Unknown World von Zwiesi (Das Abenteuer eines kleinen Katzenmädchens) ================================================================================ Piraten ------- Stumm schaute Kaisha auf das blaue Meer hinaus, das sich bis zum Horizont erstreckte. Ihre Tränen waren versiegt, doch ihr Herz hatte nicht aufgehört zu bluten. Zu tief und zu viel waren die Wunden, die man ihr über die Jahre zugefügt hatte, als dass ihre Seele wieder heilen würde, davon war sie überzeugt. Ihr kleines, vernarbtes Herz hielt es nicht mehr aus. Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Selbst ohne sich umzudrehen wusste sie, wer da kam. Es gab nur eine Person auf der Insel, die ihr nachlaufen würde. Miou war ihr Freund, ihr einziger Freund. Ihm machte ihre seltsame Fellfarbe und ihre Augen nichts aus. Er war immer nett, verteidigte sie, wenn andere sie angriffen, tröstete sie, wenn keiner sie verstand. Deswegen ließ sie es auch geschehen, dass er sich neben sie setzte. Eine Weile starrten beide nur auf das weite Meer hinaus, ohne etwas zu sagen. Zwischen ihnen brauchte es keine Worte. Allein seine Anwesenheit beruhigte sie und tat ihr unsagbar gut. Kaisha konnte nicht sagen, wie lange sie so saßen, bis sie aus ihrer trauten Zweisamkeit gerissen wurden, aber es mussten einige Stunden gewesen sein, denn die Sonne würde schon bald untergehen. Ein Schuss zeriss plötzlich die Stille. Wie von der Tarantel gestochen fuhren die beiden Kanjing herum und blickten in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Eine dünne Rauchsäule stieg am anderen Ende der Insel auf. „Was…was war das?“, verunsichert machte Kaisha einen Schritt nach vorne und kniff die Augen zusammen. Da ertönte das Geräusch erneut. Miou packte sie an der Schulter und deutete auf das Meer. „Da, sieh nur, ein Schiff.“ Kaisha folgte seinem Blick und keuchte erschrocken auf. „Ein Piratenschiff.“ Das konnte nur eines bedeuten. Die Insel stand unter Beschuss, man hatte sie angegriffen. „Aber es ist doch unmöglich, in die Bucht zu gelangen. Der Durchgang ist viel zu schmal für so ein riesiges Schiff“, wandte Kaisha ein, doch schon der nächste Schuss und das Geschrei, das darauf folgte, belehrten sie eines besseren. „Sie haben kleinere Boote dabei und anscheinend sehr gute Steuermänner. Es muss ihnen gelungen sein, die Untiefen und Riffe zu umschiffen.“ Immer noch standen beide wie erstarrt da, unfähig sich zu rühren. Doch beim nächsten Schuss fiel ihre Erstarrung von ihnen ab und beide begannen so schnell wie möglich zum Dorf zu rennen. Kaisha zuerst, Miou dicht auf ihren Fersen. Endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, wie es ihnen schien, erreichten sie den Rand der Stadt und hielten an. Wie ausgestorben lagen die Straßen da. Viele der einfachen Lehm- und Holzhütten waren zerstört, geplündert oder angezündet worden. Wie in Trance näherten sich die beiden Katzenmenschen den Überresten ihres Zuhauses. Langsam gingen sie durch die Straßen. Alles war wie leer gefegt. Nicht ein mal eine einzige Leiche fanden sie. Plötzlich blieb Miou stehen und hob etwas auf. Tränen standen in seinen Augen. In der Hand hielt er eine kleine Kette aus Muscheln, die er zur Geburt seiner kleinen Schwester angefertigt hatte. Als er wieder aufschaute lag etwas Wilde in seinem Blick. „Dafür werden sie büßen“, zischte er. Von seiner Wut gepackt rannte er blindlings zum Strand. Kaisha versuchte vergeblich ihn zurückzuhalten und folgte ihm schließlich resigniert. Den ganzen Weg über begleitete sie die Spur der Verwüstung. Als sie endlich am Strand ankamen, war es bereits zu spät. Alle Boote hatten abgelegt und segelten zum großen Schiff zurück. Miou wollte schreien, doch Kaisha hielt ihm den Mund zu. „Nicht, sonst kommen sie und holen uns auch noch“, warnte sie ihn. Doch er riss sich von ihr los und funkelte sie nur wütend an. „Sollen sie doch. Was nützt es uns, allein hier zu bleiben?“ „Was nützt es uns, wenn niemand mehr da ist, der sie befreien kann? Solange wir beide zusammen bleiben, besteht noch eine Chance, sie zu retten!“ „Und wie“, spottete ihr Freund, „sollen wir beide ein ganzes Schiff aufhalten, wenn es nicht einmal die ganze Stadt geschafft hat?“ „Wir brauchen Hilfe“, entschied sie. „Jemand, der auch gegen die Piraten ist.“ Eine Weile grübelte sie vor sich hin. Dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf. „Erinnerst du dich noch an den Mann, der vor einigen Jahren an unsere Küste gespült wurde? Ein paar Tage nach diesem Sturm kam ein großes Schiff mit weißen Segeln und so einer kleinen blauen Fahne vorbei und der Mann hatte sehr viel Angst davor. Er hat sie ‚Marine’ genannt. Vielleicht können die uns helfe?“ „Und warum bist du dir so sicher, dass sie uns helfen und nicht einfach umbringen?“, er sträubte sich immer noch, aber Kaisha merkte, dass sie eigentlich schon gewonnen hatte. „Der Mann damals war böse. Die Bösen haben immer vor den Guten Angst. Und selbst wenn, schlimmer kann es nicht werden, oder?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)