Sacrifice von DhalaElenaAngel (Opfere die Zukunft, um die Vergangenheit neu zu gestalten) ================================================================================ Kapitel 7: Alpträume und Erinnerungen ------------------------------------- Mitten in der Nacht wachte Sirius auf, als er eine Hand in den Bauch gerammt bekam. Er griff sofort nach seinem Zauberstab, um es heller werden zu lassen. „Harry!“, der Junge schlief bei ihnen im Bett, da weder er noch Remus das Risiko hatten eingehen wollen, dass Harry allein aufwachte oder in seinem jetzigen Zustand Albträume bekam. Das Licht weckte natürlich auch Remus, der sofort zu dem Jungen und seinem Geliebten blickte. Dicke Tränen rannen über das schmale, bleiche Gesicht. „Harry, wach auf“, redete Sirius auf das zitternde Bündel ein, dass immer noch schwach um sich schlug. „Es ist alles in Ordnung, du träumst nur schlecht!“ Es geschah, er war vollkommen am Ende seiner Kräfte, das Blut des dunklen Lords noch an seinen Fingern. Er wusste, vor einigen Sekunden hatte Severus etwas getan, um ihm den Rücken frei zu halten. Er wollte zu Severus, doch sein Körper machte nicht mit, zu viel Energie hatte er verbraucht. Er war zum Zusehen verdammt. Nein! Nein, bitte!, schrie alles in ihm. Er versuchte, auf die Drei zuzukriechen, doch er konnte sich keinen Millimeter rühren. Ein weiterer Fluch wurde gesprochen, er musste mit ansehen, wie der Tränkemeister in die Knie brach, geschüttelt wurde von Schmerzen. Und irrte er sich, oder war da statt seines Stabarms nur noch ein blutiger Stumpf? Nein! Bitte, bitte nicht! Erneut versuchte er, seinen Stab vom Boden aufzuheben, ohne auch nur die Chance zu haben, ihn zu erreichen. Severus durfte nicht sterben! Er sah, wie der Mund des Anderen sich öffnete, doch statt eines Schreis sprudelte Blut hervor, lief über das blasse Gesicht. Nein! Nein, nein, nein! Nicht .. nicht jetzt! Nicht, nachdem... Mit einem Japsen schossen Harrys Augen auf, der Blick des Jungen irrte wild hin und her, ohne sich auf etwas zu richten. „Harry, hörst du mich?“, fragte Sirius erneut, erleichtert, dass er zumindest die Augen offen hatte. „Es ist gut, du hast nur geträumt. Alles ist in Ordnung.“ Nur sehr langsam drang die Stimme seines Paten zu ihm durch. „Sev“, wimmerte er immer wieder, unfähig, aufzuhören, zu weinen. „Nicht tot sein...!“ Remus hob eine Augenbraue, während er langsam aus dem Bett stieg. „Die übergroße Fledermaus ist am Leben und terrorisiert fröhlich alles außerhalb der Kerker“, versuchte Sirius erneut, den Jungen zu beruhigen, dessen eine Hand sich nun schwach in sein Schlafanzugoberteil verkrallte. Doch die einzige Antwort war ein weiteres Schluchzen, gefolgt davon, dass er weiter nach dem Tränkemeister rief. Remus war indes zu dem Kamin im Wohnzimmer gegangen: „Severus Snapes Quartier“, rief er deutlich, als er das Flohpulver in die fast erloschene Glut warf. Er wusste, Harry würde sich nicht beruhigen, bevor er den Anderen lebend gesehen hatte. Er erinnerte sich nur zu gut an die Erzählung des Kleinen – das erste Mal, dass Severus nett und sanft zu ihm gewesen war, war der Tag der Schlacht gewesen, in der der Tränkemeister gefallen war. Offenbar auf grausamste Weise, während der Junge zum Zusehen verdammt gewesen war. Etwas Schlimmeres konnte einem nicht geschehen, wenn man wusste, dass der Andere sein Gefährte war und man sich gerade erst gefunden hatte. Es dauerte erstaunlicherweise nur wenige Augenblicke, bevor der Kopf des Anderen in der Glut erschien. „Was gibt es? Ist etwas geschehen?“ „Kannst du kurz kommen?“ „Tritt zur Seite..“ Remus erhob sich und trat einige Schritte zurück, kurz darauf röhrte das Feuer auf und Snape erschien im Zimmer, die Haare leicht unordentlich und über seiner einfachen, natürlich schwarzen, tief hängenden Schlafhose trug er nur eine leichte Hausrobe. „Was ist los?“, verlangte er zu wissen. „Harry muss einen schrecklichen Albtraum gehabt haben, es ist so schlimm, dass Sirius ihn auch nicht ruhig bekommt und er ruft nach dir, schon...“ „Remus!!“ Hastig lief Remus zurück, dicht gefolgt von dem Tränkemeister. Was er sah, ließ sein Herz einen Moment aussetzen. Harry lag mit tränenüberströmtem Gesicht auf dem Bett, während Black seinen Oberkörper ruhig zu halten versuchte und der linke Arm zuckte wild. „Er hat einen Anfall!“ Severus schob Remus kurzerhand aus dem Weg, setzte sich auf das Bett und begann, den Arm langsam zu massieren. „Halt ihn einfach weiter fest“, befahl er dabei, seine Stimme ruhig und sicher. Dieser Anfall war heftiger, als der im Wohnzimmer am Nachmittag. Es dauerte wieder eine ganze Weile, bis der Anfall abebbte. „Ein Schmerztrank“, orderte der Tränkemeister weiter. Als man ihn ihm gab, flößte er ihn dem Kind ein, hielt ihn an sich gedrückt. „Harry, hörst du mich?“ Abrupt drehte Harry sich um, langsam wurde ihm wieder bewusst, wo er war, doch er hatte immer noch Angst. Diese Stimme... war sie nur eine Einbildung? Unsicher sah er auf. „Du... du bist nicht tot?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Wie du sehen kannst, bin ich nicht tot, warum sollte ich das auch sein?“; fragte Severus ruhig. Er konnte sich einfach keinen Reim auf Harrys Verhalten machen. Schon das Benehmen am Nachmittag war seltsam gewesen. „Hast du Schmerzen?“, fragte er dann weiter. „Es... geht“, gab Harry immer noch mit zittriger Stimme zurück, wobei er zu versuchen schien, sich noch enger an den Tränkemeister zu drücken, der nun begann, ihm mit einem Taschentuch das Gesicht zu trocknen. Eine Weile saß Severus einfach nur da, immer wieder strich er über Harrys Wangen. Beobachtete, wie die Augen des Jungen immer wieder zu fielen und wie der sie mit aller Macht wieder aufriss. „Schlaf.“ „Ich... dann bist du..... du nur wieder tot...“ „Natürlich nicht!“, knurrte Severus. „Eine Nacht Schlaf wird mich nicht umbringen und du brauchst dasselbe! Also schlaf! Ich bleibe, bis du eingeschlafen bist und morgen komme ich vorbei.“ “Ver...versprochen?“, flüsterte Harry matt. „Ja“, gab Severus knapp zurück, froh, dass die Augen, als die dieses Mal zu fielen, auch geschlossen blieben. Er blieb noch, bis Harrys Atem und sein Herzschlag sich wieder beruhigt hatten und der Kleine ganz offensichtlich schlief. Langsam, um ihn nicht wieder zu wecken, bettete Severus den Jungen auf die Kissen, blickte dann zwischen Remus und einem recht betretenen Sirius hin und her: „Was geht hier vor?“, fragte er äußerlich absolut ruhig. „Warum sollte ein Kind, dass keine Ahnung von irgend etwas haben dürfte, davon, dass ich tot bin und schreit nach mir, obwohl es bis vor einigen Wochen nichts von mir wusste und ich nichts getan habe, um ihm bis gestern entgegen zu kommen?“ Lange blickte Remus den Tränkemeister an, bevor er sich für eine Halbwahrheit entschied. „Harry hat immer Angst, dass Menschen, die er lieb gewonnen hat, verschwinden und sterben können“, gab er zurück. Es war absolut keine Lüge, es war die bittere Wahrheit. „Kurz nachdem wir ihn von den Dursleys geholt haben, ist er jede Nacht schreiend hochgefahren, weil er dachte, wir wären tot.“ „Warum ich?“ „Weil er dich mag, weil er es im Inneren sehr wohl weiß. Er mag nur ein Kind sein, aber es gibt Dinge, die begreifen Kinder vielleicht besser und nehmen sie fragloser hin, als Erwachsene.“ Severus kniff seine Augen bis auf einen schmalen Schlitz zusammen. „Das ist doch im Leben nicht alles!“ Sirius blickte eine Weile lang zu Remus, dann zu dem Tränkemeister. Der Mann hatte, im Gegensatz zu ihm, gerade einen kühlen Kopf bewart, das musste man ihm lassen. Er strich nachdenklich durch Harrys leicht verschwitzte Haare. Dann nickte er: „Wir... kennen eine andere Vision der Zukunft“, setzte er schließlich an. „Und die ist ziemlich in die Hose gegangen. Sie hat mit dem Tod von jedem geendet, der Harry nahe steht. Harry selbst hat sich anschließend umgebracht, nachdem der dunkle Lord auferstanden ist und er ihn umgebracht hat.“ „Woher wisst ihr... woher weiß der Kleine das?!“ Remus schüttelte den Kopf: „Das ist nicht unser Geheimnis“, gab er leise zurück. „Sei uns nicht böse, aber das muss Harry dir erzählen. Aber dräng ihn nicht. Als er es uns erzählt hat, war er danach kaum noch ansprechbar, so hat es ihn mitgenommen.“ Der Tränkemeister war alles andere als zufrieden mit dieser Erklärung, aber er wusste, mehr würde er nicht bekommen. „Ich werde ihn darauf ansprechen“, gab er schließlich zurück. Dann trat er aus dem Bett und richtete seine hastig übergeworfene Robe. „Fürs Erste werde ich wieder in mein Bett gehen – ich werde später wiederkommen, wie ich es versprochen habe.“ „Onkel Sev!“ Mit in Falten gelegter Stirn hielt der Tränkemeister in seinem Stechschritt inne. So, wie es aussah, musste er sein Patenkind mal wieder darüber aufklären, dass der hier nicht so durch die Gegend zu Schreien hatte. „Draco, was...?!“ „Du hast doch nicht reagiert!“, verteidigte Draco sich sofort. „Ich renn schon ewig hinter dir her und ruf dich, aber du hast dich nicht umgedreht!“ Severus erinnerte sich tatsächlich daran, dass irgendwer hinter ihm Professor gerufen hatte. „Also, was gibt es so Wichtiges?“, fragte er den Blonden, der eine recht große, bewegliche Drachenfigur mit sich herumschleppte. Er wusste ja, dass Draco Drachen liebte, aber dass er sie seit neuestem wie ein Kleinkind mit sich rumschleppte... „Du gehst doch zu Harry, oder?“ „Woher weißt du DAS denn schon wieder?!“ Draco grinste selbstsicher: „Ich bin ein Slytherin!“ Der Tränkemeister musste trotz allem lächeln. „Ja, das bist du wohl“, gab er zu. „Und was interessiert dich so an meinem Besuch bei Potter?“ „Kann... kann ich mit?“ Ach ja, da war ja was gewesen. Draco, Harry, Freunde... „Das halte ich für keine gute Idee“, gab Severus zu bedenken. „Es geht ihm nicht so sonderlich und er soll sich nicht überanstrengen.“ „Aber...!“ Severus massierte sich sein Nasenbein. Er wusste, was nun kommen würde. Riesige, vorwurfsvolle Augen. Damit bekam der Junge immer, was er wollte, egal von wem. Seinen eigenen Vater mit eingerechnet verstand sich. „Er ist krank“, erinnerte Severus den Kleinen. „Lass ihm etwas Zeit, ich rede mit Black, dann kannst du in ein paar Tagen zu ihm, ja?“ Draco ließ seinen Kopf etwas hängen, doch dann seufzte er. Er kannte seinen Onkel gut genug, um zu wissen, dass bei ihm nicht mehr rauszuholen war. Aber damit hatte er ja fast schon gerechnet. „Ach Draco?“ „Ja, Onkel?“ „Hatte Potter, seit er hier ist, nachts Albträume oder hat er geweint?“ „Was? Nein, das hätte ich doch gehört!“ Okay, DAS war seltsam, schließlich hatten Black und Lupin deutlich gemacht, dass die Albträume etwas waren, dass er oft hatte. Noch eine Frage mehr auf seiner Liste. „Was schleppst du eigentlich dieses Ding mit dir rum?“ „Oh, das?“, fragte Draco und hielt den Drachen hoch. „Den sollst du Harry geben!“ „Was sollte er damit anfangen?“ „Das weiß er dann schon! Bitte?!“ „Schon gut, schon gut“, murrte Severus und nahm die gar nicht so leichte Drachenfigur an sich. Es wurde immer besser. Jetzt musste er schon mit Spielsachen durch das Schloss laufen. Sein schwer erarbeiteter Ruf war ja so was von im Eimer. Er sah Draco noch hinterher, bis der Junge wieder in den Kerkern war, bevor er den Drachen unter seinen Roben verbarg und seinen Weg zur Rektorenwohnung fortsetzte. Remus blickte auf, als er in das Büro trat und lächelte. „Severus. Ich habe dich schon erwartet. Er ist wach und er hat schon mehrfach nach dir gefragt. Sirius wird dann wahrscheinlich auch direkt gehen, er ist mit Lucius zu einer Diskussion verabredet.“ Der Tränkemeister nickte nur knapp, bevor er in die Wohnung hinter dem Büro trat. Sirius erhob sich tatsächlich, als er den Tränkemeister sah. Dann beugte er sich noch einmal zum Sofa herab, lief auf Severus zu, nickte knapp, packte seinen Umhang und war weg. Severus trat zum Sofa, auf dem Harry halb saß, halb lag, der Junge blickte mit einem schüchternen Lächeln zu ihm auf. „Hi.“ Der Ältere nickte knapp, dann holte er den Drachen hervor und stellte ihn auf Harrys Schoß. „Das hier wurde mir mitgegeben.“ „Dray!“, stellte Harry sofort fest, während er versuchte, mit seiner rechten Hand etwas an der Truhe zu richten, doch nach kurzer Zeit stiegen schon wieder Frusttränen in den grünen Augen auf. „Wie öffnet man das Ding?“, fragte Severus seufzend, während er sich neben Harry setzte. War ja klar gewesen, dass es nicht eigentlich um den Drachen gegangen war, das hätte er sich denken können. Draco war nicht umsonst ein Slytherin. Harry war wirklich frustriert. Wie sollte er eigentlich irgendwen beschützen und schreckliche Dinge verhindern, wenn er nicht mal seine eigenen Hände kontrollieren konnte!! Er blickte auf, als Severus ihm die Frage stellte. „Am... Schwanz vom Drachen liegen mehrere Sachen, erst muss man auf das rote Juwel drücken, dann auf das Blaue, danach auf die Silbermünze direkt am Drachenschwanz.“ Rasch folgte Severus den Anweisungen, woraufhin die Figur des Drachen ihn kurz anblinzelte und seine Pranke von der Schatztruhe hob, die er bewachte. Diese sprang nun mit einem leisen Klicken auf. „Interessant“, stellte Severus fest, stellte die Figur mit der nun offenen Truhe wieder auf Harrys Schoß. Der Junge steckte sofort seine Hand hinein und fischte, wenn auch mit sichtlichen Schwierigkeiten, einige Sachen heraus. Zwei gefaltete Briefe und einen ganzen Berg Süßigkeiten, die ihre richtige Größe annahmen in dem Moment, in dem sie die Decke berührten. Harry lächelte ein wenig. Er hatte doch gewusst, dass er sicher bald von Draco hören würde. „Wollen... wollen Sie auch eine Süßigkeit?“, fragte Harry. Er wusste, er hatte den Anderen in der Nacht und auch am Vortag geduzt, aber eigentlich hatte dessen Erlaubnis dazu bis jetzt noch nicht erhalten. Severus blickte den Jungen überrascht an. Bot der ihm gerade allen Ernstes Süßigkeiten an? Und dazu noch diese schauerlichen Dinger? Es glich doch schon einem Wunder, dass weder Berties Bohnen noch Schokofrösche darin waren. Stattdessen explodierende Schokolade, verrückte Regenwürmer, Schaummäuse in allen Farben und tanzende Schokostangen mit Britzelbrause bezogen. „Ich denke, dieses Angebot werde ich ablehnen“, gab er ruhig zurück. Er hatte schon als Kind Süßigkeiten nicht viel abgewinnen können. Harry nickte. Er hatte nichts anderes erwartet, um ehrlich zu sein. Er kannte den Tränkemeister nicht halb so gut, wie er es gern würde, doch er hatte ihn nicht für den Menschen gehalten, der gern und viele Süßigkeiten futterte. Er selbst kämpfte eine Weile lang mit einer der roten Mäuse, die immer wieder seinen zittrigen Fingern entglitten, bevor er sie in den Mund schob. Eine Weile beobachtete Severus den Jungen, der die beiden Briefe las und dabei immer mal wieder lächelte. Manchmal sah er den linken Arm zucken, was meist sofort von einem Stirnrunzeln verbunden war, einmal biss Harry sich auf die Unterlippe. Es tat dem Jungen offensichtlich weh und doch sagte er kein einziges Wort. Tapferer, kleiner Kerl... „Harry, ich würde dich gern etwas fragen...“ Oh, oh... Langsam legte Harry den Brief von Draco zur Seite. Er konnte sich nur zu lebhaft vorstellen, was der Tränkemeister wissen wollte, nach dem Auftritt diese Nacht war es auch nicht wirklich schwer zu erraten. „Was hast du heute Nacht geträumt?“ „Nichts... Schönes...“ Severus war kurz davor, frustriert aufzuseufzen, doch er verbiss es sich. Er hob Harrys Kinn an. Der Junge schien gerade seine scheußlich bunte Decke zu sezieren. „Du hast davon geträumt, dass ich sterbe und das nicht das erste Mal“, stellte er ruhig in den Raum. „Nach dem, was Black mir erzählt hat, hast du gesehen, was in einer möglichen Zukunft geschieht, richtig? Meinst du nicht, ich sollte dann gewarnt werden?“ Harry biss sich auf die Lippen. Er hatte es befürchtet. Er zog seine Beine zu sich, schlang seinen rechten Arm um sie und schloss die Augen. Er zwang sich, tief durchzuatmen. „Was haben sie noch erzählt?“, fragte er leise. „Nicht viel. Dass ich dich fragen müsse.“ Erneut atmete Harry so tief durch, wie es eben nur ging. „Ich ... ich hab Lucius von dem Zauber erzählt, den Dumbledore... auf dich gelegt hat...“ er merkte kaum, wie er wieder auf das Du überging. „Du wusstest...?! Was weißt du noch?“ „Alles“, kam es dumpf und gar nicht mehr kindlich zurück. Eher vollkommen erschöpft. „Dass ich dein...?“ „Ja.“ „Woher?“ „Es ist... kompliziert.“ „Ich habe Zeit.“ Severus blickte auf den Jungen. Was ging hier nur vor? Was verbarg sich hinter den grünen Augen? „Harry, es könnte wichtig sein, dass du es erzählst! Bitte!“ „Ich weiß es, weil ich es schon mal erlebt habe...“ „Was? Wie meinst du das?“ „Mein altes Ich hat ein Ritual durchgeführt, als er einundzwanzig geworden ist, er wäre ohnehin im selben Jahr gestorben, weil... du tot warst und er...er wollte wenigstens versuchen, die Zukunft, in der er gelebt hat, zu ändern. Für sich und für die, die gestorben sind...“ „Das einzige Ritual dafür, was ich kenne, wäre eines, dass verdammt alt ist und es kostet einen das Leben!“ „Er ist auch gestorben“, gab Harry leise zurück, seine Augen immer noch geschlossen, sein Kinn lag auf seinen Beinen. „Aber er hat das Ritual so geändert, dass die Zukunft, die er kannte, vollkommen zerstört, oder eben zurückgesetzt wird, er hat mir, seinem jüngeren Ich, alles gezeigt...“ „Was war das?“, fragte Severus, wobei seine Stimme so sanft klang, dass er sich selbst schon wunderte. „Er... er wurde nie von den Dursleys geholt“, setzte er an, die leidige Geschichte ein zweites Mal zu erzählen. „Siri war in seiner Zeitlinie dreizehn Jahre lang in Azkaban und man hat ihn ... ihn nie frei gesprochen. Harry... hat Dumbledore... lange vertraut…. . Im vierten Schuljahr musste er an einem Turnier teilnehmen und durch sein Blut wurde... Voldemort... wieder ins Leben gerufen... Richtig. Er...er.. war nicht mehr nur eine... eine Schreckensgestalt, sondern... er war wieder da, richtig. Luc und du... ihr habt wieder... wieder spioniert. Mit... mit einem Trick wurde ich ins... Ministerium gelockt, wo... wo man Sirius hinter den... hinter den Schleier befördert hat, kurz danach hat Dumbledore Remus unter imperio zum... zum Selbstmord gezwungen. Ich... ich musste zusehen, wie Siri gefallen ist, nur... weil er versucht hat, mir zu helfen und ich... ich hab Remmy gefunden, wie er von der Decke hing...“ Harry merkte gar nicht, wie er automatisch in die Ich-Form überglitt, denn für ihn war es real. Er hatte es erlebt und tat es in seinen Träumen immer und immer wieder. „Ich... alle meine Freunde... sie...sie sind Stück für Stück umgebracht worden, einer... einer schlimmer, als der andere. Voldemort“, Harry schniefte, wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. „Er... er hat mich gezwungen, zuzusehen. Jedes Mal. Und... und wenn er es nicht war, sind... sind sie gestorben, weil... Dumbledore uns nicht gesagt hat, was er... was er wusste... Am Ende kam dann die letzte... die letzte Schlacht“, er lachte humorlos auf:“ Das...letzte Gemetzel eben. Erst... erst einen Tag vorher hast... hast du es geschafft, den Bann zu lösen, du... du warst geschwächt, aber... aber ich konnte dich nicht... davon abhalten, zu ... zu kämpfen. Du... du wolltest Lucius und Dray und Cissy rächen und... mich schützen. Aber... aber sie haben dich... dich erwischt und.. umgebracht und... alles, was ich tun konnte, war zusehen! Immer nur zusehen! Dabei... wollten wir nach der Schlacht weg. Einfach verschwinden... und.. ein neues Leben anfangen, irgendwo anders, nur.... nur eben nicht hier.“ Harry schniefte wieder, er konnte nicht weiter sprechen. Die Erinnerungen machten ihn fertig. Und das, obwohl er doch nichts anderes wollte, als zu vergessen... Er war überrascht, als der Andere ihn einfach in seine Arme zog, ein Taschentuch fuhr, wie schon in der Nacht zuvor, sanft über sein Gesicht. Severus wusste, er hatte Fragen stellen müssen. Fragen darüber, wie Harry, der ältere Harry auf die Idee gekommen war, dieses gefährliche Ritual durchzuführen, bei dem so viel hätte schief gehen können. Er wollte wissen, was noch geschehen war. Warum die Malfoys offensichtlich gestorben waren und das wohl recht schmerzhaft, seiner eigenen Reaktion in der Zukunft nach zu schließen. Ja, er hatte sich gut gefühlt, als nach dem Ritual endlich seine Energie wieder freigesetzt worden war, aber auch vollkommen erschöpft und das noch eine Woche später. Welcher Teufel musste ihn geritten haben, in so einem Zustand in eine Schlacht zu ziehen!! „Was hast du getan, um das zu verhindern?“, fragte er sanft, während seine Finger über Harrys Rücken strichen. „Ich... ich hab... Pettigrew zu Remmy... gebracht“, brachte Harry irgendwie gerade mal so verständlich heraus. „Den Rest... um den Rest hat... Siri sich gekümmert....“ „Wie?“, fragte Severus verwirrt. „Ich... hab die Schutzzauber um das Haus... verändert, so dass ich kurz weg konnte und... ich wusste, wo Pettigrew war... Dann bin ich zu Remmy... disappariert.“ „Du bist....? Hast du eine Ahnung, was dabei hätte schief gehen können?“, fragte Severus ungläubig und drückte den Jungen enger an sich, als ihm klar wurde, was dem fast geschehen wäre. Harry kicherte leise. „Danach... war ich so... so kaputt, das ich wochenlang... nur gegessen und... geschlafen hab und ein Heiler... hat gemeint, ich wäre fast gestorben...“ „Mach so was nie, nie wieder! Sonst...!“ Harry seufzte leise. Er fühlte sich trotzdem wesentlich besser. Nun, wo Severus die Wahrheit auch kannte. Er lehnte sich etwas weiter gegen den Älteren. „Ich konnte Siri... ich konnte ihn doch nicht da lassen“, argumentierte er. „Ich musste... was machen. Außer mir... war doch keiner da.“ Severus schloss den Jungen einfach nur fester in die Arme, während er versuchte, das, was er gehört hatte, zu verdauen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre. Er hatte die Akte gelesen, mehrfach, und er hatte die Bilder betrachtet, sowie den beigelegten Bericht des Heilers, der die Unterernährung, die Schäden, die zur Kurzsichtigkeit und die vollkommene Leerung aller magischen Reserven bestätigt hatte. Was wäre wohl geschehen, wenn der Junge bei diesen Wahnsinnigen geblieben wäre? Sie hätten ihn wahrscheinlich umgebracht! Oder zumindest doch fast. Das Schlimmste war, dass Harry wusste, was geschehen wäre und das es ihm zu Schaffen machte. Wahrscheinlich mehr, als er selbst dem Flohbeutel und dem Wolf sagte. Das einzige Zeichen schienen seine Albträume zu sein, die aber auch nicht immer so schlimm sein konnten, wie der letzte Nacht – oder? „Sag mal... warum hat niemand in deinem Schlafsaal je gemerkt, dass du Albträume hast?“, fragte er ruhig. „Stillezauber“, gab Harry leise zurück. Er wunderte sich über die Reaktionen des Anderen, doch er stellte sie auch nicht in Frage. Er hatte schließlich nie die Gelegenheit gehabt, mehr als einen flüchtigen Blick hinter die Maske zu werfen, hinter der sich der wahre Severus Snape verbarg. „Du beherrschst...?!“ „Ich beherrsche alles, was der alte Harry auch konnte“, informierte er den Anderen, während seine Augen immer öfter zufielen. Weitere Fragen kamen in Severus auf, doch er spürte, dass es nicht klug wäre, jetzt weiter zu bohren. Harry war erschöpft und sichtlich mitgenommen. Sein Gesicht wirkte immer noch verweint von dem, was er erzählt hatte. Auch wollte er das große Vertrauen, dass Harry ihm bewies, nicht enttäuschen, indem er ihn weiter verhörte. Mit der Zeit würde er wohl alles erfahren, darum machte er sich keine Gedanken. Erst einmal ging es darum, Harry trotz allem die Möglichkeit zu geben, Kind zu sein. Egal, was für Wissen er in sich verbarg und egal, wie alt die Seele in dem schmächtigen Körper auch sein mochte. Er würde mit Lucius reden und mit ihm und, wohl oder übel, auch mit Black zusammenarbeiten, um das Schlimmste zu verhindern. Nur zu gut kannte er die Verzweiflung, wenn der Gefährte vor den Augen des Anderen getötet wurde. So war es seiner eigenen Mutter ergangen, denn entgegen der allgemeinen Meinung war nicht Prince sein Vater, sondern ein anderer Zauberer, mit dem seine Mutter eigentlich zusammen gewesen war. Sie hatten zusammen gehört und Prince hatte den Anderen getötet, dabei aber sicher gestellt, dass seine Mutter zusehen musste. Bis sie sich gegenseitig umgebracht hatten, hatte seine Mutter gelitten – schrecklich gelitten. Nur ihm zuliebe hatte sie letztendlich so lange durchgehalten, da sie ihn vor Prince beschützen musste... Wie hart musste es dann erst für Harry gewesen sein? Zu erkennen, wer sein Gefährte war und ihn praktisch am selben Tag noch auf grausamste Art zu verlieren, unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Er hatte offensichtlich nichts gehabt, um ihn am Leben zu halten. Keine Freunde, keine Familie. Kein Wunder, dass er dieses Ritual durchgezogen hatte, ungeachtet der beträchtlichen Risiken, die in keinem Verhältnis zu dem standen, was man damit erreichen konnte. „Schlaf...“ „Du... gehst nicht weg?“, vergewisserte Harry sich zögernd. „Nein. Ich bleibe, bis dein unmöglicher Pate wieder da ist und nein, ich lasse mich nicht umbringen.“ Severus bettete Harry so, dass der Junge mit dem Kopf auf seinem Schoß zum Liegen kam und strich immer wieder mal durch die dunklen Haare. Harry schlief vielleicht gerade eine halbe Stunde, als die Tür sich erneut öffnete und Sirius wieder in die Wohnung trat. Sein Gesicht glich einer Maske, als er den Tränkemeister sah, doch er hielt sich vollkommen zurück. An dessen Anwesenheit würde er sich trotzdem erst gewöhnen müssen. Als er dann aber zu dem Jungen ging, hob er eine Augenbraue, blickte auf Severus: „Er hat es also erzählt.“ Eine Feststellung, keine Frage. „Hat er“, gab Severus zurück, bevor er seine Augen zusammenzog: „Und ihr habt es all die Zeit über nicht für nötig befunden, mich aufzuklären?“, zischte er offensichtlich frustriert. Allein das besserte Sirius’ Stimmung wieder beträchtlich. „Wenn ich dich erinnern darf“, gab er ruhig zurück, „Du wurdest von mehreren Seiten immer mal wieder nach Fair Haven eingeladen. Wie sollen wir jemanden einweihen, der nicht da ist, weil er nicht über eine kindische Vendetta hinwegkommen konnte? Du kannst froh sein, dass Lucius dich von dem Zauber befreit hat. Das sollte eigentlich auch in unserer Anwesenheit geschehen.“ Oh verdammt! Der Andere hatte Recht! Er hatte die Briefe, nach dem Lesen des Zweiten, sogar ungeöffnet, in seinen Kamin verfrachtet! Woher hätte er auch wissen sollen, dass das Friedensangebot nicht nur ernst gemeint, sondern auch noch bitter nötig war! Früher war Sirius schließlich für seine grausamen Streiche nur zu bekannt gewesen... Innerlich freute Sirius sich über den kleinen Sieg über den Tränkemeister, doch er hütete sich, diesen auch zu zeigen. Das würde sie nicht weiter bringen. „Wenigstens erklärt das, warum ihr nicht überrascht war, was die Sache mit Quirrel anging“, stellte Severus ruhig fest. „Aber mich würde doch interessieren, warum ihr ihn dann nicht von Anfang an... hochgenommen habt.“ Sirius gab einen abfälligen Ton von sich: „Wie denn? Indem wir ihn als Todesser anklagen? Na, nu denk doch zwei Mal scharf nach, was dann geschehen wäre! Man hätte den Rest des Lehrpersonals auch überprüft! Denkst du, das da“, er deutete vage auf Severus’ Arm, „ließe sich irgendwie verstecken, wenn speziell ausgebildete Auroren dabei sind?!“ „Ihr habt ihn wegen MIR nicht hochgehen lassen?“, fragte Severus ungläubig. Sirius lachte leise. „Wegen wem wohl sonst?“, fragte er zurück. „Denkst du, er wäre glücklich gewesen, hätte man dich abgeführt? Wir haben Quirrel die gesamte Zeit beobachtet, wie er den Schnatz vertauschen konnte, ist uns immer noch ein Rätsel.“ „Wisst ihr, wie LEICHTSINNIG das war?!“ Als Harry in seinem Schoß sich rührte, beruhigte der Vampir sich wieder etwas, fuhr fort, durch die dichten Locken zu streicheln, damit der Kleine weiterschlief. Wieder gab Sirius nur ein abfälliges Geräusch von sich. „Noch einmal, Snivellus, ich mag dich persönlich absolut nicht leiden können. Aber Harry hat mir gezeigt, dass du es offensichtlich wert sein musst und du bist sein Gefährte! Dich zu verlieren würde ihn mal wieder in die Verzweiflung treiben! Denkst du, das lasse ich zu?!“ Severus atmete einmal tief durch. Wow! Der Flohsack hatte sich tatsächlich gravierend geändert! Harry musste ihm wahrlich viel bedeuten. Immerhin hatte er noch nicht einmal ein Wort über die Tatsache verloren, dass der Junge in Slytherin gelandet war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)