Das Geheimnis des Spiegel von NaBi07 ================================================================================ Kapitel 5: Davids Rache (4) /unerwartetes Wiedersehen (5) ---------------------------------------------------------- Kapite 4 - Davids Rache Der Ritt dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Das Blut sank in den Kopf der Gefangenen und langsam begann sich die Welt um sie herum zu drehen. Stetig unterdrückte sie den Anschwung einer leichten Übelkeit, krampfhaft schluckte sie die aufkommende Säure hinunter. Auf und ab. Auf und ab. Beständig und mit sicheren Schritten galoppierte das Pferd durch den Wald. Nele hätte nie gedacht, dass sie einmal auf diese Weise auf einem Pferd reiten würde. Kopfüber, quer auf dem Sattel. Der Schweißgeruch des Tieres stach in ihrer Nase und die viel zu warme Hand auf ihrem Kreuz schien sich ein Loch durch ihre Kleidung zu brennen. Mit der Übelkeit kämpfend, hoffte sie, dass sie endlich ihrem Ziel näher kommen würden. Alles was sie sehen konnte, war der Boden unter den Hufen des Tieres. Steine, Stöcke, Wurzeln, Gräser und Dreck. Jede menge Dreck. Um sich von diesem Anblick abzulenken konzentrierte sich Nele auf ihr Gehör. Die Banditen unterhielten sich leise und aufgeregt. Ihr Anführer scherzte mit dem Mann neben sich. Hin und wider erhaschte sie den Laut von herumwuselnden Tierchen. Doch kein einziger Vogel schien wirklich Lust zu haben in der abnehmenden Nachmittagssonne zu singen. Merkwürdig. Plötzlich stoppte die Truppe. Mit einem leichten Ruck an den Zügeln brachte der blonde Anführer mit den unglaublich hellblauen Augen das prächtige Tier zum stehen. Schnaufend trabte das Pferd nervös auf der Stelle, so als ob es nicht sicher war ob es hier wirklich halt machen wollte. Doch bevor es die Zeit hatte sich zu entscheiden, stieg der Anführer von seinem Schimmel und stieß seine Beute unsanft von dem Sattel herunter. Nele unterdrückte sich einen Schmerzensschrei und rappelte sich auf die Knie. Noch immer von der Übelkeit gefangen, drehte sich ihr Kopf wie ein Karussell immer wieder im Kreis ganz so als ob es nie wieder anhalten wolle. Doch bevor sie sich versah, stand sie wieder auf den Beinen und gewann den Kampf gegen die brennende Magensäure. Verwirrt blickte sie sich um. Ein Mann mit zerzaustem braunem Haar zog Nele hoch und umfasste grob ihren Unterarm. Die anderen Männer banden ihre Pferde an die umliegenden Bäume fest. Fünf seiner Leute ließ der Blonde zurück, um die kostbaren Tiere zu bewachen. Mit dem Rest folgte er eine unsichtbare Straße durch das Dickicht. Das alles geschah, ohne dass der Anführer auch nur einen Befehl geben musste. Nele gab zu, dass er seine Männer scheinbar gut im Griff hatte. Sie atmete auf. Endlich von dem Höllenritt befreit, beruhigte sich ihr Magen und ihr Kopf konnte wieder klar denken. Mit dem kläglichen Versuch sich den Weg zu merken, marschierte sie hinter ihrem Führer her. „Los, beeile dich mal!“, trieb sie Mr. Zottelkopf an. Ihren Schritt beschleunigend, stolperte Nele über jedes nur erdenkliche Hindernis und fluchte leise in sich hinein. Der Blonde sah sich kein einziges Mal nach seiner Gefangenen um. Er rechnete sich stattdessen schon aus, was sie für ihn und seine Männer einbringen könnte und war zuversichtlich einen angemessenen Preis erhandeln zu können. Langsam konnte Nele das Ende des Waldes erkennen. Allmählich schwanden die Bäume dahin und Getreidefelder machten ihnen Platz. Vereinzelt waren Bauern zu erkennen, die eifrig arbeiteten, um die Felder zu pflegen. Einige blickten kurz auf und beobachteten die Vorbeiziehenden. Doch keiner schien sich in irgendeiner Weise bedroht zu fühlen. Sehr eigenartig, dachte Nele. Es dauerte nicht lange und sie konnten die ersten Häuser erkennen. Ihr Rauch stieg aus den Schornsteinen empor und zog träge in den Himmel. Der Duft von frisch gebackenem Brot, erinnerte sie daran, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Zustimmend grummelte ihr Magen. Doch die Atmosphäre im Dorf war wider erwartend ruhig und normal. Die Ankunft der Banditen schien auch hier etwas alltägliches zu sein. Die Gefangene runzelte verwundert die Stirn. Ihre Fantasie lief Amok und sie malte sich aus, dass dies vielleicht das Heimatdorf der Banditen sein könnte und diese Menschen hier ebenfalls Mitglieder in der Bande des Blonden wären. Doch als sie an die zurückgelassenen Kameraden dachte, verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Keiner würde seine Pferde in einem Wald zurücklassen, wenn er nach hause ging, wo es genügend Futter und Unterkünfte für die Reittiere gegeben hätte. Plötzlich hielt der Banditenzug an. Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Ein etwas schäbig aussehendes Wirtshaus, mit einer großen Holztür schien Nele zu empfangen und sie hämisch anzugrinsen. Kurz kam ihr der Gedanke die Flucht zu ergreifen, doch ein plötzlicher, unsanfter Ruck an ihrem Arm ließ dem Mädchen keine andere Wahl als ihrem Führer zu folgen. Und sie übertrat die Schwelle zu ihrer eigenen, kleinen Hölle. Die Innenausstattung war spärlich, wirkte aber keineswegs heruntergekommen. Das Wirtshaus war gut besucht. Eine Frau, Mitte vierzig, huschte zwischen den Neuankömmling hindurch und balancierte ein reichlich gedecktes Tablett von einem Tisch zum nächsten. Kurze Stille trat ein, als die Gäste die Fremden bemerkten. Doch dann breitete sich wieder das allgemeine Gemurmel aus. Hier und da drang ein lautes Gelächter oder ein giftiger Fluch an Neles Ohr. Der Duft von Gebratenem verdeutlichte ihr wie sehr sie sich nach einer warmen Mahlzeit sehnte, doch ließ sie sich davon nichts anmerken. Bloß keine Schwäche zeigen, versuchte sie sich einzubläuen. Trotzdem gab sie sich mit der kleinen Verschnaufpause zufrieden, da die viel zu kurze Nacht, der Ritt und der Fußmarsch mit blanken Füßen an ihren Kräften zehrten. Sie hatte das Gefühl schon viel zu lange gelaufen zu sein. Und zur Krönung klebte ihr die Zunge am Gaumen fest. Mit viel Neugier und einer Spur Angst , vor dem was gleich geschehen könnte, blickte sie sich im ganzen Raum um und musterte die Möglichkeiten, die sich für eine Flucht ergeben könnten. Leider schien sie keine guten Chancen zu haben. Die einzige Tür die nach draußen führte, war die, durch die Nele hereingekommen war. Und um dahin zu gelangen, müsste sie erst einmal den gesamten Raum durchqueren. Kaum hatten der Blonde und seine Bande das Haus betreten, kam ihnen ein älterer Herr entgegen und begrüßte sie mit einem schäbigen Grinsen auf den Lippen. Sofort bemerkte er die junge Frau in der Mitte der Männer und verstand gleich den Sinn und Zweck des seltenen Besuchs. Der Mann spielte mit seinem grauen Schnurrbart und zeigt in die Richtung eines freistehenden Tisches. Er ließ Getränke für sich und den Blonden bringen und setzte sich auf einen der Stühle. Nele war immer noch in dem harten Griff des braunhaarigen Strubbelkopfes gefangen. Sie straffte trotzdem ihren Rücken, um sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen und beobachtet gespannt das Geschehen. Während der Rest der Bande stehen blieb und das Gespräch verfolgten, wollte ihr Anführer das Wort ergreifen. Doch der Besitzer der Gaststätte kam ihm zuvor. Er wischte sich kurz mit einer seiner schmutzigen Hände über sein pausbäckiges Gesicht, dann verschränkte er seine würstchenartigen Finger ineinander. Er leckte über seine Lippe und nickte der Frau mit dem Tablett zu, auch die anderen Banditen zu bewirten. „Lange nicht gesehen David. Wie ich sehe wächst der Kreis deiner Anhänger stetig an. Das freut mich für dich.“ schmeichelte er in einem sanften Ton. Dabei ließ er den Anführer nicht aus den Augen. Der Blonde erwiderte nichts darauf, lediglich ein zustimmendes Nicken zeigte seinem Gegenüber, dass er den Worten folgte. Mit einer Bewegung seinen Kopfes, zeigte der Wirt auf das Mädchen. Seine fettigen Haare glänzten dabei im Kerzenschein und Nele wäre beinahe die Galle wieder hoch gekommen. Sie schluckte leicht und lauschte gespannt. „Wen mich meine Augen nicht täuschen, dann hast du mir wiedereinmal etwas neues mitgebracht. Sie wirkt mit ihren bernsteinfarbenen Augen etwas exotisch. So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Er runzelte kurz die Stirn. Dann fuhr er fort: „Ihre Kleidung ist recht ungewöhnlich für diese Gegend. Sie scheint mir gut gebaut und auch gut genährt zu sein. Ihr Gesicht hat hübsche Züge und gepflegt ist sie auch noch. Meine Gäste werden recht zufrieden sein. Sie könnte der neueste Kassenhit werden.“ Nele stockte der Atem, für einen Moment wollte sie laut protestieren, doch sie zwang sich dazu innere Ruhe zu bewahren und dem Gespräch zu folgen. Angespannt musterte sie den Wirt. Er grinste ihr hämisch zu. Sie blickte ihm gerade in die Augen. Er sah eigentlich harmlos aus, doch ein funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass er es faustdick hinter den Ohren hatte. Wieder sagte der Blonde nichts darauf. Auch er wartete ab und hoffte sein alter Freund würde den Wert des Mädchens richtig einschätzen. „Nun gut. Wo hast du sie denn gefunden?“ neugierig blickte er seinen Gegenüber an. „In der Lichtung die einen halben Tagesritt von hier entfernt liegt. Bei dem Grab der Priesterin.“ „Wirklich? Was für ein seltsamer Ort für solch eine Augenweide.“ Nele horchte auf. Das Grab der Priesterin. War damit der seltsame Stein gemeint? Angespannt verfolgte sie das Gespräch. Doch zu ihrer Enttäuschung machte keiner der beiden Anstalten weiterhin über das Grab zu reden. Stattdessen begannen sie über den Preis zu verhandeln. Nun endlich ergriff die Angst Besitz von dem Mädchen. Sie gestand sich ein, dass sie sämtliche angstvollen Gefühle bis jetzt lediglich unterdrückt hatte. Doch nun überschritt sie ihre Grenzen und die Panik brach erbarmungslos hervor. Was sollte sie nur tun? Mit Gewalt zwang sie sich ihren Tränen Einhalt zu gebieten. Sie würde jetzt nicht weinen. Ganz sicher nicht. Vor allem, da David sie die ganze Zeit beobachtete. Er wollte ihr ja eins auswischen. Das hatte er ja gesagt. Darum würde Nele lieber sterben, als ihm die Genugtuung zu verschaffen und um Gnade zu betteln. Am Ende der Verhandlungen stand ihr preis fest: 370 Golden. Obwohl Nele nicht sagen konnte wie viel das umgerechnet in ihrem Land wert gewesen wäre, vermutete sie, dass es ein guter Preis zu sein schien. Denn ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Anführers aus. Ein letztes mal schluckte sie ihre Angst hinter und stellte sich kerzengerade hin. Mr. Zottelkopf übergab seine Gefangene an den schmierigen Händler. Dieser packte sogleich gierig ihren Arm und grinste ihr anzüglich ins Gesicht. Sie erwiderte das Grinsen mit einen teilnahmslosen Blick. Nele entging nicht der Hauch von Verwunderung, der sich in dem Gesicht des Wirtes breit machte. Der Alte führte sie eine lange geschwungene Treppe hinauf. Die Verkaufte blickte noch einmal zurück und visierte das Gesicht ihres Verkäufers an. David drehte sich ebenfalls noch einmal zu ihr um und begegnete ihrem Blick. Ein leichter Groll zog in ihm auf. Das Mädchen schien kein bisschen beunruhigt zu sein. Stolz und erhaben schritt sie die Treppe empor, als wäre das ein leichter Spaziergang. Verärgert über ihr stures Verhalten widmete er sich wieder seiner Mannschaft und verließ das Wirtshaus. Doch seine Gedanken schweiften immer wieder zu den bernsteinfarbenen Augen mit dem wunderschönen, mutigen Glanz. Der Wirt schleppte Nele in ein schmuddeliges Zimmer am Ende eines kleinen Ganges. Sie vermutete. Die Dielen am Boden knarrten bei jedem ihrer Schritte und schienen sie herzlichst willkommen zu heißen. Das fahle Kerzenlicht in den Halterungen schaffte es kaum den schmalen Gang zu beleuchten und verlieh dem ganzen eine düstere Atmosphäre. Im Zimmer angekommen schob er das Mädchen unsanft hinein und gab endlich ihren Arm frei. „Zieh das an“, befahl der Wirt ihr barsch und zeigte auf ein Kleidungsstück, welches auf einem großen Bett bereit lag. Er Verschwand sofort wieder und schloss die Tür sorgfältig ab. Nele setzte sich auf die harte Matratze und seufzte in sich hinein. Immer noch wollte sie nicht nachgeben und verdrängte die aufkommenden Tränen. Ihre Hände verkrampften sich. Langsam zog sie das Kleidungsstück an sich heran und musterte es. Das Kleid war schlicht und in einem dunklen Braunton gehalten. Weiße Spitzenränder verzierten den Rand der Ärmel und des Kragens. Es sah recht neu aus und das Mädchen fragte sich, ob der Wirt mit ihrem Besuch gerechnet hatte. Immerhin lag alles bereit: eine Schüssel mit Wasser, ein Nachttopf, bei dessen Anblick Nele angeekelt die Nase rümpfte und dieses Kleid mit den passenden Schuhen. Sowie ein Leib Brot und ein Becher mit lauwarmen Wasser. Nele entkleidete sich rasch und war froh endlich etwas passenderes zum anziehen zu haben. Das Kleid war zwar etwas zu groß, aber besser als ihre Hotpen und ihr Top. Für ihren Geschmack war der Ausschnitt ihr aber viel zu tief und das eingenähte Korsett saß ihr zu eng auf der Haut, doch ändern konnte sie erst einmal nichts daran. Dann kämmte Nele rasch ihre zerzausten Haare. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wann sich ihr geflochtener Zopf aufgelöst hatte. Ohne ihren Haargummi konnte sie sich die nervenden Strähnen nur hinter das Ohr streichen. Sie wusch sich ihr Gesicht mit dem muffigen Wasser und begann danach lustlos an dem Brot zu knabbern. So verstrich die Zeit. Draußen versank nun die Sonne endgültig. Das lärmen der Menschen ließ nach und es waren nur noch vereinzelte Laute zu vernehmen. Schafe blökten in der Ferne, Pferde scharrten mit ihren Hufen im Dreck und einige Hunde bellten in die Nacht hinein. Nach einer Weile hatte Nele das komplette Brot aufgegessen und den Becher gelehrt. Sie hatte wahrlich schon besseres gegessen. Lange dauerte der Frieden nicht an. Von draußen konnte sie eine Stimme hören und erstarrte sofort wieder. Die Dielen knarrten laut und kündigten den Besucher an. Beim Anblick der frischen Kleider und des Essens, hatte Nele die Wahrheit kurz verdrängen können, doch jetzt holten sie sie wieder ein. Das verkaufte Mädchen krallte sich in das Bettlacken und starrte auf die Tür. Die Stimmen kamen immer näher, bis sie genau vor ihrem Zimmer stoppten. Sie erkannte die schmeichelnde Stimme des Wirtes sofort wieder. Eine Weile plauderten sie vor sich hin, dann wurde die Tür aufgeschlossen. Nele zuckte zusammen. Zu erst trat der Wirt ein, dann folgte ihm ein zweiter älterer Herr mit einer Narbe auf dem Kinn. Dieser machte einen kleinen Freudenjauchzer, dann reichte er dem Wirt einen Beutel und zog die Tür schnell hinter sich zu. Ihr Blick heftete sich an den Fremden und verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Seine Geschichtszüge waren ebenmäßig und seine Haut leicht braun gebrannt. Mit seinem weißen Hemd und der weiten braunen Hose, sah er sogar etwas attraktiv aus, für einen Mann ende dreißig vermutete Nele, doch ihr kam bei seinem Anblick das Brot wieder hoch. Langsam schritt er auf sie zu, ganz so als ob er ein besonders scheues Wesen vor sich hätte und es auf keinen Fall verjagen wolle. Ein breites Grinsen stach ihr entgegen und Nele glaubte, sie könne seine Gedanken darin lesen. Vorsichtig rutsche sie auf dem Bett hin und her. Spannte ihre Muskeln an und holte tief Atem. „Na meine Kleine. Ich hoffe wir beide werden viel Spaß miteinander haben.“ säuselte er. Das war das Signal, auf das das Mädchen gewartet hatte. Sie sprang mit einem Satz auf und schleuderte dem Fremden den Wasserkrug entgegen. Doch dieser wich gekonnt aus und schaffte es das flüchtige Ding rechtzeitig am Arm zu packen und auf das Bett zu werfen, bevor sie die Tür erreichen konnte. Ein Schrei entkam ihr. Sie wehrte sich gegen den schweren Körper, der sich auf ihren drückte. Zappelnd und schlagend versuchte sie ihn zu vertreiben, doch all das half nichts. Langsam aber sicher machte sich Verzweiflung in ihr breit. Die Hoffnung noch nicht aufgebend wehrte sie sich so gut sie konnte. Der Angreifer lachte amüsiert und packte die Handgelenke seiner Beute. Er drückte diese mit Gewalt in die Kissen, so dass sie nur noch mit ihren Beinen treten konnte. Doch außer Luft bekam sie nichts zu fassen. „Ganz ruhig. Je mehr du dich wehrst, desto mehr tut es dir weh. Wir wollen doch beide unseren Spaß haben.“ lachte er ihr entgegen. Mit Tränen in den Augen starrte sie ihrem Gegenüber mit hasserfüllten Augen und verfluchte ihn. Doch ihm schien das alles egal zu sein. Hätte Nele gewusst was sie hier erwartete, dann hätte sie den Spiegel vorher in tausend Scherben zerschlagen. Doch die Überfallene glaubte kaum, das das etwas genutzt hätte um ihrem Schicksal zu entkommen. Aber wenn dies das Schicksal sein sollte, für das sie bestimmt war, würde sie lieber darauf verzichten wollen, als sich dem zu ergeben. Die Verzweiflung fraß sich in ihre Seele hinein und klammerte sich an ihr fest wie ein widerliches Insekt. Was sollte sie tun? Sie war machtlos. Widerstrebend beruhigte sie sich, zur Freude ihres Peinigers, um einen klaren Kopf zu wahren. Doch stattdessen packte sie die Angst und umklammerte ihr Herz. Ihre Sinne vernebelten sich und erschwerten es ihr logisch zu denken. Der Mann mit der Narbe streichelte gierig über ihre langen schwarzen Haare, dann über ihr Gesicht, glitt runter zu ihrem Hals und stoppte vor ihrer Brust. Ein schluchzen entwich ihr. Das machtlose Mädchen zuckte zusammen und verkrampfte sich als er anfing ihr Kleid am Dekolleté aufzuschnüren. Pfeifend würdigte er die helle, nackte Haut, die zum Vorschein kam. Nach einigen unendlichen Sekunden hatte er die Kordel vollkommen gelöst und blickte nun auf das nackte Fleisch seines Opfers. Entzückt gab er ein leises grunzen von sich und streichelte seinen neuen kleinen Schatz, wie ein gieriger Bergräuber. Nele erschauderte und biss sich auf die Zunge. Sie versuchte ruhig zu atmen. Tränen bahnten sich ihren Weg und benetzten das Kopfkissen. Vergeblich versuchte sie an etwas anders zu denken. Das war alles die Schuld dieses blonden Monsters. Wie konnte er ihr so etwas antun? Erschöpft und mutlos ließ sie es geschehen. Gedankenleer starrte sie zur Decke. Nele glaubte sich in einem unbarmherzigen Strudel von Ekel und Selbsthass zu verlieren. Immer tiefer und tiefer wurde sie nach unten gezogen. Es gab scheinbar kein Entkommen mehr. Gänsehaut überlief ihren Körper. Sie zitterte wie Espenlaub. Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt. Warum war sie nur so schwach? Warum konnte sie sich nicht mehr wehren? Sie würde sich nach dem heutigen Tag nie wieder im Spiegel ansehen können. Der Mann grunzte zufrieden. Schon lange hatte er keine so wohlgeformte Frau mehr gespürt. Er sehnte sich endlich nach Erlösung. Nach wohltuender, so dringend benötigter Erlösung. Eine letzte Welle des Widerstands überspülte die Überfallene. Sie durfte es einfach nicht geschehen lassen! Nicht hier und auch nicht jetzt! Und vor allem nicht ohne Tom! Sie musste sich wehren! Noch nie hatte die Siebzehnjährige aufgegeben. Egal welcher Aufgabe sie sich hatte stellen müssen. Was würde Tom dazu sagen, wenn er sie so resigniert sehen könnte? „Nein!“ schrie sie aus lauter Verzweiflung. Die Gepeinigte schluckte ihren ganzen Stolz herunter und begann von neuem, sich zu wehren. Sie wand sich unter dem schweren Körper und schöpfte neue Kraft aus ihrer Verzweiflung. Strampelnd und schreiend kämpfte sie mit aller Macht. Die Tränen liefen ihr davon, doch das kümmerte sie wenig. Sie warf ihren Oberkörper hin und her. Der Mann hatte alle Mühe sie festzuhalten. Als ihr Fuß in die Niere des Narbigen trat, fluchte er laut auf. Mit einem Mal packte er wutentbrannt Neles Hals und drückte mit aller Macht zu. „Wie kannst du es wagen!“ Nach Luft schnappend schaute sie ihm in die Augen. Angst verzerrte ihr Gesicht. Ihr Blut pulsierte wie verrückt und ihre Lunge brannte vom Sauerstoffmangel. Zufrieden schnaufte der Mann und ließ langsam ihren Hals locker, um mit seinem perfiden Vorhaben fortzufahren. Schlaff und kraftlos langen Neles Arme neben ihrem Körper. Sie weinte nun hemmungslos und atmete flach die verbrauchte Luft ein. Sie bebte vor lauter Angst und Verzweiflung und schloss die Augen. Gab einfach auf. Überließ ihren Geist der Betäubung und versankt tief in der Dunkelheit. Er brachte sich in Position und wollte endlich sein heiß ersehntes Ziel erreichen. Endlich war es soweit. Endlich würde er dieses widerspenstige Ding reiten und Erlösung finden. Plötzlich tönte ein Erbärmlicher Schrei zu den beiden herein. Der Peiniger hielt inne und ließ von seiner Beute ab. Er rannte zum Fenster. Fluchend schlug er gegen die Wand, zog seine Hose hoch und marschierte aus dem Raum. Ohne ein Wort der Erklärung verschwand er und schloss die Tür zu. Laute Anweisungen hallten bis in den Raum. Die Menschenmenge, die in dem Wirtshaus zu Gast war, polterte davon. Kurze Stille kehrte ein. Nele atmete tief durch und besiegte langsam ihre Lähmung. Spürte ihre einzelnen Glieder wieder, spürte den pulsierenden Schmerz des Würgemales und spürte eine tiefe Erleichterung. Gerettet. Sie öffnete die Augen und vergewisserte sich, dass sie allein zurückgeblieben war. Langsam rappelte sie sich auf, richtete ihre Kleidung wie unter Hypnose, verschnürte ihr Korsett etwas zu fest. Ihr Brustkorb wehrte sich gegen die Enge, doch Nele musste sich versichern, dass sie noch unberührt war, dass ihr Körper noch ihr alleine gehörte. Langsam schlich sie zum Fenster und blickte teilnahmslos nach draußen. Was sie sah verschlug ihr den Atem. Alles erschien ihr wie ein einziger Alptraum. Ein Meer aus Feuer breitete sich aus und ein wilder Ameisenhaufen versuchte es zu löschen. --------------------------------------->>>>>>> Kapitel 5 - unerwartetes Wiedersehen Erstarrt beobachtete Nele vom Fenster aus den Ameisenhaufen. Aufgeschreckt rannten die Menschen von einer Ecke in die nächste und versuchten die züngelnden Flammen zu bändigen. Über die Hälfte der Häuser, die Nele erkennen konnte, standen in Flammen. Plötzlich entdeckte sie eine bekannte Gestalt. Der Narbige. Mit einem Eimer bewaffnet machte er sich an die Verteidigung eines winzigen Stalles, genau gegenüber des Wirtshauses. Pferde riefen um Hilfe und trommelten aufgeregt gegen ihr Gefängnis. Das ist die Chance, dachte sie mit neuer Entschlossenheit und vertrieb ihren Nebel nun endgültig. Sie würde nicht hier bleiben und auf seine Rückkehr warten. Sie würde kämpfen! Sie würde fliehen! Nele rannte zur Tür und lauschte Vorsichtig an ihr. Nichts. Sie Packte die Klinke, doch diese weigerte sich, den Fluchtweg freizugeben. Leise Panik kroch an ihr hoch. Zittern zog sie fester an der Tür, doch nichts rührte sich. Langsam wurde ihr bewusst in welcher Lage sie sich befand. Unter Zeitdruck suchte sie nach einer Lösung ihres Problems. Ihr Blick blieb an dem Fenster kleben. Sie musste hier unbedingt raus. Egal wie. Entweder würden die Flammen sie verschlingen oder der Narbige kehrte zurück und würde das gleich vorhaben. Tief einatmend erinnerte sie sich an die Kletteraktionen aus ihrer Kindheit. Während ihre Freunde flink auf den Baum stiegen, blieb Nele stets zurück. Mit aufgeschrammten Händen war sie immer die Letzte gewesen die den Baum bestieg. Doch dieses Mal ging es um ihr Leben. Sie musste es einfach schaffen! Wieder blickte sie aus dem Fenster. Doch die grölende Masse war zu sehr mit dem Feuer beschäftigt, um ein Mädchen zu beachten, welches aus einem Fenster schlüpfte und um ihre Freiheit kämpfte. Langsam schob sie das alte Fenster nach oben und stickige Luft wehte ihr entgegen. Rauch stahl sich in den engen Raum und brachte die Flüchtige zum Husten. Schnell suchte sie nach einem Halt und fand ihn an der Front der Wand. Sie kletterte auf den Fensterstock und ließ ihre Beine kurz in der Luft baumeln, währen ihre Finger die Wand nach einem Riss abtasteten. Ein kleiner Sims gestatte es ihren Füßen Platz darauf zu nehmen. Vorsichtig machte sie ihre ersten Schritte. Es war leichter als sie vermutete hatte. Langsam, aber immer mehr an Sicherheit gewinnend, rückte sie vor zum nächsten Fenster. Sie schob ihre Füße vorsichtig auf dem Sims entlang und rückte Millimeter um Millimeter voran. Unter ihr rannten die Menschen durcheinander und bellten sich gegenseitig Befehle entgegen. Einige Männer, die sie im Wirtshaus gesehen hatte, trugen eimerweise Wasser zu einer Hütte, am Ende der Straße. Eine Frau hielt ein kleines Kind in den Armen und beobachtete von der Ferne aus, wie sich zwei kleine Jungen bemühten, ein Pferd die Straße entlang zu ziehen. Doch das Tier war zu verängstigt, um auch nur einen Schritt zu gehen. Nele konzentrieren sich wieder auf ihre eigenen Probleme. Denn das Fenster, an das sie gelangt war, ließ sich einfach nicht öffnen. Sie fluchte in sich hinein. Konnte denn nichts glatt laufen? Ausschau haltend nach einer anderen Möglichkeit der Flucht, setzte sie einen weiteren Schritt nach vorn. Der Wind zerwühlte ihr Haar. Einzelne Strähnen erschwerten ihre Sicht. Doch Nele traute sich nicht diese widerspenstigen Plagegeister hinter ihr Ohr zu streichen. Mit steifen Fingern klammerte sie sich an die kleinen Steinchen, die ihr einziger Halt waren und kämpfte sich tapfer zum nächsten Fenster vor. Auf einmal verlor sie den Halt mit ihrem linken Fuß und glitt vom Sims ab. Mit einem lauten Schrei und einer schnellen Reaktion konnte sie sich rechtzeitig am Rande des Vorsprungs festhalten. Sie baumelte in der Luft, ihre Knie schlugen gegen die Wand. Nele versuchte mit vergeblicher Mühe ihre Muskeln anzuspannen und sich nach Oben zu ziehen. Verzweifelt kämpfte sie um ihr überleben. Sie war so weit gekommen. Der Schweiß brach ihr aus und erschwerte es ihr sich festzuhalten. Mit einem lauten Fluch rutschten ihre glitschigen Finger ab und sie stürzte in die Tiefe. Ein Lauter verzweifelter Schrei entkam ihr und mischte sich unter die Menge. Sie fiel, und fiel und fiel und landete direkt in die Arme eines unglücklichen Passanten. Verwundert starrte sie den jungen Mann an. Seine himmelblauen Augen erwiderten ihren Blick und starken Arme umfingen ihren Körper. Eine kurze Erinnerung durchzuckte das Mädchen, doch das Bild verschwamm vor ihrem innerem Auge genauso schnell wieder. Der Körper des Mannes spannte sich unter ihrem Gewicht an. Er musterte Nele und schien sie mit seinem Blick förmlich zu verschlingen. Was für unglaubliche Augen. Was für eine Intensität. Plötzlich entspannten sich seine Muskeln. Mit einem dumpfen Knall landete die Siebzehnjährige auf dem Boden. Abermals brachen wilde Flüche aus ihr heraus. Wutentbrannt rappelte sie sich auf die Beine und blickte den Jungen an. Ihr Hinterteil brannte höllisch. „Du hättest mich auch absetzten können!“ zischte sie ihm entgegen. „Denkst du ich habe ewig Zeit dich zu halten und sanft auf den Boden zu setzten. Außerdem bist du nicht gerade leicht.“ erwiderte er gleichgültig. Nele schnaubte ihm entgegen. Der Fremde drehte sich um und setze seinen Weg fort. Sie folgte ihm mit großen Schritten. Sichtlich verärgert, drehte er sich um und begegnete ihr mit giftigem Blicken. „Was soll das? Verfolge mich nicht!“, fauchte er ihr entgegen. Achselzuckend trat sie an seine Seite. „Ich bin neu hier und ich weiß nicht wohin“, versuchte sie ihr Glück, in der Hoffnung jemanden gefunden zu haben, der ihr helfen könnte. „Verschwinde du Hure! Ich will nichts von Harris Prostituierten wissen. Außerdem gilt hier die allgemeine Regel, dass sich jeder um sich selbst kümmert.“ keifte er sie an. Nele ließ sich davon aber nicht abschrecken. Empört holte sie aus, doch bevor ihre Hand ihr Ziel erreichen konnte, hatte der Junge sich bereits umgedreht und mit eiligen Schritten davon gemacht. Sollte sie ihm hinterher rennen? Was sollt sie jetzt nur machen? Der Geruch nach verbrannten Haaren schlug ihr entgegen. Sie musste hier schleunigst weg. Aber wohin? Plötzlich tauchte der große Felsen, der inmitten einer Lichtung stand, in ihrem Geiste auf. Sie dachte an den Weg den sie zu Pferd zurückgelegt hatte und hoffte, dass sie ihn wiederfinden würde. Vielleicht könnte ihr das Grab ja irgendeinen Hinweis liefern, wie sie wieder nach hause finden kann. Eine kleine Stimme in ihrem Inneren zweifelte an diesem Gedanken und drängte sie dazu dem fremden Jungen zu folgen. Sich auf einen anderen zu verlassen. Doch das widerstrebte dem Mädchen. Sie würde sich nur auf sich selbst verlassen können. Nele klammerte sich an die einzige Hoffnung und machte sich auf den Weg, um den Wald wiederzufinden. Immer noch herrscht reges Chaos in dem kleinen Dorf. Die scheinbar Unsichtbare schlüpfte durch die aufgewühlte Masse und drehte sich nicht um. In Gedanken versunken versuchte sie sich an den richtigen Pfad zu erinnern. Einige der Gebäude, an denen sie vorbei kam, erkannte sie wieder. Andere wiederum waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt oder wurden gerade von den züngelnden Flammen verspeist. Etwas an dem Feuer beunruhigte sie, aber sie wusste nicht was es war. Ab und zu zweifelte Nele, ob sie dem richtig Pfad folgte, doch dann entdeckte sie wieder einen Punkt, den sie sich im Voraus zur Orientierung gelegt hatte. Ehe sie sich versah, gelangte das Mädchen an die Felder, es dauerte nicht lange und sie erreichte daraufhin den Wald. Ohne zu zögern ging sie hinein. Aber schnell hatte sie die Zuversicht wieder verlassen. Der unsichtbare Weg, denen die Banditen gefolgt waren, war verschwunden. Jedenfalls für Neles Augen. Sie konnte nicht erkennen aus welcher Richtung sie ursprünglich gekommen war. Deshalb ergab sie sich einfach ganz ihrem Instinkt. Der Mond strahlte in die Nacht und beobachtete gemeinsam mit den Sternen die Wanderung des Mädchens. Nele erschauderte bei dem Gedanken, dass sie alleine in der Dunkelheit den Wald durchquerte. Sie beschleunigte ihre Schritte. Während sie ihrem ganz eigenem Pfad folgte, dachte sie wieder an das was geschehen war. Blitzschnell zogen an ihr die Bilder vorbei: Erst der glühende Spiegel in ihrem Schrank, dann die Finsternis und die Frau, die ihr so ähnelte und doch ganz anders zu sein schien. Der blonde Bandit mit den blauen Augen und seine skrupellosen Männer, sowie auch Harri, hatten einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen. Bei dem Gedanken an den Narbigen überfiel sie ein eiskalter Schauer. Zitternd zog sie ihre Arme enger um ihre Mitte. Nele spürte noch immer den Druck seiner warmen Hände auf ihrem Körper und die die Zunge auf ihrer Haut. Würgend erbrach sie das klägliche Abendmahl, dass sie zu sich genommen hatte. Sie versuchte flach zu atmen und wieder zur Ruhe zu kommen. Der saure Geschmack auf ihrer Zunge half ihr leider nicht dabei. Doch das Gesicht des blonden Jungen mit seinen himmelblauen Augen, erhellte ihren Geist wieder ein wenig. Wer war er und vor allem warum kam ihr sein Gesicht so bekannt vor? Lange machte sie sich Gedanken über ihn. Erst dachte sie er wäre einer der Banditen gewesen, doch sie konnte sich nicht erinnern dort so einen jungen Mann gesehen zu haben. Sein Gesicht erinnerte sie an den Banditenanführer. Die langen blonden Haare, seine weichen, attraktiven Gesichtszüge und der muskulöse Körperbau. All das ähnelte David sehr. Auf einmal kam ihr der Jungen vom Dach wieder in den Sinn. Wie er sich verwirrt umsah und dann direkt in ihre Richtung blickte. Allerdings konnte sie sich nicht mehr genau an sein Gesicht oder seine Kleidung erinnern. Sie hatte zu viel in letzter Zeit erlebt und er erschien ihr jetzt auch nicht gerade wichtig. Alle Eindrücke vermischten sich miteinander. Abermals durchzuckte sie ein eiskalter Schauer und diese beißende Übelkeit. Nele dachte daran, wie schnell der Tag vergangen war und das Schmerzen ihrer Füße machte ihr deutlich, wie lange sie schon im Wald herum irrte. In die Ferne lauschend vernahm sie ein leises Summen von Insekten und das rascheln der Tiere im Unterholz, die gerade nach Nahrung suchten oder sich auf die Nacht vorbereiteten. Vor Kälte zitternd und aus Angst schüttelnd, grauste es sie vor dem Gedanken die Nacht im Wald zu verbringen. Vorsichtig blickte sie sich um. Wie spät es wohl in Wirklichkeit war? Nele tastete den Boden unter sich ab und hockte sich an einen Baum. Sie zog ihre Knie an sich heran und stützte den Kopf darauf. Sie wusste, dass sie niemals würde einschlafen können. Doch um ihrem Körper eine kleine Pause zu verschaffe, beschloss sie ein wenig zu ruhen und hoffte die Nacht würde schnell wieder zum Tag werden. Ihre Sinne in alle Richtungen ausgestreckt sank sie in einen leichten Schlummerzustand. Plötzlich schreckte Nele auf. Sie sprang auf ihre Beine und drehte sich wie wild um ihre eigene Achse, damit sie die Richtung ausmachen konnte, aus der das Getrommel von unzähligen Pferdehufen kam. Ehe sie sich versah, packte sie eine Hand von hinten und zog sich das Mädchen aufs Pferd. Leise fluchend über die Tatsache, dass sie eingedöst war und so den Angreifer nicht eher bemerken konnte, strampelte das Mädchen, um sich aus dem Griff des Reiters zu befreien. „Na wen haben wir denn da?“ hauchte eine bekannte Stimme ihr ins Ohr. „Da hatte aber jemand Glück und konnte fliehen.“ David umklammerte ihre Hüfte mit der einen Hand und die Zügel mit der anderen. Zwar war Nele erleichtert nicht mehr allein im Wald zu sein, doch dass es die Banditen waren, denen sie über den Weg laufen musste, ließ ihre Freude verblassen. Zornig blickte sie starr nach Vorne und drückte ihren Rücken gerade durch. „Hey Boss, was machen wir jetzt mit der. Zweimal am selben Tag das gleiche Weib aufzugabeln ist schon recht seltsam“, meinte einer der Banditen und lachte genüsslich. Zustimmend blickte er in die Richtung desjenigen der ihn angesprochen hatte. „Sie nochmal zu verkaufen wäre eigentlich zu schade und keiner zahlt so gut wie Harri. Außerdem kauft er sie uns bestimmt kein weiteres Mal ab, vor allem, da er ja jetzt sein Wirtshaus verloren hat.“ lachte er seinem Anhänger entgegnen. Der Rest der Truppe stimmte mit ein. Nele schluckte leise. Wiedereinmal lag es in der Hand der Banditen, was mit ihr geschehen sollte. „Mh..“ überlegte der Blonde kurz. „Na was soll’s, dann schenke ich sie eben Chris“, legte kurzerhand fest. „Da wird sich Moe aber nicht gerade freuen.“ gab eine andere lachende Stimme von sich. Diese stammte von einem etwas kräftigeren Mann mit kurzen schwarzen Haaren und einer langen Narbe auf der Stirn. Nele viel auf, dass die meisten Banditen, die sie gesehen hatte, eine Narbe trugen, was zeigte, dass sie oft in wilde Kämpfe verwickelt sein mussten. Was für widerliche Kerle. „Sie versucht doch schon seit Ewigkeiten an ihn ran zu kommen aber bis jetzt ohne Erfolg.“ fügte er noch schnell hinzu. „Das ist ja nicht mein Problem.“ scherzte der Anführer. Plötzliche Wut schlug in Nele empor und sie beschloss sich endlich verbal zur Wehr zu setzten: „Na hör mal! Ich bin doch keine Ware die du so einfach verkaufen kannst. Ich bin ein Mensch!“ David runzelte die Stirn. Obwohl er sie verkauft hatte und sichtbar kein Mann war, mit dem zu scherzen war, traute sich das Mädchen viel zu viel. „Natürlich bist du Ware. Menschliche Ware!“ antwortete einer seiner Gefährten und wieder brach lautes Gelächter aus. Plötzlich erstarben die Stimmen. Nele bemerkte die angespannte Stimmung und hielt die Luft an. David zog an den Zügeln und brachte den Schimmel zum stehen. Die Anderen folgten seinem Beispiel. Alle schienen in den Wald hinein zu horchen. Ein seltsamer fauliger Geruch breitete sich aus. Weit und breit war allerdings nicht zu hören. Es war still. Viel zu still für einen belebten Wald. Auf einmal gab der Anführer einen lauten Schrei von sich und verließ den Weg um tiefer in den Wald zu reiten. Nele hatte große Mühe sich fest zu halten. Sein starker Arm grub sich in ihre Hüfte. Die Pferde hasteten im Unterholz entlang und Nele bemerkte, dass irgendetwas hinter ihnen her war. Sie konnte sich aber nicht umdrehen, weil sie sonst den Halt verloren hätte. Ein grauenvolles Jaulen drang an ihr Ohr. Schlagartig breitete sich Gänsehaut auf ihrem Körper aus. Was war das gewesen? Noch nie hatte sie einen derartigen Laut gehört. Die nackte Angst packte sie mit einem Mal und hielt sie fest in ihrem Griff gefangen. Langsam zog ein dichter Nebel auf und versetzte die Pferde in einen panikartigen Zustand. Sie trieben immer weiter voran. Ihre Reiter hatten alle Mühe sich an ihnen Festzuhalten und dafür zu sorgen dass ihr Tier nicht durchbrannte. In der Ferne konnte Nele ein leichtes Schimmern erkennen. Der weiße Schimmel durchbrach das Unterholz und kam mit einem Mal vor einem Lagerfeuer zum stehen. David runzelte seine Stirn. Anscheinend hatte er nicht erwartet, dass das Lager leer war. Besorgt spielte er mit den Zügeln seines Pferdes. Dann setzte er Nele abrupt ab und wandte sich seinen Männern zu. „Hier stimmt etwas nicht. Wir sehen uns um. Keiner verlässt die Gruppe!“ Er drehte sich zu der Siebzehnjährigen um und richtete seine nächsten Worte an das verängstigte Mädchen: „Bleib lieber hier sonst könnte dir noch etwas zustoßen.“ David setzte daraufhin sein Tier wieder in Gang und die Gruppe verschwand im dichten Nebel. Ungewiss, was die starken Männer so in Angst versetzt hatte, blieb Nele allein zurück. Sie blickte sich kurz um, dann schritt sie auf das Lagerfeuer zu. Kein einziger Laut war zu hören, außer dem knistern des Feuers wie es genussvoll seinen Hunger an dem Holz stillte. Nele dachte an die eindringliche Stimme von David, als er sie warnte nicht von hier fort zu gehen. Eigenartigerweise hatte sie geglaubt Besorgnis in seinem Ton wahrzunehmen. Sie runzelte die Stirn. Kopfschüttelnd über diesen abwegigen Gedanken lauschte sie in die Ferne. Ihre Sinne fingen eine seltsame Aura hinter ihrem Rücke auf. Erstarrt aus Angst und Unsicherheit, traute sich das Mädchen nicht sich um zudrehen. Langsam blickte sie zum Boden und erkannte einen Schatten. Dieser wanderte immer näher, schlich sich an seine Beute heran. Plötzlich hielt sie die Anspannung nicht mehr aus und rannte los. Sie rannte in die Richtung, in der die Banditen verschwunden waren. Verzweifelt trieb sie ihre Beine voran. Der Schatten folgte ihr und schien sie überholen zu wollen. Vor lauter Panik übersah das gehetzte Mädchen eine Wurzel zu ihren Füßen und fiel stolpernd zu Boden. Dabei blieb sie mit ihrem Kleidersaumen an einer weiteren Wurzel hängen und konnte dieser nicht mehr entkommen, egal wie stark sie an ihrem Kleid auch zerrte. Die Klauen fesselten sie in der Dunkelheit und der Schatten kam immer näher. Angst erfüllt schloss sie ihre Augen und betete, dass der Schatten verschwand. Doch ohne Erfolg. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brut. Würde sie jetzt sterben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)