Die Frau des Assassin von lomelinde (Danaergeschenk) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Frau des Assassin Johanna stand am Balkon des höchsten Turmes von Masyaf. Mit einem seidenen Tuch wischte sie sich den Schweiß aus den Augen. Die Sonne brannte vom Himmel und die trockene Luft machten es ihr beinahe unerträglich auch nur wenige Momente in der Mittagshitze zu verbringen. Ein letztes Mal starrte sie über die Mauern der Burg hinaus in die flimmernde Hitze der Wüste ehe sie wieder ins Zimmer zurück trat. Im Inneren der Burg war es nur unwesentlich kühler, aber im Vergleich zu der Hitze vor den Toren des Bollwerks entging sie hier der Glut der Sonne die unerbitterlich vom Himmel brannte, als wolle sie wie das Höllenfeuer alle Sünde von der Welt tilgen. Johanna schüttelte über den Gedanken den Kopf. Die Hitze schien ihr langsam zu Kopf zu steigen. Sie war keine Frau dieses Landes und fast fürchtete sie, sie würde es niemals werden. Ihre blasse Haut färbte sich jedes Mal puterrot wenn sie ohne Verschleierung durch die Glut der Sonne lief. Sie hasste es im Inneren der Burg zu bleiben, aber es war ihr beinahe unmöglich sich selbst für länger Zeit der Sonne auszusetzen. Sie ließ sich auf den weichen Diwan sinken und schloss die Augen. Sie erwachte erst wieder als jemand sanft ihre blasse Schulter berührte. Einen Moment brauchte sie um sich zu orientieren wo sie war, als sie jedoch die Wärme um sich spürte wusste sie, dass sie nicht mehr in ihrer kalten europäischen Heimat war, in der jetzt Winter herrschen musste. Sie schlug die Augen auf und blickte in die sanften Augen eines hünenhaften Mannes. Seine Züge waren starr und unbewegt, aber seine Augen blickten voller Zuneigung zu ihr herunter. „Silan!“, sagte sie freudig und ließ sich von ihrem Mann aufhelfen. Silan lächelte sanft und strich Johanna über den Arm, dennoch schwieg er. Er trug einen schwarzen Umhang und um seinen Kopf schlang sich geschickt der schwarze Turban der Muselmänner. Das geschwungene Schwert der Sarazenen zeichnete sich deutlich unter seinem Umhang ab. Johanna mochte das nicht, sie wollte Silan nicht kämpfen sehen, weder meuchelnd noch in einem fairen Kampf. Sie wandte sich ab und schaute auf den Balkon hinaus. Die Sonne begann sich bereits zu senken und erschrocken stellte sie fest, wie lange sie geschlafen hatte. „Der Alte vom Berg erwartet mich!“, sagte der Assassine und folgte dem Blick seines Weibes hinaus zum Fenster. „Dann solltest du zu ihm gehen. Raschid al-Din ist ein Mensch, den man nicht warten lässt!“, antwortete sie ihm trocken und uninteressiert. Sie wollte nichts über die geheimen Pläne wissen, die der Alte vom Berg und seine Meuchelmörder planten. Es interessierte sie nicht, so lange Silan immer wieder zu ihr zurückkehrte und in ihren Armen einschlief. Als hätte er ihre Gedanken gelesen trat er hinter sie und legte sanft seine großen Hände auf ihre Schulter. Der hauchdünne Stoff des edlen Gewandes ließ die Wärme der dunkeln Hände sofort in ihren Körper dringen. Sie lehnte sich gegen ihn. „Deswegen bin ich hier Johanna.“, flüsterte er ihr sanft ins Ohr. „Saladin schickte dem Alten Nachricht und diese betrifft auch dich!“ Johanna fuhr zusammen und wand sich zu Silan um. Dieser lächelte beruhigend, aber Johannas Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie verstand nicht was sie mit Saladin und dem ganzen verdammten heiligen Krieg zu tun hatte. Sie war ihrer Heimat entflohen und sie hatte sich Silans Glauben, den Glauben der Muselmänner angenommen. Sie war nichts weiter als das Weib eines Assassinen. Eines starken und einflussreichen Kriegers wohl, aber letztlich nur das Weib eines Mannes. Nichts weiter! „Hab keine Angst. Raschid al-Din liebt dich als wärst du seine Tochter, das weißt du. Es wird dir nichts geschehen!“ Automatisiert nickte Johanna, aber hinter ihrer Stirn arbeitete es. Es wollte ihr nichts einfallen, was Saladin dazu bewegen konnte sie zu involvieren. Ihr war klar, dass er von ihr wusste. Eine europäische Frau, die mit einem Sklavenhändler nach Masyaf kommt und dann einen der höchsten Assassinen heiratet und zum Glauben der Muselmannen übertritt konnte auch dem Sultan Saladin nicht verborgen bleiben. Dennoch was hatte sie mit dem heiligen Krieg zu tun? Sie konnte weder kämpfen, noch war sie einer Geisel wert, die es auszutauschen lohnte. In ihr breitete sich ein ungutes Gefühl aus, als sie hinter Silan die Treppen hinunter stieg. Als sie mit geneigtem Haupt hinter ihrem Mann Silan den Saal betrat erhob sich ein aufgeregtes Stimmgewirr. Es war zwar nicht verboten eine Frau hierher zubringen, aber es war ungewöhnlich sie bei strategischen Beratungen dabei zu haben. So wie es sich in der Anwesenheit der Männer gebührte ging sie verschleiert. Einzig die hellblauen Augen, das einzige was dieses Gewand von ihrer europäischen Herkunft nicht verbergen konnte, blitzen hervor und sahen sich aufmerksam im Raum um. Als Silan vor dem Stuhl des Alten vom Berg niederkniete blieb auch Johanna stehen und verneigte sich tief vor dem obersten Assassinen. „Ich freue mich dich zu sehen, Johanna! Und auch dich lieber Freund Silan begrüße ich mit Freuden!“, sprach Raschid al-Din eine Begrüßungsformel und gab beiden dann ein Zeichen, dass sie sich erheben konnten. Mit noch immer gesenktem Haupt trat Johanna neben ihrem Mann heran. Dieser schenkte ihr einen beruhigenden Blick, tat aber sonst nichts. Nachdem auch die letzen Männer eingtreten waren schloss sich die schwere Tür. „Johanna, Silans Weib!“, Raschid al-Dins Stimme donnerte durch den Saal und Johanna begann zu zittern. Sie wollte nicht vor den Herrscher von Masyaf treten, denn sie wusste, dass dieses Mal Silan nicht an ihrer Seite stehen würde. Sie zögerte einen Moment. Sie spürte die Blicke, die auf ihr lagen und das ungute Gefühl in ihrem Bauch breitete sich zu einer Welle der Übelkeit. Unsicher und wankend trat sie vor dem Alten und senkte ihr Haupt noch einmal tiefer. Er nickte zufrieden. „Johanna, deine Anwesenheit ist ungewöhnlich; für uns alle hier, auch für dich! Dennoch ist sie notwendig!“, er winkte einen Diener hinter sich heran. Dieser übergab ihm eine kleine, braune Schatulle. Raschid al-Din erhob sich von seinem Stuhl und trat an Johanna heran. In diesem Moment schienen alle Anwesenden die Luft anzuhalten und die junge Frau spürte wie ihr Herz immer schneller zu schlagen begann und ihr fahles Gesicht noch blasser wurde. „Johanna Kind, Saladin schickte uns Nachricht. Nachricht aus deiner Heimat. Und jemand aus deiner Heimat schickt dir dies.“, er hielt ihr die Schatulle hin. „Was ist da drin?“, fragte Johanna den alten Mann, aber dieser schüttelte den Kopf. „Dies mein Kind ist nur für dich bestimmt und nun geh! Ich weiß nicht warum Saladin es dir schickt, aber es ist ein Geschenk aus deiner alten Heimat. Dieser Moment soll nur für dich bestimmt sein! Geh mein Kind!“ Johanna hatte geahnt, dass sie nicht bei der ganzen Sitzung der Krieger dabei bleiben durfte und auch wenn sie sich nicht sehr für die Machenschaften der Assassinen interessierte, hatte sie doch die Neugier gepackt. So etwas wie Enttäuschung flammte in ihrem Augen auf und noch ehe sie sich vor Raschid al-Din verbeugte sah sie seinen mitleidigen Blick, dann verließ sie so schnell es die Etikette zuließ den Saal. Als sie die Tür erreichte begann sie zu rennen. Als Silan das Gemach seines Weibs erreicht hatte spürte er, dass etwas nicht stimmte. Schnell trat er hinein und im ersten Moment gelang es ihm nicht die Situation zu erfassen. Er sah die Schatulle, die auf dem Boden lag, geöffnet und leer, aber seine Frau entdeckte er nicht. Erst nach einigen Augenblicken gewahrte er dem Schluchzen, das von dem mit Tüchern und Netzen verhüllten Bett herüber drang. Er ging hinüber und ließ sich neben seiner Frau sinken. „Was ist mit dir?“, fragte er unsicher. Er hatte sein Weib noch nie weinen sehen. Sie war immer stark gewesen und nun fühlte er sich unsicher. Ihr Gesicht blieb in den Kissen vergraben und sie streckte nur die Hand aus und ließ zwei Münzen auf das Laken fallen. Silan griff danach und wiegte die fremdländischen Münzen in seiner Hand. Er verstand Johannas Aufregung nicht. „Was ist damit?“, fragte der Muselmann. Johanna setzte sich auf und wischte die Tränen aus ihrem Gesicht. Ihre Miene hatte sich verschlossen und ihre Augen schimmerten matt. „Was habt ihr besprochen?“ Nun war Silan wirklich überrascht. Seine Frau hatte sich nie für die Belange der Assassinen interessiert und jetzt fragte sie danach: „Nichts weiter mein Herz! Ein Auftrag, nichts weiter!“ In dem Moment in dem er diese Lüge aussprach wusste er, dass sie schlecht war. „Geh nicht! Bitte, nur dieses eine Mal. Ich bitte dich!“, flehte die blasse Gestalt. In diesem Moment wirkte sie dürr und kraftlos. So hatte Salin sein Weib noch nie gesehen und es ängstigte ihn. Er wollte sie in den Arm nehmen, doch er schreckte im letzten Moment davor zurück. „Ich kann nicht! Saladin wünscht es so und der Alte hat mich ausgewählt. Dies ist eine Ehre! Ich kann nicht ablehnen!“ Johanna spürte dass sie ihn nicht dazu bewegen konnte sich um zu entscheiden und so begann sie erneut zu weinen. Sie wusste nicht wer ihr die Nachricht schickte aber sie ahnte es. In ihrer alten Heimat war sie die Tochter eines reichen Händlers gewesen und Graf Baldin hatte um ihre Hand gebeten und nun war sie in einem fremden Land, verheiratet mit einem Muselmann. Sicher war Baldin darüber nicht begeistert gewesen, er war ein rachsüchtiger Mann. Als sie neben den Leichnam trat, da gab es keine Träne mehr, die sie hätte weinen können. Sie hatte von seinem Tod gewusst noch ehe er ihm begegnet war. Vielleicht hätte sie ihm erzählen sollen was es mit dem unheilvollen Geschenk auf sich hatte, aber Silan hätte es nicht aufgehalten. Sie hatte versucht in Gott oder Allah oder wie auch immer sie ihn nannten zu vertrauen, aber sie hatte es nicht gekonnt und es hätte auch nichts genützt. Hinter ihr trat ein alter gebrochenen Mann heran, gezeichnet von den Jahren, aber dennoch mit einer unglaublichen Kraft gesegnet. Sanft legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Er starb als er Jerusalem das Glück zurückbrachte mein Kind. Sein Tod war nicht umsonst. Ich bin stolz auf ihn!“, Raschid al-Din wusste, dass auch der Tod des Königs von Jerusalem dem Christenmädchen, dass sie doch noch immer war, keinen Trost spenden konnte, aber auch er wusste nichts anderes zu sagen. „Wohin soll ich nun gehen?“, sie nahm den Blick nicht von Silan. Sie schluckte mehrfach um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden, aber es gelang ihr nicht. Die Antwort auf die Frage war ihr egal, denn sie hatte sie nur gestellt um überhaupt etwas zu sagen, aber nun da Silan von ihr genommen war, war es auch für sie bedeutungslos was geschehen würde. Sie war allein, in einem fremden Land. In ihre Heimat konnte sie nicht mehr zurück. „Du bleibst bei mir, mein Kind!“, sprach der Alte vom Berg sanft. „Die Frau eines Helden werde ich nicht fortschicken. Masyaf soll deine Heimat bleiben, so lange du es möchtest.“ Dankbar nickte Johanna und trat an Silan heran. Sie erinnerte sich daran wie er ausgesehen hatte, als er neben ihr geschlafen hatte und auch jetzt noch sah er so als würde er nur schlafen, doch er würde nicht mehr aufwachen. Mutige Assassinen hatten seinen Leichnam durch die Wüste hergeschleppt, um ihm die Ehre zu erweisen die ihm gebührte. Johanna dankte ihnen innerlich, wenigstens blieb ihr so die Möglichkeit ihn noch einmal zu sehen und ihn zu verabschieden. Sie griff unter ihren schwarzen Mantel und holte einen kleinen ledernen Beutel hervor. Sie zog die Schnüre auf und ließ die zwei Münzen auf ihre Hand gleiten. Sie schob den Beutel wieder unter ihr Gewand und ließ die Münzen durch ihre Finger gleiten. Dann ergriff sie seine Hand und drückte sie ein letztes Mal, ehe sie ihm die Münzen auf die Augen legte. Eine einzelne Träne rann ihr die Wange herunter, ehe sie sich abwandte und in das Innere der Burg zurück rannte. Sie wollte nicht sehen, wie man ihren Mann den Flammen übergab. ENDE © Manuela Schmohl, 2008 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)