Tangram - Tanz der Schatten von Ixtli (Winter-Wichtelgeschichte für Kawari) ================================================================================ Kapitel 3: Die sieben Teile des Himmels --------------------------------------- .....~ * ~..... ... Wehmütig dachte der einsame Yu an die vergangenen Jahrhunderte voller Freude und Sorglosigkeit zurück und hatte Mitleid mit der Erde und all ihrer Bewohner. Yu nahm die sieben schwarzen Teile des zerbrochenen Himmels und begann damit, alle verschwundenen Dinge auf Erden Stück für Stück nachzubilden ... .....~ * ~..... Dezember, AC 197 Sie war wie vom Erdboden verschwunden. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchte Trowa Catherine an ihrem Wohnwagen abzupassen. Erfolglos. Nicht einmal beim Training traf er sie an. Nach drei Wochen war sich Trowa sicher, dass Catherine ihm absichtlich aus dem Weg ging. Er versuchte die Vorstellung, Catherine bei ihrem letzten Gespräch so verärgert zu haben, dass sie ihn jetzt mied, beiseite zu schieben, obwohl er ihr gerne von seinen eigenen Gedanken dazu erzählt hätte. Stattdessen konzentrierte sich Trowa wieder ganz auf das Training. Und dann stand sie plötzlich vor ihm, bunte Stoffe türmten sich auf ihren ausgestreckten Armen und ihr Lächeln, das sie Trowa zuwarf, ließ nichts mehr vom Ausgang ihres letzten Treffens erahnen. "Kommst du bitte mit?", wandte sie sich lächelnd an Trowa, der mit einigen anderen Artisten einfache Jonglierübungen geprobt hatte. Trowa legte die Bälle und Keulen zur Seite und zog sich seine Jacke über. Er nahm Catherine ein paar der bunten Bündel ab und folgte der jungen Frau dann durch die Halle nach draußen. "Hast du dir schon eine Beschäftigung gesucht?", erkundigte sich Catherine interessiert, während sie die Gassen der dicht zusammenstehenden Wohnwagen entlang gingen. "Bis auf das Training?" Trowa stockte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. "Nein", gab er ehrlich zu. Catherines Lächeln blieb unverändert. "Das habe ich mir schon gedacht." "Na ja, ich habe über das-", begann Trowa, doch Catherine unterbrach ihn wieder, ehe er ihr erklären konnte, dass er sich nicht einfach vor dem gedrückt hatte, was sie ihm vor ein paar Wochen noch vorgeworfen hatte, sondern sich sehr wohl Gedanken gemacht und es durchgespielt hatte, bis er endlich das zusammen hatte, was er Catherine damals nicht gesagt hatte. "Macht doch nichts", antwortete Catherine beschwichtigend. "Mir ist es nur recht, wenn du sonst noch nichts vorhast." "Und wieso?", wollte Trowa verblüfft wissen. Er blieb stehen, als Catherine vor dem Wohnwagen einer der Artistinnen anhielt, und sah die junge Frau vor sich verwundert an. "Weil du dann genug Zeit hast. Die werden wir nämlich brauchen", gab Catherine geheimnisvoll zurück. "Zum Üben." "Was werden wir denn üben?", wollte Trowa überrumpelt wissen. "Etwas vollkommen neues. Eine Akrobatiknummer. Ich habe schon so ziemlich alles ausgearbeitet. Bis auf ein paar Kleinigkeiten." Catherine plauderte nun wie ein Wasserfall und Trowa sah sich mal wieder in der Position des geduldigen Zuhörers. Amüsiert lauschte er der jungen Frau, die ihre Erzählung wohl am liebsten auch noch gestenreich untermalt hätte, wäre da nicht das große vielfarbige Stoffbündel auf ihren Armen gewesen, das bereits bedrohlich hin und her schwankte. "Und Hawthorne ist auch schon eingeweiht", redete Catherine ohne Punkt und Komma weiter. "Er hat sogar zugestimmt, obwohl er die Idee zuerst wahnwitzig fand, aber ich konnte ihn davon überzeugen. Allerdings nur unter einer Bedingung." Gespannt sah Trowa sein Gegenüber an und wartete auf die Auflösung. "Hawthorne will, dass wir die Nummer bis Saisonende durchziehen, wenn wir sie sie bekommen", fuhr Catherine nach einer Pause fort. "Ohne, dass einer zwischendurch einfach so verschwindet." Sie sah Trowa eindringlich an, der prompt lachen musste. "Keine Sorge, das werde ich sicher nicht." Trowa gab Catherine, die ihm auffordernd die Arme entgegen streckte, die Stoffe zurück, die er getragen hatte. Catherine stieg die wenigen Stufen zur Tür des Wohnwagens empor. Oben drehte sie sich noch einmal zu Trowa um und lächelte zuversichtlich. "Was hältst du von einer Nummer, bei der du mehr bist, als nur das Ziel beim Messerwerfen oder ein Clown? Machst du mit?" Trowa nickte nach einer Weile zustimmend. "Was bleibt mir denn sonst übrig. Bei der Suche nach Hobbies war ich bis jetzt erfolglos." Catherine lachte hell auf. "Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, auch wenn ich dir jetzt noch nicht mehr erzählen kann, aber du wirst es noch verstehen", verabschiedete sie sich von Trowa, ehe sie an die Tür des Wohnwagens klopfte. Nachdenklich ging Trowa wieder zurück zur Halle, in der alle noch am Proben waren. Er sammelte die Keulen und Bälle ein, mit denen er geübt hatte und verstaute sie in einer Kiste. Zu gerne hätte er gewusst, was Catherines Plan war, wenn es sie so viel Zeit gekostet hatte, dass sie so lange vom Erdboden verschwunden war, aber jetzt musste er sich wohl oder übel gedulden, bis die junge Frau mit der Sprache herausrückte. Und noch nie zuvor war ihm das schwerer gefallen als jetzt. Januar, AC 198 "Okay, wir haben vier Monate Zeit, alles einzustudieren", Catherine stand mit in die Seite gestützten Händen vor Trowa und dem Rest der Akrobaten und gab eine Anweisung nach der anderen. "Bis dann muss die Nummer perfekt sitzen, damit wir die letzten vier Wochen haben, um alles mit Requisiten in der Manege zu proben. Das heißt, dass wir jeden Tag mindestens neun Stunden üben müssen. Immerhin ist nicht nur die Choreografie neu, sondern dazu gehören auch noch neue Geräte und ein völlig umgestaltetes Bühnenbild." Die Artisten folgten Catherines Hand, die auf ein Stahlgestänge zeigte, das sich hoch über ihre Köpfe spannte. Die beiden Seiten- und Vorderteile verband ein halbrundes Querteil miteinander, das wie eine Vorhangschiene wirkte und laut Catherine das Wichtigste bei der neuen Show werden sollte. Trowa stand sprachlos vor den imposanten Aufbauten, bei deren Errichtung er den Arbeitern geholfen hatte. Das alles von unten zu sehen, war einzigartig. Catherine hatte nicht untertrieben, als sie ihm gesagt hatte, dass die neue Nummer aufwändig werden würde, und jetzt hatte Trowa auch eine Ahnung davon, warum Hawthorne die Idee zuerst für wahnsinnig gehalten hatte. Die Halle, die als Ersatz für die Wintermonate diente, war zwar um einiges kleiner als die Manege, aber selbst in der Zirkusarena musste dieser Stahlbau beeindruckend wirken. Und außer Catherine wusste noch niemand etwas damit anzufangen und den Unterhaltungen um ihn herum zu urteilen, war Trowa nicht der einzige, der sich fragte, warum Catherine ein solches Geheimnis darum machte. "Einfach nicht beachten. Das brauchen wir vorerst nicht. Das ist jetzt nur dazu da, um den Platz abzuschätzen, den wir brauchen werden. Außerdem fehlt da noch ein Teil." Catherine war neben Trowa getreten und seinen skeptischen Blicken Richtung Stahlaufbau gefolgt. Sie lächelte Trowa herzlich an. "Ich habe dich ja vorgewarnt, was die neue Nummer angeht." "Da hatte ich aber nicht mit so etwas gerechnet", entgegnete Trowa, dem vor Verblüffung die Worte fehlten. Aber schon bald wich seine Skepsis der Neugier. Selbst wenn von dem, was sie da sahen, bisher nichts einen Sinn machte, Catherine hatte darum gekämpft, die Nummer zu bekommen, da musste sie sich auch etwas dabei gedacht haben. "Ich schätze, das wird interessant", murmelte Trowa und erntete dafür ein zustimmendes Nicken von Catherine. "Das wird es", bestätigte Catherine selbstsicher. Dass ihr Plan, ohne großartig bekannt zu sein, dennoch nicht auf Ablehnung traf, ermutigte sie. Trowa war begeistert und schien so langsam zu begreifen, dass etwas anderes, neues von ihm verlangt wurde. Und das war schon der halbe Lohn. März, AC 198 Die Proben waren langwierig und kräftezehrend. Catherine hatte die unterschiedlichen Rollen auf die verschiedenen Artisten aufgeteilt und noch wirkte alles etwas unkoordiniert, aber schon bald hoben sich die ersten kleinen Erfolge ab, je besser die Grundposen saßen. Zwischen Purzelbaum- und Radschlagenden Kindern und Luftakrobaten, die an bis zum Boden reichenden Stoffbahnen hoch über ihnen durch die Luft schwangen, studierten Trowa und Catherine eine Bodenakrobatiknummer ein, deren verschiedene Posen die junge Frau nach Tieren und Menschen benannt hatte. Bei einigen gab Trowa Catherine lediglich Hilfestellung und stützte sie, während sie ihren Körper bog oder Sprünge vollführte, aber die meisten banden ihn vollkommen in die Nummer ein und Trowa war ein Teil davon. Nicht alles klappte auf Anhieb. Die Hebefiguren waren für Trowa, der die meiste Zeit als Clown und lebendes Ziel beim Messerwerfen aufgetreten war, unbekanntes Gebiet und brauchten viel Energie. Aber Catherine gab nie auf, Trowa zum Weitermachen zu ermutigen, und hatte Erfolg damit. Trowas Ehrgeiz war angestachelt, aufgeben würde er sicher nicht. In einer Pause saßen Catherine und Trowa abseits und beobachteten die noch probenden Artisten. Trowa lockerte seine ermüdeten und verspannten Beine und Arme und Catherine hatte sich ein Handtuch genommen und wischte sich damit das Gesicht ab. Sie atmete schwer aus, nahm ihre Wasserflasche und trank sie zur Hälfte leer. Mittlerweile hatten nicht nur die Akrobaten ihre Posen geübt, sondern auch die Arbeiter, die sonst rein für die Errichtung des Zeltes zuständig waren, das Stahlgerüst einige Male ab und wieder aufgebaut und dabei jedes Mal die Zeit gemessen. Catherine hatte mehrmals betont, dass es wichtig sei, dass der Aufbau reibungslos ablief, damit er bei der richtigen Aufführung nicht zu viel Zeit beanspruchte. Hawthorne hielt sich noch immer bedeckt darüber, wann ihre Nummer in der nächsten Saison laufen sollte, ob es nur einmalig sein würde oder jeden Abend, und Catherine schien sich deswegen zu sorgen. Mehr noch, als wegen den Rückschlägen, die sie während den Proben einstecken mussten. Nicht alles funktionierte auf Anhieb so, wie es sollte, aber jeder war mit Feuereifer bei der Sache, so dass nach einer Weile fast alles reibungslos ablief. Interessiert sah Trowa den Luftakrobaten zu, die an den unter der Stahlkuppel befestigten Stoffbahnen und Trapezen von einer Seite zur anderen schwangen und einen Salto nach dem anderen schlugen. "Kennst du die Legende des Drachen Yu?", fragte Catherine unvermittelt in ihr beider Schweigen hinein. Trowa schüttelte den Kopf. Catherine nickte zu den Akrobaten hin. "Das ist sie." Trowa sah den sich kunstvoll biegenden Artisten zu. "Um was geht es in der Legende?", hakte er nach einer Weile nach. "Um einen Drachen, der sich mit den Menschen angefreundet hatte und die ihm dann von einem eifersüchtigen Gott wieder genommen wurden." Catherine hielt inne als überlege sie. "Nur ihre Schatten konnte Yu retten." "Das hört sich nicht nach einer Legende an." Trowa hatte unbewusst das ausgesprochen, was Catherine dachte. Stumm nickte die junge Frau. Es war ihre Geschichte, ihrer aller Geschichte. Trowas Gedanken schweiften einen Moment in die Vergangenheit ab. Aber er dachte auch an Hawthorne und Catherines Sorgen wegen dessen Schweigen, was das endgültige Okay für die Aufführung anging. "Wie endet die Legende?" Catherine atmete tief aus. "Der Gott hat Mitleid mit Yu und den Schatten und gibt ihnen ihre Körper zurück." "Dann ist ja gut", meinte Trowa knapp und lächelte Catherine erleichtert an. Er stand auf, streckte Catherine eine Hand hin und half der jungen Frau auf die Beine. "Das schaffen wir auch", versicherte er ihr. Catherines Gesicht erhellte sich bei Trowas hoffnungsvollen Worten. Er meinte es ernst. TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)