm? Dann müsstest du jetzt eigentlich wieder ein Mensch sein,” wunderte sich Bartholomew, der den hastig gestammelten Erklärungsversuchen aufmerksam zugehört hatte. ”Und D’Hoffryn dürfte praktisch kein Interesse mehr an dir haben...”
 

”Das ist alles ein wenig komplizierter.” Warren fiel es schwer, die Sache mit seinem Tod und der Auferstehung in Worte zu fassen, irgendwie erschien ihm das alles so unwirklich. Inzwischen hatte er es fast geschafft, sich davon zu überzeugen, dass er einfach nur bewusstlos gewesen und ein knappes Jahr später wieder aufgewacht war. Es war nicht einmal sonderlich schwierig gewesen. Was immer auch mit ihm geschehen war, nachdem sich die Schmerzen langsam in Dunkelheit aufgelöst hatten, D’Hoffryn musste sämtliche Erinnerungen daran gelöscht haben. Gelöscht, wie einen lästigen Virus.
 

Wenn es jemals welche gegeben hatte...
 

Auch jetzt hatte er das Gefühl, über einen anderen zu sprechen, als er seinem Gegenüber seine Geschichte erzählte. Nicht alles natürlich, aber zu lügen wagte er nicht. Angeblich hatte dieser Zaddik - was immer der Titel bedeuten mochte - telepathische Fähigkeiten, und er wollte nichts riskieren. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass jemand...aber das war jetzt nicht wichtig.
 

”Du musst mir nun sehr genau zuhören,” begann der Dämon. ”Ich weiß nicht, was dir über unsere Gemeinschaft erzählt wurde, es gibt sehr viel Klatsch und Gerede über uns und ein Gerücht jagt das andere. Tatsache ist, wenn du Unterstützung suchst, um deine Feinde zu bekämpfen, ganz gleichgültig, ob es sich bei diesen Feinden um Menschen, Dämonen, oder Jägerinnen handelt, dann bist du bei mir falsch. Wir mischen uns niemals in die Angelegenheiten anderer, es sei denn, diese Angelegenheiten betreffen uns selbst. Unsere Richtlinien sind es, uns aus allem herauszuhalten, und Ärger zu vermeiden...”
 

”Woran erinnert mich das nur? Oberste Direktive?” murmelte Warren.
 

”Unterbrich mich nicht,” schnitt sein Gegenüber ihm streng das Wort ab. Das freundliche Funkeln war verschwunden und hatte einer tiefen Ernsthaftigkeit Platz gemacht.
 

”Okay, okay, tut mir sorry!” Abwehrend hob Warren die Hände. ”Aber ich will niemanden bekämpfen. Das war einmal! Eigentlich will ich nur meine Ruhe vor den ganzen Leuten. Neu anfangen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Den ganzen Mist einfach hinter mir lassen und ein neues Leben anfangen. Ja. Das ist es, was ich will!”
 

Zaddik Bartholomew nickte langsam. ”In diesem Fall kann ich dir helfen - möglicherweise,” erklärte er. ”Aber ich kann dir nichts versprechen. Die Entscheidung ob du in unsere Gemeinschaft aufgenommen wirst, kann ich nicht allein treffen.”
 

”Schon klar.” Nervös flog Warren’s Blick zur Tür, als er Geräusche von draußen hörte. War D’Hoffryn vielleicht schon hinter ihm her? Er bezweifelte allerdings, dass es Buffy oder eine der anderen Jägerinnen war, hatte die Hexe ihm nicht zugesichert, dass sie ihn in Ruhe lassen würden, wenn er sich von ihnen fernhielt?
 

”Was ist das für ‘ne Gemeinschaft?” erkundigte er sich vorsichtig, ”können Sie mir da was drüber sagen?” Nicht, dass es am Ende so eine komische Dämonensekte war, in der man den Meister verehren und kniend vor ihm auf Glasscherben herumrutschen durfte, bis er einen dann irgendwann im nächsten Schlammloch ersäufte...
 

”Du siehst zu viele Horrorfilme, mein Junge.” Das Funkeln war zurückgekehrt, diesmal wirkte es amüsiert.
 

‘Ich bin kein Junge!‘ wollte Warren sofort auffahren, doch als ihm bewusst wurde, was sein Gesprächspartner soeben gesagt hatte, krachte er vor Schreck mit dem Knie gegen die Tischkante. Entsprachen die Gerüchte der Wahrheit? Konnte dieser Kerl wirklich Gedanken lesen?
 

”Unsere Gemeinschaft hat nichts mit Religion zu tun,” fuhr der Dämon fort, ”bei Hunderten von Dämonen, die alle verschiedenen Kulturen und Religionen angehören, wäre dies auch gar nicht möglich. Nein, wir haben uns lediglich zu unserem Schutz zusammengeschlossen. Auch Dämonen, die nicht im Streit mit anderen Dämonen, oder den Menschen liegen, laufen Gefahr von ihnen angegriffen und vernichtet zu werden. Früher waren es vor allen Dingen aggressive Dämonenvereinigungen, die uns das Leben schwer machten, heute sind es die Jägerinnen...”
 

”Die Jägerinnen?” fragte Warren zurück. ”Aber, wenn ihr so viele seid, könnte ihr die nicht einfach fertig machen?”
 

”Selbst wenn wir es wollten, wäre es unmöglich,” widersprach der bärtige Dämon. ”In jeder Generation werden Hunderte von Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um sich den Dämonen, dem Bösen und den Mächten der Finsternis entgegenzustellen...”
 

Er brach ab. ”Aber es ist gar nicht unsere Absicht, Mächte der Finsternis zu spielen. Unser erstes und wichtigstes Gesetz lautet, dass wir niemals einen Menschen angreifen, und das schließt auch mit ein, dass wir uns auf keinerlei Auseinandersetzungen mit Jägerinnen einlassen. Gerade für die Aggressiveren unter uns ist es natürlich schwer, sich an diese Regel zu halten, aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Wer dieses Gesetz bricht, wird mit dem Tod bestraft, denn er gefährdet unser aller Leben.”
 

”Unser zweites wichtiges Gesetz,” fuhr Bartholomew fort,“ ist, über den Ort, an dem wir leben, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Niemals dürfen feindliche Dämonen oder Menschen erfahren, wo sich dieser Ort befindet. Nur die Mitglieder unserer Gemeinschaft dürfen es wissen, und in Ausnahmefällen deren Verwandte. Auch ein Bruch dieses Gesetzes kann mit dem Tod bestraft werden.”
 

Der Dämon machte eine Pause und Warren wartete auf das dritte wichtigste Gesetz. Solche Gesetze kamen immer zu dritt. Wie die drei Robotergesetze...
 

Aber Bartholomew schwieg. ”Über unsere kleineren Gesetze und Regeln darf ich nicht mit dir sprechen, solange du nicht Mitglied der Gemeinschaft bist.”
 

”Und wie geht es jetzt weiter?” fragte Warren nervös. Hoffentlich kamen diese Dämonen bald zu einer Entscheidung, damit er einen Ort hatte, wo er sich vor D’Hoffryn verstecken konnte...
 

”Du musst mit Zaddik Babette sprechen,” entgegnete Bartholomew. ”Sie wird in deinen Geist blicken, und feststellen, ob deine Absichten ehrenhaft sind.”
 

Also konnte der Kerl doch keine Gedanken lesen. So wie’s aussah, war er nur ein sehr guter Menschenkenner. Trotzdem, wenn diese Babette wirklich in seinen Geist blickte, wie Bartholomew es nannte, dann würde sie dort alles sehen...
 

Auch die Dinge, die er noch nicht erzählt hatte. Die Dinge, die er lieber verschwieg.
 

Etwas von seiner Nervosität musste sich wohl in seinem Gesicht gezeigt haben, denn Zaddik Bartholomew lächelte ihn aufmunternd an. ”Es ist nicht unsere Aufgabe, dich für deine Vergangenheit anzuklagen, mein Junge. Wichtig ist nur die Zukunft...”
 

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Residenz der Familie Tetsu, Insel Kyushu, Japan,

November 2003, einige Tage später

Der Wächter fühlte sich nicht wohl. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde immer steifer. So schwer hatte er sich diesen Besuch nicht vorgestellt. Seit einer Stunde fast musste er sich mit dem alten Mann über belangloses Zeug unterhalten. Sofort über den Grund seines Besuches zu sprechen, wäre sehr unhöflich gewesen. Gerade diese Familie legte sehr viel Wert auf Höflichkeit und die Einhaltung ihrer Traditionen.
 

Reingehen, über die Berufung des Mädchens sprechen und mit dem Kind wieder hinausgehen, das war hier leider nicht möglich. Na gut, mittlerweile sah er auch ein, dass Aiko kein Kind mehr war. Mit ihren dreizehn Jahren wirkte sie wie die Miniaturausgabe einer erwachsenen Frau, ihr langes Haar kunstvoll hochgesteckt, ihr schmales Gesicht gepudert und geschminkt.
 

Gerade servierte sie eine weitere Kanne Tee und kniete an dem niedrigen Tischchen nieder, um ihrem Großvater und seinem Gast einzuschenken. Ihre zarte Gestalt im hellgrünen Kimono war die Ruhe und die Anmut selbst. Dieses junge unschuldige Mädchen würde nun ganz andere Dinge lernen müssen, wenn sie ihren zukünftigen Angreifern gewachsen sein wollte.
 

Charles Prescott versuchte seine Sitzposition auf den Tatami Matten unauffällig zu verändern, langsam schliefen ihm die Beine ein. Was hatte sich Giles nur dabei gedacht, ausgerechnet ihn nach Japan zu schicken? Er musste jetzt aufs Ganze gehen.
 

“Verehrter Tetsu-sensei, Ihre Enkelin hat eine besondere Gabe. Sie ist auserwählt worden, die Welt vor dem Bösen zu bewahren.“
 

Zu seiner Überraschung nickte der alte Mann, und lächelte weiterhin. “Gewiss, Mr. Prescott-san. Unsere Aiko-chan ist eine Mamono Hantaa...eine Dämonenjägerin.“
 

Wenigstens musste er diese traditionelle Familie nicht erst von der Existenz der Dämonen überzeugen. Schon als er das Anwesen betrat, hatte er das Geisterhäuschen im Vorhof bemerkt und die diversen Schutzzeichen an den Schiebetüren. Auch die Altäre in den Nischen, in denen die Familie ihren Ahnen und Schutzgöttern Blumen und Wohlgerüche zum Opfer brachte, waren ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Übernatürliche in diesem Haus zum alltäglichen Leben gehörte.
 

Vielleicht machte all dies seine Aufgabe ein wenig einfacher.
 

“Ich habe Ihnen vom Rat der Wächter erzählt, der Organisation, der ich angehöre. Unsere Aufgabe ist es, Mädchen wie ihre Enkelin für den Kampf auszubilden, und bei ihrer schweren Pflicht zu unterstützen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir unsere Aufgaben sehr ernst nehmen und den Mädchen die bestmögliche Ausbildung und Unterstützung zukommen lassen. Da wir jedoch leider sehr wenige sind, können wir für den Moment nicht für jedes Mädchen einen Wächter bereitstellen. Deshalb haben wir in London, unserem Hauptsitz, ein Trainingslager für Jägerinnen eingerichtet. Ich möchte Sie bitten, mir die Ehre zu erweisen, Ihre Enkelin dort ausbilden zu dürfen.“
 

Lächelnd nahm der alte Mann ihm gegenüber sein Teeschälchen und trank einige Schlucke des köstlich duftenden Getränks. Sehr sorgsam stellte er die Schale wieder an ihren Platz.
 

“Mr. Prescott-san, meine Familie wurde geehrt, als mein Sonnenschein auserwählt wurde. Meine Enkelin ist das Licht meines Lebens, dem nur noch wenig Zeit in diesem Körper bleibt.“
 

Er beugte sich vor. “Wollen Sie wirklich meinen Lebensinhalt in das ferne England bringen, und mich in meiner letzten Zeit auf dieser Erde allein in Dunkelheit zurücklassen?“
 

Das hatte gesessen. Charles wusste, dass er verloren hatte. Natürlich konnte er noch argumentieren, konnte anbieten, dass ein erwachsenes Familienmitglied die junge Aiko begleiten konnte. Aber letztendlich hätte es keinen Zweck, der Alte war zu schlau.
 

Charles fragte sich, warum die Familie darauf bestand, Aiko bei sich zu behalten, wenn sie doch über Dämonen und Jägerinnen Bescheid wussten. War dem Großvater etwa nicht klar, welcher Gefahr er das Mädchen aussetzte, wenn er ihr das Training durch den Wächterrat nicht erlaubte? Vampire und Dämonen würden sie auf jeden Fall angreifen, egal ob sie vorbereitet war, oder nicht!
 

Aber es gab nichts, dass er tun konnte. Nach einer weiteren Stunde Geplauder erhob er sich mit steifen Beinen und verabschiedete sich unverrichteter Dinge. Giles würde über den Ausgang dieses Gesprächs nicht erfreut sein, aber er hatte sein Bestes versucht. Hoffentlich musste das Mädchen nicht für die Halsstarrigkeit ihres Großvaters büßen.
 

Aiko begleitete den Besucher nach draußen und schloss das Tor hinter ihm. Fragend wandte sie sich an ihren Großvater, welcher hinter sie getreten war. “Oji-sensei, warum haben wir diesem Mann seinen Wunsch nicht erfüllt?“
 

“Mein Kind, du bist etwas ganz Besonderes und ich habe zu den Ahnen gebetet, um zu erfahren, wie ich den Weg deines Schicksals positiv beeinflussen kann. In meinem Traum letzte Nacht sah ich diesen jungen Mann einen Weg entlang gehen. Über seinem Kopf zogen weiße Kraniche ihre Kreise. Er weiß es noch nicht, aber der Tod schwebt über ihm. Ich könnte es mir nie verzeihen, dich in die Hände seiner Mörder zu geben.“
 

Aiko wollte noch weiterfragen, doch in diesem Moment hörte sie die Stimme ihrer Mutter rufen. Es war Zeit für ihre Katana Übungen. Durch den fremden Besucher, den sie hatte bewirten müssen, hatte sie bereits die Lehrstunde mit dem Kampfstab versäumt, doch das war keine Entschuldigung, sich aus ihrer täglichen Routine reißen zu lassen.
 

Der Großvater machte sich auf den Weg in seinen Garten, um für seine Ahnherrin, die große Tetsuko ein Räucherstäbchen anzuzünden. Er musste jetzt nachdenken. Er wusste, dass seine Träume ihm auch etwas über Aiko’s Zukunft verraten hatten, doch diese Dinge hatte er seiner Enkelin noch verheimlicht. Hoffentlich konnte er sie noch lange genug beschützen.
 

++++
 

Malkuth, Straße des Kaisers

selbe Zeit

Die Straße des Kaisers glänzte im feierlichen Licht hunderter Fackeln, Kerzen, Laternen und Öllampen, welche seltsame Muster auf Wände und Höhlendecke zeichneten. Ebenso auf ihre Träger, doch Warren hatte es längst aufgegeben, sich über die verschiedenartigen Gesichter zu wundern, die an ihm vorbeizogen. Manche dieser Wesen hatten überhaupt kein erkennbares Gesicht, andere sogar mehrere. Es gab Gesichter, die an Tiere erinnerten, an Menschen, an Pflanzen, Steine und flüssiges Licht, und solche, die man überhaupt nicht einordnen konnte. Noch niemals hatte er so viele verschiedene Wesenheiten an einem Ort gesehen.
 

Nur, dass sie alle miteinander an diesem Ort lebten. In dieser Stadt, Malkuth.
 

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne, und versuchte, all die neugierigen und erwartungsvollen Blicke zu ignorieren, um nicht noch nervöser zu werden, als er es ohnehin schon war. Zum Glück befand er sich relativ in der Mitte der großen Prozession, und so gab es für die Zuschauer noch genügend anderes zu sehen.
 

Der Dämon neben ihm, ein grünlich-gräuliches Wesen voller seltsamer Falten und Hautlappen schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, welches er ziemlich gequält erwiderte. Hoffentlich war dieses ganze Ritualzeugs bald vorbei, und er hatte seine Ruhe vor dem Lärm, den Lichtern und den neugierigen Blicken.
 

Das Tor am Ende der Straße kam in Sicht, wie alle Tore der seltsamen Stadt auch dieses mit geheimnisvollen Bildern und Zeichen verziert. Auf dem Torbogen erkannte er die Darstellung eines Sonnensystems mit den alchemistischen Schriftzeichen für die einzelnen Himmelskörper und die dazugehörigen Metalle.
 

Bartholomew und eine weitere Zaddik, eine orientalisch aussehende Frau, deren Körper nur von Goldschmuck verhüllt wurde, hatten sich links und rechts neben den beiden Säulen postiert. Bartholomew lächelte die Neuankömmlinge freundlich an, doch der Gesichtsausdruck der Frau blieb ernst, ihre stechenden gelben Augen unverwandt auf die Einziehenden gerichtet. Als sie das Tor durchschritten, konnte Warren erkennen, dass sie nur bis zur Taille menschlich war, ihr Unterkörper war der einer gewaltigen Schlange.
 

Im Gegensatz zum grellen Farbenspiel draußen, war die Halle von Chockmah von sanftem, gleichmäßig scheinendem, perlgrauem Licht erfüllt, welches aus einer Art Brunnen in deren Mitte zu kommen schien. Eine schimmernde Flüssigkeit rann aus einer dunklen Kugel, und lief sternförmig auseinander, um sich schließlich in einem gewaltigen Becken zu sammeln. Alle Geschöpfe versammelten sich rund um den Brunnen, wobei die Zaddikim – zweiunddreißig an der Zahl – den inneren, und ebenso viele Neuankömmlinge den äußeren Kreis bildeten.
 

Die Decke, die sich über ihnen wölbte, zeigte verschiedene Sternbilder, aber es waren nicht nur diejenigen, die er von der Erde her kannte. Seltsame Konstellationen an Sternen, Planeten und Galaxien, die sich zu Bildern formten. Eine der vielen Bedeutungen von Chockmah war der Kosmos.
 

“Tritt näher, wir erwarten dich.“ Wie eine einzige mächtige Stimme schallte der Chor durch den Raum, als die Zaddikim ihre Gesichter nach außen wandten, um ihr jeweiliges Gegenüber anzublicken. “Wurdest du in unseren Gesetzen unterwiesen?“
 

“Ja, ich wurde.“ Die Antworten waren weniger einheitlich, weniger harmonisch, durchsetzt von manch zitternder Stimme.
 

“Es ist dir klar, was du tust, wenn du dich uns anschließt. Heute Nacht wirst du einen neuen Weg beschreiten, und alles was früher war, wird nichts sein, als ein Traum.“
 

“Ja, ich weiß.“ Ob sie das Ausmaß dieser Worte wirklich verstanden, blieb zu bezweifeln, aber die Regeln waren mit der Zeit auch um einiges lockerer geworden. Viele Bewohner Malkuth’s hielten durchaus noch Kontakte zu Verwandten und ihren früheren Freunden, welche außerhalb der Stadt lebten.
 

Aber einen Abschied von ihrem alten Leben bedeutete der Eintritt in diese Gemeinschaft allemal.
 

Und einen Neubeginn.
 

“Das Blut des Cabal kennt alle Wahrheit. Auch du musst bereit sein, den Spruch des Blutes zu erdulden.“
 

“Ja, ich bin.“
 

Zweiunddreißig Hände, Klauen, Krallen, Pfoten und Pfötchen tauchten in die schimmernde Flüssigkeit ein, ihr perlmuttgraues Leuchten schien sich zu verstärken und auf ihre Träger überzugehen. Nun waren es die Zaddikim, die auf ihre Gegenüber zuschritten, die feurigen Hände ausgestreckt wie strahlende Leuchtfeuer, die sie vor sich hertrugen. Furcht machte sich auf den Gesichtern breit, niemand hatte ihnen gesagt, dass sie nach dem Gespräch mit Bartholomew, und der Geistschau durch Babette noch einen weiteren Test zu bestehen hatten.
 

Dennoch wich kein Einziger zurück, als sich die Hand wie eine züngelnde Flamme seiner, oder ihrer Brust näherte. Sie waren schon zu weit gekommen, um jetzt noch umkehren zu können.
 

Die Hand brannte wie Feuer auf seiner bloßen Haut, schmerzte, als wolle sie sich in seinen Körper hineinbohren. Alles um ihn herum verschwamm, die Höhlendecke wurde zum Nachthimmel, die Wände zu Bäumen, der Boden zu Laub. Das Gesicht der Schlangendämonin verzerrte sich, ihr schwarzes Haar flatterte um ihn herum – und nun war es plötzlich Willow, die ihm entgegenblickte, ihre Züge von Hass und schwarzer Magie entstellt.
 

Und dann dieses kleine kalte Lächeln, als sie seinen Körper in Stücke riss.
 

Er wollte schreien, doch sein Mund war mit groben Stichen zugenäht. Der grauenvolle Geruch seines eigenen verbrannten Fleisches stieg ihm in die Nase und Willow’s Gesicht wurde zu Katrina’s, mit einem anklagenden Blick in den toten leeren Augen, zu Buffy’s, die blutüberströmt auf dem Boden lag. Schüsse hallten in seinen Ohren, ihm wurde schlecht von dem kupfrigen Blutgeruch, als dieser plötzlich zu Blumenduft wurde, seine Mutter arbeitete in ihrem geliebten Vorgarten, und schickte ihn in den Keller, um frische Blumenerde zu holen.
 

Er war wieder zehn Jahre alt, und spielte mit seinen Star Wars Figuren. Er war wieder ein Teenager und baute seine Raumschiffe zusammen, rannte vor den Jungs aus seiner Klasse weg, damit sie ihn nicht schon wieder verprügelten, zerbrach sich den Kopf, was er anstellen konnte, um von Andrew und Jonathan in ihre Clique aufgenommen zu werden, weil er unter seinen eigenen Altersgenossen keine Freunde fand.
 

Die Geräusche, die Gerüche, die Gesichter wurden zu einem wirbelnden Kaleidoskop, das seine Augen zum Flimmern und seinen Kopf zum Dröhnen brachte. Ihn schwindelte, er wäre fast vornüber gekippt, doch schaffte er es, aufrecht stehen zu bleiben. Diese Bilder waren Vergangenheit, sie waren sein bisheriges Leben, doch er war hierher gekommen, um neu anzufangen, und all dies hinter sich zu lassen.
 

Ein Klirren zerriss den Vorhang der Erinnerung, etwas Kleines Metallisches war vor ihm auf den mit Muscheln verzierten Boden der Halle von Chockmah gefallen.
 

Muscheln...eine der vielen Bedeutungen von Chockmah war das Meer...
 

Zaddik Lakshmi, die Schlangendämonin hob den winzigen Gegenstand auf und betrachtete ihn. Es war eine Pistolenkugel. Ihr Blick wanderte von dem Geschoß zu der blutenden Wunde auf Warren’s Brust, die sich jetzt langsam schloss. Nur ein paar einzelne Blutstropfen hafteten noch immer an dem zerbrochenen Anhänger, den er um den Hals trug.
 

“Warren Mears,“ sagte sie, und diesmal konnte er ihre Stimme deutlich aus dem Chor heraushören. “Die Stämme des Mondes haben dich erhört. Du bist in die Gemeinschaft von Malkuth aufgenommen.“
 

Warren atmete tief durch, und spürte den betäubenden Geruch von überreifen Pfirsichen seine Nase kitzeln. Es war kein echter Pfirsichgeruch, es war der Duft von Andrew’s Haaren, sie rochen nach dem Shampoo, das Andrew am letzten Wochenende benutzt hatte. Der Duft war keine Einbildung, er war real, ein schwacher Abglanz davon haftete noch an seinen Fingern...
 

Opening Credits
 


 

AKT 1
 


 

April 2004, Gegenwart,

Buffy’s Wohnung,

abends

Shin war nervös. Etwas, das vielleicht einmal pro Reinkarnation vorkam. Aber dies war auch eine ganz besondere Situation und diesmal würden ihm weder Familientraditionen noch Schutzamulette helfen, sie zu überleben.

Er holte tief Luft. Zum Glück war er es von klein auf gewohnt, seine Gefühle zu verbergen, also würde zumindest keiner der Anwesenden bemerken wie nervös er wirklich war. Ein Trost, wenn auch ein schwacher.

Dawn drückte seine Hand unter dem Tisch, und er schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Nun gut, sie durfte es bemerken. Sie war ja schließlich seine Freundin.
 

”Also, Shin. Du und Dawn, ihr seid Kollegen, hab‘ ich gehört,” räusperte sich Buffy, um die Aufmerksamkeit des jungen Paares auf sich zu lenken. ’Ein blöderer Spruch ist dir wohl nicht eingefallen’, schalt sie sich selbst, ’genau dasselbe hast du ihn doch schon an deinem Geburtstag gefragt!“
 

Mit einer ruckartigen Bewegung, die den ganzen Tisch zum Wackeln brachte, riss Shin seine Hand von Dawn‘s los und starrte Buffy wie ein erschrockenes Reh an. Sie erwartet eine Antwort von dir, schoss es ihm durch den Kopf.
 

”Uhh…Ja. Dawn und ich haben uns auf der Arbeit kennen gelernt!” stammelte er hastig und steckte sich den Rest von seinem Essen in den Mund.
 

”Die beste Möglichkeit, um jemanden kennen zu lernen” schaltete sich Robin ein und grinste Faith, die neben ihm am Tisch saß, liebevoll an.
 

Eine Weile herrschte Stille. Mist, dachte Buffy. Genau das war die Situation, vor der sie sich gefürchtet hatte. Jetzt war Dawn‘s Freund schon mal da und bot die beste Gelegenheit etwas mehr über ihn zu erfahren und da wusste sie nicht einmal mehr, was sie noch fragen sollte!
 

Wenn wenigstens Xander, oder Willow hier gewesen wären! Einer von ihnen hätte sicher gewusst, wie man das Gespräch in Gang halten konnte. Aber ihre beiden besten Freunde hatten die Einladung zum gemeinsamen Abendessen mit Bedauern abgelehnt. Buffy’s Idee war sehr spontan gewesen, und die beiden hatten für heute schon etwas vorgehabt. Auch Giles und Andrew hatten sich entschuldigt.
 

”Also, ich hol‘ dann mal den Nachtisch!” rief die blonde Jägerin übertrieben fröhlich und stand auf. ”Ich helfe dir!” fiel Faith, sich ebenfalls erhebend, ein.
 

”Ich wusste immer, dass tief in dir eine perfekte kleine Hausfrau steckt!” bemerkte Robin scherzhaft und fing sich auf diese Bemerkung einen bösen Blick ein, dem ein Augenrollen folgte.
 

In der Küche machte sich Faith daran, mit einem Löffel im Eis herum zu hacken, als wäre es ein Gegner, den es zu besiegen galt, während Buffy durch einen Türspalt beobachtete wie Dawn‘s Hand sich in Shin‘s legte. Beide tauschten verliebte Blicke, während ihre Füße unter dem Tisch die des anderen suchten.
 

Faith wiederum beobachtete Buffy und hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen. ”Ronah hat auch einen neuen Freund. Ich bin nicht grad‘ Experte in solchen Dingen. Ich denk‘ mir immer nur, wenn der Typ sie auf irgendeine Art und Weise verletzt, dann verletz‘ ich ihn, aber richtig!”
 

Die blonde Jägerin grinste ein wenig in Faith‘s Richtung. ”Ich schätze das ist für uns beide noch Neuland!” sagte sie, beobachtete wie Dawn Shin ein Küsschen auf die Wange drückte, und seufzte. ”Was denkst du? Ob Shin der Richtige für Dawn ist? Ich will nicht, dass sie den gleichen Fehler macht wie ihre große Schwester.”
 

”Shin ist kein Vampir, B.” gab Faith zu bedenken.
 

”Justin war einer!”
 

Die dunkelhaarige sah die blonde Jägerin verwirrt an. Wer zur Hölle war Justin? Buffy erinnerte sich, dass sie Faith nie von der Sache erzählt hatte und setzte zu einer Erklärung an, beobachtete aber nach wie vor Shin und Dawn beim Turteln. ”Es war Halloween. Dawn hat erzählt, sie würde bei ihrer besten Freundin Janice schlafen und hat sich stattdessen mit ein paar Typen herumgetrieben. Vampire. Dawn muss wohl in diesen Kerl verliebt gewesen sein…naja.”
 

Faith ließ überrascht den Mund offen stehen. Die kleine Dawnie trieb sich mit Vampiren herum? Anscheinend hatten sich nicht nur Buffy und die Clique total verändert.
 

”Ich schätze, wir müssen uns dran gewöhnen, dass Ronah und Dawn erwachsen werden. Verbieten können wir ihnen sowieso nichts und wenn, dann machen sie es heimlich.” Beide Jägerinnen schwiegen für eine Weile und beobachteten Dawn‘s und Shin‘s Geturtel.
 

”Ich werd` dann mal zu den anderen zurückgehen. Sie warten bestimmt schon auf den Nachtisch!” Damit nahm die dunkelhaarige Jägerin die ersten beiden Eisbecher von der Theke und balancierte sie zum Essenstisch, wo Robin sie schon mit einem liebevollen Kuss empfing.
 

Buffy kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Irgendwie waren Dawn, Shin, Robin und Faith ja zu beneiden. Sie wirkten alle vier so glücklich und Shin schien ein lieber Kerl zu sein, der Dawn geradezu anbetete.
 

Die blonde Jägerin dachte angestrengt darüber nach, wie lange es her war, dass ihr ein Mann den Hof gemacht hatte. Ihre erste große Liebe war Angel gewesen, aber die Beziehung, die sie sich immer gewünscht hatte, hatte sie mit Riley geführt. Ein normaler, solider Kerl und ein Mädchen mit Superkräften in einer fast normalen, ruhigen Beziehung.
 

Wieder einmal fragte sich die Jägerin, ob sie selbst am Ende dieser Beziehung Schuld gewesen war, ob es ihr verletzter Stolz war, der alles ruiniert hatte. Riley hatte ihr eine Menge bedeutet und zu spät hatte sie erkannt, dass er sich für sie aufgeopfert hatte, während sie seine Bemühungen nie anerkannt und ihn immer wieder von sich gestoßen hatte. Nach und nach war sie es gewesen, die die Beziehung zerstört hatte. Nicht Riley.
 

Er hatte geglaubt, sie liebe ihn nicht und vielleicht hatte er irgendwie sogar Recht gehabt. Vielleicht hatte sie ihn nicht auf dieselbe Weise lieben können, wie er sie. Nicht so, wie er es nach seiner Unterstützung und all seinen tapferen Taten verdient gehabt hätte! Und war es bei Spike nicht ähnlich gewesen? Oder hatte sie nur wieder einmal komplett den Überblick über ihre Gefühle verloren? Wie schon so oft...
 

Irgendwie hatte sie nie jemandem das geben können, was er....
 

‘Buffy, hör sofort damit auf, dich fertig zu machen,‘ schalt sie sich selbst.
 

Sie fragte sich, ob sie jemals wieder die Chance haben würde, eine normale Beziehung zu führen, ohne Tod und Verzweiflung. Und vor allem nicht zu einem übernatürlichen Wesen, ganz egal ob Vampir, oder sonst was!
 

Buffy wurde es zuviel, darüber nachzugrübeln, war es leid, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie eines Tages den Richtigen treffen würde. Wenn es soweit war, würde sie es merken, redete die Jägerin sich ein und zufrieden mit diesem Gedanken widmete sie sich den restlichen Eisbechern.
 

Und entschied sich dafür, der Beziehung von Dawn und Shin eine Chance zu geben. Wer weiß? Vielleicht würde ihrer kleinen Schwester das gelingen, was Buffy schon seit Jahren mit den verschiedensten Männern immer versucht hatte…Eine normale Beziehung zu führen, eine die von Harmonie bestimmt war, nicht von Schmerz.
 

++++
 

Wächterhaus,

selbe Zeit

Die Stille im Konferenzraum wurde nur gelegentlich durch ein Rascheln unterbrochen, wenn Giles oder Willow eine Seite ihres Buches umblätterten. Oder durch das leise ’Klonk’ einer auf den Tisch zurückgestellten Teetasse, und das Kratzen eines Stiftes auf Papier, wenn einer der beiden sich Notizen machte. Ansonsten herrschte konzentriertes Schweigen zwischen den beiden.
 

Seit zwei Stunden saßen sie nun schon über Giles Bücher- und Schriftrollensammlung, von der er sich Ergebnisse versprach. Als Willow am Telefon zugestimmt hatte, Giles heute Abend zu helfen, hatte sie geglaubt, dass sie nach neuen Hinweisen auf und über die Reiter suchen würden. Sie war sehr überrascht gewesen, dass es Giles nur um den Unsterblichen ging. Jenes Wesen oder jene Person, von der Dawn und sie in der Energiedimension erfahren hatten. Inzwischen schien Giles wirklich überzeugt davon zu sein, dass er wichtig für sie im Kampf gegen die Reiter des Todes war.
 

Anscheinend gestaltete sich aber die Suche nach Informationen über ihn schwieriger, als Willow geglaubt hatte. Natürlich klang ihr sein Name nach jemandem, der die Geschichtsbücher des Rates füllen musste. Dem war auch so, doch keiner dieser vielen angeblichen Unsterblichen schien der Richtige zu sein. Und falls doch, wie sollten sie es wissen?
 

Müde rieb sie sich über die Augen, griff nach ihrer Tasse Tee und nahm einen Schluck. Die Recherche war langwierig und anstrengend. Etwas, das ihren Kopfschmerzen nicht dienlich war. Aber sie hatte keine andere Wahl, wenn es um den Kampf gegen das Böse ging.

Das Aspirin, das sie vor einer Stunde auf der Toilette geschluckt hatte, ließ langsam wieder nach, doch sie musste vorsichtig sein. Wenn sie zu viel auf einmal am Tag davon einnahm, würde sie entweder bald keine Wirkung mehr spüren oder tablettenabhängig werden. Beides war nicht gerade sehr verlockend. Und wieder zwang sich ihr der quälende Gedanke auf: Sie hatte keine andere Wahl, wenn sie mit ihren Schmerzen irgendwie leben wollte.
 

Giles’ Zeigefinger fuhr über eine Zeile aramäischer Schriftzeichen, die er jetzt bereits zum dritten Mal zu lesen versuchte. An eine Übersetzung hatte er noch nicht gedacht, nicht in seinem unkonzentrierten Zustand. Seit zwei Stunden war ihm besorgniserregend aufgefallen, dass er in Gedanken immer wieder von der Arbeit abgelenkt wurde. Aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Es war, als habe er keine andere Wahl. Immer wieder musste er an Lily denken, an ihren Vorsprung im Rat, und an seine Kollegen, von denen er geglaubt hatte, dass sie ihm vertrauten und auf seiner Seite stünden. Er wagte sich nicht vorzustellen, was Lily ihnen über Cleveland erzählt haben musste, so dass sie sich von ihm abgewandt hatten. Dies bereitete nur zusätzliche Kopfschmerzen...
 

Würden die Kopfschmerzen schlimmer werden? Willow sah kurz auf und stellte fest, dass Giles auf einen Punkt in seinem Buch starrte und selbst nicht sehr konzentriert wirkte. Im Moment hatten alle mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen und genau das machte Willow ein wenig Angst. Ihre ’Dämonen’ schienen nämlich mächtiger zu werden und langsam Besitz von ihr zu ergreifen. Alles hatte einmal so harmlos angefangen... es war nur ein Gefühl gewesen, ein mächtiges Gefühl... die vereinte Kraft und Macht aller Jägerinnen auf der Welt.

Doch dann waren die Stimmen gekommen. Erst selten und leise waren sie in ihrem Kopf gewesen, doch bald schon hatte sie sie nicht mehr ignorieren können und selbst wenn sie im Bett lag und versuchte zu schlafen, hörte sie unzählige Jägerinnen auf der Welt durcheinander plappern. Und dann kamen die Schmerzen... hin und wieder. Es hatte ihr Angst gemacht, bis sie begriff, dass sie nicht krank war, sondern die Jägerinnen bei ihren Kämpfen spürte, ihre Verletzungen und Niederlagen...
 

Eine Niederlage nach der anderen mussten sie einstecken, gestand sich Giles in Gedanken ein und fuhr sich ein wenig beunruhigt durch das Haar, blickte ermüdet auf und ertappte Willow dabei, wie sie auf einen Punkt ihr gegenüber an der Wand starrte. Vielleicht wurde es Zeit eine Pause zu machen? Doch war an so etwas in solchen Zeiten zu denken? Sie hatten nichts in der Hand, um den Rat von Lily’s Intrigen zu überzeugen. Dafür war Lily einfach zu gut darin, Menschen gegeneinander auszuspielen und sicher spielten ihre Ausstrahlung und ihre gewinnende Art eine große Rolle dabei.
 

Dabei hatte alles so gut angefangen. Mit ihr an seiner Seite hatte er sich gestärkt gefühlt, hatte geglaubt mit ihrer Hilfe in einer neuen Welt von Jägerinnen und Wächtern Ordnung zu schaffen, und sah sich bereits damit ganz gut arrangiert, dass sie wieder in seinem Leben war... nicht nur als Kollegin. Dabei hatte sie langsam und schleichend alles untergraben, was ihm in diesem Leben etwas bedeutet hatte....
 

Langsam und schleichend hatten die Schmerzen zugenommen und es gab in den letzten Wochen kaum einen Tag oder eine Nacht, wo die Visionen über Jägerinnen in Not oder auch im Sieg ausblieben – Willow riss sich vom langweiligen Anblick der Wand ab, bemerkte Giles Blick auf sich und lächelte ihn verlegen an, während sie ihren Laptop heranholte.
 

Sie bekam immer mehr Angst vor den Schmerzen, Visionen und Stimmen und wenn sie spürte, dass sich einer dieser “Anfälle“ nährte, versuchte sie sofort einen Ort zu finden, an dem sie alleine und ungestört war. Dass ihr dieses Missgeschick in der Vorlesung passiert war, war Willow noch immer peinlich und eigentlich war es der beste Beweis dafür, dass sie “es“ nicht mehr länger unter Kontrolle hatte, sondern dass ihre Visionen sie fest im Griff hatten. Dies war auch einer der Gründe, warum sie Buffy’s Einladung für heute Abend ausgeschlagen hatte. Wenn es um Teambesprechungen und Recherche ging, konnte sie es nicht vermeiden mit den anderen zusammen zu sein, aber der Gedanke an ein gemeinsames Abendessen mit allen, hatte sie plötzlich mit Horror erfüllt. Was, wenn die anderen etwas bemerkten?

Sie musste endlich anfangen, mit jemandem darüber zu reden. Ernsthaft reden. Nicht nur andeutungsweise, wie sie es vor vielen Wochen einmal mit Giles versucht hatte. Die Hoffnung, dass es besser wurde oder aufhörte, hatte sie längst aufgegeben.
 

Hoffnung darauf, dass sich alles aufklären ließ, dass Lily vielleicht tatsächlich Absichten verfolgte, die er verstehen konnte, waren an dem Tag gestorben, als Giles den Brief ihres Anwaltes erhalten hatte und er herausfinden musste, dass sie Vi getötet hatte. Er musste damit leben, dass eine Frau, der er vertraut – die er geliebt hatte, und die er zu kennen glaubte, sie alle verraten und verkauft hatte... doch immer wieder darüber zu grübeln, sich Vorwürfe zu machen oder die Möglichkeiten abzuwiegen, was passiert wäre, wenn er in manchen Situationen misstrauischer reagiert hatte, führte zu nichts. Es lenkte nur ab. Also beschloss Giles sich wieder auf seine Bücher zu konzentrieren und warf Willow noch einen kurzen fragenden Blick zu, als sie ihren Laptop aktivierte.
 

Willow zuckte mit den Schultern, als sie den Blick des Wächters sah und rief ihren Browser auf. “Vielleicht hilft uns das Netz weiter.“ Giles nickte und sah wieder auf sein Buch, während Willow Suchbegriffe eintippte und hoffte, auf diese Weise etwas Ablenkung von ihren Gedanken zu finden.
 

++++
 

Games In,

selbe Zeit

“Scott,“ brüllte Andrew. “Du, ich pack’s dann!“ Er deutete mit dem Finger auf sich selbst und anschließend auf die Türe, denn er ging nicht davon aus, dass sein Boss auch nur ein einziges Wort gehört hatte. Judas Priest kreischte aus dem Kopfhörer von Scott’s Discman, und dieser bangte dazu, während er gleichzeitig die Kasse machte, und wieder einmal lautstark über die Slipknot Kiddies und die Dimmu Borgir Girlies von heute schimpfte.
 

Andrew kannte das alles zur Genüge und hatte nicht vor, die Litanei zu unterbrechen. Er räumte den Staubsauger in den hinteren Raum zurück, schnappte sich seine Jeansjacke, und marschierte aus dem Laden. Leider war es ein bisschen spät, um noch bei Buffy’s Dinnerparty vorbeizuschauen, also entschloss er sich dazu, nach Hause zu gehen.
 

Es gab noch weitere Wege nach Malkuth, als durch die Große Unruhe – magische und nicht magische – doch leider kannte er keinen einzigen von ihnen. Er hielt sich mit den Händen die Ohren zu, um das Rattern des mächtigen Uhrwerks auszublenden und riskierte keinen Blick auf die gewaltigen, messerscharfen Zahnräder über ihm. Jedes Mal, wenn er hier durch musste, lief es ihm kalt den Rücken hinunter.
 

Sechs Zeiger, dreizehn Stunden. Was in aller Welt zeigte diese Uhr überhaupt an? Er hatte Gerüchte gehört, dass es etwas mit der Weltzeit der Dämonen zu tun hatte, jenen Tagen, an denen die Großen Alten diese Welt regiert hatten, einer Zeit, die längst vergangen war, und doch irgendwann wiederkehren sollte. Andere dagegen behaupteten, dass die Uhr auf magische Weise mit den Bewohnern von Malkuth in Verbindung stand, und die Lebenszeit eines jeden einzelnen anzeigte, wenn man sie nur richtig zu lesen verstand.
 

Wieder andere behaupteten, die Uhr stamme aus einer Welt ohne Shrimp.
 

Er machte einen gewaltigen Satz nach vorne, um dem Pendel auszuweichen, welches mal wieder seine Richtung geändert hatte – und befand sich mitten in einer Höhle. Keine der offiziellen Straßen, nur ein schlichter Gang mit ein paar Fackeln an den Wänden. Zwar gab es elektrisches Licht in Malkuth, doch da nicht alle seine Bewohner es vertrugen, durfte es nur privat verwendet werden und nicht an öffentlichen Plätzen.
 

Er durchschritt das Tor, winkte Rchsss, dem Taparrich Dämon, mit dem er manchmal Globb spielte, zu und machte sich innerlich bereit, sich durch das Gewühl der Halle von Tipharet zu kämpfen. Tipharet war die zweitgrößte Halle der Stadt, nur die Halle von Malkuth, die zu Vollversammlungen diente, war noch gewaltiger. Tipharet war der offizielle Marktplatz, überfüllt mit Ständen und Geschäften, Läden in Zelten, hölzernen Bauten oder steinernen Nischen an den Wänden. Hier wurde rund um die Uhr gehandelt.
 

“Grillen, leckere Grillen, köstliche Käfer, geröstete Libellenlarven!“ überkreischte die Stimme der Gottesanbeterin den Lärm um sie herum. Andrew duckte sich rasch hinter eine Säule, doch zu spät, sie hatte ihn schon gesehen. “Willst du nicht eine Tüte saurer Ameisen, mein Herr? Sehr bekömmlich, und für Menschen auch sehr gesund.“
 

“Nein...uhm, danke.“ Der blonde Junge suchte rasch das Weite und schlängelte sich zwischen einem Schmuckständchen und einem Dämon, der nur aus Gelatine zu bestehen schien, hindurch. Insekten waren nicht unbedingt das, was er sich zum Nachtmahl vorstellte, selbst wenn sie für Menschen genießbar waren.
 

Vielleicht sollte er ein paar muddazakhanische Schoten mitnehmen, daraus ließ sich morgen ein leckeres Chili zubereiten. Gedankenverloren kramte er in seiner Hosentasche nach Essensmarken, doch er fand nur Papierfasern. Dass Warren aber auch immer vergaß, die Taschen zu checken, bevor er die Hosen in die Waschmaschine warf!
 

Als Andrew in die Straße des Eremiten einbog, stieß er beinahe mit Clem zusammen. Dessen Gesicht verschwand beinahe komplett hinter einer prallgefüllten Einkaufstasche, welche der faltige Dämon auf den Armen trug. Ein violettes kohlähnliches Gemüse machte sich selbständig, rollte auf dem Boden herum und begann auf tentakelartigen Blättern davon zu watscheln.
 

“Aaaandrew!“ kreischte Clem. “Lass dich knuddeln, Kleiner!“
 

“Dein Dragnesi -Kohl!“ Geschickt wich Andrew Armen und Tasche aus, um dem Kohlkopf hinterherzulaufen. Normalerweise hatte er nichts gegen Clem’s Knuddelattacken, aber diese zappelnde Einkaufstasche war ihm nicht so ganz geheuer. “Sind da Kätzchen drin?“ fragte er vorsichtig, als er den watschelnden Kohlkopf aufhob.
 

Clem schüttelte den Kopf. “Keine Kätzchen. Bonita meint, ich muss auf meinen Cholesterinspiegel achten!“ Er seufzte tief, nahm Andrew den Kohl ab, und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Tipharet. “Ich muss noch mal zurück, hab’ vergessen, die Sirdalmi Eier zu kaufen. Bonita braucht sie fürs Frühstück morgen...ach ist das schön, das der Strom endlich wieder geht. Hoffentlich bleibt das jetzt so...bis dann!“
 

“Bis dann, Clem!“ Der Junge setzte seinen Weg fort, er hatte es jetzt nicht mehr weit bis nach Hause. Die Wohnung lag an der Straße des Glücks zwischen den Hallen Chesed und Netzach. Besser hätten sie es gar nicht treffen können, fand Andrew, denn die Straße des Glücks war wunderschön mit ihren kleinen Brunnen und den Statuen der Glücksgottheiten aus verschiedenen Dimensionen. Die beiden Tore waren in Form von Rädern gebaut, man musste daran drehen, um sie zu durchqueren und die Straße zu betreten.
 

Das Kichern eines kleinen Mädchens schallte ihm entgegen, als er seine Hand auf die goldschimmernde Oberfläche des Rades legte, und die Tür wurde von der anderen Seite festgehalten. “Hallo?“ rief er hinüber. “Klopf, klopf!“
 

Als Antwort nur wieder dieses Kichern, wer immer dort auf der anderen Seite war, kannte offensichtlich keine Klopf-klopf Witze. Endlich wurde die Tür losgelassen, und Andrew sah sich zwei schlangenartigen Naga Dämonen gegenüber. Die kleinere der beiden war ihrem menschenähnlichen Kopf nach zu urteilen ein etwa zwölfjähriges Mädchen, der größere ein Junge im frühen Teenageralter. Obwohl er ein wenig älter zu sein schien als das Mädchen, war sein Kopf eher der einer Schlange und trug noch kaum menschliche Züge.
 

Laut Giles’ schlauen Büchern bekamen Naga ihre menschlichen Oberkörper und Gesichter mit dem Erwachsenwerden, aber die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Kein Schlangendämon glich hundertprozentig einem anderen.
 

“Hallo Mensch.“ Das Mädchen kicherte wieder, und zupfte verlegen an ihren Haaren. “Ich bin Sundari. Das da ist mein großer Bruder Arjuna. Er spricht nicht deine Sprache.“
 

Der männliche Naga bäumte sich auf und zischte etwas, das wohl eine Begrüßung darstellen sollte. Sein Schlangenkörper war um einige Fuß länger, als der des Mädchens. Andrew wusste, wenn er einem solchen Dämon außerhalb Malkuth’s begegnen würde, hätte er schon längst die Beine in die Hand genommen. Aber hier drinnen gab es weitaus größere und gruseligere Dämonen, vor denen man sich nicht zu fürchten brauchte.
 

“Hallo, ihr zwei!“ Andrew nickte den beiden zu. “Ich bin zwar ein Mensch, aber wir haben auch Namen. Ich bin ein Andrew...ich meine natürlich, mein Name ist Andrew.“
 

“Endruu,“ wiederholte das Mädchen mit ihrem rollenden Akzent und fragte neugierig weiter. “Mein Bruder will wissen... du kennst...Slayer?“
 

“Die Band?“ fragte Andrew und blickte das Mädchen ebenso verwirrt an, wie sie ihn. Für einen Moment musste er an Scott denken.
 

Sundari beriet sich kurz mit ihrem Bruder, das leise Zischen und Schnalzen ihrer Zungen hallte von den Wänden wieder.
 

“Ach du meinst die Jägerinnen?“ wollte Andrew wissen, bei dem es jetzt endlich ’klick’ gemacht hatte. “Yep, ich kenne einige von ihnen. Sie sind gefährlich und man muss ihnen aus dem Weg gehen! Genau, wie das Gesetz von Malkuth es verlangt.“
 

Das Mädchen wollte noch mehr fragen, wurde aber von ihrem Bruder unterbrochen. “Wir müssen Hause,“ erklärte sie und mit einem weiteren Kichern wandte sie sich um, und beide krochen davon, durchs Tor hindurch.
 

’Hoffentlich kommen diese Teenies nicht auf dumme Ideen’, überlegt Andrew, als er seinen Weg fortsetzte. Leise öffnete er die Wohnungstüre, denn er wusste nicht, ob Warren um diese Zeit noch wach war. Die letzten Tage waren für ihn stressig gewesen, die ganzen Stromausfälle und so. Er hatte ein paar Mal mitten in der Nacht raus müssen.
 

Der Fernseher lief – Clem hatte also Recht behalten, der Strom ging wieder. Mit einem Jubelschrei stürzte sich Andrew auf die Fernbedienung und versuchte sie Warren zu entreißen, welcher vor der Glotze auf der Couch hockte. Warren hielt die Fernbedienung mit einer Hand über seinen Kopf, während er mit der anderen Andrew zu Boden schubste. “Geh’ weg!“
 

“Blödmann!“ Andrew warf sich längelang vor den Fernseher und kickte provokativ mit den Füßen in die Luft.
 

“Geh’ mir aus dem Bild mit deinen Quadratlatschen, du hirnlose Matschbirne!“
 

“Selber Matschbirne...autsch, lass mich los! Hör auf! Aaaah...das tut weh!“
 

“Soll’s ja auch!“
 

“Hmmm...du bist ein Dreckskerl!“
 

Warren knipste den Fernseher aus. “Ich weiß.“
 

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Xander’s Appartment,

nächster Morgen

Seine Füße waren kalt. Langsam räkelte Xander sich, einzelne Traumfetzen wirbelten noch in seinem Kopf herum, und zog die Bettdecke wieder in die richtige Position, so dass seine Füße nicht mehr herausragten. Diese Decke war eindeutig zu klein.
 

Hmmm....Kaffeeduft! War Andrew heute dran mit Frühstückmachen?
 

Die Erinnerung an einen seltsamen Traum spukte noch einige Zeit durch seine Gedanken, doch sie wurden bereits schwächer. Seine ganzen Freunde waren in dem Traum gewesen, doch er hatte nicht zu ihnen kommen können so sehr er es auch versuchte, als ob eine unsichtbare Wand zwischen ihnen gewesen wäre. Ihre Gesichter hatten traurig ausgesehen, als wären sie auf einer Beerdigung.
 

Mehr war nicht mehr übrig, doch dieser Teil des Traumes hatte wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sollte ihm das zu denken geben? Vermutlich.
 

Die Zimmertür öffnete sich und eine wunderbare Duftwolke von Kaffee, frischem Toast, Rühreiern und Speck wallte ihm entgegen. Darüber das lächelnde Gesicht von Eve “Frühstück ist fertig!“
 

Auf ihren Armen balancierte sie ein absolut überfülltes Tablett: “Ich wusste nicht, was du magst, also habe ich von allem etwas mitgebracht, was ich in deiner Küche gefunden habe.“
 

“Sollte das nicht eigentlich meine Aufgabe sein?“ scherzte er, während er sich zur Seite rollte, um ihr Platz zu machen. “Zumindest in den Filmen machen das immer die Männer.“
 

“Lass mich dich doch ein bisschen verwöhnen...“ Mit einem verschmitzten Lächeln stellte sie das Tablett ab und ließ sich bei ihm im Bett nieder, “Außerdem hatte ich Hunger und du...“ sie stupste ihre Nase gegen seine, “hast so süß geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.“
 

Sein Blick glitt über ihren nur in ein hauchdünnes Nachthemd gehüllten Körper. “Ich bin froh dass du bei mir bist! Und das sag’ ich bestimmt nicht nur wegen ein paar Eiern mit Speck!“
 

War er das wirklich, oder war er nur froh darüber, dass er nicht allein sein musste? Liebte er sie, oder war es nur ein Weg, seine Schmerzen zu unterdrücken? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl jemanden zu haben, der für ihn da war. Aber war das genug?
 

Verdammt, was war in letzter Zeit nur mit ihm los? Er erkannte sich fast selbst nicht wieder, wenn er in den Spiegel guckte, allein die Tatsache, wie er mit seinen Freunden umging! War es wirklich nötig gewesen, bei dem Streit mit Andrew so auszurasten? Oder war es nötig gewesen, Buffy und Willow bei Giles anzuschwärzen?
 

Er hatte in beiden Fällen seine Gründe gehabt, doch die Frage, die ihn wirklich beschäftigte, war nicht, ob es richtig oder falsch gewesen war, sondern ob der “alte Xander“ es auch so gemacht hätte. Vermutlich nicht. Aber Schmerz veränderte einen Menschen. Zuerst leise und schleichend, und dann brach er wie eine Lawine aus einem heraus, und zerstörte alles, was auf seinem Weg lag.
 

Konnte er etwas daran ändern? Konnte er die Scherben aufklauben, und wieder zusammensetzen? Es musste eine Möglichkeit geben. Auch Willow war es damals gelungen, und ihr Weg zurück war viel weiter gewesen, als seiner...
 

Das Schwierigste an einem Weg war immer der erste Schritt...vielleicht sollte er einfach losgehen...
 

“Willst du?“, Eve hielt ihm ein Croissant unter die Nase, “Was ist mit dir, du wirkst so in Gedanken versunken?“
 

Was Anya wohl zu ihr gesagt hätte? In Gedanken sah er ihr Gesicht vor sich, wie sie Eve abschätzend betrachtete. Hm...ein bisschen groß vielleicht! Figur eigentlich okay, aber an meine schlanke Taille kommt sie nicht ran! Und diese Klamotten erst! Aber zumindest eine Frau, die was von Geld versteht!
 

Sie würde es ihm wünschen, wieder glücklich zu sein, das wusste er. War er glücklich? Auf jeden Fall hatte er das Gefühl zu heilen, dieses Lächeln und diese Berührungen waren wie Balsam auf einer Wunde.
 

Vielleicht würde er sich eines Tages in dieses Lächeln verlieben, doch darüber wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
 

“Es ist nichts, ich war nur mit meinen Gedanken schon in den Verhandlungen, die nächste Woche anstehen.“ Er ergriff das Croissant, “Danke, es sieht verdammt lecker aus, ich habe fast so viel Lust darauf, es zu essen wie ich Lust habe, dich zu küssen.“
 

“Na gut, nicht annähernd so viel, aber das ist bestimmt nicht die Schuld vom Croissant!“, fügte er hinzu, als sich ihre Lippen wieder von einander lösten.
 

++++
 

Cleveland, angemietetes Büro,

nachmittags

“Hunderte von Jägerinnen aus aller Herren Länder, und jede von ihnen steht unter dem Kommando des Wächterrats - meines Rats.“ Lily machte keine Anstalten, den Triumph in ihrer Stimme zu verbergen. “Innerhalb von vierzehn Tagen kann ich etwa zweihundert von ihnen mobil machen. Das sollte wirklich genügen, um jede Dämonenstadt in den Staub zu stampfen!“
 

“Nur zweihundert?“ Mit einem lauten Klacken ließ Kan Hsirg sein Zigarrenetui zuschnappen. “Ich hatte mit mindestens der doppelten Anzahl gerechnet.“
 

Lily zog die Augenbrauen hoch. “Wer hätte gedacht, dass Sie Jägerinnen noch immer unterschätzen, Mr. Romero. Haben Sie denn nichts aus ihren bisherigen Erfahrungen gelernt?“
 

“Touché, meine Liebe.“ Immer noch leicht angesäuert blickte der Dämon über den Konferenztisch des Büros. Ein runder Tisch, damit niemand das Kopfende für sich beanspruchen konnte. Zwar war dieser Krieg seine Agenda, aber sie alle drei waren gleichberechtigte Partner in dieser Aktion.
 

D’Hoffryn, der Lily schräg gegenüber saß, hatte sich bisher sehr zurückgehalten, und eher die Gespräche der beiden anderen verfolgt, als sich selbst einzubringen. Zum Thema Armee hatte er ohnehin nicht viel beizutragen, denn er weigerte sich strikt, seine Rachedämonen in die Sache hineinzuziehen.
 

Kan Hsirg war es gleich. Er hatte jetzt Lily’s Jägerinnen. D’Hoffryn’s Hilfe brauchte er für etwas anderes, und dazu würden sie noch kommen, sobald Punkt eins – er meinte natürlich Punkt zwei geklärt war.
 

“Mr. D’ Hoffryn,“ wandte Lily sich nun mit liebenswerter Miene an den Rachedämon, “Sie haben uns immer noch nicht verraten, warum Sie sich nun doch entschieden haben, an unserem kleinen Krieg teilzunehmen. Klären Sie uns doch bitte auf.“
 

“Sie haben ebenfalls keinen Grund angegeben, Ms. Usher,“ entgegnete der Angesprochene vorsichtig. “Woher sollen wir wissen, ob Sie nicht in Wirklichkeit nur ihre eigenen Ziele verfolgen?“
 

Eine Weile schwiegen sie sich beide lächelnd an.
 

Kan Hsirg wurde es schließlich zu dumm. “Natürlich verfolgt jeder von uns seine eigenen Interessen, und keiner kann dem anderen trauen. Noch bevor diese Zusammenarbeit beendet ist, wird einer von uns dreien die beiden anderen übers Ohr hauen, und die ganze Beute für sich allein behalten. Könnten wir jetzt bitte wieder zur Tagesordnung übergehen?“
 

“Welche Beute?“ fragten Lily und D’Hoffryn wie aus einem Munde.
 

“Sie haben die richtige Frage gestellt,“ entgegnete Kan und lehnte sich in seinem Bürosessel zurück. “Welche Beute? Darf ich Sie daran erinnern, meine lieben Geschäftspartner, dass es bei dieser Zusammenarbeit weder darum geht, ein begehrtes Objekt zu erringen, noch in den Genuss besonderer Vorteile zu kommen? Wir wollen lediglich etwas kaputt machen, und ein paar Leute umbringen.“
 

Er zog an seiner Zigarre. “Ihre persönlichen Motive, Ziele und Interessen sind also für diese Zusammenarbeit vollkommen unerheblich. Bleiben Sie ruhig darauf sitzen.“
 

“Besser hätte ich es selbst nicht ausdrücken können.“ Anerkennend zog Lily die Mundwinkel hoch. “Also gut, dreihundert Jägerinnen. Aber dies ist nun wirklich mein letztes Angebot.“
 

“Angenommen.“
 

Die Schiebetüre öffnete sich und Gretchen stakste herein. “Möchte jemand Kaffee? Tee, vielleicht, oder Kekse? Salzstangen?“
 

“Husch, husch ins Körbchen.“ D’Hoffryn machte eine abwehrende Handbewegung, um das schwarzhaarige Mädchen wieder hinauszuschicken. Die Rachedämonin verzog enttäuscht das Gesicht.
 

“Also, ich könnte eine Tasse Kaffee vertragen.“ Kan Hsirg kramte einen zerknitterten Zettel aus seiner Anzugtasche hervor. “Punkt eins beziehungsweise zwei, Armee dürfte nun geklärt sein. Kommen wir nun zu Punkt zwei, beziehungsweise eins. Wie Sie bereits wissen, sind meine bisherigen Versuche, etwas über die Lage und den Aufbau von Malkuth zu erfahren, allesamt fehlgeschlagen. Ein Geschäftspartner sollte mir das Gedächtnis eines Bewohners der Stadt besorgen, aber daraus wurde leider nichts. Ich stehe wieder am Anfang.“
 

“Vielleicht weiß Buffy, wo sich die Stadt befindet,“ plapperte Gretchen dazwischen, als sie die dampfende Kaffeetasse vor dem Dämon abstellte. “Wir kennen uns flüchtig, müssen Sie wissen, ich könnte ihr zufällig über den Weg laufen. ’Hallo Buffy, erinnerst du dich noch an mich? Wir sind zusammen von Sydney nach L.A. geflogen, du wolltest mir doch schreiben...“
 

“Gretchen, du strapazierst meine Geduld,“ unterbrach D’Hoffryn mit zusammengebissenen Zähnen. “Abmarsch, aber sofort!“
 

“Ist ja gut,“ murmelte die junge Frau beleidigt, und zupfte an einer ihrer Haarnadeln. Ausnahmsweise trug sie heute keinen seitlichen Pferdeschwanz, sondern hatte sich die Haare hochgesteckt – passend zum Häubchen ihres schwarz-weißen Serviermädchenaufzugs.
 

“Ich glaube nicht, dass Bartholomew einer der Jägerinnen etwas über Malkuth verraten hat,“ überlegte Kan Hsirg. “Sie mögen zwar ein Bündnis geschlossen haben, aber soweit wird er ihr noch nicht vertrauen.“
 

Lily horchte auf. Buffy hatte tatsächlich ein Bündnis mit Mo? Das wurde ja immer interessanter, was man hier so erfuhr.
 

“Was ist mit Bartholomew selbst, oder einem anderen Stadtbewohner?“ fragte sie. “Kann man nicht einfach jemanden kidnappen, und versuchen, ein paar Informationen aus ihm herauszuquetschen?“
 

“Schwierig.“ Hsirg verzog das Gesicht. “Die meisten von ihnen würden ihre Heimat selbst unter Folter nicht verraten, und wenn wir zu viele gefangen nehmen, fällt das auf und sie sind gewarnt...“
 

“Dämonen mit einem Begriff von Loyalität?“ Das halte ich für ein Gerücht,“ unterbrach Lily spitz und ignorierte die ungehaltenen Blicke ihrer Gesprächspartner.
 

“...wenn wir allerdings jemanden wüssten, der es mit der Loyalität nicht so weit hält, und den wir unter geeigneten Druck setzen könnten...“ Mit geheimnisvollem Lächeln blickte Hsirg zu D’Hoffryn hinüber.
 

“Gretchen,“ rief D’Hoffryn die Rachedämonin zurück, die bereits an der Tür stand. “Es gibt Arbeit für dich!“
 

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Friedhof in Cleveland,

abends

”Denkst du wirklich, dass sie da drin sind?” fragte Dawn und sah Ronah unsicher an. Sie hielt den Pflock verkrampft in der Hand und sah sich noch einmal kurz um, bevor sie sich wieder Ronah zuwandte.
 

”Ich hab‘ die zwei gestern Nacht hierher verfolgt. Als ich ihnen allerdings ins Mausoleum gefolgt bin, wurde ich von mindestens fünfzehn Vampiren überrascht,” antwortete die dunkelhäutige Jägerin, steckte kurz den Pflock weg und festigte sich noch einmal den Zopf, den sie sich vor einigen Stunden gebunden hatte, um nicht wie in der Nacht zuvor wieder an den Haaren durch den halben Friedhof geschleift zu werden. Na ja, nachdem sie endlich frei kam, hatte sie ihm wenigstens noch alle Knochen gebrochen, bevor sie ihn zu Staub verarbeitet hatte.
 

“Buffy, Faith.. jetzt!” wisperte Dawn, die sich mittlerweile wieder gefangen hatte, oder zumindest ihre Nervosität nicht mehr zeigte. Natürlich hatte sie schon oft gegen Dämonen und Vampire gekämpft, und natürlich auch schon zusammen mit Buffy, aber heute war es eine Art Bewährungsprobe. Buffy wollte sehen, wie gut ihre Schwester als Jägerin wirklich war.
 

Einerseits machte es Dawn stolz, dass Buffy sich nicht mehr gegen den Gedanken sträubte, mit ihr gemeinsam auf die Jagd zu gehen. Lange genug hatte es ja gedauert, bis sie sich davon überzeugen ließ. Andererseits bereitete es ihr Herzklopfen. Was, wenn sie nicht gut genug war? Oder schlimmer noch, was wenn es wieder nur ein Strohfeuer war? Schon einmal hatte Buffy ihr versichert, dass sie mit ihr trainieren und jagen wolle, aber letztendlich war nicht viel daraus geworden.
 

Im nächsten Moment trat Dawn die alte Holztür auf, drehte sich wieder zur Wand und drückte sich fest gegen diese. Lautes Knurren drang aus dem alten Steingrab, als Buffy und Faith aus einigen Metern Entfernung Flaschen in das Gebäude warfen, die sie mit Öl gefüllt hatten. Sie hatten Tücher in die Flaschenhälse gesteckt, die sie zuvor in die Flüssigkeit getunkt hatten, und diese dann angezündet. Als die Flaschen jetzt im Lager der Vampirgang aufschlugen, verteilte sich das Öl und fing sofort Feuer.
 

Faith nahm die letzte Flasche, warf diese in den Raum und kickte dann die Flaschenkiste außer Reichweite.
 

”Showtime!” schrie Buffy und die vier Jägerinnen verteilten sich endlich auf dem Platz vor dem Steingrab, als wie gerufen die ersten Vampire schreiend aus dem engen Raum flohen, einige von ihnen brannten wie lebende Fackeln, aber genug andere hatten es irgendwie geschafft, dem Feuer auszuweichen.
 

Ronah stellte dem Erstbesten ein Bein (besser so?), woraufhin dieser zu Boden stürzte und von Faith in der Sekunde drauf hoch gerissen wurde. Die dunkelhaarige Jägerin schlug ihm fest ihre Faust ins Gesicht, wodurch der Vampir verwirrt nach hinten stolperte und dann einen stechenden Schmerz in der Brustgegend spürte. Ronah zog ihren Pflock wieder aus dem Rücken des Vampirs, woraufhin dieser sich in Staub auflöste und widmete sich dem nächsten Flüchtenden, der nicht brannte.
 

Dawn stürzte sich auf den ersten nicht brennenden Vampir, der in ihre Reichweite kam. Er war etwa in ihrem Alter gewesen, als er gestorben war, nur war das schon mindestens hundert Jahre her, zumindest wenn man das nach seinem Modegeschmack beurteilte.
 

”Dreckige Jägerin!” schrie er Dawn an, holte aus, und schlug ihr seine rechte Faust direkt ins Gesicht. Dawn schrie auf, stolperte nach hinten und sah ihn geschockt an. Wo war sie nur mit ihren Gedanken? Sie wollte sich gerade ducken, um dem Typ den Boden unter den Füßen weg zu ziehen, als plötzlich Buffy auftauchte, und dem Vampir in den Rücken trat, woraufhin dieser nach vorne stolperte, und direkt auf Dawn landete.
 

Dawn’s Hals war mit einem Mal völlig ausgetrocknet, kein Ton verließ ihre Kehle. Geschockt starrte sie das Monster an, welches sie anknurrte, und ihr dann seine blanken Zähne zeigte.
 

‘Mach was, Dawn!’ schoss es ihr durch den Kopf, doch bevor sie reagieren konnte, hatte ihre große Schwester den Vampir schon gepackt und gegen die Mauer geschleudert. Dawn kämpfte sich hoch, doch Buffy hatte den Vampir, IHREN Vampir, schon erledigt.
 

”Was sollte das denn?” beschwerte sich Dawn, duckte sich unter dem nächsten Angreifer hinweg und sah Buffy genervt an. Konnte sie ihr nicht einmal vertrauen? Das waren doch nur verdammte Vampire.
 

”Runter!” schrie Buffy, schleuderte ihren Vampir zur Seite, stieß Dawn leicht nach rechts und trieb einem weiteren Vampir, der sich dort positioniert hatte, den Pflock ins Herz.
 

”Konzentrier dich endlich!” schrie Buffy ihre Schwester an. Genervt drehte sich Buffy wieder um, und konnte nicht verhindern, dass ihr eine leise Stimme im Hinterkopf zuflüsterte: ’Ich hab’s ja gewusst.’ Sie verscheuchte diesen Gedanken allerdings sofort, Dawn war eine Jägerin und sie würde diese Tatsache verdammt noch mal akzeptieren!
 

War hier nicht irgendwo ein Vampir, an dem sie ihre Wut auslassen konnte?
 

Inzwischen war schon vollkommenes Chaos ausgebrochen. Überall liefen brennende Vampire herum, und auch die alten trockenen Wurzeln, die sich an den Innen – und Außenwänden des alten Grabes entlang geschlungen hatten, waren mittlerweile in Flammen aufgegangen.
 

Ihr Blick wanderte zu Faith und Ronah, die einige Meter entfernt zwei Vampire bearbeiteten, welche vom Feuer verschont geblieben waren. Faith trat ihrem in den Magen, woraufhin dieser sich vor Schmerzen nach vorne beugte. Ronah stieß ihren kräftig nach hinten, wodurch der über den anderen Vampir flog und schlussendlich konnten Faith und Ronah die am Boden liegenden Vampire mit Leichtigkeit vernichten.
 

Buffy atmete tief ein, während sie geistig abwesend ihrem nächsten Angreifer die Faust in die Rippen schlug. Es würde sicher noch ein langer langer Weg werden, bis sie mit Dawn in einem solchen Einklang kämpfen konnte, wie Faith und Ronah es beherrschten. Warum nur hatte sie damals aufgehört, mit ihrer Schwester zu trainieren?
 

Dawn schrie auf, und Buffy fuhr erschrocken herum, woraufhin der Vampir sie packte und die kurze Unaufmerksamkeit ausnutzte, um sie zu Fall zu bringen. Die blonde Jägerin musste erkennen, dass ihre Schwester nur einer brennenden Fackel ausgewichen war.
 

‘Ich muss ihr sagen, dass sie sich dieses blöde Geschrei sparen soll...’ dachte sie sich, während sie eine Rolle nach hinten machte, den Vampir packte und diesen ebenfalls zu Fall brachte.
 

Eine große Ulme, die neben dem Mausoleum gestanden hatte, fing ebenfalls Feuer und zwang den dunklen Schatten, der sich dahinter befand, sich etwas weiter zu bewegen.
 

Das sollten also die gefürchteten Jägerinnen sein? Diese herumkreischenden Menschenmädchen?
 

Kopfschüttelnd hielt die schemenhafte Figur Ausschau nach einer weiteren, sicheren Stelle.
 

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Am Hafen, vor dem Black Pearl,

selbe Zeit

“Ich geh’ da nicht rein, solang’ sie da drin ist, klar? Keine zehn Pferde bringen mich jetzt da rein!“
 

Andrew stieß einen lauten Seufzer aus, und ließ seinen Blick über die vertäuten Boote am Kai schweifen. “Na schön! Dann werden wir halt den ganzen Abend hier dumm rum stehen und den Pos beim Schaukeln zugucken.“
 

“Wir können ja woanders hingehen...“ schlug Warren halbherzig vor. Er lehnte an der Holzwand einer Bootshalle, seine Lederjacke lässig über der Schulter, und blickte misstrauisch zum Black Pearl hinüber.
 

“Klar. Und wieder rausfliegen, weil du dich nicht benehmen kannst!“
 

“Ich?“ schrie Warren entrüstet zurück. “Wer musste denn unbedingt von meiner Bratwurst abbeißen?“
 

“Ich war hungrig,“ verteidigte sich Andrew mit einem unschuldigen Augenaufschlag und trat einen Schritt näher an Warren heran, so dass sich ihre Nasen fast berührten. “Und freiwillig wolltest du mir ja nix abgeben, du Geizkragen...außerdem, wenn du mir nicht meine Käsesahne weggegessen hättest, wär’ ich vielleicht schon vorher satt geworden, also ist es alles deine Schuld und du bist außerdem...hgrrrmpf...mpf...bn...“
 

“Halt die Klappe!“ Warren drängte Andrew grob gegen die Wand des Bootshauses, ein glutheißes Funkeln war in seine schwarzen Augen getreten. Der andere Junge gab einen kätzchenhaften Laut von sich, ein hilflos wimmerndes Maunzen und ließ sich mit halbherzigem Widerstand gegen das harte Holz schubsen, wieder und wieder. Er zuckte zusammen, und wand sich, als die eiskalten Metallbeschläge sich schmerzhaft in seinen Rücken pressten, doch dann krallten sich Hände in sein verschwitztes blondes Haar, rissen ihm den Kopf in den Nacken, und legten seine Kehle frei. Heißer Atem senkte sich darüber...
 

“Friss deinen Mensch gefälligst woanders,“ beschwerte sich der M’Fashnik, der gerade an ihnen vorbeistapfte. “Willst du sämtliche Jägerinnen der Stadt anlocken?“
 

“Verschwinde,“ knurrte Warren ihn an.
 

“Würd’ ich gerne,“ grinste der Dämon, “aber der Zaddik schickt mich. Hat was mit dem Kleinen da zu bereden!“
 

“Was’n?“ Benommen richtete Andrew sich auf und starrte einen Moment lang verständnislos in der Gegend herum, bevor sich seine Augen wieder fokussierten. “Worum geht’s denn?“
 

“Hat er nicht gesagt, Mann, is’ privat. Er wartet in seinem Büro auf dich.“ Der Dämon wedelte mit den Armen in Richtung Black Pearl.
 

“Okay, dann geh’ zu ihm zurück und sag ihm, Andrew wird in ein paar Minuten da sein,“ warf Warren ungeduldig ein.
 

“Nope, ist nicht nötig!“ Andrew schüttelte den Kopf und schlüpfte geschmeidig unter Warren’s Arm hindurch. “Andrew wird jetzt gleich mitkommen und in ein paar Minuten wieder zurück sein.“
 

“Hinterhältiges Miststück!“
 

Warren’s Augen sprühten Funken. Er wollte Andrew folgen, doch der M’Fashnik schüttelte den Kopf. “Er will mit ihm allein sprechen.“
 

“Na toll!“ Frustriert ließ sich Warren gegen die Wand sinken und folgte Andrew mit den Blicken, als dieser dem M’Fashnik hinterher trottete. Kurz vor der Tür wandte sich der blonde Junge noch einmal um, und zwinkerte ihm schelmisch zu, bevor seine unschuldigen Blauaugen mitsamt dem Rest von ihm im Dunkel verschwanden.
 

Solche Augen gehörten absolut verboten, zumindest bei einem Jungen. Selbst wenn er in Wirklichkeit kein richtiger Junge war, sondern von einem Planeten mit Zuckerwattewolken und rosa Einhörnern stammte.
 

“Lange nicht gesehen, Warren!“ Eine Mädchenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. “Hast du mich wenigstens vermisst?“
 

“Gretchen!“ Entsetzt taumelte Warren an der Wand entlang und sah sich mit panischen Augen nach einem Fluchtweg um. “Was zum Teufel willst du von mir? Wie hast du mich überhaupt gefunden?“
 

++++
 

Black Pearl,

etwas später

“Andrew, du hast sie wohl nicht mehr alle!“ Kennedy, die Cocktail trinkend mit einigen Dämonen an der Bar gesessen hatte, war erschrocken aufgesprungen. “Willst du dich umbringen? Du kannst nicht so einfach in eine Dämonenbar reinspazieren, als wäre das...“
 

“Es ist in Ordnung, Kenny!“ Mo war soeben aus der Türe seines Büros getreten. “Ich bin sicher, Andrew wird dir alles später erklären. Wenn du uns jetzt bitte entschuldigen würdest...“ er nickte dem jungen Mann zu und machte eine einladende Geste.
 

Andrew bemühte sich zu lächeln, doch es misslang gründlich. Er konnte sich schon denken, warum der Dämon ihn zu sich bestellt hatte. Jetzt blieb ihm nur die Hoffnung, dass das Gespräch einigermaßen glimpflich ausging.
 

“Ich denke, du weißt, worum es geht.“ Mo schloss die Tür, nahm an seinem Schreibtisch Platz und bot auch Andrew einen Stuhl an. Dieser zog es allerdings vor, noch etwas länger den Unschuldigen zu spielen, und den bärtigen Dämon mit einem verwirrten Blick anzusehen. “Was hab’ ich gemacht?“
 

“Das weißt du sehr gut.“ Mo kaufte ihm die Unschuldsnummer nicht ab, und kam sofort auf den Punkt. “Du lebst seit einiger Zeit an einem Ort, der nicht für dich und deinesgleichen geschaffen ist.“
 

Andrew seufzte leise. “Ist das denn wirklich so schlimm?“ fragte er. “Ich meine, ich störe doch niemanden, oder hat sich jemand beschwert?“
 

“Ich fürchte, du verstehst nicht.“ Mo’s Stimme klang sehr ernst und auch ein wenig traurig. “Es geht hier nicht um dich. Weder ich noch ein anderer vom hohen Rat in Malkuth haben etwas gegen dich persönlich. Aber du bist ein Mensch, und diese Stadt ist die Heimat von Dämonen. Und unser Gesetz verbietet es, dass Menschen unter uns leben.“
 

“Du hast Recht, das verstehe ich wirklich nicht.“ Andrew zog schmollend die Unterlippe vor. “Das ist nämlich Diskriminierung. Und überhaupt, deine Frau ist auch ein Mensch, und sie lebt auch bei dir in Malkuth.“
 

“Das ist etwas anderes,“ erklärte Mo. “Sie ist schließlich meine Ehefrau.“
 

“Sag ich doch, Diskriminierung!“
 

“Darum geht es nicht,“ unterbrach Mo, noch bevor Andrew einen seiner Redeflüsse beginnen konnte. “Hör zu, wir sind dir gegenüber schon mehr als großzügig gewesen. Normalerweise ist es verboten, dass Menschen überhaupt von der Existenz unserer Stadt erfahren. Dein Gefährte hat bereits das Gesetz gebrochen, indem er dir von Malkuth erzählt hat. Aber wir haben ihn dafür nicht bestraft, ja wir haben nicht einmal eingegriffen, als du ihn dort besucht hast. Wir haben dich in Malkuth ein- und ausgehen lassen, ohne dich daran zu hindern, weil wir wissen, dass du nicht unser Feind bist.“
 

Er lehnte sich nach vorne und blickte seinen Gesprächspartner eindringlich an. “Aber nun hast du unsere Gastfreundschaft endgültig überstrapaziert. Du kannst nicht unter uns leben wie einer von uns, Andrew, das geht nicht. Du bist keiner von uns!“
 

“Das hast du schon gesagt, Mo, aber du hast mir immer noch nicht erklärt, wo das Problem liegt,“ Andrew’s Stimme klang ein wenig verletzt. “Ist natürlich klar, dass eure Stadt ein Geheimnis bleiben muss, und alles, aber nur weil es Menschen gibt, die euch angreifen würden, heißt das doch nicht, dass wir alle so sind. Glaubst du wirklich, ich würd’ jemals etwas tun, das euch schaden könnte? Traust du mir so was zu?“
 

Mo schüttelte den Kopf. “Nein, aber die Meinung eines Einzelnen entscheidet nicht über die Geschicke unserer Stadt. Unser Gesetz erlaubt nicht, dass Menschen unter uns leben, und solch grundlegende Gesetze zu ändern, ist ein langer schwieriger Prozess. Und ich fürchte, die meisten von uns haben zu viele negative Erfahrungen mit Menschen gemacht, um sich für solche Veränderungen begeistern zu können. Man kann Veränderungen nicht einfach erzwingen, man muss sie sich langsam entwickeln lassen...“
 

Andrew senkte den Kopf, ihm waren die Argumente ausgegangen. “Und wie soll es jetzt weitergehen?“ fragte er leise.
 

++++
 

Friedhof in Cleveland,

etwas später

”Ronah, pass auf!” schrie Faith, während sie dem Vampir, der sich rechts neben ihr befand, ihren Ellenbogen in den Magen schlug, sich dann sofort umdrehte, ihn erfasste und ihn gegen die brennende Ulme schleuderte.
 

Ronah sprang zur Seite, stärkte den Griff um den Pflock und trieb dem untoten Wesen die Waffe ins Herz, bevor es wieder vor den Flammen fliehen konnte. Buffy schleuderte ihren Angreifer einige Meter über den Friedhof, während Dawn die blonde Vampirin, deren Haare in lodernde Flammen aufgegangen waren, mit einem Kurzschwert köpfte.
 

”Das war’s, oder?” Dawn blieb stehen, holte tief Luft und sah sich um. Buffy machte mit ihrem Vampir nun kurzen Prozess, während Faith und Ronah die letzte Vampirin gegen den brennenden Baum schleuderten, woraufhin diese sofort zu brennen begann, und daraufhin zu Staub zerfiel.
 

”Sieht so aus..” antwortete Ronah, die ihren Zopf löste und ihre nun freien Haare ausschüttelte.
 

”Wie viele waren denn in diesem kleinen Grab drin? Dreißig?” Faith steckte den Pflock ein, und sah besorgt zu dem brennenden Baum auf. ”Die Feuerwehr wird sicherlich bald hier auftauchen..” murmelte sie, zuckte dann allerdings mit den Schultern. Was juckte sie das schon? Es war nur ein blöder, alter Baum.
 

”Nein, dort hinten!” schrie Buffy plötzlich, schoss an Dawn, Faith und Ronah vorbei und lief auf einen großen, dunklen Schatten zu, der sich von der brennenden Ulme weg bewegte.
 

”Oh, da haben wir mal wieder ‘ne kleine Schlange aus ihrem Loch geholt... klasse..” flüsterte Buffy, als sie den massigen Dämon erblickte, der nun im Gras verharrte, und sie mit seinen Schlitzaugen misstrauisch anvisierte.
 

Die restlichen drei Jägerinnen kamen angelaufen, und blieben mit stehen, eine Mischung aus Verwirrung und Verwunderung in ihren Blicken. Ronah sah Faith verstört an, und trat einen Schritt zurück. Das Ding war so... riesig.
 

”Ein Naga...” flüsterte Dawn und stellte sich neben ihre Schwester in die erste Reihe.
 

Der gewaltige Schlangendämon zischte laut, während er sich allerdings nicht vom Fleck bewegte. Vor den Jägerinnen lag im Dunklen eine gewaltige Mischung aus Mensch und Schlange. Der Dämon war überall mit Schlangenhaut bedeckt, und sein langer Schwanz ringelte sich hinter ihm im Gras. Erst ab dem Torso war es der Körper eines Menschen, wobei der Kopf eine Mischung aus beidem zu sein schien. Eine gespaltene Zunge zappelte zwischen seinen Lippen.
 

”Stimmt, und ich hatte schon zweimal die Ehre, gegen einen zu kämpfen,” flüsterte Buffy, und dachte für den Bruchteil einer Sekunde zurück an die High School, als sie Cordelia rettete, kurz bevor sie einem Naga Dämon geopfert werden sollte. Danach sah sie in Gedanken die riesige Schlange, die Glory auf sie gehetzt hatte, um Dawn zu finden.
 

”Sie sind gefährlich, also seid vorsichtig. Ihr Haut ist ziemlich hart..” weiter kam die blonde Jägerin allerdings nicht, da der Naga plötzlich nach vorne schoss und direkt auf die Gruppe zu kam.
 

Dieser Naga schien noch recht jung zu sein, da er noch um einiges kleiner war, als Glory’s Diener von damals. Aber wenn er sich aufbäumte, so wie er es jetzt tat, war er doch mindestens um drei Köpfe größer, als die Jägerinnen.
 

”Passt auf!” schrie Buffy, und stieß Dawn leicht beiseite, wobei sie ihr das Kurzschwert aus der Hand riss, und auf den Naga zulief. Sie holte mit der Hand aus und boxte ihn fest in den Oberkörper. Der Dämon schien davon aber nicht viel zu spüren, und stieß sie nur kräftig beiseite. Buffy’s Körper schlug fest gegen einen der alten, großen Bäume.
 

Weit entfernt konnte sie schon die ersten Feuerwehrsirenen hören.
 

”Los!” schrie Faith, woraufhin sie zusammen mit Ronah auf den Naga zusprintete, um ihn von beiden Seiten anzugreifen. Sie sprangen kurz vor ihm in die Luft und machten jeweils einen Backflip, wobei sie ihm die Füße direkt ins Gesicht schlugen. Überrascht und leicht benommen verharrte der Dämon und musste anscheinend kurz dagegen ankämpfen, nicht umzufallen. Ronah und Faith landeten wieder auf ihren Füßen, auch Buffy konnte sich wieder aufrappeln. Sie hatte das Schwert in einiger Entfernung unabsichtlich fallen gelassen, und sich daher einen großen Ast der brennenden Ulme abgebrochen. Jetzt jagte sie damit auf den Naga zu.
 

”Wer hat Lust auf gegrillten Naga?” schrie Buffy, bevor sie plötzlich stehen blieb, zielte und den Ast wie einen brennenden Speer auf den Dämon zuschoss.
 

Er bohrte sich in den großen Schwanz, woraufhin der Dämon einen lauten Schmerzensschrei ausstieß, und danach den brennenden Ast wieder abschüttelte. Die Kreatur zischte laut und panisch auf. Es gab keinen Fluchtweg, da hinter ihm nur das Feuer und die schmiedeeiserne Umzähnung des Friedhofes waren. Er sah sich kurz um, erblickte dann Dawn, die bisher nur wie angewurzelt am Rand des Feldes gestanden hatte und schoss auf sie zu.
 

”Dawn, pass auf!” schrie Buffy, aber dieses Mal war sie außer Reichweite, um ihrer kleinen Schwester zu helfen. Sie sprintete auf die Stelle zu, an der ihr Schwert lag, machte eine Rolle und erfasste es dabei. Kurz darauf stand sie wieder und lief neben Ronah und Faith dem Naga nach, der noch immer auf Dawn zusteuerte.
 

Der gewaltige Schwanz des Dämons schlug zur Seite, erfasste die junge Jägerin und riss sie zu Boden. Die Schlangenkreatur bäumte sich auf, der mächtige Körper schwebte über dem jungen Mädchen, welches ihm panisch entgegen starrte. Buffy blieb vor Entsetzen das Herz stehen, der Angreifer musste sich nur fallenlassen, um ihrer kleinen Schwester das Genick zu brechen. Oder mit seinen gewaltigen Fangzähnen zustoßen und ihr die Kehle herausreißen.
 

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Am Hafen, vor dem Black Pearl,

selbe Zeit

“Weglaufen bringt nichts, Warren!“ In einem Wirbel aus zuckenden Flammen erschien Gretchen wieder vor ihm, und pustete sich die Asche von ihrem violetten Minikleidchen. “Teleportieren geht nämlich schneller, musst du wissen. Oder wie ihr Geeks so schön dazu sagt: ’Beamen’!“
 

“Du kannst mir nichts tun!“ Warren’s Stimme zitterte, und er fühlte das Pochen seines Herzens bis in den Hals hinauf. “Wenn du mich angreifst, dann legst du dich auch mit meinen Freunden an. Mächtige Freunde! Und du kriegst jede Menge Ärger, das schwör’ ich dir!“
 

“Mächtige Freunde?“ Gretchen zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. “Ich seh’ hier jedenfalls keine.
 

“Du weißt ganz genau, von wem ich rede!“ Wenn er sie nur lange genug hinhalten konnte, würde vielleicht jemand im Black Pearl bemerken, dass er in Schwierigkeiten war und Hilfe holen. Für irgendwas musste diese Gemeinschaft ja gut sein.
 

“Mach’ dir bloß nicht in die Hose,“ sie grinste verächtlich. “Wenn Lord D’Hoffryn dich wirklich hätte umbringen wollen, dann hätte er’s längst getan, Malkuth hin oder her. Aber den ganzen Trouble mit Bartholomew und seinen Spießgesellen warst du ihm einfach nicht wert. Soviel Stress für ein bisschen Energie? Nein, danke!“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und hielt mitten in der Bewegung inne, um ihren Nagellack zu begutachten.
 

“Was willst du überhaupt?“ fragte Warren, der nur sehr schwer seine Erleichterung darüber verbergen konnte, dass sie nicht gekommen war, um ihn umzubringen.
 

“Dir ein Angebot unterbreiten.“ Ihre Stimme schlug einen Geschäftston an. “Was würdest du davon halten, wieder Teil der Familie zu werden? Mit allen Fähigkeiten und Kräften, die einem als Rachedämon so zur Verfügung stehen? Einschließlich Wünsche erfüllen, ewiges Leben und...“sie verschwand in einem Feuerwirbel, um einen Augenblick später dicht neben ihm zu erscheinen... “Beam me up, Scotty!“
 

Sie neigte sich nach vorne und biss ihm ins Ohrläppchen. “Und wenn Lord D’Hoffryn mit dir zufrieden ist, lässt er dich vielleicht sogar wieder ein bisschen mit dem Feuer spielen. Nur für den Fall, dass es da noch irgendwelche Schlampen von Jägerinnen gibt, an denen du dich rächen willst. Na, was würdest du davon halten?“
 

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Friedhof in Cleveland,

etwas später

Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, panische Mädchenaugen blickten in ebenso panische Dämonenaugen, diese seltsamen schlangenartigen Schlitze, welche immer noch glühend über ihr schwebten.
 

Dann verschwanden sie. Die Kreatur hatte sich abgewandt.
 

”DAWN!” schrie Buffy, nickte ihrer Schwester zu, die sie geschockt ansah, und warf ihr das Schwert zu.
 

Sie sprang hoch, fischte die Waffe aus der Luft, doch sie machte keinerlei Anstalten, dem Dämon zu folgen. Verwundert flogen die Blicke der anderen drei Jägerinnen zwischen Dawn und dem Naga hin und her, welcher sich in Windeseile den Kiesweg bis zum Ausgang entlang schlängelte, sich den nächsten Kanaldeckel suchte, durch den er passte, und daraufhin im Untergrund von Cleveland verschwand.
 

”Was war das denn?” fragte Buffy und blickte verwirrt von Faith über Ronah zu Dawn. Die ersten beiden zuckten allerdings nur mit den Schultern und warteten dann ebenfalls neugierig auf die Antwort von Buffy’s Schwester.
 

”Na ja... er hat mir nichts getan, er wollte einfach nur weg...” murmelte Dawn und starrte noch immer in die Richtung, in die der Dämon geflohen war. ”Er hätte mich töten können, aber das hat er nicht... wie soll ich ihn da noch angreifen?
 

”Oh, und dann hat er gegen uns gekämpft, weil es ihm von einer höheren Macht befohlen wurde? Denkst du er hört Stimmen? Vielleicht war es ja ein schizophrener Naga..” antwortete Faith ein wenig spöttisch, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit machte.
 

”Das ist nicht witzig!” schrie Buffy, die noch am ganzen Körper zitterte. ”Dawn hätte sterben können!”
 

”Aber ich lebe noch.” Entschieden drehte sich Dawn wieder zu ihrer Schwester. ”Er hat mich nicht angegriffen, ja eigentlich überhaupt keinen von uns. Vorhin hätte er dir mit einem Schlag von seinem Schwanz alle Rippen brechen können, aber auch das hat er nicht. Er wollte einfach nur von uns und dem Feuer weg.
 

”Apropos Feuer, wir sollten schleunigst hier verschwinden. Die Feuerwehr trifft sicher jede Sekunde hier ein..” merkte Ronah an, woraufhin die anderen Jägerinnen nickten und auf den Ausgang zuliefen. Das Heulen der Sirenen war um einiges lauter geworden, als zuvor.
 

Sobald sie den Friedhof verlassen hatten, bogen die Jägerinnen in die Straße in Richtung des Wächterhauses ein und sahen nachdenklich in die Dunkelheit.
 

Nach einigen langen Minuten voller Schweigen erbarmte sich Buffy und ergriff endlich das Wort. ”Okay, er hat dich verschont, aber ich weiß trotzdem nicht, ob es richtig war, ihn fliehen zu lassen.” Sie bemühte sich, den Vorwurf in ihrer Stimme möglichst klein zu halten. ”Ich bin Naga Dämonen bisher zweimal begegnet, und beide Male waren sie sehr gefährlich und schreckten absolut nicht davor zurück, Menschen zu töten..”
 

”Na ja, aber mir kam es einfach richtig vor. Weißt du, ich hatte so ein Gefühl, tief in meinem Inneren ...” Dawn blickte zu ihrer Schwester und suchte Augenkontakt. ”Du hast mir immer erzählt, dass Jägerinnen wichtige Entscheidungen oft nach ihren Gefühlen fällen sollen, weil diese einen meist nicht trügen. Und für mich war es richtig, ihn gehen zu lassen... er hat doch genau dasselbe getan.”
 

”Instinkte, nicht Gefühle...” entgegnete Buffy. ” Dawn, deine Gefühle in allen Ehren, aber für mich erschien der Naga gefährlich genug, um einen Grund zu haben, ihn zu verfolgen. Natürlich sollten wir nicht so einfach alles umbringen, was uns über den Weg läuft, schließlich sind wir die Guten...” sie suchte nach den richtigen Worten.
 

Faith hielt kurz im Laufen inne, und sah für den Bruchteil einer Sekunde zu Buffy. Eigentlich wollte sie sich nicht in eine Auseinandersetzung zwischen den Schwestern einmischen, aber hier ging es um mehr, als um Dawn’s Training und geschwisterliche Beziehungen. ”Was meinst du damit B? Ich meine, hallo, wir sind Jägerinnen. Das war ein Dämon.”
 

”Du redest schon beinahe wie sie...”
 

”Was meinst du damit?” Verwundert blickten die Jägerinnen zu Ronah. Auch sie hatte bis jetzt geschwiegen, um sich nicht in den Schwesternstreit einzumischen.
 

”Nicht so wichtig,” wehrte Ronah ab, aber als die anderen sie weiterhin anblickten, fügte sie vorsichtig hinzu. ”Sie hat gesagt, dass die offizielle Aufgabe einer Jägerin darin besteht, alle Dämonen zu jagen, und zu vernichten. Sie meinte, dass diese Welt den Menschen gehört und Dämonen in ihren eigenen Welten bleiben sollen...”
 

”Es ist vollkommen egal, was sie jemals gesagt hat!” Finster starrte Faith zu Boden.
 

”Und was ist mit Clem oder Mo? Das sind doch auch Dämonen, und trotzdem unsere Freunde, oder zumindest Bekannte. Von Angel, Spike und Anya ganz zu schweigen. Sollen wir ein paar Dämonen einen Zettel mit der Aufschrift ”harmlos” um den Hals hängen und alle anderen einfach so vernichten?” fragte Dawn.
 

”Du hast ja Recht...” Buffy nickte. ”Klar, wir sollten unsere Energie natürlich auf die ‘bösen’ Dämonen konzentrieren, von denen Menschen Gefahr droht. Aber wer sagt dir denn, dass dieser Naga nicht schon nächste Nacht ein junges Mädchen umbringt?”
 

”Genau. Wie sollen wir denn erkennen, ob es sich bei Dämonen um die bösen oder um die weniger bösen handelt?” warf Faith ein. ”Sie tragen ja keine Schilder, auf denen das steht, so wie in Andrew’s komischen Büchern.”
 

”Und in vielen Fällen fällt auch die freundliche Unterhaltung weg, da ich selbst eigentlich keine einzige dämonische Sprache beherrsche..” sagte Ronah leicht zynisch.
 

”Hm, ich weiß auch nicht,” überlegte Dawn, nachdem die Gruppe eine größere Straße überquert hatte. ”Der Naga hat uns jedenfalls nicht angegriffen...”
 

”Ja und? Sollen wir jetzt bei jedem Dämon darauf warten, dass er zuerst angreift? Muss so ein Naga Dämon erst ein Kind getötet haben, bevor wir ihn vernichten dürfen?” fragte Faith leicht aufgebracht.
 

”Nein, so meinte Dawn das nicht, denk ich zumindest...” überlegte Buffy. ”Es ist einfach eine verdammt schwierige Situation. Einerseits hat Faith Recht, auf der Straße weiß man doch nicht, ...” die Gruppe blieb abrupt an einer Kreuzung stehen, als ein dunkelroter Chrysler an ihnen vorbei schoss.
 

”Idiot...” murmelte Faith, blickte dann aber wieder zu Buffy.
 

”...wer gestern oder vorgestern jemanden gekillt hat.” beendete diese ihren Satz.
 

Sie lehnte sich nach vorne. “Aber andererseits gibt uns das Jägerinnendasein keine Lizenz zum Töten. Ich denke nicht, dass wir das Recht haben, Kreaturen einfach umzubringen, nur weil sie anders sind, als wir.“
 

”Das ist ja alles ziemlich schwammig..” stellte Dawn fest und sah die anderen leicht verwirrt an.
 

”Ich denke, wir sollten mal mit Giles darüber sprechen, ” überlegte Buffy, ”oder mit Robin,” fügte sie mit einem Blick zu Faith hinzu, während sie ein weiteres Mal nach links einbogen und dann nur noch wenige Meter von der Ratszentrale entfernt waren, der Zentrale, die keine mehr war. ”Vielleicht haben die schlauen Bücher ja etwas zu dem Thema zu sagen.”
 

Der letzte Satz klang allerdings nicht wirklich überzeugt. Giles’ Bücher mochten hilfreich sein, wenn es um Informationen ging, aber bei moralischen Fragen konnten sie wohl schwerlich Unterstützung liefern.
 

Vermutlich hatte Dawn Recht und die alten Herren in England hatten es sich in der Vergangenheit wieder mal zu einfach gemacht.
 

++++
 

Am Hafen, vor dem Black Pearl,

selbe Zeit

“Das kann nicht dein Ernst sein!“ Gretchen fiel die Kinnlade herunter. “Ich muss mich wohl verhört haben?“
 

“Was ist an ’Nein, danke’ so schwer zu verstehen?“ wollte Warren genervt wissen. Er spähte zum Black Pearl hinüber, welches gerade ein paar Dämonen ausspuckte. Wo zum Teufel blieb Andrew?
 

“Du kriegst das Angebot deines Lebens und lehnst es ab?“ fragte sie fassungslos. “Warren, was ist los mit dir? Ich dachte, du wärst ein cooler Oberfinsterling, und keine Lusche!“ Ihre Stimme nahm einen lauernden Tonfall an. “Oder bist du jetzt geläutert, und willst einer von den Guten sein?“
 

“Ich – einer von den Guten? Träum weiter!“ Spöttisch lachte Warren auf. “Nur damit du’s weißt, ich bin immer noch ein cooler Oberfinsterling. Ich hab’ nur keinen Bock auf eure Spielchen, das ist alles. Mein Leben ist okay, so wie’s jetzt ist, und ich brauch’ keinen Ärger mit rachsüchtigen Kerlen, zickigen Weibern, und nervtötenden Jägerinnen.“
 

“Wie du willst,“ entgegnete sie kühl. “Aber lass dir eines gesagt sein. Du wirst schon bald sehr viel mehr Ärger haben, als dir lieb ist. Und weder dein ach-so-tolles Malkuth, noch dein kleiner Mr. Spock werden dir da wieder raus helfen können.“
 

“Droh mir nicht,“ entgegnete Warren gelassen. Er hatte keine Angst mehr vor ihr.
 

Gretchen öffnete ihre Handtasche und kramte zwischen Puderdose, Lippenstift und Nagellack einen Talisman hervor. “Hier. Falls du doch noch zur Vernunft kommst, bevor es zu spät ist.“
 

Sie schnippte mit den Fingern und löste sich in Flammen auf, während er nachdenklich das Amulett betrachtete. Rachedämon sein, war schon cool mit all den Kräften, aber es würde sein Leben unnötig kompliziert machen.
 

Natürlich hatte er nicht vor, den Rest seines Lebens für diese Dämonenstadt Elektriker zu spielen. Vielleicht ließ sich Andrew doch irgendwann überreden, wieder zurück nach California zu gehen, wenn er erst mal von seinem Weltrettungstrip runter war. Oder sie würden irgendwo ganz anders hingehen und etwas völlig Neues machen. Den Begriff Oberfinsterling konnte man schließlich auch ein bisschen großzügiger definieren, dazu musste man nicht unbedingt Banken überfallen, oder Jägerinnen killen.
 

Solange Andrew wusste, dass er der fieseste Bösewicht aller Zeiten war, passte das schon. Und Andrew wusste das, auch wenn er ständig dumme Sprüche darüber abließ, dass Til Schweiger und Klaus Kinski den besseren deutschen Akzent hatten.
 

Der schwache Geruch von Andrew’s Haaren stieg ihm in die Nase und er fühlte, wie das Blut durch seinen Körper schoss. Wer hätte jemals gedacht, dass das alles einmal so kommen würde? Andrew war ja nicht mal ein Mädchen, wobei – als Kerl konnte man ihn auch nicht bezeichnen, also passte das schon. Andrew war...eigentlich gab es überhaupt keine Möglichkeit, Andrew zu definieren, außer einer eigenen Spezies. Zugegeben, weitläufig verwandt mit Tribbles, Ewoks, Elfen und kleinen maunzenden Wuschelviechern mit Glubschaugen.
 

Eine frische Brise kam auf und ließ ihn frösteln. Er griff nach seiner Lederjacke, um sie sich um die Schultern zu legen und sein Blick fiel auf die schnabelartige Narbe an seinem Oberarm. Ganz verschwinden würde sie wohl nie, das hatten alte Narben so an sich. Probehalber schob er sein T-Shirt hoch und tastete nach dem Wundmal der Pistolenkugel auf seiner Brust. Auch das würde ihm bleiben.
 

Auf der Innenseite seines linken Armes befand sich ein blauer Fleck. Das gehörte zu den Wunden, die wieder heilten. Bis man dann wieder neue blaue Flecke bekam...
 

Nein, das war kein blauer Fleck. Es war eine graue Stelle auf der Haut, grau wie Asche, direkt in seiner Armbeuge. Tat auch nicht weh, wenn man daran rieb. Sah nur ziemlich seltsam aus.
 

Irgendwie...abgestorben.
 

++++
 

Black Pearl,

etwas später

“Finanziell bekommst du es also hin, oder?“ fragte Mo. “Du musst ja auch nicht von heute auf morgen ausziehen. Glaub’ mir, wir verstehen genug von der Welt der Menschen, um zu wissen, dass es kein Kinderspiel ist, in Cleveland eine bezahlbare Wohnung zu finden.“
 

“Ein bisschen hab’ ich schon gespart,“ überlegte Andrew. “Und meine Freunde würden mir sicher auch helfen...“
 

Er hob den Kopf und blickte Mo an. “Aber darum geht es doch überhaupt nicht! Es ist nicht wegen Geld, oder weil es so schwierig ist, eine Wohnung zu finden. Es ist...es ist, weil ich es einfach nicht will...“
 

Mo wollte wieder zu einer Erklärung ansetzen, doch Andrew war noch nicht fertig. “Bitte lass mich ausreden. Ich weiß zwar nicht, wie ich dir das erklären soll, aber... du weißt nicht, was es für mich bedeutet, wieder mit Warren zusammen sein zu können. Ich hab’ so lange geglaubt, ich sehe ihn nie wieder...es kommt mir immer noch wie ein Wunder vor. Das ist es ja auch. Ein Wunder.“
 

Scheu senkte er den Blick. “Und ich will nicht wieder zurück zu den Wochenendtreffen. Ich will abends neben ihm einschlafen und morgens neben ihm aufwachen. Mit ihm zusammen essen, rumalbern, und vor der Glotze rumgammeln. Mich mit ihm streiten, wer die nächste Tube Zahnpasta kauft, und wer wann mit Abspülen dran ist. Ist das falsch? Ist das etwa zu viel verlangt?“
 

“Andrew, es tut mir wirklich leid.“ Die Traurigkeit in Mo’s Stimme war nicht zu überhören.
 

“Es braucht dir nicht leid zu tun.“ Andrew schüttelte den Kopf. “Da draußen herrscht schon wieder Krieg, die Reiter des Todes galoppieren in der Welt herum, und mit ihnen wahrscheinlich auch schon der nächste Weltuntergang. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch mit Warren bleibt, aber eins weiß ich ganz sicher, ich werd’ sie mir von niemandem wegnehmen lassen. Und am allerwenigsten von irgendwelchen dummen Gesetzen!“
 

Er holte tief Luft. “Wenn es sein muss, werd’ ich rausgehen, und mich vom nächst besten Werwolf beißen lassen! Dann bin ich euch hoffentlich Dämon genug!“ Herausfordernd blickte er seinen Gesprächspartner an und wartete auf Widerspruch.
 

“Wie ernst ist es dir damit?“ fragte Mo.
 

AKT 2
 

Malkuth, Warren’s und Andrew’s Wohnung

zwei Tage später, früher Morgen

Wie ernst es ihm war? Absolut ernst. Auch wenn ein Werwolf vielleicht nicht unbedingt die beste Idee war. Man konnte zwar fünfundzwanzig Tage pro Mondmonat ganz normal leben, aber wenn man die restlichen drei nicht richtig eingesperrt war, dann brachte man Leute um. Das war nicht gut.
 

Vampir schied auch aus. Buffy würde ihn sofort pfählen, außerdem war man als Vampir nicht wirklich man selber. Außer man war Spike.
 

Vielleicht ein Fyarl, die waren so richtig wild und stark. Giles war einmal ein Fyarl gewesen, hatte Dawn erzählt. Aber die hatten so hässliche Hörner. Und außerdem, wenn er zu stark war, dann konnte er sich nicht mehr so gut von Warren überwältigen lassen, ohne dass es total gestellt wirkte. Das war peinlich.
 

Oder ein Rwasundi, die konnten in der Zeit herumspringen. Das war cool, dann konnte man ein Erdnussbutter Sandwich haben, das man sich noch gar nicht geschmiert hatte. Oder multiple Orgasmen, bis man davon blind wurde...
 

Nein, die hatten Schuppen. Die Rwasundi natürlich, nicht die Orgasmen. Schuppen waren ganz sicher nicht cool.
 

Und irgendwie wurde er den Verdacht nicht los, dass Kennedy ihn ganz gewaltig angeschwindelt hatte.
 

Andrew lauschte auf die Geräusche von draußen. In Malkuth war es niemals völlig still, auch nachts nicht. Die Dämonen hatten völlig verschiedene Schlaf- und Lebensrhythmen, so dass zu jeder Tages und Nachtzeit jemand seinen Beschäftigungen nachging. Manche Dämonenarten konnte man an ihren Stimmen erkennen, andere sogar an den Geräuschen ihrer Fortbewegung.
 

Was bedeutete es eigentlich, ein Dämon zu sein? War man dann anders, als ein Mensch? Sah man nur anders aus – wenn überhaupt – oder dachte und fühlte man auch anders?
 

Er kuschelte sich tiefer in die Kissen, und schmiegte seinen Rücken an Warren’s Brust. Das Entscheidende an einem Dämon war nicht der Körper, es war die Essenz, hatte Mo erklärt, doch um ehrlich zu sein, verstand er es nicht genau. War damit vielleicht die Seele gemeint?
 

Nach den Gesetzen von Malkuth war auch Warren dämonisch, nicht deshalb, weil er zuvor ein Rachedämon gewesen war, sondern weil er ein künstliches Leben durch Schwarze Magie erhalten hatte. War seine Seele dadurch anders als vorher?
 

Oder hatte es gar nichts mit der Seele zu tun? Buffy’s Auferstehung hatte angeblich nicht ihre Seele verändert, sondern nur ihre Molekularstruktur. Also lief es vielleicht doch wieder auf körperliche Dinge hinaus...
 

Buffy würde ganz schön sauer sein, wenn er ihr erzählte, dass sie nach den Gesetzen Malkuth’s ein Dämon war. Das würde ihr mit Sicherheit nicht gefallen....
 

”Geh weg!” Warren rollte sich im Halbschlaf herum und schubste Andrew zur Seite. Dieser krabbelte unter der Decke hervor, und begann nach Klamotten zu suchen. Giles wollte heute ein Treffen von früh bis abends, es gab einiges zu recherchieren und zu besprechen. Neue Erkenntnisse über die Reiter, die Probleme mit Lily und dem Rat und natürlich die nicht enden wollende Suche nach dem Unsterblichen.
 

”Singing, soon I’m gonna be a Jedi!” Leise vor sich hinträllernd, hüpfte er in Richtung Küche davon, setzte Milch und Kaffeewasser auf, wechselte irgendwann mittendrin Film und Lied, und versuchte den letzten Rest vom Schokosirup aus der Flasche zu quetschen. ”Shower to the left, and shower to the right... weil wir so schön sind, so schlau sind, so rank und schlank!”
 

”Muss das sein!” schimpfte Warren von drüben.
 

”Willst du Kaffee, oder nicht?”
 

”Aber auf Til Schweiger als Han Solo Verschnitt kann ich verzichten.”
 

”Ich doch auch. Ich mag ihn nur als Bösewicht! Rrrrrr!” Andrew gab einen Schnurrlaut von sich, ignorierte Warren’s Protestgeheul und widmete sich dem Toast.
 

Es überraschte ihn immer wieder, wie ähnlich ihre Wohnung hier unten doch denjenigen auf der Erde war. Sicher der Herd sah aus, wie aus den siebziger Jahren, der Kühlschrank war auch nicht das neueste Modell, und geheizt wurde mit Kohleöfen, wobei man eigentlich fast nie heizen musste. Dank der Feuer und Fackeln in den Gängen war es immer ziemlich warm, zu warm, fand Warren. Andrew, der die Wärme liebte, war vollauf zufrieden damit.
 

Trotz der altertümlichen Atmosphäre, die in der Stadt herrschte, bevorzugten es die meisten Dämonen, ihre Behausungen modern einzurichten. Die elektrischen Geräte konnte man sich relativ problemlos aus der Welt der Menschen besorgen.
 

”Was hat der Zaddik überhaupt gewollt? Du hast es mir immer noch nicht gesagt!”
 

Andere verließen sich lieber auf magische Kräfte, was eigentlich auch viel romantischer war, und besser zur Atmosphäre passte. Doch nachdem Andrew bei einem Versuch den Toast mittels eines Feuerrituals zuzubereiten die Vorhänge in Brand gesteckt hatte, verließ er sich lieber auf einen guten amerikanischen Toaster ’Made in Taiwan’.
 

”Hey, Saftsack, ich red’ mit dir!”
 

”Wir reden heut’ Abend drüber, okay?” Andrew hatte Warren noch nichts Genaues von dem Gespräch mit Mo erzählt. Zunächst einmal wollte er in Ruhe über alles nachdenken, ohne Warren’s Überredungsversuche, und dass Warren versuchen würde, ihn zu überreden, stand eigentlich außer Frage. Alles was ihn näher zu Warren und weiter von Buffy und ihren anonymen Apokalypsenanhaltern wegbrachte, war in Warren’s Augen gut und richtig.
 

Wie würden Buffy, Dawn und die anderen reagieren, wenn er plötzlich Hörner, oder einen Schwanz hätte? Würden sie ihn am Ende doch noch aus der Gang werfen? Oder sogar umbringen?
 

Von draußen war ein Scharren zu hören, und er blickte durch das runde Fenster hinaus auf die Straße. Eine Clique Jugendlicher spazierte, kroch und flatterte vorbei, unter ihnen auch Sundari und Arjuna, der einen dicken Verband um seinen Schlangenschwanz trug, und sich nur mühsam fortbewegen konnte.
 

”Gar nichts ist okay! Ich will endlich wissen, was Mr. Keilerzahn von dir wollte. Hat es etwas mit mir zu tun?”
 

”Nicht alles auf der Welt hat etwas mit dir zu tun.” Andrew sammelte Warren’s Kaffee, seinen Kakao, und dazu Toast, Jelly und Erdnussbutter zusammen und schleppte alles ins Wohnschlafzimmer zurück, wo er die Sachen auf der Bettdecke ausbreitete. ”Lass uns Krümel machen!”
 

”Doch,” grinste Warren. ”Die Welt dreht sich ausschließlich um mich.”
 

”Heute ist Mittwoch, Plastic. Mittwochs tragen wir pink.” Andrew tauchte ein Stück Toast in die Erdnussbutter und stopfte es in Warren’s Mund. ”Autsch, nicht meinen Finger!”
 

Um sich zu rächen, hielt er drohend seine bereits leere Kakaotasse über Warren’s Kopf, doch dieser durchschaute den Trick, packte Andrew’s Handgelenk und zog den anderen Jungen zu sich heran, um ihn einen Augenblick später unter sich zu begraben. Klirrend fielen Erdnussbutter und Jelly Gläser zu Boden, und rollten in verschiedene Ecken davon.
 

”Vorsicht, pass auf deinen wehen Arm auf!” Mit besorgtem Blick sah Andrew zu seinem Freund hoch. Seit gestern trug Warren seinen Arm in einer Schlinge, er hatte sich bei der Arbeit verletzt. Andrew war halb in Panik geraten, doch Warren hatte ihm versichert, dass es nicht schlimm sei.
 

”Is’ doch nur’n Kratzer.” Warren mimte den tapferen Überlebenden eines Kriegsdramas und setzte eine Heldenmiene auf, was ihm allerdings nicht ganz gelingen wollte, da ihm Kakao über die Wange lief. Andrew’s Tasse war wohl doch nicht ganz leer gewesen.
 

”Hmmmm...Schokolaaaaade...”
 

”Lass mein Gesicht noch dran, du gefräßiges Fressviech!”
 

”Warren, was hast du da.” Andrew hielt mitten in der Bewegung inne, angestrengt fixierten seine blauen Augen Warren’s Halsbeuge. ”Das da unten ist kein Schokofleck, es sei denn, Bertie Bott’s Bohnen mit Betongeschmack.”
 

”Is’ doch nur’n Leberfleck.” Der schwarzhaarige Junge rollte sich weg, und ignorierte das Protestgequieke seines Freundes. ”Hey, Decke dableiben! Kaaaaalt!”
 

”Musst du nicht langsam los?” wollte er wissen. ”Ihr habt doch wieder Treffen der Anonymen Apokalypsenanhalter! Nicht, dass du noch zu spät kommst, und Superzicke dir den Hintern versohlt!”
 

Andrew rollte mit den Augen, es war immer dasselbe. Jedes Mal wenn er zu den Scoobietreffen ging, veranstaltete Warren das übliche Theater. ”Ich geh’ die Welt retten,” beschwerte er sich, ”also warum kannst du nicht einfach sagen: ’Los, schnapp sie dir, Tiger!’
 

”Und warum kannst du nicht einfach sagen, ‘Du kannst ihn reinstecken, wo du willst?‘” konterte Warren.
 

”Duh. Weil du keinen kleinen schwarzen Flitzer hast?”
 

”Und wenn du unbedingt ein Superheld sein willst, dann besorg‘ dir erst mal ein anständiges Kostüm.”
 

”Falls es dir nicht gut geht, kann ich auch hier bleiben und mich um dich kümmern,” schlug Andrew besorgt vor. ”Es ist nur ein Routinetreffen, viel Recherche und so. Genau wie das letzte.”
 

”Nein, ich will schlafen und meine Ruhe haben.” Knurrend zog sich Warren die Bettdecke über den Kopf.
 

”Okay, ruh dich aus. Ich bin bald wieder zurück,” flüsterte Andrew.
 

++++
 

Wächterhaus,

vormittags

Das Marsha Hunt Poster hing immer noch an derselben Stelle, auch das Spielbrett war längst wieder aufgestellt und die schwarzen und roten Soldaten, Reiter und Kanonen tummelten sich darauf. Leider immer noch viel zu wenige grüne.
 

Das erste, was Giles tat, als sich alle um den großen Konferenztisch versammelt hatten, war zum Filzschreiber zu greifen, und ein großes X auf die Rückseite des Posters zu malen. In die Rubrik Verbündete, wie die Gruppe erstaunt feststellte. Verwunderte Blicke folgten ihm, und Dawn stieß ein leises ”oh” aus.
 

”Ich kann euch leider keine Namen nennen, unser neuer Informant möchte absolut anonym bleiben.” Nachdenklich wandte Giles seine Augen von einem zum nächsten. Täuschte sich Robin, oder blieb sein Blick an ihm etwas länger hängen?
 

Den anderen war nichts aufgefallen. Willow sah blass und übermüdet aus, ihre Augen starr auf das Spielbrett gerichtet, und ignorierte Kennedy’s besorgte Miene. Dawn und Andrew wechselten ein paar Worte mit Ronah, die ihnen gerade Photos von Cliff’s Familie gezeigt hatte. Buffy und Faith schienen beide ein wenig unruhig, spielten mit ihren Pflöcken herum. Einzig allein Xander wirkte einigermaßen entspannt, seine säuerliche Miene der letzten Zeit endlich verschwunden.
 

Giles hatte das Buch über die Reiter des Todes mitten auf den Tisch gelegt, daneben den ausgedruckten Übersetzungstext. In den letzten Treffen hatten sie das Buch von vorne bis hinten durchgekaut, doch es enthielt nur wenig Konkretes, hauptsächlich verwirrende Prophezeiungen, deren Symbolik man erst entschlüsseln musste. Was sie natürlich auch versucht hatten, indem sie weitere Bücher zu Rate zogen.
 

”Wie wir bereits wissen, läuft alles darauf hinaus, dass die drei Reiter ohne den vierten nicht ihre volle Macht entfalten können,” erklärte Giles. ”Wir wissen, dass der vierte Reiter sich irgendwo in Nordamerika befinden muss, und wir nehmen an, dass dies auch das Ziel der anderen drei sein wird.”
 

”Aber selbst wenn die drei den vierten finden, sie alleine können ihn ja nicht befreien,” warf Buffy ein. ”Dazu muss erst das Ritual beendet werden, und wir lassen ganz sicher nicht zu, dass Lily Dawn noch mal in die Finger kriegt!”
 

”Will sie das überhaupt?” überlegte Dawn. ”Braucht sie die Reiter für ihre Pläne? Was sind das überhaupt für Pläne, abgesehen von: Den Rat übernehmen und uns alle umbringen?”
 

”Was passiert denn überhaupt mit den anderen dreien, wenn der vierte nicht befreit wird?” fragte Xander. ”Galoppieren sie bis in alle Ewigkeit herum, oder gehen ihnen irgendwann die Kräfte aus? Falls ja, müsste man einfach nur abwarten, bis das passiert, und wir wären sie los!”
 

Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf. ”Nein, das wäre nämlich einfach. Und dieses Wort steht nicht im Scooby Lexikon.”
 

”Unser Informant wird versuchen, uns Zugang zu den Kontakten des Rats zu verschaffen,” nahm Giles seine Ausführungen wieder auf. ”vielleicht haben wir dadurch eine Möglichkeit, die jeweiligen Vereinigungen zu finden, welche die einzelnen Reiter bewachen, und können von ihnen noch mehr erfahren. Aber selbst wenn – wir müssen davon ausgehen, dass Lily vor uns mit ihnen gesprochen hat. Sie ist uns in allem einen Schritt voraus!”
 

Frustriert schlug er mit der Hand auf den Tisch, doch bevor irgendjemand ein mitfühlendes Wort hätte sprechen können, hatte er sich schon wieder gefangen. ”Wir werden uns aufteilen, so wie die letzten Male, und weiter recherchieren. Faith und Buffy, ihr nehmt euch das Buch selbst vor, achtet diesmal auf die Zeichnungen. Wir haben sie bisher zu sehr vernachlässigt. Xander und Andrew, ihr arbeitet mit der Übersetzung weiter. Versucht etwas über das Motiv der Posaune herauszufinden. Dawn und Ronah – Unsterblicher! Kennedy und Willow, ihr hängt euch ans Netz, und recherchiert Schamanengruppierungen in Nordamerika. Robin und ich werden weiter versuchen, Kontakte abzuklappern – falls überhaupt noch jemand mit uns spricht. Noch Fragen?”
 

Motiv der Posaune...
 

Eines von den vielen vielen apokalyptischen Motiven, die immer wieder im Buch auftauchten, und doch nichts Konkretes zu bedeuten hatten. Andrew glaubte nicht, dass sie hier weiterkommen würden, doch er wollte sich den Stress nicht antun, mit Giles zu diskutieren. Gerade jetzt, wo er ohnehin nicht ganz bei der Sache war.
 

Sein Blick glitt immer wieder von dem Buch, das er gerade las, zu den Dämonenenzyklopädien im Regal. Mo hatte von Ritualen gesprochen, mit denen es möglich war, einem Menschen dämonische Essenz zu verleihen, wie er es nannte. Dabei wurde man nicht komplett in eine bestimmte Dämonart verwandelt, sondern behielt sein menschliches Erscheinungsbild bei, ebenso wie den Charakter. Keine Hörner also, und keine Schwänze. Und keine glühenden Augen, oder unkontrollierbare Wutausbrüche.
 

’Du solltest es dir gründlich überlegen,’ hatte Mo ihm eindringlichst eingeschärft. ’Egal für welche Möglichkeit du dich entscheidest, irgendwie wird es dich immer verändern. Selbst wenn du nur eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit, oder einen geschärften Geruchssinn bekommst, oder weniger Schlaf brauchst. Und sollten wir tatsächlich etwas finden, wo du dich hinterher kein bisschen anders fühlst, so darfst du nicht die Reaktion der anderen vergessen. Wie werden deine Freunde reagieren? Die Jägerinnen? Nach ihren Gesetzen ist jeder Dämon Freiwild...’
 

’Das heißt, jede von ihnen könnte mich töten.’ Andrew sah zu Dawn und Ronah hinüber, die sich angestrengt über ein Buch beugten, aber in Wirklichkeit über ihre Jungs redeten. ”Will Cliff auch immer alles für dich bezahlen? Manchmal wird mir das zuviel, ich verdiene schließlich auch...”
 

In den Augen der Dämonen waren diese Mädchen gefährliche Bestien, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Die Welt wurde so kompliziert, wenn man sie von verschiedenen Seiten aus betrachtete.
 

”Wie lange soll das denn noch so weitergehen?” fragte plötzlich eine Stimme neben ihm.
 

Andrew schluckte, doch als er sich Xander zuwandte, war seine Stimme kühl und sein Gesicht emotionslos. ”Ich hab’ keine Ahnung, wovon du redest. Machen wir mit den Recherchen weiter.”
 

Er wollte sich abwenden, doch Xander hielt seine Schulter fest. ”Verdammt noch mal Andrew, du weißt sehr genau, wovon ich rede! Seit Wochen und Monaten schweigen wir uns jetzt an, und tun so, als kennen wir uns nicht. Irgendwie ist das doch lächerlich!”
 

”Ach ja?” Andrew warf einen verächtlichen Blick auf Xander’s Hand, und dieser nahm sie weg. ”Nun vielleicht hängt es damit zusammen, dass wir uns einfach nichts zu sagen haben.”
 

”Sprich für dich selbst, ich hab’ dir jedenfalls ’ne Menge zu sagen,” begann Xander. ”Zum einen, dass es mir leid tut, dass ich mich wie ein Idiot aufgeführt, und dir solche Dinge an den Kopf geworfen hab.’ Aber du musst auch mal versuchen, meine Situation zu verstehen. Monatelang hast du mich angelogen, und dein...dein Freund ist in unserer Wohnung ein- und ausgegangen. Natürlich hab’ ich kein Recht, dir Vorschriften zu machen, mit wem du dich triffst, und es war auch verdammt mies von mir, das zu versuchen, aber ich hab’ zumindest mal ein Mitspracherecht, was meine Wohnung angeht. Das ist mein privater Bereich. Da liegen meine Socken rum und meine Zahnpasta und da hat dieser Kerl nichts verloren. Es ist für mich schwierig genug, mich dran zu gewöhnen, dass du überhaupt mit ihm rumhängst.”
 

”Du musst dich ja nicht dran gewöhnen,” sagte Andrew leise. ”Es kann dir einfach egal sein, was ich tue.”
 

”Verdammt, das ist es aber nicht!” Xander senkte die Stimme, als er bemerkte, dass Ronah und Dawn zu ihnen hinüber sahen. ”Ich fühl’ mich eben für dich verantwortlich, und ich glaube, dass du mitten in eine Katastrophe hineinschlitterst. Das mit dir und ihm – das kann einfach nicht gut gehen. Ist es damals schon nicht und wird es heute wieder nicht. Meiner Meinung nach, ist dieser Typ einfach nicht in der Lage, eine Beziehung zu führen...”
 

”Deine Meinung interessiert mich aber nicht!”
 

”Ist mir schon klar.” Beschwichtigend hob Xander die Hand. ”Aber ich betrachte mich immer noch als deinen Freund, und nehme mir somit das Recht heraus, dir Dinge zu sagen, die du nicht hören willst!”
 

”Du bist nicht mein Freund!” Andrew schrie die Worte fast, die Maske kühler Gleichgültigkeit bröckelte endlich von ihm ab. ”Du warst es nie! All die blöden Lügengeschichten, dass ich dir was bedeuten würde, und in Wirklichkeit hast du dir immer gewünscht, ich wär’ tot. Die ganze Zeit! Du müsstest nur erst wütend genug werden, um es mir zu sagen!”
 

”Ich hab’ mir gewünscht, dass ich Anya wieder hätte!” schrie Xander zurück. ”Verdammt noch mal, ich vermisse sie, und ich kann dabei zusehen, wie du dich mit einem Typen amüsierst, der eigentlich ein Haufen Asche sein sollte! Reicht das denn nicht aus, um sogar den friedlichsten Menschen vor Eifersucht kochen zu lassen? Und weil wir schon mal dabei sind, bei mir waren es nur Gedanken. Und Worte! Du dagegen hast deinen besten Kumpel umgebracht, weil dir so ein rumschwebender Wicht erzählt hat, du kriegst dadurch deinen Freund zurück und ihr könnt bis in alle Ewigkeit auf grünen Wiesen Leier spielen!”

Kaum waren die Worte draußen, da bereute er sie auch schon wieder. Er hatte alles noch schlimmer gemacht, das wusste er, noch bevor er Andrew’s Tränen und seinen von Schmerz gezeichneten Gesichtsausdruck sah. Er trat einen Schritt auf ihn zu, doch der blonde Junge wich vor ihm zurück, drehte sich wortlos um, und rannte zwischen den Bücherregalen hindurch nach draußen.
 

++++
 

Malkuth, Halle von Daath,

selbe Zeit

”Tut mir echt leid, dass wir dich herholen mussten, aber es ging nicht anders!” Verzweifelt kämpften Regil’s ledrige Reptilienhände mit einem verschmorten Kabel. Als es plötzlich Funken sprühte, ließ er es erschrocken los. ”Oops!”
 

”Lass bloß die Finger davon, solang’ das Ding noch an ist!” Warren hockte sich an den PC, und rief die Programme auf, welche die Energieumwandlung überwachten. ”Gib’ lieber mal ’ne Warnung raus, dass ich jetzt den Strom abschalte!”
 

”Okay.” Diensteifrig nickte der Dämon, und eilte davon, um einen Gong zu schlagen. Warren wandte sich wieder dem Computer zu, und fluchte leise vor sich hin, er war es nicht gewohnt, mit nur einer Hand zu tippen. Warum musste es heut’ auch unbedingt schon wieder Probleme mit dem Strom geben? Mit einem entschlossenen Ruck zog er seinen verbundenen Arm aus der Schlinge und tippte mit allen zehn Fingern weiter. Wäre doch gelacht, wenn er das nicht hinkriegen würde.
 

Weit unter ihm, in der Halle von Daath funkelten die Energiewellen in den verschiedensten Farben, wie die Lichter eines Feuerwerks. Ringförmig liefen sie auseinander, brachen sich leise knisternd an den tiefschwarzen steinernen Wänden der Halle. Silbrige Elektroden nahmen sie dort auf, um sie zu speichern, und in elektrische Impulse umzuwandeln, welche dann in das Stromnetz der Stadt eingespeist wurden.
 

Die Halle von Daath konnte als Einzige nicht betreten werden, da sie keinen Boden besaß. Man konnte sie nur auf einem schmalen, spiralförmig gewundenen Pfad umrunden, welcher in einer Plattform unterhalb der Decke mündete, eben jener Plattform auf der er sich jetzt befand.
 

Irgendwann demnächst musste er Andrew mit hier runter nehmen. Die kleine Nervensäge würde von dem schillernden Farbenspiel begeistert sein. ’Ein Lichtermeer!’ würde er ausrufen, mit dem Finger auf besonders schöne Leuchtformationen zeigen und sich so weit nach vorne lehnen, dass man unweigerlich das Bedürfnis bekam, ihn festzuhalten, bevor er in die bodenlose Tiefe stürzen konnte.
 

Wenn man lange genug in den Abgrund blickte, dann blickte der Abgrund in einen selbst zurück. Vielleicht war dies der Grund, warum Warren immer nur für eine gewisse Zeit die tanzenden Lichter betrachten konnte.
 

Die Stromversorgung hatte es schon vorher gegeben, doch es war seine Idee gewesen, das Ganze zu computerisieren. Er hatte ein Programm geschrieben, welches die Energiefluktuationen genau abmessen, und die Energieaufnahme dementsprechend angleichen konnte. Da die Fluktuationen einem bestimmten Rhythmus unterworfen waren, konnte das Programm sogar vorhersagen, wann die Energie wie stark sein würde und sich anpassen, bevor die Sicherungskabel durchgeschmort wurden.
 

Aber in letzter Zeit hatte dieser Rhythmus sich verändert. Es gab stärkere und vor allen Dingen schnellere Energieausstöße und das Programm war darauf noch nicht eingerichtet. In den letzten Wochen hatte er ein wenig damit herumprobiert, aber noch keine absolute Lösung gefunden. So mussten sie sich hin und wieder mit einem Stromausfall herumschlagen.
 

Die Bewohner von Malkuth machten kein großes Drama draus, sie waren es gewohnt. Nicht ohne Stolz dachte er daran, dass es vor seiner Ankunft mindestens zweimal die Woche einen Ausfall gegeben hatte. Seit er hier das Sagen hatte, war alles anders...wenn es etwas auf dieser Welt gab, in dem ihm keiner über war, dann war es Elektronik.
 

Er drehte sich auf seinem Bürostuhl herum, als er Regil’s Schritte auf dem Pfad hörte. ”Du und Dozer, ihr könnt jetzt die Sicherungskabel austauschen. Und dann geh’ so schnell wie möglich neue besorgen, das sind nämlich unsere Letzten.”
 

Ein wenig nervös trat Regil von einem Fuß auf den anderen. ”Das Einkaufen muss Dozer erledigen, ich...uhm... ich darf bis zu meiner Verhandlung die Stadt nicht verlassen.”
 

”Ach, stimmt ja.” Jetzt fiel es Warren wieder ein. ”Was musstest du aber auch so ’nen Scheiß machen! Soviel Ärger nur wegen ein bisschen Kohle! Kannst nur hoffen, dass Bartholomew dich da irgendwie raushaut, sonst darfst du die nächsten zehn Jahre im Gemeinschaftsdienst schuften.”
 

Mit steinernem Gesichtsausdruck starrte der Dämon zu Boden. ”Du, ganz ehrlich, ich glaub’ nicht, dass ich mit Gemeinschaftsdienst davon komme. Das ist ’ne große Sache gewesen, wo ich da rein geraten bin, Ärger mit den Jägerinnen und die ganze Palette. Ich hätt’ nie gedacht, dass ich Trouble mit den Jägerinnen kriege, wenn ich FÜR eine Wächterin arbeite. Ich dachte immer, die gehören zusammen...” Kopfschüttelnd begann er damit, das verschmorte Kabel abzumontieren. ”Mein Bruder arbeitet schon seit vier Jahren für die Organisation und hatte noch nie Ärger mit Jägerinnen. Mann, hat der mich vielleicht ausgelacht, als ich nach Malkuth gegangen bin...Dozer, wo bleiben die Kabel?”
 

Ein weiterer der kleinen ledrigen Echsendämonen kam angerannt, zwei neue Kabel über der Schulter. Für eine Weile waren nur das geschäftige Quietschen der Schrauben und Zangen, und Warren’s Tippen auf der Tastatur zu hören.
 

”Alles klar, Boss, Kabel sitzen fest. Du kannst den Strom jederzeit wieder einschalten!” Regil begutachtete noch einmal sein Werk und richtete sich dann auf.
 

”Wieso bist du eigentlich noch hier?” fragte Warren plötzlich.
 

”Wie meinst du das?” Regil schien verwirrt. ”Ich arbeite doch hier.”
 

”Nein, ich meine hier in der Stadt. Wenn dir wirklich eine... eine schlimme Strafe droht, warum bist du nicht schon längst abgehauen?”
 

”Weiß nicht.” Regil zuckte mit den Schultern. ”Irgendwie will ich nicht mehr da raus auf die Straße. Malkuth ist doch jetzt mein Zuhause. Und ich kann Dozer nicht allein lassen. Schließlich hab’ ich ihn überredet mit mir hierher zu kommen, nach dem ganzen Trouble mit unserem Alten...ach ist ’ne lange Geschichte.” Er verzog das Gesicht zu einem Grinsen. ”Wird schon hinhauen, ich denk’ einfach mal positiv. Und falls nicht, na ja, dann war ich wenigstens kein Feigling.”
 

’Aber ein Dummkopf,’ dachte Warren, aber natürlich sprach er diesen Gedanken nicht laut aus. Er wandte sich dem PC zu, um die Kombination einzugeben, die den Strom wieder einschaltete.
 

Irgendwas war mit seiner linken Hand nicht in Ordnung. Die verdammten Finger ließen sich nicht mehr bewegen. Wütend haute er auf die Tasten und hätte ums Haar das Programm zum Absturz gebracht. Nur dass es das, Linus und Warren sei Dank, natürlich nicht konnte. Es knisterte leise, als sich der Strom wieder einschaltete.
 

”Ich pack’s dann wieder!” Er stand auf und stieß den Stuhl beiseite. ”Falls noch was is’, gib’ mir Bescheid. Und falls wir uns vorher nicht mehr seh’n – viel Glück bei deiner Verhandlung!”
 

”Danke, Warren.” Regil schluckte. ”Gute Besserung für deinen Arm.”
 

++++
 

Wächterhaus,

etwas später

”Und ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll,” seufzte Xander niedergeschlagen. ”Eigentlich sollte das der erste Schritt zur Versöhnung werden, stattdessen hab’ ich alles nur noch schlimmer gemacht...”
 

”Vielleicht nicht,” überlegte Buffy. ”Zwischen euch sind noch so viele Dinge ungesagt, vielleicht muss es erst noch mal krachen, bevor es besser werden kann. Und wahrscheinlich wird es noch Zeit brauchen. Jetzt solltest du Andrew erst mal eine Weile in Ruhe lassen und ihn nicht bedrängen.”
 

Willow wollte gerade auch etwas hinzufügen, als ihr Gespräch unterbrochen wurde. Zum einen durch das Eintreten von Giles, zum anderen, weil Buffy aufsprang, ein gewinnendes Lächeln aufsetzte und Giles ansprach:
 

”Der richtige Mann zur richtigen Zeit. Also ich meine... passend zu meinen drängenden Fragen... was ich damit sagen will...,” korrigierte Buffy, als Giles sie etwas irritiert ansah. ”Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?”
 

”Aber sicher doch, Buffy. Um was geht es?” Er wies zur Tür zurück, durch welche er gerade eben erst gekommen war.
 

”Um was ziemlich Kompliziertes...,” Buffy warf ihren Freunden einen entschuldigenden Blick zu und ging von Giles gefolgt nach draußen auf den Flur, während sich Willow und Xander nach der kurzen Unterbrechung wieder dem Thema Andrew zuwandten. Die Stimme von Willow begleitete Buffy und Giles auf ihrem kurzen Weg zum ruhigeren Büro.
 

”Weißt du Xander, Buffy hat Recht. Gib’ Andrew etwas mehr Zeit. Zwar ist das Dauerschweigen zwischen euch beiden keine Lösung und nicht gerade die ideale Situation, aber zumindest könnt ihr euch so auf die ’übernatürlichen’ Probleme konzentrieren, anstatt euch die ganze Zeit über zu streiten.”
 

”Vielleicht,” erwiderte Xander unsicher. ”Mich macht beides wahnsinnig. Das Streiten und das große Schweigen. Schließlich hab’ ich mit diesem Kindskopf ziemlich lange eine Wohnung geteilt und ich fühl mich immer noch für ihn verantwortlich. Ich weiß, ich hab’ Mist gebaut, aber...” Xander seufzte tief auf und fuhr fort: ”Ich ertrage diese Schweige-Situation einfach nicht mehr länger.”
 

”Sieh’s mal so,” meinte Willow trocken. ”Ich ertrage sie, seit ich Andrew damals im Metzgerladen aufgegriffen habe. Über ein Jahr lang hat er nicht mehr als das Nötigste mit mir geredet, und bis heute haben wir uns nicht ausgesprochen...”
 

Bei Willow’s letzten Worten schloss Giles die Tür seines Büros und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, während Buffy etwas unschlüssig herumstand, ehe sie sich auf den freien Stuhl vor dem Tisch niederließ.
 

“Also.. wie kann ich dir helfen, Buffy?”
 

Tja, wie konnte ihr Giles helfen? Hatte er wirklich Antworten auf ihre Fragen, die sie seit dem kleinen Disput wegen des Naga quälten und beschäftigten? Und nicht nur erst seit diesem Abend?
 

Was für Antworten konnte er schon für sie haben? Er war schließlich ein Wächter und in den ersten Jahren ihrer Ausbildung hatte er ihr immer wieder eingetrichtert, dass Vampire nur seelenlose Monster waren, die man töten musste. Gleiches galt natürlich für Dämonen und böse Hexen. Aber Giles war auch ein Mensch und hatte in den vielen Jahren an ihrer Seite Wesen kennen gelernt, die nicht in seine einfache Sicht von schwarz und weiß passten. Vielleicht gab es doch Antworten...
 

”Haben Sie sich manchmal schon die Frage gestellt, ob es richtig ist, was wir tun?”
 

Giles zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. ”Was genau meinst du?”
 

”Herumsitzen und Akten lochen, während Lily mehr Macht gewinnt,” grinste Buffy, wurde aber schlagartig wieder ernst. ”Ich meine natürlich das Jagen und Abschlachten von Dämonen und Vampiren, ohne zu hinterfragen, ob gerade dieses eine Wesen, das man gerade zu Staub verwandelt hat, eine Bedrohung dargestellt hätte, ob es Familie und Freunde hatte, die auf ihn zählen und nun vergeblich auf ihn warten werden...”
 

”Buffy,” unterbrach Giles erstaunt. ”Solche Fragen dürfen sich uns nicht stellen. Nicht in diesem Kampf. Und du selbst weißt doch nur zu gut, zu was Dämonen und Vampire fähig sind. Vielleicht sind einige von ihnen harmlos und führen ein ”normales” Leben, aber wenn wir anfangen würden nach einem Auswahlverfahren vorzugehen, hätten wir diesen Kampf verloren.”
 

”Hätten wir denn überhaupt einen Kampf? Ich meine... wenn wir anfangen würden, nicht in jedem unseren Feind zu sehen, würde es nicht viel friedlicher in unserem Leben zugehen?”
 

Mit vielem hätte Giles bei diesem Gespräch gerechnet – Probleme mit Dawn, oder eventuelle Probleme mit Buffy und ihrer Arbeit hier, vielleicht auch Fragen über die Reiter, oder über Lily... aber nicht mit einer Grundsatzdiskussion darüber, ob es richtig oder falsch wäre, was sie taten.
 

”Ich denke die vielen Apokalypsen die wir abgewendet haben, die vielen geretteten Menschenleben sollten dir Antwort genug sein.” Er sah Buffy nachdenklich an, und nahm seine Brille ab. ”Unser Kampf ist ein gerechter Kampf. Er dient dem Schutz der Menschen. Diese Welt, wie sie ist, gehört jetzt den Menschen. Eine Jägerin sollte immer daran denken und alle Dämonen töten, die ihr begegnen. Ansonsten gewinnen sie wieder die Oberhand und unterjochen die Menschheit. Es spielt keine Rolle ob einer unter hundert gut oder friedlich ist. Sie gehen dir von vornherein aus dem Weg und sind somit sicher. Und was aus Nachsicht passieren kann, hat uns Angelus nur zu deutlich gemacht,” fügte Giles leise und feinfühlig hinzu.
 

Buffy sah Giles für einen Moment getroffen an und weil sie wusste, dass er in diesem Punkt wirklich recht hatte, schwieg sie kurz, ehe sie mit einem leichten, fast gezwungenen Lächeln erwiderte:
 

”Sie klingen fast wie Lily.”
 

”Ich muss gestehen, dass ich ihr in diesem Punkt trotz aller Meinungsverschiedenheiten recht geben muss – der Rat und das, was seine Ziele durch die Jägerinnen waren, ist nicht verkehrt – nämlich uns vor einer neuen Unterdrückung zu bewahren. Für den Fall, dass ich mich wiederhole,” schmunzelte Giles. ”Die Jägerin hat alle Dämonen zu töten, um die Menschheit zu beschützen.”
 

”Das ist mir durchaus bewusst, Giles,” sagte Buffy mit etwas Unbehagen in der Stimme. ”Und ich sehe es auch als meine Aufgabe an, die Menschen vor Unheil zu beschützen, das von dunklen Verschwörungen und Wesen ausgeht. Würd’ ich sonst nach so vielen Jahren noch immer den Pflock schwingen?”
 

”Wohl kaum,” musste Giles etwas kleinlaut zugeben.
 

”Und trotzdem denke ich, dürfen wir Jägerinnen uns nicht zu einem Werkzeug eines Rassenkrieges machen, nur weil eine kleine Gruppe Menschen vor allem Angst hat, was anders ist als der Rest der Welt.”
 

”Ich verstehe,” nickte Giles langsam. ”Aber wir töten keine Vampire oder Dämonen, weil es uns Spaß macht, sondern weil wir wissen, welche Bedrohung von ihnen ausgeht. In all den Jahren als Wächter stand die Frage nach Ethik nie wirklich zur Debatte. So lange es nur eine Jägerin nach der anderen gab, die den Kampf aufnahm, war es nicht vorstellbar, dass sie alle Dämonen vernichten konnte. Dazu fehlte ihr die Macht. Das wusste sogar der Rat. Und wir wissen es beide doch besser... früher... bevor es all die Jägerinnen gab, hatten wir genug damit zu tun, uns, unsere Freunde und unsere Stadt zu beschützen. Es wurde jemand getötet und wir versuchten aufzuklären was dahinter steckte. Bestraft wurde immer das schuldige Wesen. Niemand von uns hatte Zeit unschuldige Dämonen zu jagen, nur weil es vielleicht zu den Aufgaben einer Jägerin zählte.
 

Und natürlich jetzt, wo es auf der Welt überall so viele Jägerinnen gibt, hat sich die Situation geändert. Die Chance die Welt mit einem Schlag von allem Übel zu befreien ist sehr verlockend und ich bin sicher, deine Bedenken sind gerechtfertigt. Wir haben in London sehr viel darüber diskutiert, wie die Aufgaben der Jägerinnen neu zu definieren seien, aber auf ein eindeutiges Ergebnis sind wir nicht gekommen.”
 

”Denken Sie nicht auch, dass Lily alles daran setzen wird, genau an diesem Punkt eine Wende zu bringen?”, Buffy war nicht wirklich zufrieden mit dem Gespräch. Sie wurde nämlich nicht schlau aus Giles! Zum einen räumte er ein, dass sie Recht hatte – sie hatten nicht das Recht unschuldige Wesen zu verfolgen und doch stimmte er auch Lily und der alten Definition der Aufgabe einer Jägerin zu.
 

Aber was hatte sie erwartet? Dieser Mann tötete zum Schutz aller, einen unschuldigen Menschen – Ben, der nichts dafür konnte, dass eine wahnsinnige Göttin von seinem Körper gebrauch machte. Und selbst vor Spike hatte Giles keinen Halt gemacht. Obwohl er wusste, wie Spike geholfen und beigestanden hatte, war er in seinen Augen ein Monster geblieben, das Gefahr bedeutete.
 

”Ich möchte es nicht hoffen.. auch wenn ich deine Befürchtungen teile. Ich verstehe, was du mir sagen möchtest, auch wenn es mich wundert, dass du dir auf einmal Gedanken über das Leben eines Dämons machst...”
 

Sie wunderte sich schon lange nicht mehr über ihre Gedanken. Neben den vielen Dingen, die ihr in ihrem Leben als Jägerin passiert und zugestoßen waren, spielte dabei auch ihre Erfahrung mit Mo und seiner Dämonenbar eine wichtige Rolle. Es war dort anders als früher bei Willy in der Bar....
 

Trotzdem hörte sie Giles weiter zu, ohne zu unterbrechen.
 

”Aber aus genau diesen Gründen wurden wir Wächter immer dazu angehalten unseren Jägerinnen einzubläuen, dass sie es mit seelenlosen Wesen zu tun haben, damit es leichter wurde sie zu tö.....”
 

Ein gellender Schrei zerriss die Luft und Buffy und Giles sahen sich bestürzt an. Er war aus dem Konferenzraum gekommen und es hatte sich besorgniserregend nach Willow angehört...
 

++++
 

Malkuth, Straße des Glücks,

Andrew’s und Warren’s Wohnung,

selbe Zeit

”Andrew? Wieso bist du hier?” Warren riss erstaunt die Augen auf, als er aus dem Bad zurück ins Wohnschlafzimmer schlurfte. Wie ein Häufchen Elend hockte Andrew auf dem Couchbett, die Arme um die Knie geschlungen. ”Was ist passiert?”
 

”Xander,” murmelte Andrew. ”Wieso kann er mich nicht einfach...”
 

”Dieses miese Schwein,” fauchte Warren, ohne Andrew ausreden zu lassen. ”Irgendwann bring’ ich ihn um!”
 

”Hör’ auf!” schrie Andrew. ”Ich will nicht, dass du solche Sachen sagst! Immer musst du bei allem gleich ausrasten, ich trau mich schon gar nicht mehr, dir was zu erzählen!”
 

”Du brauchst mir gar nichts zu erzählen!” Warren knallte die Tür zu. ”Dass der Kerl dich die ganze Zeit so fertig macht, genügt mir schon. Ich versteh’ echt nicht, dass du mit solchen Leuten rumhängen musst, du bist für die doch nur der Fußabstreifer! Xander macht dich fertig, Willow’s neue Freundin hackt auf dir ’rum, und Buffy...”
 

”Halt die Klappe!” Andrew sprang auf. ”Das ist wieder mal so typisch! Ich bin mit den Nerven runter, und du machst es nur noch schlimmer! Buffy und die anderen sind meine Freunde, und sie mögen mich. Sogar Kennedy mag mich, sie will es nur nicht zugeben. Und was noch viel wichtiger ist, sie brauchen mich! Es gibt wieder so viele Probleme und Schwierigkeiten in letzter Zeit, aber dir kann ich das ja alles nicht erzählen! Du führst dich ja gleich auf, sobald ich Buffy nur erwähne!”
 

”Ich hab’s einfach nur satt!” Schwer atmend lehnte sich Warren gegen die Wand. Andrew, der eigentlich mit lautem Geschrei gerechnet hatte, sah überrascht zu seinem Freund hinüber, dieser wich seinem Blick jedoch aus und starrte zu Boden. ”Ich hab’s einfach satt, bei dir nur unter ’ferner liefen’ zu stehen. Du hast dein Games In, deine D‘nD Gruppe, rennst mit den Jägerinnen ’rum, und seit wir hier in dieser verdammten Stadt sind, hast du auch noch Zeit mit irgendwelchen Dämonen dieses komische Globb Spiel zu spielen. Und wo bleib’ ich? Auf der Strecke!”
 

”Aber was redest du da?” fragte Andrew fassungslos. ”Wie kannst du so was auch nur denken? Du bist doch das Wichtigste in meinem Leben!”
 

Er rannte zu Warren hinüber und schloss ihn in die Arme. Dieser ließ es widerspruchslos über sich ergehen, erwiderte die Umarmung aber nicht.
 

”Es ist halt nicht mehr so wie früher, wo du mich nur für dich haben kannst,” murmelte Andrew und schmiegte seinen Kopf in Warren’s Halsbeuge. ”Aber das ändert doch nichts. Deshalb hab’ ich dich doch nicht weniger lieb.”
 

”Dir geht’s nicht gut,” stellte er fest, als er den Kopf hob, und seinem Freund in die Augen blickte. ”Warren, was ist los mit dir? Ist es deine Verletzung? Willst du nicht lieber zu einem Arzt gehen?”
 

”Nein, passt schon.” Warren schob Andrew von sich. ”Irgendwann muss es ja wohl wieder besser werden. Ich leg mich noch ein bisschen hin.”
 

”Ich kümmere mich um dich,” schlug Andrew vor. ”Ich kann dir Tee machen. Oder Rakshasa-Punsch, der wirkt Wunder! Keine Angst, ich mach‘ ihn ohne Mäuse.” Mit einem unschuldigen Augenaufschlag hob er die Wimpern. ”Ich könnte meine blaue Star Trek Uniform anziehen.”
 

”Wenn ich hinlegen sag‘, dann mein‘ ich ausruhen, du Hohlkopf...” seufzte Warren, doch er konnte nicht verhindern, dass ein kleines Lächeln über sein Gesicht huschte.
 

Andrew blieb gerade noch Zeit zurückzulächeln, bevor eine schrille Melodie die Stille zerriss, sein Handy trötete den Imperial March. ”Geh‘ nicht ran,” protestierte Warren, doch Andrew hatte das Telephon bereits aufgehoben und Giles‘ Nummer auf dem Display gesehen. Giles rief ihn fast nie persönlich an, es musste etwas passiert sein...
 

”Klar, bin schon unterwegs.” Er legte auf und wandte sich seinem Freund zu, der ihn misstrauisch anstarrte. ”Du – sorry, ich muss nochmal weg. Bitte sei nicht sauer. Ich komm‘ so schnell, wie möglich...”
 

”Verschwinde,” sagte Warren eisig. Er spürte die kalte Wut in sich aufsteigen.
 

”Es ist ein Notfall,” versuchte Andrew sich zu rechtfertigen. ”Willow...” Erschrocken brach er ab, und schlug die Hand vor den Mund. Von allen Dingen, die er hätte sagen können, um die Situation noch schlimmer zu machen, hatte er ausgerechnet die Nummer eins gefunden.
 

”Verschwinde,” brüllte Warren ein weiteres Mal. ”Hau endlich ab!” Seine Augen sprühten Blitze, Entsetzen mischte sich mit Zorn, Fassungslosigkeit mit Raserei. Doch Worte allein genügten nicht, um diese brodelnde gnadenlose Wut auszudrücken, seine gesunde Hand packte eine der Actionfiguren, die auf der Kommode neben der Badezimmertür standen und schleuderte sie nach Andrew. Dieser schrie auf, als das harte Plastik gegen seine Wange klatschte, und sprang zurück.
 

Einen Augenblick lang stand er mit geballten Fäusten da, unschlüssig, ob er sich auf Warren stürzen, und ihn trotz seines verletzten Arms verprügeln sollte. Dann wandte er sich um, und rannte hinaus. Es war jetzt keine Zeit für Schlägereien. Nicht, wenn seine Freunde in Schwierigkeiten steckten.
 

Reglos und ohne eine Miene zu verziehen, blickte Warren ihm hinterher. Dann lief ein Zittern durch seinen Körper und er sank an der Wand zu Boden, die Knie gegen die Brust gepresst.
 

Sein Verband hatte sich gelöst, wie ein langer weißer Wurm ringelte er sich unter dem T-Shirt hervor. Darunter zogen sich aschgraue Geschwüre in abscheulichen Mustern von der Schulter über die Brust bis hinunter zum Bauch.
 

++++
 

Wächterhaus,

selbe Zeit

Nein, nicht schon wieder!
 

Xander’s besorgtes Gesicht verschwand vor ihren Augen, und machte einem stechenden Schmerz in ihrem Kopf Platz. Ihr Blick war starr auf die Holzmaserung des Tisches gerichtet, doch sie sah die Umgebung nur noch mit einem schwarzen Schimmer. Es fühlte sich an, als würde sich eine schwere Hand auf ihre Schulter legen, sie umdrehen und ihr eine Faust ins Gesicht rammen.
 

Mit schwerem Atem konnte sie erkennen, wie drei junge Frauen um sie herumstanden. Für einen kurzen Augenblick sah sie doppelt, und konnte spüren, wie sich eine Schürfwunde auf ihrem Jochbein gebildet hatte. Mit zitternden Händen tastete Willow diese ab. Ihre Augen brannten, als die Kamera in ihrem Kopf umschwenkte, und plötzlich vier statt drei Mädchen zu erkennen waren.
 

Die Hüterin konnte den Zorn jeder einzelnen fühlen. Die Wut, die sie in sich trugen. Aber auch gleichzeitig eine ungeheure Panik. Willow’s ganzer Körper zitterte. Genauso wie der, des jüngsten – offensichtlich japanischen Mädchens, um das die anderen herumstanden, und immer wieder auf sie einschlugen.
 

Die Kleine mochte nicht älter als vierzehn sein, doch trotzdem kamen die älteren Mädchen nicht gegen sie an – noch nicht. Sie umkreisten sie lauernd, versuchten sie aus der Reserve zu locken. Das Mädchen wandte die Augen nach links und rechts, ihr Blick fiel auf ein geparktes Auto, das neben ihnen an der Straße stand. Mit einem Satz sprang sie auf den Wagen und jagte durch die Dunkelheit davon, weiter die Straße hinunter.
 

Die Bilder zogen an Willow’s innerem Auge vorbei...sie kannte diese Straße.
 

”Buffy...” murmelte sie leise. ”sie ist nicht weit weg...sie ist...”
 

Irgendwo aus weiter Ferne redeten Stimmen auf sie ein, doch sie konnte nichts davon verstehen....
 

Die drei Jägerinnen rannten, sie rannten weiter. Kein Mensch konnte so rennen, auch nicht eine Jägerin. Viel zu gleichmäßig. Schritt, Atemzug und Herzschlag! Wie ein Uhrwerk, wie ein Computer.
 

Sie hatten die Japanerin erreicht...
 

Im nächsten Moment tauchte eine weitere Jägerin auf. Eine, die sie nur zu gut kannte. Buffy hatte eine der drei an den Schultern gepackt, und war dabei, den engen Kreis um die japanische Jägerin einzureißen. Diese war bereits auf ihre Knie gesunken, und hielt die Arme schützend über den Kopf. Mit einem Fußtritt beförderte Buffy die so eben angreifende Jägerin auf den Boden, und packte eine zweite bei den Schultern. ”Was ist hier los, verdammt?” schrie sie
 

”Kümmere dich um deinen eigenen Kram!” Die nächste Angreiferin schaffte es, Buffy im Gesicht zu erwischen, doch im darauf folgenden Schlagabtausch überwältigte Buffy sie. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck musterte Buffy die eben zu Fall gebrachte Jägerin, während sie ihren Fuß auf ihrem Brustkorb zum Ruhen brachte.
 

”Ich will endlich Antworten, was ist los mit euch?” Buffy’s Stimme ertönte in Willow’s Kopf, als wäre sie selbst es, die die Jägerin festhielt.
 

”Das ist ein Dämon, merkst du das gar nicht, du Trottel!”, entgegnete die dritte Jägerin aufgebracht, als sie ihrer Gefährtin aufhalf, die sich mit einer Hand auf ihrem Bauch aufrichtete. Buffy war verwirrt, hatte Willow nicht von einer Jägerin gesprochen? Hatte sie sich etwa geirrt? Hatte der Schmerz ihr einen Streich gespielt?
 

Buffy’s Blick fiel auf die Japanerin, sie sah ihr nach einem Menschen aus. Doch unter dem zerrissenen T-Shirt schimmerten seltsame grün- und lilafarbige Hautverfärbungen hervor, die man im ersten Moment für Tätowierungen halten konnte. Doch es waren keine. Dieses Mädchen war tatsächlich dämonisch, soviel war sicher. Hatte sie die anderen angegriffen? War sie in Wirklichkeit der Bösewicht in diesem Kampf?
 

Buffy musste an ihr Gespräch mit Giles zurückdenken. Nach den Regeln des Rates hätte sie sich an die Seite der anderen Jägerinnen stellen müssen, ohne zu fragen. Aber sie fragte. Sie wollte wissen, was hier gespielt wurde.
 

Ohne sich weiter um die anderen zu kümmern, kniete sie sich zu dem japanischen Mädchen, doch dieses wich vor ihr zurück, als sie sie ansprach. ”Keine Angst, dir passiert nichts. Ich werde dafür sorgen. ”
 

In Panik starrte das Mädchen sie an, offensichtlich hatte sie kein Wort verstanden. Im nächsten Moment blickte sie starr auf den Boden unter ihren Füßen.
 

Wo nur hatte sie diese Hautverfärbungen schon mal gesehen? Richtig, bei den dämonischen Ninjas damals in dem chinesischen Tempel. Ob das Mädchen etwas mit ihnen zu tun hatte? Was für Dämonen waren das überhaupt, und warum war eine von ihnen hier?
 

Willow erhoffte sich, dass Buffy die Situation unter Kontrolle brachte, und dass ihre Vision sich damit beenden würde. Doch als sie erneut die aufflammende Panik im Inneren der jungen japanischen Jägerin spüren konnte, fühlte sie, wie ihr Körper sich immer weiter verkrampfte.
 

Dieses Mädchen war eine Jägerin, sie konnte es deutlich spüren. Sie hatte sich nicht geirrt. Aber wie konnte sie denn gleichzeitig ein Dämon und eine Jägerin sein?
 

”Pass auf, sie greift an!” schrie jemand hinter ihr. Bevor Buffy sich der Japanerin weiter nähern konnte, packte diese sie wie aus dem Nichts an ihren Beinen, und brachte sie zu Fall.
 

Mit einem Angriffsschrei der Japanerin drang ein Angstschrei aus Willow’s Kehle. Willow konnte spüren, wie sie das Gleichgewicht verlor. Arme hielten sie fest, doch sie bäumte sich auf und stieß diese zur Seite. Im nächsten Augenblick schlug sie auf den Boden unter ihren Füßen auf. Ein starker Schmerz in ihrem Hinterkopf breitete sich langsam in ihrem ganzen Körper aus.
 

Bevor Buffy sich wehren konnte, hatte die kleine Japanerin ihre Faust gepackt, und mit einem weiteren Angriff schlug sie Buffy ins Gesicht. Doch dann schaffte die blonde Jägerin es, ihren Arm zu befreien. Als sie den Körper der Angreiferin fixierte, um sich zu wehren, konnte sie nur einen kleinen blauen Lichtblitz sehen. Im nächsten Augenblick fiel der bewusstlose Körper der Japanerin auf ihren eigenen. Geschockt starrte sie eine der anderen Jägerinnen an, die triumphierend über ihr standen.
 

Die Hüterin konnte fühlen, wie sich ein elektrisierender Schmerz durch ihren Körper bahnte. Auch wenn sie dachte, dass der Schmerz in ihrem Kopf nicht mehr zu steigern war, wurde sie nun eines besseren belehrt.
 

Nachdem sich Buffy vom Körper der Japanerin gelöst hatte, riss sie der ältesten Jägerin, und offensichtlichen Anführerin, einem Mädchen von etwa sechzehn mit kurzem dunklem Haar, den Tazer aus der Hand, und schmiss ihn zu Boden.
 

Willow wusste nicht, was sie als Nächstes wahrnehmen würde. Mit halb geschlossenen Augen sah sie die teilweise verschwommenen Bilder. Sie versuchte ihren Körper unter Kontrolle zu bringen, doch dann wurde ihr klar, dass sie erneut keine Chance haben würde. Die Arme waren wieder da, sie trugen sie fort, legten sie auf etwas Weiches. Sie spürte Wasser an ihrem Kopf, doch es verschaffte ihr keine Linderung.
 

”Seit ihr alle total durchgedreht?”, Buffy versuchte die drei restlichen Jägerinnen zur Rede zu stellen. Während sie die Jägerinnen eine nach der anderen anfunkelte, trat sie auf den Elektroschocker und zerlegte ihn in seine Einzelteile.
 

”Wer ist hier durchgedreht? Du bist doch die Verräterin!”, schrie die Kurzhaarige, während die anderen beiden ihr ohne zu zögern zustimmten. Mit langsamen Schritten gingen sie auf Buffy zu, und versuchten sie einzukreisen.
 

Was in aller Welt war hier los? Hatte es etwas mit Lily und ihren Hetzereien zu tun? Oder ging der Kampf wirklich von diesem Dämonenmädchen aus? Oder wollten die Jägerinnen sie töten, weil sie ein Dämon war.
 

Diese ganze Situation stank so dermaßen zum Himmel. Diese Mädchen hatten kein Recht mit einer solchen Brutalität auf ein anderes Mädchen loszugehen. Sie musste herausfinden, was hier gespielt wurde, und dazu musste sie das Mädchen erstmal in Sicherheit bringen, und eine Möglichkeit finden, sich mit ihr zu unterhalten.
 

Ohne gegen die anderen zu kämpfen. Auch wenn sie besser trainiert war als diese drei, musste sie sich eingestehen dass es dennoch Jägerinnen waren. Und gegen andere Jägerinnen kämpfen? So wie damals gegen Faith? Nein, es durfte nie wieder so weit kommen.
 

’Bring sie hierher!’ versuchte Willow an Buffy zu übermitteln, doch sie wusste nicht, ob es eine Möglichkeit gab, dass Buffy sie verstand.
 

Aber sie schien ohnehin denselben Gedanken zu haben. Bevor die anderen sie angreifen konnten, packte sie die Japanerin, und versuchte zu fliehen.
 

”Lori, pass auf!” schrie eines der Mädchen der Anführerin zu.
 

Doch im selben Moment – als wäre das nicht alles schon kompliziert genug – sprangen sechs, oder sieben schwarzgekleidete Gestalten links und rechts von den Dächern, und stürzten sich auf die vier Jägerinnen.
 

Ninjas. Unter der schwarzen Kleidung konnte man nicht mehr als die Augen sehen, und hin und wieder ein Stück rußgeschwärztes Gesicht. Buffy wich einem Wurfstern aus, und hörte hinter sich einen Schrei, offensichtlich hatte eine andere Jägerin weniger Glück gehabt. Sie ließ die Japanerin los, sprang nach hinten, duckte sich unter einem Katana hinweg und trat dem ersten Angreifer ins Knie. Dieser taumelte zurück, während ein zweiter das halb bewusstlose Mädchen aufhob, welches ein leises Stöhnen von sich gab.
 

Willow biss die Zähne zusammen. Sie konnte spüren wie sich neue Wunden auf ihrem Körper ausbreiteten. Gleichzeitig fühlten sich ihre Gliedmaßen taub an.
 

Bevor Buffy reagieren konnte, stürzten sich die drei anderen Jägerinnen auf den Ninja, und versuchten ihm das Mädchen wieder abzunehmen. Die Anführerin – Lori – blutete aus einer Wunde in der Brust, keine geringe Wunde, doch sie schien sich überhaupt nicht darum zu kümmern.
 

Buffy ging dazwischen, mit einem Kick gegen ein Wakizashi verhinderte sie dass das Kurzschwert die bereits verwundete Jägerin durchbohrte. Sie befand sich hier mitten in einem Krieg, und sie hatte keine Ahnung, wozu er geführt wurde. Beide Seiten wollten offensichtlich dieses Mädchen...
 

Durch einen Fußtritt fiel sie nach vorn, und konnte sich gerade noch mit ihren Händen abfangen. Im Wächterhaus lag Willow’ s Körper genauso auf dem Boden, wie ihrer. Sie war sich sicher nicht mehr Schmerz aushalten zu können. Insgeheim wünschte sie sich, genauso bewusstlos zu werden, doch ihr Wunsch wurde nicht erfüllt. Stattdessen konnte sie fühlen, wie sich eine Hand um ihren Hals legte. Im nächsten Moment erkannte sie vor ihren Augen eine Kapuze.
 

Sie rollte sich auf dem Boden herum, entriss sich dem Griff des Ninja’s, hörte das Getrappel vieler Füße. Der größte Ninja rannte an ihr vorbei, auf den Armen das bewusstlose Mädchen, während die drei Jägerinnen ihn verfolgten, diese wiederum gefolgt von den restlichen Ninjas, die sie daran zu hindern suchten.
 

Es war wie in einem schlechten Abenteuerfilm. Buffy sprang auf die Füße, packte ihren Angreifer an den Armgelenken, und riss ihn zu sich. Danach zog sie ihr Knie hoch, um dieses schlussendlich im Bauch ihres Gegners zu versenken. Sie ließ seine Gelenke los, und rammte ihm ihren Ellbogen in den Rücken.
 

Er taumelte nach hinten, und versuchte mit letzter Kraft die Jägerin mit sich zu ziehen. Doch Buffy schaffte es, sich erneut von seinem Griff zu lösen, und trat mit ihrem Fuß gegen seinen Oberkörper. Der Ninja wurde gegen das nächste Auto geschleudert, und blieb schlussendlich am Boden liegen.
 

Willow konnte fühlen, wie der Schmerz langsam nachließ, doch sie war sich sicher, noch nicht aufstehen zu können. Sie fühlte sich sogar zu schwach um ihre Augenlider zu heben.
 

Buffy atmete tief durch, und ging einige Schritte auf ihren besiegten Gegner zu. Die restlichen Ninja’s und Jägerinnen waren aus ihrem Blickfeld verschwunden, es war wohl sinnlos, sie noch zu verfolgen. Dieser Kerl hier sollte ihr jetzt erst mal sagen, was hier überhaupt gespielt wurde.
 

Als sie bei dem Ninja angekommen war, drehte sie ihn auf den Rücken, und musterte seinen Kampfanzug. Aber die sahen ohnehin alle gleich aus. Sie beugte sich hinunter und mit einem Rück zog sie ihm die Kapuze vom Kopf.
 

Geschockt ließ sie sie aber sofort wieder fallen, und stand mit wackelnden Beinen auf. Dennoch konnte sie ihren Blick nicht von dem Gesicht abwenden, das unter der Kapuze steckte.
 

Shin’s Gesicht.
 

++++
 

Cleveland, angemietetes Büro

Selbe Zeit

”Entschuldigen Sie bitte, findet hier der Krieg statt?”
 

Lily Usher, D’Hoffryn, und Kan Hsirg alias Mr. Romero rissen ungläubig die Augen auf, als sich die beiden Gestalten aus dem Nichts heraus vor ihnen materialisierten. Auf den ersten Blick schienen sie menschlich zu sein, zwei junge Männer, die einander auf seltsame Weise ähnlich sahen. Und dennoch wirkten sie völlig verschieden, der eine blond und blauäugig mit fast unnatürlich weißer Hautfarbe, der andere schwarzhaarig mit dunklem Teint.
 

”Sind wir hier richtig?” fragte der Blonde ein weiteres Mal. ”Wir möchten bitte zum Krieg.”
 

”Sie sind wegen meines Krieges hier?” fragte Hsirg lauernd. ”Wer sind Sie? Und woher wissen Sie davon.”
 

”Uhm...” begann der Schwarzhaarige. ”Mein Kumpel hat da ‘ne Freundin dessen Schwester war neulich mit einem Thug‘saha aus, und...”
 

”Schweig!” unterbrach der Blonde und zog seine wallende weiße Robe zurecht. Mit einer theatralischen Armbewegung, bei der er seinem Gefährten beinahe seinen Ärmel ins Gesicht schlug, verbesserte er: ”Der Flug der Vögel, die Kraft der Flammen, die Bewegungen der Gestirne, sie verraten uns vieles. Hell erstrahlt Mars, der Planet des Krieges in unheilvollem Feuer...”
 

”Okay, wir haben Sie verstanden,” wehrte Lily ab, bevor der junge Mann in eine endlose Litanei verfallen konnte. ”Vielleicht stellen Sie beide sich erst einmal vor, damit wir wissen mit wem wir es überhaupt zu tun haben.”
 

”Wir sind zwei äußerst mächtige Magier,” begann der Dunkle. ”Unsere Namen sind Kain und Abel...”
 

”Ich dachte, wir wären Castor und Pollux,” unterbrach der Blonde verwirrt.
 

”Können wir die Frage verschieben?” wandte sich der Dunkle an Hsirg. ”Reden wir doch lieber über den Krieg. Worum geht es denn? Wer kämpft gegen wen?”
 

”Nicht, dass uns das besonders interessieren würde.” Der Blonde wedelte sich mit der Hand vor dem Mund herum, als unterdrücke er ein Gähnen. ”Wir nehmen eigentlich jeden Krieg, der uns die Gelegenheit gibt, gegeneinander zu spielen.”
 

”Gegeneinander spielen?” D’Hoffryn lehnte sich nach vorne.
 

Der schwarze Magier raffte seine Robe, schritt um den Tisch herum, und setzte sich auf den freien Platz neben dem Rachedämon. ”Ja, wir spielen gegeneinander. Üblicherweise übernehme ich die Guten, und mein Bruder die Bösen. Damit es nicht so klischeehaft ist, verstehen Sie, was ich meine? Der weiße Magier für die Bösen, und der schwarze Magier für die Guten.”
 

”Was für einen Sinn soll das haben?” Vor lauter Verwirrung hätte Kan Hsirg beinahe seinen Zigarrenstummel verschluckt. ”Das würde ja heißen, dass, sollte ich Ihre Unterstützung annehmen, einer von Ihnen beiden gegen mich spielen würde. Was hätte ich denn davon?”
 

”Nun, wir sind beide sehr ehrgeizig.” Auch der blonde Magier hatte nun am Tisch Platz genommen. ”Jeder von uns beiden wird sein Bestes geben, um als Sieger hervorzugehen.”
 

”Danke, ich verzichte.” Hsirg drückte den Stummel aus, und griff nach seinem Zigarrenetui. ”Ich will den Sieg, ich will die totale Vernichtung Malkuth‘s, und ich werde dieses Ziel nicht für ein lächerliches Spiel aufs Spiel setzen.”
 

”Ihre Worte klingen äußerst poetisch, mein Bester.” D’Hoffryn deutete eine Verbeugung an. ”Und ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Auf Wiedersehen, die Herren Magier.”
 

”Nicht so hastig, Gentlemen.” Lily’s Stimme klang ruhig, aber bestimmt. ”Darf ich Sie daran erinnern, dass es meine Armee ist, die für uns in den Krieg zieht? Und ich könnte durchaus etwas Unterstützung für meine Jägerinnen gebrauchen.”
 

Sie fügte mit zuckersüßer Stimme hinzu. ”Und ebenso für ihre Gegner.”
 

Alle vier Männer sahen sie verblüfft an. Keiner von ihnen wusste, worauf sie hinauswollte.
 

”Mr. D’Hoffryn, Sie haben mich gefragt, warum ich meine Jägerinnen für diesen Kampf zur Verfügung stelle, und ich will Ihnen auf diese Frage antworten. Es ist eine ganz simple Antwort. Ich bin mit den Dingen, so wie sie jetzt sind, nicht zufrieden. Ich bin der Meinung, dass es ein großer Fehler war, die Kraft der Jägerin zu teilen, und alle Anwärterinnen zu Jägerinnen zu machen. Noch habe ich nicht die Macht, diese Entwicklung rückgängig zu machen, aber mit etwas Glück und Verstand wird es mir eines Tages gelingen. ”
 

Sie nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas. ”Wie dem auch sei, dieser Krieg ist für mich eine wunderbare Möglichkeit, mehrere hundert Jägerinnen auf einen Schlag loszuwerden. Ohne, dass ich selbst einen Finger rühren muss. Die Jägerinnen werden einfach in Erfüllung ihrer Pflicht sterben, als tapfere Heldinnen, welche die Menschheit vor einer Horde seelenloser Dämonen schützen.”
 

”Sie wollen Ihre eigenen Leute umbringen?” fragte Hsirg entgeistert. ”Deshalb schicken Sie sie in den Krieg?”
 

”Sie haben’s erfasst.” Ein kleines Lächeln umspielte Lily’s Mundwinkel.
 

Der Iah K’uru schwieg, es gab nichts, was man darauf antworten konnte.
 

”Also,” wandte sich Lily nun an die Magier. ”Sie sehen, dass es in diesem Krieg nicht nur um Sieg oder Niederlage geht, sondern vor allen Dingen darum, auf beiden Seiten möglichst hohe Verluste zu erzielen. Sie müssten das Ziel ihres Spiels wohl ein klein wenig abändern, wenn Sie teilnehmen möchten. Aber das sollte doch kein Problem sein, oder?”
 

Für eine Weile war es ganz still. Die beiden Magier blickten einander in die Augen und obwohl man nichts hören konnte, waren die übrigen Anwesenden überzeugt, dass zwischen ihnen eine Kommunikation stattfand. D’Hoffryn, welcher der Telepathie mächtig war, verfolgte die Diskussion aufmerksam.
 

Lily dagegen benützte die Gelegenheit einen Anruf zu tätigen. ”Lori? Ist alles nach Plan verlaufen?”
 

Endlich nickten die beiden jungen Männer. ”Wir sind einverstanden,” erklärte der Blonde. Sein Begleiter wandte sich Lily zu, die das Telephon noch ans Ohr hielt. ”Da ich der gute Magier bin, werde ich selbstverständlich die Jägerinnen unterstützen.”
 

”Das kommt überhaupt nicht in Frage,” protestierte der Blonde. ”Die Jägerinnen sind die Angreifer, und damit sind die Jägerinnen die Bösen und die Dämonen die Guten. Das heißt, die Jägerinnen für mich, und die Dämonen für dich.”
 

”Die Dämonen sind die Guten? Jetzt mach‘ dich doch nicht lächerlich. Außerdem kennst du dich besser mit Dämonen aus, und ich mit Jägerinnen, also ergibt es so rum mehr Sinn. In Silent Hill hab‘ ich auch die Jägerinnen gespielt.”
 

”Und gewonnen...”
 

”Aha, davor hast du also Angst...”
 

”Gentlemen?” Lily Usher’s Stimme durchbrach den beginnenden Streit. ”Es ist soeben eine Situation eingetreten, die meine Anwesenheit in England verlangt. Ich habe also nicht mehr viel Zeit.”
 

”Also gut.” Der blonde Magier nickte. ”Mein Bruder wird Sie zu ihren Jägerinnen begleiten, und ich werde mich zu gegebener Zeit mit den Dämonen in Verbindung setzen.”
 

”Gibt es von Ihrer Seite aus noch Einwände?” wandte sich Lily an Kan Hsirg und D’Hoffryn.
 

Beide Dämonen betrachteten die Neuankömmlinge mit unverhohlenem Misstrauen, doch schließlich schüttelten sie den Kopf.
 

”Gut.” Lily erhob sich. ”Wir werden ein Privatflugzeug nehmen, damit es schneller geht. Dort warten bereits einige Jägerinnen auf mich.
 

D’Hoffryn lachte leise. ”Entschuldigung, aber für mich passen die Worte schnell und Flugzeug einfach nicht zusammen.”
 

Lily zog die Augenbrauen hoch. ”Haben Sie vielleicht einen besseren Vorschlag?”
 

”Allerdings.” Der oberste Rachedämon streckte seine Hand aus. ”Erinnern Sie sich noch daran? Weder Sie noch irgendjemand anderer haben damals daran gedacht, sie wieder einzustecken, also dachte ich, ich hol‘ sie mir wieder. Immerhin können sie ja noch ein drittes Mal verwendet werden, bevor sie ihre Kraft verlieren.”
 

In seiner Handfläche funkelten einige goldenen Münzen...
 

++++
 

Wächterhaus,

etwas später,

”Wie geht‘s dir, Süße?” Besorgt kniete Kennedy neben dem Sofa, welches Giles für Willow zurecht gemacht hatte. Eigentlich hatten sie die Hüterin in ein richtiges Bett in die Wohnung hoch bringen wollen, damit sie sich ausruhen konnte, aber Willow hatte darauf bestanden bei den anderen im Wächterhaus zu bleiben. Schlaf würde sie ohnehin keinen finden, das wusste sie.
 

Ihr Kopf dröhnte immer noch, doch langsam ließen die Schmerzen nach. Manchmal spürte sie plötzliche Anfälle von Panik, die ihr die Kehle zuschnürten. Buffy hatte das japanische Mädchen nicht retten können. Wo immer sie jetzt war, sie stand furchtbare Ängste aus...
 

”Trink noch einen Schluck!” Liebevoll hielt Kennedy ihr die Teetasse an den Mund und stützte dabei Willow‘s Kopf. Absurderweise musste die junge Frau plötzlich an ihre Prüfungen denken, die jetzt zum Glück hinter ihr lagen. Erst gestern früh hatte sie den letzten schriftlichen Test ihrem Hauptfach Geschichte abgelegt. Es kam ihr vor, als hätte eine andere dieses Leben gelebt.
 

Und nächste Woche würde ihre Abschlußfeier sein. Würde es eine nächste Woche für sie geben?
 

”Danke,” krächzte sie mühsam. Ihre Kehle war so ausgetrocknet. ”Wird schon wieder.” Müde hob sie die Augen und sah in all die erschrockenen und besorgten Gesichter um sie herum.
 

”Es muss doch eine Möglichkeit geben, das aufzuhalten,” sagte Dawn leise zu Xander, ihre Stimme den Tränen nahe. ”Diese Visionen abzublocken, dass Willow sie nicht mehr haben muss.”
 

Doch Xander schwieg, auch er wusste sich keinen Rat.
 

”Und als wär‘ das alles nicht schon schlimm genug, sind die Dinge, die sie gesehen hat, auch nicht grad erbauend,” bemerkte Robin düster. Er war gerade dabei, das restliche Jod und Verbandszeug wieder im Erste-Hilfe Koffer zu verstauen, nachdem er Willow verarztet hatte. Von ihrem Sturz hatte die Hüterin eine Platzwunde am Kopf zurückbehalten, außerdem mehrere Aufschürfungen an Armen und Beinen. Das gefährlichste von allen, war eine Wunde in ihrer Brust gewesen, die sich plötzlich geöffnet, aber dann zum Glück wieder geschlossen hatte.
 

”Robin hat Recht.” Andrew überreichte Giles ein Blatt Papier mit der krakeligen, comic-artigen Zeichnung eines Ninjas, der bedrohlich mit einem Katana wedelte. ”Wir haben schon wieder einen neuen Gegner.”
 

”Buffy ist bereits Ninjas begegnet.” Giles besah sich die Zeichnung. ”Möglicherweise sind es dieselben. Aber warum hier in Amerika?”
 

”Es war so dunkel...” murmelte Willow. ”Ich konnte sie gar nicht...richtig erkennen.”
 

Mit einer väterlichen Geste strich Giles ihr übers Haar. ”Ruh dich erst einmal aus. Später kannst du dich vielleicht an mehr erinnern.”
 

”Ich geh neuen Tee holen,” erbot sich Kennedy, die nicht länger stillsitzen konnte, und verschwand Richtung Küche. Es machte sie rasend, in dieser Sache so hilflos zu sein, und sie hatte auch nicht den Nerv, sich über diese Ninjas, oder was immer diese Typen waren zu unterhalten. Wütend riss sie die Schranktür auf, und fegte dabei eine der Tassen zu Boden, welche klirrend zerbrach.
 

”Lass es nur raus,” sagte eine Stimme hinter ihr. ”Tassen kann man immer wieder neue kaufen.”
 

Robin hatte hinter ihr die Küche betreten. Mit ruhigen Händen begann er mehrere Tassen mit dem heißen Wasser aus dem Teekessel zu füllen. Sie konnte gar nicht begreifen, wie er in einer solchen Situation so ruhig bleiben konnte, und irgendwie hatte sie das Bedürfnis ihn anzuschreien. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis jeden anzuschreien, der einfach nur in ihrem Blickfeld stand.
 

”Schrei, wenn es dir dann besser geht,” meinte Robin, als hätte er ihre Absicht in ihrem wütenden Blick erkannt. ”Oder schlag etwas kaputt! Du wärst nicht die erste Jägerin, die ich kenne, die dadurch ein bisschen Dampf ablassen kann,” fügte er mit einem Lächeln hinzu.
 

Kennedy nickte, und mit einem Aufschrei warf sie eine weitere Tasse gegen die Wand. ”Es funktioniert nicht,” murmelte sie hilflos. ”Ich fühle mich kein bisschen besser.”
 

”Vielleicht ist es wie mit Traubenzuckerpillen.” Der Wächter verteilte Teebeutel auf die Tassen. ”Es hilft nur, wenn man dran glaubt. ”
 

Im selben Moment hörten sie, wie draußen die Tür zum Wächterhaus aufgestoßen wurde. Faith, die gerade draußen im Gang gestanden hatte, wandte sich Buffy zu. ”Wen hast du uns denn da mitgebracht?”
 

”Einen American Ninja.” Mit grimmiger Miene zerrte Buffy den bewusstlosen Shin in den Raum.
 

++++
 

Malkuth, Halle von Kether,

selbe Zeit

“Und du glaubst wirklich, diese Stromausfälle haben mehr zu bedeuten, Zaddik Bartholomew?“
 

“Ja, ich bin davon überzeugt,“ entgegnete Mo.
 

Er konnte sein Gegenüber nicht ansehen, als er sprach. Das lag nicht an dem gleißenden Licht in der Halle von Kether, sondern daran, dass er und die einunddreißig übrigen Mitglieder des Rats von Malkuth hier überhaupt nicht körperlich anwesend waren. Kein Körper aus Fleisch und Blut konnte diesen heiligsten aller Orte Malkuth’s betreten, nur die Essenz, der Teil eines lebenden Wesens, der sich aus Geist und Seele zusammensetzte.
 

In einer normalen Umgebung würde diese Essenz vielleicht als strahlendes Licht erscheinen, doch Kether war so hell, dass alle anderen Lichter dagegen dunkel schienen. Die Essenzen nahmen die Form von mächtigen schwarzen Steinblöcken an, beinahe wie die Grabsteine auf einem Friedhof. Zumindest waren es diese Steine, an die sich Zaddikim von Malkuth erinnerten, nachdem sie die Halle verlassen hatten.
 

Ein Kreis aus glatten schwarzen Steinblöcken inmitten des gleißenden Lichts. Und ihre Stimmen waren wie Gedanken, die im Geist der anderen widerhallten.
 

“Ich weiß, dass Stromausfälle früher an der Tagesordnung waren,“ fuhr Bartholomew fort. “Aber hier geht es nicht um durchgebrannte Sicherungen und defekte Leitungen. Ich habe mit unserem Cheftechniker gesprochen. Das Computerprogramm, das unsere Stromversorgung steuert, hat erkannt, dass die Energie in der Halle von Daath sich verändert hat. Das muss etwas zu bedeuten haben.“
 

“Ich kann es fühlen.“ Eine weitere Stimme erklang in der strahlenden Stille, die Stimme eines kleinen Mädchens. “Das Tor des verborgenen Baumes bebt. Als ob jemand hindurch schreiten möchte.“
 

Ein Stimmengewirr brach aus, ungläubig, neugierig, und auch mit ein wenig Furcht. Was hatte das zu bedeuten. Würde die Grenze zwischen dieser Welt und einer anderen durchbrochen werden? Was würde dann geschehen?
 

“Mein Geist wird den Pfad des verborgenen Baumes beschreiten.“ Die Stimme klang jetzt nicht mehr wie die eines Kindes, sondern wie die einer erwachsenen Frau. “Vielleicht werde ich dann erkennen, wer ihn mit mir geht.“
 

“Eine weise Entscheidung, Zaddik Babette.“ Die dunkle, kehlige Stimme von Zaddik Lakshmi war unverkennbar.
 

“Es gibt noch weitere Ereignisse, die unsere Aufmerksamkeit verlangen.“ Jetzt war es die Stimme einer Greisin, die sprach, und dann verstummte sie.
 

“Richtig,“ begann Bartholomew. “Ich wollte noch zwei Fälle ansprechen, wenn es euch genehm ist. Zum einen habe ich meine Berichte für die Akte von Regil fertig gestellt, damit alle Mitglieder unseres Rats sich bis zur Verhandlung mit dem Fall vertraut machen können. Auch wenn ich bei der Verhandlung seine Verteidigung übernehmen werde, könnt ihr sicher sein, dass bei meinen Berichten nichts beschönigt oder abgemildert wurde. Ich habe die Konfrontation zwischen Regil und der ersten Jägerin genau so beschrieben, wie sie sich abgespielt hat, einschließlich meiner Intervention.“
 

“Die diesem Verräter das Leben gerettet hat,“ kam ein Einwurf. Zustimmendes Murmeln erklang.
 

“Es ging mir darum, unsere Stadt zu schützen,“ verteidigte sich Bartholomew. “Und ja, natürlich auch darum, Regil auf den richtigen Weg zurückzuführen. Seine Differenzen mit der ersten Jägerin sind geklärt. Er stellt keine Gefahr mehr für uns dar.“
 

“Das zu entscheiden, liegt nicht bei dir!“
 

“Das wollte ich mir auch gar nicht anmaßen, Zaddik Lakshmi,“ beschwichtigte Bartholomew. “Ich habe lediglich als sein Verteidiger gesprochen, wie es meine Aufgabe ist.“
 

“Deine Aufgabe in der Verhandlung,“ erklärte Zaddik Babette mit ihrer Kinderstimme. “Nicht hier.“
 

Mo gehorchte und schwieg, er wollte es nicht noch schlimmer machen. Wenn er zum falschen Zeitpunkt eine Diskussion anfing, würde das Regil nicht retten. Im Gegenteil, die anderen würden ihm vorwerfen, dass seine Freundschaft zu dem Echsendämon sein Urteilsvermögen trübte, und seine Worte nicht mehr ernst nehmen.
 

“Du wolltest einen weiteren Fall ansprechen?“ Babette’s Stimme wurde langsam älter. “Den des Menschen, nicht wahr? Du hast ihm unseren Entschluss mitgeteilt?“
 

“Ja, das habe ich.“ Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Andrew im Black Pearl. “Aber er ist mit diesem Entschluss nicht einverstanden. Ich habe ihm gesagt, dass die einzige Möglichkeit für ihn, hier bleiben zu können ist, selbst zum Dämon zu werden und die Aufnahme in unsere Gemeinschaft zu erbitten.“
 

“Das ist richtig,“ stimmten mehrere Zaddik zu. “Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.“
 

“Doch, gibt es,“ widersprach Zaddik Lakshmi. “So ungern ich das sage, da mir die Vermischung von Menschen und Dämonen ein Gräuel ist, aber nach unseren Gesetzen darf er eine Dämonin unserer Gemeinschaft zur Gefährtin nehmen und mit ihr eine Familie gründen.“
 

“Ich weiß, aber das ist nicht sein Wunsch,“ Mo dachte an seine eigene Frau, und an die Mädchen. Es war nicht immer einfach für sie gewesen. “Im Moment recherchiere ich die verschiedenen Möglichkeiten, einen Menschen zum Dämon zu machen. Aber ich werde trotzdem weiterhin unsere alten Gesetze und Rituale durchforschen, um nach einer Alternative zu suchen. Sollte ich etwas finden, werde ich es bei der nächsten Versammlung zur Sprache bringen.“
 

“In Ordnung.“ Die Stimme der alten Frau klang zufrieden. “Gibt es sonst noch etwas, worüber wir sprechen sollten?“
 

Eine Weile herrschte Stille. Dann erklärte Zaddik Babette, welche heute den Vorsitz innehatte, die Versammlung für geschlossen. Mo war tief in Gedanken versunken, und er war sich sicher, dass es anderen ebenso ging. Es schien, dass sich eine Veränderung ankündigte.
 

Immer noch grübelnd ging er die Straße des Narren hinunter, durchquerte die Halle von Chockmah und bog in die Straße der Kaiserin ein, welche Chockmah mit Binah verband. Dort hielt er sich am liebsten auf, wenn er nachdenken wollte. Hier hatte er Ruhe vor dem Lärm und dem Durcheinander der Stadt, aber er war doch nicht von ihr abgeschieden, denn die Straße war ein Skyway und erlaubte eine großzügige Aussicht nach unten. Nicht so großartig, wie die Straße der Ausgleichung, von der man einen Blick auf fünf andere Straßen hatte, aber dafür war es hier auch um einiges ruhiger.
 

“Du kämpfst Schlachten die bereits verloren sind, Bartholomew.“ Wie üblich hielt sich Zaddik Lakshmi nicht mit langen Vorreden auf. “Du wirst deinen Freund Regil nicht retten können, sein Leichtsinn hat uns alle in Gefahr gebracht. Und warum machst du dir soviel Schwierigkeiten wegen dieses Menschen? Die Menschen bedeuten nichts als Ärger und Probleme für uns.“
 

“Ich muss die Dinge tun, die ich für richtig halte,“ entgegnete der bärtige Dämon.
 

“Du bist ein Träumer und ein Narr!“ Lakshmi’s Stimme klang bitter. “Du glaubst immer noch an eine Welt, in der Menschen und Dämonen friedlich zusammenleben können. Wach auf, das wird niemals geschehen, und das soll es auch nicht. Eines Tages wird die alte Zeit wiederkehren und wir werden über diese Dimension herrschen, wie es unsere Bestimmung ist. Dann werden wir uns nicht mehr verstecken und die Gewalttaten der Jägerinnen ertragen müssen, dann werden wir frei sein!“ Eine tiefe Begeisterung hatte ihre dunklen Augen ergriffen.
 

“Lakshmi, du bist selbst eine Träumerin.“ Die harten Worte hatten Mo nicht beleidigt, dafür kannte er ihre direkte Art zu gut. “Die Welt von der du sprichst, hat nichts mit Freiheit zu tun. Als die Großen Alten herrschten, gab es nichts als Zerstörung und blutigen Krieg und die einzelnen Dämonenstämme schlachteten sich gegenseitig ab. Willst du in einer solchen Welt deine Kinder großziehen?“
 

“So muss es überhaupt nicht werden,“ widersprach sie. “Die Gemeinschaft von Malkuth zeigt ja, dass ein Zusammenleben der verschiedenen Stämme möglich ist. So könnte es auch in Zukunft aussehen.“
 

Bartholomew wollte etwas erwidern, als er am Ende der Straße ein kleines Mädchen mit rotblonden Locken erkannte, welches auf sie zukam. Das Kind wurde älter, als es sich näherte, wurde zu einer Frau, und als Zaddik Babette direkt vor ihnen stand, hatte sie die Gestalt einer Greisin angenommen.
 

“Vielleicht werden wir bald wissen, wie die Zukunft aussieht“ sagte sie. “Die Wandlung der Welt steht uns unmittelbar bevor.“
 

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Wächterhaus,

etwas später

"Ich glaub‘ das einfach nicht. Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen?" Dawn war verzweifelt. Sollte alles was Shin ihr über sich erzählt hatte, Lügen gewesen sein? Stand er doch auf der Seite des Bösen? Das war doch nicht möglich! Das konnte einfach nicht sein!
 

Wie ein Häufchen Elend saß sie neben dem bewusstlosen und gefesselten Shin auf dem Boden. Mit Tränen in den Augen strich sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Trotz – oder gerade wegen der Verwirrung ihrer Gefühle, glaubte sie ihn noch immer zu lieben, und hoffte dass es eine Erklärung für sein Verhalten geben mochte. Was, wenn es alles Lily’s Schuld war?
 

Nein, sie versuchte nur Ausflüchte zu finden. Wie damals bei Justin.
 

"Du hättest besser aufpassen müssen.” Buffy’s warnende Stimme riss sie aus ihren Gedanken. ”Dawn, wie konntest du nur deine Augen so vor der Wahrheit verschließen? Warum hast du mir nichts über seine Familiengeschichte erzählt! Giles hätte es nachprüfen können. Dann wäre das alles nicht passiert!"
 

Buffy ging vor Dawn in die Knie und sah sie liebevoll an. Der Schmerz in den Augen Ihrer kleinen Schwester kam ihr sehr bekannt vor. Sie drückte Dawn an sich. "Ach Dawnie, wir Summersfrauen haben aber auch ein Pech mit den Männern."
 

Mit einem leisen Stöhnen kam Shin zu sich. Seine Lider flatterten. "Shin? Shin kannst du mich hören?" Dawn beugte sich über ihren Freund.
 

Langsam lichteten sich die Nebelschwaden vor seinen Augen und formten sich zu dem Gesicht seiner Freundin. Er wollte sie anlächeln, doch das Lächeln blieb ihm im Hals stecken, als er ihrem wütenden Blick begegnete und ihm alles wieder einfiel.
 

"Dawn, Liebes..." begann er.
 

"Nein!" fuhr ihm Dawn dazwischen. "Ich bin nicht mehr dein Liebes. Wie konntest du mich nur so anlügen, hast du mir die ganze Zeit was vorgespielt? Was soll das? Ich hab‘ dir vertraut und nun muss ich mit ansehen, wie du gegen meine Freunde und gegen meine Schwester kämpfst.. Du weißt, dass Buffy alles ist, was ich noch von meiner Familie habe. Gerade du weißt das und hast immer gesagt, dass du mich verstehst. Und nun so was...." die letzten Worte wurden fast von einem Schluchzer erstickt, der ihr entfuhr.
 

"Ich habe dich nicht angelogen Dawn, ich konnte dir nur manche Dinge nicht erzählen. Das müsstest auch du verstehen, denn anscheinend hast du ja auch einiges für dich behalten." Sein Blick schweifte durch den Raum und kehrte dann zu Dawn zurück, die ihren Kopf senkte, da sie nun nicht mehr wusste was sie sagen sollte.
 

"OK, jeder hier hat Geheimnisse," sprang Buffy ihrer Schwester bei. "Was

ich jetzt will, sind Informationen. Was ist hier los? Warum habt ihr uns

angegriffen? Warum und wohin habt ihr das Mädchen verschleppt?...."
 

In diesem Moment ging das Licht aus.
 


 

AKT 3
 

Wächterhaus, selbe Zeit

großer Konferenzraum

Buffy sprang sofort auf die Füße, ihre geschärften Sinne witterten Gefahr. Zwar durchbrach kein Geräusch die nächtliche Stille, aber sie traute dem Frieden nicht. Dies war nur die Ruhe vor dem Sturm.
 

Der Angriff schien aus dem Nichts heraus zu kommen, sie hatte nicht einmal die Türe gehört. Aber irgendwie mussten die beiden schwarzvermummten Gestalten ja hereingekommen sein. Der erste sank in einen tiefen Fußfeger, versuchte Buffy die Beine wegzuziehen. Der andere sprang über seinen Kampfgefährten drüber, sein Fuß zielte auf das Gesicht der blonden Jägerin.
 

Mit einem Backflip nach hinten rettete sie sich aus der Gefahrenzone. Zumindest einen der beiden Angreifer musste ihr Fuß dabei erwischt haben, es polterte, als ein Körper gegen einen Tisch flog. Da der große Konferenzraum nur selten genutzt wurde, stand hier einiges an Möbelstücken herum. Buffy kam auf die Beine, riss instinktiv die Fäuste zu einem Block hoch, um auf den nächsten Schlag vorbereitet zu sein. Dawn sprang an ihr vorbei, und attackierte den zweiten Angreifer.
 

Ninja. Es waren die Ninja, mit denen sie vor kurzem auf der Straße gekämpft hatte. Was hatten sie hier im Wächterhaus zu suchen? Wie waren sie überhaupt hierher gekommen? Waren sie ihr gefolgt?
 

“Soko da?“ Ein dritter Ninja war im Türrahmen erschienen, er griff jedoch nicht an, sondern beschränkte sich darauf, den anderen etwas zuzurufen. Diese schüttelten verneinend die Köpfe und zogen sich langsam zurück. Sie wichen weiteren Angriffen aus, und sprinteten auf die Tür zu.
 

Von draußen war ein Schrei zu hören, es war eindeutig der Kampfschrei von Faith.
 

“Bleib hier!“ warnte Buffy ihre kleine Schwester, bevor sie den Angreifern durch die Tür folgte. Ihr Verstand arbeitete blitzschnell, keiner der Ninja hatte einen Versuch gemacht, Shin zu befreien. Somit bestand für Dawn keine Gefahr, wenn sie hier blieb, im Gegenteil, es war die sicherste Methode, sie von diesem Kampf fernzuhalten.
 

Wütend blickte Dawn ihrer Schwester hinterher. Es war typisch, so typisch, wieder wollte Buffy sie einsperren. Dass sie sie auf den Friedhof mitgenommen hatte, änderte nichts daran, dass sie in einer unerwarteten Situation genau nach dem altbekannten Schema reagierte, und das hieß die kleine Dawnie aus der Gefahrenzone zu schaffen.
 

Diesmal nicht! Dawn rannte in Richtung Tür, als sie plötzlich einen Luftzug hinter sich spürte. Zwar war nichts zu hören, doch sie wartete kein Geräusch ab. Sie fuhr herum, und blockte im letzten Moment die Faust, die auf ihren Hinterkopf gezielt hatte.
 

Wie es schien, hatte Shin gar keine Hilfe nötig gehabt, um sich von seinen Fesseln zu befreien.
 

++++
 

Magische Kuppel,

selbe Zeit

“Was sagten Sie, Schamanin? Ach so. Der vierte Reiter. Ja, die Verbindung hier ist nicht besonders gut.... Der Rat der Wächter ist Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Leben Sie wohl.“
 

Lily betrachtete den dunklen Wirbel aus Himmel, Meer und Horizont, und ließ die Informationen im Kopf Revue passieren. Dank der ausgezeichneten Verbindungen des Rates war es ihr nicht nur gelungen, etwas über die verschiedenen Gruppierungen herauszufinden, welche die zerstörerischen Reiter auf den jeweiligen Kontinenten bewachen sollten, sondern auch mit zwei von ihnen Kontakt aufzunehmen. In Europa und in Afrika.
 

Die Reiter des Todes. Nachdem das Orakel sie darüber aufgeklärt hatte, was durch ihr Ritual wirklich geschehen war, hatte sie versucht, soviel wie möglich über diese Geschöpfe herauszufinden. Zwar war es nur ein Versehen gewesen, dass sie befreit worden waren, aber nach den Worten des Orakels zu urteilen, konnte sie sie trotzdem für ihren Plan gebrauchen.
 

Buffy war der Schlüssel zur Schließung der Linie. Nicht Dawn. Sie würde gegen die Reiter kämpfen, und in diesem Kampf fallen. Mit ihrem Tod würde auch ihre Kraft vernichtet sein, und die Jägerinnen würden wieder zu ganz normalen Mädchen. Die alte Ordnung wäre wieder hergestellt.
 

Ein perfekter Plan, doch benötigte sie dazu vier Reiter, und nicht nur drei...doch bald schon würde das kein Problem mehr sein. Sie hatte bereits einen Verdacht, wo der vierte Reiter sich befand, und wenn man den Spuren der Naturkatastrophen folgte, welche die anderen drei Reiter hinter sich ließen, brauchte man nur eins und eins zusammenzuzählen.
 

Und dann machte es auch nichts mehr aus, dass sie keine Gruppierung in Amerika gefunden hatte, die für den vierten Reiter zuständig gewesen wäre.
 

Auch mit Asien hatte sie kein Glück gehabt. Der Tetsu Clan weigerte sich, mit dem Rat zu verhandeln, selbst dann noch, als sie die kleine Aiko als Druckmittel einsetzte. Diese Familie ließ sich nicht erpressen.
 

Nun gut, wie sie wollten. Eine weitere Soldatin für ihre Armee...
 

Gedankenverloren betrachtete Lily das Gesicht des Mädchens. Da sie ein Beruhigungsmittel erhalten hatte, schlief sie jetzt, lag regungslos inmitten der seltsamen Kugel, welche die magischen Münzen um sie alle geformt hatten.
 

Zwei der anderen Jägerinnen standen so reglos wie Statuen, ihre leeren Augen auf die Japanerin gerichtet. Für den Fall dass sie wach wurde, und wieder Ärger machte. Ein weiteres Mal würde sie die Kleine sicher nicht unterschätzen.
 

Lori war umgekippt, bewusstlos durch den hohen Blutverlust. Sie würde sich wieder erholen, bei den Selbstheilungskräften einer Jägerin müsste sich die Wunde in ihrer Brust bereits geschlossen haben. Und falls nicht, war es auch egal.
 

Der schwarze Magier stand mit erhobenen Armen in der Mitte der Kuppel und murmelte Zauberformeln in einem monotonen Singsang. Die Formeln selbst waren Unsinn, ebenso sein wichtigtuerisches Gehabe. Aber egal, Hauptsache er und sein Bruder brachten diese seltsame Kuppel rechtzeitig nach England, bevor die Energie der Münzen verbraucht war, und das Ding auseinander fiel.
 

“Sehen Sie da, Ms. Usher!“ Der Magier unterbrach sein Getue, um begeistert auf einen dunklen Punkt zu zeigen, der rasend schnell näher kam. “Der Big Ben! Wir haben’s gleich geschafft!“
 

Im selben Moment ging ein kräftiger Ruck durch die Kugel und ihre Wände begannen zu flimmern. Nervös blickte der Magier um sich. “Oh-oh!“
 

++++
 

Wächterhaus, Giles’ Büro,

etwas später

Mit lautem Krachen flog der Ninja gegen Giles’ Schreibtisch und Kennedy setzte nach, um ihm noch einen Faustschlag zu verpassen. Offensichtlich ein Fehler, denn eine zweite Gestalt hatte bereits den Raum betreten, und nützte die Gelegenheit zur Couch hinüber zu rennen, wo Willow, noch geschwächt von ihrer letzten Vision, lag. Die Hüterin rollte sich herunter, um ihrem Angriff auszuweichen, und schlug hart auf dem Boden auf.
 

Benommen versuchte sie, schützend die Arme zu heben, als ein Ellenbogen gegen ihren Kopf krachte, und alles um sie herum in Dunkelheit versenkte.
 

“Willow!“ schrie Kennedy. Wie eine Furie stürzte sie auf die schwarzgekleidete Frau los, doch diese war auf ihren Angriff vorbereitet, und benutzte ihren eigenen Schwung, um sie über ihre Hüfte zu werfen. Die Jägerin stürzte in ein Bücherregal, welches gefährlich zu schwanken begann.
 

Das Regal kippte, und ein Hagel aus Büchern überschüttete die braunhaarige Jägerin. Sie riss die Arme hoch, und versuchte auf die Beine zu kommen.
 

In diesem Moment stürzte das Bücherregal auf sie hernieder.
 

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Ratszentrale, kleiner Konferenzraum

London, England,

selbe Zeit

Die Tür glitt langsam auf und George L. Martin betrat den Beratungssaal. Stickige Luft kam ihm entgegen, die Sitzung dauerte nun schon den ganzen Tag; heute gab es viel, das geregelt werden musste. Alles musste in die richtigen Bahnen gelenkt werden.
 

Langsam trat er zu den anderen Wächtern, die für einen Moment ihre Diskussion unterbrachen und zu ihm aufblickten.
 

“Die Unterkünfte für die Mädchen sind nun bereit gemacht.”, berichtete er. Wenn Lily doch hier wäre, er tat zwar sein Bestes, doch die Stimmung begann immer ungemütlicher zu werden. Wo Lily die zweifelnden Wächter noch unter Kontrolle gehalten hatte, konnte er nur zusehen, wie sie einander die Köpfe einschlugen. Jede Entscheidung wurde in Frage gestellt und so lange darauf herumgekaut, bis sie verworfen werden musste.
 

Die Vorkehrungen, die er für Lily treffen musste, waren immer schwerer durchzuführen. Die anderen Mitglieder des Zirkels unterstützten ihn so weit wie möglich dabei, die Lage unter Kontrolle zu halten, doch es bildeten sich langsam zwei Fronten heraus, die immer öfter auf einander prallten.
 

Vielleicht war es bald Zeit für ein weiteres Exempel, doch wenn zu viele Wächter verschwanden, würde es Misstrauen erregen. Außerdem konnte es nicht mehr lange dauern, bis Lily zurückkehrte. Sobald sie diese Sache in Amerika geklärt hatte, würde sie wieder da sein.
 

“Ein gutes Stichwort: Welchen Grund hat Ms. Usher die ganzen Jägerinnen nach England zu schaffen, gerade jetzt, wo sie doch an anderen Orten viel dringender gebraucht werden?” wollte die junge Ms. Cromwell wissen. “Wir wurden in dieser Sache nicht einmal gefragt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt.”
 

George wechselte einen kurzen Blick mit Lenhardt bevor er antwortete: “Ms. Usher gab mir diese Weisung über Telefon aus Amerika, sie sagte, dass sie auf eine sehr große Gefahrenquelle gestoßen ist und wir uns bereit machen müssen. Mehr weiß ich auch nicht, aber ich denke, dass wir ihr in dieser Sache wohl vertrauen können!”
 

“Und was hält sie davon ab, uns ihr Wissen mitzuteilen? Oder enthält sie es uns etwa vor?”
 

Lenhardt mischte sich in die Diskussion: “Ich bin sicher, Ms. Usher hätte die Angelegenheit vorher mit uns besprochen, wenn es nicht so dringend wäre!”
 

“Oh ja, das hätte sie bestimmt.” Alle Gesichter im Raum wandten sich Bernard Crowley zu, “Die Interessen des Rates scheinen ihr ja mehr am Herzen zu liegen, als alles andere.”
 

“Wie meinen Sie das?” hakte George nach.
 

“Genau so wie ich es gesagt habe!”
 

Ein lauter Knall ließ die Wächter herumfahren, es klang wie ein Schuss, oder – so albern der Gedanke auch sein mochte – wie das Platzen einer riesigen Seifenblase. Im nächsten Moment waren Schreie zu hören, das Trappeln von Füßen, die Geräusche eines Kampfes. Die Wächter sprangen auf, und drängten zur Tür.
 

Diese wurde im nächsten Moment aufgestoßen, und George blickte in Lily’s panisches Gesicht. “Wir benötigen sofort medizinische Unterstützung!“ rief sie. “Es gab einen Kampf, wir haben vier verletzte Jägerinnen, zwei davon schwer.“
 

“Wird sofort erledigt!“ Trotz der Umstände fühlte sich George erleichtert, dass sie wieder da war. “Lily, geht es dir gut?“
 

“Alles in Ordnung.“ Sie fuhr sich durch das zerzauste Haar und erhob ihre Stimme, um zu den übrigen Wächtern zu sprechen. “Ich möchte, dass sich alle Wächter und Jägerinnen so schnell wie möglich im großen Sitzungssaal versammeln. Ladies und Gentlemen, die Lage ist ernst.“
 

++++
 

Wächterhaus, selbe Zeit

großer Konferenzraum

Shin hatte versucht, sie zu schlagen. Ihr Freund, dem sie vertraut, den sie geliebt hatte, hatte sie hinterrücks angegriffen. Konnte es noch schlimmer werden?
 

Sie wollte gegen ihn kämpfen, sie wollte ihm wehtun, für das was er ihr und ihrer Schwester angetan hatte. Mit mehreren Faustschlägen versuchte Dawn, ihren Gegner zu verletzen, blind vor lauter Wut und Verzweiflung.
 

"Du dummes Mädchen," schrie Shin seine Freundin an, als er ihre Schläge abblockte. Ihre Technik war nicht so gut ausgefeilt wie seine, allerdings machte sie viel mit ihrer Stärke wett.
 

"Du hast recht – ich bin dumm,“ schrie sie zurück. “Weil ich mich auf einen Typen wie dich eingelassen hab’.“
 

“Du hast doch keine Ahnung, was hier gespielt wird!“ Shin duckte sich unter einem Schlag hinweg, und versuchte Dawn weiterhin auf Abstand zu halten. “Du kämpfst auf der falschen Seite. Wenn du wüsstest, in welche Dinge deine Schwester und diese korrupten Wächter verwickelt sind, würdest du...“
 

“Lügner!“ Ihre Faust traf endlich sein Gesicht und schleuderte ihn zurück. “Alles Lüge.“
 

“Dawn, ich weiß dass du die Wahrheit nicht vertragen kannst.“ Shin hatte sein Gleichgewicht schnell wieder gefunden. “Aber ich werd’ nicht zulassen, dass du jetzt da raus gehst und dir was passiert. Und wenn ich dich dazu bewusstlos schlagen muss!“
 

Shin’s Faust sauste nach vorne, doch Dawn fuhr herum, ihr Fuß schnellte gegen seine Brust. Im letzten Moment senkte der Junge den Arm, um ihren Tritt abzublocken. “Dieser Wächterrat ist nichts anderes, als eine Ansammlung machtgieriger Betrüger, die junge Mädchen gefangen nehmen, und als Soldaten für ihren Krieg missbrauchen.“
 

Dawn war zu verzweifelt, um sich darüber zu wundern, wieso Shin von der Existenz des Wächterrats wusste. Nichts von dem, was er sagte, ergab Sinn, die Wächter nahmen doch keine Jägerinnen gefangen. Dieser Kerl versuchte sie zu manipulieren.
 

“Ich glaub’ dir kein Wort, du...du Dämon!“ Ein anderes Schimpfwort fiel ihr jetzt nicht ein, jedenfalls keins, das stark genug wäre, ihren Hass auszudrücken. Ja, sie hasste ihn, hasste ihn für seine Lügen, und seine Falschheit.
 

“Du hast recht, ich bin ein Dämon.“ Eine kalte Wut war in Shin’s Augen getreten. “Alles, was ich dir über meine Familie erzählt habe, ist wahr. Meine Urahnin liebte einen Dämon, und wir sind ihre Nachkommen. Aber was ich dir noch nicht erzählt habe, ist, wie sie gestorben ist. Sie wurde umgebracht, von ihrem eigenen Wächter. Von dem Mann, der sie schützen, und auf ihre Aufgabe vorbereiten sollte.“
 

“Deshalb bekämpfst du uns,“ schrie Dawn fassungslos. “Wegen etwas, das vor Hunderten von Jahren passiert ist?“ Erneut schlug sie nach ihm. “Was können wir dafür, wenn damals ein Wächter ein mieses Schwein war?“
 

“Es geht nicht um einen Mann, es geht um eine Institution.“ Shin duckte sich unter einem Angriff hinweg, doch er war nicht schnell genug, da seine Konzentration zu stark auf ihrem Gespräch lag. Mit aller Kraft versuchte er Dawn zu überzeugen, selbst dann noch, als er ihre Schläge nicht mehr abwehren konnte. “Der Wächterrat hat sich in Hunderten von Jahren nicht geändert, und deine Freunde und Familie sind ein Teil davon. Heute abend haben deine Schwester und einige andere Jägerinnen ein Mädchen aus meiner Familie verschleppt.“
 

Sprachlos hielt Dawn inne. "Das hat Buffy nicht getan. Ich glaub’ dir kein Wort." Ihr Gesicht wurde rot vor Wut, und sie verpasste Shin, der vor ihr zu Boden gegangen war, einen Tritt in den Bauch.
 

Der Junge stöhnte vor Schmerz auf, doch er hielt den Blick weiterhin auf Dawn gerichtet. "Es ist wahr. Ich selber hab’ gegen sie gekämpft, als sie Aiko entführen wollte. Sie und noch drei andere Jägerinnen sind auf meine Cousine losgegangen.“
 

"Buffy würde so etwas nie tun!“ Verzweifelt versuchte Dawn ihre Gedanken zu ordnen. Willow hatte gesehen, wie drei Jägerinnen eine vierte angegriffen hatten. Und dann waren die Ninja gekommen... es war alles ein großes Durcheinander.
 

“Dawn, nimm’ endlich deine rosarote Brille ab!“ Shin versuchte, sich zur Seite zu rollen, wahrscheinlich rechnete er bereits mit dem nächsten Angriff.
 

Dawn packte ihn bei den Schultern. “Nein, jetzt hörst du mir mal zu!“
 

++++
 

Ratszentrale, großer Sitzungssaal

London, England,

etwas später

Der große Verhandlungssaal machte seinem Namen alle Ehre, und dennoch quoll er nahezu über von den Jägerinnen, die sich langsam in ihm sammelten. Der Saal wurde äußerst selten benutzt, also hatte George extra Stühle aufstellen lassen.
 

In den vordersten Reihen neben ihm saßen die Wächter, einige mit skeptischer Miene, doch der größte Teil von ihnen wirkte eher entnervt über die anhaltenden Diskussionen. George konnte nur hoffen, dass das was Lily nun sagen würde, all diese Zweifel hinweg waschen würde, doch wenn er so darüber nachdachte, konnte es eigentlich gar nicht schief gehen.
 

Lily nahm ihren Platz am Rednerpult ein, sie atmete einmal tief durch, wechselte einige Augenkontakte mit ihr wohl gesonnenen Wächtern, dann begann sie zu sprechen: “Meine Damen und Herren, Wächter und Jägerinnen, Sie alle fragen sich sicher, warum Sie heute hier zusammengerufen wurden. Das sollten Sie auch, denn Sie haben ein Recht auf eine Antwort!”
 

Hinter ihr stärkten ihr circa dreißig Jägerinnen und ein paar unbedeutende Wächter den Rücken, während sie ihre Ansprache hielt.
 

“Einiges in den letzten Tagen und Wochen ist nicht ganz so gelaufen, wie es vielleicht hätte laufen sollen, ich bitte dafür von ganzem Herzen um Entschuldigung. Doch all das rückt nun in den Hintergrund, denn etwas Größeres steht bevor. Vielleicht die größte Herausforderung, der sich der Rat der Wächter jemals gestellt hat!”
 

Sie legte eine theatralische Pause ein, um die Reaktionen des Publikums zu erlangen. Selbst die Ohren der letzten, verwöhnten Jägerin mussten nun ihr gehören.
 

“Erneut schwebt unsere Welt in tödlicher Gefahr, doch dieses Mal ist es ernster als jemals zuvor!” Sie betätigte eine Fernbedienung und mit einem mechanischen Rattern begann eine Diashow. Bilder von Verwüstung zuckten über die Leinwand, zerstörte Städte, tote Menschen, Bilder von Flutwellen und großen Feuerkatastrophen.
 

“Ein unbeschreibliches Grauen wurde entfesselt, drei so genannte Reiter des Todes stürzen diese Welt in Schrecken und Terror. Doch dies ist nur ein kleiner Vorgeschmack: Wenn sie ihr Ziel erreichen, wird es nichts und niemanden mehr geben, der sich ihnen in den Weg stellen kann.
 

Berechnend fuhr ihr Blick durch die Reihen von Jägerinnen und Wächtern, die alle angespannt und ängstlich auf die Bilder blickten. Eine Karte von den USA zeichnete sich auf der weißen Leinwand ab, ein roter Punkt blinkte über der Stadt Cleveland auf.
 

“Der Höllenschlund!” setzte Lily wieder ein. “Dort ist der vierte Reiter seit Anbeginn der Zeit gefangen, und er wartet nur darauf auszubrechen. Wir wissen, was es für unsere Welt bedeuten würde, wenn alle vier Reiter über sie herfallen...“
 

Eindringlich sah sie ihr Publikum an, bevor sie die Worte aussprach. “Die Apokalypse.“
 

Angst und Unglauben machten sich breit. Stimmengewirr, einige Wächter begannen eifrig miteinander zu diskutieren. Ein Mädchen wurde ohnmächtig.
 

“Aber noch ist es nicht zu spät.“ Lily’s Stimme hatte einen beruhigenden Tonfall angenommen. “Noch können wir verhindern, dass der vierte Reiter befreit wird, wenn wir nur schnell und entschieden handeln! Einmal ist es uns bereits gelungen, einen Höllenschlund zu schließen, und wir werden es wieder tun. Chao Ahn, bitte!”
 

Die junge asiatische Jägerin trat vor. In ihrem Gesicht zeichnete sich eine eingeschüchterte Miene ab, sie warf Lily einen kurzen unsicheren Blick zu. Die Wächterin nickte ihr freundlich zu: “Chao Ahn, berichte uns bitte von den Ereignissen in Sunnydale letztes Jahr!”
 

Die Jägerin, deren im letzten Jahr erworbene Englischkenntnisse noch nicht ausgereift waren, begann zögerlich zu sprechen: “Letztes Jahr war ich eine von vielen Anwärterinnen. Vielleicht würden wir Jägerinnen werden. Aber das erste...das Urböse versuchte, uns zu finden und zu töten. Es zerstörte den Rat. Wir flohen zur Jägerin in Sunnydale.”
 

Lily unterbrach sie für einen Moment: “Die meisten von uns kennen die Ereignisse von damals, doch es ist wichtig, dass wir sie uns in dieser Situation wieder vor Augen führen. Damals gab es keine Wächter mehr, damals gab es nur eine Jägerin und dennoch haben wir das Urböse besiegt, wenn auch nicht für immer. Seine Armee an Turok-Han wurde zurückgeschlagen, und der Höllenschlund in Sunnydale geschlossen.
 

“Heute gibt es wieder einen Rat, heute gibt es Hunderte von Jägerinnen über die ganze Welt verteilt! Ich sage, wenn wir alle an einem Strang ziehen, wenn wir alle zusammenhalten, dann können wir es wieder schaffen! Nein, ich sage sogar, dann werden wir es wieder schaffen!“
 

Die ängstlichen und ungläubigen Mienen entspannten sich etwas, bei den Jägerinnen machte sich bereits die gewünschte Euphorie breit. Sie waren eine Einheit, Kämpferinnen für das Gute! Und sie würden diese Welt retten!
 

“Chao Ahn, erzähl’ uns von der Sense!” wandte Lily sich an das Mädchen.
 

“Ja, die Sense!” Sie schien einige Zeit zu brauchen, bis sie sich gefangen hatte. “Mit der Hilfe der Sense... der uralten Waffe der Jägerin wurden wir Anwärterinnen auch Jägerinnen. Wir gingen hinab in den Höllenschlund. Wir kämpften gegen die Vampire des Urbösen. Es war schrecklich. Viele von uns starben, doch wir… wir…”, sie stockte, und Lily übernahm wieder.
 

“Und doch steht sie heute hier, genauso wie viele ihre Kampfgenossinnen. Sie haben überlebt, sie haben den Höllenschlund geschlossen und das Urböse aus dieser Welt verbannt! Und genau das müssen wir in diesen Tagen wieder fertig bringen! Eine Armee, gewaltiger und schrecklicher noch, als die Turok-Han wartet am Höllenschlund von Cleveland auf uns.”
 

Es hatte funktioniert, sie hörte die Jägerinnen tuscheln, ungläubige Blicke der Wächter musterten sie, voller Entsetzen. Angst war der beste Antrieb, um Menschen zu etwas zu treiben; sie hatte genug Angst in ihre Herzen gesät, der Rest war ein Kinderspiel.
 

“Ich weiß, dass ihr euch fürchtet, es wäre eine Lüge zu sagen, dass ich es nicht tue, und dennoch bin ich guten Mutes, denn wir alle tragen nicht nur die Verantwortung gegenüber der Menschheit in uns. Nein, wir tragen auch die Kraft, sie zu beschützen, egal was auch kommen mag! Dies ist vielleicht unsere größte Prüfung, doch wir sollten ihr nicht mit Angst entgegen blicken. Zusammen sind wir stärker als alles, was das Böse für uns bereithalten könnte! Stärker als die Reiter des Todes. Stärker, als die Armee der abscheulichen Monster!“
 

Einige Jägerinnen sprangen auf, und klatschten in die Hände, andere folgten. Schon bald erklang donnernder Applaus, auch die Wächter stimmten – zuerst zögerlich, dann immer entschlossener mit ein.

Lily betrachtete die Masse tobender Mädchen, ihr fiel es schwer ihre Verachtung zu verbergen. Eine Herde Schafe, nichts anderes waren sie. Und genau das machte sie so gefährlich, einmal losgelassen, konnte dieser hirnlose Mob durch nichts aufgehalten werden. Nein, es wurde höchste Zeit, die alte Ordnung wieder herzustellen.
 

“Und ich werde nichts dem Zufall überlassen,“ Sie schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln. “Ich verspreche euch, ihr alle werdet die Kraft erhalten, die ihr braucht, um siegreich zu sein. Die Kraft, die euch zusteht!”
 

++++
 

Wächterhaus, Flur,

etwas später

Buffy, Faith und Ronah kämpften Seite an Seite, von überall her waren die Kampfschreie der Ninja zu hören. Giles, Robin, Xander und Andrew bildeten sozusagen die zweite Front, sie versuchten, den kleinen Konferenzraum zu sichern.
 

Faith sprang auf die Stufen der Treppe, welche zu Giles’ Wohnung hinaufführte, um einen Höhenvorteil zu haben. Ihre Handkante fuhr gegen den Hals einer Angreiferin, brachte diese zum Straucheln. Doch die Kämpferin hatte ihr Gleichgewicht schnell wieder gefunden, und riss ein Wakizashi aus ihrem Gürtel.
 

Ronah war in ein Handgemenge mit zwei Gegnern verwickelt, die sie gleichzeitig angriffen. Die beiden Männer waren aufeinander abgestimmt, sie kombinierten ihre Attacken und brachten die dunkelhäutige Jägerin in arge Bedrängnis. Buffy konnte ihr nicht helfen, sie hatte mit ihren eigenen Gegnern genug zu tun. Einer von ihnen schleuderte Wurfsterne nach ihr, während der andere mit einem Katana zuschlug.
 

“Sie...sie haben Willow.“ Kennedy wankte in den Raum, und hielt sich den Bauch, sie sah ziemlich mitgenommen aus. Erschrocken fuhren die Köpfe der anderen Jägerinnen herum, hatten sie wirklich übersehen, dass jemand ihre Freundin verschleppt hatte? Willow war in Giles Büro gewesen, um dieses zu verlassen, hätten die Entführer den Flur betreten müssen.
 

“Das ist richtig, die Seherin befindet sich in unserer Hand!“
 

’Seherin?’ Buffy schrak zusammen, wussten diese Typen über alles Bescheid? Meinten sie mit Seherin etwa Hüterin?
 

Die kraftvolle Frauenstimme war vom Arbeitszimmer her gekommen. Einen Augenblick später sahen Buffy und die anderen eine Gestalt aus dem Türrahmen treten, eine Gestalt, die einen reglosen Körper auf den Armen trug.
 

“Willow.“ Entsetzt unterbrachen die Jägerinnen ihre Kämpfe. Ein leichtes Stöhnen verriet, dass ihre Freundin am Leben war, doch dieselbe Hand, die ihren Kopf hielt, hielt auch einen kleinen spitzen Fingerhut an ihre Kehle. Einen vergifteten Fingerhut, wie die dunkle klebrige Spitze verriet, die gegen Willow’s Haut drückte.
 

“Yui-sama, Aiko-chan wa koko janai,“ wandte sich einer der Männer an die Frau, und diese nickte. “Sie würden sie auch nicht hier behalten,“ entgegnete sie auf Englisch, so dass alle sie verstehen konnten. “Vermutlich haben sie sie auf schnellstem Wege nach England gebracht. Die Seherin wird mehr wissen.“
 

“Was haben Sie mit Willow vor?“ fragte Buffy. Sie wartete auf den richtigen Moment um zu handeln, doch solange die Metallspitze an Willow’s Kehle war, würde sie sicher nichts Unüberlegtes tun.
 

“Eure Seherin wird uns begleiten.“ Die Japanerin warf Buffy einen verachtenden Blick zu. “Solange ihr uns keine Schwierigkeiten macht, wird ihr nichts geschehen. Uns wäre es lieber, wenn wir sie nicht töten müssten, sie ist vielleicht die Einzige, die uns verraten kann, wo sich die auserwählte Tochter unseres Clans befindet. Sobald sie heil zu uns zurückgekehrt ist, wird die Seherin auch zu euch zurückkehren.“
 

“Das können Sie nicht machen,“ schrie Kennedy. Buffy legte beruhigend eine Hand auf ihrem Arm, doch die junge Jägerin war trotz ihrer Angst zu vernünftig, um die Nerven verlieren, und ihre Liebe zu gefährden. Auch wenn innerlich alles in ihr bebte.
 

“Das Mädchen, das ihr sucht, ist nicht bei uns,“ versuchte Buffy zu erklären. Langsam begannen zumindest ein paar Dinge Sinn zu ergeben. Die Ninja suchten nach der kleinen Japanerin, die von den Jägerinnen verschleppt worden war.
 

“Sie hat Angst,“ murmelte Willow leise. “Es ist dunkel. In ihrem Geist ist es dunkel geworden.“
 

“Hören Sie, dass ist alles ein Missverständnis,“ versuchte Buffy zu erklären. “Wir haben nichts mit den Leuten zu tun, die Ihre Tochter entführt haben. Das ist eine Verwechslung.“
 

Die Japanerin kümmerte sich nicht im Geringsten um ihre Worte. Langsam, ohne den Finger mit der Metallspitze zu bewegen, wich sie zurück, in Richtung Tür. Auch die Ninja zogen sich zurück, scharten sich um ihre Anführerin. Die letzten beiden traten aus dem Konferenzraum heraus, wo Giles und die anderen jetzt erst mitbekamen, in welcher Gefahr Willow schwebte.
 

“Bitte hören Sie mir zu,“ versuchte Buffy ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit der Frau zu erringen. “Sie machen einen Fehler...“
 

“Sie hat recht, Oka-san.“
 

Shin war hinter seine Mutter auf den Flur getreten, gefolgt von Dawn. Yui runzelte die Stirn, wie es schien, hatte dieses Mädchen den Geist ihres Sohnes verwirrt und sein Urteilsvermögen getrübt.
 

“Geh’ mir aus dem Weg, Junge, du weißt nicht, was du redest.“ Ihre Augen funkelten.
 

Shin schüttelte den Kopf. “Es tut mir unendlich Leid, dass ich deinen Wunsch nicht erfüllen kann, aber mein Ungehorsam dient nur dem Wohl unserer Familie. Wenn wir die Seherin mit uns nehmen, sind wir nicht besser, als jene, die uns unsere Aiko geraubt haben. Schlimmer noch, wir machen uns damit Menschen zu unseren Feinden, die vielleicht unsere Verbündeten sein könnten.“
 

Für eine Weile war es ganz still. Yui sah ihrem Sohn in die Augen, sie suchte nach einem Zeichen von Verwirrung, möglicherweise einem Zauber. Doch Shin hielt ihrem Blick stand, die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in seinen Augen wurde durch keinen Zweifel getrübt.
 

Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, gab sie ein kaum merkliches Nicken von sich, und ließ den eisernen Finger sinken. Sie ging ein paar vorsichtige Schritte auf Buffy zu, die ihr entgegeneilte und ihr Willow abnahm.
 

“Bitte folgen Sie mir, Ms. Tetsu.“ Giles deutete zum großen Konferenzraum. Immer noch flogen misstrauische Blicke hin und her, doch wie es schien, waren die Kampfhandlungen zu einem Ende gekommen.
 

Shin’s Blick suchte den von Dawn, ein vorsichtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. Draußen begannen die ersten Sonnenstrahlen den beginnenden Tag zu erhellen.
 

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Cleveland, Barker Cooperation

selber Morgen,

etwas später

Müde stieg Eve aus ihrem Auto aus, sperrte mit der Funksperre ab, woraufhin die Blinker kurz aufleuchteten und das Fahrzeug zwei kurze Piepser von sich gab. Eve ließ den Autoschlüssel in ihre Handtasche gleiten, zog ihr Oberteil zurecht, und ging dann mit schnellen Schritten durch die Tiefgarage auf den Aufzug zu.
 

Sie betätigte den Druckknopf, nur wenige Augeblicke später glitten die metallischen Türen mit einem leisen Surren beiseite, und offenbarten den Blick auf einen hell erleuchteten, zum Teil verspiegelten Lift.
 

Eve befahl dem Lift per Knopfdruck in ihre Etage zu fahren, drehte sich danach um und betrachtete sich kurz im Spiegel. Eine blonde Strähne hing ihr ins Gesicht, die sie sofort wieder an ihren richtigen Platz schob, während sie anschließend ihren Lippenstift noch einmal nachbesserte. Das würde heute wieder ein ziemlich langer Tag werden, aber wenigstens wartete dafür ein Essen mit Xander auf sie. Sie musste lächeln, als sie an ihren neuen Freund dachte, und zuckte kurz zusammen, als sich die Türen mit einem lauten Ding öffneten.
 

Die blonde Frau ließ die Fahrstuhlkabine hinter sich, grüßte einige Arbeitskolleginnen auf dem Weg in ihr Büro und nahm ihrer Sekretärin sofort die Briefe ab, die ihr diese mit einem freundlichen ’guten Morgen’, entgegenstreckte.
 

Eve erwiderte den Gruß, danach öffnete sie ihre Türe, betrat ihr Büro und musste wieder einmal den wahnsinnig schönen Ausblick bewundern, den man aus diesem Gebäude um diese Uhrzeit hatte.
 

Nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, zog sie ihre Kostümjacke aus, unter dem sie eine helle, weiße Bluse trug.
 

”Guten Morgen, mein Schatz!” hallte es auf einmal durch das Büro und Eve ließ vor Schreck ihre Handtasche mitsamt den Briefen fallen. Mit weit aufgerissenen Augen und mit leicht zitternden Knien beobachtete sie, wie sich ihr schwarzer Bürostuhl langsam drehte.
 

”Na, bist du froh, mich wieder zu sehen?” fragte der Magier, der auf Eve’s Stuhl Platz genommen hatte.
 

Eve konnte nicht glauben, was sie da vor sich sah. Die Haut des Mannes war weiß wie Schnee und er bedeckte diese nur mit einer ebenso weißen Kutte , seine Haare waren hellblond und die Augen strahlten blauer als der Frühlingshimmel. Er lächelte sie verschmitzt an.
 

”Alex?” fragte sie ungläubig, und näherte sich ihm langsam.
 

”Nenne mich nicht mehr mit diesem Namen. Ich heiße jetzt Castor!” sprach der Magier und erhob sich daraufhin vom Stuhl, wobei er pompös mit den Armen wedelte.
 

Verwirrt und ungläubig starrte Eve ihn an, sie wusste nicht ob sie laut loslachen, oder ihn anschreien sollte.
 

”Ich bin nur vorbei gekommen, weil ich zufällig in der Stadt bin, und da dachte ich mir, ich schau mal, wie es meiner Eve geht..!” Er lächelte sie weiterhin an, und von einem Moment auf den anderen hatte er plötzlich einen riesigen Strauß roter Rosen in der Hand.
 

”Was willst du hier?” fragte Eve, die keine Anstalten machte, die Rosen anzunehmen.
 

”Ach, eigentlich wollte ich nur fragen, wie es dir so geht. Ist deine neue Beziehung was Ernstes?”
 

”Bitte? Woher weißt du von Xander? Und was geht dich das überhaupt an”
 

”Ich hab alles da drin..” er tippte sich zweimal auf die Stirn und musste dann wieder lachen.
 

”Alex, du bist krank. Verschwinde, ich hab dir damals schon gesagt, dass ich dich nicht mehr sehen will!” Eve ging an ihm vorbei und setzte sich auf ihren Bürostuhl, eine Hand am Telephon. ”Wenn du nicht sofort gehst, werde ich der Sicherheit Bescheid geben.”
 

”Kein Interesse, was ich alles so erlebt habe?” er trat langsam hinter sie, legte einen Finger in ihr Haar und ließ diesen langsam bis zu ihren Schultern herunter gleiten. Sanft erfasste er diese und begann Eve leicht zu massieren.
 

Sie hörte tief in sich eine Stimme, die ihr sagte, dass sie ihn sofort rausschmeißen sollte, allerdings war sie dazu einfach nicht mehr in der Lage. Dafür war es jetzt zu spät.
 

”Ich will mit euren albernen magischen Spielchen nichts zu tun haben... ” flüsterte Eve leise, woraufhin sie einen leisen Seufzer ausließ. Was machte er nur mit ihr? Es fühlte sich so ... gut an. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
 

”Ich bin besser geworden...” flüsterte der Magier Eve ins Ohr und gab ihr dann einen Kuss auf die Wange. Eve ließ ihren Kopf zurücksinken, und gab sich ihm vollkommen hin. Sie vergaß alles rund um sich, seine Magie hatte sie vollkommen im Bann.
 

Langsam ließ er seine rechte Hand tiefer in ihre Bluse gleiten, als plötzlich die Gegensprechanlage die gesamte Atmosphäre zerstörte.
 

”Eve, ich weiß, dass Sie eigentlich keine Zeit haben, aber Sie haben gesagt, dass jeder Anruf von Mister Harris höchste Priorität hat..”
 

Eve sah auf. Der Zauber war verflogen. Sie sprang aus ihrem Sessel hoch und knöpfte sich die obersten Knöpfe wieder zu, die der Magier bereits aufgemacht hatte.
 

”Du Schwein..” sagte Eve und ging auf die andere Seite des Schreibtisches. Sie beugte sich nach vorne und betätigte den Knopf für die Anlage. ”Sagen Sie bitte Mr. Harris, dass ich ihn gleich zurückrufen werde!” Dann sah sie wieder auf und strafte den Zauberer mit dem verächtlichsten Blick, den sie hatte.
 

”Ich will, dass du sofort verschwindest, sonst wird das für dich gerichtliche Folgen haben, Alex. Ich habe dir schon bei unserer Scheidung gesagt, dass ich keinen weiteren Kontakt mit dir wünsche. Ich will weder dich noch deinen Zwillingsbruder je wieder sehen. Hau ab! Verschwinde! Wenn du denkst, dass du mich mit deiner Magie noch einmal hinters Licht führen kannst, dann hast du dich geschnitten!” schrie sie ihn an, wobei sie ihre Bluse zurechtrückte.
 

Der Magier machte keine Anstalten, das Büro zu verlassen, sondern trat wieder einen Schritt auf sie zu und lächelte sie an.
 

”Du hast keine Ahnung, was du dir da entgehen lässt..” sagte er.
 

”Oh doch. Danke, ich verzichte. HAU AB!” schrie Eve, ging einige Schritte nach hinten, griff nach der Handtasche und holte eine Dose Pfefferspray hervor, die sie ohne jedes weitere Wort auf ihren Ex-Mann sprühte.
 

”Immer noch derselbe Dämon wie früher!” fluchte der Magier hustend, und löste sich dann vor ihren Augen auf.
 

In der Sekunde darauf gaben Eve’s Knie nach und sie fiel zu Boden. Mit zitternden Fingern legte sie das Spray zurück in ihre Handtasche.
 

++++
 

Wächterhaus, großer Konferenzraum

etwas später

“Und auf diese Weise erlangte Lily Usher die Kontrolle über den Wächterrat,“ beendete Giles seine Erzählung. “Und wir versuchen, diese Kontrolle wieder zurück zu gewinnen, ihre Pläne zu durchkreuzen, und so ganz nebenbei noch die Reiter des Todes aufzuhalten.“
 

Müde blickte er sein Gegenüber durch die Gläser seiner Brille an.
 

“Ich kann nicht ehrlich von mir sagen, dass ich Ihnen vertraue.“ Das Misstrauen in Yui’s Stimme war unverkennbar. “Aber die Ereignisse, so wie Sie sie geschildert haben, klingen sehr einleuchtend. Ich will Ihren Worten fürs erste Glauben schenken, und Sie nicht als unsere Feinde betrachten.“
 

In aller Eile hatten sie die kleinen Lesetischchen an den mächtigen Tisch im großen Konferenzraum geschoben, damit jeder einen Platz um den großen Verhandlungstisch erhielt. Giles, Buffy, und die anderen hatten auf einer Seite Platz genommen, die Mitglieder der Tetsu Familie auf der anderen. Yui saß in der Mitte, flankiert von Shin und ihrem Ehemann Gendou. Alle drei hatten ihre Kopfvermummungen abgenommen.
 

Für Willow war die Couch zurechtgemacht worden, auf der vorher Shin gelegen hatte. Die Hüterin fühlte sich nicht gut genug, um am Tisch zu sitzen, sie wollte diese Verhandlungen jedoch auf keinen Fall verpassen.
 

Andrew fehlte in ihrer Runde. Sobald es klar war, dass es keine Kämpfe mehr geben würde, hatte er Giles gebeten, nach Hause gehen zu dürfen. Dieser hatte sich zwar gewundert, dass der Junge freiwillig eine so wichtige Besprechung versäumen wollte, hatte aber seine Zustimmung gegeben. Dawn würde Andrew später alles genau berichten.
 

“Einige Dinge über unsere Familie wissen Sie bereits,“ begann Yui. Sie wusste, dass es nun an ihr war, zu erzählen. “Der Tetsu Clan geht auf eine Frau namens Tetsuko zurück, eine Jägerin, die vor langer Zeit in Japan lebte. Tetsuko starb noch als junges Mädchen, doch ihrer Tochter war ein langes erfülltes Leben und eine große Familie bestimmt. Diese Familie hat es sich zur Aufgabe gemacht, wie einst ihre Vorfahrin, die Welt vor feindlichen Dämonen zu schützen.“
 

Sie machte eine Pause, blickte in die zweifelnden Gesichter. “Ich weiß, Sie fragen sich, wie so etwas sein kann, schließlich war Tetsuko’s Geliebter, und der Vorfahre unserer Familie selbst ein Dämon. Aber für uns stellt das durchaus keinen Widerspruch dar. Unser Vorfahre war ein ehrenhafter Mann. Die Kreaturen, die wir bekämpfen, haben nur Tod und Vernichtung im Sinn.“
 

Buffy erinnerte sich an das Gespräch, das sie mit Giles über Dämonen geführt hatte. Diese Leute hatten offensichtlich eine andere Einstellung zu dem Thema.
 

“Eine unserer Aufgaben besteht darin, wie Ihre Schriften Ihnen bereits verraten haben, den Reiter des Todes zu bewachen, der sich auf asiatischem Boden befindet. Zu diesem Zweck lebt ein Teil unserer Familie in China.“
 

“Wir hatten dort eine... etwas unangenehme Begegnung,“ wandte Buffy vorsichtig ein. “Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Ihrem Reiter zu nahe zu treten...“
 

Yui würdigte die Entschuldigung mit einem Nicken, und fuhr dann fort. “Eine weitere Aufgabe besteht im Kampf gegen einen Dämonenclan, der es sich zum Ziel gemacht hat, die Weltherrschaft durch die Kontrolle von Firmen zu erlangen.“
 

“Die kennen wir doch auch,“ konnte Buffy sich nicht beherrschen. “Schachclub Dämonen mit einem unaussprechlichen Namen?“
 

“Marvin,“ murmelte Dawn leise. “Nein, nicht der Dämonenclan,“ fügte sie zu ihrer Schwester gewandt hinzu. “Ist nicht so wichtig.“
 

“Darf ich Sie jetzt bitten, uns etwas über das verschwundene Mädchen zu erzählen?“ griff Giles das Gespräch wieder auf. “Vielleicht können wir Ihnen in der Angelegenheit behilflich sein.“
 

Yui nickte. “Aiko ist die Tochter meines jüngsten Bruders, ihre Familie lebt im Haus meines Vaters auf der Insel Kyushu. Mein Vater ist im Moment das Oberhaupt unseres Clans, und er kümmert sich persönlich um Aiko’s Ausbildung. Wir wissen schon seit Aiko’s Geburt, dass sie etwas Besonderes ist, Otoh-sensei, ich meine, Vater, hat in seinen Träumen gesehen, dass sie einen Teil der Seele von Tetsuko in sich trägt, und dass es eines Tages ihre Aufgabe sein wird, unsere Familie zu führen.
 

Nun, in ihrem vierzehnten Lebensjahr erwachten ihre Jägerinnenkräfte, und letztes Jahr im elften Monat trat ein Mitglied ihres Rates an unsere Familie heran, und bat darum, Aiko’s Ausbildung Ihrem Rat zu übergeben. Wir waren nicht damit einverstanden, und Mr. Prescott – so lautete sein Name, verließ uns wieder. Er versicherte uns, dass der Wächterrat unsere Entscheidung akzeptieren würde. Dieses Versprechen stellte sich schon bald als nichtig heraus, als im Frühjahr die Schule begann, wurde Aiko dort von einer Jägerin überfallen. Da wir um ihre Sicherheit fürchteten, schickten wir sie fort, hierher nach Amerika. Und gestern Abend wurde sie ein weiteres Mal überfallen, und verschleppt.“
 

“Das habe ich in meiner Vision gesehen“, erklang Willow’s Stimme von der Couch her. “Ich hab’ aber nicht verstanden, wieso Jägerinnen eine andere Jägerin angreifen würden. Buffy ging dorthin, um nach den Rechten zu sehen...“
 

“Und wir hielten sie natürlich für eine von Usher’s Jägerinnen,“ beendete Yui den Satz.
 

“Ms. Tetsu, ich verspreche Ihnen, wir werden alles, was in unserer Macht steht tun, um das Mädchen aus Lily Usher’s Kontrolle zu befreien,“ versicherte Giles. “In gewisser Weise hatten Sie Recht, mich zu verdächtigen. Wäre ich nicht so blind gewesen, wäre das alles nie soweit gekommen.“
 

“Ich verstehe nun deine Worte,“ wandte Yui sich an Shin. “Vielleicht können wir hier wirklich neue Verbündete gewinnen. Die Zeit wird es zeigen.“
 

“Womit können wir Sie unterstützen?“ wandte sie sich fragend an Giles. “Wir haben Zugang zu vielen Informationen...“
 

Giles dachte kurz nach. “Erinnern Sie sich an das, was Dawn über ihre Begegnung mit dem Wesen aus Licht erzählt hat? Dieses Wesen erwähnte einen Namen, den Unsterblichen. Er soll den entscheidenden Hinweis darauf geben können, wie die Reiter des Todes zu besiegen sind. Aber bisher hatten wir kein Glück damit, ihn ausfindig zu machen.“
 

Yui lächelte. “Möglicherweise wüsste ich jemanden, der Ihnen da weiterhelfen könnte.“
 

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Malkuth, Straße des Glücks,

Wohnung von Warren und Andrew,

etwas später

War er eingeschlafen? Er wusste es nicht, irgendwie war sein Kopf nicht mehr klar. Oh verdammt, warum hatte er Andrew einfach so weggehen lassen? Ihn nicht um Hilfe gebeten?
 

Warren versuchte aufzustehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Er wagte es nicht, an sich hinunterzublicken, er wusste, welcher Anblick ihn erwartete. War es auch schon in seinem Gesicht? Oder unter seinen Boxershorts? Oh Gott, daran wollte er nicht mal denken...
 

Seltsamerweise tat es nicht weh. Es fühlte sich nur merkwürdig taub an, so als ob ein Teil seines Körpers nicht mehr existierte. Er hatte das Gefühl zu verschwinden...sich aufzulösen.
 

Verdammt, es würde nicht einfach von allein besser werden. Es wurde immer nur noch schlimmer. Warum hatte er nicht...
 

Er vergrub das Gesicht in den Händen und spürte die Tränen der Verzweiflung an seinen Fingerspitzen. Oh Gott, er musste doch etwas tun können! Er konnte doch nicht einfach hier liegen bleiben und langsam verfaulen...
 

Mit einem Ruck riss er den Kopf hoch, und hielt plötzlich etwas in der Hand.
 

Panisch starrte er darauf.
 

Es war ein Büschel seiner Haare.
 

++++
 

Malkuth, Straße des Todes,

selbe Zeit

Andrew hatte Seitenstechen, doch er rannte weiter. Er verstand nicht, warum sein Herz so laut klopfte, wusste nicht, warum er solch furchtbare Panik verspürte. Nur wegen des Streits? Oder wegen dieser seltsamen Verletzung an Warren’s Arm?
 

Irgendwas war nicht in Ordnung, aber jetzt war keine Zeit zum Nachdenken. Jetzt wollte er nur so schnell wie möglich nach Hause.
 

Normalerweise vermied er die Straße des Todes, er wählte lieber den längeren Weg. Diese Straße machte ihn beklommen, mit all ihren Gräbern in den Wänden, mehr noch als die Friedhöfe, die er von den Patrouillen mit den Jägerinnen her kannte. Diese Straße war eine einzige riesige Gruft. Sogar der Boden, über den er rannte, war von Inschriften in allen möglichen Sprachen übersät.
 

Hier wurden die Bewohner Malkuth’s zur letzten Ruhe gebettet.
 

++++
 

Malkuth, Straße des Glücks,

Wohnung von Warren und Andrew,

selbe Zeit

Er versuchte zu schreien, doch ein Krächzen war alles, was seine Stimme hergab. War dies das Ende? War es D’Hoffryn’s Wiedererweckungszauber, der seine Wirkung verlor? Oh Gott, er hätte es wissen müssen, dass die Sache einen Haken hatte! Er hätte versuchen sollen, etwas darüber herauszufinden, als noch Zeit war. Hätte mit Andrew, mit den Zaddikim, mit überhaupt jemandem über das alles reden müssen!
 

Aber das hatte er nicht. Hatte es verdrängt, sich eingeredet, es wäre nie passiert. Es war so einfach gewesen. Er konnte sich ja nicht einmal daran erinnern. Da war nur Schmerz und Dunkelheit gewesen, und dann war er wieder aufgewacht...
 

Dieses Mal würde er nicht wieder aufwachen. Ein zweites Mal konnte auch die Schwarze Magie das Leben nicht wiedergeben.
 

Wenn es jetzt vorbei war, dann für immer.
 

++++
 

Malkuth, Straße des Todes,

selbe Zeit

Blumen, schimmernde Steine, und kleine Goldmünzen lagen in den Wandnischen, als Beigaben für die Toten. Manch eine steinerne Gottheit blickte huldvoll, oder auch furchterregend auf sie hernieder. So viele Wesen, so viele Kulturen, doch im Tod waren sie alle gleich, Asche in Urnen, verborgen hinter Wänden aus Stein.
 

Andrew bog um eine Ecke und wäre fast gegen eine Statue gerannt. Schneeweiß, ein Engel, oder eine Göttin, so genau konnte man das nicht sagen. Sie trug ein wehendes Kleid, und ein zickzackförmiger Scheitel teilte ihr schulterlanges Haar. Ihre Hände hielten eine Kerze, welche sanft im Dunkeln leuchtete und ihr mädchenhaftes Gesicht erhellte.
 

Um sie herum glänzten die Inschriften der Grabsteine, nur der Platz zu ihren Füßen war leer, noch niemand hatte hier seine Ruhestätte gefunden. Andrew schöpfte einen Augenblick lang Atem, dann wandte er sich ab und rannte weiter.
 

++++
 

Malkuth, Straße des Glücks,

Wohnung von Warren und Andrew,

selbe Zeit

Oh verdammt, es konnte nicht vorbei sein. Es konnte nicht einfach alles aufhören, alles weg sein. Nicht jetzt, wo es so gut lief. Er war doch noch gar nicht bereit dafür. Er konnte doch nicht eine neue Chance haben, und sie so plötzlich wieder verlieren. Es war einfach nicht fair. Es war verdammt noch mal nicht fair!
 

Seine gesunde Hand stemmte sich gegen den Türrahmen, er versuchte, sich hochzuziehen. Mit einem Arm fehlte ihm die Kraft, deshalb nahm er den zweiten dazu. Unter dem Verband ließen die Finger sich kaum bewegen, doch er versuchte es ein weiteres Mal. Und ein weiteres.
 

Es klappte. Er zog sich hoch und kam auf zitternden Beinen zu stehen. Seine Arme stützen ihn.
 

Im nächsten Moment durchdrang ein furchtbares Geräusch die Stille, ein Reißen und Knacken, und er schlug zu Boden. Instinktiv wollte er sich mit der Hand abstützen, doch da war keine Hand mehr, nur noch ein Stumpf aus weißem Verband.
 

Grauer Staub rieselte darunter hervor.
 

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Malkuth, Straße des Glücks,

draußen,

selbe Zeit

Andrew schlüpfte durch das radförmige Tor, noch bevor es sich ganz geöffnet hatte. Jetzt waren es nur noch wenige Schritte bis zur Wohnung, gleich hatte er es geschafft. Seine Seiten schmerzten vom Rennen, sein Hals und seine Lunge vom hastigen Atmen, doch würde er sich keine Pause mehr gönnen, nicht jetzt, wo er schon fast zu Hause war.
 

Er hüpfte über ein Brunnenrinnsaal, stolperte beinahe über einen Sitzstein und jagte zwischen einigen Büschen hindurch.
 

Mit letzter Kraft stieß er die Wohnungstür auf.
 

AKT 4
 

Malkuth, Straße des Glücks

Andrews und Warren’s Wohnung

selbe Zeit

“Warren? Warren, wo steckst du?“ In blinder Panik rannte Andrew durch die leere Wohnung. Warren war nicht im Wohnschlafzimmer, obwohl die verwühlten Decken auf der Bettcouch noch davon kündeten, dass er vor nicht allzu langer Zeit hier gelegen hatte. Die Couch war aber nicht mehr warm. Auch die drei PCs im Computerzimmer – wie sie den zweiten Raum nannten - waren kalt, er war nicht dort gewesen.
 

Küche und Bad waren dunkel. Andrew verstand nicht, warum er solche Angst hatte. Zitternd lehnte er sich an den Türrahmen und versuchte seine Gedanken zu ordnen. War Warren vielleicht doch zum Arzt gegangen, wegen seines Arms? Aber dann müsste doch ein Paar von seinen Schuhen fehlen. Andrew wetzte durch die Zimmer. Die neuen Turnschuhe standen an der Garderobe, die alten lagen im Computerzimmer auf dem Boden, und die Halbschuhe waren in dem Schränkchen, wo Warren seine alten Computerteile aufbewahrte.
 

Ein Geräusch ließ Andrew herumfahren, es war eindeutig die Haustür. Gott sei Dank, es war also nichts passiert. Er rannte zurück ins Wohnschlafzimmer – und stieß beinahe mit Mo’s massigem Bauch zusammen.
 

“Sachte, sachte,“ wehrte Mo ab. “Bist du gerade im Stress?“
 

“Nein, eigentlich ja?“ rief Andrew verzweifelt. “Warren ist nicht da, und wir haben uns gestritten und es ging ihm auch nicht gut und...hast du ihn vielleicht gesehen?“
 

Bedauernd schüttelte Mo den Kopf. “Leider nein. Vielleicht ist er auf der Arbeit? Gestern hatten wir ja wieder einen Stromausfall. Übrigens, entschuldige, dass ich so einfach rein gekommen bin, aber du hast auf mein Klopfen nicht reagiert und...“
 

“Schon okay.“ Andrew atmete tief durch, aber seine Augen spähten über Mo’s Schulter, als erwarte er, dass Warren jeden Moment durch die Tür kommen würde. “Du – wegen der Dämon Sache, ich hab’ mich für das Ritual entschieden, das du vorgeschlagen hast. Mit dieser Essenz Geschichte. Das ist denk’ ich am Besten, da bin ich immer noch ich, und wenn ich ein bisschen stärker bin, oder so, dann macht das ja nix. Ich will so schnell wie möglich...“
 

“Sachte, sachte,“ wehrte Mo ein weiteres Mal ab. “Dein Entschluss ehrt dich natürlich, aber ich habe eine Alternative gefunden. Deshalb bin ich hergekommen. Ich wollte dir mitteilen, dass du kein Dämon werden musst, um in Malkuth bleiben zu können. Es gibt da tatsächlich ein Schlupfloch...
 

++++
 

Disco in Cleveland

selber Tag, abends

Laute, rhythmische Musik dröhnte aus den massiven Lautsprechern, die in dem großen Raum großflächig verteilt waren. Verschiedenfarbige Laserstrahlen wirbelten durch die Luft, und spendeten wenigstens etwas Licht.
 

Die Tanzfläche bebte, und schwitzende Körper tanzen neben- oder miteinander. Die leichte Trance, die sich dadurch bei den Menschen bildete, breitete sich über die gesamte Menge aus, und ließ die Spannung, die in der Luft lag, noch ansteigen.
 

“Wow, hier ist ne Menge los!” schrie Robin, und bedeutete seinen Begleitern, dass sie sich von der Tanzfläche weg und zu den Sofas und Tischen bewegen sollten.
 

Als sie die lärmende Menge hinter sich gelassen hatten, und die etwas abgelegene “Chill-out” Zone erreichten, ließ Faith ihren Blick durch den Raum schweifen.
 

“Es ist kein Platz frei..” sagte Ronah und suchte weiter verzweifelt nach einer Ecke, die sie vielleicht übersehen hatte.
 

”Nicht mehr lange... wartet einen Moment” sagte Faith, zwinkerte Robin kurz zu und rannte auf einen Tisch zu, an dem ein Pärchen saß und sinnlich knutschte.
 

“Oh mein Gott, was machst du denn hier?” schrie Faith gespielt überrascht zu dem jungen Mann, der sie verwirrt anstarrte. “Wieso hast du nicht angerufen?” sie setzte einen wütenden Gesichtsausdruck auf und ging einen weiteren Schritt auf den Tisch zu.
 

“Ich weiß ja nicht, wie es für dich war, aber für mich war unser kleines Schäferstündchen letztes Wochenende mehr als nur eine einmalige Aktion! ICH LIEBE DICH! WIE KANNST DU MIR DAS NUR ANTUN?! WAS MACHST DU ÜBERHAUPT MIT DIESER SCHLAMPE HIER?!” mittlerweile schrie sie ihn schon hysterisch an und stand nur mehr wenige Zentimeter von dem Tisch entfernt.
 

Dem Typen schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrte sie nur geschockt an, wobei seine Freundin plötzlich aufsprang und ihm eine knallte.
 

“Ich wusste, dass du mich betrügst. George, du bist ein Schwein!” Sie schnappte ihre Handtasche und lief an Faith vorbei in Richtung Ausgang.
 

“Jessica, warte doch!” schrie der Junge, beachtete Faith nicht weiter und hechtete seiner Freundin nach.
 

Faith drehte sich lächelnd um und kurz darauf saß sie mit Robin, Ronah und Cliff an dem Tisch.
 

“Macht ihr so etwas öfters?” fragte Cliff lachend.
 

“Na ja, nicht jeden Tag. Aber eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss!” sie musste lachen, und in diesen Momenten waren ihre Probleme völlig weg gewischt.
 

“Sag mal, Cliff, wo habt ihr euch noch mal kennen gelernt?” fragte Robin, nachdem er von seinem Bier getrunken hatte.
 

“Wir haben uns in der Stadt getroffen. Ronah war mit einer Freundin im Sky Cafe.” Faith zog eine Augenbraue hoch und sah Ronah fragend an.
 

“Kennedy wollte dort unbedingt einmal vorbei schauen..” antwortete Ronah und fuhr dann selbst fort. “Cliff arbeitet dort als Kellner. Und na ja, als er dann an unseren Tisch trat, war es um mich geschehen.” Ronah sah zu Cliff, rückte an ihn heran und gab ihm einen langen, zärtlichen Kuss.
 

“Wer hat Lust zu tanzen?” fragte Faith auf einmal und sprang auf.
 

“Auf mich musst du erstmal verzichten... das da draußen.. ist nicht so ganz meins..” sagte Robin, und nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier. “Ich bleib auch vorerst lieber einmal sitzen..” flüsterte Cliff Ronah ins Ohr, die ihm daraufhin kurz durchs Haar fuhr, ihn noch mal küsste, und dann zu Faith trat.
 

”Jetzt zeigen wir ihnen, wie man sich zu diesem Rhythmus wirklich bewegt” gab Faith von sich und die beiden Jägerinnen betraten die Tanzfläche.
 

Die Musik hämmerte von den Wänden, und Faith und Ronah begannen sich, zu bewegen. Sie standen sich gegenüber, und Faith fuhr sich durchs Haar. Die allgemeine Trance, die auf der Tanzfläche herrschte, griff auch auf die beiden über, und sie bewegten sich nur mehr rhythmisch zu der Musik. Sie hatten ihre Augen geschlossen, während sie sich der Musik vollkommen hingaben.
 

Ein Mann versuchte sich zwischen die zwei zu drängen, doch Faith stieß ihn unsanft zur Seite. Er stolperte und wäre fast zu Boden gestürzt, wurde aber schlussendlich doch von den dicht aneinander tanzenden Menschen aufgefangen.
 

Faith und Ronah waren nun vollkommen in Trance, als sich die dunkelhäutige Jägerin an ihre ältere Freundin lehnte, und ihr spielerisch über die Schenkel fuhr. Nun hatte auch die erotische Spannung, die in der Luft lag, auf sie übergegriffen.
 

“Wow..” flüsterte Cliff, als er seine Freundin und Faith auf der Tanzfläche beobachtete.
 

“ Wenn die beiden erst einmal tanzen, sind sie nicht mehr zu stoppen,” lachte Robin.
 

“Das sind unsere Frauen.” sagte Cliff stolz und stieß mit dem Wächter an.
 

“Ganz genau.” schloss sich auch Robin an, und sah zu den beiden Jägerinnen.
 

I see you when it snows

in crystals dancing down

from a sultry sky

when silence is pure and unbreakable
 

Willow’s College Zimmer

selbe Zeit

”Geht es dir wenigstens ein bisschen besser?” Kennedy sah Willow besorgt an, als sie sich gegenüber von dieser hinsetzte. Die Hüterin wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie fühlte sich einfach ziemlich gerädert, und das schon seit langem.
 

Mit einem Blick auf den Boden als Antwort, wurde Kennedy bewusst, dass sie etwas dagegen tun musste. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was genau.
 

“Erzähl mir doch...von deinen Prüfungen?”, entgegnete Kennedy, als ihr Blick auf den Stapel Bücher vor ihren Füßen fiel. Vielleicht war es das Beste, Willow ein bisschen abzulenken. Auch wenn es keine richtig gute Idee war. Konnte man sich eigentlich darauf einen Garantieschein geben lassen?
 

“Sie liefen eigentlich ganz gut. Göttin sei Dank hab’ ich ein paar Tage vor der letzten noch eine Mitstudentin gefragt, die mir dann bei ein paar Differenzen meiner Notizen weitergeholfen hat.“ Mit einem halbherzigen Lächeln sah sie auf. “Und jetzt frage ich mich, ob ich nicht doch ein B schreiben hätte sollen. Durch diese Arbeit ist mein Schnitt so gut geworden, dass ich nun auch noch eine der zahlreichen Abschlussreden halten muss.”
 

“Sieh es doch mal als das I-Pünktchen deiner Collegezeit an. Außerdem bin ich stolz auf dich. Ich kann mich noch genau an meine Schulabschlussfeier erinnern, als alle Redner Liedzeilen zitierten. Auch wenn es keine guten Lieder waren.” Die Jägerin legte ihre Hand auf Willow’s.
 

Auch wenn Kennedy versuchte mit ihr ein Gespräch zu führen, hatte Willow noch immer ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Ihre Angst vor der nächsten Vision war einfach zu groß. Sie wünschte sich, der besorgte Blick ihrer Freundin würde verschwinden. Und auch das Stechen in ihrem Kopf, doch in letzter Zeit war es etwas Alltägliches. Die Hüterin zog ihre Hand zurück, und steckte beide in ihre Hosentaschen. Sie suchte nach einem Blatt Papier, das seit seiner letzten Benutzung noch immer zerknittert war. Willow hatte einfach keine Zeit gefunden, es noch einmal neu zu schreiben. Als sie das Stück Papier aus ihrer Tasche zog, musste sie aufpassen, nicht auch noch die Aspirin Verpackungen mitzuziehen.
 

“Ich will dich wirklich nicht damit belasten, aber würde es dir etwas ausmachen mir noch einmal mit einem Zauber zu helfen?” Willow sah in Kennedys Augen. Dieser wurde klar, dass wohl sonst nichts besser werden würde. Es war erschreckend, dass Zauberei manchmal das Einzige sein sollte, was helfen würde. Manchmal wünschte sich Kennedy, dass der Höllenschlund und alles andere nicht existieren würden. Dass sie es schaffen würde, Willow zu helfen wenn es ihr schlecht ging.
 

Aber das Einzige was Kennedy tun konnte, war nicken. Wenn sie ein paar Wochen zurückdachte, erinnerte sie sich an das letzte Mal, als sie den Zauber durchgeführt hatten. Wie hilflos sie sich damals gefühlt hatte.
 

“Es ist wohl einfach zu häufig passiert in letzter Zeit. Und ich spüre noch immer meine letzte Vision. Es ist so, als würde ich wie eine dieser Jägerinnen gekämpft haben, aber gleichzeitig so, als hätte ich alle Schläge eingesteckt.”
 

Kennedy faltete den Zettel auf, und sah ihrer Freundin dann in die Augen. ”Ich hoffe dass du nie eine Vision von mir haben wirst. Ich werde für dich kämpfen.” Erneut legte sie eine Hand auf die von Willow, und hoffte, ihre Wärme nicht bald wieder zu verlieren.
 

Beide wussten nicht, was passieren würde, wenn Kennedy auch gegen eine Jägerin kämpfen müsste. Doch darüber wollten sie in diesem Moment einfach nicht nachdenken.
 

Ein paar Sekunden vergingen wortlos, als Kennedy die bekannten Worte noch einmal durchlas. “So wie das letzte Mal?”, fragte sie.
 

Willow nickte. Als Kennedy unsicher begann, die Worte vorzulesen, spürte Willow die Gänsehaut die sich über ihren Körper ausbreitete. Dennoch war es anders, wenn sie eine Vision bekam. Diese Gänsehaut war nicht unangenehm. Willow fühlte sich bei Kennedy geborgen. Auch wenn sie im Gegensatz zum letzten Mal keine Vision hatte, und es länger dauerte, als sich ihr Körper etwas entspannte.
 

Für diese paar Minuten übertönte Kennedy manche flehenden und angsterfüllten Worte der anderen Jägerinnen, deren Stimmen Willow hören konnte. Oft war sie froh, dass sie die Sprache der Jägerinnen nicht verstehen konnte.
 

Sie wünschte sich, Kennedy zeigen zu können, dass nun alles besser war, doch dass war es nicht. Sie spürte, wie sie alles wieder einholte, auch wenn es nur im Sekundentakt war. Es erinnerte sie an die ganzen Aspirin, die langsam die Wirkung verloren. Vielleicht wäre es ja ohne den Zauber vor ein paar Wochen schon allgemein schlimmer geworden, und er wirkte nur einmal richtig.
 

Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck las die Jägerin weiter. Auch wenn sie genau wusste, was in Willow vorging, und sie ihr einfach nicht helfen konnte. Wieso konnte sie nicht einfach Tara sein? Wieso konnte sie ihrer großen Liebe nicht einen Wunsch erfüllen? Und selbst wenn dieser Wunsch der Zauber war. Kennedy fühlte sich einfach elend. Als sie Willow’s Blick suchte, wurden ihre eigenen Gedanken bestätigt.
 

Langsam ließ sie das Blatt Papier sinken, und wusste nicht ob es mit einem “Es tut mir leid” etwas besser wurde.
 

“Du kannst nichts dafür,” sagte Willow, als könnte sie Kennedys Gedanken lesen, aber eigentlich war es nur ihr Gesichtsausdruck, der Willow verriet, was für ein innerer Kampf in ihrer Freundin tobte.
 

I can see you smiling

in every frozen tear

I can hear you whisper 'You and I'
 

England, Ratszentrale,

selbe Zeit

Wie Zinnsoldaten standen die ersten dreißig Mädchen in ihren engen Reihen und warteten auf das, was sie jetzt erwartete. Ihre Gesichter waren gleichgültig, keine Freude, keine Angst, nur bei manchen ein leicht abwesendes Lächeln.
 

Lily’s Blick fiel auf die vorderste Reihe, Chao Ahn, Caridad, Emma, Dana und Kimberly würde unter den ersten sein, die die “Gabe” empfingen. Langsam begann sich das Mittel in ihrer Blutbahn zu verdünnen, bald würden sie denken, dass die Programmierung, die sie erhalten hatten, ihr freier Wille wäre, und das, was Payne ihnen immer wieder eingetrichtert hatte ihre eigenen, freien Gedanken. Die anderen Jägerinnen würden ihnen folgen; Kontrolle, das war es worauf es ankam, wenn man dieses Spiel spielte.
 

Der wie üblich in seine schwarze Robe gehüllte Magier beschwor mit monotonen Formeln, die Dämonen, um die Vereinigung durchführen zu können. Sie würde nicht nur die Kräfte der Jägerinnen stärken, sondern auch ihren Hang zu Gewalt, genau das, was sie im Moment brauchen konnte, um sie gegen ihre Gegner anzustacheln.
 

Es war zwar etwas schwierig gewesen, die Wächter davon zu überzeugen, dass dieser Schritt nötig wäre, doch sie hatte sich schon eine gut ausgedachte Erklärung bereit gelegt. Den Magier hatte sie als einen Freund des Rates vorgestellt, der einer der Orden angehörte, die vor Ewigkeiten die Reiter verbannt hatten. Nicht ganz wasserdicht, aber für den Moment reichte es.
 

Sie erinnerte sich noch genau, wie Giles ihr von diesem Ritual berichtet hatte. Sie hatten zusammen in der Wohnung Abend gegessen, es war irgendwann während ihrer ersten Monate in Cleveland. Sie hatte versucht, möglichst unauffällig so viel wie möglich an neuen Informationen über die Schattenmänner und die Sense zu erhalten, und er hatte ihr von Buffy’s Erfahrungen und ihrer Begegnung mit den Schattenmännern berichtet. Seit diesem Tag hatte sie sich gefragt, was wohl geschehen wäre, wenn Buffy das Angebot angenommen und ihre Kräfte verstärkt hätte. Würden dann heute die alten Regeln noch existieren? Müsste sie nicht dieses falsche Spiel treiben?
 

Irgendwann war es Giles dann zu viel geworden, er wollte nicht mehr über die Arbeit reden, und so war es ein schöner Abend geworden, auch wenn es schwer war es zuzugeben, aber sie hatte Spaß gehabt.
 

Sie konnte immer noch Giles vor sich sehen, wie er ihr Geschichten aus der Zeit erzählte, in der sie sich nicht gesehen hatten. Seine Stimme und der Klang seines Lachens hallten in ihren Ohren wieder.
 

Würde sie ihn jemals wieder lachen hören? Würde er ihr jemals wieder Geschichten erzählen?
 

Ein tiefes, übernatürliches Grollen, das von allen Seiten zu kommen schien, riss Lily unsanft aus ihren Gedanken. Mit einer kraftvollen Geste streckte der schwarz Gewandete seine Arme auseinander, um ihn herum erhoben sich schattenhafte Gestalten. Für einige Sekunden wirbelten sie um ihn herum, bevor er ihnen mit einer gebieterischen Handbewegung befahl sich der Jägerinnen anzunehmen.
 

“Empfangt die Kraft, die euch vom Recht her zusteht!”, rief Lily ihnen entgegen, während sich die Angst in ihren Gesichtern immer deutlicher zeigte, “Fürchtet euch nicht, es ist der euch bestimmte Weg!”
 

Der erste Dämon erreichte Emma, sie zuckte kurz zusammen, als er sich in ihre Brust bohrte und ein Schatten huschte durch ihre leeren Augen, dann war es auch schon vorbei.
 

Immer mehr Mädchen wurden vereinigt, die schwarzen, wabernden Seelen der Dämonen zogen sich wie Wellen durch die Reihen.
 

Lily lächelte dem Magier siegessicher zu, und er erwiderte es für einen kurzen Moment, doch plötzlich verfinsterte sich seine Miene. Dies bemerkte die Wächterin jedoch nicht mehr, sie hatte ihr Gesicht abgewandt, so dass niemand den Schmerz darin sehen konnte.
 

Eine tiefe Traurigkeit erfüllte ihr Herz. Warum hatte das alles nur so kommen müssen?
 

Little did we know

that they were life itself

the days passing by

we both had our share in the sacrifice
 

Cleveland, Blue Rider

Selbe Zeit

Das helle, makellose Gesicht des weißen Magiers verzog sich zu einer finsteren Miene, sein Blick war direkt durch die Scheibe vor ihm gerichtet, seine rechte Hand lag auf dem kühlen, gnadenlosen Glas, das ihn von ihr trennte.
 

Langsam strich er über die Stelle, an der sich ihr Gesicht abzeichnete: “Eve, warum nur?”
 

Sie war glücklich, das sah er in ihren Augen, in ihrem Lachen, an der ganzen Art, wie sie sich benahm. Langsam nahm sie einen Schluck aus ihrem Sektglas und lächelte ihrem Gegenüber zu. Doch bei dem jungen Mann war es anders, ja, er war nicht vollkommen glücklich. Auch er lachte, doch hinter seinen Augen verbarg sich kein Glück, sondern eine Frage: Ist es wirklich das, was ich will? Bin das wirklich ich?
 

Wo hatte sie diesen Typen nur aufgegabelt. Zumindest in der Zeit, in der er mit ihr verheiratet gewesen war, hatte sie einen gewissen Geschmack gehabt, wenn sie ihn hintergangen hatte. Doch dieser Typ war es eigentlich nicht mal wert, sich Gedanken über ihn zu machen.
 

Sollte Eve doch mit ihm glücklich werden. Früher oder später würde sie schon sehen, was sie davon hatte, und dann würde sie sich wieder einen richtigen Mann wünschen.
 

Seine Miene hellte sich etwas auf, Eve war wirklich tief gesunken, dass sie sich auf diesen Harris einließ.
 

Langsam drehte er sich um, und ging davon, sein weißes Jackett fest um den schmalen Körper gezogen. Da er sich in der Öffentlichkeit befand, hatte er ausnahmsweise auf lange Roben verzichtet, und trug einen weißen Anzug.
 

Es gab jetzt wichtigere Dinge zu tun, vielleicht würde er im Rahmen dieses Spiels noch die Gelegenheit haben, sich an Eve zu rächen – oder an ihrem neuen Bettpüppchen – einem Freund der Jägerin.
 

Once upon a time

we had something beautiful

once upon a time

I thought 'you and I'
 

Teehaus von Ono Minako, geborene Tetsu Minako

selbe Zeit

Der Teeraum war leer...bis auf eine einsame Gestalt, die mit dem Rücken zu ihr auf einem dünnen Kissen saß.
 

Von ihrer derzeitigen Position aus – sie stand direkt am Eingang, hatte aus reiner Vorsicht noch keinen weiteren Schritt ins Innere gewagt – konnte sie kaum Details an dieser anderen Person ausmachen. Demnach zu urteilen, was ihr die ’Ninjas’ gesagt hatten, war dies wohl der mysteriöse Seher, welcher Antworten auf ihre Frage besitzen sollte.
 

Es war eine Spur so gut wie jede andere, aber Buffy blieb vorsichtig. Zwar glaubte sie – oder wollte es zumindest glauben – dass Shin und der Rest des Clans vertrauenswürdig waren, aber dennoch war Vorsicht angebracht. Ohne ein gesundes Maß an Misstrauen wäre sie wohl nicht die älteste überlebende Jägerin der bekannten Geschichte geworden.
 

“Komm doch rein”, murmelte die Gestalt plötzlich und Buffy runzelte die Stirn. Sie kannte diese Stimme....
 

Nach kurzem Zögern siegte die Neugier über ihre Vorsicht und sie betrat vollends das Teehaus und näherte sich der hockenden Gestalt. Lächelnd drehte der Mann sich langsam auf dem Kissen um, bis er sie direkt ansehen konnte.
 

Buffy war verblüfft, als sie bemerkte, dass sich ihr Eindruck bestätigt hatte.

Vor ihr saß der Mann, der während ihres Besuchs in dem alten Kloster den Reiseleiter gemimt hatte. Und später in Australien ebenfalls.....
 

“ Was...machen Sie denn hier?” fragte sie verdattert.
 

Der Mann lächelte sie sanft an, während es in seinen Augen aufblitzte. “ Ich sitze und warte auf dich. Und dir würde ich vorschlagen, dir ein Kissen zu nehmen und dich auch zu setzen. Ich hab nämlich keine Lust, aufzustehen.”
 

Er deutete mit einer Hand auf einen kleinen Stapel Kissen, aber Buffy starrte ihn immer noch an. Langsam begannen ein paar Dinge, Sinn zu ergeben, doch noch immer blieben so viele Fragen.
 

“Wer sind Sie? Ein Reiseleiter? Ein Ninja? Ein Orakel?“ Buffy’s Stimme klang ein wenig ungehalten, sie hatte diese Geheimniskrämerei satt.
 

Er zuckte mit den Schultern, lächelte aber weiter. “Mein Name ist Tetsu Akira. Genau genommen bin ich nur ein Mann, allerdings wie alle Mitglieder meiner Familie trage ich auch einen Teil Dämon in mir. Ich bin schon sehr lange auf dieser Welt, länger als die meisten meines Clans...“
 

“Ach ja, und die ewige Jugend kam wohl als Werbegeschenk mit dem Herumteleportieren und in-die-Zukunft sehen?“ hakte Buffy nach. “Ich weiß noch immer nichts über Sie. Zum Beispiel, warum Sie Ihre lieben Clanbrüder nicht rechtzeitig davon abhalten konnten, aus unserem Wächterhaus Kleinholz zu machen!“
 

“Alles kann auch ich nicht vorhersehen.“ Tetsu Akira verneigte sich bedauernd. “Du wirst verstehen - seit unser Kloster in China zerstört, und der Reiter, den unsere Familie dort bewachen sollte, befreit wurde...“
 

“...geht alles drunter und drüber”, beendete Buffy seinen Satz, woraufhin er kurz den Kopf schüttelte und sie tadelnd ansah.
 

“Das ist unhöflich... man sollte andere ausreden lassen. Na gut, ich will mal nicht zuviel von dir erwarten. Und jetzt setz dich endlich hin...”
 

Er deutete noch einmal, energischer diesmal, auf den Kissenstapel und Buffy ging hinüber, griff sich ein Kissen und hockte sich vor den Seher. Er sah sie für einen Moment durchdringend an, schloss dann die Augen und murmelte, “ Du bist hier, weil du hoffst, dass ich etwas über den Unsterblichen weiß.”
 

“ Woher wissen Sie das? Können Sie auch Gedanken lesen?” Innerlich schauderte sie. Telepathie war ihr unheimlich...und nicht einmal halb so nützlich, wie manche Leute dachten. Sie selbst hatte es immerhin selbst erfahren müssen.
 

“Nein”, erwiderte der Seher und griff in die Tasche seines blauen Mantels, holte einen kleinen schwarzen Kasten hervor.
 

“Handy. Ich hasse die Dinger, aber man muss ja mit der Zeit gehen. Meine Clanbrüder haben mich natürlich informiert, dass du kommst. Und jetzt schließ die Augen.”
 

Buffy gehorchte und schloss die Augen, gespannt, was nun geschehen würde.
 

Zuerst geschah nichts, doch dann spürte sie, wie zwei Finger fest gegen die Mitte ihrer Stirn drückten. “ Was machen Sie?”
 

“Das willst du gar nicht wissen”, murmelte er, als sie allerdings scharf die Luft einsog, sprach er schnell weiter, “ Kleiner Scherz. Ich weiß nichts über den Kerl, aber ich kann dir helfen, ihn zu finden.”
 

Der Druck verlagerte sich nach außen und dann spürte sie, wie ein kleines Stück Papier gegen ihre Stirn gepresst wurde. Buffy fragte sich noch, wofür das wohl sei, als sie auch schon nach hinten kippte und ihr schwarz vor Augen wurde.
 

Als sie wieder erwachte, lag sie nicht mehr im Teehaus. Der Boden unter ihr bestand aus spiegelndem Marmor und alles um sie herum war von Licht durchflutet.
 

Vorsichtig setzte sie sich auf und sah sich um.
 

Sie befand sich in einem runden Raum, dessen Boden aus reinem glatten Marmor bestand und dessen Wände von reinstem Weiß waren. Von irgendwoher schien Licht in den Raum zu fallen, doch Buffy konnte keine Quelle dafür finden.
 

An der Wand vor ihr lehnte ein Mann, dessen dunkle Kleidung einen gewissen Kontrast zur Umgebung bildete.
 

Er war recht groß und von durchtrainierter Statur. Sein dunkles Haar fiel bis auf die Schultern herab und sein scharf geschnittenes Gesicht strahlte eine gewisse Würde aus. Nein, das war nicht ganz richtig. Wenn man genauer hinsah, so erkannte man in seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck eine sonderbare Art von Stolz, eine Art stilvolle Arroganz.
 

Der Mann sah sie eine Weile aus klaren, funkelnd grünen Augen an und sein Gesichtsausdruck veränderte sich langsam. Im Augenblick fiel Buffy kein passender Begriff ein, doch später würde sie es stets mit einem langsamen Fluss vergleichen.
 

Die meisten Menschen veränderten ihren Gesichtsausdruck recht schnell und schlagartig, doch dieser Mann schaffte es in einer sonderbar fließenden Bewegung, ein Lächeln auf seine Lippen zu bringen.
 

Buffy stand langsam auf. “ Wer sind Sie?” fragte sie, kaum, dass sie einigermaßen sicher stand.
 

Er lächelte breiter und Buffy spürte, wie ihr Herz für einen kurzen Moment schneller schlug.

Etwas an diesem Lächeln verwirrte sie, denn es war voller versteckter Andeutungen und Versprechen und dabei doch nur eine Bewegung der Lippen.
 

“Die meisten, die mich kennen, nennen mich einfach den Unsterblichen”, erwiderte er und seine Stimme hallte sanft und tief in dem Raum wieder.
 

Doch Buffy hörte unter dieser Sanftheit noch etwas anderes heraus. Es war wie mit seinem Lächeln. Unter dem angenehmen Klang seiner Stimme verbarg sich eine verwirrende Art der Wildheit.
 

Und auch als er sich bewegte, hatte sie das Gefühl, ein altes, erfahrenes Raubtier vor sich zu haben. Jede seiner Bewegungen schien genau kalkuliert, fast wie einstudiert.
 

War der Unsterbliche ein Vampir? Trotz seines Namens war Buffy nicht geneigt, das zu glauben. Denn verglichen mit seinem Gebaren waren alle anderen Vampire, die sie je getroffen hatte, Dracula eingeschlossen, reißende Bestien gewesen. Dieser Jäger war raffinierter.
 

Sie musste vorsichtig sein. Diesem Wesen war nicht zu trauen.
 

“Gut. Ich habe Sie gesucht.”
 

“Und Ihr habt mich gefunden, Teuerste”, erwiderte er und erfasste mit einer Geste die Umgebung. “ Willkommen in meinem...Geist. Ich hoffe, es gefällt Euch hier.”
 

“Bisschen kahl,” murmelte Buffy, während sie den Unsterblichen intensiv musterte und sich fragte, ob das hier wirklich nur eine Illusion war. Wenn ja, wie viel von seinem Charisma war dann echt?
 

“Es ist wie draußen”, murmelte er lächelnd und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.

Buffy schrak zusammen und sah ihn fragend an.
 

“Keine Sorge. Eure Gedanken sind mir verschlossen, wenn Ihr sie mir nicht öffnet. Aber euer Gesicht verrät euch. Jedes Zucken Eurer Muskeln, jede winzige Bewegung...Ihr sprecht zu mir, auch wenn Ihr schweigt. Und ich sage Euch noch einmal...ich bin hier so wie ich wirklich bin. Irgendwann muss man sich nicht mehr verbergen, werte Jägerin.”
 

Buffy zog sich leicht von ihm zurück. Es war so ziemlich die einzige Möglichkeit, den Bann zu brechen, den der Unsterbliche bereits über sie zu legen begonnen hatte.
 

Er sah sie kurz an, machte eine Pause und nickte dann langsam. “Natürlich. Verzeiht, wenn ich Euch zu nahe getreten bin. Das war nicht meine Absicht. Kommen wir doch darauf zurück, weshalb Ihr zu mir gekommen seid. Wollt Ihr mir davon berichten?”
 

Buffy nickte langsam und begann, zu erzählen. Er hörte zu, nickte dann und wann und schien intensiv zu überlegen.
 

Als sie schließlich geendet hatte, nickte er erneut und sagte, “Ja. Ich glaube, ich kann Euch helfen. Aber dazu müsstet Ihr mir einen Gefallen tun.”
 

Aha, dachte Buffy, jetzt kommt der Haken. “Und der wäre?”
 

“ Kommt zu mir nach Rom. Ich würde Euch nur zu gern persönlich kennen lernen, erscheint Ihr mir doch als eine faszinierende Frau. Das hier ist einfach nicht die richtige Umgebung für ein angemessenes Treffen.”
 

“Ich...weiß nicht...” murmelte Buffy. Irgendwie schien ihr wärmer zu werden, wann immer er sich näherte. Es wäre leicht gewesen, seine Worte als leere Schmeicheleien abzutun, aber aus irgendeinem Grund erschien er ihr wie ein Mann, der solche Worte nicht unaufrichtig sprach.
 

Er nickte, ließ keine Spur von Enttäuschung ob ihrer Unentschlossenheit erkennen. “Keine Sorge. Kommt, wenn es Euch beliebt. Ich würde mir nicht anmaßen, jemandem wie Euch etwas vorschreiben zu wollen. Wenn Ihr den Wunsch verspürt, kommt zu mir und ich werde auf Euch warten.”
 

Er trat mit einem einzigen Schritt so nah an sie heran, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. “ Kommt zu mir und ich werde Euch sagen, was ich weiß. Und wenn es das Schicksal gebietet, werde ich vielleicht noch mehr für Euch tun können.”
 

Buffy wollte noch etwas erwidern, als sie plötzlich in den Knien einknickte und ihr Blickfeld dunkel wurde. Sie spürte noch, wie jemand sie behutsam auf den Boden legte.

“Was...sind Sie?” flüsterte sie noch.
 

“Was immer ich für Euch sein kann, Mylady”, erwiderte der Unsterbliche sanft, dann wurde es wieder dunkel um sie herum.
 

Take me wherever

the answer lingers in the sand

show me the way as the story unfolds
 

Love is remote

in this wailing winter wonderland

show me the way to the temples of gold
 

Cleveland, im Park

nächster Nachmittag

Dawn saß auf der Parkbank und ließ die warmen Strahlen der Sonne ihr Gesicht wärmen. Sie wartete auf Shin. Hier hatten sie sich verabredet.
 

Sie erinnerte sich an den herrlichen Wintertag, als Shin sie zu einem Überraschungspicknick in den Park mitgenommen hatte. Hier, genau auf dieser Bank hatten sie gesessen. Damals war noch alles viel einfacher gewesen.
 

Schon von weitem sah sie ihn kommen. Er hielt den Kopf gesenkt und war völlig in sich versunken. Erst als er vor ihr stand, blickte er auf "Hi."
 

"Hi." antwortete Dawn.
 

"Wie geht’s jetzt mit uns weiter?" Schwer atmend setzte er sich neben sie.
 

"Ich weiß nicht," kam die geflüsterte Antwort.
 

Er lehnte sich zurück und versuchte, sich zu beruhigen. Die Aussicht Dawn zu verlieren, machte ihn völlig fertig.
 

"Meinst du wir können einander wieder vertrauen? Ich meine, als wir uns im Kampf gegenüber standen. Was hast du da gedacht?"
 

Tränen sammelten sich in Dawns Augen: "Ich hab’ dich gehasst, für das was du mir und meiner Schwester angetan hattest. Und ich konnte es nicht verstehen."
 

Shin seufzte: "Und ich verachtete dich, als dummes Mädchen, weil du vor der Wahrheit die Augen verschlossen hattest. Ich hab’ mich so sehr in dir getäuscht, Dawn, dabei sollte ich dich doch besser kennen. Ich möchte dich um Verzeihung bitten."
 

Er senkte den Kopf und wartete auf ihre Antwort.
 

"Sollen wir diese Sache wirklich unsere Beziehung zerstören lassen?“ fragte sie leise, “Ist es das wert? Für nichts und wieder nichts? Ich kann und möchte das nicht."
 

Shin hielt die Luft an: "Was empfindest du für mich?"
 

Dawn legte ihr Gesicht in die Hände und versuchte sich zu konzentrieren. Was fühlte sie noch für Shin?
 

Ihr Herz gab ihr eine eindeutige Antwort.
 

"Ich liebe dich." entfuhr es ihr. Sie drehte sich um und schaute ihren Freund an.

Tränen glitzerten in seinen Augen.
 

"Ich empfinde genauso für dich und bei dem Gedanken, dass ich dich verlieren könnte, schnürt es mir das Herz ab," antwortete er.
 

Dawn nahm das Gesicht ihres Freundes in die Hände und küsste ihn sanft. “Ich glaube, dass wir einen Neuanfang wagen sollten. Ich glaube, dass uns diese Sache nur stärker gemacht hat. Wir sollten zukünftig einfach ehrlicher zueinander sein. Obwohl ich denke nicht, dass es noch viele Geheimnisse gibt, die wir nicht voneinander wissen." Bei den letzten Worten musste Shin lächeln.
 

"Nein, das glaub’ ich auch nicht, meine Prinzessin des Lichts."
 

Bless me with a kiss

across the universe

when day and night converge

and whisper my name till I fall asleep
 

Malkuth, Straße der Liebenden

selbe Zeit

“Und du bist dir wirklich sicher, dass du das durchziehen willst, ja?“ Warren’s dunkle Augen suchten in Andrew’s Gesicht nach Bestätigung, noch bevor die Frage zu Ende gestellt war.
 

“Du etwa nicht?“ fragte Andrew scheu, als ihre Blicke sich trafen.
 

“Doch.“ Warren wandte sich ab, blickte nachdenklich den langen Weg zurück, den sie bis hierher gekommen waren. Obwohl die Straße der Liebenden sozusagen das Gegenstück zur Straße des Kaisers bildete, die er im letzten November zu seiner Aufnahme in Malkuth beschritten hatte, hätten beide Straßen unterschiedlicher nicht sein können. Die des Kaisers stellte eine prächtige breite Allee dar, gesäumt von Säulen, die gradlinig und mit starker Neigung von Tipharet nach Chockmah hochführte.
 

Die Straße der Liebenden hingegen war ein schmaler verschlungener Pfad, der sich zwischen Treppchen, Wasserspielen, und kleinen Anhöhen hindurchschlängelte, und sich dabei auch öfter mal um sich selbst drehte. Gerade betraten sie eine kleine Grotte aus dämonischen Orchideen, deren riesige sanft schimmernde Blütenkelche sich ihnen zuwandten, als sie vorbeigingen.
 

“Aber?“ hakte Andrew nach.
 

“Ich weiß nicht.“ Warren zuckte die Schultern. “Ist schon ’ne große Sache, so was durchzuziehen. Bei dieser Dämonenverwandlung hätten wir wenigstens gewusst, worauf wir uns einlassen. Du kriegst ein bisschen von dem Mojo, dir wachsen ein paar Hörner – war nur’n Witz,“ fügte er hinzu, als Andrew die Augenbrauen hob, “und Ende der Geschichte. Aber dieses seltsame Ritual, was die Zaddikim da wieder ausgegraben haben, wer weiß, was es mit uns macht?“
 

“Es verbindet uns irgendwie...“ Andrew suchte nach den richtigen Worten, und erinnerte sich an das, was Mo ihm erklärt hatte. Sinn und Zweck dieses Rituals waren, dass jemand, der zur Gemeinschaft von Malkuth gehörte, jemanden der nicht zur Gemeinschaft gehörte, in seine Familie aufnehmen konnte, und damit erwirkte diese Person automatisch das Recht, in der Stadt zu leben, auch wenn sie selbst kein Mitglied war.
 

Vielleicht war diese Zeremonie ursprünglich dazu gedacht gewesen, dass eine dämonische Familie ein menschliches Stiefkind aufnehmen konnte, vielleicht war es aber auch nur ein Versehen, dass Menschen davon nicht ausgeschlossen waren, weil niemand jemals so weit gedacht hatte. Mo hatte es nicht sagen können, da er keinen einzigen Fall kannte, bei dem das Ritual durchgeführt worden war.
 

Aber es war auch nicht wichtig, fand Andrew. “Mit uns!“ griff er Warren’s letzten Gedanken auf. “Es ist etwas, was nicht nur mich betrifft, sondern auch dich. Ist es das, was dich stört?“
 

“Nein, das ist wohl auch richtig so, schließlich geht’s ja um uns beide.“ Gedankenverloren spielte der junge Mann mit einem Blatt, das sich vor ihnen über den Weg neigte. Als er jedoch im Begriff war, ein Stück davon abzuzupfen, verpasste die Pflanze ihm einen empörten Schups.
 

“Vorsicht, dein Arm!“ Andrew schob seinen Freund rasch aus der Reichweite des Gewächses. Durch die Öffnung der Grotte traten sie auf ein kleines Rondell hinaus, in dessen Mitte die Statue einer dämonischen Gottheit stand..
 

“Hey, keine Sorge, ist alles okay!“ Wie um es zu beweisen, fuchtelte Warren mit seinem linken Arm in der Luft herum, und spannte die Muskeln an. “Schau, alles wieder heil. Ich hab’ dir doch gesagt, es war nur’n Kratzer.“
 

“Ich hab’ mir trotzdem Sorgen gemacht.“ Andrew hielt Warren’s Arm fest und strich vorsichtig über dessen Haut. “Ich hatte so furchtbar Angst um dich, und das Schlimmste daran war, dass wir uns vorher gestritten haben. Stell dir vor, es wär’ irgendwas passiert, und wir hätten uns nicht aussprechen können. So war es ja schon beim letzen Mal, als...als ich dich verloren hab’, und das war so schrecklich.“
 

Warren entzog sich der Berührung. “Ich weiß, das ist alles ziemlich schwierig,“ murmelte er.
 

“Was meinst du?“ fragte Andrew hilflos. “Mit diesem Ritual? Oder mit Malkuth?“
 

“Nein. Mit mir.“
 

Warren wandte sich ab, und starrte zwischen den mosaikverzierten Säulen hindurch. Von dem Plateau aus konnte man hinunter auf einen Teil des verschlungenen Pfades blicken, ein Labyrinth, wo jetzt andere Bewohner der Stadt unterwegs waren, oder sich auf Bänken und Sitzsteinen niedergelassen hatten.
 

“Manchmal versteh’ ich’s echt nicht, wie du’s mit mir aushältst,“ begann er. “Ich meine...du hast dich so verändert, hast so viel erreicht, und da hättest du’ s gar nicht nötig, dir diesen ganzen Stress anzutun. Ich bin immer noch der derselbe Chaot, ich schubs dich rum, ich krieg meine Wutanfälle, ich versteh’ absolut nichts von Beziehungskrempel, und bau die ganze Zeit nur Mist...“
 

“Nicht die ganze Zeit.“ Andrew trat von hinten an ihn heran, und lehnte seinen Kopf an Warren’s Schulter. “Aber wälz’ dich ruhig noch ein bisschen im Staub, das gefällt mir.“
 

“Du kleiner Ewok,du!“ Warren fuhr herum und packte Andrew, vergrub die Nase tief in seinem Haar. Wie hatte er diesen Geruch vermisst! Es schien ihm Ewigkeiten her, seit er zuletzt...
 

“Ich werd’ das hinkriegen,“ murmelte er entschlossen, ja geradezu verbissen in Andrew’s Haare. “Ich werd’ das irgendwie hinkriegen, dass es diesmal nicht so daneben geht. Nicht so wie letztes Mal. Ich hab’ mich auch verändert. Vielleicht nicht so wie du, aber ich weiß jetzt, dass mit dir alles anders werden kann. Solang’ ich dich bei mir hab’, kann ich gar nicht wieder abrutschen. Solang’ ich dich bei mir hab’, kann mir nichts geschehen.“
 

Er drückte Andrew noch fester an sich. “Ich will dich für immer bei mir haben, hörst du?“
 

“Vor sechs Tagen hab’ ich dem Merowinger...ich meine natürlich Mo,“ verbesserte sich Andrew hastig, “...gesagt, dass ich bereit wäre, alles und jedes für dich zu geben. Und weißt du auch, was sich in den letzten sechs Tagen geändert hat?“
 

“Nichts,“ flüsterten sie beide zur gleichen Zeit.
 

Vor ihnen am Ende der Straße öffnete sich das Tor zur Halle von Binah. Ein vielstimmiges Summen war zu hören, wie das Ticken und Schlagen Tausender von Uhren. Dann herrschte Stille, und es wurde dunkel um sie herum, ein warmes, geborgenes Dunkel, wie um eine Pflanze, die im Boden schlief.
 

Wie Chockmah der Kosmos war, so war Binah die Zeit. Wie Chockmah das Meer war, so war Binah die Erde.
 

“Seid mir willkommen.“ Mo, oder besser gesagt, Zaddik Bartholomew erwartete sie in der Mitte der Halle. Er trug eine lange zeremonielle Robe in dunkelvioletter Farbe, und darüber eine Schärpe, welche in vielen gestickten Bildern die Entwicklung eines Samenkorns zu einer blühenden Pflanze zeigte. In den letzten Stickereien verwelkte die Pflanze und wurde wieder zu Erde.
 

In den Händen hielt er ein Band aus Leder und obwohl er wie üblich lächelte, lag eine tiefe Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Andrew gab sich Mühe sein Erstaunen zu verbergen, war diese eindrucksvolle Gestalt wirklich der harmlose freundliche Dämon aus dem Black Pearl?
 

Außer ihm waren noch zwei weitere Zaddikim anwesend. Lakshmi, die Naga Dämonin, welche einen silbrig blitzenden Dolch in Händen hielt und Babette, welche einen gold schimmernden Kelch trug. Andrew, der Babette zum ersten Mal sah, wunderte sich über ihre unaufhörlichen Verwandlungen. Zuerst war es ein kleines Mädchen, das vor ihnen stand, dann eine erwachsene Frau, und schließlich eine Greisin.
 

“Ist es euer freier Wille, dieses Bündnis einzugehen?“ fragte Bartholomew und beide Jungen nickten.
 

Auch in der Halle von Binah sprudelte ein Brunnen, dieser in Form einer großen Blüte. Babette schöpfte daraus Wasser mit ihrem goldenen Kelch und übergab das Gefäß Warren, der einen Schluck daraus trank, und den Kelch anschließend an Andrew weiterreichte. Ihre Hände berührten sich kurz, und Andrew konnte nicht verhindern, dass ihm die Röte ins Gesicht stieg. Hastig wandte er den Blick ab, und betrachtete stattdessen, die feine Gravur auf dem Kelch, welche die Sonne darstellte. Auch er nahm einen Schluck und gab das Gefäß an Babette zurück.
 

Bartholomew nahm den Dolch von Lakshmi, dessen gewundene Klinge eine Mondsichel darstellte, und begann Schriftzeichen in den Lederriemen einzuritzen. Seine Stimme hallte wider, als er sprach und ließ vermuten, dass die Halle um einiges größer war, als die Dunkelheit es erahnen ließ.
 

“Aleph, der Urbeginn, das Zeitalter des Stiers. Im Anfang, als noch alles eins war, waren wir noch nicht durch Verschiedenheit voneinander getrennt. Diese Zeit ist längst vergangen, doch in unseren Seelen bleibt sie auf ewig lebendig.
 

Cheth, der Zaun, die Trennung zwischen uns. Aus der Einheit wurde die Vielheit. In Zeit und Raum, Licht und Dunkelheit, Materie und Geist wurden wir gespalten.
 

Daleth, das Tor, das sich öffnet, um die Grenze zu überwinden. In unserer Vielheit streben wir wieder nach Vereinigung. Wir können das Tor durchschreiten und unser Sein miteinander verschmelzen.“
 

Bartholomew reichte den Dolch an Lakshmi weiter, welche Warren’s linke und Andrew’s rechte Hand ergriff, und jeweils das mittlere Glied des kleinen Fingers leicht anritzte. Danach band Mo die beiden Hände mit dem Riemen zusammen. Die drei Buchstaben, die er in das Leder eingeritzt hatte, ergaben jetzt ein Wort.
 

“Achad, die Einheit. Aus der Einheit wurden wir geschaffen, und zur Einheit sollen wir wieder werden. Die Vielheit kann nicht trennen, was zur Einheit bestimmt ist.“
 

Die beiden Hände umklammerten einander fester. Ein einzelner Blutstropfen rann zwischen den ineinander verschlungenen Fingern hervor und fiel auf den schwarzen Boden.
 

Tell me tales from days bygone

tell me little lies

tell me once again it's just 'you and I'
 

Cleveland, angemietetes Büro,

selbe Zeit

“Wie Sie sehen, ist die Struktur der Stadt genau gegliedert, alle zehn Großen Hallen sind nach einem bestimmten Schema angeordnet, und durch zweiundzwanzig Straßen miteinander verbunden. Die Hallen Kether, Binah und Chockmah bilden miteinander ein Dreieck, ebenso Geburah und Chesed mit Tipharet, wobei Tipharet eine Art Zentrum zu sein scheint. Keine der Hallen ist mit so vielen anderen verbunden.“
 

“Sie haben sich bereits damit beschäftigt?“ fragte Kan Hsirg lauernd.
 

“Ja, ich habe mir erlaubt, einen kleinen Blick darauf zu werfen, als ich das Material bekam.“ Entschuldigend blickte D’Hoffryn zu Hsirg, und dem weißen Magier hinüber, die jedoch beide zu aufgeregt waren, um sich Zeit für Vorwürfe zu nehmen. Ihre Augen starrten angestrengt auf das dreidimensionale Modell, welches zwischen ihnen über dem Konferenztisch schwebte.
 

Dies also war das geheimnisvolle Malkuth. Trotz seiner bemerkenswerten Architektur, trotz aller Gerüchte, Mutmaßungen und Legenden, war es nichts weiter als eine Stadt. Eine verwundbare Stadt.
 

“Wissen wir nicht noch mehr darüber?“ klang Lily’s Stimme aus dem Lautsprecher von Hsirgs Laptop. Die beiden Magier mochten Verbindungen durch Telepathie aufrechterhalten, die Wächterin jedoch benötigte dazu die moderne Technik. “Was ist mit der Anzahl der Bewohner, ihrer dämonischen Fähigkeiten, ihrer Verteidigungsanlagen?“
 

“Alles zu seiner Zeit,“ beruhigte D’Hoffryn. “Wir werden bald noch weitere Informationen erhalten.“
 

“Das hoffe ich.“ Kan Hsirg holte seinen inzwischen schon sehr verknitterten Zettel hervor und studierte ihn aufmerksam. “Ms. Usher’s Armee wird – alle Verzögerungen mit einberechnet in etwa zwei Wochen angriffsbereit sein. Bis dahin sollten wir wohl die nötigen Informationen zusammen haben, was meinen Sie?“
 

“Das sollte kein Problem darstellen,“ entgegnete D’Hoffryn.
 

“Punkt eins und Punkt zwei wären hiermit abgehakt.“ Kan Hsirg machte ein weiteres Kreuz auf seinem Zettel. “Ladies und Gentlemen, lassen Sie uns Krieg führen!“
 

Take me wherever

the answer lingers in the sand

show me the way as the story unfolds
 

Love is remote

in this wailing winter wonderland

show me the way to the temples of gold
 


 

Grrr... Arrrgh...

Folge 19: Deep Inside

Autor: Lion

Co-Autoren: Yamato, Stefan, HopelezZ, Mel, Cthulhu, White Magic, Steffi

Bilderstellung: HotWitch
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount
 

TEASER
 

Cleveland, College,

Abend

„Und nun, da wir zurückblicken auf das vergangene Jahr können wir, denke ich, mit gutem Gewissen sagen, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sind. Wir haben einige großartige Studenten zu verabschieden, die es, da bin ich mir sicher, in ihrem Leben weit bringen werden. Ich bin stolz darauf, Ihr Professor gewesen zu sein, schon um eine Erwähnung in ihren Biografien vorweisen zu können, falls sich unter Ihnen ein zweiter Einstein verbergen sollte!“
 

Die Anwesenden im Saal lachten und spendeten ihren Beifall. Professor Bashir wartete einen kurzen Moment, bis das Publikum sich beruhigt hatte: „Danke, doch nicht ich bin es, der diesen Applaus verdient, es sind die Studenten.“
 

Willow warf einen kurzen Blick auf die Uhr, verdammt, die Veranstaltung hatte schon zehn Minuten zu spät angefangen und dennoch waren die Plätze, die sie extra reserviert hatte noch frei.
 

„Ms. Ackerly!“, rief Bashir die erste Studentin auf, „Ein sehr gutes Abschlusszeugnis, ich gratuliere!“
 

Sie hatte sich Plätze in der ersten Reihe gesichert, einer der wenigen Vorteile, die man hatte, wenn man an der Organisation beteiligt war, doch ihren Freunden schien das wohl egal zu sein.
 

„Mr. Barnabas, auch Ihnen, herzlichen Glückwunsch zu diesem hervorragenden Zeugnis, Sie haben es sich nach all den Jahren redlich verdient!“
 

Nicht einmal Kennedy hatte es noch rechtzeitig geschafft, und dabei war sie schon viel länger wieder hier, als all die anderen. Na ja, manchmal musste man für den Kampf gegen das Böse eben Opfer bringen, und was bedeutete schon eine Abschlussfeier?
 

Eine Woche früher,

Cleveland,

Wächterzentrale

Robin und Faith waren gerade dabei einige Nahrungsvorräte, die wohl schon abgelaufen waren aus dem Bus zu schaffen, als Giles zu ihnen heran trat: „Ihr wisst, was zu tun ist?“
 

Wood nickte nur, auch wenn Faith ihm einen missbilligenden Blick zuwarf: „Ja, ich denke schon, ich hoffe nur Keiran wird auf mich hören, immerhin bin ich noch nicht allzu lange Wächter.“
 

„Nun ja, uhm... ich hoffe es auch. Mit Keiran bin ich mehr oder weniger befreundet. Wie die letzten Entwicklungen zeigen wohl eher weniger, dennoch halte ich ihn trotz seinem Hang zu den alten Traditionen für einen vernünftigen und intelligenten Mann. Er weiß, was vor sich geht und meiner Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis er einsehen wird, dass er handeln muss. Doch Zeit ist etwas, dass wir leider nicht haben. Es ist wichtig, dass er versteht, dass es bald zu spät sein wird und wenn er eine Entscheidung treffen will, dann soll er sie schnell treffen.“
 

College

Gegenwart

Vermutlich waren die Plätze ihrer Freunde die einzigen im Saal, die nicht besetzt waren. Natürlich verstand sie es, es gab Dinge, die wichtiger waren, und dennoch tat es weh, dass keiner von ihnen Zeit für sie hatte, nicht einmal für diese Abschlussfeier. Sicher würde Kennedy eine gute Entschuldigung haben. Ein Vampirnest zum Beispiel, doch das änderte nichts an einer Tatsache: sie war allein.
 

„Mr. Jones, Sie haben ihr Bestes gegeben und ich denke, dass Sie mit dem Ergebnis zufrieden sein können!“, gratulierte der Professor dem Studenten und überreichte das Zeugnis.
 

Eine Woche früher,

Cleveland,

Wächterzentrale

„Xander, Kennedy, ihr werdet euch Daniel Westmann in Deutschland vornehmen“, teilte Giles ihnen mit, „er war noch nie sehr involviert in Machtfragen innerhalb des Rates, allerdings gilt er als einer der wichtigsten Wächter in Deutschland. Die gute Nachricht, was ihn betrifft, ist, dass er Lily nicht bedingungslos vertraut und das auch mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat. Die schlechte Nachricht ist aber, dass es vermutlich schwierig wird ihn davon zu überzeugen, dass diese Sache es wert ist dafür seinen Kopf hinzuhalten. Globale Angelegenheiten waren noch nie wirklich seine Sache. Eine harte Nuss.“
 

College

Gegenwart

Willow warf erneut einen Blick auf die Uhr, vielleicht würden sie es wenigstens noch rechtzeitig zum Ball schaffen? Zumindest Kennedy konnte sich doch nicht so sehr verspäten, oder etwa doch? Und Xander war auch schon lange wieder da. Aber vielleicht hatte er sie einfach vergessen? Wenn man nach seinem Verhalten in letzter Zeit ging, war das vermutlich gar nicht so unwahrscheinlich. Immerhin schien er nicht mehr allzu viel für seine alten Freunde übrig zu haben.
 

Buffys und Andrews Flug aus Rom war erst heute Abend zurückgekommen. Es konnte auch gut sein, dass das Flugzeugr sich verspätet hatte.
 

Eine Woche früher,

Cleveland,

Wächterzentrale

„Romano Belussci ist einer von den ganz Alten. Er war schon lange ein Mitglied des Rates, bevor ich es gewesen bin. Er genießt den Respekt der meisten Wächter Italiens und wenn wir Glück haben sogar ganz Europas. Ich denke, die Chancen, dass sie auf ihn hören werden stehen nicht gerade schlecht. Leider müssen wir aber auch sehen, dass er sehr an der alten Tradition hängt und über die neue Lage nie wirklich glücklich war.
 

Dennoch bezweifle ich, dass er bereit ist, Lilys Verhalten, wenn er die Wahrheit kennt, zu dulden, denn sein Gerechtigkeitssinn ist mindestens genauso ausgeprägt wie seine Liebe zur Tradition. Am besten konfrontiert ihr ihn mit unseren Beweisen gegen Lily und redet ihm genug ins Gewissen, um ihn zu überzeugen.
 

Ich denke es wird nicht so schwierig sein, ihn auf unsere Seite zu ziehen. Doch selbst wenn uns das gelingt, ist es immer noch die Frage, ob seine Position wirklich gefestigt genug ist, um die anderen Wächter von unserer Version der Ereignisse zu überzeugen oder ob Lily uns nicht erneut einen Schritt voraus ist.“, gab Giles seine Anweisungen an Buffy und Andrew..
 

College

Gegenwart

Wenigstens schien die Veranstaltung so zu laufen wie geplant, die Dekoration sah großartig aus, und das Essen war nach all den Problemen doch noch rechtzeitig geliefert worden, wenigstens darum musste sie sich keine Sorgen machen.
 

„Ms. Peterson, Sie hätten es vielleicht sogar besser gekonnt, dennoch ein großartiges Zeugnis. Herzlichen Glückwunsch.“
 

Eine Woche früher,

Cleveland,

Wächterzentrale

„Ronah, Dawn - James Mufume ist einer der wenigen Wächter in Afrika. Der gesamte Kontinent ist immer noch unterbesetzt. Dementsprechend viele Jägerinnen fallen unter seine Obhut, was ihn sicher nicht gerade zu einem Befürworter der neuen Umstände macht. Er kommt teilweise kaum nach mit seiner Arbeit und muss immer wieder Verluste hinnehmen. Allerdings können wir es zu unserem Vorteil nutzen, dass er kaum an den Traditionen des Rates hängt. Ich denke, er wird unsere Argumente einsehen und sich auf unsere Seite schlagen.“, Giles reichte den beiden jungen Jägerinnen die Flugtickets.
 

College

Gegenwart

„Mr. Rogers, herzlichen Glückwunsch, und einen schönen Gruß an ihre Familie, vor allem ihrem Vater!“, Bashir schüttelte die Hand des jungen Mannes und warf dann wieder einen Blick auf seine Liste: „Ms. Rosenberg!“
 

Willow trat vor. Sie warf einen letzten kurzen Blick auf die Sitzplätze, doch sie waren immer noch leer. Professor Bashir warf einen kurzen Blick auf das Zeugnis, bevor er es ihr reichte:
 

„Beeindruckend! Sie haben das beste Zeugnis dieses Jahrgangs!“
 

Er schüttelte ihre Hand, bevor er ihr das Zeugnis überreichte. Das Publikum applaudierte, und selbst die meisten ihrer Mitstudenten rafften sich auf, um zu klatschen, obwohl sich bei einigen deutlich Neid in ihren Gesichtern abzeichnete.
 

Willow blickte in die Runde. Sie hatte nicht damit gerechnet, immerhin hatte sie durch die viele Arbeit für den Rat erheblich wichtige Zeit verloren, und dann war da natürlich noch dieser Vorfall bei einer Vorlesung gewesen, den der Professor ihr heute noch übel nahm. Sicher freute sie sich, doch irgendwie… Ihr Blick glitt auf die leeren Sessel und der Ansatz eines Lächelns in ihrem Gesicht erstarb. Selbst ihren Eltern war das jüdische Seminar in der Schweiz wohl wichtiger gewesen, als ihre eigene Tochter.

„Das ist wirklich eine großartige Leistung, wenn Sie möchten, kann ich Sie mit einigen Leuten bekannt machen…“
 

Willow nickte nur abwesend. War es wirklich zu viel verlangt gewesen, dass ihre Freunde auf ihrer Abschlussfeier auftauchten? Konnte sie nicht wenigstens das erwarten?
 

OPENING CREDITS
 

AKT 1
 

Irgendwann,

Irgendwo

Dumpfe Schläge hallten von der steinernen Decke hinab, und breiteten sich in den unterirdischen Gewölben aus. Keiner wagte ein Wort zu sprechen, die fünf Frauen kauerten Angst erfüllt auf dem Boden zwischen den riesigen mit Büchern und alten Schriften voll gestopften Regalen, ihre Beine eng an die Körper gezogen und bemüht, nicht ein einziges Geräusch zu erzeugen, das sie verraten könnte.
 

Die Schläge kamen immer näher. Etwas Staub aus den Fugen löste sich und regnete auf sie herab. Die Angst war in ihre Augen geschrieben. Ein lauter Schlag direkt über ihnen ließ die kleine Gruppe zusammenzucken. Sie konnten sie nicht gefunden haben!
 

„Bitte nein, bitte nicht!“ Die jüngste von ihnen senkte den Kopf, „Das darf nicht passieren, dieser Ort ist geheim, sie dürfen ihn nicht finden!“
 

Aus den Schatten trat eine sechste Frau heraus: „Die Bücher und Schriften, das alles ist ersetzbar, doch eins müsst ihr immer im Kopf behalten, Schwestern.“ Willows rotes Haar hob sich von dem weißen der anderen ab, „Töten, foltern und uns die schlimmsten Dinge antun, zu denen sie fähig sind, können sie, doch besiegen werden sie uns niemals. Sie werden niemals die Sache zerstören, für die wir kämpfen!“
 

„Und wie soll es weitergehen, es gibt zu wenige von uns, viel zu wenige, und wenn sie so weiter machen, wird es irgendwann gar keine mehr geben.“ Eine der Frauen stand auf und in ihrem Gesicht sammelten sich Tränen, „Wir sind verloren.“
 

„Nein, und das weißt du auch, unsere Waffe bleibt verborgen, bis die Zeit für sie gekommen ist, um das Schicksal dieser Welt zum Guten zu wenden! Und so lange wir diese Gewissheit haben, werden wir nie verloren sein.“, Willow trat vor zu ihrer Schwester, „Die Stärke, die wir in uns tragen wird uns retten!“
 

„Das sind doch alles nur leere Worte, wenn wir tot sind und alles, für das wir gekämpft haben, verloren ist, was werden sie dann noch bedeuten?“
 

Doch Willow steckte ihre Hand aus und berührte sanft das Gesicht der Jüngeren: „Hoffnung ist das einzige, was uns bleibt, doch wir haben genug davon, um das alles überstehen zu können.“
 

Die Schläge verstummten.
 

„Haben sie aufgehört?“, wollte eine der Hüterinnen, die immer noch am Boden kauerten, ängstlich wissen.
 

Willow schloss kurz ihre Augen und konzentrierte sich: „Nein. Es ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Ihr müsst stark sein, Schwestern, der Weg, den ihr nach dem Ende eurer körperlichen Existenz beschreiten werdet, ist nicht weniger steinig, als der, der bereits hinter euch liegt.“
 

Ein lauter Knall verkündete, dass die Ruhe zu Ende war. Eine der Deckenplatten löste sich und zog in ihrem Sturz einige der Regale mit nach unten. Uralte Bücher wurden unter den Steinen begraben.
 

Durch das Loch an der Decke drang Fackellicht und die Stimmen einiger Männer waren zu hören, die sich hektisch etwas zuriefen.
 

„Verbrennt die Hexen!“, der Ruf hallte unter dem Stimmengewirr hervor, „Verbrennt sie!“
 

Willow trat einige Schritte nach vorne, so dass sie durch das Loch nach oben blicken konnte. Ein Mann blickte ihr entgegen. In seinem Gesicht zeichnete sich ein niederträchtiges Lächeln ab: „Sterbt Ketzerinnen!“
 

„Ihr denkt wirklich, dass es um euren „Rat der Wächter“ besser bestellt ist, als um uns? Im Moment benutzt ihr die Inquisition für eure Zwecke, doch was denkt ihr, wie lange es dauern wird, bis sie sich gegen euch wenden wird!“
 

Der Wächter lachte schallend: „Mag sein, doch auf eure Worte wird nie jemand hören, denn ihr seid in ihren Augen Hexen, im Gegensatz zu uns!“, Er wandte sich an einen von seinen Begleitern: „Verbrennt sie. Von ihnen und all ihrem zerstörerischem Wissen, das sie hier angesammelt haben, soll nichts übrig bleiben, außer Asche!“
 

Willows Blick glitt zurück zu ihren Schwestern, sie sah die Angst in ihren Augen. Sie wollten nicht sterben. Eine einzige Träne verirrte sich in Willows Augen und glitt an ihrer Wange herab: „Wir müssen stark sein Schwestern. Seid stark!“
 

Einige brennende Holzscheite wurden von oben durch das Loch hinab geworfen. Mit einem knisternden Geräusch fingen die ersten Schriften Feuer.
 

Willow spürte die Hitze in ihrem Rücken. Das Feuer kroch immer weiter nach vorne. Sie schloss die Augen, als es sie erreichte.
 

Sie verzog keine Miene, als das Feuer sich an ihr festfraß und an ihrem langen Gewand hoch kletterte, denn Willow musste stark sein. Für sie. Stark.
 

++++
 

Cleveland

Nacht

Ein lauter Schrei drang aus Willows Kehle hervor und sie richtete sich kerzengerade in ihrem Bett auf. Ihr Körper war schweißgebadet und die entsetzlichen Schmerzen aus dem Traum schienen noch nachzuwirken.
 

Sie strich ihre Haare aus dem Gesicht und fühlte ihre Stirn, sie glühte förmlich. Allmählich begannen die Details des Traumes aus Willows Kopf zu verschwinden, doch die Gefühle blieben. Langsam und nachdenklich ließ sie sich auf das Bett zurück gleiten. Sie musste unbedingt mit Giles darüber sprechen. Gerade als sie sich wieder entspannen wollte, klingelte das Telefon.
 

++++
 

Wächterhaus,

Früh morgens

Die anderen waren schon alle da, als Willow das Besprechungszimmer betrat, Giles hatte nach dem Angriff in der letzten Woche durch die Mitglieder des Tetsu-Clans sein Bestes getan, um zumindest dieses Zimmer wieder herzurichten, doch überall waren noch deutliche Spuren zu sehen. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie schrecklich aussehen musste, denn sie hatte keine Zeit für ihre Haare gehabt, und der schlechte Schlaf hatte tiefe Ringe unter ihren Augen hinterlassen.
 

Giles nickte ihr zu: „Schön, dass du gekommen bist, bitte setz dich doch!“ Er stand selbst auf und überließ ihr seinen Stuhl, bevor er begann, die Situation zu erklären: „Nun uhm..., erst einmal muss ich mich wohl entschuldigen, dass ich euch alle aus dem Bett geklingelt habe. Doch es ist extrem wichtig.“
 

Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf die Aufstellung ihrer Feinde und Verbündeten frei: „Ich habe heute morgen einen Anruf vom Rat erhalten. Ich werde offiziell heute in genau zwei Wochen zu einer Verhandlung vorgeladen, in der entschieden wird, ob ich im Recht bin, oder nicht. Abstimmungsberechtigt sind insgesamt 133 Wächter, etwas mehr als die Hälfte davon aus England, der Rest Vertreter ihrer Bezirke. Wenn Lily es schafft, in dieser Abstimmung eine Mehrheit zu erhalten, dann wird das alles, was sie bisher bewirkt hat, legitimieren, wenn aber nicht, dreht sich der Spieß um und bringt sie in die Situation sich rechtfertigen zu müssen. Das bedeutet, wir müssen so schnell wie möglich, genug Wächter auf unsere Seite ziehen.“
 

„Und wie genau können wir dabei helfen?“, fragte Xander, auch er schien noch im Halbschlaf zu sein.
 

„Nun ja, in England befindet sich Lilys Basis, dort wird es am schwersten werden, irgendetwas zu bewirken. Beruhigenderweise habe ich dort einige anonyme Kontakte, die mir ein paar Treffen mit Wächtern dort vermittelt haben. Doch was mindestens genauso wichtig ist, ist, dass wir die Wächter aus anderen Ländern von unserer Sache überzeugen müssen. Ich habe schon mit einigen über Telefon gesprochen, und ein paar stehen bereits auf unserer Seite. Doch das sind, befürchte ich, die wenigsten. Daher möchte ich euch bitten, ihnen persönliche Besuche abzustatten und sie von unserer Sache zu überzeugen. Hierbei habe ich nur die Wächter berücksichtigt, von denen ich denke, dass es möglich ist sie zu überzeugen, und die eine breitere Basis vertreten. Ihr werdet noch heute fliegen. Die Tickets habe ich bereits besorgt.“, der Wächter blickte den verschlafenen Gesichtern seiner Freunde entgegen, auf denen sich neben Müdigkeit Unverständnis abzeichnete.
 

„Finden Sie nicht, dass das ein bisschen kurzfristig ist?“, schaltete Kennedy sich ein.
 

„Ja, doch, eh... ich hatte nicht erwartet, nun. uhm, dass der Termin schon so bald sein würde. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wenn diejenigen unter euch, die einen Job haben, nicht kurzfristig Urlaub nehmen können, kann ich das natürlich verstehen, aber es ist wirklich dringend.“
 

„Also zumindest bei mir sollte es kein Problem geben.“, stellte Xander fest. Seine Chefin konnte ihm das wohl kaum verwehren.
 

Buffy grinste bei Xanders Worten zu Giles hinüber. „Und mein Chef muss mir ja frei geben.“ Giles lächelte trotz der ernsten Lage zurück, bevor ihn Willows Worte wieder zum Thema zurückbrachten.
 

Willow hatte für einen Moment nachgedacht, doch dann meldete sie sich zu Wort: „Tut mir Leid, aber ich befürchte, ich habe zu viel mit dem College um die Ohren, außerdem ist nächste Woche auch die Abschlussfeier. Also muss ich Ihnen wohl leider, was das betrifft, eine Absage geben.“
 

„Oh, nun... ja... das verstehe ich natürlich.“, Giles überlegte für einen Moment, „Dann werde ich Ronah statt dir schicken. Faith und Robin, ihr werdet euch um Keiran kümmern, ihn kennt ihr ja bereits. Xander, Kennedy, für euch habe ich Tickets nach Deutschland, wo ihr euch mit Daniel Westmann treffen werdet. Er war noch nie sehr involviert in Machtfragen innerhalb des Rates…“
 

Einige Zeit später

Das Geräusch des anfahrenden Schulbusses, das durch die Gartentür drang, wurde langsam leiser. Willow war dabei, einige Unterlagen durchzusehen, die Giles ihr gegeben hatte, um sich darum zu kümmern, während er weg war. Sie konnte ihn im Nebenraum hören, wie er seine Tasche packte.
 

„Faith und Wood sind jetzt weg, und wir müssen auch gleich los“, Buffy trat durch die Tür, gefolgt von Kennedy, „Ich muss noch packen, also werden wir uns wohl nicht mehr sehen, wenn du nicht mitkommst an den Flughafen. Und leider wird es wohl sehr knapp mit deinem Abschlussball, ich hoffe, dass ich und Andrew es rechtzeitig schaffen, aber ich befürchte, wenn wir nicht ganz glatt durchkommen, wird es sehr knapp, also wünsche ich dir jetzt schon mal alles Gute dafür!“
 

„Danke, aber es ist wirklich kein Problem, wenn du nicht kommen kannst, dann geht es eben nicht, es gibt Dinge, die wichtiger sind. Macht euch wegen mir keinen Stress!“, Willow lächelte Buffy verständnisvoll an, „Viel Glück in Rom!“
 

Als Buffy gegangen war, blieb nur noch Kennedy zurück: „Xander wartet draußen schon, wir haben also nicht viel Zeit. Kannst du dich so lange ich weg bin um die Pflanzen in meiner Wohnung kümmern?“
 

„Na klar, kann ich gerne machen, kein Problem.“ Willow lächelte, doch in Kennedys Gesicht zeichnete sich Besorgnis ab. Forschend musterte sie Willows Miene: „Du siehst nicht gut aus! Warum wolltest du wirklich nicht verreisen? Ich weiß, dass du deine Prüfungen schon alle geschrieben hast, also kann das College nicht der wahre Grund sein.“
 

Willow blickte für einen kurzen Moment auf den Boden, das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht: „Mir geht es nicht so gut, und ich denke, dass mir das Fliegen im Moment nicht so gut bekommen würde.“, sie fand zu ihrem Lächeln zurück, „Du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen!“
 

Kennedy schaute sie für einen kurzen Moment kritisch an, dann lockerte sich ihre Miene: „Wenn du meinst. Pass auf dich auf und lass es dir gut gehen, so lange wir alle nicht da sind!“
 

„Das werde ich! Viel Spaß in Deutschland!“
 

Die beiden umarmten sich, dann drehte sich Kennedy ohne ein weiteres Wort um und verschwand. Willow blickte ihr nach, etwas in ihr wollte ihr nachlaufen und sie zurückhalten, doch sie widerstand dem Drang. Kennedy hatte keine Zeit sich um ihre Sorgen zu kümmern.
 

Sie wandte sich wieder dem Ordner zu, den Giles ihr in die Hand gedrückt hatte, es waren einige Notizen, mit denen sie nicht wirklich etwas anfangen konnte, und eine Kopie eines Stadtplans, auf den überall Zahlen eingetragen worden waren.
 

Wenn sie durch diese Aufstellungen durchblicken sollte, dann müsste sie Giles wohl noch einmal danach fragen. Vorsichtig klopfte sie an seine Tür, doch Giles war mit dem Packen offensichtlich schon vollkommen fertig, als er ihr öffnete: „Willow, kann ich etwas für dich tun?“
 

„Ja, diese Unterlagen, ich habe keine Ahnung, was ich damit anfangen soll!“, Willow starrte ihn fragend an. Giles nahm ihr den Ordner ab, er schien für einen Moment irritiert, doch dann erinnerte er sich wieder: „Das sind Aufstellungen, die ich schon vor längerer Zeit gemacht habe, es geht um die Suche nach dem Höllenschlund, falls du ein bisschen Zeit hast, wäre es nett, wenn du sie ordnen könntest!“
 

„Kein Problem, ich habe bestimmt etwas Zeit.“ Sie nahm den Ordner zurück.
 

„Die anderen sind schon weg?“, wollte der Wächter wissen, während er seinen Koffer verschnürte, Willow nickte nur.
 

„Giles, da ist noch etwas, über das ich mit Ihnen sprechen wollte, ich hatte heute Nacht einen merkwürdigen Traum und ich…“, setzte Willow an, doch Giles blickte nur kurz auf die Uhr: „Tut mir Leid Willow, aber ich muss jetzt wirklich los, ich bin schon verdammt spät dran, wir können ja ein anderes Mal darüber reden!“
 

„Ja, “ pflichtete Willow ihm bei, „tut mir leid, es ist wirklich nicht so wichtig!“
 

++++
 

Kennedys Wohnung,

nächster Tag,

gegen Mittag

Willow kramte Kennedys Wohnungsschlüssel aus ihrer Jackentasche und öffnete die Tür. Kennedys Apartment sah hell und freundlich aus. Willow war noch nie aufgefallen, dass hier doch einige Pflanzen auf kühles Wasser warteten. Irgendwie war sie gleichzeitig gekränkt und aufgebracht. Sie hätte Giles gerne etwas über ihren Traum erzählt, und mit ihm noch über ihre Visionen gesprochen. Aber natürlich verstand sie auch, dass er seinen Flug erwischen musste.
 

Unmotiviert ging Willow in die Küche, und drehte den Wasserhahn auf. Auch wenn sie ihr Traum immer wieder einholte, wollte sie endlich an etwas anderes denken. Vielleicht an die Recherchen, die sie tätigen musste? Allerdings kam ihr dieses Thema auch wieder etwas unvielversprechend vor.
 

Vorerst wollte sie ihre Aufgabe, diese Blumen mit Wasser zu versorgen, mit Bravour meistern.
 

Nachdem sie zweimal erneut Wasser in die Gießkanne gefüllt hatte, öffnete sie die Badezimmertür, um dort nach Pflanzen zu sehen. Sie erinnerte sich noch an das eine Mal, als sie irgendein Grünzeug umgestoßen hatte, als sie gerade mit Kennedy beschäftigt war. Doch es hatte überlebt, und beide hatten sich bis nach dem ausgiebigen Bad nicht weiter darum gekümmert.
 

Zu Willows Überraschung, musste sie den Lichtschalter betätigen. Das Sonnenlicht, das sich durch die schmale Spalte des Rollos drängte, reichte nicht aus um den Raum zu erhellen.
 

Willow traute ihren Augen nicht, als sie ihren Blick durch das Badezimmer schweifen ließ. Einige Teelichter, die um die Badewanne verteilt waren, rundeten den Anblick der Badewanne noch mehr ab. Rote Rosenblätter zierten den Wannenrand, andere lagen zusammen mit duftendem Badesalz in der Wanne.
 

Als Willows Augen zum Waschbecken wanderten, prangte ein großes rotes, mit Lippenstift gemaltes Herz auf dem Spiegel. Dieses wurde von einem Blumenstrauß, bestehend aus roten Rosen untermalt, die in einer Vase davor standen.
 

Mit langsamen Schritten ging Willow auf das Waschbecken zu, und entdeckte eine Grußkarte, die an der Vase lehnte. Vorsichtig öffnete sie den Umschlag.
 

„Liebe Willow,
 

eigentlich wollte ich dieses Bad zusammen mit dir nehmen, um dich ein bisschen von deinem Stress abzulenken. Doch leider haben wir ja heute erfahren, dass ich für einige Tage nicht in Cleveland sein kann.

Ich hätte diese Kerzen gerne selbst für dich angezündet, und das warme Wasser eingelassen. Aber ich wollte vermeiden, dass meine Nachbarn die Feuerwehr rufen.
 

Ich wünsche dir alles Gute zu deinem Abschluss.
 

Ich liebe dich,

Kennedy“
 

Willow fühlte sich von einem Moment auf den anderen einfach glücklich. Auch wenn sie noch immer andere Dinge im Nacken hatte, und diesen Moment nicht mit Kennedy zusammen genießen konnte.
 

Mit einem Grinsen auf den Lippen goss sie die letzte Pflanze im Bad, und bereitete das warme Wasser vor.
 

++++
 

England, London,

Rat der Wächter

Junge, weibliche Körper schwitzten unter der Anstrengung ihres Trainings – Freikampfübungen im Zweikampf, Waffentraining, Ausdauertraining am Sandsack, Lehrstunden in der Gruppe – und Lily beobachtete dies alles mit einem zufriedenen Lächeln von ihrer geschützten Position weiter oben durch eine Glasscheibe nach unten in den großen Trainingsraum. Die Mädchen waren zu konzentriert, um zu bemerken, dass man sie beobachtete. Ja, Lily war mehr als zufrieden, denn alles hier war ihr Werk und bald schon würde sie wissen, ob es sich gelohnt hatte. Ihr Plan erschien ihr dieses Mal sicherer und viel- versprechender... und gemeiner.
 

Doch an letzteres wollte sie nicht denken. Nicht, wenn sie daran dachte, was alles auf dem Spiel stand, wenn sie Schwäche zeigen würde.
 

Lily wandte sich von dem Anblick folgsamer Jägerinnen ab, die unter der Anleitung einiger Wächter ihr Training fortsetzten, um sich der Glasscheibe in ihrem Rücken zuzuwenden. Der Blick in die Tiefe entlockte ihr dieses Mal kein Lächeln, sondern ließ ihren Blick verfinstern. Dort unten, in einem kleineren Raum saßen Jägerinnen, die an der Seite mit Buffy gegen das Urböse gekämpft hatten. Jägerinnen, die sicher der Meinung waren, dass sie nicht gegen Buffy und ihre Freunde rebellieren durften, nicht nachdem was sie alles gemeinsam riskiert hatten, um die Welt vor dem Untergang zu beschützen. Sie waren ein Risiko, aber eines, das Lily eingehen musste, wenn sie wollte, dass ihr Plan aufging.
 

Unterhalb Lilys Position ging eine Tür auf und Emma trat in Begleitung zweier Wächter in den Raum.
 

Lilys Gesicht entspannte sich wieder. Emma... sie würde dafür sorgen, dass die Jägerinnen bald eine andere Meinung haben würden. Nicht dass die Jägerinnen dort unten überhaupt wussten, wieso sie hier in diesem Trainingslager waren. Oder Emma. Aber Emma war ihre beste Waffe. Emma war aus Cleveland weggegangen, als Lily noch die „Gute“ war. Für Emma war die Welt noch heil...
 

„Hallo, Leute“, richtete Emma ihre Worte an die neu Angekommenen und lächelte gewinnend. „Schön, dass ihr hier seid und Zeit gefunden habt, euch in der Wiege des Rates für das kommende Böse ausbilden zu lassen. Ich finde es ungemein aufregend, so viele von euch kennen zu lernen, die schon mit Buffy Seite an Seite gekämpft haben... aber na ja, darüber können wir uns später noch unterhalten. Ich bin selbst seit einigen Wochen hier und ich muss sagen. es lohnt sich. Es ist anstrengend, aber es macht auch Spaß. Ich bin besser im Kampf geworden und ich weiß, wie ich meine Stärke einsetzen muss. Mr. Lawson und Mr. Spoon hier werden euch gleich zeigen, wo ihr schlafen werdet.“ Emma griff in eine Umhängetasche, die sie mit in den Raum gebracht hatte und zog eine Spritze und ein Fläschchen hervor.
 

„Das hier gehört mit zum Training. Ein Aufbauvitamin, das der Rat für seine Jägerinnen spendiert. Wir bekommen es am Anfang einmal am Tag, später nur noch einmal die Woche und wenn wir fit genug sind, ist es gar nicht mehr nötig. So viel Zeit zum Essen haben wir nämlich gar nicht, um uns alles zurück zu holen, was wir beim Training verlieren, “ Emma strahlte die Jägerinnen an und Lily wurde von einer sich öffnenden Tür in ihrem Raum von Emmas nächsten Worten abgelenkt. Sie drehte sich in die Richtung und sah einen Mann hereinkommen.
 

„Gibt es Probleme, Pete?“
 

„Nein, ich wollte nur nachsehen, ob Sie mit den Entwicklungen zufrieden sind?“
 

„Durchaus,“ lächelte Lily, „durchaus,“ setzte sie nach, als sie sah, wie unten die ersten Jägerinnen aufstanden, um sich von Lawson die „Vitaminspritze“ geben zu lassen. Bald würde der Kampf mit Buffy gegen das Urböse nur noch eine kleine Erinnerung im Gedächtnis der Jägerinnen sein. Bald würden sie anfangen können, den Jägerinnen klar zu machen, wer ihr neuer Feind war.
 

„Emma macht ihre Sache wirklich gut.“, nickte Pete Richtung Glasscheibe. „Ich hätte nie gedacht, dass wir sie so lange täuschen können. Aber wie es scheint, ist sie nach wie vor der Auffassung für die gerechte Seite zu kämpfen.“
 

„Das tut sie auch“, sagte Lily scharf und sah Pete mit finsterer Miene an. „Wir kämpfen für die gerechte Sache. Gäbe es uns nicht, würde dieses Chaos weiter bestehen. Giles und seine Jägerinnen..., “ sie schnaubte kurz verächtlich durch die Nase, schüttelte dann den Kopf und blickte von Pete zurück in den Raum unter ihr. „Leider wird Emma nie erfahren, was passiert ist. Und wenn sie je bemerken sollte, was gespielt wird, ist es zu spät. Dann wird der Kampf toben.
 

Manche Maßnahmen erscheinen grausam, aber sind notwendig. Wir brauchen jede Jägerin auf unserer Seite, um zu siegen. Dafür ist mir jedes Mittel recht. Auch wenn das bedeutet, dass wir diesen jungen Menschen ein Serum spritzen, dass sie vergessen lässt, wer sie sind. Aber das spielt keine Rolle. Wir brauchen „Soldaten“, die funktionieren.“
 

Pete zog es vor zu schweigen, nickte nur stumm und als Lily zu Ende gesprochen hatte, entschuldigte er sich hastig und verließ den Raum. Zurück blieb Lily, überzeugt von ihrer Sache, deren Blick sich etwas aufhellte, als sie sah, dass mehr als die Hälfte der Jägerinnen bereits den Raum verlassen hatten und der Rest in einer Schlange stand, um sich das „Vitamin“ abzuholen.
 

++++
 

Kennedys Wohnung,

zur selben Zeit

Ein angenehmer Geruch, der an Orange erinnerte, lag in der Luft, Willow hatte die Augen geschlossen und genoss das herrlich warme Wasser, das ihren Körper sanft umspülte. Nach all den Problemen der letzten Tage konnte sie so ein Bad gut gebrauchen. Das Rauschen des Wassers war auf eine gewisse Weise sehr beruhigend.
 

Der Schaum reichte inzwischen fast bis zu ihrem Kinn und der Rest ihres Körpers war von ihm bedeckt, langsam wurde es Zeit das Wasser abzustellen.
 

Das leise Summen verstummte und wich einer wohligen Stille, genau das, was sie jetzt brauchte. In Gedanken war sie schon dabei zu überlegen, wie sie sich bei Kennedy für diese kleine Überraschung revanchieren konnte.
 

Willow atmete tief ein und genoss den Geruch des Bades. Irgendwann würde sie dieses Bad unbedingt mit Kennedy zusammen nachholen, irgendwann, wenn wieder Ruhe eingekehrt war.
 

Plötzlich fühlte sie einen leichten Stich in ihrer Armbeuge. Sie zog den Arm überrascht aus dem Schaum heraus und sah eine rote Stelle, die langsam begann größer zu werden. Hoffentlich keine allergische Reaktion, sie dachte darüber nach, das Bad zu beenden, doch entschied sich dann dagegen. Vermutlich hatte sie es, was immer es auch war, nur nicht früher bemerkt.
 

Während sie ihren Arm noch betrachtete, spürte sie einen neuen Stich direkt neben dem anderen. Für einen kurzen Moment kam es ihr so vor, als ob sich die Umgebung um sie herum ändern würde: Sie war in einem schlecht beleuchteten Raum, vor ihr ein Mann im Anzug, der irgendwie nach einem Wächter aussah und in ihrem Arm steckte eine Spritze.
 

Mit einem Schlag war alles vorbei. Sie war wieder Willow und lag in ihrem Schaumbad, doch ihr blieb keine Zeit durchzuatmen, ein weiterer Einstich in ihrem Arm ließ sie aufschrecken.
 

Ihr Arm zitterte, als sie versuchte sich aufzustützen, um aus der Badewanne herauszukommen. Ein weiterer Einstich hielt sie davon ab - ihr Arm rutschte ab, schlug gegen den Wasserhahn und öffnete ihn. Das Wasser spritzte hervor, doch statt einem beruhigenden Rauschen schien sein Klang nun bedrohlich.
 

Willow versuchte ihren Arm aus dem Wasser zu heben, doch er bewegte sich keinen Zentimeter. Immer mehr kleine Einstiche brannten in ihrer Armbeuge und sie spürte, wie sich eine erschlaffende Wirkung in ihrem ganzen Körper ausbreitete.
 

Das Wasser stieg bedrohlich hoch, und es erreichte fast ihren Mund. Mit letzter Kraft gelang es ihr sich mit ihren Füssen etwas höher zu stoßen, doch dann versagten auch sie ihren Dienst. Sie konnte sich nicht mehr bewegen.
 

„Eine sehr unangenehme Situation, möchte man meinen.“
 

Plötzlich trat jemand neben sie – lautlos war der König der Rachedämonen aus dem Schatten aufgetaucht.
 

„D´Hoffryn!“, zischte Willow. Sie versuchte erneut ihren rechten Arm zu bewegen, doch nicht einmal der kleine Finger rührte sich.
 

Der Dämon blickte auf sie hinab. Seine Augen gaben nicht Preis, was hinter ihnen vorging: „Ich hoffe, diese Visionen bereiten dir nicht zu viele Umstände!“
 

„Dann bist du also dafür verantwortlich!“ Selbst ihren Kopf begann die Kraft langsam zu verlassen, sie versuchte krampfhaft ihn über Wasser zu halten, doch selbst die letzten Muskeln, die sie noch kontrollieren konnte, ließen langsam nach.
 

„Oh nein, ich meine nur, dass es sehr schlecht wäre, wenn du dich nicht mit ihnen arrangieren könntest, denn ich befürchte, “ er bückte sich zu ihr vor mit einem diabolischen Lächeln im Gesicht, „ich befürchte, sie werden immer schlimmer werden. Egal was du tust, sie werden dich verfolgen, unendliche Schmerzen warten auf dich. Ich will nur, dass du das alles weißt.“
 

„Zu gütig!“, das Wasser erreichte den Rand der Badewanne, lief erst langsam über, dann immer schneller und verteilte sich auf dem Boden.
 

„So bin ich eben. Ich will nur, dass du dich daran erinnerst, dass mein Angebot immer noch steht, dein Potential für einen Rachedämonen ist außerordentlich groß, und ich würde nur ungern darauf verzichten.“, sein Blick fiel auf den Wasserhahn, „Soll ich dir damit helfen!“
 

„Nein, danke, ich komme schon alleine zu Recht!“, zischte Willow trotzig.
 

„Was immer du willst, doch denk an mein Angebot, wenn die Schmerzen schlimmer werden, denk daran, wenn die Visionen so schlimm werden, dass sie anfangen, alles was du bist, zu zerbrechen!“ Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht wandte er sich um und ließ Willow alleine zurück, unfähig sich zu bewegen oder um Hilfe zu schreien.
 

++++
 

Clearfield, Pennsylvania,

Nachmittags

Langsam und abwesend glitt ihr Blick über die vorbeirasende Landschaft. Bäume, Wiesen, Felder, Häuser und Menschen verschwammen zu einem einzigen, beruhigenden Bild, dessen sich Faith nicht mehr entziehen konnte.
 

Und während Robin den Highway verließ, und dabei den gemieteten Chrysler 300 M um eine scharfe Kurve fuhr, schweiften ihre Gedanken immer mehr ab. Er räusperte sich kurz, wagte einen kurzen Seitenblick zu Faith, widmete sich dann allerdings wieder der Straße.
 

„Ich versteh nicht wirklich, warum gerade wir zwei wieder zu Keiran O’Bailey fahren müssen,“ meldete sich nun Faith doch zu Wort, versuchte dabei aber das Unbehagen, welches der Wächter das letzte Mal bei ihr hervorgerufen hatte, zu verdrängen.
 

„Weil er uns schon kennt, und weil wir wissen, wie wir am schnellsten bei ihm sind...“ antwortete der junge Wächter, bremste behutsam und blieb vor einer roten Ampel stehen.
 

„Als hätten die anderen hier nicht her gefunden...“ antwortete sie, strich sich die Haare aus dem Gesicht, und musterte dann wieder die Gegend.
 

„Clearfield ist doch echt zum Kotzen. Ich versteh absolut nicht, wieso es hier Dämonen her zieht.“
 

Als Robin wieder Gas gab, erblickte Faith auf der rechten Seite der Fahrbahn eine Mutter mit ihrer Tochter. Sie standen vor der Auslage eines Klamottenladens, unterhielten sich lebhaft, und schienen dabei mächtig Spaß zu haben.
 

Faith schluckte, wandte sich dann vom Fenster ab, und schaltete das Radio, das nun schon seit einigen Stunden im Dauereinsatz war, aus.
 

“Nein, Robin, ich meine das wirklich ernst. Ich denke noch immer nicht, dass wir die Idealbesetzung für diesen Besuch sind. Keiran hat mir letztens unmissverständlich klar gemacht, was er von mir hält.“
 

„Giles hat schon gewusst, warum er uns hier her geschickt hat. Mr. O’Bailey ist einer der alten, eingeschworenen Wächter, er brauchte jemand mit etwas mehr Erfahrung, daher hat er uns hier her geschickt.“
 

Robin steuerte direkt auf die Einfahrt des Hauses zu, in dem sie vor rund einem halben Jahr schon einmal gewesen waren, um ein Buch über diese mysteriösen Reiter abzuholen. Obwohl er es Faith nicht zeigen wollte, war er sich über den genauen Ablauf dieses Besuches eigentlich selbst genau so unsicher wie Faith. Sie wussten um die Einstellung von Keiran O’Bailey, und die war definitiv nicht auf ihrer Ebene.
 

Er war einer der alten, verbohrten Wächter, der sich die alten Zeiten zurück wünschte, und dabei auch das eine oder andere riskieren würde. Giles hatte ihn und Faith hier her geschickt, weil der Wächter ein viel zu hohes Risiko war. Niemand wusste, auf welcher Seite er wirklich stand. Es musste jemand mit ihm sprechen, der es auch wirklich gut beherrschte, und das war nun einmal Robin. Und Faith war aus einem ganz simplen Grund mitgeschickt worden: Sie war eine Jägerin, eine der erfahrensten Jägerinnen, die ihnen zur Verfügung standen. Wenn hier etwas schief ging, konnten sie sich wehren, auch gegen andere Jägerinnen, wenn es sein musste.
 

Robin blickte noch einmal kurz zu seiner Jägerin und musste leicht schmunzeln. Sie war so enorm stark, und doch verspürte sie innerlich Angst, wenn sie an eine erneute Konfrontation mit diesem verbohrten Wächter dachte. Aber das Gefühl der Angst und des Unbehagens hatten sie wohl alle schon zu gut kennen gelernt. Robin dachte kurz wieder an Lily, und kam wieder zu der Erkenntnis, dass er diese Frau absolut nicht verstehen konnte. Wie kann jemand, der eigentlich seinen festen Platz in der Gesellschaft hatte, dem nie etwas fehlte, und um den sich immer jemand kümmerte, nur so durchdrehen? Und was war mit den anderen Wächtern los? Wieso gaben sie dieser Verrückten nur die Zügel in die Hand?
 

Robin trat erneut auf die Bremse, parkte das Fahrzeug ein, und stellte den Motor ab. Er musste wohl oder übel damit leben, dass er die Antworten auf diese Fragen niemals bekommen würde. Sie konnten nur dagegen arbeiten, und dabei ihr Bestes geben.
 

„Okay, nichts wie ran an den Feind!“ sagte Faith, die anscheinend wie aus dem Nichts neuen Mut gefasst hatte, und sprang aus dem Wagen. Robin griff nach seiner Mappe, die auf dem Rücksitz lag, und voller Informationen über die Vorgänge in Cleveland und England waren, er stieg ebenfalls aus dem Auto aus, und sperrte dieses danach ab.
 

„Positives Denken...“ sagte er leicht ironisch, trat zusammen mit Faith auf die Eingangstür zu, läutete.
 

Faith versuchte ihr freundlichstes Lächeln aufzusetzen, und erwartete Lisha O’Bailey, die ihr auch das erste Mal die Tür geöffnet hatte. Allerdings wurde sie enttäuscht. Ein junges, verschwitztes Mädchen öffnete ihnen die Tür und sah sie finster an. Robin und Faith war sofort klar, dass ihnen eine von Keirans Jägerinnen gegenüber stand.
 

„Wie kann ich euch helfen?“ fragte sie, und ihr Gesicht erhellte sich darauf unerwartet. Sie schienen das Mädchen anscheinend nur bei etwas gestört zu haben.
 

“Wir haben vor einigen Tagen bei Mister O’Bailey angerufen, und ihn um ein Gespräch gebeten. Mein Name ist Robin Wood, ich bin der leitende Wächter der Ratszentrale von Cleveland. Ich müsste wirklich dringend mit deinem Wächter sprechen...“
 

„Oh, kein Problem. Kommen Sie nur herein. Ich werde Keiran holen. Er ist gerade bei seiner Frau im Garten. Moment...“ das Mädchen lächelte sie noch einmal kurz an, nachdem sie die Tür hinter ihnen wieder geschlossen hatte, und lief dann durch die Tür ins Freie.
 

Robin und Faith sahen sich verwundert an. Hier war irgendetwas anders. Etwas stimmte nicht.
 

„Merkst du das auch….was...?“ flüsterte Robin und sah sich im Eingangsbereich um.
 

„Es ist so still...“ antwortete Faith und sah ihn durchdringend an.
 

Gespenstische Stille breitete sich aus, während sich die beiden vorsichtig umsahen, und dabei auch kurze Blicke in die angrenzenden Räume warfen.
 

„Mister Wood! Schön, dass Sie endlich angekommen sind!“ ertönte eine Stimme, die früher vielleicht einmal laut und durchdringend war, nun allerdings schon gebrechlich und kraftlos wirkte.
 

Die beiden fuhren herum und sahen einen Mann, der nur mehr ein Abklatsch des Keiran O’Bailey war, den Faith zuletzt getroffen hatte.
 

Er nickte ihnen freundlich entgegen, worauf sie ihm in sein Wohnzimmer folgten, und fünfzehn Minuten später auch Irish Coffee vor sich auf dem Tisch stehen hatten.
 

„Wie geht es Ihrer Frau, Mrs. Lisha?“ fragte Faith, und versuchte dabei das komische Gefühl, dass sich hier einiges verändert hatte, zu vertuschen.
 

Keirans Gesichtsmuskeln zuckten kurz merklich, allerdings hatte er sich einige Augenblicke später wieder im Griff. Die Jägerin, deren Name Linda war, und die am längsten bei O’Bailey lebte, hatte sich um die Getränke gekümmert, und stand nun im hinteren Teil des Raumes.
 

“Meine Frau verstarb leider vor einigen Wochen...“ antwortete er knapp, und nahm darauf einen Schluck.
 

Faith und Robin tauschten kurz einen überraschten Blick aus. Der Mann hatte seine Frau verloren, deshalb hatte er sich so verändert. Er wirkte irgendwie, als hätte ihm das das Fundament unter seinen Füßen weg gezogen.
 

„Warum ist es hier so still? Wo sind ihre Jägerinnen?“ fragte Robin, und beobachtete, dass er mit der Frage ins Schwarze getroffen hatte.
 

„Ich hab sie, das heißt, alle bis auf Linda, auf Anraten von Ms. Usher nach England geschickt. Sie werden dort einem Spezialtraining unterzogen, und sollen in einigen Wochen wieder zurückkehren.“
 

‚Das denkst du aber leider nur!’ schoss es Faith durch den Kopf. Sie war noch immer überrascht. Der Wächter schien sie nicht einmal mehr richtig zu erkennen.
 

„Nun, dann wären wir ja schon beim Thema angelangt. Ich denke, Ms. Usher hat ihnen ihre Version schon erzählt. Nun kommt unsere. Wir verstehen, dass dies alles sehr verwirrend für Sie sein kann, aber nichtsdestotrotz sind wir nicht hier her gekommen, um Ihnen Lügengeschichten zu erzählen...“ Robin schlug seine Mappe auf, nahm einige Zettel heraus und überreichte sie dem Wächter.
 

Dieser lauschte den Vortrag des jungen Kollegen skeptisch, zeigte nur mit Nicken, dass er auch wirklich noch bei der Sache war, und unterbrach ihn bis zum Schluss kein einziges Mal.
 

++++
 

Kennedys Wohnung,

später Nachmittag

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, und vermutlich wollte sie es auch gar nicht wissen. Langsam begann das taube Gefühl, das ihren ganzen Körper einhüllte, zu verschwinden und es war ihr mit ihrem Fuß gelungen das Wasser abzuschalten. Dennoch war zumindest das Bad komplett überschwemmt. Hoffentlich würde es ihr gelingen es so weit zu beseitigen, dass Kennedy nichts merken würde, wenn sie zurückkam.
 

Mühsam gelang es ihr, nachdem schon einige Versuche gescheitert waren, aufzustehen und den Stöpsel der Badewanne zu lösen.
 

Ihre Beine gaben immer wieder nach, als sie sich aus dem Badezimmer hinaus zu schleppen versuchte. Sie fiel hin und hangelte sich schließlich an einem Regal entlang hinaus ins Schlafzimmer. Zum Glück beschränkte sich die Überschwemmung nur auf das Badezimmer, aber es wäre wohl unmöglich gewesen sich jetzt darum zu kümmern, sie ließ sich nur auf das Bett sinken, schloss ihre Augen und innerhalb weniger Minuten war sie weggetreten.
 

Als sie sie wieder öffnete, war sie nicht mehr in Kennedys Raum. Sie stand auf einer Lichtung, es war Nacht und der Himmel war völlig wolkenfrei, als ob die Sterne ihrem Tod persönlich beiwohnen wollten. Die Fesseln schnitten in ihre Handgelenke und drückten sie fest an den Holzpfosten. Es gab kein Entkommen, kein Erbarmen. Sie und ihre Schwestern waren verloren.
 

Die in dunkle Umhänge gehüllten Männer auf der anderen Seite redeten leise, doch Willow konnte nicht verstehen, was sie sagten. Sie hatte Angst, unendliche Angst, ein kurzer Blick zu ihren Schwestern zeigte, dass es den beiden nicht anders ging - starr blickten sie vor sich hin.
 

Nachdem die Wächter sie mit dem Feuer aus der Bibliothek getrieben hatten, hatten sie sie hier her gebracht. Die Älteste war den Flammen zum Opfer gefallen, und eine der anderen hatten die Männer mitgenommen. Willow wusste nicht, welches Schicksal ihr bevorstand und vermutlich wollte sie es auch nicht wissen.
 

Einer der Männer trat vor. Um seinen Hals baumelte ein christliches Kreuz: „Nun werdet ihr endgültig brennen!“, er ließ sich eine Fackel reichen und hielt sie Willow direkt unter die Nase: „Was sagt ihr nun, im Angesicht eurer gerechten Strafe?“
 

„Was ich sage? Ihr seid Narren! Ihr rennt in euren eigenen Untergang, doch wenn ihr uns töten wollt, dann tut es, doch besiegen werdet ihr uns niemals!“, ereiferte sich eine ihrer Schwestern.
 

„Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Weib!“, er stieß die Fackel in den Holzhaufen, der zu ihren Füssen aufgestapelt worden war, „Und jetzt begegne deinem Untergang!“
 

Willow schloss ihre Augen, Rauch stieg in ihre Nase auf und sie musste husten.
 

Auf der anderen Seite hörte sie die Männer laut lachen, ihre Schwester schrie neben ihr auf, als das Feuer sich an ihr hoch züngelte.
 

Verwundert stellte Willow fest, dass die Angst in ihr mit einem Schlag verschwunden war, stattdessen erfüllte sie eine erschreckende Gleichgültigkeit.
 

Sie hörte die Stimmen der Wächter, die etwas abseits standen: "Gute Arbeit. Wir kommen voran."
 

"Aber Roland, es wird schwieriger, die meisten sind gewarnt und verstecken sich!“, wendete ein anderer ein.
 

„Ach was, die Sache mit den Hüterinnen wird sich von selbst erledigen, auf dem einen oder anderen Weg. Schon bald werden sie nicht mehr existieren.“
 

Als die Flammen Willows Füße erreichten, löste sich ein Schrei aus ihrer Kehle, der weit durch die kühle Nacht hallte.
 

++++
 

Deutschland, Frankfurt

Später Abend

„Was willst du denn mit den Postkarten machen, wenn du sie nicht verschicken willst?“, wollte Kennedy verwirrt wissen.
 

Der Taxifahrer warf ihnen durch den Rückspiegel immer wieder misstrauische Blicke zu, vermutlich wunderte er sich, was sie redeten, denn sein Englisch war nicht das Beste. Das hatte Xander feststellen müssen, als er versucht hatte zu erklären, was ihr Ziel war. Letztendlich war es ihnen aber zum Glück mit Hilfe einer Karte gelungen.
 

„Das sind Erinnerungsstücke, wenn ich irgendwann mal Kinder und Enkel haben sollte, dann kann ich sie ihnen zeigen und sagen, dass ich wenigstens einmal in Deutschland gewesen bin!“, versuchte Xander zu erklären, doch Kennedy schien ihn nicht ganz ernst zu nehmen: „Ja du warst einmal in Deutschland, für“, sie warf einen kurzen kritischen Blick auf ihre Uhr, „wenn alles gut läuft und er uns nicht direkt weg schickt für etwa 12 Stunden!“
 

„Trotzdem!“, so leicht gab Xander sich nicht geschlagen, „Immerhin war ich hier, und an ein paar von den Gebäuden auf den Karten sind wir bestimmt vorbei gefahren. Zum Beispiel an dem hier!“, er hielt ihr eine der Postkarten hin.
 

„Das Brandenburger Tor steht in Berlin!“, Kennedy musterte ihn kritisch, „Wenn, dann hättest du sie nicht im Flughafen kaufen dürfen, sondern wenigstens von einem der lokalen Händler hier.“
 

Das Taxi wurde langsamer und hielt schließlich ganz an, sie waren angekommen. Während Kennedy bereits ausstieg, beglich Xander die Rechnung.
 

„Stimmt so!“ Er hatte diesen Spruch aus einem alten Film, in dem einige Deutsche eine Rolle spielten, und es hieß wohl, dass der Fahrer den Rest behalten sollte.
 

Für einige Sekunden schien der Mann zu überlegen, ob er sich auf Englisch bedanken sollte, doch dann nickte er ihm nur einigermaßen freundlich zu und fuhr wieder los.
 

Kennedy trat neben Xander und deutete auf ein großes von Efeu eingeschlossenes Tor, an dem eine gut erkennbare „23“ heftete: „Das muss es sein!“
 

„Wow, das ist ja beinahe wie in einem Horrorfilm!“, er drückte auf die bereits rostige Klingel, „Nur dass die Häuser in diesen Filmen meistens in England stehen; hey, haben wir uns vielleicht im Land vertan? Ich dachte Giles würde sich um England kümmern!“
 

„Wales, er ist in Wales, und sei lieber froh, dass er diese Verwechslung nicht mitgekriegt hat.“
 

Sie warteten einige Minuten.
 

„Vielleicht zieht er es vor gar nicht erst raus zu kommen?“, mutmaßte Kennedy. Sie presste ihr Gesicht an die Gitterstäbe, „Zumindest kann man Licht dort im Haus erkennen.“
 

„Was war das?“, fragte Xander plötzlich. Kennedy fuhr erschrocken zu ihm herum, als würde sie irgendein Monster erwarten.
 

„Regentropfen, jetzt sind es schon zwei!“, Kennedy blickte Xander für einen Moment vorwurfsvoll an, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den wolkenverhangenen Himmel, der immer dunkler wurde.
 

„Verdammt, er kann uns doch nicht hier draußen im Regen stehen lassen!“, sie drückte die Klingel erneut.
 

„Na ja, wenigstens kann ich meinen Kindern und Enkeln dann was vom deutschen Regen erzählen!“, stellte Xander fest, als sich endlich etwas in dem Haus tat.
 

Jemand öffnete die Tür und kam auf das Tor zu. Es war ein relativ kleiner Mann, wohl Mitte 50, und was das Wichtigste war - er ließ sie herein.
 

„Danke, wir dachten schon, es würde niemand mehr kommen!“, erklärte Kennedy erleichtert, „Wir wurden von Mr. Giles geschickt. Sie sind Mr. Westmann?“
 

„Ja, das bin ich und ihr Besuch ist mir schon angekündigt worden.“, seine Miene verzog sich kein bisschen, es war unmöglich zu sagen, was in ihm vorging, „Jedoch befürchte ich, dass Sie ein bisschen warten müssen, denn ich habe bereits sehr wichtigen Besuch. Mr. Lenhardt direkt vom Rat der Wächter in einer Sache von essenzieller Bedeutung, die keinen Aufschub verträgt.“
 

++++
 

Rom, Placa del Rotonda,

Nächster Tag, Morgen

“Il cane, il gatto, la pecora, la mucca…. “ Mit einer Hand löffelte Andrew sein Eis, während er mit der anderen sein Buch festhielt. Zwar konnte Buffy den Titel nicht lesen, aber den Bildern zufolge sah es aus wie eine italienische Fassung von “Old MacDonald’s“ – bunte Bilder von einem Bauernhaus mit allerlei Tieren.
 

“Willst du den Wächtern morgen etwas über Bauernhöfe erzählen?“ fragte Buffy amüsiert und faltete das bunte Papierschirmchen zusammen, das ihren eigenen Eisbecher schmückte.
 

“Nein, ich bin nur ein bisschen am Üben.“ Andrew legte das Buch auf den Tisch und widmete sich wieder den Notizen, die sie beide vor sich liegen hatten. “Kinderbücher sind ziemlich praktisch, wenn man eine Sprache lernt. Und dieses Italienisch ist viel komplizierter als Klingonisch, oder so, “ er warf wieder einen Blick ins Buch, “ich meine, siehst du einen Sinn darin, dass Katzen und Mähdrescher etwas Männliches sind, und Stühle und Schafe etwas Weibliches?“
 

“Nein, ich sehe keinen Sinn darin.“ Buffy lehnte sich zurück, und genoss eine angenehme Brise, die ihr Haar, und das leichte Sommerkleid zum Flattern brachten. Es war ein warmer, sonniger Abend, ganz anders als in Cleveland, wo Kleid und Sandaletten noch für mindestens einen Monat im Schrank geblieben wären. “Ich glaub’ auch nicht, dass es hier Elben gibt“, fügte sie hinzu und Andrew grinste.
 

Romano Belussci hatte sich als echter Glücksfall erwiesen. Er hatte ihren Ausführungen ruhig und bedacht zugehört, und gleich für den nächsten Tag ein Treffen der italienischen Wächter einberufen. Er selbst war von Giles’ Unschuld überzeugt, wusste jedoch nicht, inwieweit die anderen Wächter dem zustimmen würden. So wie es aussah, lag einiges an Überzeugungsarbeit vor ihnen.
 

“Ich dachte, das wirkt vielleicht ganz gut, wenn ich ein bisschen italienisch kann...du kennst ja das Klischee vom dummen Ami, der nix lernt außer Englisch.“ Andrew zog sein Jackett aus und hängte es über den Stuhl. Er trug einen der Anzüge, die er mit Kennedy gekauft hatte, und dazu Flip-Flops. Zuerst war ihr diese Kombination ein wenig seltsam vorgekommen, doch nachdem sie den vierten oder fünften Geschäftsmann in ähnlichem Aufzug hatte vorbeihasten sehen, hatte sie aufgehört, sich zu wundern.
 

Schritte auf dem Asphalt rissen sie aus ihren Gedanken, und die Tauben, die um die Tische herumpickten, flatterten kurz auf. Der Kellner, ein äußerst attraktiver junger Mann war an ihren Tisch getreten, auf seinem Tablett ein sorgfältig gefalteter Zettel. “Signora Summers? Uno messaggio per lei.”
 

“Ich kenn’ hier doch niemanden”, wunderte sich Buffy, während Andrew sich überschwänglich bedankte. Beide blickten dem Kellner für einen Moment hinterher, Buffy riss sich jedoch zusammen, als sie denselben schwärmerischen Ausdruck, den sie auch auf ihrem Gesicht vermutete, auf Andrews reflektiert sah. “Was?“ fragte er mit unschuldigem Augenaufschlag.
 

“Nichts.” Buffy faltete das Papier auf. Sie hatte mit einer Nachricht von Belussci gerechnet, aber dies hier...
 

“Der Unsterbliche?“ Andrew zog überrascht die Augenbrauen hoch. “Aber wir sind doch erst seit ein paar Stunden hier. Woher...?“
 

“Er muss seine Augen und Ohren wirklich überall haben.“ Buffy überflog die geschwungene Handschrift. “Hier steht, er entschuldigt sich, dass er mich heute noch nicht empfangen kann, weil er erst morgen wieder in Rom sein wird, aber...“
 

“…morgen ist das Treffen, “ wandte Andrew ein.
 

“Na, wunderbar.” Buffy stieß hörbar die Luft aus. “Perfektes Timing!“
 

“Halb so wild, “ beruhigte sie Andrew. “Signore Belussci und ich kriegen den lahmen Wächterverein schon rum. Dass wir was über die Reiter erfahren, ist viel wichtiger, du solltest auf alle Fälle da hingehen. “
 

Sie nickte langsam. Eigentlich war es das Vernünftigste, trotzdem behagte ihr der Gedanke nicht, Andrew bei der Versammlung allein zu lassen. Was, wenn der Junge damit überfordert war?
 

Aber es war wohl nicht zu ändern. Außerdem, Belussci hatten sie ja schon auf ihrer Seite, und der Mann schien ihr eine starke Persönlichkeit zu sein.
 

Ein Mann mit einer starken Persönlichkeit. Ohne, dass sie es beabsichtigt hatte, wanderten ihre Gedanken zu ihrer ersten ’geistigen’ Begegnung mit dem Unsterblichen zurück. Wie es wohl sein würde, ihm in Wirklichkeit zu begegnen?
 

AKT 2
 

Cleveland, College,

Vormittag

Willow versuchte immer noch zu verarbeiten, was gerade passiert war. Krampfhaft versuchte sie das Chaos in ihrem Kopf zu sortieren.
 

In Gedanken an ihren letzten Traum versunken, bemerkte die Hüterin ihren Professor erst gar nicht, der sie neben sie gestellt hatte und sie missmutig anfunkelte. Erst als er sie mit einem strengen „Miss Rosenberg?!“ aus ihren Gedanken riss, zuckte die Rothaarige zusammen.
 

„Was? Entschuldigen Sie, Professor. Ich war...“
 

„nicht ganz bei der Sache wie üblich!“ schnaubte der Professor entrüstet. „In etwas mehr als einer Woche findet die Abschlussfeier statt. Ein paar der freiwilligen Helfer sind ausgefallen. Ich habe deshalb vorgeschlagen die Studenten, die einige Male negativ aufgefallen sind, unfreiwillig mithelfen zu lassen. Unter anderem Sie, Miss Rosenberg!“ Der Dozent kramte in seiner braunen Ledertasche nach seinem Notizblock und notierte Willows Namen.
 

Die Hüterin klappte ihren Mund auf und zu. Noch nie war sie von einem Lehrer oder Dozenten für negatives Verhalten bestraft wurden. Schon zu High School Zeiten nicht. Die Lehrer waren mit Willow immer vollauf zufrieden gewesen, hatten sie sogar schon öfter gebeten, einzuspringen und die Klasse zu unterrichten.
 

Eine Strafe machte sich nicht gerade gut in ihrer blütenweißen Weste als Schülerin und Studentin. Abgesehen davon war sich Willow nicht bewusst etwas Unrechtes getan zu haben. „Negativ aufgefallen? Aber Professor, wann denn?“ entrüstete die Rothaarige sich und war aufgestanden. Gelbe Funken tanzten in ihren Augen während sie gespannt auf die Gegenargumentation ihres Dozenten wartete.
 

„Die letzte Vorlesung, erinnern Sie sich? Sie sind umgefallen und haben danach ohne ein Wort und unberechtigt die Vorlesung verlassen! Es tut mir leid, Miss Rosenberg, aber wenn alle Studenten so handeln würden, ginge es hier bald zu wie im Wirtshaus!“
 

Der Rothaarigen blieb nichts weiter übrig, als sich mürrisch in ihr Schicksal zu fügen obwohl sie keine Schuld an dem Vorfall trug. Schließlich stand es nicht in ihrer Macht, ihren Visionen zu befehlen bis nach der Vorlesung zu warten.
 

Aber andererseits, was konnte sie schon tun? Die Hüterin konnte ihrem Professor ja schlecht erklären, dass sie aufgelöst von einer Vision zuerst umgefallen und dann überstürzt die Vorlesung verlassen hatte. Mal ganz von der Tatsache abgesehen, dass er ihr sowieso nicht glauben oder sie für verrückt halten würde.
 

Willow seufzte, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und betrachtete das Thema als beendet. Genau wie der Professor, der sein Notizbuch zuklappte und mit dem Unterricht fortfuhr
 

++++
 

Ghana, Ophinso,

Wächterzentrale,

Gleiche Zeit

„Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon,“ flüsterte Dawn Ronah zu, während sie auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Die Holzbänke waren doch ziemlich glatt und unbequem. Sie saßen in einem Eingangsbereich der Wächterzentrale von Afrika. Sie hatten sich hier mit dem obersten der Wächter verabredet. Die beiden Jägerinnen befanden sich in Kapstadt. Von dieser Zentrale aus wurden die Aktivitäten in Afrika geleitet.
 

Dawn und Ronah hatten es nicht glauben können. Als sie hier ankamen, waren sie überrascht gewesen, wie heruntergekommen das Gebäude gewesen war. Der junge Schwarze, der sie vom Flughafen abgeholte hatte, war ständig damit beschäftigt gewesen das alte Auto auf der Straße zu halten. Noch nie hatten Dawn und Ronah solche Angst beim Autofahren gehabt. Der Verkehr in Kapstadt war mörderisch.
 

„Wieso denn?“ fragte Ronah, „Giles hat uns doch alles aufgeschrieben und ist mit uns den Gesprächsverlauf doppelt und dreifach durchgegangen.“ Während sie dies sagte, blätterte Ronah in den Notizen, die ihr Giles mitgegeben hatte. Allerdings fragte Sie sich, ob diese Informationen Ihnen etwas nutzen würden. Wenn sie Pech hatten, würde der Wächter sie sicherlich nicht einmal anhören. Wahrscheinlich hatte er sich eh schon ein eigenes Bild gemacht.
 

„Ich weiß einfach nicht. Für mich sieht das alles so sinnlos aus.“ Mokierte sich Dawn. „Lily hat sicherlich überall ihre Finger drin und es würde mich nicht wundern, wenn hier gleich die Wächterpolizei um die Ecke kommt. Mir ist einfach mulmig.“
 

„Ach komm, so schlimm ist es doch hier nicht.“ Ronah ließ ihren Blick über das schweifen, was sie bisher von der afrikanischen Wächterzentrale gesehen hatte. Sehr afrikanisch sah es hier nicht aus. Eher wie in einem Amtsgebäude. Auf dem Flur standen Holzbänke an der Wand, für die Wartenden. Die Farbe an den Wänden sah recht abgeblättert aus und die Türen hätten schon längst mal gestrichen werden müssen.

Auch mit Dekoration war es nicht weit her. Einige Kunstdrucke hingen an den Wänden.
 

„Schau mal.“ Ronah war aufgestanden und schaute sich die Bilder an. „Afrika ist so weit weg von England und wenn ich mich hier so umschaue, komme ich eher auf die Idee, dass die hier noch nicht mal was davon wissen. Wahrscheinlich kommen wir als Erste. Die Wächterzentrale hier hat sicherlich nicht viel Unterstützung, sonst sähe sie nicht so schäbig aus.“
 

„Hm“, grummelte Dawn „Ich bin mir nicht so sicher. Giles hat auf jeden Fall gesagt, dass wir vorsichtig sein sollen, mit dem was wir sagen und wie wir es sagen. Sollten die Wächter hier doch schon Bescheid wissen, dann kann alles, was wir sagen, die Sache noch schlimmer machen, wenn wir nicht aufpassen.“
 

„Ach Dawn, mach dir doch nicht so viele Gedanken. Aber er lässt echt lange auf sich warten.“

Als Zeitpunkt für das Treffen hatten die Jägerinnen 10 Uhr vorgeschlagen. James Mufume hatte nichts dagegen gehabt. Nun warteten die Beiden schon fast eine Stunde und es war weit und breit nichts von dem Wächter zu sehen.
 

„Ich finde, das ist kein gutes Zeichen, dass wir so lange warten müssen. Wer weiß, wer hier gleich ankommt.“ Dawn hatte ein schlechtes Gefühl und das wollte partout nicht weg gehen.

„Wer weiß, “ versuchte Ronah sie zu beruhigen, „Es ist ihm bestimmt was dazw...“ Die letzten Worte blieben Ronah im Hals stecken.
 

Es hatte einen lauten Knall gegeben, als die Tür aufflog und mit der stickigen Mittagshitze zwei völlig verdreckte und verschwitzte Gestalten hereintaumelten.

Es handelte sich um ein junges, schwarzes Mädchen, das sich auf ein sehr beeindruckendes Schwert stützte und einen jungen Mann hinter sich herzog. Er schien Anfang 20 zu sein und hatte eine eher hellbraune Hautfarbe. Das Mädchen ließ den jungen Mann los und fing an ihn zu beschimpfen. Dawn und Ronah konnten nicht verstehen was sie sagte, aber der Tonfall ihrer lauten Stimme war nicht misszuverstehen.
 

Plötzlich riss sich der Mann los und unterbrach sie mit einem Wort. Laut und autoritär gesprochen stoppte dies die Schimpftirade der Jägerin. Dass sie eine war, war ohne Zweifel. Wer lief sonst mit einem Schwert in der Hand herum. Der Mann sagte noch etwas in der fremden Sprache, deutete mit dem Finger in Richtung von Dawn und Ronah und die Jägerin machte sich mit finsterem Gesichtsausdruck in Richtung der beiden auf den Weg.
 

Als sie an Dawn und Ronah vorbeikam, murmelte sie: „Jaja, große Klappe und nichts dahinter.“ Zwinkerte den beiden zu, die sie verblüfft ansahen und verschwand hinter der nächsten Biegung.

„Das hab ich gehört!“ rief der Mann hinter hier her.
 

Er schüttelte sich den Staub aus den Haaren. Obwohl das ein unmögliches Unterfangen war. Der Staub klebte mit anderen ekligen Substanzen zusammen.
 

„Euren erschrockenen Gesichtern entnehmen ich, dass ihr so was nicht gewohnt seid und da ich eure Gesichter auch nicht kenne, vermute ich mal, ihr seid Dawn und Ronah. Herzlich willkommen in Afrika. Ich bin James Mufume.“
 

„Tja, dann Hallo.“ Stammelte Dawn vor sich hin, während sie noch überlegte ob sie ihm die Hand reichen wollte. Er sah wirklich reichlich dreckig aus. Ronah war nicht so zimperlich.

„Hi, ich bin Ronah. Das war ja ein starker Auftritt. Haben Sie grad den Weltuntergang verhindert oder waren Sie Schlammcatchen?“ James fing an zu lachen.
 

„Du bist ja nicht auf den Mund gefallen. Ich bin ja gespannt, was ihr beiden so dringendes mit mir besprechen wollt. Wenn ihr gestattet, würde ich mich gerne erst mal schnell duschen, damit ihr nicht unter meinem Aussehen leiden müsst.“ Sagte James mit einem Seitenblick auf Dawn. Sie wurde rot.

„Kommt erst mal in mein Büro, da könnt ihr was trinken und euch bequemer hinsetzen. Ich weiß, was für Folterinstrumente hier im Gang stehen.“
 

James Büro war ganz anders als das restliche Gebäude. Es strahlte ein gewisse Wärme aus. Die Wände waren mit einem dunklen Holz verkleidet und ein großer Schreibtisch nahm fast die Hälfte des ganzen Zimmers ein. In einer Ecke unter dem Fenster stand eine kleine Sitzgarnitur und auf dem Tischchen standen Getränke und Gläser.
 

Dawn und Ronah stürzten sich auf die Getränke, erst jetzt bemerkten Sie, wie durstig sie waren.
 

Als James wiederkam setzte er sich zu den beiden in die Sitzecke.

„So dann schießt mal los. Ihr habt meine ungeteilte Aufmerksamkeit.“

Unsicher sah Dawn zu Ronah. Die schwarze Jägerin holte tief Luft und fing an zu erzählen, wie sie es mehrfach mit Giles geübt hatte.
 

++++
 

Cleveland, College,

Mittag

Lustlos fuhr Willow mit dem Löffel durch ihren Joghurt, das restliche Essen hatte sie ganz stehen lassen, scheinbar wirkten sich die Visionen langsam auch auf ihren Hunger aus, oder es war eine Nachwirkung von der Substanz, die den Jägerinnen verabreicht worden war. Die Einstiche in ihrer Armbeuge juckten immer noch, wenn es wirklich das war, für das sie es hielt, müsste sie es Giles unbedingt berichten. Was immer Lily den Mädchen spritzen ließ, und Willow war davon überzeugt, dass es auf Lilys Konto ging, es war eindeutig äußerst gefährlich.
 

Hoffentlich würde Giles sie bald anrufen, denn sie wusste nicht, wie sie ihn erreichen könnte, und sie müsste wirklich mit ihm sprechen. Immer wieder musste sie an die Hüterinnen aus ihren Träumen denken, wann hatten sie gelebt? Wieso hatten sie sterben müssen? Für sie stand es außer Zweifel, dass all diese Träume wirklich so stattgefunden hatten. Vielleicht wäre es möglich etwas über sie herauszufinden?
 

„Entschuldige, darf ich mich setzen?“, die junge Kommilitonin lächelte Willow freundlich an.
 

„Oh ja, sicher, bitte setz dich! Ich kann mich nicht oft genug bedanken für deine Hilfe!“, Willow lächelte sie an, doch es wirkte eher lustlos, „Ohne dich hätte ich die Abschlussarbeit wohl nie hingekriegt!“
 

„Übertreib doch nicht, du weißt genau, dass du das alles auch von alleine gekonnt hättest! Du hast verdammt viel Potential, du müsstest dich nur ein bisschen mehr reinhängen!“, die junge Frau öffnete das Tablett und beäugte ihr Essen kurz misstrauisch, bevor sie sich eine Gabel nahm, „Wieso hast du nur einen Joghurt, ist irgendwas mit dem Essen nicht in Ordnung?“
 

„Ich bin überzeugt, es ist alles bestens, ich habe einfach nur keinen Hunger!“, Willow zwang sich einen Löffel mit Joghurt in ihren Mund zu führen.
 

„Na dann. Ich habe gehört, du bist an der Organisation des Abschlussballes beteiligt?“
 

„Ja, aber sicher nicht freiwillig. Professor Rickman hat mich wegen dem Vorfall vor einigen Wochen dafür eingeteilt.“, unmotiviert zog Willow den Löffel aus dem Joghurt und führte ihn in ihren Mund.
 

„Hat er?“, die Kommilitonin war sichtlich erschüttert, „Deswegen? Oh bitte, er hätte sehen müssen, dass es dir nicht gut geht! Hat er das bis heute nicht eingesehen?“
 

„Offensichtlich nicht.“, bemerkte Willow mit hochgezogener Augenbraue, „Und ich habe so schon genug zu tun!“
 

Für einen Moment starrte die junge Frau sie durchdringend an ohne eine Miene zu verziehen, dann lächelte sie: „Naja, du musst das Ganze einfach positiv sehen. Pass auf, was hältst du davon? Ich werde den Professor gleich fragen, ob du mir bei der Organisation des Buffets helfen kannst, das sind nur ein paar Anrufe, die noch erledigt werden müssen.“
 

Willow lächelte zaghaft: „Ja sicher, das wäre toll.“
 

„Gut, dann habe ich genug Zeit um einige Freiwillige zu finden, die die Tische aufstellen“, sie seufzte kurz, „und glaub mir, dein Teil der Aufgabe ist weitaus einfacher!“
 

Willow beschloss, dass es keinen Sinn hatte sich mit dem Joghurt herum zu quälen, sie hatte einfach keinen Hunger, also stellte sie ihn bei Seite und wandte sich der jungen Kommilitonin zu: „Danke! Ich weiß wirklich nicht, was ich hier ohne dich machen würde, Gretchen.“
 

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Italienische Ratszentrale,

Abends

“Das sind schwere Anschuldigungen, die Sie da anbringen, wirklich schwere Anschuldigungen.“ Das zerfurchte Gesicht der alten Wächterin Frapolli verzog sich in einer Mischung aus Sorge und Misstrauen. “Und wir haben nichts, außer Ihrem Wort.“
 

Zustimmendes Nicken in der Runde. Andrew blickte sich um, sah in die skeptischen Gesichter. Größtenteils waren sie ablehnend, aber es war nicht die Art von Ablehnung, die er befürchtet hatte. Diese Leute waren nicht unbedingt auf Lilys Seite, sie waren nervös und misstrauisch, weil sie spürten, dass etwas nicht in Ordnung war. Und sie wussten nicht, wem sie trauen konnten.
 

In diesem Moment bedauerte er es ganz besonders, dass Buffy nicht hier war. Sie konnte so überzeugende Reden halten...
 

“Auch Ms. Usher hat keine wirklichen Beweise für ihre Behauptungen, “ begann Andrew, und spürte, wie seine Handflächen schwitzten. “Sie hat den Rat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion übernommen.“
 

“Das ist richtig“, kam ihm Belussci zu Hilfe. “Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt, was diesen Machtwechsel angeht. Alles, was wir an Informationen erhalten haben, sind Bruchstücke, und ständig werden wir vertröstet und hingehalten. Für mich hört sich das nicht nach einem seriösen Vorgang an.“
 

“Darf ich sprechen, Signore Belussci?“ Die klare und entschlossene Stimme einer jungen Frau durchdrang das Gemurmel. Andrew konnte sich nicht mehr an ihren Namen erinnern, er wusste nur, dass sie eine Wächterin in Ausbildung war. Als Belussci nickte, fuhr sie sogleich fort: “Wir haben also weder für Ms. Usher’s, noch für Mr. Giles’ Sichtweise einen eindeutigen Beweis. Ich kann mich natürlich irren, aber für mich hört sich das alles sehr stark nach einem Machtkampf an. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch, einfach nur zwei Personen, die sich um die Vorherrschaft im Rat streiten. Und vermutlich sind beide bereit, bis zum Äußersten zu gehen, wenn es darum geht, ihre Stellung zu behaupten. Die Frage ist nur, sollen wir uns da mit hineinziehen lassen?“
 

“Es geht um viel mehr als das!“ Andrew war aufgestanden. “Ms. Usher hat uns durch ihr verantwortungsloses Handeln in äußerste Gefahr gebracht. “
 

“Falls Sie von der drohenden Apokalypse sprechen,“ begann Wächterin Biancavelli, eine attraktive Frau mittleren Alters, “so hat Ms. Usher bereits die notwenigen Gegenmaßnahmen eingeleitet. Hat Signore Belussci Sie nicht darüber informiert, dass bereits eine Armee von Jägerinnen aufgestellt wurde, um diese Apokalypse aufzuhalten? Dieses Mal sind wir sehr viel besser vorbereitet.“
 

“Wir müssten diese Apokalypse überhaupt nicht aufhalten, wenn Ms. Usher sie nicht verursacht hätte, “ protestierte Belussci. Andrew seufzte, sie drehten sich hier im Kreis. Dass Lily für die Befreiung der Reiter verantwortlich war, war ja genau das, was die Wächter nicht glauben wollten...
 

“Das ist ja absolut lächerlich...“
 

“Nein ist es nicht! Usher hat diesen Rat hinterrücks an sich gerissen...“
 

“Wenn wir jetzt gegen sie vorgehen, sabotieren wir damit ihren Kampf gegen die Apokalypse und bringen uns alle in Gefahr...“
 

Eine heftige Debatte war ausgebrochen, aber Belussci machte keinen Versuch, sie abzuwürgen. “Lass sie diskutieren, “ meinte er leise zu Andrew, der ihn fragend ansah. “Es ist ein bisschen viel gewesen, sie müssen das erstmal verdauen.“
 

“Ich finde das so lächerlich!“ Die blonde junge Frau war aufgestanden, und an Andrew herangetreten, damit sie sich Gehör verschaffen konnte. “Ms. Usher und Mr. Giles haben zwar verschiedene Methoden, aber doch beide dasselbe Ziel, die drohende Apokalypse aufzuhalten. Warum können sie ihre Differenzen nicht wenigstens so lange beiseite legen, bis wir außer Gefahr sind? Dann hätten sie immer noch genügend Zeit für Machtspielchen.“
 

“Nein, ich glaube nicht, dass Mr. Giles und Ms. Usher dieselben Ziele verfolgen.“ Andrew schüttelte den Kopf. “Es geht hier nicht um Macht, oder Methoden, schon längst nicht mehr. Es geht hier um unser aller Überleben.“
 

“Sie sind sich ihrer Sache sehr sicher, Mr. Wells.“ Ihre Stimme war eine seltsame Mischung aus Bewunderung und Skepsis.
 

Ein trauriges Lächeln huschte über Andrews Gesicht. “Leider ja, Signorina...“
 

“Biancavelli.“ Sie reichte ihm die Hand. “Caprice Biancavelli.“
 

++++
 

Wächterhaus, Cleveland

Nächster Morgen

„Ja sicher... nein ich verstehe schon, dass Sie nicht noch weiter mit dem Preis... natürlich. Personalkosten, Reinigungskosten, Anlieferung... Sicher, aber ich denke unter diesen Gegebenheiten muss ich leider weitersuchen. Bye.“ Frustriert knallte Willow den tragbaren Hörer auf den Tisch, wo er zwischen alten Handschriften, Büchern und Giles Notizen verschwand.
 

Das war jetzt ihr fünfter erfolgloser Anruf bei einem Partyservice gewesen und Willow blieb nur ein weiterer Name auf der Liste, den sie durchstreichen konnte. Die Liste war zwar lang, aber die Hoffnung auf den perfekten Lieferanten für ihr Festbuffet am College schwand dahin. Das College hatte einen recht großzügigen Betrag zur Verfügung gestellt, doch andere Teile für die Feier fraßen einen großen Teil des Geldes auf – Dekorationen, gedruckte Einladungen, Blumen, Geschenke für die Professoren, angemietete Stühle und Geschirr... eigentlich hatte Willow damit gerechnet, dass man mehr Wert auf das Buffet legen würde, aber im Grunde war ihr das eigentlich egal. Sie tat, was man ihr sagte und war froh nicht mehr tun zu müssen als einen Ersatz für den ausgefallenen Lieferanten zu suchen, auch wenn es sich schwierig zu gestalten schien.
 

Sie legte die Liste wieder zur Seite und rieb sich die Augen. Vor ihr lagen noch einige Stunden Arbeit, die Giles Notizen umfassten, mit denen sie nicht wirklich vorangekommen war. Irgendwie fühlte sich die Hexe abgelenkt ohne sagen zu können, ob das etwas mit ihrer Abschlussfeier zu tun hatte, oder mehr mit ihren Träumen, den Visionen oder der Tatsache, dass sie nicht wirklich vorankamen – weder in der Ratssache, noch die Reiter betreffend.
 

Willow starrte lustlos auf die ausgebreiteten Unterlagen vor sich. Die Buchstaben einer alten Schriftrolle verschwammen vor ihren Augen, während ihr bewusst wurde, dass sie im Moment Giles keine große Hilfe war.
 

Als das Telefon zwischen all den Schriften dumpf zu klingeln begann, zuckte Willow erschrocken zusammen, fast ein wenig ertappt, weil sie an alles mögliche dachte, nur nicht an das, was man ihr aufgetragen hatte. Sie kramte hastig nach dem Hörer, verfluchte sich selbst dafür, dass sie ihn so achtlos zur Seite geworfen hatte und fand ihn schließlich, während der geduldige Anrufer es bereits zum sechsten Mal läuten ließ.
 

„Ja? “ fragte die Hüterin unsicher.
 

„Hallo Willow. Ich bin es, Giles.“
 

„Oh, hi Giles. Gibt es etwas Wichtiges? Oder.. eh Neues?“ Willows schlechtes Gewissen wurde durch diesen Anruf natürlich nicht besser. Als Alibi zog sie sich einen Notizblock heran, auf dem Giles ein paar Namen gekritzelt hatte, die sie überprüfen sollte. Damit fühlte sie sich fast besser.
 

„Nicht wirklich. Ich habe hier bereits mit einigen Wächtern gesprochen, aber es ist so schwierig, wie ich befürchtet habe. Sie zeigen Verständnis und hören zu, aber es fehlt ihnen am Willen uns zu unterstützen. Lilys Einfluss scheint größer zu sein, als ich angenommen habe. Jedenfalls werden mir nicht gleich die Türen vor der Nase zugeschlagen, “ Giles lachte ein wenig nervös. „Aber ich werde auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Vielleicht steigen unsere Chancen in drei Tagen. Ich werde mich da mit einem nicht unbedeutenden Wächter treffen, der einigen Einfluss hat. Ich fahre dazu nach Wales. Falls mich jemand zu erreichen versucht.“
 

„Klingt doch gut“, meinte Willow etwas knapp, wenn auch erleichtert, dass er nur den Stand der Dinge durchgeben wollte und kein Interesse an ihrem Vorankommen zeigte. „Soll ich etwas für die anderen notieren?“
 

„Nicht nötig. Wie kommst du voran?“
 

Die befürchtete Frage, schoss es Willow durch den Kopf. „Nun ja, kommt darauf an, auf was sich Ihre Frage bezieht“, lächelte Willow schwach am Hörer und ihr Blick schweifte zwischen den Aufzeichnungen und der Partyservice-Liste hin und her. „Da gibt es ein paar Probleme in meinem Privatleben, am College...“
 

„Ich meine natürlich meine Aufzeichnungen, Willow. Uns läuft die Zeit davon und da ich hier nichts anderes tun kann, als in den nächsten drei Tagen das hässliche Wetter zu genießen, bis mich Mr. Fräser empfangen wird, wäre es hilfreich, wenn ich mit neuen Erkenntnissen ...“
 

„Ich komme überhaupt nicht weiter,“ unterbrach ihn Willow ein wenig gereizt. War ja natürlich nicht anders zu erwarten, dass Giles nichts weiteres interessierte als seine Recherche. Wie schon am Tag seiner Abreise, als sie versucht hatte mit ihm über ihre Träume zu reden. Meine Güte, es gab trotz Apokalypse und Machtspiele noch andere Dinge im Leben. Träume über Hexenverbrennungen zum Beispiel, Nadeleinstiche, die plötzlich auf ihrem Arm auftauchten, ein verrückter Dämonenkönig, der sie noch immer als Rachedämonin haben möchte... aber das war natürlich nicht so wichtig. Wenn er es nicht hören wollte... es war nicht ihr Problem, wenn sie dadurch vielleicht wichtige Informationen übersahen.
 

„Nun, dann musst du dich einfach uhm. ein wenig dahinter klemmen, Willow. Es ist wichtig“, betonte Giles und ignorierte großzügig den gereizten Tonfall der Hexe. “Versuche jede freie Minute dafür zu opfern.“
 

„Sicher,“ brummte Willow wenig überzeugt in den Hörer, fühlte sich missverstanden und unwichtig, als sie sich von Giles verabschiedete und auflegte. Als würde sie etwas anderes tun.
 

Ihr Blick ruhte auf den alten Schriften, während ihre Hand stattdessen nach der Liste mit den Telefonnummern der Partyservice griff. Sie musste anfangen Prioritäten zu setzten.
 

++++
 

Rom,

Villa des Unsterblichen

„Wow“, entfuhr es Buffy, als sie zum ersten Mal die Behausung des geheimnisvollen Unsterblichen sah.
 

Die Villa war beeindruckend. Ganz in weiß, vereinigte sie sowohl Elemente aus alten als auch neuen Baustilen miteinander, in einer Weise, die eine Wohltat für das Auge war.

Je länger sie auf das prachtvolle Gebäude starrte, desto mehr drängte sich ihr der Gedanke auf, dass dieser Mann – was immer er auch war – kein Vampir sein konnte.
 

Die Untoten waren Sklaven der Mode, die zu ihrer Zeit geherrscht hatte. Kein Vampir wäre darauf gekommen, so etwas zu bauen. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Villa ziemlich offen angelegt war und viele Glasflächen zeigte, die sich jedoch durch irgendeinen Trick perfekt in die verzierte Fassade einfügten, ohne zu stören.
 

Sie schrak zusammen, als sich plötzlich die Tür der Limousine öffnete, in der sie abgeholt worden war. Eine Hand streckte sich ihr entgegen und Buffy ließ sich aus dem Wagen helfen...und starrte direkt in das Gesicht ihres Gastgebers.
 

Der Unsterbliche lächelte erneut auf jene wild-sanfte Art und seine Augen nahmen ihre sofort gefangen: „Seid gegrüßt, Mylady“, sagte der Mann und nahm ihre Hand, beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken – jedoch, ohne die Haut zu berühren.
 

Er hatte Recht gehabt – er sah wirklich so aus wie bei ihrer ersten Begegnung. Während er allerdings beim ersten Mal sein schulterlanges Haar offen getragen hatte, war es nun zu einem Zopf gebunden. Ebenso war der etwas altmodische Anzug einer einfachen Kombination aus Hose und Hemd gewichen... die ihm dennoch verdammt gut stand.
 

„Ja... gleichfalls“, flüsterte Buffy, sein sanftes Lachen riss sie endlich aus dem selbstgeschaffenen Bann und sie runzelte die Stirn...lachte er sie aus? Nein...es gab keine Häme in seinem Gesicht. Er war lediglich amüsiert... wenn auch auf eine etwas dreiste Art, die jedoch nicht ohne Reiz war.
 

„Wir sollten hineingehen. Ich habe bereits einiges an Informationen zusammengetragen. Und natürlich ein Essen vorbereitet.“, er bedeutete ihr, voranzugehen und Buffy tat dies auch. Langsam fing sie sich wieder. Warum musste sie sich plötzlich wie ein Teenager benehmen?
 

Gut, die Antwort wollte sie eigentlich gar nicht hören...und schon gar nicht akzeptieren.

Die Tür stand noch offen und Buffy trat hindurch. Auch das Innere war atemberaubend und ähnelte sehr dem äußeren Eindruck.
 

Vor allem herrschte auch hier weiß vor. Allerdings waren sämtliche Möbelstücke so ausgewählt, dass man nicht den Eindruck steriler Räume hatte. Sie blickte kurz zurück. Der Unsterbliche schloss gerade die Tür hinter sich und erwiderte ihren Blick.
 

„Nette Einrichtung“, sagte sie nach einem letzten schweifenden Blick.
 

„Es freut mich, dass es Euch gefällt, Mylady. Ich umgebe mich gern mit hellen Farben. Das erinnert mich daran, dass das Leben keine so düstere Angelegenheit ist, wie manche glauben.“, er lächelte wieder und Buffy fühlte sich gezwungen, das Lächeln zu erwidern. Irgendwie wirkte es ansteckend. Vielleicht, weil es einfach ehrlich war.
 

„Aber Sie tragen dunkle Anzüge...“ gab sie dann zurück. Er zuckte mit den Schultern.

„Das liegt vielleicht daran, dass ich in weiß einfach... albern aussehe“, gab er zu, bevor er dann wieder eine ausladende Bewegung in Richtung eines breiten Durchgangs machte.
 

„ Wir sollten zuerst essen. Ich diskutiere das Übernatürliche nicht gern vorher. Meist fällt dabei der Appetit den Details schneller zum Opfer, als einem lieb sein kann.“
 

Buffy nickte und ließ sich von ihm in den Speiseraum leiten. Der Raum war mit einer breiten Fensterfront ausgestattet, die ihn größer wirken ließ, als er eigentlich war. Ein großer, jedoch nicht zu wuchtiger runder Tisch dominierte die Mitte des Raumes. Zwei Stühle standen am Tisch und selbiger war reich gedeckt. Es roch phantastisch.
 

Mit einer fließenden Bewegung geleitete er sie zu ihrem Platz und zog den Stuhl zurück, damit sie sich setzen konnte. Er selbst nahm ebenfalls Platz: „Probiert, was Euch gefällt und esst, soviel Ihr wollt, es ist genug da.“
 

Buffy zögerte kurz, als ihr natürliches Misstrauen die Oberhand gewann, doch dann schalt sie sich selbst. Wenn er ihr schaden wollte, hätte er es längst tun können. Schließlich folgte sie seinem Angebot. Er wartete, bis sie sich bedient hatte, bevor er selbst seinen Teller belud. Es schmeckte hervorragend. Buffy hatte lange nichts so Gutes gegessen.
 

„Kompliment an den Koch“, sagte sie anerkennend zwischen zwei Bissen, zu ihrer Überraschung deutete er eine Verbeugung an und sagte, „Danke. Ich fühle mich geehrt.“
 

Buffy sah ihn fragend an: „Sie haben das selbst gekocht? So ein großes Haus...und Sie haben keine Dienstboten?“
 

Er lächelte wieder und schüttelte dann den Kopf: „Nein, wozu? Ich habe doch genug Zeit. Wenn man sich, wie ich, nicht um den Tod Sorgen machen muss, dann sollte man sich lieber eine Beschäftigung suchen, ansonsten geht man vor Langeweile ein. Nur einen Chauffeur habe ich und der ist auch gleichzeitig dafür da, alles zu erledigen, wofür ich gerade keine Zeit habe. Schließlich kann ich ja auch nicht überall sein, oder?“
 

Buffy seufzte. Im Grunde gab ihr dies das Stichwort für eine Frage, um die sie sich lieber herumgedrückt hätte, die sie aber stellen musste, um die Jägerin in sich zu beruhigen.
 

„Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie sind? Kein Mensch lebt ewig... es sei denn, es hat was mit Magie zu tun.“
 

„Ist das wirklich so wichtig? Ich habe Euch doch keinen Grund gegeben, mir zu misstrauen, oder? Wenn doch, tut es mir leid. Aber schließlich seid Ihr auch keine normale Frau und damit meine ich nicht Eure außergewöhnliche Schönheit. Ich frage auch nicht nach. Es hat auch keine Bedeutung. Wichtig ist, dass Ihr heute hier seid. Das allein zählt. Wollen wir es nicht dabei belassen?“
 

Bei dem Kompliment spürte sie, wie sie kurz rot wurde, doch es fiel trotzdem auf, dass der Unsterbliche zwar weiterhin um eine Antwort herumredete, aber ohne böse Absicht. Sollte er wirklich nichts zu verbergen haben? Oder schämte er sich einfach für nichts? Aber warum verweigerte er die Antwort? Oder war es wirklich ohne Bedeutung?
 

Gegen ihren Instinkt musste Buffy sich eingestehen, dass es im Grunde keinen Unterschied machte. Sie waren hier und genossen die Gegenwart des jeweils anderen. Sie entschloss sich, nachdem sie eine Weile schweigend weitergegessen hatten, auf etwas anderes zu sprechen zu kommen.
 

„Also haben Sie...viel zu tun? Viele Beschäftigungen?“
 

Er sah sie kurz an und sie sah es in seinen Augen amüsiert aufblitzen. Es verwirrte sie...wann immer er sie auf diese Weise ansah, hatte sie zwar einerseits das Gefühl, er mache sich über sie lustig, aber nicht in einer herablassenden Art, eher so, wie man die Fehler eines alten Bekannten belächelt. Dabei kannten sie sich erst seit kurzem.
 

„Ich vertreibe mir mit vielen Dingen die Zeit. Zum Beispiel koche ich gern. Ich lese viel und treibe auch gern Sport. Ansonsten unterhalte ich mich zurzeit gern mit den Mitteln moderner Kommunikation...Internet, Fernsehen...Aber nichts von alldem ist unterhaltsamer als die Gesellschaft einer so faszinierenden Frau wie Euch. Für Euch mag das vielleicht wie leere Phrasen klingen, aber ich spreche nur aus, was mich bewegt. Unsterblichkeit wird von manchen, die sie erreicht haben, als Last gesehen. Das ist Unsinn. Ich genieße die Unsterblichkeit. Man muss einfach nur mit der Zeit gehen...und so interessante Personen wie Euch kennen lernen. Dann kann Unsterblichkeit ein Segen sein.“
 

Buffy errötete erneut und entschloss sich, bevor das noch peinlich wurde, schweigend weiterzuessen. Er nahm das lächelnd zur Kenntnis und schließlich stand er auf, als beide fertig waren.
 

„ Nun kommen wir zum ernsteren Teil.“, er bedeutete ihr, ihm zu folgen und zusammen betraten sie die Bibliothek, einen großen Raum, der voll mit Bücherregalen stand.
 

Vom Alter der Bücher erinnerte es sie ein bisschen an die Büchersammlung von Giles...aber diese Bücher waren hauptsächlich – sofern sie die Schrift auf den Einbänden lesen konnte – Literaturklassiker und hatten wenig mit dem Okkulten zu tun.
 

Der kleine Stapel Bücher auf dem fast schwarzen Tisch in der Mitte des Raumes entsprach dem allerdings nicht. Er geleitete Buffy zum großen Sofa und setzte sich dann ihr gegenüber in einen großen Ohrensessel.
 

„Also, Mylady, ich habe mich ein wenig umgehört und einiges über diese Reiter herausgefunden.“, er seufzte schwer.
 

„Nichts Gutes?“ fragte sie vorsichtig.
 

„Tut mir leid, Euch enttäuschen zu müssen. Das, was ich in Erfahrung gebracht habe, klingt gefährlich. Erstmal sind diese Reiter keine normalen Dämonen. Sie zählen zu den Alten, die einst diese Welt beherrschten.“
 

„Das hab ich befürchtet...und weiter?“ fragte Buffy resignierend...mit jedem Fetzen Information gestaltete sich die Sache schwieriger.
 

Er hub an und begann, die restlichen Informationen darzulegen und Buffy fühlte sich bestätigt: „Ich bin betrübt, Euch so zu beunruhigen. Aber es gibt noch weitere Quellen, doch hatte ich bisher nicht die Zeit, sie alle aufzutun. Wenn Ihr also noch eine Weile warten wollt...“
 

„Ich könnte ja vielleicht helfen...“ bot sich Buffy an, „ Allerdings muss ich sagen, dass Recherche nicht zu meinen Spezialgebieten gehört.“, sie lächelte verlegen.
 

„Und dennoch wäre es mir eine Ehre, mit Euch zusammenzuarbeiten. Es gibt vieles, was wir dabei lernen könnten...nicht nur über Eure Gegner, sondern auch von- und übereinander. Die Zeit, die ich mit Euch verbringe, ist kostbar. Lange habe ich nicht mehr ein Herz so sehr gewinnen wollen wie Eures. “
 

Buffy hob die Brauen. Was sah sie dort...die Wangen des Mannes hatten sich leicht gerötet...doch sie sah in seinem Blick keine Scham oder Hintergedanken. Er sprach aus, was er dachte und wollte. Und irgendwie wusste sie, dass er fast alles bekam, was er wollte. Ohne schmutzige Tricks.
 

Vorsichtig lehnte er sich nach vorn und ergriff mit seiner Hand die ihre, die die ganze Zeit auf den Büchern geruht hatte. Ihre Blicke trafen sich erneut und irgendwo hinter den Kulissen fand ein stummes Einverständnis statt.
 

Buffy stand nun auch halb auf und ihre Gesichter näherten sich einander. Doch plötzlich zögerte Buffy. Vor ihrem inneren Auge stiegen die Bilder vorheriger Beziehungen auf, die nicht gerade so glücklich verlaufen waren.
 

Eine maßlose Untertreibung. Was bewahrte sie davor, erneut so zu enden? Vielleicht spielte er ihr nur etwas vor? Oder hatte er noch düstere Gedanken?
 

„Das...ist zu schnell...ich weiß nicht, ob ich...“
 

„Mir vertrauen kann? Entscheidet selbst. Auch wenn wir jetzt auseinander gehen, wird dieser Augenblick auf ewig in meinem Herzen eingebrannt sein. Eure Nähe ist zu kostbar, um sie je zu vergessen. Welche Mächte auch immer uns lenken mögen, Eure Nähe ist ein Geschenk an mich. Selbst wenn Ihr jetzt geht, bleibt in mir nur Dankbarkeit.“
 

Er lächelte erneut auf jene hintergründige Art, die Buffy so sehr zu faszinieren vermochte.

In einem Sekundenbruchteil traf sie ihre Entscheidung.
 

Ihre Lippen berührten sich und es war sie, welche den Kontakt verstärkte. Er gab nach, ließ sie gewähren, zeigte ihr, dass sie alles unter Kontrolle hatte. Erst als beide keine Luft mehr hatten, brachen sie den Kuss.
 

Buffy atmete tief durch. Das war in mehr als einer Hinsicht atemberaubend gewesen.

Insbesondere, da er ihr das Gefühl gegeben hatte, sie sei die bestimmende Kraft gewesen, doch ohne seine eigene Stäke aufzugeben. Alle anderen vor ihm hatten entweder das eine oder das andere gekonnt, doch dies war anders. Erfrischend. Neu.
 

Und auch mysteriös, wenn dem Unsterblichen auch das Düstere fehlte, was man normalerweise mit dem Wort in Verbindung brachte: „Ich...wir...Sie...“ brachte sie hervor.
 

„Wir sollten uns duzen, meinst du nicht auch?“, fragte er lächelnd, doch ebenso atemlos wie sie.
 

„Ja...sicher. Ich wusste nur nicht ganz,...“ er schmunzelte, „Es lag an meiner Ausdrucksweise, nicht wahr? Ich kann reden wie jeder normale Mensch. Wie gesagt, ich gehe mit der Zeit. Aber es gefiel dir. Und an deinem Herzen liegt mir viel, also hab ich ein paar Jahrhunderte zurückgeschaltet.“
 

Er streichelte sanft ihre Wange.
 

„Ich muss erstmal...überlegen, wie das gehen soll. Du bist kein...und ich...“
 

„Natürlich. Ich rufe gleich den Wagen. Fahr nach Hause und denke nach, soviel du magst. Ich werde mich morgen melden. Immerhin haben wir noch was über ein paar alte Dämonen herauszufinden.“
 

„Und über uns...“ flüsterte Buffy und lächelte.
 

„Ja...es wird eine aufregende Zeit“, gab er zurück.
 

++++
 

Cleveland, angemietetes Büro,

Nächster Tag

“Ich wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten.“ Gretchen zog schmollend die Oberlippe vor, und betrachtete ihre Fingernägel. Eigentlich war dies nur ein Vorwand, um ihrem Boss nicht in die Augen sehen zu müssen.
 

D’Hoffryn hatte während des Gesprächs keine Miene verzogen. Er saß immer noch in seinem Bürosessel, eine Hand auf dem Konferenztisch, die andere in einer seltsamen metallenen Apparatur eingespannt. Ein schwaches Licht schimmerte um seine Fingerspitzen, und ging langsam auf eine gläserne Phiole über, die sich am Ende der Apparatur befand.
 

“Tut das nicht weh?“ fragte das Mädchen unvermittelt
 

“Nicht so sehr, wie die Enttäuschung über deine Misserfolge!“ entgegnete der Dämon spitz, und Gretchen öffnete sofort den Mund, um zu protestieren. Wieso war das schon wieder ihre Schuld? Sie konnte doch in Sachen Willow überhaupt nichts unternehmen, ohne ihre Tarnung zu gefährden.
 

Aber D’Hoffryn interessierte sich nicht im Geringsten für ihre Rechtfertigungen, er starrte nur düster und gedankenverloren vor sich hin. Was, wenn es alles schief laufen würde? Was, wenn es wirklich keine Möglichkeit gab, Willow davon zu überzeugen, den richtigen Weg zu beschreiten? Die große Schlacht stand unmittelbar bevor, jetzt gab es kein Zurück mehr. War es vielleicht die falsche Entscheidung gewesen, an diesem Kriegsrat teilzunehmen? Sein Plan, der ihm anfangs so hieb- und stichfest erschienen war, begann langsam, aber sicher zu bröckeln.
 

Nein. Er würde nicht zulassen, dass es soweit kam. Er würde eine Möglichkeit finden, Willow zur Vernunft zu bringen, und zwar jetzt gleich. Sie würde einsehen müssen, dass sie keine andere Wahl hatte.
 

“Gretchen.“ Mit dem Umlegen eines kleinen Hebels schaltete er die Maschine ab, und begann seinen Arm loszuschnallen. “Es gibt eine kleine Planänderung. Wir werden...nein, das erkläre ich dir, wenn du zurück bist.“
 

Behutsam nahm er die schimmernde Phiole aus ihrer Fassung und reichte sie seiner Untergebenen. “Sei bloß vorsichtig damit! Falls das Ding zerbricht...“
 

“Ich pass schon auf, “ versicherte das schwarzhaarige Mädchen. “Wie lange wird die Energie reichen?“ erkundigte sie sich.
 

“Ein paar Tage, vielleicht eine Woche...“ Er zuckte mit den Schultern, in Gedanken immer noch ganz woanders.
 

Doch, sie hatte eine andere Wahl. Und er wusste verdammt noch mal, was mit ihr geschehen würde, falls sie sie traf.
 

Und er würde es um jeden Preis verhindern.
 

++++
 

Motel,

früher Abend

Der Chrysler fuhr langsam auf den Parkplatz des „Cowner Inn“, dessen enormes Leuchtschild den Parkplatz mit rotem Licht erhellte. Hinter den meisten Fenstern des Gebäudes brannte kein Licht, und der Parkplatz war nur spärlich mit anderen Fahrzeugen bestellt.
 

„Du willst wirklich hier übernachten?“ fragte Robin und sah Faith schief an. Das Motel war heruntergekommen, und während das große N bei der Leuchtschrift wenigstens noch leicht flackerte, hatte das W schon den Dienst versagt.
 

„Wieso nicht? Wir sind beide todmüde. also was soll´s. Ich besorg uns ein Zimmer!“ Faith beugte sich noch schnell zu Robin, küsste ihn, und warf dann die Tür auf. Sie sprintete auf eine große, dunkelrote Tür zu, über der „Rezeption“ stand, und öffnete die Tür.
 

“Guten Abend! Wie kann ich Ihnen helfen?“ begrüßte sie die mürrische Stimme eines alten Mannes, der hinter dem Tresen stand, und in der rechten Hand eine Schrotflinte hielt.
 

“Wow, wenn sie ihre Gäste immer mit diesem Ding begrüßen, ist es logisch, warum so wenige Leute hier sind. Stecken sie das Ding weg, Alter. Wir brauchen nur ein Zimmer...“ Faith lächelte ihn gekünstelt an und trat auf den Tresen zu.
 

„Ha. Als hätte so ein hübsches Ding wie du eine Ahnung von der richtigen Welt. Es ist gefährlich da draußen.“ Antwortete der Alte, und legte dabei seine Waffe auf einen kleinen Beistelltisch, der neben der Tür stand, die ins Hinterzimmer führte.
 

„Oh, danke für den Tipp. Ich werde auf mich achten...“ antwortete Faith, und musste dabei innerlich loslachen. Wie verrückt war diese Situation eigentlich? Dieser Motelbesitzer wollte sie vor dem Bösen in der Welt warnen, und hatte nicht mal den Hauch einer Ahnung, was da draußen wirklich vor sich ging.
 

„Wie auch immer. Ich bräuchte für heute Nacht ein Zimmer für zwei Personen. Wenn es geht, bitte nicht gleich neben der Straße, wir würden gerne auch etwas schlafen...“
 

Der Alte musterte sie von oben bis unten, griff nach einem kleinen Block, und suchte dann noch nach einem Stift.
 

“Die Namen, bitte…“ murmelte er, während er in einer der Schubladen kramte.
 

Sie wartete, bis er den Kugelschreiber endlich gefunden hatte, und sagte dann „Robin Wood und Milli Rogers“
 

„Okay. Hier ist der Schlüssel für Zimmer Nr. 12. Es ist das ruhigste Zimmer, das wir haben. Gute Nacht, Mädchen!“ Er nickte ihr noch einmal freundlich zu, schob ihr den Schlüssel über die Theke und verdrückte sich dann mit seiner Waffe wieder in das Hinterzimmer.
 

„Nicht gerade das Plaza, aber immerhin besser, als im Auto zu schlafen...“ merkte Robin an, nachdem er die Tür hinter sich schloss. Er warf seine Jacke über einen Stuhl, suchte nach der Fernbedienung und machte es sich am Bett bequem, während sich Faith im Bad duschte.
 

Nach fünfzehn Minuten betrat sie nur mit einem Handtuch bekleidet wieder den Raum und sah ihn verträumt an.
 

„Was?“ Robin sah sie verwirrt an. So sah er sie selten. In letzter Zeit war so viel passiert, dass sie sich überhaupt weniger hatten. Klar sahen sie sich oft am Tag, aber alleine waren sie so gut wie nie.
 

“Schalt aus...“ flüsterte sie, und ging langsam auf ihn zu.
 

„Warum?“ antwortete er lächelnd, und beobachtete sie genau.
 

„Darum...“ antwortete sie, stellte sich vor ihn, und nahm ihm die Fernbedienung aus der Hand. Sie schaltete aus, warf sie in eine Ecke, und küsste ihn daraufhin sinnlich. Faith erhob sich wieder und löste das Handtuch, woraufhin dieses an ihrem trainierten Körper zu Boden fiel.
 

„Okay, das Programm scheint doch besser zu sein...“ sagte Robin lächelnd und zog sie an sich heran. Sie küssten sich, er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und sah ihr tief in die Augen. Er sah ihre Kraft wie Flammen darin aufblitzen, und in diesem Moment drehte sie ihn auf den Rücken, und setzte sich auf ihn.
 

„Darauf kannst du wohl wetten…“ flüsterte sie, und riss sein Hemd auf. Sie strich über seinen durchtrainierten Körper, und küsste ihn dann ein weiteres Mal.
 

Während sich die Zeit weiter bewegte, konnten Robin und Faith nach langer Zeit endlich wieder die Probleme des Alltages hinter sich lassen, sich einfach ihren Gefühlen, ihren Sehnsüchten und ihrer Leidenschaft hingeben. nicht nur einmal.
 

++++
 

Wächterhaus,

Spät Abends
 

Willows Kopf ruhte auf Giles Schreibtisch, der mit Bergen von Notizen überfüllt war. Sie hatte, da es heute keine wichtigen Vorlesungen mehr gegeben hatte, den ganzen Tag dazu genutzt um Giles Aufstellungen zu überarbeiten, außerdem war es ihr endlich gelungen einen Party Service zu finden, der so kurzfristig hatte einspringen können.
 

Ihr leises Atmen durchzog den Raum, während vor ihrem inneren Auge fetzenhafte Bilder vorbeihuschten. Sie war auf dem Abschlussball ihrer Highschool in Sunnydale, überall um sie herum die Menschen, die sie seit ihrer Kindheit kannte.
 

Auf der Bühne spielte eine Band eine traurige Melodie und auf der Tanzfläche tummelten sich die Paare, die sich im langsamen Rhythmus der Musik bewegten, sie sah auch Buffy und Angel. Neben ihr stand Gretchen, sie lächelte sie an: „Ich bin froh, dass alles so gut geklappt hat mit dem Essen.“
 

„Oh, das war doch kein Problem, habe ich gerne gemacht.“, Willow lächelte zurück. Wo zur Hölle war Kennedy? Sie wollte auch tanzen!
 

„Gut, ich hoffe du hast auch die Leute besorgt, die nachher alles abbauen!“, Gretchen wiegte sich im Klang der Musik von einer Seite zur anderen, „Sonst musst du das nachher alles alleine machen!“
 

„Was? Davon hast du mir nichts gesagt, ich sollte nur das Essen besorgen!“, Verzweiflung stieg in Willow auf, sie konnte es doch nicht vergessen haben.
 

„Nun ja, Pech, aber vielleicht helfen dir deine Freunde ja dabei, wenn du sie danach fragst!“, Gretchen zuckte gleichgültig mit den Schultern, „Du entschuldigst mich jetzt bitte, mein Tanzpartner wartet.“
 

Verwirrt drehte Willow sich um, Buffy und Angel waren von der Tanzfläche verschwunden und auch keinen der anderen konnte sie erblicken. Plötzlich spürte sie einen Finger auf der Schulter und fuhr herum.
 

Eine Gruppe von Hüterinnen hatte sich um sie herum versammelt: „Schwester, wir haben dich überall gesucht, sie sind hinter uns her. Sie werden kommen.“
 

„Tut mir Leid.“, das ganze war Willow sehr unangenehm, „Ich befürchte ich kann euch nicht helfen, ich muss erst meine Freunde finden, sie sollen mir beim Abbauen helfen!“
 

„Bitte!“, eine der weißhaarigen, mageren Frauen ergriff ihren Arm, „Wir brauchen dich, du musst uns retten!“
 

„Tut mir wirklich leid!“, Willow riss sich los, Tränen stiegen in ihren Augen auf, während sie schnellen Schrittes in Richtung Tanzfläche floh.
 

Sie sah Gretchen, die mit D´Hoffryn tanzte, doch sie erblickte keinen ihrer Freunde. Was sollte sie bloß tun? Sie konnte das alles unmöglich alleine aufräumen. Warum war keiner für sie da, wenn sie unbedingt jemanden gebraucht hätte?
 

Jemand stieß sie an, es war Xander, der gerade mit Eve, seiner neuen Freundin, tanzte. Er entschuldigte sich augenblicklich: „Tut mir Leid, ich habe dich nicht gesehen!“
 

„Macht doch nichts, Xander. Bin ich froh dich zu sehen, Xander!“, Willow fiel ihrem alten Freund um den Hals, „Ich dachte schon, ich müsste alles alleine aufräumen!“
 

Freundlich aber bestimmt stieß er sie von sich weg: „Verzeihung, sollte ich dich kennen?“
 

„Aber, aber Xander…?“, sie wollte ihn zurückhalten, doch er wandte sich schon wieder Eve zu: „Entschuldige Schatz, ich weiß wirklich nicht, wer das war!“
 

Wie konnte selbst Xander sie vergessen haben nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten? Wieso wollte niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben? Für einen Moment dachte sie darüber nach zu den Hüterinnen zurück zu gehen, doch die Wächter hatten sie inzwischen wohl schon verbrannt.
 

„Wollen wir tanzen?“, sie drehte sich um und sah Andrew vor sich stehen, er sah komisch aus in seinem Anzug und dennoch passte er zu ihm, „Es würde mich wirklich freuen.“
 

„Wenn du willst.“, Willow war überrascht, dass er sie überhaupt gefragt hatte.
 

Mit einem Mal gab es einen lauten Knall, der sie aus dem Traum heraus riss, der Wind hatte das offene Fenster gegen die Wand geschlagen und es regnete von draußen auf sie und ihre Notizen. Obwohl sie noch halb im Traum war sprang sie auf und verschloss das Fenster.
 

Hätte es noch länger herein geregnet, wären die meisten Aufzeichnungen wohl nicht mehr brauchbar gewesen, jetzt war schon einiges kaum noch entzifferbar. Verdammt.
 

Die Müdigkeit hatte sich seit dem Vorfall in der Badwanne stetig gehalten und musste sie wohl übermannt haben. Schlaff ließ sie sich zurück in den Schreibtischstuhl sinken. Wenigstens konnte sie von diesem Traum sagen, dass er wohl niemals so stattgefunden hatte, dennoch war er reichlich merkwürdig gewesen.
 

Sie beschloss für diesen Tag Schluss zu machen und begann die Notizen zusammen zu räumen, als plötzlich ein Lachen in ihrem Kopf ertönte. Es war zu erst ganz leise, kaum mehr als ein Echo und dennoch ließ es sie aufschrecken.
 

An ihren Handgelenken bildeten sich Druckstellen, irgendetwas stimmte nicht.
 

„Hallo Willow!“, klar und deutlich klang D´Hoffryns Stimme in ihrem Kopf wieder, „Ich dachte mir, ich sollte mal wieder von mir hören lassen!“
 

Etwas bohrte sich in ihre Magengrube, sie sank auf ihre Knie herab, etwas knallte gegen ihre Schläfe und ließ sie endgültig zu Boden sinken.
 

Von einem auf den anderen Moment befand sie sich an einem anderen Ort. Die Schreie des Mädchens verhallten in der unendlichen Finsternis, die sie umgab, ihre Hände und Füße waren an einem steinernen Altar befestigt. D´Hoffryn kniete neben ihr: „Ich hoffe, du empfängst diese kleine Botschaft, denn ich dachte, das wäre ein netter Weg sie dir zukommen zu lassen!“
 

Ganz langsam zog er das Messer wieder aus ihrem Bauch heraus, ein leises Wimmern löste sich aus ihrer Kehle und tiefrotes Blut quoll aus der Wunde hervor und verteilte sich über ihre zarte, weiße Haut.
 

„Die Schreie dieser Mädchen werden das letzte sein, was du hörst. Du hast keine Chance ihnen zu entkommen, egal wohin du gehst, sie werden dich verfolgen, bis sie dich eines Tages zerstören!“
 

Die Atmung des Mädchens wurde schneller, als er das Messer in die Nähe ihrer Augen führte, seine grauen Finger umschlossen die Klinge sicher.
 

„Denk darüber nach. Du musst nur „Ja!“ sagen und ich werde dich von all diesen Qualen befreien!“
 

Langsam führte er den Dolch hinab zu ihrer Kehle, ganz sanft drückte er zu, die Haut spannte sich. Pure Furcht war in die Augen des Mädchens geschrieben und D´Hoffryn genoss das Gefühl alle Zügel in der Hand zu halten.
 

„Es ist ein ganz einfaches Wort. Sag es und es wird dir wieder gut gehen, sogar besser, als jemals zuvor!“
 

Die Haut riss unter dem Druck des Messers und der erste Tropfen Blut trat hervor. Langsam bohrte er die Klinge immer tiefer in ihre Kehle hinein. Nun schrie sie nicht mehr, Blut sammelte sich in ihrer Mundhöhle.
 

„Doch es ist wohl leider deine eigene Entscheidung. Ich kann nicht mehr tun, als dir zu zeigen, was passieren wird.“, er seufzte bedeutungsschwanger.
 

Willow wurde schwarz vor Augen, mit einem Schlag hörten die Schmerzen auf, das Mädchen war tot. Sie lag auf dem Boden von Giles Arbeitszimmer, ihren Kopf umgab eine Blutlache. Sie weinte leise, denn zu mehr war sie nicht in der Lage. Er hatte die Jägerin nur ihretwegen getötet, nur um ihr zu zeigen, wie verletzlich sie war.
 

AKT 3
 

Rom, Belusscis Wohnung,

Abends

“Bella fantastica!“ Andrew ging um Buffy herum, um ihr Abendkleid von allen Seiten bewundern zu können. “Dreh dich mal,“ forderte er sie auf.
 

“Lass doch den Quatsch!“ Geschmeichelt und ein wenig verlegen kam die blonde Jägerin schließlich seinem Wunsch nach. “Zufrieden?“
 

Kritisch besah sie sich im Badezimmerspiegel. “Hm...vielleicht sollt’ ich doch lieber das Blaue...“
 

“Zu brav, “ protestierte Andrew. “Ein Date ist schließlich kein Pfadfinderinnen – Kuchenverkauf!“
 

“Hey, wer hat hier was von einem Date gesagt!“ Spielerisch schubste Buffy Andrew den Ellbogen in die Seite. “Erstens werden wir wieder recherchieren, und zweitens...“
 

“...entführt er dich danach ins Nachtleben Roms, “ ergänzte Andrew. “In den protzigsten – ich meine natürlich exklusivsten Club, den man sich vorstellen kann.“
 

“Okay, okay, es ist ein Date.“ Buffy griff nach ihrem Lippenstift. “Blablabla...geheimnisvoller Typ, dunkle Vergangenheit...nette Jungs sind langweilig, das Thema hatten wir schon...“
 

Urplötzlich stieß sie einen Seufzer aus, ließ den Lippenstift fallen, und stützte den Kopf in die Hände. “Warum muss das immer nur mir passieren?“
 

“Weil du einen schlechten Geschmack hast, schönste Jägerin?“ Andrew hob den Lippenstift auf, und überreichte ihn ihr mit einer Verbeugung und einem Handkuss. “Irgss, küss mich nicht mit diesem Mund, “ protestierte Buffy.
 

“Es ist ein braver Mund.“ Unschuldig hob Andrew die Wimpern. “Seit wir hier in Italien sind, hat er sich nur ein einziges Mal daneben benommen...“
 

“Sei still, und zerstör nicht mein Weltbild.“ Buffy warf noch einen letzten Blick auf ihr Make-up, und lief dann ins Wohnzimmer, um nach Schuhen zu suchen. Einen Augenblick später steckte sie wieder den Kopf zur Tür herein. “Caprice? Ihre Freundin, von der ich den Namen nicht mehr weiß? Oder etwa der Kerl aus dem Eiscafé?“
 

“Zieh die hellen Schuhe an, “ sagte Andrew anstatt einer Antwort. “Die machen dir schlankere Fesseln.“
 

Draußen hupte es und als Andrew einen Blick durchs Fenster warf, konnte er eine dunkle Limo erkennen, die soeben vorgefahren war. Dieser Unsterbliche hielt sich wohl für den italienischen James Bond. Hoffentlich stellte sich nicht am Ende heraus, dass er in Wirklichkeit Dr. No war!
 

Aber selbst eine verliebte Buffy konnte gut auf sich aufpassen, soviel war sicher.
 

Er hörte die Tür ins Schloss fallen und einen Moment später das Klackern ihrer hohen Absätze auf dem Asphalt. Warum sollte sie sich nicht einen schönen Abend gönnen? Die letzten Tage waren Stress pur gewesen, und sie wussten immer noch nicht, inwieweit es ihnen gelungen war, die italienischen Wächter zu überzeugen. Na ja, sie hatten ihr Bestes gegeben. Jetzt hieß es abwarten.
 

Ein schrilles Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Hatte Buffy noch etwas vergessen?
 

++++
 

Cleveland,

Nächster Tag

Kennedy war immer noch müde, ihr Flug war erst um drei Uhr morgens in Cleveland eingetroffen mit fünf Stunden Verspätung und bis sie und Xander dann auch noch ein Taxi gefunden hatten, waren Ewigkeiten vergangen.
 

Offensichtlich hatte Willow die kleine Überraschung gefunden, die Kennedy für sie vorbereitet hatte, auch wenn ihr Badezimmer nun so aussah, als ob es komplett überschwemmt gewesen wäre.
 

Langsam schlenderte sie durch die Gassen, sie war auf dem Weg zum Wächterhaus, doch sie konnte sich etwas Zeit lassen, Willow wusste nicht, dass sie schon wieder in der Stadt war. Außerdem war sie nicht sicher, dass sie dort sein würde, sie war schon bei ihrer Wohnung im College gewesen und hatte sie dort auch nicht angetroffen.
 

Sie ließ ihren Blick vorbeigleiten an den ganzen Cafes, die die Einkaufsstraße säumten, als sie plötzlich einen roten Haaransatz sah, der sie für einen Moment anhalten ließ, konnte das Willow sein?
 

Wenn sie es wirklich war, dann konnte sie sich ihren Weg zum Wächterhaus wohl sparen, also bahnte sie sich langsam ihren Weg zu dem kleinen Cafe.
 

+
 

Willow nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas, Gretchen schien abwesend, als ob sie über irgendetwas nachdachte: „Und ist bei dir auch alles gut gelaufen? Hast du die Leute besorgt, die alles aufstellen?“
 

Die junge Frau schreckte auf wie aus einem Traum gerissen: „Oh ja, natürlich. Danke, dass du dich um alles gekümmert hast, ich konnte wirklich nicht ahnen, dass es so schwierig werden würde jemanden zu finden, der uns Essen liefert!“
 

„Hast du auch jemanden, der am Ende aufräumt?“, hakte Willow besorgt nach, die unangenehmen Erinnerungen an ihren Traum kamen in ihr auf.
 

„Oh ja, das ist alles geregelt, du musst dir keine Sorgen machen!“, Gretchen lächelte freundlich, „Du kannst dich entspannen, lass es einfach auf dich zukommen. Abgesehen von einer Sache: Wie viele Plätze soll ich für deine Gäste reservieren lassen? Ich habe noch einige sehr gute weit vorne frei, und da ich die Verteilung übernehme…“
 

„Naja“, Willow überlegte kurz, sie wusste nicht genau, wer von ihren Freunden rechtzeitig hier sein würde, „Ich weiß nicht, ich bin mir nicht sicher, ob sie alle kommen?“
 

„Wieso das denn?“, Gretchen tat schockiert, „Das ist doch ein verdammt wichtiges Ereignis für dich, wenn du ihnen wichtig wärst, würden sie sich zumindest diese Zeit nehmen!“
 

„Sie haben mir versprochen, dass sie ihr Bestes tun werden um zu kommen, und sie haben andere wichtige Dinge zu erledigen.“, Willow seufzte leicht, „Wie auch immer, halt acht Plätze für mich frei.“
 

Gretchen guckte sie für einen Moment nachdenklich an, dann notierte sie es auf ihrem Block: „Nun zu einem anderen Thema: Hast du schon ein Date für den Ball?“
 

„Ich ähm…“, bevor Willow sich überlegen konnte, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter: „Habe ich doch gewusst, dass du es bist!“
 

„Kennedy?“, Willow war sichtlich überrascht, als sie sich umdrehte und in das Gesicht ihrer Freundin blickte, „Ich hatte nicht erwartet, dass du schon da bist, wie ist es gelaufen?“
 

„Lass uns später darüber reden.“, schlug Kennedy mit einem kritischen Blick in Gretchens Richtung vor.
 

„Oh, ich habe vergessen euch beide vorzustellen! Gretchen, das ist Kennedy, eine Freundin. Kennedy das ist Gretchen, sie ist mit mir zusammen auf dem College.“
 

Gretchen war bereits aufgestanden und reichte Kennedy ihre Hand: „Freut mich dich kennen zu lernen, Willow erzählt kaum etwas von ihren Freunden. Entschuldigt mich, ich wollte sowieso gehen.“
 

„Freut mich auch.“, antwortete Kennedy noch, bevor Gretchen das Cafe schon verlassen hatte, sie zuckte mit den Schultern und setzte sich auf einen der Stühle und fragte unsicher: „Denkst du, dass ich sie verscheucht habe?“
 

„Nein, bestimmt nicht. Sie hat viel zu tun mit der restlichen Organisation des Balls“, beruhigte Willow sie, obwohl sie sich dessen bei weitem nicht sicher war, „Und wie ist es denn nun gelaufen?“
 

„Frag besser nicht! Es war schon einer von Lilys Schergen da, Westmann hat uns zwar zu Wort kommen lassen, doch er hat deutlich gemacht, dass er uns nicht glaubt und Giles für einen Verrückten hält; seine Stimme haben wir wohl definitiv verloren. Ich hoffe nur, die anderen hatten mehr Erfolg.“, gedankenverloren blickte sie ihre Freundin an, Willow sah noch schlechter aus als vorher.
 

„Oh, das hört sich ja nicht gut an. Wie ist Deutschland denn so?“, wollte Willow wissen.
 

„Naja, es geht. Nicht sonderlich beeindruckend, wenn ich ehrlich bin, aber wir haben auch nicht zu viel dort gesehen. Allerdings habe ich dir was mitgebracht.“, sie holte ein T-Shirt, das sie im Flughafen gekauft hatte, hervor, „Es ist nichts besonderes, aber ich fand es witzig.“
 

Auf der Vorderseite prangte in großen weißen Lettern der Schriftzug: „My friends went to Germany and all I got, was this lousy T-Shirt?“
 

„Danke.“ Willow tat ihr Bestes um zu Lächeln, doch sie brachte es nicht zu Stande.
 

„Ich hoffe, es ist deine Größe, ich hatte nicht viel Zeit zu suchen.“, Kennedy guckte ihre Freundin besorgt an.
 

„Es wird schon passen.“, Willow streifte ihre Jacke ab und presste das T-Shirt gegen ihre Brust, „Siehst du, es ist perfekt.“
 

Kennedy lächelte matt, doch ihr Blick blieb an der roten Stelle in ihrer Armbeuge haften, an der noch deutlich die Nadeleinstiche zu erkennen waren.
 

++++
 

Rom, Belusscis Wohnung,

Abends
 

“Spike! O mio dio!” Bevor der platinblonde Vampir reagieren konnte, hatte Andrew sich ihm schon an die Brust geworfen. “E come un sogno incantevole!“ Er drückte Spike fest an sich, und trat einen Schritt zurück, um sein Gegenüber mit schwärmerischem Blick in Augenschein zu nehmen. “Was machst du hier?“
 

“Dasselbe wollten wir dich gerade fragen.“ Angel stand mit verschränkten Armen daneben, sein Gesichtsausdruck düster und misstrauisch. Vielleicht fühlte er sich ignoriert, überlegte Andrew, weil er nicht geknuddelt worden war. Aber warum sollte er auch. Angel und er waren sich nie wirklich nahe gekommen, nicht so, wie er und Spike auf dem Motorrad. Das war so etwas wie eine Seelenverwandtschaft!
 

“Buffy und Dawn lassen mich hier übernachten!“ Ein kleines bisschen plagte ihn sein Gewissen doch, dass er Spike nicht die Wahrheit sagte, aber es würde zu viele Diskussionen nach sich ziehen. “Mein Casa ist in die Luft geflogen, als diese Sache passiert ist.“
 

“Welche Sache?“ fragte Spike und zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen.
 

“Kulturelles Missverständnis,“ stammelte Andrew hastig und versuchte, nicht rot zu werden. ’Warren kann viiiel cooler gucken’, versicherte er sich selbst, und brach in ein nervöses Kichern aus. “Aber lass uns von angenehmeren Dingen reden. Entrate pure. Ich teile meine Schwelle.“
 

Keiner der beiden Vampire regte sich. Sie starrten ihn nur mit ahnungslosen und verwirrten Blicken an.
 

“Ich meine, meine Wohnung, das ist doch offensichtlich.” Andrew machte eine einladende Handbewegung. Hoffentlich würde Signore Belussci später nicht sauer sein, dass er zwei Vampire...aber na ja, die beiden hatten schließlich eine Seele...Seelen.
 

Offensichtlich hatten die zwei endlich verstanden, was er meinte, denn sie traten gleichzeitig einen Schritt nach vorne – und blieben prompt im Türrahmen stecken. Mit etwas Mühe gelang es Angel schließlich doch, sich an Spike vorbeizuwinden, so dass er als erster das Wohnzimmer betreten konnte.
 

Hastig wetzte Andrew herum, und versuchte ein wenig Ordnung zu schaffen. Tja...uhm... eigentlich hatt’ ich später noch was vor,“ wandte er sich wieder an seine Gäste, “aber das könnt’ ich ändern, falls ihr was machen wollt. Ich könnte euch Rom bei Nacht zeigen - eine Stadt der Gegensätze. Wo immer ihr hin wollt, was immer ihr seh’n wollt...“
 

“Buffy!“ schrieen Angel und Spike wie aus einem Mund.
 

“Na klar, weil ihr beide...“ Andrew nickte und stemmte die Hände in die Hüften. “Ja. Aber sie ist nicht hier.“
 

“Wo ist sie hin?“ wollte Angel wissen.
 

“Sie trifft sich mit dem Unsterblichen.” Andrew hatte keine Lust mehr, sich etwas auszudenken, außerdem sollten die beiden ruhig wissen, dass Buffy wieder jemanden hatte. Was hatten sie erwartet? Dass sie ewig herumhockte und darauf wartete, dass einer von ihnen auf einem weißen Pferd angeritten kam?
 

“Ganz allein?“ fragte Spike entsetzt.
 

“Ich hab’ euch doch gesagt, ich hab’ was vor.“
 

“Wann ist sie gegangen?“ wollte Angel wissen.
 

“Habt sie grad verpasst.“
 

“Dann ist es noch nicht zu spät.“ Die Vampire warfen einander verschwörerische Blicke zu. “Es hätte schlimmer sein können.“
 

“Wenn ihr meint.“ Andrew ließ sich auf die Couch fallen. Offenbar hatten die zwei es noch immer nicht gecheckt. Aber na ja, wenn es um Buffy ging, waren sie sowieso nicht die Hellsten.
 

Er nahm ein Kissen, und drückte es spielerisch an sich. “Die meisten Nächte verlassen sie eh’ nicht das Haus, sie rollen sich auf der Couch zusammen und kuscheln.“
 

So ganz stimmte das zwar nicht, die meisten ihrer Treffen hatten in der Villa des Unsterblichen stattgefunden, wo er und Buffy - zumindest nach ihrer Aussage – außerordentlich fleißig und strebsam recherchierten.
 

“Sie kuscheln?“ Angel zog die Stirn in Falten.
 

“Für den Anfang.“ Andrew ließ das Kissen los und setzte sich auf. “Wartet mal, ihr habt nicht gewusst, dass sie zusammen sind?“
 

Zusammen? Angel und Spike wechselten einen nervösen Blick.
 

“Es ist schlimmer,“ sagte Spike.
 

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Villa des Unsterblichen

Gleiche Zeit

Buffy seufzte tief und Frustration schwang in ihrer Stimme mit, als sie sprach.

„ Also, was haben wir jetzt...die Reiter sind allein übel, zu viert zerstören sie die Welt. Die „Tiere“, auf denen sie reiten, geben ihnen mehr Kraft und jeder hat seine eigene Waffe, mit der er Katastrophen auslösen kann, diesen komischen Spruch...“
 

„ ‚Die Töchter von Sineya, darunter zwei, durch ein gemeinsames Erbe verbunden...ihnen ist die Kraft gegeben, die Macht der Alten zu brechen’“, zitierte der Unsterbliche.
 

„ Das macht keinen Sinn. Und, als ob das nicht schon unklar genug wäre, haben wir noch das hier...“. Sie hob das schimmernde Amulett auf, welches ganz oben auf dem Bücherstapel lag.
 

Es war so groß wie eine menschliche Hand und rund. Im Grunde bestand es aus einer Reihe von Ringen, die gedreht werden konnten, wobei ein Edelstein im Innern zu funkeln begann. Doch außer einem Wirrwarr von Farben gab es nichts von Belang darin zu erkennen.

Die Ringe selbst waren mit Zahlen und einer Reihe arkaner Symbole versehen, deren Anblick Schwindelgefühle auslöste.
 

Eigentlich wäre so was ein gefundenes Fressen für Willow gewesen. Sie hätte diesem kleinen Ding schon alle Geheimnisse entlockt.
 

Aber Willow war nicht hier.
 

Der Unsterbliche schüttelte müde den Kopf. Seit über einer Stunde probierten sie jetzt an diesem Amulett herum...ohne dass sich eine Lösung des Problems präsentiert hätte.
 

„Ich stehe vor einem Rätsel. Mein Kontakt hatte mir gesagt, das Ding wäre die Antwort auf unsere Fragen. Aber jetzt werde ich das Gefühl nicht los, dass man mich übers Ohr gehauen hat. Das könnte auch billiger Kitsch sein. Aber dafür ist in den Symbolen zuviel System.“
 

Er zuckte mit den Schultern, hob in einer Ohnmachtsgeste die Hände und ließ sie dann auf die Schenkel fallen. „Ich gebe mich geschlagen. Im Moment bin ich ratlos.“
 

„Das heißt?“ fragte Buffy vorsichtig. Es war offensichtlich, dass es ihm nicht behagte, das Problem nicht lösen zu können. Wobei er sich weniger darum scherte, wie das vor ihr wirkte als vielmehr, welche Folgen es haben konnte, wenn sie bei dieser Sache versagten.
 

Das war überhaupt das Außergewöhnliche an ihm, das Faszinierende...diese fast schon unheimliche Selbstsicherheit, die er ausstrahlte.
 

Vor ein paar Tagen hatte sie ihn darauf angesprochen und er hatte lediglich gesagt: „Ich habe die Unsterblichkeit genutzt, um mich selbst kennen zu lernen. Und dabei hab ich gemerkt, dass ich mich für nichts entschuldigen müsste.“
 

Buffy hatte schnell bemerkt, dass neben seiner offensichtlichen Attraktivität genau dieser Wesenszug es war, der sie so für ihn eingenommen hatte. Er war stets er selbst, auch dann, wenn er ihre Wünsche in den Mittelpunkt stellte. Sie musste sich nicht dafür entscheiden, eine starke oder schwache Rolle ihm gegenüber einzunehmen, denn sie wusste, er konnte mit beidem umgehen.
 

Er sah ihr in die Augen und langsam schlich sich dieses tiefgründige Lächeln zurück auf seine Lippen. „Das heißt, dass wir beide jetzt losziehen werden. Vielleicht fällt uns was ein, wenn wir erstmal auf andere Gedanken gekommen sind.“
 

Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. Als sie aufstand, sagte er: „ Habe ich dir eigentlich gesagt, dass du zauberhaft aussiehst?“
 

Fast schon grinsend hob Buffy die Hand und hielt zwei Finger hoch.
 

„Macht der Gewohnheit“, erwiderte er, beugte sich vor und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss und Arm in Arm gingen sie zur Tür.
 

Im Augenblick war das Amulett vollkommen vergessen....
 

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Belusscis Wohnung

Gleiche Zeit

“Signore Belussci...“ stammelte Andrew, “Sie sind schon wieder zu Hause?“ Verlegen blickte er an sich hinunter, er trug immer noch T-Shirt und Bademantel. Zum Glück hatte er schon ein bisschen aufgeräumt, nicht dass der Wächter noch glaubte, er wolle sich hier breit machen.
 

Belussci schien jedoch ganz andere Sorgen zu haben. “Hören Sie, Mr. Wells, ich wurde soeben von Herrn Lenhardt, einem Mitarbeiter von Ms. Usher kontaktiert. Angeblich gibt es einen Notfall in London, meine Anwesenheit wird unverzüglich verlangt. Ich fliege mit der nächsten Maschine.“
 

“Sagte dieser Wächter etwas von ’P.S. Das ist eine Falle?’ erkundigte sich Andrew misstrauisch.
 

“Mir ist es nicht...wie sagt man...geheuer.“ Besorgnis machte sich in Belusscis Miene breit, und er senkte nachdenklich den Blick. “Trotzdem, würde ich mich weigern, hätte Ms. Usher sofort Gewissheit, dass ich ihr nicht mehr traue. Und dieses Risiko sollte ich nicht eingehen.“
 

Andrew nickte. “Seien Sie vorsichtig, Signore Belussci. Lily Usher hat kein Problem damit, die Leute, die ihr im Weg sind, aus demselben zu räumen.“
 

Er setzte sich wieder auf die Couch, während Belussci an ihm vorbei ging, und kurze Zeit später mit einem hastig gepackten Tageskoffer zurückkehrte. “Wenn Sie und Ms. Summers die Wohnung verlassen, werfen Sie bitte den Schlüssel nicht in den Briefkasten, sondern übergeben Sie ihn jemandem...“
 

“Ich treff’ mich heut Abend mit der Tochter von Wächterin Biancavelli,“ schlug Andrew vor, “soll ich ihr den Schlüssel geben?“
 

“In Ordnung.“ Belusscis Miene hellte sich etwas auf, als er Andrew zum Abschied die Hand reichte. “Es hat mich sehr gefreut, Sie kennen zu lernen, Mr. Wells. Richten Sie bitte Ms. Summers meine Wertschätzung aus, und mein Bedauern, dass ich mich nicht persönlich verabschieden konnte.“
 

“Das werd’ ich machen,“ versicherte Andrew. “Es hat mich auch sehr gefreut.“ Er blickte dem alten Herrn hinterher, als dieser die Wohnung verließ. Hoffentlich lief er nicht direkt in eine Falle hinein.
 

Er schnappte sich das Telephon, und wählte Caprices Nummer. Hatte ihre Mutter ebenfalls eine Nachricht von Lily bekommen?
 

Es mochten kaum Minuten vergangen sein, als es wieder an der Tür klopfte. Andrew schreckte hoch, hatte Belussci etwas vergessen? Mit dem Telephon in der Hand wetzte er zur Tür.
 

“Ist Buffy schon daheim?“ wollten Angel und Spike wissen.
 

“Leute, es ist erst acht Uhr dreißig.“ Andrew stieß hörbar die Luft aus. So cool Spike auch sein mochte, heute war er eine richtige Nervensäge.
 

“Stimmt.“ Die beiden Vampire wechselten einen verlegenen Blick. “Yeah.“
 

“Weißt du, wo sie hingegangen ist?“ fragte Angel schließlich.
 

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England, London

Rat der Wächter

Vor ihr auf dem Tisch war allerhand Material verteilt, das ihr helfen sollte die Verhandlung gegen Giles vorzubereiten. Den Mitgliedern des Rates zu verstehen zu geben, dass man Giles nicht mehr vertrauen könnte, war eine Sache, es vor einem Gericht zu beweisen eine andere.
 

Den größten Teil der Arbeit hatte George bereits für sie erledigt, jetzt ging es nur noch darum sich einzuarbeiten und zu entscheiden, welche Details sie am besten ausführte, und welche kaum einer Erwähnung bedurften. Was Verdrehung von Fakten und Beweisen betraf, hatte George sicher gute Arbeit geleistet, doch das war nicht das, worum es in dieser Verhandlung gehen würde.
 

Manipulation. Inszenierung, das waren die Faktoren, die alles entscheiden würden. Sowohl sie als auch Giles hatten beweisbare und absolut in sich schlüssige Versionen der Ereignisse, ganz abgesehen davon, ob sie der Wahrheit entsprachen oder nicht, doch darauf kam es gar nicht an. Das entscheidende war, wie man sich selbst verkaufte, und gerade auf diesem Gebiet war Lily äußerst erfahren.
 

Aber das war es eigentlich auch nicht, was Lily Sorgen bereitete. Sie würde ihre Show abziehen, so wie sie es immer getan hatte, doch dieses Mal gab es einen neuen Faktor, der alles ins Wanken bringen könnte. Sie durfte sich nicht davon beeinflussen lassen, dass er anwesend sein würde, wenn sie es tat, dann wäre es ihr Untergang.
 

Sie müsste stark sein, wenigstens dieses eine Mal noch, sie musste ihm in die Augen blicken können und sagen können, dass er ein Lügner war, wenn sie das konnte, dann wäre all das andere ein Kinderspiel, doch konnte sie es?
 

Damals als Lily seine Stimme am Telefon gehört hatte, war es ihr schon schwer gefallen, und verdammt, da war es nur seine Stimme gewesen! Sie versuchte die Vorstellung seines vorwurfvollen Blickes zu verdrängen, doch er tauchte immer wieder vor ihrem inneren Auge auf.
 

Bisher hatte sie das alles auf die Beine gestellt, es durfte einfach nicht daran scheitern. Sie würde es sich nicht verzeihen können, ihre heilige Pflicht als Wächterin nicht erfüllen zu können, nur weil sie ihn liebte. Sie würde es einfach nicht zulassen. Sie konnte es nicht zulassen; das war sie ihrem Vater schuldig und all den anderen Wächtern, die vor ihm gewesen waren und auch denen, die noch kommen würden. So schwierig konnte es schon nicht sein. Jedenfalls war es nicht unmöglich.
 

Aber jetzt war es erst einmal wichtig all die Notizen und Beweise von George durchzugehen, denn auf die Verhandlung konnte sie sich vorbereiten, im Gegensatz zu der Begegnung mit Giles.
 

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Rom, Tanzclub

Selbe Zeit

Buffy hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während sie sich unermüdlich auf der Tanzfläche bewegte. Ihre übernatürliche Ausdauer ebenso wie die des Unsterblichen taten ihr Übriges, ließen sie Durst oder Erschöpfung vergessen.

Beide schienen ihre Umgebung kaum noch wahrzunehmen, ihre Blicke waren auf den jeweils anderen fixiert, während sie sich, getrieben von der Musik, fast im Einklang bewegten.
 

Es war fast ein Wunder, dass sie niemanden anrempelten, war doch der Rest der Tanzfläche schon vor langer Zeit aus ihrer Wahrnehmung entschwunden.
 

Es gab nur noch sie beide...für eine ziemlich lange Zeit.
 

Der Unsterbliche trug jetzt wieder einen dunklen Anzug, der an jedem außer ihm in dieser Situation fehl am Platze gewesen wäre. Er sah beinahe unnatürlich attraktiv aus.
 

Buffy grinste, als sie daran dachte, wie lange es her war, dass sie sich bei diesem Gedanken ertappt hatte. Zu lang. Immerhin.. trotz aller Jägerinnenkräfte war sie nach wie vor ein Mensch. Ein Teil von ihr blieb einfach die Frau, die sich nach einer zärtlichen Berührung sehnte. Und dieser Teil war froh, dass sie jetzt einmal Jägerin sein lassen konnte.
 

Zumindest, soweit es die kommende Apokalypse zuließ.
 

Für einen Moment riss Buffy ihre Augen von dem anziehenden Gesicht ihr gegenüber los und ließ ihren Blick über die tanzende Menge schweifen... und zögerte.
 

Was hatte sie dort gesehen? Zwischen all den sich bewegenden Körper drängte sich jemand hindurch, dessen auffällig blonde Haare im Discolicht fast weiß erstrahlten. Kurz hinter ihm jemand, der gut mit Haargel umzugehen verstand. Das konnte doch nicht...
 

Schnaubend schüttelte sie den Kopf. So weit kam es gerade noch. Sie war endlich wieder mit einem Mann zusammen und schon erschienen ihr ihre Verflossenen. Frisurtechnische Verirrungen gab es sicher auch in Italien.
 

„Alles in Ordnung?“ fragte der Unsterbliche und stoppte.
 

Buffy winkte ab. „Ich dachte, ich sehe jemanden, den ich kenne...aber war ne Täuschung.“
 

„Sollen wir eine Pause einlegen?“
 

„Geht schon. Ich bin nicht müde. Ist wohl nur der Stress der letzten Tage. Lass uns weitermachen.“
 

Langsam fanden sie ihren Rhythmus wieder und wiegten sich im Takt der Musik...
 

Einmal glaubte Buffy noch, die beiden Köpfe in der Menge zu sehen, diesmal deutlich näher, doch sie ließ sich nicht beirren... wenn ihre Sinne auch etwas angespannter blieben.
 

Irgendwo in der Menge gab es plötzlich Bewegung, so als versuche jemand, sich an den Tanzenden vorbeizudrängeln.
 

Plötzlich schien sich alles um sie herum zu verlangsamen, als von irgendwoher eine Idee ihren Geist erreichte und sich dort festsetzte.
 

Natürlich...es war so einfach gewesen....
 

Ohne Vorwarnung blieb sie stehen und packte den Unsterblichen am Arm.
 

„Was ist?“ fragte er erstaunt.
 

„Das Amulett! Ich weiß, was wir damit machen müssen!“
 

Er zögerte kurz, dann lächelte er breit. „Du steckst voller Überraschungen...“ murmelte er, bevor sie beide sich durch die Tanzenden schlängelten und bald darauf wieder an der frischen Luft waren.
 

Schnell nahm der Unsterbliche sein Handy zur Hand und rief seinen Wagen. „Gut“, sagte er daraufhin, „ damit wäre das Rätsel auch gelöst...“
 

Dann war er still und Buffy erkannte in seinen Augen die gleiche Schlussfolgerung, die sich auch ihr aufdrängte...und die ihnen beiden nicht gefiel.
 

„Du musst wieder zurück“, sprach er schließlich aus, was beiden auf dem Herzen lag.
 

Sie nickte bedächtig. „Den Weltuntergang verhindern. Wie immer.“
 

Womit wir mal wieder bei dem alten Thema Jägerin kontra Beziehung wären, dachte sie grimmig. Aber was sollte man machen?
 

Für einen Moment versanken beide in Schweigen.
 

„Ich möchte dich nicht missen“, ergriff er nach einer halben Ewigkeit das Wort, „und ich wäre untröstlich, wenn das jetzt das Ende wäre.“
 

„Das muss es ja nicht sein. Ich gehe ja nur nach Amerika, nicht auf den Mond oder so.“

Sie konnte hören, wie er erleichtert aufatmete. Lag ihm wirklich so viel an ihr?

Sie sollte endlich aufhören, das in Frage zu stellen. Immerhin hatte er ihr bisher nicht den Grund geliefert, etwas anderes zu vermuten.
 

„Vielleicht wäre es so das Beste...immerhin hast du viel zu tun. Gelegentliche Besuche sind vielleicht leichter mit deinen anderen...Pflichten zu vereinbaren als meine ständige Anwesenheit“, erwiderte er.
 

„Vorausgesetzt, wir kriegen das mit der Apokalypse auf die Reihe“, gab sie zu bedenken, was bei ihm zu einem besorgten Stirnrunzeln führte.
 

„Ja...aber ich glaube, dass du es schaffst. Es gibt keinen Grund, weshalb du verlieren solltest.“
 

Nett gesagt, dachte sie...aber es gab genug Gründe. Die Tatsache, dass die Reiter mit ihren Schwertern Naturkatastrophen auslösen konnten, war noch einer der Geringsten.
 

Von fern hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Wagens. Die Limousine fuhr vor und Buffy traf einen Entschluss. Die Apokalypse konnte bis morgen warten.
 

Doch bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie plötzlich Lärm hinter sich. Es klang, als würden mehrere Personen aufeinander losgehen...begleitet von lautem Geschrei.
 

„Vielleicht sollte ich...“ fing sie an, doch er legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
 

„Ist nicht nötig. So was passiert hier öfter. Ist halt das italienische Temperament. Die Security kümmert sich drum, die sind das gewöhnt.“
 

Er wollte sich gerade umwenden, als Buffys Hand auf seiner Schulter landete und sie ihn zu sich heranzog, um ihn zu küssen. Der Kuss dauerte ziemlich lange und war auf beiden Seiten gleichermaßen heftig. Der Chauffeur entschloss sich nach den ersten 30 Sekunden, lieber seine Fingernägel zu betrachten.
 

Schließlich trennten sie sich voneinander und Buffy sah ihm tief in die Augen.
 

„Wir kümmern uns um die ganzen Probleme morgen. Erstmal das Amulett und dann...bleibt uns noch der Rest der Nacht.“
 

Er hob eine Augenbraue. „Meinst du...?“ begann er und las dann in ihren Augen die Antwort.

„ Wie ihr wünscht, Mylady“, sagte er lächelnd und öffnete ihr die Tür.
 

Es wurde eine lange Nacht.
 

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Belusscis Wohnung

Gleiche Zeit

Buffys Worte schwirrten ihm immer noch im Kopf herum, auch die angenehmen warmen Wassertropfen konnten sie nicht vertreiben. Hatte er wirklich Gefühle für Caprice? Oder fand er einfach ihre Gesellschaft so angenehm?
 

Das sowieso. Sie war nett, und man konnte sich unheimlich gut mit ihr unterhalten. Sie war tatsächlich der erste Mensch, mit dem er einen ganzen Abend lang reden konnte, ohne dass sie dabei auf irgendeinen Film zu sprechen kamen. Und er langweilte sich dabei kein Stück. Schon wirklich seltsam.
 

Er griff nach seinem Shampoo, musste plötzlich an Warren denken, und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Da war er mal zwei Wochen weg von zu Hause, und schon machten sich solche bösen Gedanken in seinem Kopf breit.
 

Aber schließlich war es alles nur Phantasie. Genau wie seine Vorstellungen, im bunten Superheldenkostüm durch die Lande zu fliegen, und Leute zu retten. In Gedanken konnte man alles tun, und alles sein, und er war nicht der einzige, der solche Gedanken hatte. Wenn sie daheim vor der Glotze hockten, und Lucy Liu, oder Angelina Jolie in knappen Klamotten über den Bildschirm turnten, kriegte Warren immer diesen sabbernden Gesichtsausdruck, und dann war es ziemlich klar, dass er sie nicht deshalb anschwärmte, weil sie coole Action Heldinnen waren, so wie Andrew es tat.
 

Caprice war keine Action Heldin, eher ein Bond Girl der alten Schule. Und er brauchte sich nichts vorzumachen, schön und nett und tolle Gespräche reichten absolut nicht aus, sich in jemanden zu verlieben. Dazu gehörte noch sehr viel mehr, auch wenn er es nicht wirklich in Worte fassen konnte. Beschreibungen wie Feuer und Schmetterlinge und kleine Explosionen im Magen trafen es vielleicht noch am ehesten.
 

Und wenn es etwas gab, das er letztes Jahr aus dem missglückten Date mit Dawn gelernt hatte, dann dass Mädchen diese Gefühle in ihm nicht auslösten. Nein, gewusst hatte er das eigentlich schon viel früher, aber er hatte versucht, es zu verdrängen, nachdem damals alles in einer solchen Katastrophe geendet hatte...
 

War das ein Klopfen an der Tür? Andrew stellte das Wasser ab, vergewisserte sich, dass seine Haare wieder shampoofrei waren, und griff nach seinem Bademantel. Oh je, es konnte doch nicht schon so spät sein! Er war doch noch gar nicht fertig!
 

“Ist Buffy schon zurück?“
 

Zum dritten Mal in dieser Nacht standen Angel und Spike vor der Türe, mit denselben misstrauischen Mienen wie zuvor. Nur dass Angel jetzt kein Schwarz mehr trug, sondern eine seltsame rot-weiße Sportjacke.
 

“Tut mir leid.“ Andrew zuckte bedauernd die Achseln. Ihr könnt gern reinkommen, wenn ihr wollt. Ich muss allerdings gleich weg.“ Er trat zurück, um die beiden Vampire einzulassen.
 

“Schicke Jacke, übrigens, “ wandte er sich mit einem leichten Grinsen an Angel.
 

“Die neueste Mode.” Angel schloss die Tür und versuchte, nicht allzu verlegen auszusehen.
 

“Andrew.“ Spikes Stimme klang jetzt sehr ernst. “Hat Buffy sich irgendwie seltsam verhalten? So, als ob der Unsterbliche sie mit einem Zauber oder so kontrolliert?“
 

“Eine gute Frage. Nein.“ Andrew bemühte sich nicht allzu sarkastisch zu klingen, schließlich konnte er sich vorstellen, dass die Situation für die Ex-Freunde nicht gerade einfach sein würde.
 

Er marschierte ins Bad zurück, ließ die Tür jedoch offen, um sich weiter mit den beiden unterhalten zu können. Hastig begann er sich fertig abzutrocknen und suchte nach dem Kamm.
 

“Könnte es sein, dass er irgendwie ihren Geist kontrolliert?“ fragte Angel von draußen, und Spike fiel sofort ein: “Oder ein Liebestrank! Hat sie einen Liebestrank getrunken?“
 

“Ganz ehrlich, Alter, ich hab’ auch an all diese Sachen gedacht.“ Dass diese dummen Haare einfach nicht glatt werden wollten. Andrew legte den Kamm beiseite und nahm etwas Gel zu Hilfe. “Aber es hat sich rausgestellt, Buffy hat sich von selbst in den Unsterblichen verliebt – und jetzt ist sie glücklich. Das ist alles.“
 

Er betrachtete sich im Spiegel. So sah das alles doch schon viel besser aus.
 

“Aber sie ist doch noch nicht fertig gebacken!“ Angels Stimme klang verzweifelt. “Ich soll warten, bis sie fertig gebacken ist, weißt du, sich selbst gefunden hat und so, genau so wollte sie das haben. Toll. Ich warte brav und geduldig, und währenddessen – kommt der Unsterbliche daher und isst Kuchenteig!“ Ein tiefer Seufzer erklang aus dem Wohnzimmer.
 

Andrew, der sich gerade sein Hemd zuknöpfte, hielt mitten in der Bewegung inne. “Uhm, Spike?“ fragte er vorsichtig. “Weint Angel etwa?“
 

“Nein!” Spikes Stimme klang ziemlich trotzig, und einen Augenblick später fügte er etwas leiser hinzu. “Noch nicht.“
 

“Versuch’ dein Wasser zu halten, großer Junge,“ scherzte Andrew in einem Versuch aufmunternd zu wirken, und kämpfte weiter mit seinen Hosenbeinen. “Der Unsterbliche ist schon cool und so, aber er ist auch nicht perfekt! Er hat seine Fehler!“
 

“Echt?“ Angel hörte sich wieder ein wenig hoffnungsvoller an.
 

“Die…die wären?” Spike dagegen klang sehr gespannt.
 

Andrew stieß einen Seufzer aus, und band seine Fliege. Dass Männer auch immer zu kleinen Kindern werden mussten, wenn es um Frauen ging. “Der Punkt ist, sie entwickelt sich weiter. Ihr solltet das auch tun, und vielleicht erwischt ihr sie eines Tages. Na ja, einer von euch. Aber wenn ihr immer nur auf der Stelle tretet, werdet ihr bald herausfinden, dass sie längst weitergelaufen ist.“
 

Eine Weile war es still im Wohnzimmer, Andrew hörte nur ein Flüstern, als ob sich die beiden leise unterhielten. Offenbar hatten seine Worte sie zum Nachdenken gebracht. Na ja, wurde auch Zeit.
 

Er zog sein Jackett an und betrachtete sich im Spiegel. Nicht schlecht. Wieder einmal machte er sich eine gedankliche Notiz, sich bei Kennedy zu bedanken, dass sie ihn damals zum Anzugkaufen geschleppt und ihm europäische Manieren eingetrichtert hatte.
 

“Buffy liebt euch beide, aber sie lebt nun mal ihr Leben. Leute verändern sich.“ Er marschierte aus dem Bad und amüsierte sich insgeheim über ihre entgeisterten Blicke, als sie ihn im vornehmen Anzug sahen. “Ihr solltet es auch mal versuchen.“
 

Es klopfte wieder, und als Andrew diesmal öffnete, sah er sich Caprice und ihrer Freundin gegenüber, die ihn fröhlich anstrahlten. “Caprice, se bella come la notte,“ flirtete er, als er sie mit den hier üblichen Wangenküsschen begrüßte. “Et tu, Isabella,“ wandte er sich an die andere junge Frau, “superi perfino le stelle.“
 

Er drehte sich einen letztes Mal zu Angel und Spike um, die immer noch dastanden, wie begossene Pudel. “Ciao.“
 

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Cleveland, College,

Willows Zimmer,

Nächster Morgen

„Komm rein, aber ich habe nicht viel Zeit für dich!“, Willow war in einen Morgenmantel gekleidet, als Kennedy ihre Wohnung betrat, „Ich muss gleich los. Was führt dich denn hier her?“
 

„Kann ich dich nicht einfach besuchen?“, ein besorgter Ausdruck zeichnete sich in Kennedys Gesicht ab, während sie auf Willows Bett Platz nahm, „Ich komme gerade vom Patrouillieren und habe gedacht, es wäre eine gute Idee mal bei dir vorbei zu schauen.“
 

Willow war inzwischen im Bad verschwunden: „Ich befürchte, ich muss dich enttäuschen, Gretchen kommt gleich und holt mich ab.“
 

„Macht ja nichts.“, Kennedy ließ sich auf das weiche Bett hinabsenken, „Nach so einer Nacht brauche ich sowieso erstmal ein bisschen Schlaf. Scheinbar sind die Dämonen und Vampire in unserer Abwesenheit selbstsicherer geworden, und nicht nur das: Ich muss auch noch für Faith und Buffy mitpatrouillieren!“
 

„Naja, es ist ja nur noch für heute!“, warf Willow ein, sie trug eine Jeans und Kennedys T-Shirt, als sie wieder aus dem Bad heraus trat.
 

„Ja, doch gerade heute ist es ungünstig wegen deinem Abschlussball, ich weiß nicht, ob ich es rechtzeitig schaffe.“, Kennedy rückte, setzte sich wieder und machte Platz für Willow, die sich jedoch nicht zu ihr setzte.
 

„Mach dir keinen Stress wegen mir, es ist wichtiger, dass du dich um die Dämonen kümmerst!“, Willow wirkte auf eine komische Art abwesend.
 

„Hey, du weißt doch genau, dass ich alles machen werde, was ich kann um rechtzeitig zu kommen!“, Kennedy blickte sie ein bisschen vorwurfsvoll an, doch es hielt nicht lange an. Warum musste sie in letzter Zeit immer so gleichgültig sein?
 

Willow nickte nur kurz, doch es gelang ihr nicht, ein ganz kleines Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, zu verbergen: „Denkst du, dass irgendwer von den anderen es schaffen wird? Wenn nicht, kann Gretchen eure Plätze für jemand anderen reservieren.“
 

„Ich denke, die Chancen stehen gut, dass sie es rechtzeitig schaffen, wenn ihr Flieger rechtzeitig ankommt.“, stellte Kennedy fest, „Ich denke, wir behalten die Plätze.“
 

Sie blickte ihre Freundin lange und durchdringend an, einige Minuten vergingen, ohne, dass sie eine einziges Wort wechselten, schließlich atmete Kennedy tief durch und gab sich einen Ruck: „Willow, gibt es vielleicht irgendwas, worüber du mit mir reden möchtest?“
 

Die rothaarige Hexe schien überrascht: „Was meinst du?“
 

„Guck dich doch mal an, irgendwas ist nicht in Ordnung mit dir. Und ich frage mich manchmal… ob du überhaupt noch was mit mir zu tun haben willst, wenn du nicht mal mit mir darüber sprechen willst.“, die Worte sprudelten geradezu aus ihrem Mund hervor, „Und ich habe die Einstiche an deinem Arm gesehen!“
 

Willow starrte Kennedy an, als ob sie einen Geist gesehen hätte, dann lachte sie, es war kein fröhliches Lachen, doch immerhin ein Lachen: „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich…? Es geht um etwas völlig anderes und hat überhaupt nichts mit dir zu tun.“, endlich nahm sie neben ihr Platz und begann über ihre Wange zu streichen, „Die letzte Woche war für mich sehr anstrengend, das musst du verstehen. Tut mir leid, wenn ich dir zu selten zeige, wie viel du mir bedeutest, aber glaub mir, ohne dich wüsste ich nicht, wie ich das alles schaffen sollte.“
 

Kennedy lächelte verlegen und Willow erwiderte das Lächeln, ihre Gesichter näherten sich gerade, als sie plötzlich von einem Klingeln aufgeschreckt wurden, Willow warf einen Blick auf die Uhr: „Das muss Gretchen sein, wir müssen ein anderes Mal darüber reden!“
 

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Xanders Appartement

Abend

„Und wozu hast du diese Postkarten jetzt genau gekauft?“, fragte Eve kritisch, sie lag schräg auf seinem Bett, während Xander seinen Koffer ausräumte.
 

„Nur als Erinnerung, dass ich wenigstens einmal in meinem Leben in Deutschland gewesen bin. Verdammt, meine ganzen Klamotten hätte ich eigentlich gar nicht einpacken brauchen.“, er verstaute die letzten Sachen im Schrank und setzte sich dann zu ihr auf die Bettkante.
 

„Ich war auch einmal in Deutschland, aber ich habe nicht allzu viel gesehen, ich war nur einmal geschäftlich in Frankfurt.“, stellte Eve fest, während sie sich aufrichtete und ihm Platz machte.
 

„Frankfurt? Ah ja. Na ja, wie auch immer, auf jeden Fall wollte ich, wenn ich schon mal da bin, auch eine Erinnerung mitnehmen.“, er schloss sie in seine Arme, und stellte fest, dass sie Ringe unter den Augen hatte, „Und wie ist es dir so ergangen, als ich weg war?“
 

„Du weißt ja, wie es auf der Arbeit zu geht, eine Sekretärin von der dritten Etage hat Ärger gemacht, ich habe ihr eine offizielle Verwarnung ausgesprochen, außerdem hat ein äußerst zäher Kunde die ganze Zeit genervt. Doch lass uns nicht weiter darüber reden, es ist jetzt nicht wichtig.“, sie küsste seinen Hals sanft, „Im Moment haben wir etwas anderes zu tun.“
 

„Hat die Sekretärin etwas über uns gesagt?“, wollte Xander wissen. Eve blickte langsam auf: „Was wäre, wenn es so gewesen ist?“
 

„Ach ich weiß auch nicht.“, Xander drückte sie sanft zur Seite, „Ich weiß einfach nicht, ob unsere Beziehung eine Zukunft haben kann.“
 

Er konnte förmlich sehen, wie sie diese Aussage direkt ins Herz traf. Er begann ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Vielleicht hätte er erst gar nicht davon anfangen sollen.
 

„Wegen dem Gerede in der Firma?“, wollte sie wissen, „Das ist doch wirklich vollkommen unwichtig! Oder ist es für dich etwa wichtig?“
 

„Zumindest finde ich es nicht gut, außerdem sind Beziehungen auf der Arbeit immer sehr problematisch.“, vermutlich war es das noch nicht mal, was ihm solche Sorgen bereitete. Doch was war es dann?
 

Immer wieder kamen ihm Gedanken an die Nacht, in der er mit Eve vor den Dämonen geflüchtet war, ihre Angst und ihre Versuche, rationale Erklärungen zu finden; wenn sie mit ihm zusammen wäre, würde sie immer wieder an Dämonen geraten. Er lebte in einer Welt, die mit ihrer nicht viel gemein hatte, und immerhin hatte er schon eine Freundin an die Apokalypse verloren, eine Erfahrung, die er niemals wieder durchmachen wollte.
 

Doch Eve war nicht Anya und es war sicher ein Fehler, die beiden zu vergleichen, und dennoch…
 

Doch warum suchte er so sehr nach einem Vorwand, um die Beziehung zu beenden und fand keinen, der ihm selbst schlüssig schien? Wollte er sich vielleicht nur selbst davor schützen, erneut jemanden zu verlieren, der ihm so wichtig war? Doch das würde bedeuten, dass sie ihm doch sehr wichtig war.
 

Er wollte mit ihr Schluss machen, um sie nicht zu verlieren? Irgendwie ergab das, was in seinem Kopf vorging, alles keinen Sinn. Aber so weitergehen konnte es auch nicht, er hatte sich in letzter Zeit einfach zu sehr verändert. Nicht nur, dass er sich immer mehr von seinen Freunden entfernte, nein, er verhielt sich gegenüber ihnen auch unmöglich und stieß sie zurück, so als ob er nicht mehr er selbst wäre.
 

„Na ja, vielleicht können wir es ja einfach versuchen.“, Eve lächelte ihn traurig an, „Ich will dich wirklich nicht mehr verlieren.“
 

„Wie spät ist es?“, sein Blick fiel auf die Uhr und er wusste, dass er etwas vergessen hatte, „Willows Abschlussfeier!“
 

++++
 

Cleveland, College

Abend
 

„Beeindruckend! Sie haben das beste Zeugnis dieses Jahrgangs!“
 

Er schüttelte ihre Hand, bevor er ihr das Zeugnis überreichte. Das Publikum applaudierte, und selbst die meisten ihrer Mitstudenten rafften sich auf, um zu klatschen, obwohl sich bei einigen deutlich Neid in ihren Gesichtern abzeichnete, nur Gretchen lächelte ihr aufmunternd zu.
 

Willow blickte in die Runde. Sie hatte nicht damit gerechnet, immerhin hatte sie durch die viele Arbeit für den Rat erheblich wichtige Zeit verloren, und dann war da natürlich noch dieser Vorfall bei einer Vorlesung gewesen, den der Professor ihr heute noch übel nahm. Sicher freute sie sich, doch irgendwie… Ihr Blick glitt auf die leeren Sessel und der Ansatz eines Lächelns in ihrem Gesicht erstarb. Selbst ihren Eltern war das jüdische Seminar in der Schweiz wohl wichtiger gewesen als ihre eigene Tochter.
 

„Das ist wirklich eine gute Leistung, wenn Sie wollen, kann ich Sie mit einigen Leuten bekannt machen…“
 

Willow nickte nur abwesend. War es wirklich zu viel verlangt gewesen, dass ihre Freunde auf ihrer Abschlussfeier auftauchten? Konnte sie nicht wenigstens das erwarten?
 

„Ja.“, Willow wollte sich gerade umdrehen, das Klatschen war schon fast zum Stillstand gekommen, als sie plötzlich sieben Gestalten in der hinteren Ecke bemerkte, die nicht aufhörten zu klatschen. Sie waren nachträglich hinzugekommen.
 

Als erstes erkannte sie Kennedy, dann Buffy, Andrew und all die anderen, nur Giles war, wie es zu erwarten gewesen war, nicht da. Ein warmes Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.
 

Einige Tränen bahnten sich den Weg in ihre Augen, doch sie schaffte es erfolgreich sie zu unterdrücken; die anderen hatten es doch noch rechtzeitig geschafft!
 

Überglücklich drehte sie sich um und kehrte zu den anderen Studenten zurück, der Abend war gerettet. Ihr Blick fiel auf das Abschlusszeugnis in ihren Händen, erst jetzt wurde ihr klar, was es bedeutete: Sie war die Beste ihres Jahrgangs! Das öffnete ihr alle Türen, was immer sie auch machen wollte.
 

Die Zeremonie wurde fortgesetzt, und der nächste Student wurde aufgerufen. Willow stellte sich direkt neben Gretchen, die ihr überschwänglich gratulierte: „Wow, habe ich dir nicht gesagt, dass du das Zeug dazu hast?“, sie deutete zu Kennedy und den anderen herüber, „Deine Freunde?“
 

„Ja!“, Willow hob ihre Hand und winkte den anderen zu.
 

„Sie sind aber reichlich spät gekommen!“, begann Gretchen, doch Willow würgte sie ab: „Aber sie sind gekommen, und das ist, was zählt!“
 

Das einzige, was ihr nun noch den Abend ruinieren könnte, wäre D´Hoffryn und in dieser Angelegenheit konnte sie wohl nichts anderes tun, als zu beten, dass er sich fernhalten würde.
 

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Wales, Wächterhaus

Selbe Zeit

Draußen prasselte der Regen gegen die Scheiben und verlieh dem nur durch Kaminfeuer beleuchteten Arbeitszimmer eine noch viel gemütlichere Atmosphäre. Langsam drehte Giles den Löffel in seinem Tee: „Vielen Dank, dass Sie mich empfangen, Mr. Fraser! Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr. Viele der anderen Wächter, selbst solche, die vorher meine Freunde gewesen sind, haben mir den Rücken gekehrt.“
 

„Ich verstehe ihre Situation vollkommen, Mr. Giles, doch erzählen Sie weiter!“, der alte Wächter mit stechendem schottischen Akzent nahm einen tiefen Schluck aus seiner Tasse.
 

„Gut, ich danke Ihnen. Nun ja, wo soll ich anfangen? Ms. Usher treibt ihr eigenes grausames Spiel mit dem Rat. Die neue Situation ist ihr ein Dorn im Auge. Sie will zu den alten Regeln zurückkehren. Die Unterwerfung des Rates ist ein erster Schritt, doch sie wird es nicht dabei belassen! Ich selbst habe erlebt, wie skrupellos sie sein kann; um ihre Ziele zu erreichen, ist ihr letztendlich jedes Mittel recht, das haben ich und meine Freunde in Cleveland am eigenen Leibe erfahren müssen. Sogar den Tod von einigen Jägerinnen nahm sie bereitwillig in Kauf.“, begann Giles seine Ausführungen.
 

Fraser hörte ihm aufmerksam zu und warf hier und da einige Fragen ein. Als Giles schließlich mit seinem Bericht abschloss, nickte der schottische Wächter anerkennend: „Ja, ich denke, ich verstehe nun alles.“
 

„Also werden Sie mir helfen?“, Hoffnung keimte in Giles auf, wenn die anderen genauso viel Erfolg hätten, wie er, dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Lily die Kontrolle verlor.
 

„Wie bereits gesagt, ich verstehe es nun.“, seine Finger tasteten unter seine Lehne, und ein leises „Klick“ ertönte.
 

„Was…?“, Giles sprang aus seinem Sessel auf, während sich eines der Bücherregale zur Seite schob und den Blick auf drei Jägerinnen freigab. Ihre Armbrüste waren im Anschlag direkt auf Giles Kopf gezielt.
 

„Ich verstehe nun, was Ms. Usher meinte, als sie von Ihren Wahnvorstellungen sprach. Ich verstehe, was sie meinte, als sie sagte, dass Sie schon fast selbst an ihre Lügen glauben würden und sie absolut überzeugend vortragen könnten. Ich verstehe, wieso Ms. Usher in Ihnen solch eine Bedrohung für den Rat sieht! Wie können Sie eigentlich noch in den Spiegel schauen? Die Welt steht am Rand des Abgrundes, und Sie denken an nichts anderes als an Ihre eigene Macht und wollen den Rat teilen, nur um ihre Stellung wieder zu verbessern! Wie egoistisch müssen Sie sein, um nicht zu sehen, was Ihr kranker Wahnsinn anrichtet?“, Fraser erhob sich aus seinem Sessel, und in seinem Gesicht zeichnete sich blanke Wut ab. So weit hatte Lily die Wächter schon gebracht?
 

Der Funke Hoffnung war erloschen.
 

Die Jägerinnen traten aus dem kleinen Raum, der scheinbar eine Art versteckte Waffenkammer war. Plötzlich erkannte Giles eine von ihnen: „Emma?“
 

„Was wollen Sie?“, die junge Frau schien irritiert.
 

„Emma, wieso tust du das? Du musst es nicht tun!“, flehte Giles sie beinahe an. Was hatte Lily nur mit ihr gemacht? Ihre Augen wirkten irgendwie leer.
 

„Sie wurden speziell von Ms. Usher ausgebildet.“, erklärte Fraser. Giles konnte sich lebhaft vorstellen, wie diese spezielle Ausbildung ausgesehen haben musste. „Sie hat mir die besten von ihrer neuen Rats-Sicherheitsgarde geschickt, damit Sie ihre Lügen nicht weiter verbreiten können. Noch morgen wird Ihnen in London der Prozess wegen Hochverrats gemacht! Ich persönlich werde Sorge tragen, dass Sie dort erscheinen. Jägerinnen, führt ihn ab!“
 

Eine Armbrust wurde tief in Giles Rücken gepresst und Emmas eiskalte Stimme befahl gebieterisch: „Vorwärts!“
 

AKT 4
 

Cleveland, College,

Abend

„Oh, look around you

Look down the bar from you

The lonely faces that you see

Are you sure that this is where you want to be?”
 

Die traurige Stimme des Sängers durchzog den ganzen Ballsaal und übertönte die leise Musik der Band, einige Pärchen tanzten auf der Tanzfläche. Willow schlenderte durch die Menschenmenge auf der Suche nach ihren Freunden, als sie Buffy erblickte, die bei den Getränken stand und sie zu sich rüberwinkte.
 

Als Willow dort war, gratulierte Buffy ihr überschwänglich: „Hey, herzlichen Glückwunsch, ich hab doch gleich gewusst, dass du so gut bist!“
 

Willow lächelte ihr entgegen: „Danke, schön, dass ihr es noch rechtzeitig geschafft habt!“
 

Auch Andrew reichte Willow die Hand, doch sein Blick war irgendwie komisch, so als ob er sie durchdringen würde, aber vermutlich bildete sie es sich nur ein, immerhin hatte er eine äußerst merkwürdige Rolle in ihrem Traum gespielt.
 

Willow sah noch schlechter aus als sonst, die Ringe unter ihren Augen waren fast schwarz, doch noch beängstigender war ihre Miene, sie schien versteinert, als würde sie irgendetwas unterdrücken, es schimmerte selbst durch, wenn sie lächelte. Andrew warf Buffy einen kurzen Blick zu, doch die blonde Jägerin schien es nicht zu bemerken.
 

„Da bist du ja, wie haben dich schon gesucht!“, Kennedy und Xander traten zu ihr rüber und gratulierten ihr ebenfalls.
 

“These are your friends

But are they real friends

Do they love you the same as me

Are you sure that this is where you want to be?”
 

“Danke, vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“, Willow legte ihre Hand in Kennedys, „Es ist mir verdammt wichtig, dass ihr alle heute hier seid, um mit mir zu feiern!“
 

„Uns ist es auch sehr wichtig hier zu sein, ich hatte verdammte Gewissensbisse, weil wir so spät dran waren!“, berichtete Buffy, „Ich befürchte, ich war nicht sonderlich freundlich zum Taxi-Fahrer.“
 

Die anderen lachten.
 

“You seem in such a hurry to leave this kind of life

And you´ ve caused so many pain and misery”
 

Willow blickte sich um, scheinbar schien alles so weit ganz gut zu laufen, das kalte Buffet, das sie organisiert hatte, war gut besucht, und auch der Getränkeverkauf funktionierte scheinbar sehr gut.
 

Etwas weiter entfernt an der Bar sah sie Gretchen, sie wandte sich wieder ihren Freunden zu, „Entschuldigt mich bitte für einen Moment!“
 

Sie kämpfte sich ihren Weg an all den Menschen vorbei, die anstanden, um etwas zu trinken zu bekommen, Gretchen schien sie nicht zu bemerken, bis sie direkt hinter ihr stand: „Hey.“
 

„Hi, Willow.“, die junge Frau schien ein bisschen abgelenkt, „Und was haben deine Freunde zu deinem Ergebnis gesagt?“
 

„Sie haben sich für mich gefreut!“, Willow überlegte, ob sie sich etwas zu trinken kaufen sollte, als sie plötzlich einen ziehenden Schmerz in ihrem Magen spürte.
 

Gretchen setzte ein freundliches Lächeln auf: „Wie schön für dich.“, sie atmete tief durch, „Bei der Organisation scheint ja alles glatt gegangen zu sein, auch wenn ich mir wohl noch den ganzen Abend Gedanken darüber machen werde!“
 

„Ach komm schon, du hast alles gemacht, was du konntest, hab doch einfach ein bisschen Spaß!“, riet Willow ihr und versuchte so aufmunternd wie möglich zu klingen, die Schmerzen in ihrem Bauch ließen langsam nach, dafür begann ihr Kopf zu dröhnen, „Entschuldige mich bitte, ich muss eben auf die Toilette.“
 

„Warte, eine Sache noch.“, Gretchen hielte sie zurück, sie zögerte ein bisschen, bis sie ihre Frage stellte, „Was hältst du von dem Song? Meinst du, er passt nicht?“
 

„Nein, nein er ist toll!“, log Willow, bevor sie endgültig verschwand.
 

“Look around you, take a good look

And tell me what you see

Are you sure that this is where you want to be?”
 

“Hat einer von euch noch mal Kontakt mit Giles gehabt?“, fragte Buffy besorgt, während sie an ihrem Drink nippte, „Bei mir hat er sich seit drei Tagen nicht mehr gemeldet!“
 

„Also ich weiß, dass er heute einen Termin mit einem Wächter hatte, Fraser hieß er, glaube ich. Das hat Willow mir zumindest erzählt!“, Kennedy studierte die Getränkeliste, „Wie ist es bei euch in Italien eigentlich gelaufen?“
 

„Oh ganz gut, wir haben die meisten Wächter dort von unserer Sache überzeugen können! Allerdings muss ich fairer Weise sagen, dass das meiste davon Andrews Verdienst war.“, Buffy guckte sich um, doch Andrew war offensichtlich nicht mehr da, vermutlich war er zum Buffet gegangen, „Und wie sah es bei euch aus?“
 

„Leider eher mager.“, schaltete Xander sich ein, „Mr. Westmann hatte schon einen „hohen Gast“ aus England da. Das einzige, was man ihm wohl zu gute halten kann, ist, dass er sich alles, was wir gesagt haben, angehört hat.“
 

“Don't let my tears persuade you, I had hoped I wouldn't cry

But lately, teardrops seem a part of me”
 

Ein besorgter Ausdruck zeichnete sich in Buffys Gesicht ab: “Ich hatte gehofft, dass wir Giles wenigstens ein bisschen Rückendeckung geben könnten.“, sie wandte sich ihrer jüngeren Schwester zu, die gerade zusammen mit Ronah, Faith und Robin vom Buffet zu ihnen stieß, „Dawn, wie ist es bei euch gelaufen?“
 

„Ich bin mir nicht ganz sicher, Mr. Mufume hat sich alles angehört, und ich denke, die Chancen, dass er für Giles stimmen wird, stehen nicht zu schlecht.“, berichtete Dawn.
 

„Auf Mr. O´Bailey können wir wohl leider auch nicht vertrauen, der Tod seiner Frau hat ihn ziemlich mitgenommen.“, ergänzte Faith.
 

Sie und die anderen schwiegen, für einen kurzen Moment.
 

„Dann ist Giles wohl auf sich alleine gestellt, wir haben unser Bestes getan, um ihm zu helfen.“, stellte Buffy fest, „Doch das ist Willows Feier, also lasst uns einfach nicht mehr darüber reden und einen schönen Abend haben.“
 

Die anderen nickten zustimmend.
 

“Oh, look around you, take a good look

At all the lonely used-to-be's

Are you sure that this is where you want to be?”
 

“Wo ist eigentlich Willow? Wollte sie nicht schnell wieder zurückkommen?“, Kennedys Gesichtsausdruck war von Besorgnis gezeichnet.
 

++++
 

England, London,

Rat der Wächter

Emmas Blick war nicht wirklich als kritisch zu bezeichnen, eher als überrascht, doch in ihrer Stimme ließ sie sich nichts anmerken: „Natürlich können Sie zu ihm, Ms. Usher.“
 

Fraser, der hinter ihr stand, schien besorgt zu sein, doch er war Lily mehr oder weniger egal, eine kleine, unbedeutende Figur in ihrem groß angelegten Spiel: „Vielleicht sollte ich wenigstens mit Ihnen zusammen dort hinein gehen, immerhin kann man befürchten, dass er zu grober Gewalt fähig ist.“
 

„Nein, Fraser, das ist wirklich nicht nötig, glauben Sie mir. Ich habe über ein halbes Jahr mit ihm zusammen in einem Haus gelebt, er würde mir nie physischen Schaden zufügen, das ist nicht seine Art. Er ist nicht eines von den Monstern, die wir bekämpfen, er ist etwas viel Schlimmeres, ein Verräter.“, Lily nahm den Schlüssel, den Emma ihr reichte, an, steckte ihn in das Loch. Bevor sie ihn umdrehte, atmete sie noch einmal tief durch, sie musste es wissen, es wäre zu riskant, ihm in der Verhandlung gegenüberzutreten ohne ihn vorher wenigstens einmal gesehen zu haben.
 

Der Raum war kaum beleuchtet, als sie eintrat, und Giles hockte zusammengekauert in der hinteren Ecke. Fraser warf ihr interessierte Blicke nach, also stieß sie die Tür hinter sich zu.
 

Es gibt so viele Dinge, die ich dir unbedingt sagen muss, es war nie geplant, dass es so laufen würde!
 

„Auf diesen Moment hast du wohl ewig gewartet, wie?“, Giles riss Lily aus ihren Gedanken, „Mir endlich ins Gesicht sagen zu können, dass du gewonnen hast? Und wie ist das Gefühl?“
 

Bitte, bitte lass es mich doch erklären! Ich tue das alles doch nicht, um dir weh zu tun, ich wünschte, ich müsste es nicht, doch es gab keinen anderen Weg!
 

„Du bist verletzt!“, war das Einzige, was sie herausbrachte.
 

„Nur ein paar Kratzer, die ich deinen Jägerinnen zu verdanken habe, aber nicht der Rede wert, danke, es geht mir gut!“
 

Oh verdammt, Rupert, warum muss alles so schwierig sein? Wenn du einfach nur akzeptieren könntest, dass die Dinge so sind, wie sie sind…
 

„Soll ich dir Kleidung bringen lassen? Deine scheint etwas in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.“, bat sie ihm an.
 

„Oh ja, danke. Zu aufmerksam von dir. Wir wollen ja nicht, dass unserer Freunde im Rat sehen, wie deine abgerichteten Jägerinnen mit mir umgegangen sind!“
 

Verdammt Rupert, es ist doch auch für mich nicht einfach! Warum kannst du mir nicht einfach ein bisschen entgegenkommen? Ich verlange ja nicht viel, reiche mir nur einen kleinen Finger und du wirst meine ganze Hand kriegen.
 

„Gut, ich werde veranlassen, dass man dir einen Anzug gibt, wenn sie dich gleich zur Verhandlung abholen!“, sie drehte sich um und ging.
 

Warum kann ich nicht die Dinge sagen, die ich dir sagen will? Verdammt, warum nicht?
 

Zumindest wusste sie nun, dass sie ihm noch ins Auge blicken konnte, und das war eigentlich der Grund gewesen ihn zu besuchen. Auch wenn jede Sekunde ein neuer Stoß in ihr Herz war, sie konnte ihre Fassade halten, sie konnte es.
 

Langsam ließ sie den Schlüssel aus ihrer Hand gleiten und vernahm dumpf sein Scheppern, als er auf dem Boden landete. Während sie sich wie von selbst in Richtung des Versammlungssaals bewegte, konnte sie Frasers fragenden Blick förmlich im Rücken spüren, doch es war ihr egal. Für einen Moment war ihr alles egal, doch dann fing sie sich wieder, es gab einen Kampf zu gewinnen.
 

++++
 

Cleveland, College,

Damentoilette

Nein, es ging ihr gut. Wirklich gut. Die Kopfschmerzen waren schon wieder verschwunden.
 

Sie würde sich weder von D’Hoffryn, noch von Lily fertig machen lassen, soviel war sicher. Und erst recht würde sie sich diesen Abend nicht mehr zerstören lassen.
 

Willow hob den Kopf und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Gut, sie sah ein wenig blass aus, und die Augenringe kamen, aber das konnte auch von der Feier kommen. Ihre Freunde wussten ja schließlich, wie nervös es sie machte, vor vielen Leuten reden zu müssen.
 

Hinter ihr öffnete sich die Tür zur Damentoilette und schloss sich mit einem leisen Klacken wieder. Willow wandte sich langsam um und bekam einen kurzen Schreck, als sie plötzlich Andrew im Eingang stehen sah.
 

“Uhm...du weißt schon, dass es hier drin für Jungs verboten ist?“ fragte sie ein wenig empört.
 

“Und wenn schon.“ Andrew zuckte die Achseln. Seine Stimme hatte einen Hauch von Zynismus, als er fortfuhr: “Laut einer gewissen Person bin ich schließlich kein richtiger Junge, sondern ein Alien vom Zuckerwatteplaneten – aber das muss man nicht verstehen,“ fügte er schnell hinzu, als Willow ihn verwirrt ansah.
 

“Ich kann ja im Lexikon nachsehen, unter ’H’ wie Homophobie,“ schlug Willow vor, während sie sich wieder dem Spiegel zuwandte, und ihre Schläfen massierte. Vielleicht wurden die Kopfschmerzen ja leichter, wenn sie ihre Haare aufmachte?
 

Andrew stieß einen Seufzer aus. “Weißt du, dann solltest du auch gleich ’nen Abstecher unter ’I’ machen, wie “Ich tu so, als wär’ alles in Ordnung.“ Oder unter ’W’, wie ’Warum keiner wissen darf, dass es mir scheiße geht.’“
 

“Was soll das?“ fauchte Willow, und fuhr herum, “Mir geht es wirklich gut. Ich habe gerade ein verdammt gutes Zeugnis wiederbekommen und bin endlich mit dem College durch, also hör bloß auf damit, solchen Unsinn zu erzählen!“
 

“Du musst es mir ja nicht sagen,“ wehrte Andrew ab, “ich bin eh’ nicht die geeignete Person dafür. Du solltest lieber mit Buffy reden, mit Xander, oder mit Kennedy. Ich meine nur, die Probleme gehen nicht weg, wenn man die Augen zumacht, und so tut, als wären sie nicht da. Und du kannst auch nicht erwarten, dass die anderen deine Gedanken lesen können!“
 

“Bist du jetzt fertig?“ Willows Stimme bebte, sie merkte kaum, wie ihr die Haarspange aus den zitternden Fingern glitt, und zu Boden fiel.
 

“Schon gut, ich bin ja schon weg,“ beruhigte er sie und hob abwehrend die Hände. Offensichtlich ließen sich nicht alle Leute so bereitwillig Ratschläge erteilen, wie gewisse Vampire.
 

Er wandte sich zur Tür und wollte sie schon öffnen, als sie vorsichtig fragte: “Sag mal... wie kommst du überhaupt auf solche Ideen?“
 

“Welche Ideen?“ fragte er zurück. “Dass es dir mies geht, und du, statt deine Freunde um Hilfe zu bitten, lieber vor dich hin brütest? Hm...wenn ich jetzt sage, ich kenne diese Verhaltensweise von einer gewissen anderen Person, dann krieg’ ich bestimmt einiges von dir zu hören. Also geh’ ich jetzt lieber, damit du...uhm... mit jemandem reden kannst, mit dem du eine...weniger komplizierte Vergangenheit hast.“, er schloss die Tür hinter sich.
 

Es war gut, dass er nicht weiter vordrang, ein weiterer Vortrag über die Ähnlichkeiten zwischen ihr und Warren war nun wirklich das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. In Gedanken hatte sie dieses Thema schon bis zur Genüge durchgekaut und Leute wie D’Hoffryn sorgten ohnehin dafür, dass sie es nicht vergaß.
 

Nein, sie hatte nicht vor, mit überhaupt jemandem zu reden, soviel war sicher. Jetzt war ihre Feier, und alle wollten sich amüsieren und keine Probleme wälzen. Sie hatten schon genug Ärger und Probleme und da wollte sie ihnen nicht auch noch das letzte bisschen Spaß verderben...
 

Einen Schritt in Richtung Tür machte sie noch. Dann knickten die Beine unter ihr weg, und ihr Kopf schien erneut zu explodieren.
 

Unsanft landete sie auf dem kalten Boden. Sie versuchte zu atmen, doch es gelang ihr nicht, obwohl sie nach Hilfe schreien wollte, kam kein einziger Laut aus ihrer Kehle hervor.
 

Mit einem mal öffnete sich die Tür und sie spürte einen frischen Luftzug auf ihrer Haut: „Willow!“, Gretchen trat zu ihr heran und blickte auf sie hinab.
 

Es gelang Willow etwas Luft einzusaugen, sie musste husten: „Bitte, hilf mir!“
 

„Ich dir helfen?“, ihre Stimme klang ungewohnt, so kalt und gehässig, „Wie soll ich dir bitte helfen?“
 

Sie beugte sich über sie, packte ihre Haare und zog sie nach oben, Willow keuchte vor Entsetzen, Gretchens Gesicht hatte sich gewandelt in die Fratze eines Rachedämonen: „Keiner kann dir helfen, nur du selbst!“
 

„Nein!“, kreischte Willow, mit neu gewonnener Kraft riss sie sich los, stieß die Tür auf und floh in den Gang. Nirgendwo waren Leute, der ganze Gang war wie ausgeleert. Sie stolperte, die Tür zum Ballsaal, in dem ihre Freunde waren, war ganz nah.
 

Mit ihren zittrigen Beinen und Armen gelang es ihr sich wieder aufzurichten, sie blickte über ihre Schulter und sah, wie Gretchen langsam aus der Toilette heraus trat.
 

Endlich erreichte sie die Tür und stieß sie auf, doch auch der Ballsaal war wie leer gefegt. Das war nicht möglich, wo waren all die Leute? Wo waren ihre Freunde?
 

„Du bist allein, wann merkst du es endlich?“, Gretchen stand mit einem Mal neben ihr, „Niemand kann dir helfen, niemand kann dich verstehen, außer dir selbst!“
 

„Was willst du? Was soll ich mir wünschen? Du musst ja ein ziemliches Interesse an mir haben, wenn du dich so lange mit mir beschäftigst!“, schrie Willow sie an.
 

„So tapfer von dir, doch das wird dir nichts nützen. Denn letztendlich gibt es für dich nur eine einzige Wahl. Nicht ich bin es, der an dir interessiert ist, doch das weißt du längst.“, sie war nun ganz nah an ihrem Gesicht, „Nimm sein Angebot an! Nimm das Angebot an, oder die Schmerzen werden dich zerstören!“
 

Plötzlich begann der Ballsaal sich um sie herum aufzulösen, Gretchens Lachen hallte in ihrem Schädel wieder, als sie eine neue Welle von Schmerzen überkam.
 

++++
 

England, London,

Rat der Wächter

Der Anzug passte wie angegossen, und was ihn noch mehr erschreckte, er wusste genau, was Lily damit sagen wollte: Ich kenne dich, ich weiß, was du tun wirst und ich weiß, wie ich alles, was du tun wirst, umkehren kann.
 

Es war erschreckend, fast so erschreckend wie ihr leerer Gesichtsausdruck, als sie mit ihm gesprochen hatte, er hatte wirklich gedacht, dass es ihr etwas ausmachen würde, ihm gegenüber zu treten, doch scheinbar hatte sie alle Schuldgefühle abgelegt, wenn sie überhaupt jemals welche gehabt hatte.
 

Er hatte nicht gedacht, dass sie das alles so kalt ließ, und auch wenn er ein verdammter Narr sein musste, etwas in ihm hatte gehofft, dass er ihr wenigstens noch etwas bedeuten würde, aber offensichtlich hatte er sich in ihr getäuscht - nicht zum ersten Mal.
 

Die schwere Holztür öffnete sich und gab den Blick auf die versammelten Wächter frei, sie warfen ihm interessierte Blicke entgegen, er war der Angeklagte, das Monster. Er erwiderte die Blicke nicht sondern schaute erhobenen Hauptes gerade aus, ohne auch noch einen einzigen mit seinem Blick zu streifen.
 

Er nahm Platz auf dem Stuhl, den man in der Mitte des Raumes aufgestellt hatte. Der Stuhl war zwar nicht sonderlich bequem, aber vermutlich konnte er froh sein, dass Lily keine Fesseln hatte anmontieren lassen.
 

Lily hatte einen Platz zwischen den anderen Wächtern, ein geschickter Schachzug, sie war einer von ihnen, nicht wichtiger als sie, sie sollten nicht denken, dass sie nur mit ihnen spielte, zumindest mit denen, die das Spiel nicht selbst durchschauten und bereits eingestiegen waren.
 

Er warf einen kurzen Blick in die Runde, doch das Gesicht, das er suchte, konnte er nicht ausmachen. Doch auch noch einige andere fehlten, wie Giles erschrocken feststellte, wo war Belussci? Wo…
 

„Meine Damen und Herren, willkommen!“, George L. Martin erhob sich, „Ich habe die Leitung der heutigen Sitzung übernommen. Leider muss ich mitteilen, dass einige der internationalen Vertreter wegen der Vorverlegung der Verhandlung nicht mehr rechtzeitig erscheinen konnten, es wurde daher entschieden, ihre Stimmen an ihre nächsten Nachbarn abzugeben, so wird zum Beispiel Daniel Westmann aus Deutschland für seine Kollegen aus Italien und Österreich, die leider verhindert waren, abstimmen. Nun ja, hiermit erkläre ich die Verhandlung gegen Rupert Giles wegen Hochverrates als eröffnet! Die Anklageschrift bitte!“
 

Lenhardt, der neben ihm saß, stand auch auf und räusperte sich, dann begann er die Anklage zu verlesen: „Rupert Giles wird zur Last gelegt gegen die Interessen des Rates seine eigenen Ziele verfolgt zu haben, indem er versuchte die Kontrolle des Rates an sich zu reißen. Als dies fehlschlug, nutzte er die ernste momentane Lage aus, um erneut eine Intrige im Rat zu beginnen, ohne dabei Rücksicht auf mögliche Auswirkungen seiner Handlungen zu nehmen.“
 

Gleichzeitig:
 

Das war seine letzte Chance und er wusste es. Er würde kämpfen, kämpfen wie ein wildes Tier, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Warum konnte er nicht einfach aufgeben? Das würde alles so viel einfacher machen. Warum zwang das Schicksal sie in diesen Kampf? Einen Kampf, aus dem sie nicht als Sieger hervor gehen würde, selbst wenn sie ihn gewinnen würde.
 

„…auf mögliche Auswirkungen seiner Handlung zu nehmen. Ihm wird weiterhin Verschwörung mit unseren Feinden vorgeworfen, sowie der leichtfertige Umgang mit dem Leben derer, die er seinem Eid nach schützen sollte. All dies resultiert aus seinem Drang nach Macht und ist somit schärfstes zu verurteilen!“, Lenhardt beendete die Anklageschrift und übergab wieder an Martin.
 

Lilys alter Freund wartete für einen Augenblick, als wollte er die Vorwürfe erst einmal nachwirken lassen, dann erteilte er Giles das Wort: „Der Angeklagte möge nun sprechen!“
 

Und das würde er, es würde ein entsetzlicher letzter Aufschrei sein, Lily konnte sehen, wie er sich bereit machte, bereit für seinen Angriff, er würde alles geben, um sie zu zerstören. Langsam stand er auf: „Danke!“
 

Das war das Einzige, was er sagte, elendige Momente der absoluten Ruhe erfüllten den Saal, langsam begann es Lily unangenehm zu werden, sie warf George einen signalisierenden Blick zu, doch ihre Sorge war unbegründet, nach einer halben Ewigkeit, wie es ihr schien, setzte Giles erneut an: „Danke, dass ich das Recht habe zu sprechen.
 

Oh nein, ich sehe das nach dem, was in den letzten Wochen geschehen ist, wirklich nicht mehr als Selbstverständlichkeit an. Das Recht zu sprechen, es ist in diesen Tagen wirklich rar gesät. Ich wollte sprechen, doch man hat mir den Mund verboten, ich wollte erklären, doch man hat mich nicht erklären lassen. Für diese ganze Zeit durfte nur eine Version der Wahrheit an ihre Ohren kommen“, er erhob seinen Finger und richtete ihn auf Lily, „Ihre Wahrheit. Was könnte ich jetzt noch berichten, um diese Wahrheit umzustoßen?
 

Ich bitte Sie alle, objektiv zu werten, doch die Frage, die Sie sich stellen sollten ist, ob Sie das wirklich können. In wie weit wurden Sie vorher beeinflusst? Sind Sie überhaupt noch fähig, objektiv zu werten? Ist es nicht vollkommen egal, was ich erzähle, Sie würden ihm doch keinen Glauben mehr schenken? Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, ich bitte Sie nur, das zu berücksichtigen, was heute hier gesagt wird und nichts darüber hinaus. Ich bitte Sie ihre persönlichen Ansichten über Ms. Usher und auch über mich zurückzulassen und objektiv zu werten, wer im Recht ist. Und nun, nun werde ich ihnen meine Sicht der Ereignisse schildern…“
 

++++
 

Cleveland, College,

Damentoilette

Besorgt hob Buffy die Haarspange vom Boden auf: „Sie ist wirklich hier gewesen, doch wo ist sie jetzt? Sie kann die Toilette nicht verlassen haben, sonst hätte jemand es gesehen!“
 

Die anderen drängten sich um sie herum, sie alle schienen sehr besorgt.
 

„Aber sie kann doch nicht einfach verschwunden sein, oder?“, warf Xander ein, „Ich meine, natürlich können Leute und Dinge einfach so verschwinden, das wissen wir nur allzu gut, doch warum sollte ihr das passieren? Und warum ausgerechnet hier?“
 

„Ist dir vielleicht irgendetwas an ihr aufgefallen in den letzten Tagen?“, wollte Buffy von Kennedy wissen.
 

Kennedy überlegte kurz, natürlich war da die Sache mit den Einstichen gewesen, doch davon konnte sie den anderen nur schlecht erzählen: „Naja, sie hat sich schon ein bisschen komisch verhalten, doch ich dachte, das würde an dem ganzen Stress liegen, immerhin musste sie sich um die Aufgaben von Giles kümmern und dann kamen noch die ganzen Vorbereitungen für die Feier hier zusammen mit Gretchen…“
 

„Gretchen? wer ist Gretchen?“, fuhr Faith auf, „Braune Haare? Pferdeschwanz?“
 

„Ja, wieso, kennst du sie?“, Kennedy war erstaunt.
 

Faith Miene wurde noch besorgter: „Das kann man wohl sagen! Sie ist eine Rachedämonin!“
 

„WAS?“, entfuhr es Buffy und Kennedy zur gleichen Zeit.
 

„Das ist nicht möglich, sie ist mit Willow befreundet, offenbar schon das ganze Semester lang!“, erklärte Kennedy, „Obwohl, ich hatte ein ungutes Gefühl in ihrer Gegenwart.“
 

„Das kann doch nicht sein! Wir haben ein ganzes Jahr lang nicht gemerkt, dass Willow mit einer Rachedämonin befreundet war?“, wunderte sich Buffy, ein schlechtes Gewissen schwang in ihrer Stimme mit.
 

„Scheinbar ist es nicht das Einzige, was ihr nicht an ihr bemerkt habt.“, Andrew trat durch die Tür.
 

++++
 

Irgendwo,

Irgendwann

Dunkelheit lag um sie herum und eine vollkommene Leere. In ihrer Magengegend fühlte sie ein unangenehmes Ziehen, beinahe so, als ob sie mit hoher Geschwindigkeit nach oben flöge. Aber da es um sie herum keine Anhaltspunkte gab, konnte sie es nicht feststellen.
 

Das Dunkel wurde heller, lila, und weinrot, durchmischt mit lavendelfarbenen Schwaden. Ein rotvioletter Himmel spannte sich über sie ein Himmel mit Wolken aus dunklem Purpur hinter denen das Licht glühte. Eine Sonne besaß er jedoch nicht.
 

Sie befand sich auf einer gewaltigen Terrasse, die hoch über einem Meer aus glühender Lava zu schweben schien. Das Meer verlor sich in der Ferne, wo es am Horizont mit dem Purpurhimmel verschwamm, ein Ufer war nicht zu erkennen. Als sie sich umwandte, erkannte sie, dass ihre Terrasse jedoch nur eine von vielen war, steinerne Treppen führten zu weiteren Terrassen und Anhöhen nach oben und nach unten. Es war ein gewaltiges Bauwerk aus vielen verschiedenen Ebenen, wie die Blätter einer mächtigen Staude.
 

Wo war sie hier gelandet? Sie hatte bereits eine Vermutung...und diese verhieß nichts Gutes.
 

Zögernd machte sie einige Schritte auf die Treppe zu, die ihre Ebene mit der nächst höheren verband. Sie konnte sich ganz normal bewegen, und auch die Luft atmen, obwohl diese sehr heiß und drückend war.
 

Ob sie ihre Magie hier verwenden konnte? Probeweise versuchte sie einen einfachen Lichtzauber, und er gelang. Doch bevor sie Erleichterung darüber verspüren konnte, erfasste sie eine erneute Welle des Schmerzes, und es war ihr nicht möglich, sich zu konzentrieren. Sie taumelte auf die Treppe zu, und hielt sich an deren Geländer fest, um nicht zu stürzen.
 

Sie horchte, aber um sie herum war es vollkommen still. Kein Geräusch durchdrang die brütende Hitze der Zeitlosigkeit, selbst das gleichförmige Zischen der Lava schien sich auf seltsame Weise mit der drückenden Atmosphäre zu verbinden, und darin unterzugehen.
 

Die Lava war hier so allgegenwärtig wie ein Wasserspiel. Sie sprühte aus den Mündern starrer Krokodile, schlängelte sich in gewundenen Bahnen die Wege entlang, und durchströmte die feinen Linien auf den Panzern der beiden mächtigen Wasserschildkröten, welche den vor ihr liegenden Torbogen bewachten. Am Ende ihrer Reise würde die glühende Flut zurück ins Feuermeer fließen, dem sie entstammte. Alles kehrte immer zum Anfang zurück...
 

"Sei nicht so nervös, Kindchen!" Eine betont fröhliche Stimme riss Willow aus ihrer Erstarrung. "Geh einfach rein, er wird sich freuen, dich zu sehen."
 

Gretchen war vor ihr aufgetaucht, sie stand auf der nächst höheren Terrasse hinter dem Schildkrötentor. Ihr Sari schleifte über die Treppenstufen, als sie hocherhobenen Hauptes auf Willow zuschritt. Eine Stufe über ihr blieb sie stehen, und blickte mit wohlwollender Herablassung auf ihre menschliche Freundin hinunter. Sie legte eine Hand auf Willows Arm, und schob sie sanft an, als habe sie es mit einem störrischen Kind zu tun.
 

“Lass mich in Ruhe!“ Willow riss sich los, und sah sie mit funkelnden Augen an. “Wage es nicht noch mal, mich anzufassen, sonst...“ Sie hob drohend die Hand und ließ ein paar kleine Blitze zwischen ihren Finger knistern.
 

“Also wirklich, behandelt man so eine Freundin?“ gab Gretchen empört zurück. “Aber wie du meinst, ich hab’ eh keine Zeit, mit dir zu plaudern, ich hab’ zu tun. Mit einem Fingerschnippen verwandelte sie sich wieder in eine modern gekleidete junge Frau des 21. Jahrhunderts. Theatralisch wedelte sie noch einmal mit den Armen, bevor sie in einem wirbelnden Feuerstrudel verschwand.
 

Willow seufzte tief auf, und ging die restlichen Stufen nach oben, um den Torbogen zu durchschreiten. Sie hatte also Recht gehabt mit ihrer Vermutung. Dies war D’Hoffryn’s Welt, womöglich befand sie sich in seinem Palast.
 

Er hatte sie hier hergebracht, um...was? Mit ihr zu reden? Sie zu zwingen, sein Angebot anzunehmen? Sie gefangen zu halten?
 

Als sie weiterging, wurde es dunkel um sie herum. Über den hinteren Teil der Terrasse wölbte sich ein gewaltiges Becken in Form einer Orchidee. Es war bis obenhin mit Lava gefüllt, die in feurigen Blutspuren zwischen den schwarzen Blütenblättern hinunterrann, und sich in den Vertiefungen eines Bodenreliefs sammelte. Das Bild stellte die Zerstörung einer biblischen Stadt dar, deren Namen sie leider vergessen hatte, doch es war auch ohne Belang.
 

“Willow, meine Liebe.“ D’Hoffryn’s Gesicht tauchte in der Glut auf, mitsamt einen selbstzufriedenen Lächeln darüber. "Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde: ‘Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen!‘ Und du weißt ja, wie sehr ich das Lügen verabscheue."
 

Wie üblich triefte seine Stimme vor Sarkasmus, doch sie hatte nichts anderes erwartet. Betont gleichmütig stieg sie die letzte Treppe nach oben, und stand nun direkt vor ihm. Er musterte sie, versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, doch sie wusste, dass es nichts über ihre aufgewühlten Emotionen verriet. Kannte er sie gut genug, um das Inferno dahinter zu sehen?
 

"Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?" Einladend deutete er auf das Becken, über welches violette Schwaden zogen, ähnlich, wie die Wolken an diesem seltsamen Himmel.
 

“Du kannst dir deine Spielchen sparen,“ entgegnete Willow ruhig. Auf keinen Fall würde sie jetzt die Nerven verlieren. Ob in ihrer Dimension, in seiner, oder in irgendeiner anderen...sie hatte D’Hoffryn ihre Antwort gegeben, und sie würde sie nicht ändern.
 

“Gut, kommen wir gleich zum Punkt.“ Genussvoll streckte sich der Rachedämon in der feurigen Glut aus, winzige Flammen umzüngelten seinen gehörnten Kopf. “Ich bin nicht zufrieden mit deiner Antwort, und...oops!“ Er wich einem Eiskristall aus, welcher nahe an seinem Kopf vorbeischoss.
 

“Gefällt dir diese Antwort vielleicht besser?“ fragte Willow kalt. Feiner Dunst stieg von ihren Händen empor. “Beim nächsten Mal ziele ich nicht vorbei!“
 

“Wag es nicht, die Hand gegen mich zu erheben,“ schrie D’Hoffryn, und schlug mit der Faust in die Lava, so dass sie glühend aufspritzte. Willow stieß einen Schmerzensschrei aus und kleine Brandwunden bildeten sich an ihren Händen. Wie war das möglich? Sie stand doch gar nicht nahe genug bei ihm, die Spritzer hätten sie gar nicht treffen dürfen...
 

“Also du bist für das alles verantwortlich,“ fauchte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. “Du schickst mir diese Schmerzen, um mich in deine Gewalt zu bekommen. Aber es wird dir nicht gelingen!“
 

Sie konzentrierte sich trotz der Schmerzen und schleuderte weitere Eiskristalle auf den Dämon, diesmal zielte sie direkt auf ihn. Dem ersten Angriff wich er aus, doch dann krachte ihm das Eis mitten ins Gesicht, und er ging unter.
 

Im nächsten Moment wurde Willow von der Wucht eines ihrer eigenen Kristalle zurückgeschleudert, und stürzte die Treppe hinunter. Rasender Schmerz breitete sich in ihrem gesamten Körper aus, doch er brach plötzlich ab, als sie mit dem Kopf gegen eine Steinstufe kracht. Erneut wurde es dunkel um sie herum.
 

++++
 

England, London,

Rat der Wächter

Die Beweisaufnahme war weit fortgeschritten, und Giles war zäher, als sie es erwartet hatte. Auch wenn es sie sehr verwirrte, musste sie sich eingestehen, dass sie so etwas wie Stolz für ihn empfand. Sie wollte es nicht und dennoch musste sie zugeben, dass er ihr in diesem Moment ohne weiteres das Wasser reichen konnte. Als hätte er von ihr gelernt. Es würde interessant werden.
 

Seine Beweise hatte er fast so souverän vorgetragen, wie Lily und die anderen ihre, es war ihm gelungen einige ihrer Behauptungen als nicht richtig herauszustellen, doch es waren nur kleine Dinge gewesen, die das ganze nicht wirklich gefährdeten. Dennoch, bei zu vielen Rissen, egal ob groß oder klein, gibt das beste Fundament nach. Vielleicht war ihr perfekter Plan doch nicht so "perfekt", wie sie geglaubt hatte und alles nur, weil sie Rupert unterschätzt hatte.
 

Allerdings musste man sehen, dass die Version der Ereignisse, die er dem Rat präsentierte zwar natürlich, da sie der Wahrheit entsprach, in sich schlüssig war, doch er hatte bei weitem nicht genug Beweise um sie wirkungsvoller zu unterbauen. Ein äußerst wackliges Fundament.
 

Und dennoch, das war es nicht wirklich, worauf es in dieser Verhandlung ankam, es ging viel mehr um den Eindruck, den man hinterließ und Giles hatte mit seiner Rede einiges für sich herausgerissen. Er hatte sie an ihre Unabhängigkeit erinnert, daran, dass sie ihr eigenes Urteil fällen mussten, ein überaus geschickter Schachzug. Er appellierte an ihren Verstand sich selbst zu fragen, was sie zu ihrem Urteil brachte. Das war es, was Lily am meisten Sorgen bereitete, wenn die anderen darauf anspringen würden, könnte es das Ergebnis der Verhandlung von Grund auf verändern.
 

„…hier sehen wir Mr. Giles, wie er mein Haus betritt.“, Fraser war gerade bei seiner Aussage, er sollte belegen, wie Giles versucht hatte die Wächter gegen Lily aufzuwiegeln, hoffentlich war das Video gut geworden.
 

Sie konnte sich nicht wirklich auf das Video konzentrieren, immer wieder musste sie Giles anschauen, er schien gerade krampfhaft zu überlegen, ob er bei Fraser irgendetwas getan oder gesagt hatte, dass gegen ihn ausgelegt werden könnte.
 

Vermutlich war er sich mehr als bewusst, dass ihr Blick auf ihm lastete, doch er tat so, als ob es ihn kein bisschen interessierte.
 

„Gut, ich danke Ihnen. Nun ja, wo soll ich anfangen? Mrs. Usher treibt ihr eigenes grausames Spiel mit dem Rat.“, begann Giles auf dem Video seine Ausführung, verdammt, er hatte bestimmt keinen Fehler gemacht.
 

Mit einem Mal wendete er seinen Kopf und sah sie direkt an, in seinem Blick lag Hass und zurückgekehrter Kampfgeist, doch das war nur die Oberfläche, Lily wusste, dass dies das war, was er ihr zeigen wollte, doch da war noch mehr in seinen Augen. Sie sah eine unbeschreibliche Verletztheit, die ihr fast den Atem raubte und einen Funken von etwas, das sie nicht genau bestimmen konnte. Vielleicht enttäuschte Liebe? Nach allem?
 

++++
 

Irgendwo,

Irgendwann

Als sie wieder zu sich kam, hörte sie den lauten Schrei eines Mädchens, doch sie wusste, dass nicht sie selbst es war, die geschrieen hatte. Sie lag immer noch auf der Treppe, es mochten nicht mehr als ein paar Sekunden vergangen sein.
 

“Ich dachte, du wolltest niemanden mehr umbringen,“ sagte D’Hoffryn gehässig, während sie sich mühsam hochrappelte. “Fast hättest du es nämlich geschafft.“
 

Er wedelte kurz mit der Hand.
 

Die violetten Schwaden glitten beiseite, und gaben den Blick auf eine kleine steinerne Plattform in der Mitte des Beckens frei. Dort lag ein gefesseltes junges Mädchen, ihre Augen voll Angst. Ihr Knebel war verrutscht, und so wusste Willow sofort, dass sie diejenige war, die geschrieen hatte.
 

Auf ihren Armen und Händen waren Brandwunden, genau, wie auf den Armen und Händen von Willow. Ihre Wange blutete dort, wo Willows Eiskristall sie erwischt hatte, genau wie die Wange der Hüterin.
 

“Oh Göttin, das...das wollte ich nicht,“ stammelte die Hexe verzweifelt. “D’Hoffryn, du mieses Scheusal,“ schrie sie. “Du hast die Jägerin als lebenden Schild benutzt!“
 

“Ich war nicht derjenige, der kämpfen wollte!“ D’ Hoffryn hob eine Hand, die noch von Lava tropfte und hielt sie über das Bein des Mädchens. Willow macht sich auf den nächsten Schmerz gefasst, doch er zog seine Hand rechtzeitig zurück. “Mir scheint, du hast bereits verstanden, wie es funktioniert,“ erklärte er.
 

Willow versuchte zu begreifen, auch wenn die Schmerzen kaum einen klaren Gedanken zuließen. Hatte D’Hoffryn die Jägerinnen in seine Dimension gebracht, um sie zu foltern, und ihr dadurch Schmerzen zu verursachen? Kannte er einen Zauber, der die Schmerzen der Jägerinnen auf sie übertrug? Oder hatte die Dimension von Arashmaharr automatisch solche Auswirkungen, und er nutzte sie nur aus?
 

Nein, das war nicht möglich. Keine der anderen Jägerinnen war in Arashmaharr gewesen. Sie waren in Silent Hill, oder in Boston, oder meinetwegen am Nordpol gewesen, aber nicht in anderen Dimensionen. Damit hatte es nichts zu tun, oder doch?
 

“Willst du tatsächlich eine Hüterin bleiben?“ fragte D’Hoffryn, und diesmal zog er seine Hand nicht zurück, ein Tropfen der glühenden Lava brannte eine Wunde in Willows Haut, und die des Mädchens. “Wie lange willst du das noch mitmachen? Ein Leben lang? Dein Leben wird nicht mehr sehr lange dauern, das ist dir doch klar, oder? Selbst, wenn ich dieses Mädchen verschone, ein anderes wird sterben, und wieder eines. Und noch eines. Und bald wirst du auch in deiner Heimatdimension alle ihre Schmerzen genauso deutlich fühlen, wie du es hier tust. Wie lange wirst du durchhalten, sag mir das? Wie lange? Selbst wenn du für eine Weile noch genügend Kraft hast, deine Wunden zu heilen, irgendwann ist auch deine Kraft verbraucht!“
 

“Warum?“ schrie Willow, und diesmal gelang es ihr nicht, das Schluchzen in ihrer Stimme zu unterdrücken. Tränen liefen über ihre Wangen, aber ihre Hände schmerzten zu sehr, um sie wegzuwischen. “Warum tust du das, was hast du überhaupt davon? Du weißt doch ganz genau, dass man durch Zwang und Erpressung niemanden zwingen kann, ein Rachedämon zu werden! Derjenige muss es freiwillig wollen! Sonst ist es überhaupt nicht möglich!“
 

Eine weitere Welle des Schmerzes überkam sie, und wieder wurde es dunkel.
 

++++
 

England, London

Rat der Wächter

Was wollte sie ihm sagen? Ihr direkter Blick war ihm unangenehm, doch er zeigte ihr auch, dass sie nicht mehr ganz von ihrem Sieg überzeugt war, verlorene Hoffnung begann neu zu keimen. Er konnte es schaffen und er hielt noch ein Trumpf bereit.
 

Doch in ihrem Blick lag noch etwas anderes, etwas, das er vorher nicht gesehen hatte, sie versteckte es gut, und dennoch war es da. Reue. Etwas in ihren Augen schien zu sagen: „Verzeih mir, bitte verzeih mir!“
 

Auf eine komische Art und Weise verschaffte ihm das einen kleinen, eigenen Triumph, egal wie unantastbar sie sich auch gab, das alles hier ging nicht spurlos an ihr vorbei, und vielleicht, nur vielleicht hätte er, bevor das hier alles endete, noch die Chance das zu seinem Vorteil zu nutzen.
 

Wer von ihnen beiden wohl als erstes den Blick lösen würde? Er würde sich alle Mühe geben nicht derjenige zu sein, der es tat, es wäre eine Zeichen von Schwäche und das war das, was er sich ihr gegenüber am wenigsten leisten konnte.
 

Sie schien den Triumph in seinen Augen zu bemerken und begann unruhig zu werden, er konnte ihr Verlangen, den Blick zu lösen, beinahe spüren, und dennoch blieb sie standhaft.
 

Fraser war gerade dabei irgendetwas an Hand des Filmes zu erklären, den er aus diesem Zweck angehalten hatte, doch weder Giles noch Lily schenkten ihm Aufmerksamkeit, es galt eine wichtigere Schlacht auszufechten.
 

Gleichzeitig:
 

Sie musste ihm standhalten, sie durfte nicht nachgeben. Das wollte er nur.
 

Wenn er schon ihre Schwäche gesehen hatte, dann sollte er sie wenigstens nicht verlieren sehen. Aber auch er würde nicht aufgeben.
 

Fraser beendete seine Ausführungen: „Und somit ist eindeutig belegt, auf welch perfide Art und Weise Mr. Giles versucht die Mitglieder des Rates gegeneinander auszuspielen. Jedem von uns hier sollte klar sein, dass dies vor allem in diesen Zeiten nicht tolerierbar sein kann und ist. Wir haben einfach nicht die Zeit um uns zu streiten, und genau das ist es, was Mr. Giles versucht, einen Streit anzufangen, er versucht unsere Einheit zu zerstören. Lassen Sie das bitte nicht zu. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit!“, unter verhaltenem Applaus nahm er Platz. Zeigte das etwa schon die allgemeine Stimmung an? Für einen Moment löste Lily den Blick, ohne dass ihr wirklich klar war, was sie tat. Als sie es merkte, war es schon zu spät.
 

„Dies war der letzte Zeuge, damit wird die Beweisaufnahme geschlossen.“, verkündete George, „Es sei denn, Mr. Giles will eine Gegendarstellung abgeben.“
 

Der Triumph in Giles Augen hatte einen neuen Höhepunkt erreicht, als er sich wieder George zuwand: „Wenn Sie gestatten, würde ich das gerne in mein Plädoyer einfließen lassen.“
 

„Nein, ich denke nicht, dass dagegen etwas einzuwenden ist.“, George blickte zuerst Lenhardt und dann Lily fragend an. Sie reagierte nicht einmal, sie fixierte Giles, den das jedoch nicht mehr im Mindesten zu stören schien, auf ein weiteres Duell würde er sich nicht mehr einlassen. Das erste hatte er bereits gewonnen.
 

„Gut, dann kommen wir jetzt zum Plädoyer, Mr. Giles, Sie haben das Wort.“, George nickte, als ob er ihnen allen zu verstehen geben wollte, dass es gleich geschafft wäre.
 

„Danke!“, langsam erhob er sich und blickte in die Runde, er schien jeden einzelnen von ihnen für einen kurzen Moment zu fixieren, bevor er zu sprechen begann, „Wissen Sie, was ich sehe, wenn ich in Ihre Gesichter schaue? Ich sehe keine neutralen Richter, die mich verurteilen oder freisprechen werden, ich sehe eine Organisation, die sich um jeden Preis vor Neuerungen schützen will. Ich sehe die Mitglieder dieser Organisation, denen die Wahrheit nichts bedeutet, sondern nur alte Traditionen, und die für diese über Leichen gehen würden.“
 

Er drehte sich langsam um und sein Blick traf sich erneut mit Lilys: „Machen wir uns nichts vor, die Frage, über die Sie entscheiden werden, wird nicht sein, wer Recht hat, ich oder Mrs. Usher, sondern wessen Ansichten eher zu Ihren eigenen passen. Sie werden eine Entscheidung treffen zwischen einer Anpassung an die neuen Regeln und der bedingungslosen Beibehaltung der alten Traditionen. Ich kann nur an Sie appellieren, sich der Wahrheitsfindung zu verpflichten und nicht Ihrer eigenen Meinung, doch wie könnte ich in dieser zur politischen Phrase verkommenen Verhandlung erwarten, dass sich noch irgendjemand für die Wahrheit interessiert? Ich kann darauf hoffen, ich kann Sie bitten es zu versuchen, doch glauben, glauben daran kann ich nach allem, was in den letzten Wochen geschehen ist, nicht mehr.“
 

Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, keiner wagte auch nur die kleinste Bewegung. Er ging wirklich äußerst geschickt vor, indem er ihnen vorhielt parteiisch zu sein, was sie zweifellos auch waren, er appellierte an ihr Gewissen und schaffte Sympathien. Wirklich äußerst geschickt.
 

„Ja, wie Mr. Fraser richtig feststellte, ja, ich habe versucht die Wächter überall auf der Welt von meiner Unschuld und von Lilys Schuld zu überzeugen, doch warum sollte ich nicht die gleiche Chance haben wie sie auch? Wenn Sie alle nur Lilys Version des ganzen kennen, wie soll ich Sie da noch von der Wahrheit überzeugen können? Ich bitte Sie, zu bedenken, dass Ms. Usher hier in England genau das Gleiche getan hat und ich hoffe, dass Sie mir dies nicht zu meinem Nachteil auslegen.“, sein Blick haftete immer noch hier, für einen kurzen Moment huschte etwas, das entfernt nach einem Lächeln aussah, über sein Gesicht, es schien zu sagen: Ich habe den Speer umgedreht; nun mach dich bereit für den Stoß, denn er wird hart sein.
 

Er atmete kurz durch und fuhr dann fort: „Nun ja, es ist eigentlich alles gesagt worden, was gesagt werden musste, nur eins noch - eine letzte Sache.“, er legte eine theatralische Pause ein, seine rechte Hand glitt unter sein Hemd, „Bevor Sie ihr Urteil fällen, möchte ich, dass sie-“, er zog etwas hervor, „-dass Sie Ms. Ushers wahres Gesicht sehen!“
 

Die Maske! Wie zur Hölle hatte er sie hier hinein bekommen? Beinah hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen, verdammt!
 

„Unter dieser Maskierung tötete sie zwei unschuldige Mädchen, mit magisch veränderten Pfeilen, die armen Dinger hatten nicht die geringste Chance. Was sagst du, Lily?“
 

Alle Blicke im Raum waren nun auf sie gerichtet, sie musste reagieren, doch wie? Der Anblick von Vi, die auf sie zugestürmt kam, drängte sich in ihr Bewusstsein: „Ich… Ich habe diese Maske noch nie gesehen!“
 

Gestottert! Wie konnte sie nur gestottert haben? So einen Fehler konnte sie sich nicht leisten, abgesehen davon, dass es auch ansonsten nicht im Entferntesten überzeugend geklungen hatte.
 

„Sehen Sie sie an, sehen Sie mich an und entscheiden Sie aus ihrem Gewissen heraus, wer von uns beiden lügt, nicht wessen politische Ansichten Sie teilen! Mehr habe ich nicht zu sagen, danke!“
 

„Gut,“, George schien sichtlich mitgenommen, selbst er schien gemerkt zu haben, dass sie sich ihrem Sieg bei weitem nicht mehr sicher sein konnten, „Wir werden nun mit der Abstimmung beginnen. Jeder von Ihnen hat eine Stimme, es sei denn, er wurde als Vertreter für einen oder mehrere Kollegen eingesetzt, dann erhält er deren Stimmen zusätzlich zu seiner eigenen. Wir werden Sie der Reihe nach aufrufen und Sie können entweder auf schuldig oder nicht schuldig plädieren. Aufgerufen werden Sie zuerst nach der Anzahl der Stimmen, die Sie haben, dann nach alphabetischer Ordnung. Mr. Lenhardt, bitte beginnen Sie.“
 

„Daniel Westmann.“
 

Der deutsche Wächter erhob sich, er warf Lenhardt kurz einen unsicheren Blick zu, dann Lily, bevor er ansetzte etwas zu sagen. Hoffentlich hatte Lenhardt ihn vollkommen von ihrer Sache überzeugt, doch wenn Lenhardt sich nicht sicher gewesen wäre, dann würde Westmann jetzt nicht hier sitzen. Immerhin hatte er nun auch die Stimmen von Belussci aus Italien und Lanner aus Österreich: „Nicht schuldig!“
 

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Irgendwo,

Irgendwann

Diesmal erwachte sie nicht auf der Treppe. Als sie die Augen wieder öffnete, lag sie mitten in einem nächtlichen Wald, es war dunkel und eisig kalt um sie herum. Der Boden unter ihr war nass und sumpfig.
 

“Sehr gute Arbeit, Tristen.“ Eine Männerstimme ließ sie hochfahren, aber da sie gefesselt war, konnte sie sich kaum bewegen. Eine Flut langen schlohweißen Haares fiel über ihre Augen, und nahm ihr die Sicht
 

“Ich danke ihnen, Mr. Usher,“ entgegnete eine zweite, etwas jüngere Stimme. “Ich habe ihnen sofort Bescheid gegeben, da dies vermutlich die letzte Hüterin ist.“
 

“Die Letzte?“ Die erste Stimme klang ein wenig amüsiert. “Wir sollten uns nicht zu früh freuen. Aber der Tag wird kommen, an dem der Rat der Wächter von dieser Pest befreit ist. Und das schon bald...“
 

Diese beiden Männer waren Wächter. Wächter des Rats. Ganz genau, wie in ihrer anderen Vision. Es stimmte tatsächlich, es stimmte alles! Die Wächter hatten die Hüterinnen aus dem Weg geräumt, eine nach der anderen. Sie selbst hatten die Unterlagen verschwinden lassen, so dass Hunderte von Jahren später nichts Schriftliches mehr über Hüterinnen existierte. Es war alles eine riesige Verschwörung...
 

Hände griffen nach ihr, packten sie und ließen sie wieder fallen. Für einen Augenblick sah sie das Gesicht eines alten Mannes vor sich, war dies derselbe kühle Blick, den sie von Lily kannte? Die Gesichtszüge waren sich nicht unbedingt ähnlich, aber dann, wer konnte wissen, wie lange diese Begebenheit zurücklag, und welcher von Lilys Vorfahren hier sein grausames Werk vollendete.
 

Diesmal schlug sie nicht auf dem Boden auf, er war nicht hart genug. Sie klatschte mitten in den Schlamm, einen Schlamm, der sie nicht trug. Tiefer, immer tiefer sank ihr Körper in den morastigen Untergrund. Sie konnte weder schreien, noch mit den gefesselten Händen um ihr Leben kämpfen, es war aussichtslos. Selbst wenn die Hüterin, die sie jetzt war, magische Kräfte besessen hatte, so hatte sie sie nicht einsetzen können.
 

Sie hatte die Augen geschlossen, und sich in ihr Schicksal ergeben. Hatte gespürt, wie ihre Kräfte sie verließen, und die Gesichter der anderen Hüterinnen vor sich gesehen, die bereit waren, diese Kräfte und die Bürde der Hüterinnen aufzunehmen.
 

Schmerz hatte sie keinen gespürt, soviel Kraft, geistig oder magisch, war ihrem Körper noch geblieben. Ehe er in den Tiefen der Erde verschwand, und ihr Geist heimwärts flog.
 

Aber der Schmerz kehrte sofort zurück, als sie die Augen aufschlug und sich wieder in Arashmaharr befand.
 

Oder doch nicht?
 

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England, London

Rat der Wächter

Es lief gut für ihn, ob gut genug, würde sich bald zeigen. Viele der Wächter, vor allem die internationalen Vertreter hatte er von seiner Unschuld überzeugen können, doch auf der anderen Seite waren da noch die britischen Wächter, die fast geschlossen gegen ihn standen.
 

Irgendwo bei vierzig Stimmen für ihn und achtunddreißig gegen ihn war er aus dem Zählen heraus gekommen, doch es war nun nicht mehr wichtig, er hatte sein möglichstes getan und konnte nun nur noch abwarten. So oder so, das Ergebnis würde sehr knapp werden. Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Lily, doch sie beachtete ihn nicht. Stattdessen fixierte sie Lenhardt, der das Ergebnis gewissenhaft notierte.
 

„Nicht schuldig!“
 

Sie wusste es genau wie er, die Schlacht zwischen ihnen beiden würde jetzt und hier ausgetragen werden und einer von ihnen beiden würde diesen Raum als Sieger verlassen, egal wie knapp es war.
 

„Schuldig!“
 

Die Aufzählung näherte sich langsam ihrem Ende.
 

„Schuldig.“
 

Giles sah, wie Westmann ihm freundlich zunickte und er erwiderte die Geste, warum hatte Lily gerade ihn teilnehmen lassen, wenn sie sich nicht absolut sicher gewesen wäre, dass er auf ihrer Seite stand? Wie auch immer, es würde sie aufregen, und das verschaffte ihm ein kleines Maß von Genugtuung.
 

„Patrick Zabel.“
 

Das war der letzte, angespannt wartete Giles auf die Antwort des jungen Mannes.
 

„Nicht schuldig.“
 

„Gut, das waren alle Stimmen!“, teilte Lenhardt mit und reichte die Aufstellung an George Martin weiter, der einen kurzen Blick auf sie warf, sich jedoch nichts anmerken ließ, seine Miene blieb regungslos. Es herrschte gespenstische Stille.
 

„Insgesamt zählen wir 133 abgegebene Stimmen. Für nicht schuldig…“, die Anspannung im Raum war kaum noch zu ertragen, als er schließlich, „…liegen genau 66 Stimmen vor, und somit für schuldig 67. Hiermit wird Rupert Giles des Hochverrats gegenüber dem Rat der Wächter für schuldig befunden. Über ein angemessenes Urteil wird abgestimmt werden, sobald die Lage weniger kritisch ist, so lange wird Rupert Giles in der Sicherheitsverwahrung des Rates bleiben.“
 

Eine verdammte Stimme! Warum konnten es nicht wenigstens 10 sein? Es war wie ein Faustschlag in sein Gesicht, er war so nah an einem Sieg gewesen, doch nun war alles wieder verflogen.
 

Für einen kurzen Augenblick sah er zu Lily herüber, ihr schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen, auf jeden Fall war sie alles andere als glücklich.
 

Das konnte doch nicht wahr sein. Nur einen mehr hätte er überzeugen müssen, nur einen einzigen!
 

Emma und eine weitere Jägerin traten von hinten an ihn heran, ohne irgendwelchen Widerstand zu leisten ging er von selbst in Richtung Ausgang.
 

Hinter sich hörte er Lily, die ihre Stimme erhob, es klang, als wäre sie verunsichert: „Nun, da wir hier eine Entscheidung getroffen haben, möchte ich dem Rat einen Vorschlag unterbreiten. Angesichts der momentanen Lage sind die Wächter bewegungsunfähig. Entscheidungen müssen getroffen werden, schnelle Entscheidungen, darum würde ich vorschlagen, so lange, bis diese neue Krise bewältigt ist, die Vollmacht im Rat einer einzigen Person zuzusprechen…“
 

Die Tür schlossen sich hinter ihm.
 

++++
 

Irgendwo,

Irgendwann

Nein, die Schmerzen kehrten nicht zurück. Die Brandwunden auf ihrer Haut waren verschwunden, sie fühlte sich zwar nicht frisch und ausgeruht, aber wieder einigermaßen Herrin ihrer selbst.
 

“Wie mir scheint, hast du nichts begriffen.“ Sie hörte D’Hoffryn nur mit halbem Ohr zu, das Wichtigste war jetzt, irgendwie an die Jägerin heranzukommen, ohne dass diese mit der Lava in Berührung kam. “Ich bin nicht für deine Schmerzen verantwortlich, Willow, ich nicht, und auch niemand sonst. Die Verbindung zu den Jägerinnen ist Teil der Aufgabe einer Hüterin. Nur, wenn sie die Gefühle der Jägerin versteht, kann sie diese zu einem reifen, verantwortungsbewussten Menschen erziehen. Die Wächter allein sind dazu nicht in der Lage. Sie sind für Training und Ausbildung zuständig, nicht für moralische Reife...sie verstehen nicht die tieferen Zusammenhänge...sie sind nur Generäle, welche die Soldaten in die Schlacht schicken...“
 

Willow erstarrte mitten in der Bewegung. Teil der Hüterin? Sagte D’Hoffryn tatsächlich die Wahrheit, oder machte er ihr nur etwas vor?
 

Auf gar keinen Fall konnte sie ihm trauen...
 

“Durch das Ritual sind die Macht und die Bürde der Hüterin auf mich übergegangen,“ sagte Willow ruhig, bemüht, sich nichts von ihrer Angst anmerken zu lassen. “Dieser Verantwortung kann ich mich nicht entziehen!“
 

“Doch, das kannst du.“ In D’Hoffryn’s Stimme schwang jetzt Nervosität mit, und diese ließ Willow aufhorchen. Ein nervöser Dämon war ein gefährlicher Dämon. “Es war nie vorgesehen, dass eine einzige Hüterin für so viele Jägerinnen verantwortlich ist. Diese Aufgabe ist nicht zu bewältigen. Sie wird dich das Leben kosten.“
 

“Manche Aufgaben sind es wert, dafür sein Leben zu riskieren.“ Willow spürte, wie eine gewisse Ruhe in ihre Worte und in ihren gesamten Körper einkehrte. “Buffy tut das, seit sie berufen wurde. Auch eine Jägerin kann nicht vor ihrer Aufgabe davonlaufen.“

“Sie könnte es ohne weiteres, wenn sie jemanden fände, der mächtig genug wäre, ihr zu helfen. Du hast diese Person gefunden. Ein Wort von dir genügt, und du kannst dich vor einem Schicksal retten, dass dir nichts außer dem Tod bringen wird...“
 

’Jetzt,’ dachte Willow. Sie war nahe genug an ihn herangetreten, und er passte nicht auf...
 

Sie riss die Arme hoch, und fühlte, wie ihre Kräfte sie durchströmten. In einer einzigen fließenden Bewegung formten ihre Hände einen Flügel, ein stummes Gebet an die Göttin Hermione, Tochter des Hermes. Unsichtbare Schwingen rauschten und die Jägerin wurde empor gehoben und zu Willow hinübergetragen.
 

Willow fing das erschöpfte Mädchen mit den Armen auf, wandte sich ab und stolperte die Treppe hinunter. Sie hatte keine Ahnung, wo der Ausgang war, aber sie musste jetzt einen ruhigen Ort finden, wo sie ihre Kräfte sammeln konnte. Vielleicht gab es eine Möglichkeit ein Dimensionstor nach Hause zu öffnen. Oder herauszufinden, wo sich eines befand.
 

Sie erstarrte. D’Hoffryn stand unten am Fuß der Treppe und erwartete sie.
 

“Lass uns vorbei!“ Die Drohung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. “Du weißt, dass es keinen Sinn hat.“
 

Innerlich machte sie sich auf einen Kampf gefasst.
 

“Du hättest ewig leben können,“ schrie D’Hoffryn und irgendwo in der Ferne explodierte etwas und eine Lavafontäne schoss in die Höhe. “Du verdammtes störrisches Ding! Warum willst du unbedingt in deinen sicheren Tod rennen, was hast du davon? Was hat die Welt davon, und alle Leute, denen du wichtig bist?“
 

“Du quälst ein unschuldiges Mädchen, um mir deinen Willen aufzuzwingen,“ schrie Willow zurück. “Jetzt erzähl mir nicht, ich wäre dir wichtig! Dir ist nichts wichtig, außer dir selbst! Selbst wenn du behauptest, mich retten zu wollen, ist das nur purer Egoismus, sonst nichts!“
 

D’Hoffryn wandte sich ab und schwieg. Innerlich bebte sie, sammelte er seine Kräfte für einen Angriff? Oder war die Enttäuschung und Niedergeschlagenheit, die sie in seiner ganzen Haltung zu lesen vermochte, wirklich echt?“
 

Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, wandte er sich ihr wieder zu. “Fünf Tage.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Es ist nur fair, dass du es erfahren sollst, wenn ich dich schon nicht vor dir selbst retten kann.“
 

++++
 

Cleveland, College,

Damentoilette
 

Stille herrschte vor, keiner schien zu wissen, was zu sagen war.
 

Xander warf Buffy einen fragenden Blick zu, doch sie erwiderte ihn nicht. Wie war es möglich, dass das alles Andrew aufgefallen war und ihm nicht? Immerhin kannte er Willow schon, seit sie noch klein gewesen waren, und dennoch war ihm das alles entgangen. Selbst zu ihrem Abschluss war er zu spät gekommen, man konnte wohl wirklich nicht behaupten, dass er ihr in letzter Zeit ein guter Freund gewesen war.
 

Es war frustrierend, Buffy hätte am liebsten irgendeinen Vampir zusammengeschlagen, über all die Angelegenheiten mit dem Rat und die Sache mit dem Unsterblichen war sie so blind geworden, dass sie nicht einmal gesehen hatte, wie mies es ihrer besten Freundin ging. Verdammt, sie konnte doch nicht nur einfach hier herum sitzen und darauf warten, dass etwas geschah.
 

Kennedy starrte vor sich hin, natürlich war es ihr aufgefallen, doch es war viel zu spät gewesen, sie hätte sie nicht einfach so davon kommen lassen dürfen mit dieser Ausrede, und nun würde sie sie vielleicht nie mehr wieder sehen. Tränen sammelten sich in ihren Augen.
 

Andrew blickte von einem zum anderen, doch keiner schien irgendetwas sagen zu sollen, sie alle waren noch mitgenommen von dem, was er ihnen berichtet hatte und dabei war wirklich nicht viel dabei gewesen zu erkennen, wie es Willow ging, wenn man nur ein bisschen unter die Fassade blickte, die sie um sich herum aufgebaut hatte.
 

Mit einem Mal gab es einen Knall und der Raum war erfüllt von grellem Licht, Buffy, die zu nah an ihm stand wurde zurückgeworfen, ein Zischen wie ein nicht enden wollender Schrei hallte für einige Sekunden wieder, dann herrschte Stille.
 

In der Mitte des Raums stand Willow, auf ihre Schulter stützte sich ein verletztes Mädchen: „Schnell, jemand muss ihr helfen!“
 

Während Faith das Mädchen übernahm und Robin sein Handy hervorholte, fiel Kennedy, die inzwischen in Tränen ausgebrochen war, Willow um den Hals: „Ich dachte, ich hätte dich verloren!“
 

„Psst ist ja gut!“, Willow lachte aufmunternd, „Ich hätte auch noch ein Wörtchen mitzureden, und so lange ich das hab, wirst du mich nie verlieren!“
 

Nach einer halben Ewigkeit löste sie sich von ihr und machte Platz für Buffy und Xander, die Willow nacheinander in den Arm schlossen. „Warum hast du denn bloß nichts gesagt?“, wollte Xander wissen, „Was immer auch los ist, wir können dir bestimmt helfen.“
 

„Ich wollte euch nicht belasten, doch das ist jetzt alles egal.“, Willow lächelte, „Es ist vorbei!“
 

++++
 

Cleveland,

Wächterzentrale

„Und wieso haben die Schmerzen plötzlich aufgehört?“, wollte Buffy noch mal wissen, und schaute Willow an, die zuvor ihre Geschichte erzählt hatte.
 

„Ich weiß es nicht, es war wie ein `Klick` in meinem Kopf und die Schmerzen waren verschwunden, einfach so!“, sie lächelte, „Ich denke, meine Träume mit den Hüterinnen wollten mir zeigen, wie ich mit den Visionen fertig werden kann, ich verstehe zwar noch nicht ganz, was passiert ist, aber das werde ich bestimmt noch irgendwann. Jetzt bin ich erstmal froh, dass alles vorbei ist!“
 

„Und D´Hoffryn hat dich einfach so gehen lassen?“, fragte Buffy verwirrt.
 

„Ja, er hat wohl keinen Sinn darin gesehen mich weiter dort zu behalten, er wusste, dass ich nie auf sein Angebot eingehen würde.“, Willow zuckte mit den Schultern, „Aber eigentlich ist doch nur wichtig, dass ich lebend dort raus gekommen bin und es mir wieder einigermaßen gut geht, über das „Warum“ kann ich mir später Gedanken machen.“
 

„Schön, dass es dir wieder besser geht!“, pflichtete Xander bei, „Auch wenn du eigentlich hättest wissen müssen, dass wir immer für dich da sind, egal was passiert!“
 

„Das weiß ich doch, aber diese Zeiten im Moment sind so schon schwer genug. Aber lasst uns nicht mehr davon sprechen!“, beendete Willow das Thema, „Gibt es schon was neues von Giles?“
 

„Nein, er hat nur auf den Anrufbeantworter gesprochen, er wollte sich heute noch melden.“, berichtete Faith.
 

„Gut, dann warten wir so lange!“, setzte Buffy fest und warf Xander und Dawn einen raschen Blick zu, die beiden nickten, das alles schien Willow zu entgehen.
 

Die Tür öffnete sich und Robin trat ein: „Ich habe gerade im Krankenhaus angerufen, Marie, der Jägerin, die mit Willow gekommen ist, geht es den Umständen entsprechend gut!“
 

„Das ist gut!“, Willow lächelte, auch wenn ihre Gedanken an das Mädchen, das D´Hoffryn ihretwegen getötet hatte ihre Gedanken verschatteten. Wer sie wohl gewesen war und woher sie wohl gekommen war? Sie würde es vermutlich nie erfahren, ein sinnloses Opfer, wie so viele.
 

„Gut, ich denke, dann werde ich wohl nach Hause fahren, etwas Schlaf wird mir gut tun. Kennedy, kommst du mit?“, Willow stand auf.
 

„Nein.“, riefen Buffy, Xander und Dawn auf einmal.
 

Willow starrte ihre Freunde irritiert an: „Was wird hier denn gespielt?“
 

„Psst, es soll eine Überraschung werden!“, erklärte Buffy entschuldigend, mit einem verschmitzten Ausdruck im Gesicht.
 

Später, ca. 22 Uhr
 

Willow schreckte kurz hoch, als die Türklingel laut durch das Haus schrillte, wollte schon aufstehen, um sie zu öffnen, wurde jedoch von Dawn aufgehalten, die an ihr vorbei lief, ein „Ich mach schon auf“ von sich gab und daraufhin die Treppe hinunter polterte.
 

„Habt ihr alles besorgt?“, fragte sie leise, nachdem sie die Tür geöffnet hatte und Eve, Shin und Cliff vor der Tür stehen sah.
 

„Klar doch..“, antwortete Shin , beugte sich vor, um sie zu küssen, zeigte ihr daraufhin die zwei Sektflaschen, die er in der Hand hielt, als auch auf die Schachtel mit Popcorn und Chipstüten, die Eve trug und die DVD, die Cliff in der Hand hatte.
 

„Oh, schon da?!“, hörte Dawn Xanders überraschte Stimme hinter sich. Er erkannte Eve sofort, nahm ihr die Kiste ab, und küsste sie ebenfalls.
 

„Nur herein mit euch. Ronah ist bereits oben..“, sagte Xander lächelnd und nickte Cliff zu, der auch ihm noch zunickte und sich dann an ihm vorbei drückte.
 

“Also das war wohl mehr als kurzfristig..“ sagte Eve lachend und trat nun ebenfalls ein. „Ich wollte gerade ein Bad nehmen. Aber mir war klar, dass ich diese Einladung nicht abschlagen konnte..“, Sie legte ihren Mantel ab, strich Xander noch einmal mit ihrer rechten Hand durchs Haar und folgte denn Dawn und Shin , die sich schon ins Wohnzimmer im ersten Stock begeben hatten.
 

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Newquay, England

Drei Uhr Morgens

Langsam ging Claire McFaden um die Ecke der Cliff Road und bog damit in die etwas ruhigere Fore Street ein. Ihr Ziel war diese Nacht klar dargelegt: sie musste zum Hafen. Newquay, England, war zwar ein verschlafenes Kaff, allerdings war es einer der wenigen Orte auf der Welt, in dem sich die bösen Kräfte ohne irgendeinen Grund bündelten und jeden Abschaum anzogen.
 

Sie war die Jägerin von Mr. James O'Connery, einem Mann, der erst seit kurzem für den Rat der Wächter arbeitete. Früher wäre er lange nicht an eine Jägerin heran gekommen, diese Zeiten hatten sich allerdings verändert.
 

Die dunkle Straße, die nur ab und zu von alten, schmutzigen Straßenlaternen beleuchtet wurde, lag verschlafen im Nebel, der sich in den frühen Morgenstunden meist vom Meer aus über die Stadt legte. Claire war 17 Jahre alt, sah allerdings mit ihren kurzen, blonden Haaren und dem trainierten Körper einige Jahre älter aus. Sie ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen und blieb abrupt stehen, als sie von hinten ein Auto auf sie zufahren hörte. Eine laute Sirene ertönte, bevor es neben ihr zum stehen kam, der Fahrer die Tür öffnete und ausstieg.
 

„Claire McFaden..“ flüsterte der Polizist, während er um sein Auto ging und mit seiner Taschenlampe die nähere Umgebung ableuchtete. „Du weißt schon, wie spät es ist, oder?“

Er blieb lächelnd einige Schritte von ihr entfernt stehen.
 

Die Jägerin setzte ein unschuldiges Lächeln auf und sah überrascht auf die Uhr. „Oh mein Gott, schon so spät? Ich kann gar nicht glauben, wie die Zeit verfliegt, wenn man einen kleinen Spaziergang am Strand macht..“ sagte sie und sah ihn frech an.
 

„Claire.. lass den Schwachsinn. Komm, steig ein. Ich bring dich nach Hause..“ antwortete der Polizist und öffnete die rechte hintere Tür seines Wagens.
 

„Tom, ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen, allerdings hab ich noch was im Hafen zu erledigen“ Claire zwinkerte ihm zu, drehte sich um und wollte schon weitergehen, als er ihren Namen rief.
 

“Claire. Du kannst nicht in den Hafen. Du hast es doch in der Zeitung gelesen..“ rief er ihr nach, wurde aber von der Jägerin unterbrochen, bevor er den Satz beenden konnte.
 

„Tom, ich weiß, was dort los ist, und du weißt es auch. Lass mich meine Arbeit erledigen, dann halte ich euch auch den Arsch frei.“
 

„Okay, Claire. Aber ich komme mit!“ sagte er, wechselte noch kurz einige Worte mit seinem Kollegen, der mittlerweile auf den Fahrersitz gewechselt war, überprüfte dann seine Schusswaffe und folgte ihr.
 

++++
 

Cleveland

„Also, ich denke, es wird Zeit, dass wir anstoßen!“ sagte Buffy und nahm eine der Sektflaschen. Sie blickte in die, den Umständen entsprechend, glücklichen Gesichter ihrer Freunde und nun zauberte sich auch ein ernst gemeintes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie alle hatten auf ihre Weise schon so viel durchgemacht, dass es schon fast ein Wunder war, dass sie alle noch so unbeschadet vor ihr standen. Sie löste die Folie und das Gitter, welches den Korken schütze, und entfernte diesen mit einem lauten „Plopp“, woraufhin sie den Inhalt der Flasche in die Sektgläser vor sich goss.
 

„Also, nehmt euch eure Gläser.“ Sagte Wood, der neben Buffy getreten war, und ihr dabei lächelnd eine Hand auf die Schulter legte. Sie nickte ihm zu und griff dann nach einem Glas.
 

Die Runde hob die Gläser, und richtete ihre Blicke auf Robin, und wartete ab, ob der amtierende Wächter noch etwas zu sagen hatte.
 

„Also, wie ihr sicherlich mitbekommen habt, haben wir heute zwei Gesichter hier, die für den einen oder anderen wahrscheinlich noch ziemlich neu sind..“ sprach Robin und lächelte in die Runde, blieb allerdings bei Eve hängen.
 

“Hiermit wollen wir dich, Eve..“ er nickte ihr zu, und richtete seinen Blick dann auf Ronah’s Freund „und dich, Cliff, herzlich in unserem Freundeskreis begrüßen“
 

„Hört, hört!“ fügte Faith hinzu, die neben ihn getreten war und ihm mit ihrer linken Hand über den Rücken strich.
 

„Danke..“ antworte Eve und nickte den Scoobies lächelnd zu, nur bei Faith verdunkelte sich ihr Blick kurz, aber merklich. Xanders Freunde schienen ziemlich freundlich zu sein, diese Faith war ihr allerdings alles andere als geheuer.
 

„Ja, danke für die Einladung..!“ fügte nun auch Cliff lächelnd hinzu und drückte dabei Ronahs Hand.
 

„Okay, nach den Förmlichkeiten nun zum eigentlichen Grund der Party…“ sagte Buffy und hob ihr Glas an. Die Blicke der Gruppe wanderten zu Willow, die überrascht, aber freudig lächelte.
 

Willow blickte glücklich in die Runde. Es war unglaublich. Außer Giles, der in England gerade dabei war, die Sache mit dem Rat zu bereinigen, war jeder ihrer Freunde anwesend. Kennedy, Buffy, Andrew, Dawn mit Shin , Xander mit Eve, Faith mit Wood und Ronah mit Cliff. Sie alle waren nur für sie hier her gekommen und haben diese nachträgliche Party organisiert. Voller Freude hob sie ihr Glas an, und als plötzlich alle wie aus einem Mund „AUF WILLOW!“ sagten, spürte sie Tränen, die sich den Weg in ihre Augen suchten, doch sie blieb standhaft.
 

„Danke, ich bin wirklich froh, dass ihr das alles hier für mich organisiert habt. Es bedeutet mir viel heute mit euch allen zusammen sein zu können: Mit meinen Freunden, die ich schon eine halbe Ewigkeit kenne, mit neuen Freunden aus den letzten Jahren und mit denen die euch sehr wichtig sind, auch wenn ich sie teilweise leider noch nicht wirklich kennen gelernt habe. Doch auch sie sind heute Abend willkommen; lasst uns nicht nur auf mich anstoßen, sondern auf uns alle, und darauf, dass wir alle heute zusammen sein können, denn auch wenn ich hoffe, dass es noch weit entfernt ist, irgendwann werden Zeiten kommen, in denen es nicht mehr möglich ist. AUF UNS! AUF UNSERE FREUNDSCHAFT!“, Willow hob ihr Glas trank einen Schluck Sekt.
 

„Gut gesprochen!“, Xander erhob sein Glas als zweiter, „Auf Willow und auf unsere Freundschaft!“
 

Die anderen taten es ihnen gleich.
 

„Also, was haben wir heute für einen Film?“ fragte Faith, nachdem sie ihr Glas geleert hatte und anfing, die Popcorn- und Chipstüten zu verteilen.
 

„Da die ganze Sache ziemlich schnell gehen musste, hab ich einfach eine meiner neueren DVDs geschnappt..“, sagte Cliff und warf es Ronah zu, die sie lächelnd auffing und sie in den Player einlegte. „.. ist nur irgend so ein Slasher – Horror Film über Leute, die sich im Wald verirren und..“
 

Andrew unterbrach Cliff mit leuchtenden Augen „.. und von Kannibalen gejagt werden?“ Andrew sah Cliff an, sprach jedoch weiter, ohne auf eine Antwort zu warten. „Den Film kenn ich. Hab ich im Kino gesehen..“
 

„Toll, Andrew. Wage es nicht, uns den Inhalt vor dem Film zu verraten, oder du wirst es bereuen!“ schrie Dawn lachend und warf ihm ein Kissen zu. Andrew verdrehte die Augen und setzte sich neben Buffy aufs Sofa. Genau wie er war sie auch alleine hier. Warum also nicht? Er hatte ja zuerst auch daran gedacht, Warren anzurufen, allerdings hatte er sich dann dazu entschieden, dass es doch keine gute Idee gewesen wäre.
 

Willow lächelte über die Diskussion der anderen, vermutlich würde ihr der Film nicht einmal gefallen, sie hatte noch nie sehr viel für Horrorfilme übrig gehabt, doch das war es auch nicht, worauf es ihr heute Abend ankam.
 

++++
 

Newquay,

England

„Nicht schon wieder..“ flüsterte Tom, nachdem er Claire endlich eingeholt hatte, neben ihr stehen blieb, und den grässlichen Schauplatz des Verbrechens beäugte. Ungefähr 20 Leichen lagen quer verteilt am Parkplatz des Hafens. Sie hatten alle vor Angst und Schrecken geweitete Augen und aufgedunsene Haut.
 

„Ich sollte Verstärkung holen..“ flüsterte er und griff nach seinem Funkgerät.
 

„Nein, das wirst du nicht. Ich kann hier nicht noch mehr von deiner Sorte gebrauchen. Ich kann nicht mal dich hier brauchen…“ flüsterte Claire, während sie den Griff des Schwertes, welches sie aus ihrem Rucksack gefischt hatte, fest umgriff.
 

„Was, denkst du, ist hier passiert?“ fragte Tom Simmons, langjähriger Bekannter von James O’Connery und Freund und Helfer des Wächters und der Jägerin.
 

„Eine Hexe oder ein Dämon. Die Leute sind anscheinend alle ertrunken.. ich kann mir das noch nicht genau erklären..“ antwortete Claire, nachdem sie die Leiche eines jungen Mädchens untersucht hatte. „Er, es oder sie tötet anscheinend nur aus Spaß. Den Körpern fehlt nichts.. „
 

Tom zog seine Pistole, als Claire plötzlich herum wirbelte. Der Nebel war merklich dichter geworden, und das Rauschen des Meeres lauter. Eine Gänsehaut lief über Toms Rücken, während Claire all ihre Muskeln anspannte und sich auf einen Angriff vorbereitete. Sie schärfte all ihre Sinne. Etwas stimmte hier nicht. Sie waren nicht mehr alleine, das spürte sie genau.
 

Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, hörte sie ein lautes Donnern, dass bei genauerem Hinhören ehe ein dumpfes Vibrieren der Straße war. ‚Ein Pferd? Ist das möglich?’ schoss es ihr durch den Kopf. Schon im nächsten Augenblick wurden im Nebel die Umrisse eines Reiters sichtbar.
 

„OH mein Gott..“ flüsterte Claire, ließ vor lauter Schock das Schwert fallen, wurde im nächsten Moment von einem mächtigen Schlag getroffen und flog einige Meter durch die Luft bis sie gegen die Holzwand der alten Lagerhalle schlug. Holz splitterte, und ein unglaublicher Schmerz schoss durch ihren ganzen Körper.
 

++++
 

Cleveland:

„Gott, Mädchen, pass doch auf!“ schrie Dawn und stopfte sich daraufhin eine Hand voll Popcorn in den Mund. Die Gruppe von Zwanzigjährigen war von den Kannibalen schon halbiert worden, und es waren nur mehr zwei Frauen und ein Mann am Leben, die nun durch den Wald flüchteten. Eigentlich wollten sie sich ja in einem alten Holzturm verstecken, aber wie Andrew ganz altklug gesagt hatte, „ging das total in die Hose, da die Kannibalen schon etwas von Feuer gehört hatten.“
 

„Die geht sicher gleich drauf..“ sagte Faith und trank daraufhin von ihrem Sekt. Sie kuschelte sich in die starken Arme von Robin, der hinter ihr saß und ihr seinen Oberkörper als Lehne anbot.
 

„Na ja, wenn sie sich aufteilen würden, hätten sie eine bessere Chance. Wieso bleiben die drei auch zusammen?“ gab Buffy zu denken.
 

“Na ja, du hast doch gesehen, was mit den ersten zwei passiert ist, die beim Auto zurück geblieben sind..“ antwortete Xander
 

„Na ja, aber das war doch eine ganz andere Situation. Jetzt sind drei Kannibalen hinter drei Menschen her. Wenn sie sich aufteilen würden, hätte jeder von ihnen eine größere Chance, diese Dinger zu bekämpfen…“, antwortete Kennedy.
 

“Stimmt..“ sagte Buffy und musste kurz schmunzeln. Hatte sie gerade Kennedy Recht gegeben? Na ja, soll es auch geben. Sie musste über sich selbst lachen.
 

Willow beobachtete amüsiert das Treiben ihrer Freunde, während sie sich dicht an Kennedy heran schmiegte, es war fast wie eine Videoabend in alten Zeiten, nur mit Buffy, Xander und ihr. Abgesehen davon, dass es heute ein paar mehr Leute waren.
 

„Autsch.. ich glaub, das hat weh getan..“ sagte Xander wieder und strich dabei über Eves Schultern, die neben ihm saß und sich fest an ihn drückte.
 

“Wie ekelhaft. Der hat mit der Axt ihr Gesicht in zwei Hälften geteilt..“, flüsterte diese leise, nahm sich dann aber wieder Chips aus der Tüte und knabberte weiter.
 

„Na ja, selbst schuld, wenn sie so blöd sind. Wie kann man sich nur so in die Enge treiben lassen?“ sagte Faith und schüttelte gespielt übertrieben den Kopf. Es war schön, nach so langer Zeit endlich wieder mal einen etwas entspannteren Abend miteinander zu verbringen.
 

Willow nahm einen Schluck Sekt, sie starrte auf den Bildschirm, doch ihr Blick war abwesend.
 

++++
 

Newquay, England

Für Tom passierte alles viel zu schnell. Wie aus dem Nichts war ein dunkler Schatten aus der dichten Nebelwand aufgetaucht und hatte Claire über den halben Parkplatz geschleudert. Daraufhin hatte er die Waffe gezogen und wie wild durch die Gegend geschossen, aber wahrscheinlich nichts getroffen. Zitternd und mit Schweißperlen auf der Stirn stand er nun alleine mitten auf dem Parkplatz und versuchte sich zu beruhigen.
 

‚Verdammt noch mal, ich steh hier vor zwanzig Leichen, Claire ist verschwunden und ich hab Scheiß-Angst…’ schoss es ihm durch den Kopf.
 

Er hörte ein Geräusch hinter sich, doch nachdem er sich umgedreht hatte, war nichts zu sehen. Dumpf hörte er lautes Schnaufen und ein Pferd, das anscheinend rund um den Parkplatz ritt. Plötzlich spürte er eisige Kälte bei den Füßen und er sah nach unten. Tom wusste zwar nicht, woher das es kam, aber er stand plötzlich knöcheltief in eiskaltem Meerwasser.
 

„Oh mein Gott..“ flüsterte er und sah sich panisch um. „CLAIRE? WO BIST DU? BIST DU OKAY?“ schrie er, bekam allerdings als Antwort nur das laute Fauchen des Pferdes. Ruckartig drehte er sich um und erkannte in einiger Entfernung die Umrisse eines Pferdes mit Reiters langsam auf sich zukommen.
 

Er riss seine Pistole hoch und feuerte das gesamte Magazin auf das Wesen, doch es schien die Kugeln nicht einmal zu spüren. Im Abstand von einigen Metern blieb das Pferd plötzlich stehen und ließ den Reiter absteigen. Tom begann am ganzen Körper zu zittern, Tränen liefen ihm aus den Augen und seine Knie gaben nach. Mit einem lauten „Platsch“ landete er mit den Knien im Wasser. Zitternd beobachtete er die Kreatur, die auf ihn zukam, und ihn fest am Kragen packte. Ohne eine Sekunde zu zögern legte der Dämon seine linke Mischung aus Hand und Klaue auf den Brustkorb des Polizisten. Ein helles Licht erschien, und Tom begann für einige Sekunden zu schreien. Danach war alles vorbei. Die Kreatur schloss befriedigt die Augen, während es den toten, ausgeschwemmten Körper fallen ließ.
 

++++
 

Cleveland

„Ich versteh das echt nicht. Warum stehen die beiden da nur blöd rum, und schauen zu, wie dieses nervige Ding ihre Freundin abschlachtet?“ fragte Buffy wieder und sah Xander an, der allerdings nur mit den Schultern zuckte.
 

“Na ja, mit dem Mann ist sie eigentlich nicht befreundet. Die kennen sich ja erst seit ein paar Stunden..“ gab Andrew zu denken.
 

„Und was tut das zur Sache?“ konterte Kennedy genervt und verdrehte sich Augen. „Es geht immerhin nicht um die Intensität ihrer Freundschaft, sondern darum, dass die zwei die Zeit hätten besser nutzen sollen.“
 

„Hmm, ich denke es liegt einfach am Schock..“ meldete sich Eve zu Wort.
 

„Was?“ fragte Buffy verwirrt
 

„Na ja, es wäre ja nicht so, als wäre es normal für die Protagonisten, dass sie von Kannibalen verfolgt werden, die sie zerstückeln und auffressen wollen. Das ist eine Ausnahmesituation und daher reagiert man da oft falsch..“ Eve dachte mit Schrecken an den Abend zurück, an dem sie selbst mit Xander in ihrer Firma von komischen Monstern angegriffen wurde. Sie wusste damals auch nicht, was zu tun war.
 

„Ich versteh nicht, warum sie nicht zurück zur Hütte gehen und sich Waffen besorgen..“ sagte Dawn und fuhr daraufhin Shin über die Hand, der sie kurz anlächelte, seine Aufmerksamkeit dann jedoch wieder auf den Film richtete.
 

„Na ja, zu spät..“ meldete sich nun Faith zu Wort. „.. jetzt haben sie sie. Na dann gute Nacht..“
 

++++
 

Newquay,

England

Obwohl sich ihr Kopf anfühlte, als hätte jemand mit einem Hammer darauf gehauen, schaffte Claire es, langsam die Augen zu öffnen. Kurze Orientierungslosigkeit und Schwindelgefühle ließen ihre Alarmglocken sofort läuten.
 

Sie tastete mit ihren Händen den Boden ab, auf dem sich plötzlich einige Zentimeter hohes Wasser gesammelt hatte. Claire stand unsicher auf, und versuchte sich unter Schmerzen in dem dichten Nebel zu orientieren, als sie plötzlich Toms lauten Todesschrei hörte. Von einer Sekunde auf die andere wusste sie wieder, wo sie war, und warum sie hier war. Ihre Sinne schienen sich wieder zu schärfen, und sie erkannte die Kreatur in einigen Metern Entfernung bei Tom stehen.
 

‚Ich brauch mein Schwert..’ schoss es ihr durch den Kopf, und Sekunden darauf ließ sie ihren Blick durch den Nebel gleiten. Nachdem sie es wie durch ein Wunder nur wenige Schritte entfernt liegen sah, schnappte sie sich die Waffe und lief von hinten auf den monströsen Reiter zu.
 

In dem Moment, in dem dieser Toms Leiche zu Boden fallen ließ, bohrte Claire dem Dämon das Schwert von hinten tief in den Körper. Der Reiter ließ einen lauten, dumpfen Schmerzenschrei aus und stürzte zu Boden. Claire zog das Schwert aus dem Körper und stach ein weiteres Mal zu.
 

“Stirb, du Schwein! Wie konntest du nur! STIRB VERDAMMT NOCHMAL!“ schrie sie, und stach immer wieder zu.
 

Der Dämon schrie auf, bewegte sich allerdings nicht. Nachdem sie etwa sechsmal in den Körper gestochen hatte, fiel ihr Blick auf Toms Leiche, und bleib dort hängen. Der Reiter nutzte die kurze Unachtsamkeit, sprang hoch, drehte sich um , und schlug ihr fest ins Gesicht. Claire stolperte einige Schritte nach hinten, schaffte es aber, auf den Füßen zu bleiben.
 

„Was fällt dir überhaupt ein, du minderwertiges Geschöpf! Hast du überhaupt eine Ahnung, was für Schmerzen du mir zugefügt hast!“ Er funkelte sie böse an, und von einer Sekunde auf die andere war plötzlich sein Pferd neben ihm.
 

„Wieso hast du diese Menschen alle getötet?“ fragte Claire, die ihre rechte Hand gehoben hatte, um ihre blutende Unterlippe zu berühren und sah den starken, monströsen Dämon unsicher an.
 

„Weil es nötig war. Dies war nur der Anfang..“ antwortete der Reiter und strich dabei mit seiner linken Hand über das nasse Fell seines Pferdes. In der nächsten Sekunde erfasste er den Griff des Doa – Schwertes und zog es sofort aus der hölzernen Scheide . Er trat weiter auf sie zu, versuchte sie zu schlagen, doch Claire konnte seinem Schlag ausweichen und schlug ihm fest ins Gesicht.
 

“Jetzt reicht es aber!“ schrie er, holte mit der Hand aus und schlug sie fest zu Boden. „Gute Nacht!“
 

Er holte aus, und stieß der Jägerin sein Schwert mitten ins Herz. Claire gab ein kurzes, gurgelndes Geräusch von sich, starrte ihn schockiert an, und ließ dann leblos ihren Kopf zur Seite fallen. Helles Licht ging von der Leiche der Jägerin auf den Reiter über.
 

Kurz darauf bestieg dieser wieder das Pferd und machte sich nun frisch gestärkt auf den Weg zu seinem ursprünglichen Ziel.
 

++++
 

Cleveland

Willows Blick war starr auf die Bildschirm gerichtet, als Kennedy aufstand, um sich Nachschub von Sekt aus dem Kühlschrank zu holen. „Willst du auch noch was, Schatz?“ fragte sie die Hexe und sah sie fragend an.
 

Willow reagierte einige Sekunden nicht, schien dann aber wie aus einem Traum zu erwachen und lächelte Kennedy dann liebend an: „Nein, danke, Schätzchen, ich hab noch.“
 

In dem Moment, in dem sich Kennedy umdrehte, hallte plötzlich ein lauter Schrei durch die Wohnung und Willows Glas zersprang in tausend Stücke, als es auf dem harten Boden aufschlug.
 

Die Scoobies drehten sich sofort geschockt zu Willow, die gebannt auf den Bildschirm sah. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.
 

„Ist alles in Ordnung mit dir?“ fragte Kennedy, die sich sofort wieder neben ihre Freundin setzte, und nach ihrer linken Hand griff.
 

Willow sah sie geschockt an. „OH.. ja. Es ist alles in Ordnung. Ich .. hab mich nur total erschrocken, als dieses Ding das Hackebeil auf die Kamera zugeworfen hat…“ Willow lächelte Kennedy unsicher an.
 

“Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte nun auch Buffy, die näher heran gerückt war. Andrew sah Willow misstrauisch an.
 

„Ja, wirklich Leute. Es ist nichts. Ich hab mich nur erschreckt, das ist alles..“, Willow lächelte in die Runde, „Ihr braucht euch keine Sorgen mehr um mich zu machen!“
 

Grrrrrr…Arrrgh…



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
2015-06-26T09:48:36+00:00 26.06.2015 11:48
Hallo,
also ich bin hellauf begeistert von der Staffel.
Sie hätte direkt aus Joss Whedons Feder sein können. Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen.
Die Charakter sind super getroffen und die Story ist Hammer!

aber geht es auch weiter? oder wurde das Projekt nie zu ende gebracht?

Von:  Lamorta
2013-04-20T21:02:19+00:00 20.04.2013 23:02
Bin grad neu bei Animexx und mache mich mal so gaaaaanz laaaangsam mit den ganzen Möglichkeiten hier vertraut .... gucke so aus alter Gewohnheit auch mal ob's was zu Buffy gibt ... und was sehen meine entzündeten Augen ?

Überlebende (sowohl was Stories und User angeht) vom guten alten Slayerboard *breit grins*

Durchgelesen hab ich es noch nicht, das ist ja nix für zwischendurch, muss man sich ja in Ruhe und Genuss vornehmen :-)

-------
(Und wenn ich mich dann doch geirrt hab, kennt mich unter Lamorta eh keiner *kicher* )
Von: abgemeldet
2011-04-25T14:56:02+00:00 25.04.2011 16:56
dankeschön :)

Yama, wann gehts mit den nächsten Folgen weiter? :D Ich muss meine Sammlung nach dem Datenverlust endlich wieder voll bekommen XD (und du schickst sir mia ja aus irgend nem grund nicht.. lol)

lg,
Stefan
Von: abgemeldet
2011-02-10T17:55:56+00:00 10.02.2011 18:55
Hallo

Jetzt hab ich es geschafft, alle Kapitel zu lesen.
Ich finde es liest sich gut. Ihr habt wirklich interessante Ideen.

Ich freu mich schon sehr auf das 19te Kapitel ich will wissen wie es weiter geht!

Die Idee mit einer Stadt ganz allein für Dämonen, die find ich toll!
Ich find überhaupt dass euch die ganze 8te Staffel bis jetzt wirklich gut gelungen ist.

lg
Von: abgemeldet
2010-10-20T16:17:37+00:00 20.10.2010 18:17
Ich finds richtig cool das ihr eine 8 Staffel schreibt! Und sie ist richtig genial, sie ist einfach fantstisch geschrieben!!!!!
Ich freu misch schon richtig auf das neue Kapitel!!!!!!!
Macht weiter so!
Von:  ArjenRobben
2010-07-13T20:41:20+00:00 13.07.2010 22:41
Uh ist das am ende spannend, das macht richtig Lust auf mehr. Buffys Charakter ist richtig gut getroffen worden und ihre Selbstzweifel sidn wirklich schön begründet worden und nicht einfach ihrer Rolle zugeschrieben. Der innere Kampf um ein normales Leben. Fein gemacht =)
Robin/Faith war hier fand ich noch ne kleine Nebengeschichte wo man sehr gut Faiths mangelndes Unterordnungsbereitschaft sah. Jetzt wo ihr Freund ihr Chef ist.. Das gibt sicherlich noch Zündstiff.
Auch andrew (mein Favorit) wurde charaktertreu hervorgebracht und ihr habt es geschafft die liebenswürdigen seiten hervorzubringen. Könnte mit sehr gut eine Lovestory zwischen Dawn und Andrew als auch eine eneg Freundschaft zwischen Xander und Andrew vorstellen.

Von: abgemeldet
2010-04-13T17:28:02+00:00 13.04.2010 19:28
Schön das das jemand hier on stellt,
danke!
Von:  ArjenRobben
2010-02-07T17:58:09+00:00 07.02.2010 18:58
Wo soll ich bloß anfangen? Also die Erföffnungsfrequenz war richtig passend, wie Dawn sich in Londond urch dAS leben schlägt. Du hast den einzigartigen Humor von Buffy sehr gut getroffen. "Du hast doch schon das Kino bezahlt" oder die Busverbindung in China. Herrlich, ich lache nicht oft in FF,a ber diesmal musst eich wirklich lachen, ja!
Am besten gefällt mir die Geschichte um Andrew, Xander und Kennedy. Die Gruppe hat einfach so eine gewisse Chemie und ich finde es schön, dass du Xander und Andrew Freunde werden lassen hast. Ihre Kabbeleien sind echt toll. Und es kommt das Gefühl rüber, dass sie sich eigentlich schon mögen, es aber nie zugebenw ürden. Zumindest Xander nicht. Dessen Charakterzüge hast du übrigens sehr gut getroffen-wow. Habe mich zeitweise wie in einer richtigen Folge von Buffy gefühlt.
Die Namensträgerin ist also auf einem Selbstfindungstrip. Ich bin gespannt was sie alles noch erleben wird :)
Hoffe es kommen noch viele Xander/Andrew Geschichten :3
Von:  Shay
2010-02-04T17:05:34+00:00 04.02.2010 18:05
Das neue Kapitel gefällt mir echt gut.
Das die Rachedämonen wieder aufgetaucht sind, fand ich eine wirklich super Idee!
Und ich frag mich auch schon was es mit der Münze auf sich hat...
Aber am besten war natürlich das Will und Kenn wieder zusammen gekommen sind. XD
Weiter so!
Von:  Shay
2010-01-06T20:15:03+00:00 06.01.2010 21:15
Ich finde du hast die charaktere wirklich gut getroffen.
Würd mich freuen wenn du weiterschreiben würdest.

Ich würds übrigens toll finden wenn ein bisschen mehr magie ins spielen kommen würde XD


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