Spielchen oder doch nicht von iesca ================================================================================ Kapitel 15: Wir haben uns geküsst! Teil I ----------------------------------------- Kapitel 15: Wir haben uns geküsst! Teil I Draco sass wie versteinert im Schnee. Langsam drang die Kälte durch seinen Umhang, doch er spürte es überhaupt nicht. Stattdessen blickte er immer noch auf die Stelle, wo die dunkle Gestalt zwischen den Bäumen verschwunden war. Was war das gewesen? Ungläubig fuhr mit dem Finger seine geschwollenen Lippen nach. Er hatte Harry Potter geküsst. Er hatte tatsächlich Harry Potter geküsst und es hatte sich so richtig angefühlt. Es hatte sich nicht nur richtig angefühlt, zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sich Draco vollständig gefühlt. So, als hätte ein Teil von ihm, den er schon lange verloren geglaubt hatte, seinen Platz gefunden. Langsam stand er auf, klopfte sich den Schnee von seinem Umhang und machte sich auf den Weg zurück ins Schloss. Nur am Rand nahm er den dicken Ast wahr, der abgebrochen neben der Lichtung lag. Schneeflocken tanzten wieder stärker durch die Luft, legten sich auf sein Haar, seinen Mantel. Draco bemerkte sie überhaupt nicht. Er hatte Harry Potter geküsst und auch jetzt, wenn er darüber nachdachte, war es alles andere als abstossend gewesen. Er hatte seinen Erzfeind geküsst, aber stimmte das überhaupt noch? Harry war nicht mehr sein Erzfeind. Er war ein Freund. Nur ein Freund? Draco wusste es nicht, noch nicht. Sicher, er fühlte sich wohl, wenn er in Harrys Nähe war. Er wollte ihn beschützen, ganz besonders vor seinen Muggelverwandten, er wollte ihn glücklich sehen und in seiner Nähe sein. Die smaragdgrünen Augen und der Charakter von Harry Potter faszinierten ihn. Er hatte nicht seinen Erzfeind Potter geküsst, sondern seinen Freund Harry. Erleichterung machte sich in Draco breit. Damit konnte er leben und doch wusste er tief im Inneren, dass sich der Kuss nicht nur richtig angefühlt hatte, sondern dass er Harry wieder küssen wollte, dass er ihn in den Arm nehmen und festhalten wollte, dass er Zeit mit ihm verbringen wollte. Aber diese Gefühle verbarg Draco lieber ganz weit hinter der Mauer um sein Innerstes. Schliesslich erreichte der Blonde das Tor und damit das Schloss. Filch grummelte etwas über Schüler, die auch bei Schneefall keinerlei Rücksicht auf ihn nahmen und liess ihn ein. Draco war der Letzte, der aus dem Dorf zurückgekommen war bald war es Zeit für das Abendessen. Obwohl er auf das Mittagessen verzichtet hatte, verspürte Draco keinerlei Appetit. Harry war auch ein Junge. Spielte das überhaupt eine Rolle? Draco ging langsam weiter in Richtung See. Die Luft war kalt und klar und Draco versank in seinen Erinnerungen: Harry, wie er mit roten Wangen Schneebälle nach ihm geworfen hatte. Harry, der über seine Schnee-McGonagall gelacht, nachdem er Draco seinen Schnee-Snape gezeigt hatte. Harry, wie er vor dem Feuer im Raum der Wünsche gesessen und ihm von seinen Verwandten erzählt hatte. Harry, wie er gemeinsam mit Draco geflogen war, während der Wind sein schwarzes Haar zerzaust hatte – mehr noch als es sowieso schon war. Seine eigenen Gedanken über Harry in den Sommerferien. War er wirklich wütend auf Harry gewesen, weil dieser immer im Mittelpunkt gestanden hatte oder war es nicht eher deshalb gewesen, weil er sich Sorgen gemacht hatte? Weil Harry sich wieder in Gefahr gebracht hatte? Draco starrte auf die Oberfläche des Sees, die schwarz und unberührt vor ihm lag. Noch war es nicht kalt genug gewesen, um den See gefrieren zu lassen. Gerne hätte er sich hingesetzt und den Wellen zugeschaut, wie sie sanft gegen das Ufer schlugen. Doch auch mit einem Wärmespruch war es zu kalt dafür. Die Schneeflocken tanzten immer noch glitzernd durch die Luft, schienen mit einander zu spielen und legten sich anschliessend auf die weisse Decke. Ob ihre Spuren im Wald, die sie bei ihrer Schneeballschlacht hinterlassen hatten, noch sichtbar waren? Spielte es überhaupt eine Rolle, dass Harry ein Junge war? War es überhaupt die Frage nach Junge oder Mädchen? Nein, musste sich Draco eingestehen. Es war keine Frage nach Junge oder Mädchen, es war einzig und allein Harry. * Harry rannte zum Schloss zurück. Ausser seinem lauten Keuchen und dem Knirschen seiner Schritte im Schnee war überhaupt nichts zu hören. Er bemerkte nicht, dass der Schneefall wieder stärker geworden war, bemerkte nicht einmal, wie er die Tore zu Hogwarts passierte. Er konnte, er wollte es einfach nicht glauben. Draco Malfoy hatte ihn geküsst und er hatte den Kuss erwidert. Harry spürte kaum, wie sein Gesicht, das vom Rennen bereits erhitzt war, noch ein wenig roter wurde. Wie hatte er es zulassen können, dass Malfoy ihn geküsst? Wie hatte das überhaupt passieren können? Draco Malfoy war ein Junge und Jungen küssten keine andere Jungen. In der Zwischenzeit war es vollständig dunkel geworden und ohne es zu bemerken, war Harry einmal um den ganzen See herumgelaufen. Die kalte Luft stach in seinen Lungen, seine Haare waren nass vom Schnee und langsam wurde es Zeit, ins Schloss zurückzukehren. Gerade als sich Harry auf den Weg zur Eingangshalle machen wollte, entdeckte er ihn. Er sah die grosse, schwarze Gestalt am Ufer des Sees stehen, sah das helle Haar im Dunkeln leuchten. Malfoy! Was tat der hier? Noch bevor Harry einen klaren Gedanken fassen konnte, drehte sich Draco um. Harry war zurückgekommen und vielleicht konnte er ihm erklären, was passiert war. So etwas wie Hoffnung machte sich in Draco breit. Obwohl Harry Malfoys Gesicht nicht sehen konnte, war er sicher zu wissen, wie ihn die grauen Augen anblickten: Dunkel und von Zorn umwölkt. Der Gryffindor weigerte sich, sich daran zu erinnern, dass er seit dem Sommer nicht mehr gesehen hatte, wie sich die grauen Augen vor Zorn verdunkelten. Plötzlich breitete sich ein seltsames Gefühl in Harry aus. Warm, wie vor dem Feuer im Raum der Wünsche und doch eiskalt, wie das Wasser des Sees, Geborgenheit, wie er sie nur in Dracos Nähe gespürt hatte und die Einsamkeit im Schrank unter der Treppe, prickelnd, wie Mineralwasser und doch schmeichelnd wie heisse Schokolade. Die Luft schien zu flimmern und plötzlich erschienen silberne Fäden, die von Draco ausgehend erst ungeordnet durch die Luft zu fliegen schienen, sich dann aber ordneten und fast sehnsuchtsvoll auf ihn zu schwebten. Auf halbem Weg aber hielten sie an, als wären sie gegen eine unsichtbare Mauer gestossen, verharrten einen Moment und machten dann kehrt. Lachte Malfoy ihn etwa auch noch aus? „Malfoy!“, schrie er, ohne zu wissen, was er noch sagen sollte. „Sind wir also wieder bei Malfoy, Harry?“, fragte Draco ruhig, soviel Kälte in seine Stimme legend, wie er nur konnte. „Du hast mich geküsst. Wie konntest du nur? Das ist so ekelhaft!“, fuhr Harry ihn vorwurfsvollem Ton an. Draco durchfuhr ein schmerzhafter Stich und zum ersten Mal war er froh, dass Harry sein Gesicht im Dunkeln nicht sehen konnte. Er konnte spüren, wie ihm in diesem Moment seine Maske vom Gesicht glitt. Harry war es gelungen, was seine Mutter seit Jahren nicht mehr geschafft hatte. Er hatte seine Maske verloren, die letzte Möglichkeit sich zu verstecken, sich zu schützen. Er hatte geahnt, dass Harry Schwierigkeiten damit haben würde, dass sie sich geküsst hatten, aber nie hätte er gedacht, dass Harry es als ekelhaft bezeichnen würde. Draco brauchte einen kurzen Moment um sich wieder zu sammeln, doch dann antwortete er kühl: „So ekelhaft hast du es im Wald anscheinend nicht gefunden, als du mich zurückgeküsst hast, Potter.“ Draco versuchte den ganzen Hass, den er einmal für Harry empfunden hatte, die ganze Verachtung und auch seinen ganzen Schmerz in diese Worte zu legen. Er wollte den Anderen verletzen, so wie dieser ihn verletzt hatte, doch er hätte nie gedacht, dass es ihm so schwerfallen würde, Harry wieder Potter zu nennen. Die silbernen Fäden verschwanden langsam wieder. Draco starrte Harry noch einen kleinen Moment ausdruckslos an, bevor er mit festen Schritten an ihm vorbei in Richtung Schloss ging. Dabei achtete er darauf, dass er dicht genug an dem Anderen vorbeiging, um ihn mit der Schulter anrempeln zu können. In diesem Moment zischte er ihm zu: „Vergiss nicht unser Treffen morgen! Ich werde nicht dulden, dass du zu spät kommst.“ Doch anstelle in die Kerker zurückzukehren, wo doch niemand auf ihn wartete, machte sich Draco auf den Weg in den vierten Stock. Er brauchte Zeit um nachzudenken und vor allem Zeit für sich alleine. Es hatte unerwartet stark geschmerzt, als Harry ihren Kuss als ekelhaft bezeichnet hatte und das beschäftigte ihn mehr, als die Frage, warum es ihm zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr gelungen war, seine Maske aufrecht zu erhalten. Wie hatte Harry es schaffen können, ihm derart nah zu kommen, dass er ihn so hatte verletzen können? * Für einen Moment stand Harry wie erstarrt und blickte auf den See hinaus ohne ihn wirklich zu sehen. Er hatte Draco geküsst. Er hatte Draco geküsst und dem Blonden gesagt, dass der Kuss ekelhaft gewesen war. Doch war das wirklich so? War der Kuss wirklich ekelhaft gewesen? Er konnte nicht verleugnen, dass es sich gut angefühlt hatte, den Slytherin zu küssen, dass es sich richtig angefühlt hatte, dass er sich zum allerersten Mal in seinem Leben vollständig und zu Hause gefühlt hatte. Er konnte immer noch Dracos weichen Lippen auf seinen spüren und es schien ihm, als würde ihn immer noch ein Hauch von Dracos Geruch umgeben. Gleichzeitig spürte er auch noch den leisen Nachhall des Schmerzes, der ihn durchfahren hatte, als er Draco gesagt hatte, dass er den Kuss ekelhaft gefunden hatte. Es war ein scharfer, stechender Schmerz gewesen, so stark, dass er ihm für einen kurzen Moment den Atem genommen hatte und doch war sich Harry sicher, sagen zu können, dass es nicht sein eigener gewesen war. Langsam machte er sich auf den Rückweg zum Schloss. Die Gänge lagen einsam und verlassen vor ihm, das Abendessen war schon lange vorbei. Wie lange hatte er draussen am See gestanden? Als er endlich vor dem Portrait der Fetten Dame angelangt war und den Gemeinschaftsraum betrat, stürzten sich Ron und Hermine auf ihn und schleppten ihn in den Jungenschlafsaal. Nachdem sie Seamus und Neville mit einigen deutlichen Worten nach draussen geschickt hatten, zogen sie Harry auf sein Bett und setzten sich neben ihn. „So, und jetzt erzähl uns, was du mit Malfoy in Hogsmeade und ganz besonders in der Heulenden Hütte gemacht hast.“, forderte ihn Ron auf und sah ihn misstrauisch von der Seite an. Hinter Harrys Rücken stiess ihn Hermine unsanft an, bevor sie zu Harry gewandt, sagte: „Mach dir keine Sorgen, Harry. Wir sind für dich da, wenn du jemanden zum Reden brauchst und wir helfen dir, auch wenn das bedeutet, dass wir uns mit Malfoy anfreunden müssen.“ Ron nickte bei Hermines Worten, auch wenn er nicht ganz so überzeugt schien und meinte nur drohend: „Aber wenn er dich verletzt, dann kümmere ich mich um ihn und er wird bereuen, dich jemals getroffen zu haben.“ Harry schaute einen Moment verblüfft zwischen seinen Freunden hin und her, bevor er fragte: „Worüber redet ihr überhaupt? Hermine? Ron?“ „Ich sehe, ihr habt beschlossen, es noch nicht öffentlich zu machen, aber du kannst immer auf uns zählen.“, redete Hermine auf ihn ein und legte ihm ihren Arm um die Schultern um ihn kurz zu drücken. „Natürlich sind wir für dich da.“, ergänzte nun auch Ron. „Ich bin zwar nicht glücklich darüber, dass es ausgerechnet Malfoy sein muss, aber wenn du mit ihm glücklich bist, kann ich damit leben.“ Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht. Das war doch nicht Ron, der da sprach. Seit wann war der Rothaarige so verständnisvoll, wenn es um Draco, nein, Malfoy ging? Aber wovon redeten seine beiden Freunde eigentlich die ganze Zeit: „Vielen Dank, das ist nett von euch, aber worüber redet ihr überhaupt?“ Hermine begann ganz leicht, aber sehr glücklich zu lächeln, als sie antwortete: „Oh, Harry. Ist das nicht offensichtlich? Du und Malfoy, nun, Draco, ihr wart zusammen in der Heulenden Hütte und du bist ziemlich verwirrt zurück gekommen, deine Haare noch unordentlicher als sonst und deine Lippen sind völlig geschwollen und rot. Ich freue mich ja so für dich.“ Ganz langsam begann es Harry zu dämmern. Seine besten Freunde glaubten doch nicht etwa, dass er und Draco? Das konnte nicht sein, das wollte er nicht glauben. „Du phantasierst.“, brachte Harry schliesslich gewquält hervor. „Da war nichts und da wird auch nie etwas sein.“ „Er hat dich also gezwungen?“, kam es drohend und erzwungen ruhig von Ron. „Ich wusste es. Einem Slytherin kann man nicht trauen!“ Mit diesen Worten wollte Ron aufstehen und aus dem Schlafsaal in die Kerker stürzen. „RON! Hinsetzen!“, befahl Hermine und schaffte es gerade noch, ihn am Ärmel festzuhalten. „Ich dachte, wir hätten darüber geredet.“, sagte sie und musterte ihn streng. Ron schien unter ihren Blicken zu schrumpfen und gab dann zögernd zu: „Ja, haben wir. Du hast gesagt, dass ich Harrys Wahl akzeptieren muss. Du hast gesagt, dass es sein Leben ist und er entscheiden muss, mit wem er es verbringen will.“ Hermine nickte und sah ihn fast stolz an: „Ja. Und was habe ich über Draco gesagt?“ Ron senkte niedergeschlagen den Kopf und flüsterte: „Wenn er derjenige ist, der Harry glücklich macht, dann muss ich das akzeptieren und Harrys Urteil vertrauen. Aber Mine, es ist Malfoy!“, versuchte er ein letztes Mal aufzubegehren. „Du hast es versprochen.“, erinnerte ihn seine brünette Freundin. Eine Weile schaute Harry ungläubig zwischen seinen Freunden hin und her. Worüber sprachen sie eigentlich? Das klang fast so, als hätten sie schon lange entschieden, dass er und Draco, ja was eigentlich waren? Ein Paar? Das musste sofort aufhören. „STOP!“, rief er aufgebracht. „Hört auf zu reden, als wäre ich nicht da. Ich sitze hier, genau zwischen euch. Da ist nichts zwischen Draco und mir und da wird auch nie etwas sein. Wir arbeiten nur zusammen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stand Harry auf und stürmte aus dem Raum. Was dachte sich Hermine eigentlich? ER und DRACO? Das ging nicht. Er war hetero. Er mochte Mädchen. Da war zum Beispiel diese süsse Slyth... , nein, Ravenclaw, mit blonden Haaren und wunderschönen silbergrauen Augen. Stop! Blond mit silbergrauen Augen? Harry stockte in der Bewegung und liess sich dort, wo er stand, zu Boden sinken. Jetzt hatte er wirklich ein Problem. Hermine hatte Recht. Er mochte Malfoy. * Der nächste Morgen kam viel zu schnell und als Harry die Grosse Halle betrat, war er immer noch sehr müde und verschlafen. Schweigend setzte er sich zwischen Ron und Hermine und begann zu essen. Die ganze Zeit starrte er stur auf seinen Teller und vermied es auch nur ansatzweise den Kopf zu heben und zum Slytherintisch zu schauen, wo Draco etwas blasser als sonst an seinem üblichen Platz sass und ab und zu von Hermine heimlich gemustert wurde. Der Tag begann mit einer Doppelstunde Zaubertränke und Harry versuchte, sich den ganzen Tag, soweit es irgendwie ging, von Draco fernzuhalten. Jedes Mal, wenn er ihn sah, erinnerte er sich an den Kuss, erinnerte sich daran, wie sich Draco gegen ihn gedrückt hatte, wie richtig es sich angefühlt hatte, wie gut Dracos Lippen auf die seinen gepasst hatten und wie vollständig er sich in den Armen des Anderen gefühlt hatte. Der Abend kam noch schneller als befürchtet und zögernd machte sich Harry auf den Weg zum Raum der Wünsche. Er wollte sich an diesem Abend nicht mit Draco treffen. Der nächste Tag wäre gut, oder Mittwoch. Am besten wäre Donnerstag, obwohl, nein, da hatte er Quidditchtraining. Am liebsten erst nächste Woche. Genau, er könnte das Treffen doch auf die nächste Woche verschieben. Als er den Raum betrat, sass Draco am Tisch und schrieb an seinen Hausaufgaben. Im Gegensatz zu sonst, wenn Harry den Raum betrat, blickte er diesmal nur kurz auf, schaute ihn einen Augenblick mit unleserlichem Gesichtsausdruck an und arbeitete dann weiter. Ohne ein Wort zu sagen ging Harry zum Tisch, packte seinen Tasche aus und fing ebenfalls an zu arbeiten. Die Luft schien vor Spannung nur so zu vibrieren und auch das Knistern des Feuers schien unnatürlich laut zu sein. Sie arbeiteten schweigend, bis Draco seine Feder niederlegte und feststellte: „Ich denke, wir sollten noch einen anderen Trank brauen. Die Theorie hast du inzwischen einigermassen im Griff, aber der praktische Teil ist immer noch genau gleich miserabel wie vorher und ich kann den Patronum simplicissimum nicht allein brauen.“ Harry nickte abwesend und wandte sich wieder seinem Buch zu. Wie konnte der Blonde nur so ruhig bleiben? Wie konnte Draco so ruhig an ihrem Projekt weiterarbeiten und tun als sei nichts gewesen? Harrys ganze Welt stand Kopf und Draco fiel nichts anderes ein, als dass er noch einen Trank brauen wollte? Der Blonde stand auf und setzte sich auf eines der Kissen vor dem Kamin und blickte in die Flammen. Harry durfte nicht bemerken, wie er sich fühlte, wie sehr es ihn verletzte, dass der Gryffindor ihn nicht einmal mehr ansah. Er würde sich ganz auf das Projekt konzentrieren, auch wenn das bedeutete, dass er auch auf Harrys Freundschaft verzichten musste und nur noch soviel Zeit, wie gerade nötig war, mit ihm verbringen würde. Die Flammen schienen an diesem Abend kleiner zu sein und nicht so sehr zu wärmen wie sonst. Obwohl es im Raum warm war, war es Draco, als würde er innerlich zu Eis werden. Nach einer Weile fragte er in die Stille hinein: „Pflicht oder Wahrheit, Harry?“ Harry, der bis zu diesem Moment zumindest den Anschein erweckt hatte, konzentriert zu arbeiten, schaute erstaunt auf und für einen kurzen Augenblick trafen sich ihre Augen. Harry konnte fühlen, wie er rot wurde und sein Herz plötzlich schneller zu schlagen begann, bevor es ihm gelang, sich endlich abzuwenden und zu antworten: „Wahrheit.“ „Warum hast du mich zur Heulenden Hütte gebracht?“, klang auch schon Dracos Frage durch den Raum. Nicht diese Frage. Er wollte Draco nicht die Wahrheit erzählen, wollte ihm nicht erzählen, was die Heulende Hütte für ihn bedeutete, dass sie der einzige Ort war, an dem er zumindest für kurze Zeit fast eine Familie gehabt hätte. Aber er konnte den Blonden nicht anlügen, dass liess das Spiel nicht zu. Harry zögerte einen Moment, überlegte und sagte dann: „Ich dachte, es wäre ein guter Platz um ungestört von neugierig Leuten zu bleiben. Was ist mit dir? Pflicht oder Wahrheit?“ „Wahrheit.“ „Warum hast du mich geküsst? Ich meine, du weisst schon, dass ich auch ein Junge bin.“ Bevor Harry es verhindern konnte, war ihm die Frage über die Lippen gerutscht. Für einen Moment hatte er den Eindruck, dass Draco rot wurde, aber dann war seine Selbstkontrolle zurück. “Du hast mich zurückgeküsst.“ „Das habe ich nicht!“ Harrys innere Stimme bat ihn, schrie ihn an, bettelte ihn an, zu überlegen, bevor er sprach, aber ohne Erfolg. „Natürlich hast du. Lüg’ mich nicht an, Harry.“, flüsterte Draco. Warum gelang es ihm nicht? Warum gelang es ihm nicht mehr, Harry so kalt entgegenzutreten, wie er es all die Jahre getan hatte? Warum verletzte es ihn so, dass Harry leugnete, ihn ebenfalls geküsst zu haben? „Ich lüge nicht! Ich wollte nur wissen, warum du mich geküsst hast, aber weisst du was? Es interessiert mich nicht mehr. Mach doch was du willst. Ich gehe.“, schrie ihn Harry mit blitzenden Augen an und stürmte aus dem Raum. Draco starrte weiterhin, nach aussen ungerührt, in die Flammen, aber in seinem Innern tobte ein Sturm. Warum musste Harry derart überreagieren? Gut, sie hatten sich geküsst und gut, sie waren beide Jungen, aber es hatte sich richtig angefühlt. Es gab überhaupt keinen Grund, ihn so anzuschreien und überhaupt, warum verletzte ihn das alles so? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)