179° von Tsuka (|| Tsukasa x Karyu ||) ================================================================================ Anm.: das kursive im Text sind Originalzitate aus dem RPG ~*~*~*~*~*~*~*~ Entspannt sitze ich auf dem Sofa im Wohnzimmer. Vor mir auf dem Tisch sind einige Akten ausgebreitet. Sehr vertrauliche Akten. Genauer, Polizeiakten. Akten von Mordfällen, um ganz genau zu sein. Unschöne Leichen mit unschönen Verletzungen, die zu unschönen Toden geführt hatten, blicken mich von unschönen Fotos an, die an unschönen Schauplätzen gemacht wurden. Manche der Toten haben das Glück, in einem Stück beerdigt zu werden, andere müssen erst wieder zusammen genäht werden. Das ist nicht schön, schließlich geht dadurch ein Stück der letzten Ehre verloren. Ich seufze tief. Wieso tat ich mir das eigentlich gleich noch einmal an? Immerhin hatte ich schon längst Feierabend, aber das interessierte ja keinen. Die Leute mussten sich ja trotzdem von diesem Serienkiller umbringen lassen, der seit einiger Zeit durch die Gegend geistert. An mich dachte dabei keiner. Wirklich nett... Normalerweise vermeide ich es, Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Die Arbeitszeiten wurden schließlich nicht umsonst erfunden... und außerdem sehe ich es jetzt schon kommen, dass die Überstunden wieder nicht bezahlt werden würden. Aber dieses mal ging es nicht anders. Dieser Fall hatte äußerste Priorität und da muss auch ich ein wenig ranklotzen. Obwohl ich eigentlich nicht wenige Leute unter mir stehen habe, die das nicht auch machen könnten – immerhin bin ich Leiter des Morddezernats. Und ein guter noch dazu, möchte ich jetzt einfach mal von mir behaupten. Ich hab jedenfalls noch nichts negatives über meine Arbeitsweise gehört. Außer von so einem gewissen... Menschen... aber auf den will ich jetzt nicht weiter eingehen. Es reicht schon, wenn ich den im Präsidium jeden Tag sehen muss... ...ich sollte mal über eine Entlassung nachdenken... Egal. Jedenfalls sagt man mir nach – zumindest ist das die Meinung vom obersten Chef, aber die ist ja auch die Hauptsache – dass ich ein guter Abteilungsleiter wäre. Streng, aber gerecht. Allerdings gibt es da einige, die das anders sehen. Immer wieder heißt es, ich sei unausstehlich... „Er ist Kettenraucher. Er kommt keine zwei Stunden ohne Kaffee aus. Er ist dauergenervt, morgenmuffig, eigenbrötlerisch und überhaupt..... er war mal Grufti, ist die ganze Zeit in schwarz rumgelaufen, hat sich mit 18 ein Tattoo stechen lassen und .... er ist Polizist.“ Auch, wenn mir das irgendwie immer keiner glaubt, weiß der Teufel, warum. Also, ich mein das mit dem Polizisten. Der Rest... na ja, man muss sich ja nicht überall zu äußern. Wobei ich sagen muss, dass der Kaffee stimmt... und die Zigaretten auch... morgens sollte man mich wirklich nicht ansprechen. Und jetzt mal ehrlich, wer kann es mir verübeln, dass ich manchmal etwas mieser drauf bin, wenn man bedenkt, wen ich tagtäglich alles sehen muss? Das fängt schon morgens nach dem Aufstehen an. Der erste Feind des Tages: die Sonne. Der zweite Feind: der Briefträger, wahlweise auch ersetzt durch diverse Zeugen, die vom Wachturm hüpfen wollen oder von Versicherungsvertretern, die ich liebend gern hinterher schubsen würde. Aber gut, ich schweife ab. Wo war ich? Ach ja, genau. Im Wohnzimmer. Also meine Gruftizeit streite ich auch nicht ab, das war ne Phase, die hatte jeder mal. Und mein Tattoo hab ich auch noch. Mittlerweile finde ich es sogar toll. Was ich immer wieder aufs Neue interessant finde, ist die Tatsache, dass jeder sofort glaubt, dass ich (angeblich) eigenbrötlerisch, unsozial und was weiß ich was wäre. Aber wenn die Leute hören, dass ich Polizist bin, dann gucken sie einen wie ein Auto an. Habt ihr schon einmal ein Auto gucken sehen? Dann könnt ihr euch ja in etwa vorstellen, was ich meine. Ist es etwa so abwegig, dass ich ein Bulle bin? „Sagen Sie, gehören Sie auch zur Polizei?“ Scheinbar schon... Deswegen bin ich auch nebenberuflich Zuhälter. Davon wusste ich bis vor einiger Zeit zwar auch noch nix... „Sind Sie wirklich Polizist?“ „Nein, das ist alles nur Tarnung. In Wirklichkeit bin ich Zuhälter. Die Polizistennummer mach ich nur, um an Adressen und so was ranzukommen. Ach ja und Karyu ist mein bestes Vögelchen, stimmt’s Süßer?“ ...das war doch nur Spaß. Also wirklich... Aber wo wir gerade beim Thema sind... Wo ist eigentlich Karyu? Der ist doch sonst irgendwie immer überall. Ich beuge mich etwas vor, um aus der Tür sehen zu können. Im Flur ist er schon einmal nicht. Vielleicht in der Küche? Nein, auch nicht. Merkwürdig... Nachdenklich sehe ich durch den Raum, bis mein Blick am Fernseher hängen bleibt. Innerlich klatsche ich mir gegen die Stirn – äußerlich nicht, das würde ja blöd aussehen. Natürlich! Da hätte ich auch von selbst drauf kommen können. Damit das Aktendurcharbeiten nicht ganz so langweilig wird, hatte ich einen Film in den Player geschoben, der nun im Hintergrund lief. Einen Horrorfilm, wohlgemerkt. Was anderes kommt mir nicht ins Haus. Es sei denn, Karyu darf sich was aussuchen. Und das würde garantiert kein Horrorfilm werden, denn darauf reagiert er irgendwie allergisch. Er kann sie nicht ab, aber irgendwie auch doch. Eine richtige Hassliebe. Sehr merkwürdig und eine Wissenschaft für sich, bin ich auch noch nicht ganz hinter gestiegen. Das einzige, was ich weiß ist, dass ich dabei sein muss, wenn er einen solchen Film sieht. Und da gerade ein solcher Film lief, war es eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, dass sich Karyu nicht in diesem Stockwerk aufhielt. Das kleine Wollknäuel war auch nicht da... vermutlich ist sie bei Karyu und der ist wahrscheinlich oben im Schlafzimmer. Da wäre ich jetzt gerne auch... aber ohne das Wollknäuel, wohlgemerkt. Das würde nur stören. Nicht, dass Lütt-chan, so heißt das Wollknäuel, sonst stört, nein, aber in einer Situation, wie ich sie mir gerade vorstelle... ...liegt das an mir oder ist es hier gerade wärmer geworden? Das Wollknäuel Lütt-chan – den Namen hatte sich Karyu ausgedacht, ich würde da nicht einmal im Tod drauf kommen, geschweige denn im Leben – gehört übrigens zur Gattung Katze, ist sehr liebes- und kuschelbedürftig und erinnert mich im Großen und Ganzen eigentlich an Karyu. Lütt-chan war ein Weihnachtsgeschenk von meiner Großmutter gewesen, dass ich letztes Jahr bekommen hatte. Oder besser gesagt: dass Karyu ausgesucht hatte. „Schau mal Schatz, ich hab was gefunden~“ „Was denn?“ „Eine KATZE~!“ „Karyu... hier wimmelt es von Katzen...“ „Ja, aber die ist ganz besonders. Guck mal, wir sehen uns sogar ähnlich. Die müssen wir unbedingt mitnehmen.“ „Mir kommt keine Katze ins Haus!“ „Aber... aber... aber... Tsukatchi~“ „Nein.“ „Meow~“ „Siehst du? Lütt-chan will unbedingt zu uns.“ „Lütt-chan?“ „Ja, Lütt-chan. So heißt sie jetzt nämlich. Und weil sie einen Namen hat, müssen wir sie mit nach Hause nehmen." „...na gut.“ „Danke Schatz!“ Man sollte vielleicht dazu sagen, dass die Wohnung meiner Oma im Prinzip nur aus Wolle, Stricknadeln, Katzen und meiner Oma selbst besteht. Viel mehr findet man dort nicht. Na ja, jedenfalls war sie der Meinung, mir unbedingt eine ihrer Katzen – eine hatte gerade geworfen und sie war dabei, die Kinder an den Mann zu bringen – zu schenken, weil ich doch ach so alleine wäre. Gut, zu dem Zeitpunkt wusste auch noch so gut wie niemand – außer meinem werten Lästerschwein äh... Schwesterlein – von Karyu und mir. Aber das hatte sich dann ja auch geändert. Meine Mutter war sofort begeistert von Karyu, genau, wie meine Oma. Meinen Vater lass ich an dieser Stelle besser unerwähnt, sonst wird das Ganze hier noch sehr... unschön. Nur soviel sag ich dazu: mein Vater ist, nein... war ein intolerantes Arschloch. Und zwar schon seit meiner Jugend. Und das hatte sich bis zum letzten Weihnachtsfest auch nicht geändert. Jedoch schien er da endlich eingesehen zu haben, was er alles in den vergangenen Jahren angerichtet hatte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Karyu etwas zu dieser Einsicht beigetragen hatte. Insofern hab ich es eigentlich auch Karyu zu verdanken, dass sich mein Vater nach etwa zwölf Jahren bei mir entschuldigte. Und er entschuldigte sich bei Karyu, denn er hielt es ja für unbedingt notwendig, auch diesen dumm anzumachen. Wenn man es so will, verdank ich Karyu eigentlich eine Menge. Seit dem Tag, an dem er in mein Leben getreten ist, hat sich so einiges verändert. Und diesen Tag werde ich wohl auch nie vergessen... „Haben Sie genug gesehen? Oder können Sie nicht sprechen? Tut mir ja Leid für Sie, aber mit Gedankenübertragung hab ich es nicht so...“ „Einen Kaffee? Aufschlussreich. Wir hätten da Latte Macciato in verschiedenen Geschmacksrichtungen, ganz einfachen Milchkaffe, Cappuccino, Eiskaffee, schwarzen Kaffee ...“ „Pass mal auf du Pinguin. Hätte ich einen Cappuccino oder so haben wollen, dann hätte ich mir auch einen bestellt. Aber hab ich etwa gesagt, dass ich einen Cappuccino will? Nein, hab ich nicht. Ich möchte einen Kaffee. Schwarz. Ohne Milch. Ohne Zucker. Heiß. Und wenn’s geht in einer Tasse.“ ...ja, so hatte alles angefangen. Ich muss zugeben, dass er mir anfangs mehr als nur unsympathisch war. So richtig aufmüpfig. Ich mein, behandelte man so etwa seine Gäste? Aber ich konnte es ja irgendwie nachvollziehen. Immerhin war Montag. Montagmorgen. „Fucking Monday, was?“ „Montage sind einfach... beschissen.“ „Jeder Montag ist beschissen. Das liegt in der Natur der Montage.“ Ich muss gestehen, ich weiß bis heute nicht, weshalb ich eigentlich in dieses Café, in dem Karyu kellnert, gegangen bin. Schließlich hatte ich zu Hause genug Kaffee und auch in meinem Büro trägt die Kaffeemaschine meinen Namen. Es war wie ein Impuls, dass ich dieses Café betreten musste. Warum ich zu Fuß zur Arbeit gegangen bin, ist mir übrigens auch schleierhaft. Mein Auto war nicht kaputt, es war ein eklig warmer Tag und... ach, ich weiß auch nicht... Vielleicht war es ja Schicksal? Soll es ja geben, so was. Obwohl ich nun gar nicht daran glaube, aber da ich keine andere Erklärung dafür habe, muss es wohl so etwas in der Art gewesen sein. Meine Güte, jetzt fang ich auch noch an zu philosophieren... An diesem Tag im Café hatte sich irgendwie alles verändert. Kurz bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit gemacht hatte, hatte mir Karyu seine Handynummer in die Hand gedrückt, mit der Begründung, man könne sich ja mal auf einen Kaffee treffen. Skeptisch hatte ich den Zettel betrachtet, aber schließlich hatte ich doch zugestimmt. Und ich habe es bis heute nicht bereut! Noch am gleichen Tag hatten wir uns durch Zufall im Park wieder getroffen und gleich für den Abend verabredet. Kino. Natürlich ein Horrorfilm. Während des Filmes wurde das erste mal gekuschelt. Dann sind wir zu mir gegangen – und nein, es ist in dieser Nacht nichts passiert. Jedenfalls nichts sexuelles. Was denkt ihr denn schon wieder? Karyu hatte sich sofort in mein bescheidenes Heim verliebt. Zumindest hatte sich das für mich so angehört. „Ist das alles deins?“ „Hier ist es toll. Ich geh nie wieder weg. Da kann mir meine Mini-Wohnung echt gestohlen bleiben!“ ...und er ist bis heute geblieben. Zumindest, wenn man die drei Wochen nach unserem Date nicht mitrechnete. Da hatten wir uns nämlich nicht gesehen. Und auch nicht telefoniert. Ich hatte einen schwierigen Fall, der darauf wartete, gelöst zu werden. Die Tatsache, dass Karyu mir die ganze Zeit im Kopf rumschwirrte und ich mich folglich nicht wirklich konzentrieren konnte, machte die Sache nicht leichter. Das war eine echt schwere Zeit, nicht nur für Karyu und mich... „Du hast Liebeskummer. Und du bist sexuell unausgeglichen. Ist doch wohl logisch, dass du so schlecht drauf bist.“ „Wer bist du, mein Psychologe?“ „Nein, aber wenn ich es wäre, wäre ich steinreich, das kannst du mir glauben.“ „Du solltest dir echt mal überlegen, wer von uns beiden sexuell gefrustet ist. Ich, der ich über Zöpfe rede oder du, der gleich an Schwänze denkt, während ich über Zöpfe rede.“ Aber es ging halt nicht anders. Und dafür war das Wiedersehen um so erfreulicher. Mitten in der Nacht hatte er bei mir geklingelt, hatte sich ausgeheult, wir hatten darüber geredet... „’tschuldigung, dass ich dich mitten in der Nacht aus dem Bett klingle, Tsukasa, aber ich hab’s nicht mehr ausgehalten. Die ganzen drei Wochen über konnte ich nicht mehr klar denken und ich hab in den Vorlesungen nicht mehr aufgepasst. Deswegen hab ich die Arbeit vor einer Woche verhauen und alle haben sich Sorgen um mich gemacht und mich mit ihren ‚Wie geht’s dir?’- und ‚Was ist denn los?’-Fragen genervt.... Ich hab die ganze Zeit gewartet, dass du dich meldest und es kam nichts. Ich hatte schon Angst, dass du mich vergessen hast, oder dass du es dir anders überlegt hast und nichts mehr von mir wissen willst. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, weil ich mir eingebildet hab, dass du mich ansiehst und ich hab gekotzt und das alles nur wegen dir... Verdammt, ich hab dich so vermisst! Ich bin so froh, dass ich dich wieder sehe!“ „Ich hab dich nicht vergessen. Ich konnte an gar nix anderes mehr denken, als an dich. Was glaubst, warum ich für diesen einen Fall drei Wochen gebraucht hab? Weil du mir die ganze Zeit im Kopf rumgeschwirrt bist. Wenn du wüsstest, wie durcheinander du mich die ganze Zeit gebracht hast...“ ...und... „Du hast drei Wochen wieder gut zu machen, Tsukatchi.“ „Wie soll ich denn drei Wochen wieder gutmachen?“ „Fick mich.“ ...wir hatten das erste Mal miteinander geschlafen. Und das war einfach nur Wahnsinn. So etwas hatte ich noch nie erlebt. So intensiv, so leidenschaftlich und wild, doch gleichzeitig so liebevoll, sanft und zärtlich. Seit diesem Zeitpunkt waren wir zusammen. Seit meinem Geburtstag... Denn Karyu hatte es tatsächlich geschafft, genau in der Nacht auf meinen siebenundzwanzigsten Geburtstag bei mir zu klingeln. Ein besseres Geburtstagsgeschenk hätte ich mir doch gar nicht wünschen können, oder? Das Zusammenleben mit Karyu ist wirklich harmonisch. Von Anfang an hatten wir uns prima verstanden, auch, wenn wir uns eigentlich gar nicht kannten. Sicherlich gab es auch einige schwierige Tage. „Weißt du... das, was du mit mir machst, ist sehr gesundheitsschädigend. Ich mein, du willst doch sicherlich nicht, dass ich unnötig zunehme, oder doch? Immerhin verbrennt Sex Kalorien, dass ist wissenschaftlich erwiesen. Außerdem setzt Sex Glückshormone frei und es gibt genug Leute, die meinen, dass ich so was brauche – was ich allerdings nicht nachvollziehen kann. Aber darum geht’s ja jetzt auch nicht. Fakt ist, dass längerer Sexentzug mir nicht gut tut und dir sicher auch nicht, stimmt’s Schatzi?“ Wenn ich da zum Beispiel an die Bombe denke, die bei einer Razzia in der Universität gefunden wurde, an der Karyu studiert... „Willst du da wirklich wieder rein?“ „Natürlich oder glaubst du, ich warte, bis der Karten hoch geht?“ „Du bist echt bescheuert.“ Ja ja... bescheuert bin ich gerne, ist sozusagen ein Hobby von mir. Nein, im Ernst jetzt, ich steh drauf, bescheuert zu sein... Wenn ich gerade nicht bescheuert bin, bin ich meistens doof. Das ist manchmal auch nicht ganz so anstrengend wie das Bescheuertsein. „Du bist bescheuert.“ „Das hatten wir heute schon mal.“ „Du bist bescheuert.“ „Du wiederholst dich.“ „Sag mal spinnst du?“ „Ihr seid echt bescheuert.“ „Hey lass Karyu daraus, es reicht schon, wenn ich immer bescheuert bin.“ „Na endlich siehst du es ein...“ „Halt die Klappe.“ „Hack nicht immer auf Heihei rum.“ „Ist ja schon gut. Wird sowieso langweilig, wenn ich am Ende immer bescheuert bin.“ „Tja, bescheuert kann man eben nicht steigern.“ „Hey, mein Tsukatchi ist nicht bescheuert.“ „...du bist doof. Du bist so doof. Du kannst einen echt an die Grenze zu einem Nervenzusammenbruch treiben.“ „Faszinierend... jetzt bin ich also blöd. Sonst bin ich immer bescheuert.“ „Tsukatchiiii~ du bist fies.“ So ist das. Und da soll noch einmal jemand sagen, dass ICH nicht nett wäre, wenn mir so etwas regelmäßig an die Kopf geknallt wird... Ich war sogar so nett, die Beziehung meiner Schwester mit dem besten Freund Karyus zu akzeptieren. Da haben sie alle geguckt. Das waren schon keine Autos mehr... Anscheinend hatte Megumi, mein liebes kleines Schwesterherz, Angst, dass ich gegen Narumi, ihren Freund, sein würde. Ich kann ja nichts dafür, wenn sie vorher nur Idioten angeschleppt hatte. Irgendeiner musste denen doch sagen, was Phase ist. Kurz, nachdem die beiden zusammen gekommen waren, wurde Megumi übrigens schwanger, was wir etwa drei Monate später erfahren haben. Vielleicht kann man ja jetzt verstehen, weshalb ich bis jetzt immer auf sie aufgepasst hatte... Das Kind ist vor circa einem Monat zur Welt gekommen. Und ich darf mich jetzt – neben meiner bereits bestehenden Funktion als Patenonkel des Kindes meiner beiden besten Freunde – offiziell Onkel nennen. Onkel eines gesunden Jungen. Man sieht sofort, wer seine Eltern sind. Die Augen hat er von seiner Mutter. Aber dieses Kinn... und die Nase... ...und den Charakter. Er ist genau so ein Dödel, wie sein Vater. Aber da wächst er hoffentlich noch raus. Wo wir grad bei Nasen sind... Karyus Nase ist toll. Aber Karyu ist ja auch ganz allgemein toll, da wäre es ja blöd, wenn seine Nase nicht toll wäre. ...ich merk schon, jetzt kommt nur noch Unsinn. Aber Karyu bringt mich eben immer noch durcheinander, da kann ich dann halt mal für fünf Minuten keinen klaren Gedanken fassen. Ist ja aber auch nicht so schlimm, oder? „Na ja... also er sieht gut aus und er ist niedlich und süß und er hat tolle Haare und er ist lieb und er kann kochen und ganz besonders gut kann er Kaffee kochen. Er hält meine Launen aus und er ist immer gut drauf und er kann gut blasen und er ist gut im Bett. Und er hat ein ganz süßes Lächeln und er ist so schön groß, so richtig zum Anlehnen und ankuscheln und er hat schöne Augen und... ...und ich liebe ihn.“ Oh, da hatte ich meine sentimentalen dreißig Sekunden... Was nicht heißen soll, dass das, was ich da so gesagt habe, nicht stimmt. Natürlich stimmt das, sonst hätte ich es ja schließlich nicht gesagt. Aber egal. Ursprünglich war ich bei meinen geliebten Akten... ...auf die ich aber irgendwie auf einmal so gar keine Lust habe. Nicht, dass ich vorher Lust gehabt hätte... Mich würde es ja wirklich interessieren, was Karyu so macht. Immerhin hatte er sich jetzt seit gut zwei Stunden nicht mehr blicken lassen. Und das sollte schon was heißen. Also Zeit für mich mal nachzusehen, was die beiden – sprich: Karyu und die Katze – so machen. Und genau das mach ich jetzt. Ich stehe auf, räume meine Akten zusammen, schalte den Player sowie den Fernseher aus und lösche das Licht im Wohnzimmer. Mit den Akten unter dem Arm gehe ich durch den Flur, bis ich an der Treppe ankomme. Auch hier im Flur schalte ich das Licht aus, sodass es unten jetzt komplett dunkel ist. Jedoch ist im oberen Flur noch Licht an, also kann ich gefahrlos die Treppe hochsteigen. Eine Stufe knarrt, wie immer. Als ich oben ankomme, sehe ich schon, dass die Schlafzimmertür nur rangelehnt ist. Obwohl ich den Drang verspüre, sofort zu Karyu zu gehen, mache ich vorher lieber erst einen Abstecher in mein Arbeitszimmer. Denn auch, wenn die Katze nicht stören würde, die Akten würden es auf jeden Fall. Ich öffne die Tür zu meinem Arbeitszimmer, schalte das Licht an und lasse meinen Blick einmal durch den Raum schweifen. Hier hat sich einiges verändert. Das heißt, eigentlich hat die Wand nur eine andere Farbe als vorher. Aber alleine das lässt alles schon etwas wohnlicher wirken. Überhaupt hat jede Wand im Haus eine andere Farbe als vorher. Außer das Schlafzimmer, das ist so geblieben. So, wie ich Karyu einschätze, hätte er aber auch ziemlich viel dagegen gehabt, wenn wir das „tolle rote Schlafzimmer“ – um es mit seinen Worten auszudrücken – neu streichen würden. Und wenn ich ehrlich sein soll, ich auch. Hätte ich gewusst, was ich damit anrichte, wäre ich an diesem einen bestimmten Tag mit Sicherheit nicht auf die Toilette gegangen. Da kommen mir nämlich immer die Besten Ideen... „Ich finde, wir sollten die Wände im Bad streichen... und wenn wir gleich dabei sind, dann im Flur, Wohnzimmer und in der Küche auch.“ „Machen wir alles bunt? So grün und blau und gelb und orange~ Und dann kann ich ja endlich hier einziehen. Weil jetzt hab ich gar nix mehr, was ich nicht überanstrengen darf... und morgen gehen wir Farbe kaufen~“ „Also... eigentlich wollte ich nur nachstreichen...“ Anmerkung am Rande: ich hatte überall weiße Wände, außer eben im Schlafzimmer. Und ich war auch ganz glücklich damit. „Stell dir doch mal vor~ Das Wohnzimmer in so einem ganz blassen gelb... und der Flur in... hm... okay, den kann man weiß lassen. Aber die Küche... machen wir es doch ein bisschen bunt. Das wär doch toll... und wenn wir es weiß lassen, müssen wir Bilder aufhängen...“ Natürlich hatte Karyu es irgendwie geschafft, mich zu überreden... „Und wenn du unbedingt willst... dann machen wir die Wände eben bunt... aber nur ein bisschen bunt.“ „Sooo~ unbedingt notwendig ist es dann auch wieder nicht. Wir könnten das Wohnzimmer ja wirklich pastellgelb machen und den Rest weiß. Zu viel Farbe muss auch nicht sein. Es reichen ja schon meine bunten Socken... und meine Unterhosen... Ist pastellgelb nur ein bisschen bunt?“ „Ja, pastellgelb ist nur ein bisschen bunt.“ Wie nicht anders zu erwarten war, ist das Wohnzimmer jetzt pastellgelb. Und es sieht gar nicht mal so schlecht aus. Hätte ich nicht geglaubt, aber es ist so. Es sieht nicht nur gut aus, es gefällt mir auch noch. Und das will schon etwas heißen, wenn ich das mal so sagen darf. Ich schweife schon wieder ab... Die Akten verstaue ich in den dazugehörigen Aktenschrank. Da fällt mein Blick auf meinen Schreibtisch. Dort steht eine Vase mit einer einzelnen rot-gelben Rose drin. Karyus Lieblingsrosen. Ich muss leicht lächeln. Beinahe hätte ich in meiner Vorfreude auf Karyu diese Rose vergessen. Aber eben nur beinahe. Ich gehe zum Schreibtisch, nehme die Rose aus der Vase und trockne den Stiel etwas mit einem Taschentuch. Schließlich will ich nicht, dass hier alles vollgetropft wird. Mit der Rose in der Hand trete ich den Rückweg aus meinem Arbeitszimmer an. Ich lösche das Licht, schließe leise die Tür. Da die Schlafzimmertür nur rangelehnt ist, kann ich Karyu hören, wie er mit der Katze spielt. Immer wieder ertönt sein leises Lachen und Schnurren und Miauen von Lütt-chan. Lächelnd gehe ich ins Schlafzimmer. „Na ihr?“ Karyu hält im Katze streicheln inne und sieht zur Tür. Auch die Katze hebt ihren Kopf und schaut mich an. „Hi Schatz.“, freut er sich. „Bist du schon fertig? Und was hast du da hinterm Rücken?“ Ich gehe zu Karyu, beuge mich zu ihm herunter, da er gerade auf dem Bett liegt und gebe ihm einen Kuss. Lütt-chan kraule ich kurz im Nacken, da sie schon so erwartungsvoll guckt. „Nein, ich bin noch nicht fertig. Ich hatte keine Lust mehr.“ Ich setze mich auf die Bettkante, woraufhin Lütt-chan aufspringt, auf meinen Schoß klettert und sich dort einrollt. Schmunzelnd beobachten Karyu und ich die Szene. Lütt-chan ist wirklich verschmust. „Ach so.“, meint Karyu dann. „Und was hast du nun hinterm Rücken? Versteckst du irgendetwas vor mir?“, fügt er hinzu. Ich schweige mich darüber aus und wechsele lieber das Thema. „Weißt du, welcher Tag heute ist?“ Karyu sieht mich verwundert an. „Äh... Dienstag... warum?“ „Und welches Datum haben wir heute?“ „Den 17. Juni... Tsukasa was soll das?“ Zu der Verwunderung mischt sich eine gehörige Portion Neugierde mit einem Tick Ungeduld. Ja ja... so ist Karyu nun mal. Ich beschließe, ihn nicht länger zappeln zu lassen, sonst könnte es für mich noch ungemütlich werden. Nicht unangenehm ungemütlich, sondern eher angenehm ungemütlich. ...Kain, ich denke, Karyu färbt langsam aber sicher auf mich ab... Langsam ziehe ich die Rose hinter meinem Rücken hervor und halte sie Karyu unter die Nase. Dieser macht große Augen, weiß anscheinend nicht recht, was er sagen soll. Kann ich nachvollziehen, ich wüsste das in der Situation auch nicht. Davon mal ganz abgesehen, dass mir noch niemand je Blumen, geschweige denn Rosen, geschenkt hat. „Ist... ist die für mich...?“, fragt er mich leise. Anscheinend hat er seine Sprache wiedergefunden. Ich hebe eine Augenbraue. „Nein, die ist für Heihei. Ich wollte ihm morgen meine Liebe gestehen und bei dir nur mal testen, wie ich das machen kann... Natürlich ist die für dich!“ Karyu sieht mich einen Augenblick verwirrt an, dann zieht er eine kleine Schnute. „Du bist doof.“ Ich lächele wieder, drücke ihm die Rose in die Hand und beuge mich vor, um ihn zu küssen. Natürlich passe ich auf, dass mir Lütt-chan nicht vom Schoß fällt. Karyu seinerseits ist damit beschäftigt, den Kuss zu erwidern. Schließlich lösen wir uns voneinander. „Wie komm ich zu der Ehre?“, fragt er leise und sieht mich wieder neugierig an. „Na überleg doch mal... du hast doch selbst gesagt, welcher Tag heute ist... klingelt’s?“ Er überlegt eine Weile, dann werden seine Augen immer größer und sein Lächeln immer breiter. „Du hast es nicht vergessen?“ Ich schüttele den Kopf. „Wie könnte ich? Das war einer der wichtigsten Tage meines Lebens.“ Daraufhin fällt mir Karyu um den Hals, gar nicht darauf achtend, dass Lütt-chan immer noch zwischen uns sitzt. Doch sie springt kurzerhand von meinem Schoß und tapst zu ihrem Körbchen, dass bei uns im Schlafzimmer steht. Dort rollt sie sich zusammen und beobachtet uns im Stillen weiter. Währenddessen halte ich Karyu weiterhin im Arm, drücke ihn fest an mich. Dann spüre ich auf einmal etwas feuchtes auf meiner Wange. „Karyu? Weinst du?“, frage ich leise. „Nein...“, schnieft er. „Ich freue mich nur.“ Das bringt mich zum Lächeln und ich streiche ihm sanft über den Rücken, damit er sich wieder beruhigt. Nein, diesen Tag werde ich bestimmt nie vergessen. Denn heute vor genau einem Jahr haben wir uns kennen gelernt. Und seit diesem Tag hat sich mein Leben um 179° geändert... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)