Angel Cage von Celest_Camui ================================================================================ Kapitel 8: Antworten -------------------- Es war unerträglich heiß. Camui hatte mit seiner Behauptung wohl recht behalten. Mehr als ihr lieb war. Selbst hier, in diesem Raum komplett aus Stein mit zugezogenen Fensterläden war es noch unerträglich schwül. Wie sollte sie da alles in eine klare Reihenfolge bekommen, was sie vorhin gehört hatte? Zu viele Dinge waren geschehen, zu viele neue Fragen aufgeworfen worden… zu viel war passiert. Langsam war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob sie wirklich wissen wollte, was sie nun wusste, oder ob es vielleicht lieber im Dunkel der Ungewissheit verborgen geblieben wäre. Das war alles mehr, als sie ertragen konnte. Erneut schloss sie die Augen und streckte ihre müden Glieder. Alles hier war so anders gewesen, als sie es eigentlich dachte. Zwar waren sie vielleicht nicht gerade die ehrenhaftesten Wesen, die das Licht der Welten erblickt haben, aber sie waren auch bei weitem nicht so böse, wie sie dachte. Sie dachte zurück zu der Stunde, die sie so verwirrte ohne wirklich etwas zu beantworten… Engel des Schicksals. Diese Betitelung ihrer selbst war ihr neun gewesen… was hatte sie zu bedeuten? Der Lord der Unterwelt hatte sich erhoben und sank nun vor ihr auf die Knie. Nicht unterwürfig oder ungeschickt. Eher elegant, wie ein Ritter es gegenüber einer Dame tun würde. Alles in allem machte er auf sie definitiv nicht den Eindruck, der ihnen gelehrt worden war. Er war nicht hässlich, gebuckelt und hatte auch keine Hörner. Auch war er nicht vulgär ohne jegliche Manieren. Was sollte sie davon denken? War es eine Machenschaft zu ihrer Täuschung? Nein, es war etwas an ihm, das kein anderer bisher hatte, den sie jemals gesehen hatte. „Lady Celest…“ seine Stimme klang so tief und raunend, dass es ihr instinktiv die Schamesröte in das Gesicht trieb. Er küsste die Oberfläche ihrer schmalen Hand, die wahrscheinlich zu mehr fähig wäre, als man ihr zutrauen könnte. „Lord…“ Ihre Stimme hatte sich entgegen ihrem Körper vollkommen unter Kontrolle. „Mein Anliegen…“ er stand direkt vor ihr auf. „Ich kenne ihr Anliegen, meine Liebe. Du möchtest Antworten.“ Fliegender Wechsel der Anrede, gut, sollte ihr Recht sein. „Du möchtest wissen, wo dein Gott ist, warum du nicht niedergemeuchelt wurdest, als du die Schwelle zur Unterwelt betreten hast und auch, wieso wir dich den Engel des Schicksals nennen.“ Er drehte ab und wandte ihr den Rücken zu. Eine seltsame Geste für den Herrn der Unterwelt gegenüber einem angesehen Engel. „Doch, lass mich erst einmal Fragen an dich stellen.“ Er setzte sich auf seinen Thron und blickte ihr direkt in die Augen. „Ich weiß, was du alles über uns gehört hast, aber hast du schon mal darüber ernsthaft nachgedacht.“ Er winkte lächelnd ab. „Nehmen wir doch einmal die Menschen als Beispiel. Also ich…“ er betonte das „ich“ sehr lang und ausdrucksvoll. „verführe die armen Menschlein und weil sie Böse waren, kommen sie hier zu uns in die Hölle und erleiden Ewige Qualen.“ Er schien eine Antwort zu erwarten, doch Celest blickte ihn nur unentwegt an und hoffte, das er fortfahren würde, ohne dass sie diese Gerüchte kommentieren oder gar bestätigen müsse. Ihr Blick verriet ihr Gedanken jedoch zu genüge. Sein Atem entglitt ihm in einem Seufzer. „Natürlich wurde dir das so gesagt, aber im Ernst, wo steckt der Sinn darin? Erst verführe ich sie und dafür, dass sie mir einen Gefallen tun, mache ich mir die Arbeit sie zu bestrafen? Hast du jemals über diese Logik nachgedacht? Oder auch, du hast uns gesehen. Keiner von uns könnte mit eurem Land dort oben wirklich etwas anfangen, wir haben alles und brauchen nichts, also wieso sollten wir sinnloser Weise unsere Existenz verschenken? Ehrlich? Vor allem sind wir ja von dort freiwillig gegangen…“ Celests Augen weiteten sich unmerklich. Was sollte sie denn sagen? Bis hier hin hatte er ziemlich recht, sie hatte sich wirklich nie Gedanken darüber gemacht. Aber warum freiwillig gegangen. Seine Augen funkelten belustigt. „Ja, es ist klar dass euch diese Geschichte nicht erzählt wurde. Um die ganze Sache einmal aufzurollen. Ich liebte Gott, doch die hohen hatten etwas gegen meine Existenz, die ihnen dort zu mächtig wurde. Ja, Eifersucht, Zwietracht und Hinterhältigkeit herrscht dort oben. Sie wollten nicht, dass ich irgendwann einmal den Posten des Herrschers statt ihnen selbst annehme. War es nicht bei dir selbst ähnlich? Sag mir, wurdest nicht auch du ausstößig behandelt? Nach deiner Geburt weggeworfen und dann wie durch ein Wunder in eine höhere Position geleitet. Jemand wie du, jemand niederes, folgsames, könnte doch niemals eine Gefahr für die höheren der Gattung darstellen. Also warum nicht dich auszeichnen und als Aushängeschild einer perfekten Gesellschaft benutzen?“ Celest öffnete ihren Mund. Sie wollte etwas sagen, doch die Worte steckten in ihrem Hals fest, wie der Wind in einem geschlossenen Raum. „Kannst du mir vielleicht sagen, warum Mord an Gottes Geschöpfen so verpönt ist und wir sterben sollen? Auch wir wurden von Gott erschaffen. „DEM“ allmächtigen Gott.“ Ihr fiel auf, dass er vor allem Wert auf seine Betonung legte. Was wollte er ihr sagen? Wollte er überhaupt etwas sagen? „Nun, warum du noch lebst? Wieso denn nicht? Sag mir, wieso sollten wir dich umbringen? Nur weil du ein Engel bist? Ich bitte dich. Von deiner Sorte gibt es noch einige und du weißt so gut wie wir, dass du dort oben ersetzt werden würdest. Außerdem würden wir uns damit auf einen Krieg einlassen. Wie schon gesagt, wir wollen keinen Krieg. Wir leben zufrieden und sicher. Außerdem bist du der Engel der Schicksals, auch wenn es dir noch nicht bewusst ist.“ Der Herr der Unterwelt, in seiner ganzen Stattlichkeit und Schönheit schritt ein paar Schritte durch die Halle. Celests Kopf folgte seinen Bewegungen, doch sie selbst rührte sich keinen Zentimeter. Den Mund hatte sie mittlerweile geschlossen. Etwas zu erwidern hatte sie nicht. All dieses Gerede auf einmal überschritt selbst ihre Kompetenzen. „Du magst es ja noch nicht wissen, aber du wirst einen Krieg anzetteln, ob du willst oder nicht. Dieser wird jedes der beiden Reiche verändern, doch wie, das kannst nur du entscheiden. Die Zeit wird kommen, in der du, die unser Schicksal in ihren Händen hält, eine Entscheidung fällen wirst. Und auch, in der du die gesamte Wahrheit der letzten Jahrhunderten in den Händen halten wirst, doch diese Zeit ist noch nicht gekommen.“ Sein ernster Ton schwang um, wie ein kühles Gewässer durch einen warmen Strom geändert werden kann. „Aber nun genug davon, ihr seid doch sicher müde von der langen Reise.“ Er trat näher an Celest heran und berührte sanft ihr Gesicht. „Du siehst ihr so verblüffend ähnlich.“ Seine Lippen hauchten einen Kuss auf ihre Wange. „Willst du mich heute Nacht vielleicht besuchen kommen?“ Sie verstand nicht ganz warum er sie für die Nacht einlud, anstatt ihr am Tag eine Audienz zu gewähren, doch was sollte schon passieren? „Wie sie….“ „Lord… entschuldigt, wenn ich meine Stimme nun unerlaubt erhebe. Doch vergesst nicht, dass sie es nicht ist. Die ähnelt ihr lediglich.“ Luzifer richtete seinen Blick scharf an ihr vorbei auf den noch immer wartenden Camui, der soeben das Wort erhoben hatte. „Ja mein Freund, du hast wohl recht. Entschuldigt, Lady, dass ich euch zu unmoralischen Dingen einlud.“ Erst jetzt hatte sie verstanden, worum es eigentlich ging, auch wenn sie noch immer nicht wusste, wem sie ähnlich sehen sollte. „Ruht euch aus, ich werde euch morgen in neuer Frische empfangen.“ Mit diesem Ausruf, der mehr oder weniger wie ein Befehl klang, entließ er Celest und auch alle anderen in diesem Raum. Auch er schien sich zurück zu ziehen. „Komm, ich zeige dir, wo du schlafen wirst.“ Camui war an sie getreten und flüsterte ihr ins Ohr. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Weder konnte sie denken, noch konnte sie sprechen. Auch ihr Körper schien auf jegliche… unreine Dinge… zu reagieren. Der schwarze Engel führte sie durch einige Gewölbe. Plötzlich fand das reinste Geschöpf in dieser Welt ihre Sprache wieder. „Wieso hast du dich eingemischt?“ Ihr Begleiter lächelte unterschwellig. Er hielt ihr eine Tür auf, wartete, bis sie in ihr Zimmer getreten war und schloss dann diese wieder hinter sich. „Ganz einfach, du gehörst mir. So ist das. Und ich lasse niemand anderen an dich heran, selbst wenn es der Herr der Unterwelt ist.“ Etwas unsanft drückte er sie gegen eine der kühlen Steinwände in diesem Zimmer. „Aber wenn du es so dringend heute Abend willst, bleibe ich gerne hier und werde dir mal ein paar neue Töne deiner Stimme zeigen.“ Mit einem eindeutigen Blick leckte er sich über die Lippen. Wie gebannt blickte sie in sein Gesicht. Es war, als würde sein Begehren auf sie übergehen. Vorsichtig küsste er ihren Hals, fuhr sanft mit der Zunge darüber. Seine Augen folgten den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen. „Noch ist es nicht Nacht. Ich werde dich später besuchen.“ Das nächste, was sie vernahm war, wie die Tür in ihr Schloss fiel und sie selbst zurückblieb. Sie wusste nichts. Nicht, was geschehen war, nicht, wer da gerade ihren Körper gesteuert hatte und ebenso wenig, was sie überhaupt in Erfahrung bringen konnte. Ihre Schritte leiteten sie zur Tür, welche sie mit nur einem Handgriff verriegelte. Sie wollte nicht wieder jemand anderes sein müssen. Dann legte sie sich hin. Das alles… war zu viel… die Hitze… die Ankunft… die Dämonen… ihr Körper… etwas war hier nicht richtig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)