Seeräuber von Terrormopf (Das Mädchen und die Piraten) ================================================================================ Kapitel 6: Verheiratet ---------------------- Nun das erste Kapitel, das ich definitiv noch nie hochgeladen habe =) Hier ist ein Zeitsprung von fünf Jährchen dazwischen. Ich hoffe, ihr stört euch nicht daran =) Heute war ihr erster Hochzeitstag und Kim saß allein vor dem reich gedeckten Tisch, da ihr Mann noch geschäftlich zu tun hatte. Ihm gehörten einige Tabakplantagen und ein großes Anwesen. Die Kerzen waren schon gänzlich heruntergebrannt, das einstmals dampfende Essen eiskalt, da öffnete sich die Haustür und ihr Gatte kam herein, überströmt vom Regen und einen fremden Mann hinter sich. Als er sie sah, wie sie da allein im Esszimmer saß, vor einer reich gedeckten Tafel, die nicht einmal angerührt war, mit starrem Blick auf die Wand ihr gegenüber gerichtet, überreichte er schnell Paolo, einem Bediensteten, seinen Mantel, kam flink auf sie zu, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: „Alles Gute zum Hochzeitstag, mein Schatz.“ Im nächsten Moment hielt er ihr strahlend ein Kästchen aus schwarzem Samt, mit einer goldenen Schleife darum, unter die Nase. Doch sie rührte sich nicht, sondern fragte kühl: „Wo warst du, Emilio?“ Verunsichert lachte er auf und antwortete: „Bei den Plantagen, mein Liebling, wo sonst?“ Im selben Tonfall wie zuvor fragte sie: „Daran hege ich keine Zweifel, Emilio, aber ich will wissen, wo du danach hingingst?“ Nun sicherer entgegnete er: „Na ich ging nach Hause und brachte noch jemanden mit, wie du siehst.“ „Ja, ich sehe ihn, aber ich glaube dir nicht. Du riechst nach Alkohol und Frauenparfüm, gib doch zu, dass du einmal mehr trinken warst.“ Er seufzte auf und schritt zu einem der großen Fenster, zog den Vorhang zurück, um hinaus zu sehen. Nach einer Weile sagte er: „Es tut mir Leid, Schatz, bitte verzeih.“ Seufzend erhob sie sich, ging zu ihm, streichelte sanft über seinen Rücken und sagte: „Und schon wieder lügst du mich schamlos an, es tut dir eben nicht Leid, aber nun setz dich, Emilio, und iss etwas.“ Nun wandte sie sich zu dem Gast und lächelte ihn freundlich an: „Verzeiht bitte mein Verhalten Euch gegenüber, aber ich war gekränkt und verletzt. Und töricht, wie wir Frauen nun einmal sind, habe ich darüber auch mich selbst vergessen. Kommt, setzt Euch und esst mit uns. Wenn Ihr noch einen Moment warten wollt, lasse ich die Mamsell wecken, die soll dann das Essen wieder aufwärmen.“ Abwesend küsste er ihr die Hand und murmelte, sich zu Tisch bewegend: „Oh nein, bitte, wegen mir keine Umstände, ich bin Seemann und zu gutes Essen würde mich nur in Verlegenheit bringen.“ Nun ließ auch sie sich nieder, aß aber wiederum nichts. Sie musterte den Fremden neugierig und als er es bemerkte und ihr freundlich zulächelte, da sah sie verlegen auf ihren blanken Teller. Der Mann kam ihr seltsam vertraut vor, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht an ihn erinnern. „Schatz? Kimberley!“, rief Emilio nachdrücklich. Aus ihren Gedanken geschreckt sah sie ihn fragend an und er lächelte: „An was denkst du denn, dass du nicht hörst, wenn ich dich rufe?“ Zu dem Mann blickend, der sich ihr als Seemann vorgestellt hatte, antwortete sie: „Verzeih, Emilio, aber dein Freund kommt mir so bekannt vor. Darf ich Euch vielleicht nach Eurem Namen fragen?“ Der braunhaarige Mann lächelte: „Was für ein netter Zufall, denn mir geht es genauso. Mein Name ist Patrick Son.“ „Und Ihr sagtet, Ihr seid Seemann? Wie heißt denn das Schiff auf dem Ihr angeheuert seid?“ Belustigt lachte er auf und meinte: „Auf einen einfachen Matrosen wurde ich auch noch nicht heruntergeschätzt. Ich bin Kapitän der Miloké. Würdet Ihr mir bitte das Wasser reichen?“ Leicht errötend reichte sie ihm den Krug und Emilio lachte: „Der gute Patrick trinkt keinen Alkohol, schon vorher in der Kneipe hat er meine Einladung auf ein Glas Rum ausgeschlagen und wollte nur Wasser. Selbst hier sieht er unseren guten Wein nicht einmal an. Da haben wir einen solch edlen Tropfen aus Europa importiert und unser Gast weiß das einfach nicht zu würdigen.“ Sich das Wasser einschenkend sah er mit seinen braunen Augen für den Bruchteil einer Sekunde abschätzig zu ihrem Mann, sagte dann aber mit sanfter Stimme: „Oh, ich weiß euren Wein sehr wohl zu schätzen, aber ich machte die Erfahrung, dass Alkohol die Zunge beflügelt und das würde deine Frau gewiss abschrecken und sie dazu bringen, mich zu verachten, was ich sehr bedauern würde, da deine Gattin eine wahre Augenweide ist.“ Auf die Speisen blickend erwiderte Kim: „Sie schmeicheln mir, Mister Son.“ „Verdammt noch mal, Kim, er hat aber auch Recht! Zum Teufel mit Moral und Anstand, ich will dich küssen und das tue ich jetzt auch!“ Sogleich sprang Emilio auf, kam zu ihr und küsste sie leidenschaftlich. Einen Moment des Schreckens ließ sie es über sich ergehen, dann schob sie ihn von sich und sagte ärgerlich: „Mein Gott, Emilio, beherrsche dich, wir haben einen Gast und du bist so betrunken, dass ich schon nach einem Kuss das Gefühl habe ebenso besoffen zu sein wie du!“ Beleidigt entgegnete er: „Was ist denn heute Abend mit dir los?“ Zornig fuhr sie von ihrem Stuhl auf und brüllte: „Was los ist? Heute vor einem Jahr haben wir den heiligen Bund der Ehe geschlossen und du Gefühlskrüppel gehst mit einem Freund in die Kneipe und besäufst dich, aber damit nicht genug, hier fällst du auch noch beim Essen über mich her! Glaube mir, ehe du nicht wieder nüchtern bist, lasse ich dich keines Falls an mich ran. Mister Son, entschuldigt bitte mein Verhalten diesen Abend, aber mich widert das Verhalten meines ach so geliebten Gatten an. Ich glaube, es dauert nicht mehr lange, dann bringt er die Huren, mit denen er sich ohnehin schon vergnügt, auch mit nach Hause. Ihr seid gewiss ein guter Mann, Eurer Frau stets treu, das sehe ich in Euren Augen.“ Dieser winkte jedoch ab: „Ich danke Euch für das Kompliment, aber ich bin nicht verheiratet.“ Sich wieder setzend lächelte sie freundlich: „Als wahrer Seemann ist man auch nur mit dem Meer selbst und als Kapitän noch mit seinem Schiff verheiratet.“ „Da tun sie mir Unrecht, Ich wäre gerne verheiratet und hätte ebenso gerne eine Rasselbande, die ich mein Eigen nennen könnte. Dafür müsste ich jedoch erst die geeignete Frau finden.“ „Und wie müsste die sein?“ „Nun, als Erstes natürlich bildschön, dann sollte sie Charakterstärke haben und lieb sein, außerdem mag ich gebildete Frauen, sie sollte etwas von der Welt wissen und auch verstehen…“ Schallend lachend unterbrach ihn Emilio: „Nun hör schon auf, meiner Frau zu schmeicheln, Patrick, sonst wird sie noch arrogant, außerdem hat sie schon einen Gatten, und zwar mich.“ Zwar hatte er gelacht, aber doch konnte sie in seinen Augen lesen, dass er dies vollkommen ernst gemeint hatte. Kim glaubte, dass Patrick das gesehen hatte, doch er entgegnete grinsend: „Dann sei froh, dass ich kein Pirat bin, sonst würde ich sie ganz bestimmt mit mir nehmen.“ Jetzt begannen beide lautstark zu lachen und durch den Scherz war die Stimmung wieder entspannter. Als sie später am Abend noch allein mit ihrem Mann im Salon stand, beide ein Glas Rotwein in der Hand, fragte sie: „Woher kennst du den Mann eigentlich?“ Sich auf das Sofa setzend und sich zurücklehnend antwortete Emilio: „Patrick? Er kam gestern bei einer meiner Plantagen vorbei und hat nach dem Besitzer gefragt.“ „Und was wollte er von dir?“ „Er wollte, dass ich ihm die Stadt zeige. Das habe ich getan, vorhin, bevor ich nach Hause kam. Und in die Kneipe wollte er auch unbedingt, auch als ich sagte, heute sei mein Hochzeitstag und du erwartetest mich früh zurück.“ „Lüg mich nicht an!“ „Aber es war wirklich so, er kam gestern einfach so vorbei…“ „Das meine ich doch gar nicht, sondern dass du nicht in die Kneipe wolltest. Denkst du, ich merke nicht, dass du in letzter Zeit immer öfter betrunken und nach Frauenparfüm riechend nach Hause kommst? Ich mache mir Sorgen um dich, Emilio.“ Er zog sie zu sich herunter, legte seinen Arm um ihre Schultern. Kim lehnte ihren Kopf an ihn und seufzte. Leise sagte er: „Du brauchst dir doch keine Sorgen zu machen, nur weil ich jetzt einmal öfter in der Woche in die Kneipe gehe als früher.“ Sie sagte nichts darauf, sondern schloss ihre Augen und genoss es, wie er ihr sanft über den Arm streichelte. An diesem Abend dachte sie noch sehr lange über diesen Patrick nach. Woher kannte sie ihn nur? Sie war sich gewahr, dass sie ihn schon einmal gesehen hatte, nur wo? Sie fühlte sich ihm verbunden, hatte das Gefühl, ihm vertrauen, ihm alles anvertrauen zu können. Sie würde ihn gerne noch einmal sehen, allein, ohne Emilio. Aber sie wusste genau, dass das nicht ging. Wie würde die Nachbarschaft über sie denken, wenn sie sich, ohne ihren Gatten, mit einem anderen Mann träfe? Und was würde Emilio sagen, wenn er davon erführe und er würde es erfahren. Er würde wahrscheinlich ausrasten. Toben, zürnen, wüten und seinen Frust im Alkohol ertränken und an ihr auslassen. Nein, das konnte und wollte sie ihm nicht antun. Mit diesen Gedanken fiel sie in den Schlaf. Da war ein Raum. Er erinnerte stark an eine Kapitänskajüte auf einem Schiff. Und in der Mitte standen vier Männer, der Eine war Patrick, der Zweite, zu seiner Linken, er erinnerte sie sehr stark an Laffite, der Dritte, zu seiner Rechten, hatte gewisse Ähnlichkeit zu Terry und den Vierten, ihm gegenüber, den kannte sie nicht. Ebendieser fragte mit einer sehr basslastigen Stimme: „Was hast du jetzt über die Stadt in Erfahrung bringen können, Captain?“ Mit arg gedämpfter Stimme antwortete der Gefragte, Patrick: „Ich würde noch mindestens zwei Tage warten, bis wir die Stadt plündern, Philipe, ich würde gerne noch etwas über die Frau von diesem Tabakplantagenbesitzer in Erfahrung bringen, sie erinnert mich an eine alte Freundin, die ich seit langer Zeit tot glaubte und sie heißt noch genauso, nur, dass sie offensichtlich geheiratet hat. Morgen Abend werde ich sie noch einmal besuchen gehen.“ Der Mann zu seiner Linken grinste: „Soso, sie erinnert dich also an wen? Gib doch zu, wenn du sie dir einfach nehmen willst, wir wissen doch, dass jede Frau deinem Charme erlegen ist. Aber was willst du mit ihrem Mann anstellen, während du sie mit deiner ‚bloßen Anwesenheit’ beglückst?“ Zurückgrinsend antwortete er: „Um den mache ich mir keine Sorgen, du musst wissen, Terry, heute vor einem Jahr sind sie auf den Tag genau verheiratet worden und er war mit mir in der Kneipe, ohne ein Wort über sie zu verlieren, ich denke, er ist ein rechter Säufer. Sie würde froh sein von dem ewig gleich bleibendem Eheleben mal davonzukommen, aber solche Absichten hege ich ihr gegenüber gar nicht, ich will nur Gewissheit, ob ihr Mädchenname nun ‚von Merrylson’ ist oder ob es Wunschdenken ist.“ Terry und der Mann zu Patricks Rechten stockten. Schließlich fragte der Kerl, der Laffite so ähnlich sah, mit leicht französischem Akzent: „Kim? Jon, du meinst Kim? Ich dachte, sie wäre damals bei unserem Schiffsbruch ums Leben gekommen?“ Jon! Das konnte nicht sein! Die ganzen fünf Jahre lang hatte sie gedacht, er sei tot, genauso wie Terry und Laffite. Ob wohl noch mehr Mitglieder der alten Crew überlebt hatten? Sie hatte immer in dem Glauben gelebt, dass sie die einzig Überlebende gewesen war. Im ersten Moment konnte sie ihr Glück nicht fassen, doch dann schämte sie sich fürchterlich. Wie bequem hatte sie die letzten Jahre gelebt? Sie war verheiratet, hatte viel Geld. Und sie hatte ihr Leben als Piratin schon fast vergessen; oder verdrängt. „Und wann willst du sie besuchen? Du musst bedenken, dass sie, als Frau eines Tabakplantagenbesitzers, wahrscheinlich eine breite Dienerschaft hat und so Waschweiber beginnen schnell zu tratschen, außerdem, stell dir vor, diese Kim wäre gar nicht unsere, wie willst du sie fragen, ohne uns zu verraten?“, fragte Terry und Jon antwortete mit gerunzelter Stirn: „Ich denke, ich werde so gegen elf Uhr nachts hingehen. Vielleicht war es heute nur eine Ausnahme, aber sie hat die Bediensteten früh zu Bett geschickt und ich glaube, dass sie das immer tut. Um die Nachbarschaft mache ich mir auch keine Sorgen, die Hecken um die Häuser herum schirmen alles ab. Und was Kim angeht, ich bin mir nun sicher, dass sie es ist. Von ihrem Temperament und ihrem Feuer hat sie nichts verloren, auch nach einem Jahr im Hafen der Ehe.“ Und wieder schämte sie sich. Jon hatte sie sofort erkannt und sie hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass ihr vermeintlicher Patrick auch nur im Geringsten etwas mit ihm gemein hatte. Naiv wie eh und je fragte Laffite: „Glaubst du, sie wird uns helfen oder gar begleiten?“ Terry aber lachte prompt: „Laffite, mein Bester, sie ist verheiratet und wieder eine Dame der Gesellschaft, sie wird den Teufel tun, einfach ihr Heim und ihre Familie zu verlassen und mit uns zu kommen. Vergiss nicht, Laffite und auch du, Jon, Kim ist jetzt eine Frau, Frauen brauchen einen festen Wohnsitz.“ „Aber früher…“, begann Laffite, doch Terry unterbrach ihn barsch: „Früher, früher! Jetzt ist jetzt. Und jetzt ist sie kein Mädchen mehr. Deshalb finde ich es auch nicht gut, wenn Jon morgen noch einmal zu ihr ginge, wer weiß? Vielleicht rennt sie gleich zu ihrem Mann und erzählt ihm, dass Piraten im Hafen liegen; ich bin dagegen, dass du gehst, Jon.“ Einen Moment lang überlegte Jon, dann meinte er nachdenklich: „Ich werde trotzdem gehen. Ich habe es im Gefühl, dass sie mit und nicht gegen uns arbeiten wird. Mitkommen wird sie nicht, da stimme ich mit Terry überein, aber verraten wird sie uns genauso wenig und zu viel werde ich ihr auch nicht erzählen, seid euch dessen gewiss.“ Philipe schien genervt von dem Thema und fragte: „Wird es sich denn überhaupt lohnen, die Stadt zu plündern?“ Lachend entgegnete Jon: „Ob es sich lohnen wird, fragst du? Lass mich dir sagen, dass die Menschen hier mehr Geld haben, als sie überhaupt ausgeben können.“ Bei diesen Worten streckte sich Terry und gähnte: „Na toll, dann leben hier wohl auch nur Edelhuren und ich hab nicht mehr so viel Geld. Du hast doch immer was, Jon, willst du mir nicht etwas borgen?“ Kopfschüttelnd entgegnete Jon: „Selbst wenn ich nicht wüsste, dass ich das Geld niemals wieder zu Gesicht bekäme, würde ich dir für so was nichts geben.“ „Och, warum denn nicht, Captain?“, nörgelte Laffite. „Was sollen wir denn die ganze Zeit machen? Sie aus der Ferne anstarren, während wir uns kaum noch unter Kontrolle haben? Gib uns doch etwas Geld, es braucht auch keiner zu erfahren…“ Bestimmt schüttelte Jon den Kopf und sagte: „Nein und ich sage es nicht noch einmal. Jetzt geht schlafen und lasst mich in Ruhe, ich muss nachdenken.“ Sich von ihm abwendend äffte Philipe ihn nach: „Ich muss nachdenken. Du solltest dir nicht von denen auf der Nase herumtanzen lassen, Captain, egal wie lange du sie schon kennst, andernfalls…“ Er war aus der Tür gegangen und hatte diese geräuschvoll zuknallen lassen. Von diesem Geräusch wachte Kim auf. Das war kein gewöhnlicher Traum gewesen, sie hatte es sofort gespürt. Vorsichtig befreite sie sich aus der Umklammerung Emilios, setzte sich auf, schlüpfte in ihre Hausschuhe, die vor ihrem Bett bereitstanden, und ging zu dem Sessel, über dem ihr Morgenmantel hing. Diesen zog sie sich über und schlich aus dem kühlen Schlafzimmer. Eigentlich hätte sie gar nicht so still sein müssen, denn Emilio schnarchte so laut, dass sie ihn sogar noch durch die geschlossene Türe hören konnte. Dennoch war sie penibel darauf bedacht, bloß kein Geräusch zu machen, denn möglicherweise könnte Paolo oder sonst jemand ihres Dienerstabs aufwachen und dann peinliche Fragen stellen. So schlich sie sich in die Küche, wo sie sich einen Kelch aus dem Hängeschrank holte und ihn mit Wasser aus einem Krug füllte. Damit ging sie in den Salon und sah erst eine Weile aus dem Fenster in den Garten, dann setzte sie sich vor den Flügel, den seit Monaten niemand mehr gespielt hatte. Vorsichtig fixierte sie das Piano Pedal, legte die Tasten frei und drückte bedacht auf eine der Tasten. Es klang noch schön, obwohl der Flügel schon vor geraumer Zeit wieder hätte gestimmt werden sollen. Aber was hätte es gebracht? Emilio hatte früher einmal Klavier gespielt, doch mit ihrer Hochzeit hatte er es fallen lassen. Abwesend spielte sie die Tonleiter. Erst über eine, dann über zwei und drei Oktaven. Erst einhändig, dann beidhändig. Erst Synchron, dann individuell. Sie konnte es noch verhältnismäßig gut, dafür, dass sie nicht mehr gespielt hatte, seit Jon sie damals, drei Wochen vor ihrem 14. Geburtstag, entführt hatte. Nun spielte sie einige Akkorde und getraute sich sogar eine kleine, leichte aber eindringliche Melodie. Sie war so darin vertrieft, dass sie gar nicht bemerkte, wie Emilio ins Zimmer kam und sich neben sie setzte. Leise, um sie nicht zu erschrecken fragte er: „Seit wann kannst du denn Klavier spielen?“ Abrupt legte sie ihre Hände in den Schoß und krallte die Finger in ihren Morgenmantel, dann antwortete sie vorsichtig: „Ich weiß nicht, irgendwie ist es über mich gekommen. Vielleicht konnte ich es früher einmal und es hat sich in mir festgesetzt.“ „Früher? Meinst du, vor deiner Amnesie?“ „Ja. Verzeih mir.“ Sie sah schuldbewusst zur Seite. Sie hatte ihn von ihrer ersten Begegnung an angelogen. Sie hatte ihm nicht erzählen können, dass sie einmal Piratin gewesen war, deshalb hatte Salome ihr eingeschärft, dass sie jedem, der nach ihrer Vergangenheit fragte, erzählen solle, dass sie ihr Gedächtnis verloren habe. Emilio jedoch lächelte sanft: „Für deine Amnesie kannst du doch nichts. Ich bin nur froh, dass Salome dich fand und dich mir vorgestellt hat, sonst säßen wir jetzt gewiss nicht hier.“ „Da hast du wohl Recht.“ Auch er ließ seine Finger über die Tasten gleiten, nur dass es sich bei ihm weit besser anhörte. Sie kannte die Melodie, sie glaubte, sie war von Beethoven. Wie gebannt starrte sie auf seine Finger, die so anmutig und elegant über die Tasten flogen, da fragte er leise: „Sag, Kim, Liebling, hast du schon einmal über Kinder nachgedacht?“ Verwirrt sah sie zu ihm auf und fragte: „Über Kinder? Die aus der Nachbarschaft?“ Milde lächelnd schüttelte er den Kopf, den Blick auf den Tasten ruhend, und antwortete: „Nein. Ich meinte eigene. Die von dir und mir. Ich hätte gerne eins. Du nicht?“ Ihr kam es vor, als würde ihr Herz gleich stehen bleiben. Kinder! Er wollte Kinder! Das war das Letzte, was sie mit 23 wollte. Was sollte sie denn jetzt darauf sagen? Dass sie sich noch nicht bereit fühle? Er würde sagen, er sei bereit genug für sie beide. Dass sie keine Lust habe sich um irgendwelche Bälger zu kümmern? Er würde sagen, sie würden sich eine Kinderfrau anschaffen und er sei doch auch noch da. Dass sie noch ihr ganzes Leben vor sich hatte? Er würde sagen, dass sie eines Tages aufwachen würde und alt wäre und dann froh sei, Kinder zu haben, die sich um sie kümmerten. Aber sie wollte es versuchen, also sagte sie zögerlich: „Ich weiß nicht, irgendwie… fühle ich mich dafür noch nicht bereit, schließlich bin ich erst 23.“ Er stoppte sein Klavierspiel und lachte: „Das ist doch völlig belanglos, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du für alles bereit bist. Und sollte es wirklich so sein, wäre ich bereit genug für uns beide.“ „Aber, ich will noch nicht den ganzen Tag hinter einem oder mehreren Bälgern hinterher rennen!“ „Mach dir darum mal keine Sorgen. Ich bin doch auch noch da, ich werde auch mit ihnen spielen, die Windeln wechseln und ich werde so oder so eine Kinderfrau einstellen, dann hast du so gut wie keine Arbeit.“ „Aber in meinem Alter hat man noch sein ganzes Leben vor sich…“ „Blödsinn, du hast du Blüte deiner Jahre erreicht, du solltest Kinder gebären, ehe du verwelkst. Außerdem, wenn du eines Tages dann aufwachst und feststellst, dass du alt bist, dann wirst du froh sein, wenn deine Kinder da sind um für dich zu sorgen.“ Sie hatte es gewusst, damit hatte er ihre Argumente entkräftet. Langsam näherte er sich ihr und kurz bevor sich ihre Lippen berührten, flüsterte er: „Na los, lass uns ein Kind zeugen, hier und jetzt. Es spricht nichts dagegen.“ Damit küsste er sie, doch sie wich zurück, bis sie vom Klavierhocker aufstand und sich an eine Wand drückend und sich auf die Lippen beißend, wimmerte: „Nein, bitte. Ich will noch kein Kind. Bitte zwing mich nicht, unserer Liebe wegen. Wenn du mir jetzt ein Kind machst, werde ich dich auf ewig hassen!“ Er jedoch kam zu ihr, hielt ihre Hände über ihrem Kopf an die Wand gedrückt und flüsterte: „Du wirst mich höchstens neun Monate hassen, denn wenn unser Kind dir dann das erste Mal in die Augen sieht, wirst du allen Ärger und allen Gram darüber vergessen und mich für das lieben, was ich nun tue.“ Damit zog er ihre Hände zusammen und umfasste ihre Handgelenke mit einer Hand. Mit der anderen öffnete er die Schlaufe ihres Morgenmantels und begann ihr Hemd aufzuknöpfen. Nun reichte es Kim. Den Tränen nahe zog sie ihre Knie nach oben und als er sich nahezu vor Pein krümmte und seinen Griff lockerte, da riss sie sich los, stieß ihn von sich und flüchtete aus der Tür in die Eingangshalle und rannte aus der großen Einganstür. Ungeschickt band sie wieder ihren Morgenmantel und lief, barfüßig, da die Hausschuhe sie zu stark behindert hätten, durch die dunklen Straßen der Stadt. Es regnete und bald waren ihr Mantel und ihre Beine vom Schlamm der Straße bespritzt. Sie traute sich nicht, sich umzuschauen, aus Angst, Emilio könne ihr folgen. Sie lief zum Hafen. Wie hatte Jon gesagt, hieß sein Schiff? Miloké, aber wie sah es aus? Als sie da, in einer engen Seitenstraße stand und auf die Schiffe starrte, hätte sie alles dafür gegeben, wenn Jon noch die Vengeance besäße. Aber diese lag in tausend Teile zerschellt auf dem Grunde des Meeres. Kim wusste, dass hier regelmäßig Soldaten des Königs patrouillierten, also musste sie sehr vorsichtig sein, da diese sie wahrscheinlich für eine Bettlerin hielten und sie somit in den Kerker sperren würden. Vorsichtig lugte sie mit ihrem Kopf aus der Seitenstraße. Sie schaute nach links und rechts, doch konnte sie nur das dumpfe Licht der gewöhnlichen Straßenlaternen sehen, nicht das einer Laterne eines Soldaten. Auf Zehenspitzen huschte sie zu dem Steg, der ihr am nächsten war. Sie hatte eine Heidenangst, da der Boden auf dem sie ging, nass und schlammig war und bei jedem Schritt den sie tat geräuschvoll schmatzte. Sie lief auf dem dunklen Steg vor und zurück und suchte nach der Miloké. Was hätte sie jetzt für eine Laterne getan, aber es musste so gehen. Leider war auf dem ersten Steg keine Spur des Schiffes. Vielleicht auf dem Steg etwas weiter links. So lief sie los, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich vernahm, die herrisch rief: „Heda, wer seid Ihr? Bleibt stehen, wendet Euch uns zu und weist Euch aus!“ Für einen Moment blieb sie wie angewurzelt stehen und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Jetzt hatte sie doch tatsächlich die Soldaten vergessen. Sie hörte, wie Schritte sich näherten, sie konnte zwei Paar Beine hören. Ohne groß nachzudenken, sprintete sie los und rannte auf das erstbeste Schiff, das sie fand. Dort klopfte sie an die Kapitänskajüte, bis ihr einlass gewährt wurde. Sie sah den Mann nicht an, sondern stürmte in den Raum, sah sich einen Augenblick um und kauerte sich dann hinter den Schreibtisch, betend, dass sie der Kapitän dieses Schiffes nicht verraten möge. Im nächsten Moment konnte sie wieder Klopfen vernehmen und dieselbe Stimme, die sie vorhin ermahnt hatte, rief: „Öffnet! Im Namen des Königs, öffnet diese verdammte Tür!“ Nun hörte sie, wie die Tür geöffnet wurde und die Soldaten eintraten und der eine ruppig fragte: „Ist hier vielleicht eine junge Frau? Sie trägt einen Morgenmantel und hat schwarzes, nasses Haar, das ihr offen über den Rücken hängt.“ Eine ihr sehr vertraute Stimme antwortete in beiläufigem Ton: „Nicht, dass ich wüsste, oder seht Ihr hier wen außer Euch und mich?“ Nun knurrte eine andere Stimme: „Und warum ist es hier so schmutzig?“ „Ich war vorhin noch draußen, mir ein wenig die Beine vertreten, schaut, meine Stiefel sind genauso schmutzig wie der Boden hier.“ „Ja, wir sehen, wie schmutzig Eure Stiefel sind und wir sehen auch die Spuren, die sie hinterlassen haben, aber diese sind trocken und groß. Wie erklärt Ihr denn die frischen Spuren? Klein, zierlich, mit Gewissheit die einer Frau. Wie heißt Ihr überhaupt?“ „Mein Name ist Patrick Son.“ „Son? Sie sehen gar nicht aus wie ein Schlitzauge.“ „Nein, mein Name kommt nicht aus Asien, er hat eine ganz bestimmte Bedeutung.“ Was sollte denn jetzt diese Konversation? Aber in dem Moment ging ihr auf, dass das ihre Chance war. Während die Drei noch ein bisschen über ihre Namen sprachen, zog sie rasch ihren Morgenmantel aus, trocknete damit, so gut es ging, ihre Haare und wischte ihre Füße ab, dann kroch sie, alle Sinne darauf bedacht nicht entdeckt zu werden, zu seinem Bett, zog seine Decke herunter, mummte sich darin ein und ging so, übertrieben stark mit den Hüften wiegend, auf Jon zu, umarmte ihn von hinten, streichelte sanft über seine Brust und sagte, an die Soldaten gewandt: „Meine Herren, ich hoffe, Euch ist bewusst, dass Ihr uns gerade gestört habt. Ihr seht doch, dass hier keine andere Frau außer mir ist und der gute Mister Son bezeugt Euch gewiss gerne, dass ich nicht erst gerade eben gekommen bin.“ Bei ihrem Anblick mussten die beiden Soldaten schlucken und erröteten leicht. Jon nickte nur mit dem Kopf und drehte ihn dann nach hinten, um einen Kuss von ihr zu empfangen. „Aha. Nun, vielleicht haben wir uns auch geirrt. Verzeiht die Störung. Wir empfehlen uns.“ Damit drehten sie sich um und gingen durch die Tür in den Regen. Im nächsten Moment wandte Jon sich ihr zu und sah stirnrunzelnd zu ihr herab. Dann fragte er: „Was verschafft mir denn so spät noch die Ehre eines Besuchs von Euch? Noch dazu so leicht bekleidet und von zwei Soldaten des Königs verfolgt?“ Kim jedoch konnte sich nicht mehr zurück halten, sondern fiel ihm schluchzend um den Hals. Verdutzt legte er die Arme um sie, streichelte ihr über den Rücken und fragte: „Was ist denn los? Ist etwas passiert?“ „Halt die Klappe, Jon! Sei einfach nur still!“ Mit großen Augen schob er sie von sich und musterte sie ungläubig. Sie aber lachte, mit Tränen in den Augen: „Ja, ich weiß, dass du es bist und mein Mädchenname, den ich jetzt liebend gerne wieder hätte, ist von Merrylson. Oh, Jon, wie kann ich dir helfen? Ich mache alles, du musst nur sagen, was.“ Er sagte nichts, sondern packte sie an der Hüfte, zog sie an sich und wirbelte sie lachend herum. Als sie das Gefühl hatte, sich gleich übergeben zu müssen, setzte Jon sie ab und sie musste sich an ihm festkrallen, um nicht umzufallen. Er umarmte sie noch einmal und fragte dann, ihr strahlend in die Augen schauend: „Aber woher wusstest du…?“ „Ein Traum“, grinste sie. Sogleich wurde sie aber wieder ernst und fragte: „Aber woher wusstest du, dass ich es bin?“ Gespielt beleidigt stemmte er die Hände in die Hüfte und sagte: „Woher ich es wusste? Ich habe es gesehen und gespürt. Und du hast es nicht sofort erkannt? Du enttäuschst mich.“ Just in diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und einige Männer drängten sich in den Raum, während der Erste rief: „Captain, was hatte das zu bedeuten, dass hier zwei Soldaten…“ Er beendete den Satz nicht ganz, sondern starrte, wie alle anderen, auf Kim, die da nur in einem weißen, engen Hemd und sehr knappen Pants in Jons Armen stand. Das Hemd war vom Regen vollkommen durchnässt und dadurch recht durchscheinend geworden. Ihr wurde das aber erst jetzt bewusst, als all diese Männer sie anstarrten. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und versteckt sich so gut es ging hinter Jon, dem es anscheinend auch nicht aufgefallen war. „Captain, wer…“ Wieder konnte der Kerl den Satz nicht zu Ende bringen, denn diesmal brachen drei Männer aus der Menge und riefen im Kollektiv: „Kim!“ Ihr Gesicht strahlte auf, denn diese drei Männer waren Laffite, Garret und Terry. Freudig breitete sie die Arme aus und ließ sich umarmen. Doch Jon zog sie von den Dreien weg, um ihr eins seiner Hemden überzuziehen. Nun meldete sich Philipe zu Wort, der sich ebenfalls nach vorne gedrängelt hatte: „Das ist also die Frau von der du gesprochen hast, Captain? Wieso ist sie hier? Und warum wurde sie von Soldaten verfolgt?“ Jon legte einen Arm um ihre Schultern, sah sie freundlich an und meinte: „Nun, so genau weiß ich das auch noch nicht, aber ich denke, Kim wird es mir sicher noch erzählen, nicht wahr?“ Sie sah ihn mit großen Augen an und blieb stumm. Schließlich fragte er stirnrunzelnd: „Was ist denn los?“ Verlegen murmelte sie: „Nicht vor all diesen Fremden.“ Jons Mimik wurde finster. Wenn sie es ihm nicht sofort erzählen wollte, musste etwas Bedeutsames vorgefallen sein. Er gebot den Piraten Ruhe, indem er einen Arm hob und sagte dann, so laut, dass alle ihn verstehen konnten: „So leid es mir tut, ich muss euch mit der Antwort und der Bekanntschaft dieser reizenden Dame auf frühestens morgen vertrösten. Also raus jetzt und Zapfenstreich!“ Zwar murrten die Piraten, aber sie taten, was ihr Captain ihnen befahl. Auch Terry, Garret und Laffite zogen sich zurück, aber nicht bevor sie Kim noch einmal umarmt hatten. Bevor jedoch der Letzte die Türe hinter sich schließen konnte, brüllte Jon noch: „Und wenn ich einen dabei erwische, wie er lauscht, egal wen, den wird das teuer zu stehen kommen!“ Damit schloss sich die Tür und Jon wandte sich an Kim, die sich auf sein Bett gesetzt und die Beine eng an ihren Körper gezogen hatte. Schließlich fragte er, sich zu ihr nieder kniend und in ihre Augen schauend: „Was ist passiert, dass du mitten in der Nacht mit einem Hauch von nichts bekleidet hier reinplatzt und von Soldaten verfolgt wirst?“ Sie wich seinem Blick aus und murmelte: „Emilio.“ Sich mit der Hand durch die Haare fahrend, sagte er: „Du hast echt Pech mit deinen Männern… Was hat er denn angestellt? Hat er dich beschimpft oder geohrfeigt?“ Noch leiser als zuvor entgegnete sie: „Er wollte mich vergewaltigen um ein Kind zu bekommen. Aber ich will noch keine Kinder. So sehr ich ihn auch liebe, mit 23 will ich kein Kind.“ Jon riss die Augen auf, blinzelte ein paar mal, als hätte er sich nur eingebildet, was sie da gesagt hatte und schüttelte dann ungläubig den Kopf, um zu fragen: „Er hat dich vergewaltigt?“ „Nein, er wollte es.“ Jons Gesichtsausdruck wurde kühl und reglos. „Und wie hast du es geschafft, dich zu wehren?“ „Ich trat ihn.“ Sein Gesichtsausdruck wandelte sich nicht, er blieb kalt und starr. Eine Weile lang herrschte die Stille, doch dann fragte Jon: „Und dann bist du weggelaufen?“ „Und dann bin ich weggelaufen“, wiederholte sie. „Aber was war mit den Soldaten? Was wollten die von dir?“ „Nun, ich wollte zu deinem Schiff und war nicht umsichtig genug. Ich hatte auf einem Steg geschaut und die Miloké nicht gefunden und als ich auf den zweiten wollte, haben sie mich gesehen. Nur von hinten, aber ich denke, sie dachten, ich sei eine Herumtreiberin, da sie mich nach dem Ausweis fragten. Aber stell dir vor, welch einen Skandal es gegeben hätte, wenn die Frau des inoffiziell mächtigsten Mannes der Stadt von zwei Soldaten am Hafen, in einem Morgenmantel, verhaftet worden wäre. Man hätte mich ausgelacht, hinter meinem Rücken über mich geredet und meinen Mann hätte es genauso getroffen. Also bin ich losgerannt und auf dein Schiff, obwohl ich es nicht wusste. Den Rest kennst du ja.“ Er nickte langsam und legte seine Hand auf ihr Knie. Bei dieser Berührung zuckte sie unwillkürlich zusammen und musste noch einmal an den irren Gesichtsausdruck denken, den sie zuletzt auf Emilios Gesicht gesehen hatte. Benommen schüttelte sie den Kopf und ließ ihren Oberkörper nach hinten kippen, wo er sanft auf dem Bett landete. Sie schloss die Augen, öffnete sie aber gleich wieder, da sie das Gefühl hatte, ein anderer, männlicher, Körper würde auf ihrem liegen und es schüttelte sie. Jon stand noch immer vor ihr, sah allerdings aus, als wäre er mit seinen Gedanken ganz wo anders. Sie hätte viel dafür gegeben, zu erfahren, um was seine Gedanken gerade streiften, doch konnte es ihr niemand sagen, außer ihm und ihn wollte sie nicht fragen. Nun begann er im Raum auf und ab zu gehen. Irgendwann, die Sonne ging schon auf, setzte er sich neben sie und fragte, ihre Hand ergreifend: „Sag, Kim, wie hast du es denn geschafft zu überleben und dich so einfach in die Gesellschaft zu integrieren?“ Erstaunt entgegnete sie: „Salome hat mich am Strand gefunden. Sie hat mich mitgenommen, meine Wunden versorgt und ihre Arbeit getan.“ „Salome?“ „Die Heiratsvermittlerin… eine alte Freundin Charles.“ „Ach ja, Salome Kormartar. Sie lebt nicht hier, richtig?“ „Nein, sie ist vor zwei Jahren, kurz nach meiner Verlobung aufgebrochen, sich neue Opfer zu suchen.“ Jon lachte kurz und trocken auf und fragte schließlich, ihrem Blick ausweichend: „Und Charles?“ Sie lächelte traurig und sagte, die Gänsehaut, die sie bekam, ignorierend: „Ich rettete seinen Arm, aber wo der Rest von ihm ist, wissen wohl nur die Nixen, Fische und Gott selbst.“ Wieder schwiegen sie beide und diesmal war es Kim, die die Stille durchbrach. Sie fragte: „Hast du vielleicht auch noch eine Hose für mich? Denn so kann ich bei Tageslicht unmöglich durch die Stadt laufen.“ Er nickte langsam und ging dann zu einer Truhe, die am Ende seines Bettes stand, um daraus eine Hose zu nehmen, die ihm wahrscheinlich drei Viertel seines Beines bedeckte, ihr aber schon fast zu lang war. Noch einmal umarmte sie ihn, flüsterte ihm zu: „Bis heute Abend.“ Und ging aus der Kajüte. Dort konnte sie schon Terry, Garret und Laffite sehen, die vor der Gangway saßen, beziehungsweise lagen und laut schnarchten. Wahrscheinlich hatten sie sie abfangen wollen, waren aber doch eingeschlafen. Da sie nur noch nach Hause und selbst schlafen wollte, schlich sie sich an ihnen vorbei und stahl sich durch die Stadt, bis zu ihrem Anwesen. Doch wie sollte sie hineingelangen? Einen Schlüssel hatte sie nicht bei sich und ihre Dienerschaft wollte sie auch nicht in Aufruhr versetzen. So schlich sie sich um das Haus und suchte nach einem offenen Fenster im Erdgeschoss, welches sie auch fand. Es war eines der Fenster zum Salon, durch das sie sich, mit Erfolg, zwängte. Doch gerade wollte sie aufatmend durch den Raum gehen, da fragte Emilio, der auf dem Ohrensessel, mit rotem Samt bezogen, saß, ein Glas Wein in der Hand: „Wo kommst du her, dass du Hosen trägst?“ Wie erstarrt blieb sie stehen und starrte ihn an, als sei er der Leibhaftige. Schließlich fragte er noch einmal, sich nach vorne lehnend: „Wo warst du die halbe Nacht?“ Unsicher, ein Stück zurückweichend entgegnete sie: „Ich war bei einer Freundin?“ „Bei welcher denn?“ „Regina. Bitte verzeih, dass ich dich trat und dann weglief, Liebling, aber…“ Er wandte sein Gesicht von ihr ab und gebot ihr mit der Hand zu schweigen. Dann stand er auf, kam langsam auf sie zu, seinen Wein hatte er auf dem Parkett abgestellt, nahm ihre Hand mit der seinen und strich sanft ihre Haare mit der anderen hinter ihr Ohr. Kim rührte sich nicht, traute sich nicht einmal mehr zu atmen, da tat er einen Schritt zurück, berührte sie in keinster Weise mehr und sagte leise: „Bitte nicht um Verzeihung, es war meine Schuld. Ich habe dich bedrängt und dir solche Angst eingeflößt, dass du zusammenzuckst, wenn ich dich ansehe, zitterst, wenn ich mit dir spreche und nicht atmest, wenn ich dich berühre. Ich muss dir nichts verzeihen, aber du mir. Nun könnte ich nach Ausreden suchen, sagen, es war der Rest-Alkohol in meinem Blut, der Wahn, den ein Traum in mir weckte, aber all das wäre gelogen und mein Verhalten entschuldigt nichts, also kann ich nur auf deine Gnade hoffen.“ Warum? Warum zum Teufel war er so freundlich? Sie hatte schon fast wirklich vorgehabt, mit den Piraten mitzukommen, und jetzt war er wieder so lieb. Einerseits hätte sie ihn dafür schlagen, treten können, andererseits hätte sie ihn dafür küssen können. Sie war noch hin und her gerissen, zwischen diesen beiden Möglichkeiten, da wandte er sich mit hängendem Kopf ab und sie fasste ihren Entschluss. Emilio wollte gerade die Tür öffnen, da schlang sie von hinten ihre Arme um ihn und flüsterte seufzend: „Du bist solch ein Narr, Emilio. Dir könnte ich niemals zürnen, dafür sorgst du immer mit deinem lieben Gesicht und deinen sanften Worten. Einen solchen Schelm wie dich, Emilio, kannte ich noch nie. Du stahlst mir in deiner dreisten Art schon bei unserer ersten Begegnung das Herz und rückst es bis jetzt ums Verrecken nicht heraus. Verdammter Teufel, dafür sollte dich einer richtig schelten!“ „Und warum tust du das nicht?“, fragte er mit fester Stimme. „Nun, ich könnte es nicht tun, weil mein Herz nicht dabei wäre. Schließlich wehrst du dich ja mit Händen und Füßen es mir zurück zu geben.“ Daraufhin lachte er und legte seine Hände auf die ihren. Es war schon wieder Abend geworden und Emilio war, so glaubte Kim, schon wieder in der Kneipe. Diese Nacht jedoch sollte es ihr recht sein, denn schließlich wollte Jon sie noch besuchen. Die Glocken im Kirchturm schlugen gerade die volle achte Abendstunde und sie saß allein im Salon, hatte schon gegessen und las ein Buch, da klopfte jemand gegen die Scheibe der Tür, die auf die Terrasse führte. Kim wusste sofort, dass es Jon war, legte so rasch ihr Buch zur Seite und eilte zu der Glastür im weiß lackierten hölzernen Rahmen, ihn einzulassen. Zur Begrüßung deutete er drei Wangenküsse an, zwei links, einer rechts. Dann trat er ein und sah sich um. Er hatte, ohne dass sie es wahrgenommen hatte, ihre Hand ergriffen und zog sie nun sanft mit sich in den Raum. Natürlich bemerkte er das Buch, das verkehrt herum aufgeschlagen auf der linken Seite des Sofas lag und fragte: „Bist du immer noch eine Leserin?“ Daraufhin lachte sie: „Schau dich doch um, Jon, bist du blind, dass du den Wald vor lauter Bäumen nicht siehst?“ Sie deutete mit der Hand auf die Wände, die mit Bücherregalen zugestellt waren und fuhr fort: „Und das sind längst nicht alle.“ Nun lachte auch er und entgegnete schmunzelnd: „Das glaube ich dir gerne, Kim, nun hast du ja Geld und Platz für so viele Bücher, wie du nur willst.“ Sie nickte lachend und er kam näher auf sie zu. So nahe, dass es ihr fast unangenehm war und sie begann den Ring am Ringfinger ihrer rechten Hand zu drehen. Er musterte sie genau, sah ihr tief in die Augen, als suchte er darin zu lesen, was sie dachte. Endlich tat er einen Schritt von ihr weg und fragte mit leiser, ruhiger und bedachter Stimme: „Wie war es heute mit Emilio?“ Sie zögerte kurz, sah dann zu Boden, schlang die Arme um ihren Bauch und antwortete: „Es war gut. Ich erzählte ihm, ich sei bei einer Freundin gewesen und er glaubte mir. Und weißt du, was er dann getan hat?“ Einen Schritt auf sie zu tuend, die Fäuste ballend, fragte er scharf: „Was hat er dann getan?“ Nachsichtig lächelnd sah sie auf, umfasste seine Fäuste und antwortete: „Er hat sich entschuldigt. Er hat förmlich gefleht; gebettelt hat er.“ Seinen Blick abwendend und die Fäuste lösend sagte er: „Er wird es wieder tun, ist dir das klar? Wirst du noch einmal vor ihm flüchten, ihn überhaupt abwehren können?“ Jetzt war sie es, die den Blickkontakt zu ihm suchte und sie lächelte mild: „Mach dir darüber keine Gedanken, ich werde schon einen Ausweg finden.“ Seufzend ließ Jon sich auf das Sofa fallen, hielt ihre Hände aber dennoch fest. Trotzdem ließ er bald ihre Linke los, um ihr den Ehering abzunehmen. Kim ließ ihn gewähren und er sagte abwesend: „Der Ring lässt dich optisch altern.“ Langsam wurde es ihr doch zu bunt und sie forderte mit der geöffneten Handfläche ihren Ring zurück. Kopfschüttelnd gab er ihn ihr und sie setzte sich neben ihn, das Buch das dort lag, auf den kleinen Abstelltisch neben dem Sofa legend. Dann fragte sie leise, sich die braunen Locken hinter die Ohren streichend: „Jetzt erzähl schon, Jon, was hast du in den letzten Jahren gemacht? Wie bist du schon wieder an ein Schiff und eine Crew gekommen?“ „Was ich in den letzten fünf Jahren gemacht habe? Nun, nachdem ich, genau wie du, Terry, Garret und Laffite an den Strand gespült wurde, habe ich mich unter den Leichen umgesehen und Wertvolles mitgenommen, dabei fand ich auch die drei Halunken lebendig vor. Glaub mir, selbst für mich war es schwer durch diese Reihen von Leichen zu gehen und ich war unsäglich glücklich, noch drei andere zu finden, die diese Monsterwelle überlebt hatten. Mit ihnen habe ich mich zu Fuß auf den Weg zur nächsten Stadt begeben und wir brauchten ungefähr eine Woche in der wir hungerten und dursteten wie nie zuvor. Als wir dann endlich in dieser vermaledeiten Stadt angekommen waren, traf ich dann erstmal auf diese verfluchte Bernadette de L’Aube… L’Aubo…, ach egal, du weißt ja, wen ich meine. Und es tut mir weiß Gott um ihre armen Kinder Leid, denn die sind jetzt Vollwaisen. Aber das tut nichts zur Sache. Nachdem ich sie also umgelegt hatte, heuerten wir auf einem Schiff an, dessen Mannschaft uns von Anfang an suspekt vorkam, also genau richtig für unser Vorhaben. Denn mitten auf hoher See führte ich eine Meuterei an und gründete somit meine neue Piraten-Meute.“ „Und hast du jetzt auch einen neuen Jolly Roger?“ „Nein.“, seufzte er. „Dieser Jolly Roger ist meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft. Ich werde mich nie von ihm trennen. Was hätten außerdem die Händler gesagt, wäre ich plötzlich mit einem neuen Roger aufgetaucht, die hätten mich doch nicht wieder erkannt!“ Nun stand Jon auf und ging zu einem ihrer Bücherregale. Die Ruhe selbst zog Jon ein großes, in schwarzes Leder eingebundenes Gedichtband heraus und kam schweigend wieder zu seinem Platz. Kim musterte ihn fragend, als er sich setzte und das Buch eindringlich musterte. Kim wurde etwas nervös und sagte hastig: „Leg das blöde Buch doch weg und sprich etwas mit mir, wir haben uns so lange nicht gesehen.“ Aber er ließ sich nicht abhalten, sondern öffnete es irgendwo im hinteren Teil. Er stutzte. Nun hatte er entdeckt, was Emilio nach einem Jahr nicht gefunden hatte. Sie hatte aus den Seiten Teile ausgeschnitten, sodass sich eine art Mulde ergab, in das sie das Medaillon gelegt hatte, das Jon ihr zu ihrem 14. Geburtstag geschenkt hatte. Kim hatte dieses Buch für das sicherste Versteck gehalten, da Emilio nicht las und wenn er es doch tat, dann gewiss keine Gedichte. Schelmisch grinste Jon ihr zu, nahm das Medaillon aus der Vertiefung, klappte das Buch zu, legte dieses auf den Tisch und meinte dann: „Soso, hast das Amulett also immer noch, gut versteckt vor deinem Gatten, aufbewahrt. Soll mir das nun irgendwas sagen?“ Peinlich berührt riss sie ihm das Schmuckstück aus der Hand und fauchte, es ebenfalls auf den Tisch legend: „Nein, dass ich es habe, hat keine Bewandtnis, es war nur meine einzige Erinnerung an euch.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und Emilio trat ein. Kim starrte ihn an, als sei er ein Einbrecher in seinem eigenen Haus und er seinerseits fixierte Jon mit weit geöffneten Augen. Dann sah er auf das Medaillon und hielt augenscheinlich den Atem an. Schließlich keuchte er: „Piraten!“ Nun sprang Kim auf und fuhr ihren vollkommen perplexen Gatten an: „Wieso bist du denn schon da? Sonst gehst du jeden Abend in die Kneipe und heute kommst du zeitig wieder? Was soll denn das?“ Vor ihr zurückweichend entschuldigte er sich: „Tut mit Leid, Schatz, ich wollte nicht… Moment mal!“, schloss er fester. „Wieso sollte ich mich rechtfertigen zur frühen Abendstunde in mein eigenes Haus zu kommen, außerdem ist es gar nicht mal so früh. Schließlich finde ich dich ja hier mit einem anderen Mann, anscheinend einem Piraten, in meinem Wohnzimmer sitzend.“ Nun erhob sich Jon, streckte Emilio die Hand entgegen und sagte: „Gute Abend Emilio, auf dich habe ich gewartet, bitte versteh das mit dem Medaillon nicht falsch und interpretier auch nicht zu viel hinein, ich zeigte deiner werten Gattin nur, was ich einem der Piraten, die uns vor zwei Wochen überfielen, vom Hals riss, als ich ihn umgebracht hatte.“ Als Emilio seine Hand nicht ergriff, zog er sie zurück und Emilio entgegnete kühl: „So? Du hast also auf mich gewartet? Und du wurdest vor zwei Wochen von Piraten angegriffen? Beim besten Willen, Patrick, das kommt mir ziemlich suspekt vor.“ „Nun, ob es dir suspekt ist, ist mir einerlei. Ich weiß, was ich weiß. Also, gewährst du mir jetzt ein Gespräch unter vier Augen mit dir?“, entgegnete Jon gleichgültig. Emilio sah fragend zu Kim, die nur mit den Schultern zuckte, um sich nicht zu verraten. Schließlich sagte ihr Mann: „Nun gut, dann will ich dir mal Glauben schenken. Wenn du mir in mein Arbeitszimmer folgen würdest?“ „Mit dem größten Vergnügen.“ Emilio ging zuerst aus der Tür und Jon folgte ihm, aber nicht, ohne Kim noch einmal zuzugrinsen, bevor er die Tür schloss. Mit klopfendem Herzen ließ sie sich auf das Sofa zurück sinken, nahm einen Schluck ihres Weines und atmete tief durch. Dann nahm sie das Amulett in die Hand und betrachtete es genau. Vor fast zehn Jahren wäre sie bei diesem Anblick vor Angst fast gestorben, doch jetzt fasste sie es als Herausforderung, ja beinahe als Beleidigung auf. Die Prägung hatte etwas Bedrückendes an sich, Kim wusste aber nicht warum, dachte sich jedoch nichts weiter dabei, da alle Jolly Roger solch eine Wirkung erzielten. Einige Zeit versuchte sie sich abzulenken, um nicht an Jon und Emilio, allein in einem Raum, denken zu müssen, jedoch erfolglos. Immer wieder spielte sich in ihren Gedanken dieselbe Szene ab: Jon versuchte sie und sich herauszureden, redete sich dabei um Kopf und Kragen, sodass Emilio die oberste Schreibtischschublade auf der rechten Seite aufzog, seine Pistole daraus holte, entsicherte und schoss. Angestrengt lauschte sie in die Stille, aber sie konnte nichts hören, weder Geschrei, noch einen Kampf, noch einen Schuss. Diese Tatsache machte sie allerdings nur noch nervöser. Alles im Haus war still, sie konnte einzig die große Standuhr im Salon hören. Nach einiger Zeit schlug diese viertel vor neun und die Kirchturmuhr stimmte in das Geläut mit ein. In diesem Moment hörte sie, wie zwei Personen die Treppe lachend herunter kamen und sprang angespannt auf. Dann öffnete sich die Tür und Emilio fragte: „Na, Schatz? Möchtest du unseren Gast nicht verabschieden?“ Hastig eilte sie in die Eingangshalle, in der die Beiden feixend standen, Jon mit Mantel und Hut auf dem Haupt. Sie rannte auf ihn zu, nahm sein Gesicht in ihre Hände und führte es hin und her. Schließlich fragte er übertrieben laut und affektiert überrascht: „Was macht Ihr denn da, Kimberley?“ Wie von der Tarantel gestochen, ließ sie ihn los und ging rückwärts zu Emilio, der seine Hand um ihre Taille legte, und sagte gar nichts. Nach einer kurzen Zeit der Stille sagte Emilio: „Nun, Patrick, danke, dass du mich darüber informiert hast. Guten Abend.“ Er reichte ihm die Hand. Jon ergriff und schüttelte diese, drehte sich dann um und öffnete die Tür. Kim trat einige Schritte auf ihn zu, tippte ihm auf die Schulter und fragte, leicht verletzt: „Wollen Sie sich denn nicht von mir verabschieden, Patrick?“ Jon hielt in seiner Bewegung inne, drehte sich um und schaute sie gleichgültig an. Aber in seinem Blick konnte sie eine gewisse Selbstgefälligkeit lesen und nun sah sie auch, wie seine Mundwinkel immer wieder, für Bruchteile einer Sekunde, nach oben zuckten und er mit aller Macht versuchte, seine Miene zu wahren. Kim hielt ihm ihre Hand hin und während er sich verbeugte, um ihre Hand zu küssen, sah er sie grinsend an und flüsterte, so dass nur sie ihn verstehen konnte: „Morgen Mittag um elf vor der Kirche, ich erwarte dich.“ Dann richtete er sich wieder auf und sagte laut: „Ich wünsche Euch noch einen schönen Abend. Meine Empfehlung.“ Damit drehte Jon sich um und schloss hinter sich die Tür. Leicht verdutzt wandte Kim sich Emilio zu und sah ihn fragend an. Doch dieser schüttelte nur den Kopf und meinte: „Ein seltsamer Kerl, dieser Patrick Son. Es kommt mir vor, als sei er etwas, sagen wir, verwirrt.“ „Er ist nicht verrückt!“, zischte Kim nachdrücklich. Emilio jedoch zuckte nur mit den Schultern, wandte sich ab, um in den Salon zu gehen. Seine Frau folgte ihm auf dem Fuße und ließ sich auf dem Sofa nieder, während er im Raum auf und ab ging. Schließlich fragte sie, als die Neugierde sie genug quälte: „Nun sag schon, Emilio, was hat er mit dir besprochen?“ Abrupt blieb Emilio stehen und sah sie, aus den Gedanken gerissen, an, bis er endlich, langsam, mit bedachten Worten, fragte: „Hat er es dir nicht gesagt?“ Zu ihm aufblickend schüttelte sie den Kopf und er setzte seinen Weg fort. „Merkwürdig. Sehr merkwürdig. Aber ich dachte, er hätte dir von den Piraten erzählt?“, fragte er nach einigen Schritten. „Ja, das hat er, aber sonst nichts.“ „Nun, ich wüsste nicht, warum du es nicht erfahren solltest, Schatz. Er hat mir einige Routen vorgeschlagen, die mich zwar teurer kommen, aber von der Schar Piraten, die sich auf den Handelsrouten herumtreiben befreien würden.“ Innerlich atmete Kim erleichtert auf, dass Jon eine gute Ausrede eingefallen war und er nun nicht mit einem Loch und Blei im Körper gestraft worden war. Anmerken ließ sie sich allerdings nichts, sondern nahm, völlig gleichgültig ihr Buch zur Hand und begann dort zu lesen, wo sie aufgehört hatte, als Jon gekommen war. Als sie am nächsten Morgen mit Emilio draußen beim Frühstück saß, fragte er nach einer Weile: „Sag mal, Schatz?“ Gut gelaunt, da sie heute Jon noch einmal sehen würde, flötete sie: „Ja, Darling?“ und nahm einen Schluck ihres Orangensaftes. „Wer ist Jon?“ Abrupt schaute sie auf und prustete vor Schreck den ganzen Saft über den Tisch. Fluchend sprang Emilio auf und wischte sich mit einer Serviette den Anzug ab und auch Kim tupfte sich leicht verstört das Gesicht und den Mund ab. Schließlich hatte Emilio sich wieder beruhigt und fragte, sich wieder setzend: „Wieso spuckst du bei dem Namen deinen gesamten Saft auf mich?“ „Oh nein, das war keine Absicht, mein Schatz, ich habe nur…“ Verflixt, wie sollte sie sich nur herausreden? „Ja?“, fragte Emilio und Kim hatte das dumpfe Gefühl, er wurde langsam misstrauisch. Letztlich schob sie es auf ihre vorgeschützte Amnesie, doch Emilio sagte kühl, sich vom Tisch erhebend: „Denk nicht, du kannst dich immer mit deiner Amnesie herausreden, Kimberley, irgendwann komme ich dir auf die Schliche und wenn ich dich in flagranti ertappen muss.“ Nun fuhr Kim auf: „Also jetzt reicht es mir! Ich hatte während unserem mickrigen Ehejahr nicht eine Affäre im Gegensatz zu dir! Ich weiß doch, dass du nicht immer in die Kneipe gehst, sondern auch die Freudenhäuser im Hafenviertel besuchst. Aber nicht einmal habe ich es dir vorgehalten. Und wie kommst du überhaupt auf den Namen? Hast du mir einen Detektiv aufgehetzt?“ „Nein, meine Liebe, das tat ich nicht, da du den Namen letzte Nacht mehr als einmal vor dich hin gemurmelt hast. Und meine Affären; hättest du ein Wort gesagt, ich wäre täglich zeitig nach Hause gekommen, ohne zu murren aber deine Gleichgültigkeit hat mich mit der Zeit angewidert und das tut sie noch jetzt, du wusstest also die ganze Zeit davon und hieltest es nie für nötig mit mir auch nur darüber zu sprechen? Außerdem… Ein Detektiv? Kim! Wer ist dieser Jon? Gerade schobst du es auf deinen Gedächtnisverlust, doch ein Detektiv findet nur Dinge in der Gegenwart. Kenne ich ihn etwa? Sag es mir!“ Er kam auf sie zu und packte sie unsanft am Arm. Als sie jedoch schwieg und seinem Blick auswich, da wurde sein Griff heftiger, bis sie vor Schmerz in die Knie ging und sich auf die Lippen biss, bis diese bluteten, um nicht zu schreien. Nun sah sie auf, mit Tränen in den Augen, doch ihr Blick war fest. Zornig starrte sie ihn an und war sich gewiss, auch nicht ein Wort zu sagen. Irgendwann ließ er ihren Arm dann doch los, wandte sich ab und brüllte im Gehen: „Dummes Weibsstück! Ich werde es schon herausfinden und dann wirst du sehen, was dein Schweigen dir bringt!“ So blieb sie liegen, bis ihr Hausmädchen kam, ihr aufhalf und besorgt fragte: „Was ist passiert, Gnädige Frau? Hat er Euch wehgetan?“ Sich den Arm haltend, lächelte sie, den Schmerz unterdrückend: „Es ist nichts passiert, Mathilde, mach dir keine Sorgen.“ Das Mädchen war vielleicht gerade fünfzehn und Kim wollte es nicht mit ihren Problemen belasten, also sagte sie: „Aber du könntest mir die Uhrzeit sagen.“ Just in dem Moment schlug die Turmuhr viertel nach zehn und Mathilde grinste: „Da habt Ihr die Uhrzeit und nun sagt mir, warum dieser Bastard euch verletzt hat, Gnädige Frau.“ Kim hielt sich den Finger an die Lippen und flüsterte: „Scht, in diesem Haus darfst du nicht so über deinen Herrn und meinen Gatten sprechen.“ „Wir sind aber doch gar nicht im Haus.“, meinte sie und verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf. Kim lachte auf und entgegnete: „Hast ja Recht, aber du solltest trotzdem nicht so über ihn sprechen, zumindest nicht in meiner Gegenwart, schließlich liebe ich ihn.“ Verständnislos schüttelte das Mädchen den Kopf und sagte: „Ich verstehe Euch nicht, wie könnt Ihr ihn lieben, wenn er Euch verletzt? So ein Scheusal!“ „Nun, mag sein, dass er mir in diesem Moment wehtat, aber sonst ist er doch ein lieber und zärtlicher Mann.“ „Nur seltsam, dass dieser liebe und zärtliche Gatte mich schon ein paar mal entweder belästigt, oder geschlagen hat.“ Wie vom Donner gerührt blieb Kim stehen, starrte das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen an und fragte ungläubig: „Er hat dich belästigt und dann geschlagen, wenn du dich verweigertest?“ Mathilde ging weiter und nickte ungerührt. Kim lief ihr nach und lächelte: „Möchtest du mir helfen herauszusuchen, was ich heute tragen werde, denn ich habe gleich eine Verabredung.“ Schnippisch fragte die Kleine: „Mit wem habt Ihr denn eine Verabredung? Doch wohl nicht mit einem Mann? Wie heißt er? Liebt Ihr ihn? Wollt Ihr…“ „Jetzt reicht es, Mathilde.“ Demütig ließ Mathilde ihren Kopf hängen und murmelte: „Jawohl, Gnädige Frau.“ „Ja, es ist ein Mann und er nennt sich Patrick.“, begann Kim zu erzählen und Mathilde sah auf und ihre Augen leuchteten, während sie an Kims Lippen hing. „Vielleicht hast du ihn schon einmal gesehen, er war gestern und vorgestern Abend hier. Er ist ein sehr guter Freund von mir und ich liebe ihn nicht, ich liebe nur einen Mann und der ist mir angetraut.“ „Ist das nicht dieser Kapitän?“ „Ja, er ist Kapitän der Miloké.“ „Aber Gnädige Frau, ein Seemann ist doch kein Umgang für Euch…“, begann sie, doch Kim unterbrach sie lachend: „Seit wann scherst du dich denn, wer ein guter Umgang ist?“ „Nun, ich denke, ich weiß einige Dinge über ihn, die Euch sicher abschrecken würden.“ „So? Nun, dass er die Hurenhäuser im Hafen aufsucht, ist mir bewusst, schließlich ist er Seemann und hat keine Frau an die er gebunden ist.“ „Nein, das meine ich gar nicht, es ist…“ „Was willst du mir denn sagen, Mathilde? Glaub mir, ich weiß so einiges über ihn.“ „Aber nicht so viel, wie ich über ihn weiß.“ Nun wurde Kim wütend. Was wollte solch ein Gör über Jon wissen, was sie nicht wusste? Sie kannte ihn schließlich schon fast zehn Jahre. Schließlich fragte sie, nun affektiert freundlich: „Also, Mathilde, was ist mit ihm?“ „Ich kann es nicht sagen, sie würden mich umbringen.“ Zornig fuhr Kim auf: „Jetzt sag endlich, was dir auf der Zunge liegt, damit ich es abwägen kann!“ Erschrocken wich Mathilde vor ihr zurück und Kim, von sich selbst erschüttert, entschuldigte sich nun mit sanfter Stimme: „Verzeih, Mathilde, ich wollte nicht laut oder gar grob werden, es ist nur so, dass ich Jon schon lange kenne und ich nicht denk…“ Mitten im Wort hielt sie inne und sah, wie Mathilde sie mit großen Augen musterte. Da war ihr doch glatt sein Name über die Lippen gehuscht, wie hatte das geschehen können? Nervös, hoffend, dass Mathilde nichts bemerkt hatte, korrigierte sie die Wahrheit: „Ich meinte Patrick und ich habe ihn schon einmal getro…“ „Ihr wisst, dass er Jon Genitson ist?“ „Woher weißt du es?“, fragte sie nachdrücklich, unangenehm von dieser Tatsache überrascht. Doch Mathilde fragte leise: „Seit wann wisst Ihr es und woher kennt Ihr ihn und seit wann kennt Ihr ihn?“ Kim sah noch nervöser den Flur entlang, auf dem sie sich befanden und zog Mathilde in ein Zimmer. Dann sagte sie leise: „Wir sollten hier nicht über ihn reden.“ Sich von ihr losreißend zeterte Mathilde: „Ich will es aber wissen und nicht irgendwann, sondern jetzt!“ Seufzend ließ Kim sich auf einem Stuhl nieder und begann zu erzählen: „Du hast gewonnen, Kleines, ich erzähl es dir ja schon. Also, früher, vor fünf Jahren, bevor ich herkam, da bin ich unter seiner Flagge gesegelt…“ „Aber er hat das Schiff doch erst seit fünf Jahren.“ „Lass mich ausreden, Chérie. Ich segelte mit ihm und seiner Crew als Piratin, drei Jahre lang, bis ein Sturm, vor sechs Jahren, unsere drei Schiffe zerriss und mich an Land schwemmte. Und jetzt erzähl du mir, woher du es weißt.“ „Mein Freund hat es mir erzählt.“ Etwas erstaunt fragte Kim: „Du hast einen Freund?“ „Ja natürlich, er ist auch von der Miloké. Ich kenne ihn noch nicht sehr lange, er kam vor drei Monaten her, um die Gegend zu erkunden und nun sind wir zusammen und er hat es mir erzählt. Er hat mir auch erzählt, dass im Namen des Schiffes ein Anagramm ist, der Name besteht nämlich aus zweien. Kim und Leo. Er weiß auch nicht genau, warum das so ist, aber der Captain wollte anscheinend nicht mehr erzählen.“ Kim und Leo? Er hatte sein Schiff nach ihnen benannt. Aber wieso nach Leo und nicht nach Charles oder sonst wem? „Und wann seid Ihr mit ihm verabredet, Gnädige Frau?“, riss Mathilde sie aus ihren Gedanken. Leicht abwesend vernahm sie den letzten Schlag der halben Stunde und fuhr auf: „Um elf vor der Kirche.“ „Dann solltet Ihr Euch beeilen, Gnädige Frau.“ Gerade wollte Kim die Tür aufstoßen und sich auf den Weg machen, da klopfte es und sie öffnete verwundert. Wer würde wohl um die Uhrzeit zu ihr kommen? Es war ihre Freundin Regina, die sie, überemotional und -geschminkt in die Arme schloss und Kim hatte das Gefühl in ihren Rollen aus Speck zu ersticken. Schließlich wurde sie losgelassen und nach Luft schnappend sagte sie, affektiert freundlich: „Regina, was führt dich denn hierher?“ „Ach, meine Liebe, ich wollte dich fragen, ob du mit mir in die Stadt kommst, einen Kaffee trinken und ein wenig bummeln. Aber wie ich sehe, wolltest du das ja eh gerade, also schließe ich mich dir einfach an.“ Kim wollte gerade widersprechen, da hatte die korpulente, rothaarige Frau sie schon unter ihre Fittiche genommen und mit sich geschleppt. Auf halbem Weg konnte Kim den Wortschwall Reginas übertönen und rief: „Regina, eigentlich wollte ich in die Kirche.“ „Ach papperlapapp. In die Kirche, was will eine junge hübsche Frau wie du in der Kirche? Der Pfarrer wird dich sicher nicht befriedigen, dieser keusche Pfaffe da. In den Hafen, da musst du hingehen, die besorgen es dir richtig meine Liebe, ich sage dir, einmal, da hat mein Herbert es wieder nicht geschafft…“ Und so begann erneut ein Wortschwall auf Kim hernieder zu prasseln und sie überlegte fieberhaft, wie sie Regina loswerden konnte. Am Besten würde es sein, wenn sie Jon einen kurzen auffordernden Blick zuwarf und dann in die Kirche ging. Vielleicht würde Regina mit hinein gehen, aber nicht lange, schließlich war sie doch eine heißblütige Rednerin und in der Kirche sprach man nicht, man betete und das tat man im Stillen. Jon konnte sie schon von weitem sehen, am Seiteneingang der Kirche lehnend, die Arme vor der Brust verschränkt, eine Zigarette rauchend. Sie musterte ihn und lächelte anscheinend leicht, denn Regina rempelte sie an und fragte: „Na? Gefällt dir der Kerl, der da an der Kirche lehnt? Den hab ich auch mal im Hafen gesehen, ist glaube ich sogar Captain. Ich wollte mich ihm auch schon vorstellen, aber er hat abrupt abgelehnt und gemeint, er bräuchte im Moment keine Frau. Aber weißt du, was ich glaube? Ich glaube, er hat sich in die hübsche Dirne unten im Hafen verliebt und das über beide Ohren. Jeder Seemann will sie mindestens einmal haben, was für mich völlig unverständlich ist, bei dem dürren blonden Klappergestell. Oder was meinst du?“ „Nein, ich verstehe es auch nicht. Aber ich habe den Mann nicht angeschaut, ich wollte nur sehen, ob es in der Kirche voll ist.“, versuchte sie sich rauszureden. Doch Regina durchschaute es sofort und wollte gerade wieder beginnen, zu reden, da legte Kim den Finger an die Lippen, da sie in dem Moment die Kirche betreten hatten. Nun geschah alles, wie Kim es geplant hatte und als Regina die Kirche schnaufend verließ, weil sie sich von Kim hintergangen fühlte, da wartete diese noch einige Minuten und bedeutete Jon, der ihnen nachgegangen war, ihr unauffällig zu folgen. So schlenderte sie, sich nicht umdrehend, durch die Straßen, bis sie an ein abgelegenes Cafe kam, in das sie gingen und sich an einen Tisch in der hintersten Ecke, neben einem kleinen Fenster setzten. Etwas unbehaglich schaute Jon sich um und fragte angespannt: „Wer war die Frau? Und warum hast du sie mitgenommen?“ „Sie ist eine Freundin, aber ich wollte sie gar nicht mitnehmen, sie hat mich bei mir zu Hause überrascht und wollte dann unbedingt mit. Ich hatte gehofft sie in der Kirche loszuwerden, da sie eine, sagen wir, leidenschaftliche Rednerin ist.“ „Ja, ich habe es gehört, schon über den halben Marktplatz konnte ich hören, was sie über mich und die kleine Marie im Hafen erzählt hat.“, lachte er. Etwas verdutzt fragte Kim: „Wer ist denn Marie?“ „Marie ist das blonde Allermannsliebchen, über das sie sich so ausgelassen hat. Jedoch ist sie nicht so schlimm und auch längst nicht so begehrt. Aber begehrter zu sein als deine Freundin ist auch nicht schwer…“ „Na du musst es ja wissen. Einen Blueberry.“, sagte sie, als die Kellnerin kam. Jon bestellte sich lediglich einen Rum und fragte lächelnd: „Trinkst du immer noch das Zeug?“ „Natürlich, ich finde ja, es schmeckt gut.“, antwortete sie affektiert beleidigt. Dann fragte sie allerdings ernsthaft: „Aber jetzt sag mir, warum du mich treffen wolltest? Wenn ich mich recht entsinne, dann steht doch heute euer Coup an, oder?“ „Ach, verschieben wir das Geschäftliche doch auf etwas später und lachen noch ein wenig, heute Abend wird es für uns hart. Was hat dein Gatte gestern eigentlich noch gesagt?“ Schlagartig klarte sich Kims Miene auf und sie grinste: „Er hat dich für verrückt erklärt.“ Schallend lachend entgegnete er: „Warum das denn? Nur weil ich seine Güter schützen will? An denen mir übrigens wirklich etwas liegt.“ „Ja, wenn sie in deinem Besitz sind, dann bedeuten sie etwas für dich.“ „Nicht doch weil ich sie mir stehlen will, sondern weil sie auch dir gehören und ich dir keinen Schaden antun will.“ „Na sehr lustig, heute Abend werdet ihr die Stadt überfallen und mein Haus nicht verschonen. Da kannst du mir ja schlecht keinen Schaden zufügen.“ „Aber ich will dein Haus doch auslassen.“ „Du willst was?“, fuhr sie ihn an, während sie aufsprang und die Handflächen auf den Tisch knallte. Verdutzt dreinschauend fragte er: „Nicht?“ Und sie antwortete, beinahe schon hysterisch quiekend: „Nein, um Gottes Willen!“ „Und warum nicht? Willst du etwa, dass meine Männer bei euch einbrechen, deinen Mann niederschlagen oder gar töten, all euer Hab und Gut mitnehmen und dich vielleicht auch noch schänden? Willst du das?“ „Nein, das nicht, aber ich will noch hier leben bleiben.“, erläuterte sie nun etwas ruhiger und setzte sich wieder, die Blicke, die sie auf sich gezogen hatte ignorierend. „Wie meinst du das?“, fragte Jon verständnislos. Nun erklärte ihm Kim geduldig, als spräche sie mit einem kleinen Kind und nicht einem 30-jährigen Mann: „Also, stell dir vor, deine Männer zerstören dieses schöne Städtchen, töten die Männer, missbrauchen die Frauen und lassen dabei unser Haus aus. Was würdest du da wohl denken, wenn du hier leben würdest, all dein Eigen wäre zerstört und nur ein Haus stünde unbeschädigt am Hügel. Genau, die steckten mit den Piraten unter einer Decke. Von daher dürfen deine Piraten sich auch bei unserem Haus nicht zurückhalten, so angenehm es in dem Augenblick auch zu sein scheint.“ „Hm. Da hast du wohl Recht, Kim. Also gut, ich werde meinen Männern den Befehl geben, keine Ausnahmen zu machen.“ Bei diesen Worten musste Kim schlucken, wenn sie daran dachte, was ihr diesen Abend bevorstand. Doch sie ließ sich sonst nichts anmerken, da sie nicht wollte, dass Jon dachte, sie fürchtete sich und fragte mit fester Stimme: „Und warum wolltest du dich mit mir treffen? Du hättest doch sicher etwas Besseres zu tun, als dich am Tag des Überfalls mit mir zu treffen.“ Kaum hatte sie die Frage formuliert, da kam die Bedienung wieder und brachte Jon seinen Rum und Kim ihren Blueberry. Sie bedankten sich und Kim sah Jon wieder fragend an, als die Frau wieder gegangen war. Doch er druckste nur ungeschickt herum und trank dann sein Glas in einem Zug, als wollte er sich Mut antrinken. Seine Finger spielten an dem leeren Glas herum und er vermied den direkten Blickkontakt zu Kim, was diese stutzig machte, doch sie wollte ihre Frage nicht wiederholen und schließlich sagte Jon, flüsterte fast: „Nun, ich brauche deine Hilfe.“ Erst musterte Kim ihn ungläubig, dann brach sie in schallendes Gelächter aus und schaffte es nur schwer, ihre Stimme leise zu halten: „Nein! Der tapfere, große Pirat und Herzensbrecher Jonathan Genitson braucht meine Hilfe!“ Kaum hatte sie seinen vollen Namen ausgesprochen, sah er auf und durchbohrte sie förmlich mit einem eiskalten Blick. Ihr Lachen verstummte prompt und sie fühlte sich mehr und mehr unwohl in ihrer Haut. Dann knurrte er: „Nenn mich nie wieder Jonathan, du weißt, was ich damals mit Maury angestellt habe.“ Bei diesen Worten musste Kim schwer schlucken und fasste sich unbehaglich an den Hals. Im nächsten Moment jedoch lächelte Jon wieder und fragte: „Also, hilfst du mir jetzt?“ Kim erschrak vor ihm. Von einem Augenblick zum nächsten konnte sich seine Stimmung schlagartig ändern, ohne jede Vorwarnung. Mit einem flauen Gefühl im Magen antwortete sie lächelnd mit einer Gegenfrage: „Wobei denn?“ „Ich“, begann er zu erklären „werde heute nicht in der Stadt agieren. Sondern draußen an der Festung.“ „Was willst du denn am Gefängnis?“, fragte Kim verständnislos. „Scht, lass mich doch ausreden, Kim. Also, ich werde heute Abend zum Gefängnis gehen und dort einbrechen, denn ich weiß von einer sicheren Quelle, dass es dort mehr als genug zu holen gibt.“ „Und wozu brauchst du mich dabei, Jon?“ „Du, meine liebe Kim bist lebensnotwendig, schließlich kann ich nicht jedem aus meiner Mannschaft davon erzählen, denn sie würden sich an keine Regeln oder Pläne halten, einfach drauf los stürmen und am Ende jämmerlich sterben. Nein, Ich habe nur Philipe und Terry etwas davon erzählt und so soll es auch bleiben. Denn heute Abend, wenn meine Mannschaft die Stadt in Trümmer legt, dann werden wir hoch zum Gefängnis schleichen. Und da kommst du ins Spiel, Kim. Du wirst die Wächter ablenken, so dass wir unbemerkt hinein können und auch wieder ungesehen mit dem Gold hinaus können.“ Sie schüttelte ihren Kopf, als hätte sie sich nur eingebildet, was er da gesagt hatte und trank etwas ihres Getränkes, als hätte er es nicht gesagt. Doch dann, als ihr bewusst wurde, dass das sein Ernst gewesen war, fragte sie, ihn belächelnd: „Und wie soll ich das bitte anstellen?“ „Und wie soll ich das bitte anstellen?“, äffte Jon sie gehässig nach, wahrscheinlich aus Rache, dass sie ihn belächelt hatte und sagte dann, in anzüglichem Ton: „Benutz deinen Charme, Schatz, deine Intelligenz, Liebes, deine Überlegenheit, den niederen Instinkten des Mannes gegenüber, meine Liebe und nicht zuletzt, mache dir die männliche Sucht nach Alkohol zu Nutze, Kim. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du in sechs Jährchen verlernt hast, eine Vollblut-Piratin zu sein. Früher, da hättest du nicht gefragt, sondern gehandelt.“ „Du hast dich verändert, Jon, du bist boshaft geworden, oder versuchst zumindest, es zu sein.“ Sie sagte es ihm ins Geicht, wie es ihr in den Sinn gekommen war und sie fragte: „Warum?“ Schlicht und einfach. Doch er schien es zu verstehen und sah beschämt zu Boden. Schließlich schaute er wieder auf und ihr in die Augen. Und nun konnte sie seine wahren Gefühle darin lesen. Nun hatte er es aufgegeben, zu versuchen, sein Herz vor ihr zu verschließen, seine Gefühle verstecken zu wollen. Sie fand doch immer die Wahrheit heraus. So fragte sie: „Was ist mit dir?“ Immer wieder schweifte sein Blick ab, doch er versuchte ihr fest in die Augen zu schauen und antwortete: „Du willst die Wahrheit hören.“ Er sprach es nicht als Frage aus, sondern wie eine Feststellung und Kim nickte dennoch. Seine Finger hatten wieder begonnen unruhig mit dem Glas zu spielen, aber er stellte es geräuschvoll auf den Tisch und sagte leise, mit gebrochener Stimme, wie sie sie zuvor nicht oft an ihm gehört hatte: „Ich bin traurig. Und ich schäme mich. Ich schäme mich, dich in diese Sache mit hineinzuziehen und das nur aus reinem Eigennutz zu tun. Ich bringe dich in Gefahr, nur um noch einmal so ein Gefühl des Abenteuers zu erleben, wie früher. Und ich bin traurig, dich heute das letzte Mal in meinem Leben sehen, hören, riechen und berühren zu dürfen. Wenn wir heute Nacht ablegen, ist es wie die sechs Jahre zuvor. Du wirst wieder tot sein und ich genauso. Seit dem Schiffbruch, seit dem Sturm war mein Herz wie tot. Mein Leben kümmerte mich nicht mehr, es kümmerte mich nicht, ob ich am Leben war oder starb, es kümmerte mich nicht, ob Freunde um mich herum kamen oder gingen. Ich war leer. Eine Hülle ohne Geist. Und ich habe Angst, es wird wieder genauso werden, wenn ich heute Nacht mit der Miloké den Hafen verlasse und die Flammen der Stadt am Horizont verschwinden sehe.“ Dies erschütterte Kim. Alles war Jon so nahe gegangen und sie hatte hier gelebt und sich wieder eine heile Welt aufgebaut. Sie begann sich zu schämen. Dennoch ergriff sie über den Tisch hinweg Jons Hand und streichelte sie sanft. Dann sagte sie, mit ebenso sanfter wie leiser Stimme: „Ach, Jon. Ich werde dir heute Abend helfen. Und sei die Gefahr noch so groß, wenigstens einmal noch will ich ein Abenteuer in meinem Leben erleben, bevor ich mich vollkommen dem Hausfrauendasein hingebe und auch Mutter werde. Wann wollen wir uns treffen?“ Sie konnte seine Augen aufleuchten sehen und seine Hand umfasste die Ihre und drückte sie fest, während er auch noch nach der anderen griff. Dann sagte er: „Wenn es halb neun schlägt sollst du da sein und dein Werk beginnen. Aber pass auf, dass die Männer keinen Verdacht schöpfen, denn sie sind sehr spitzfindig. Das fand ich schon bei meinem ersten Besuch des Gefängnisses heraus. Also stell dich geschickt an.“ Sie nickte lächelnd und rollte mit den Augen. „Also alles habe ich dann doch nicht vergessen.“ Daraufhin lachten sie und Kim trank ihr Glas aus, ließ sich von Jon einladen und machte sich dann auf den Weg nach Hause, um sich einen Plan auszudenken. Sie ging schon bevor Emilio nach Hause kam und nahm sich Mathilde mit. Diese hatte sich ein Kleid von Kim anziehen müssen und trug einige Flaschen Rum versteckt in ihrer Tasche, genau wie Kim. Sie hatte sich schon genau überlegt, wie sie es anstellen wollte und ging so, pfeifend und mit Mathilde scherzend ihres Weges, während die Sonne blutrot im Meer versank. Als sie an der Festung ankamen, blickte Kim beeindruckt an den hohen Mauern hinauf und zögerte einen Augenblick, sich überlegend, ob sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen wollte. Doch dann sah sie noch einmal Jons Augen vor sich und ging entschlossen hinein. Die Wachmänner musterten die Beiden skeptisch, bis schließlich ein großer blonder nach vorne trat. Er zog seine Hose an deren Bund hoch und hakte seine Daumen in den Gürtelschlaufen ein, so dass seine Arme locker an den Seiten seines Oberkörpers herunterhingen. Augenscheinlich hatte er die Brust geschwellt und die breiten Schultern zurück gestreckt. Schließlich, als er sie von oben bis unten mit lüsternen Blicken bedeckt hatte, fragte er: „So, die Damen? Was wünscht Ihr?“ Kim war keinen Millimeter zurückgewichen, sondern hatte ihrerseits auch die Brust geschwellt und sich ein wenig auf die Zehenspitzen gestellt, dann sagte sie: „Wir möchten meinen Neffen, Peter Brown, besuchen“ Sie hatte irgendwen mal sagen hören, dass der arme Peter Brown völlig unschuldig hinter Gittern saß und so verwendete sie nun seinen Namen völlig skrupellos. Eine Augenbraue hebend, fragte der Blonde: „Und was wollt Ihr von Peter Brown?“ „Ich möchte ihm seine Verlobte vorstellen.“, sagte sie und schubste Mathilde ein wenig nach vorne. Diese knickste gekonnt und hauchte mit Engelsstimme: „Sehr erfreut.“ Nun musterte der Mann Mathilde und fragte dann ungläubig: „Der 50-jährige Peter Brown hat eine verlobte, die noch nicht knapp zwanzig ist? Verehrteste, bei allem Respekt, niemand würde seine Tochter einem solch senilen Sack zur Frau geben. Was wollt Ihr wirklich hier?“ Verdammt, er war ihnen auf die Schliche gekommen. Hätte sie sich doch besser über diesen Herrn Brown informiert. Doch jetzt war es zu spät und sie stand rumdrucksend vor dem blonden Wärter, dessen beiden Kollegen schon das Tuscheln und Lachen begannen. Endlich fragte dieser: „Dürfte ich wohl mal einen Blick in Eure Taschen werfen, meine Damen?“ Blitzschnell hatte Kim einen neuen Plan gefasst und seufzte theatralisch: „Ach, Herr Wachtmeister, nun habt Ihr uns doch ertappt. Wir haben Rum mitgenommen, damit Mathildes Väterchen sich nicht so quälen muss. Aber jetzt ist alles aufgeflogen. Bitte erbarmt Euch und lasst uns laufen, Herr Wachtmeister.“ Sie hatte seine Autorität ungemein hochgespielt, ein gewöhnlicher Wärter hätte sie niemals festnehmen dürfen, nur weil sie Rum mit ins Gefängnis nahmen. Doch ihr Plan ging voll auf. Der Wärter fühlte sich so geschmeichelt, dass er grinste: „Gut, dann will ich mal ein Auge zudrücken, aber nur, wenn ihr zwei Hübschen auf ein Gläschen hier bleibt.“ Er war voll in ihre Falle getappt. Er nahm sich ihre Tasche, holte eine der Rumflaschen daraus, drehte sich zu seinen Kollegen um und rief: „Männer, heute Abend geht es rund. Ronaldo, hol fünf Gläser!“ Und Ronaldo und der andere grölten auf. Schon nach dem ersten Glas merkte Kim, dass sie sich zurückhalten musste, sie vertrug nicht mehr so viel wie früher. Sie vertrug sowieso fast nichts mehr. Zum Glück hatten sie und Mathilde noch etwas gegessen, bevor sie aufgebrochen waren, ansonsten wäre Kim schon jetzt gut angeheitert gewesen. Die Wärter konnten gar nicht genug von dem Rum bekommen und auch Mathilde trank ordentlich mit, was Kim allerdings Sorgen machte, da sie den Rum nicht langsam trank, sondern gleich hinunterstürzte. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr und erkannte, dass es wohl gleich neun schlagen würde. Jon hatte ihr gesagt, dass sie um halb zehn kämen. Doch ein weiterer Blick auf die Wärter verriet ihr, dass sie noch einige Zeit brauchen würde, um die Männer betrunken zu machen. Mathilde hingegen kicherte schon dämlich und war auch leicht rötlich um die Nasenspitze. In diesem Moment legte der blonde Wärter, der vorhin schon mit ihnen gesprochen hatte, er hieß Eric, seinen Arm um ihre Schultern, füllte ihr Glas wieder auf, führte es an ihren Mund und sagte leise, so dass nur sie es verstehen konnte: „Trink doch noch etwas, Chèrie.“ Sie jedoch befreite sich des lästigen, schweren Armes auf ihren Schultern, stellte das Glas zurück auf den Tisch und sagte: „Oh, wisst Ihr, mir ist schon etwas flau im Magen und ich würde gerne noch nüchtern zu meinem Mann zurück nach Hause kommen.“ Eric grölte auf und rief höhnisch lachend: „Dein Mann! Ma Chère, vergiss deinen Mann doch heute Nacht und nimm auch endlich diesen hässlichen Ring von deinem Finger!“ Als sie jedoch keine Anstalten machte, den Ring abzunehmen, da griff er unsanft nach ihrer Hand und zog ihr grob den Ring davon. Dann steckte er den Ring in die Tasche und grinste gehässig: „Nun, ma chère, was erinnert dich jetzt noch an deinen Mann?“ Drohend zischte sie: „Gib mir meinen Ring wieder!“ Doch er grinste noch boshafter: „Und was, wenn nicht?“ „Dann werde ich ihn mir selbst zurückholen.“ Und prompt griff sie in seine Hosentasche, doch sie fand den Ring nicht darin. Eric sah sie herablassend grinsend an und hauchte in ihr Ohr: „Du musst in der anderen Tasche suchen, Chèrie.“ Nun griff sie über ihn hinweg und in seine andere Tasche und kaum hatte sie ihren Ring hinausgezogen und sah in sein Gesicht, da widerte er sie noch mehr an als zuvor. Er belächelte sie herablassend und hatte es anscheinend genossen, dass sie in seinen Taschen gewühlt hatte. Nun wurde ihr schlagartig bewusst, was sie davor schon vermutet hatte. Er sah sie nicht als Subjekt, sondern als Objekt an. Hätte sie es Jon nicht versprochen, wäre sie aufgesprungen und hinaus gelaufen, zurück zu ihrem Emilio. Doch da sie ihr Wort gegeben hatte, blieb sie sitzen und ließ die Anspielungen über sich ergehen. Mit Argwohn beobachtete sie Mathilde, die anscheinend Gefallen an dem dritten Wärter, Pedro, gefunden hatte und er sich ihr nicht verweigerte, trotz seines Rings am rechten Ringfinger. Es schüttelte sie. War sie denn die einzige in diesem verdammten Kaff, die wusste, was Treue bedeutete? So verging die nächste halbe Stunde und irgendwann fragte Eric sie leise: „Kommst du mit mir hinaus? Ich würde gerne eine Zigarette rauchen.“ Sich selbst widerstrebend stand sie auf und folgte ihm hinaus, in die kalte und dunkle Nacht. Er setzte sich auf eine Bank und zog sie zu sich. Gemächlich, beinahe andächtig zog er eine Zigarette aus seiner Packung, zündete sie sich an und fragte Kim: „Auch eine?“ Doch sie verneinte, dass sie nicht rauche. Er zuckte mit den Schultern und steckte das Päckchen wieder zurück in seine Tasche. Kim wunderte sich; warum hatte er denn nicht drinnen geraucht? Die anderen beiden hatten sich doch auch drinnen ihre Zigaretten angesteckt. Aber nun erkannte sie seine Absicht. Er legte erst seinen Arm um sie und zog sie nahe an sich. Als sie verwirrt in sein Gesicht schaute, streichelte er ihr, mehr oder weniger sanft über die Wange. Als sie erschrocken zurückweichen wollte, hielt er sie fest, schnippte seine halb gerauchte Zigarette weg und küsste sie. Im ersten Moment war ihr noch nicht klar, was da geschah, doch dann riss sie sich los und ohrfeigte ihn kräftig, bis sie zitternd, vor Kälte und Scham, fragte: „Was macht Ihr denn, Eric?“ Er jedoch lehnte sich nur zurück und sagte: „Warum bist du denn noch so höflich? Ich weiß doch, worauf du es abgesehen hast.“ Mit vor Zorn bebender Stimme zischte sie: „Auf was denn?“ „Du wolltest zu mir, ma Chère, erzähl mir doch nichts. Peter Brown ist nun schon seit einer Woche auf freiem Fuße, also leugne es nicht. Hab keine Angst, ich verrate es auch keinem.“ Nun platzte ihr endgültig der Kragen und sie schrie: „Es ist mir egal, ob du es jemandem erzählst, denn es wird nichts geschehen! Niemals mit einem solch arroganten, eingebildeten, selbstverliebten Flegel wie dir!“ Ihren Ausbruch ignorierend zog er sie erneut zu sich auf den Schoß und küsste sie wieder, doch diesmal konnte sie sich nicht so leicht befreien. Noch einmal versuchte sie ihn zu ohrfeigen, doch er fing ihre Hand ab und legte seine Finger zwischen die Ihren. Plötzlich hörte sie einen Schuss durch die sonst stille und friedliche Nacht gellen und im nächsten Moment lag Eric leblos in ihren Armen. Sie schmeckte Blut auf ihren Lippen und warmes Blut tropfte auf ihren Schoß. Dem Schuss folgte ein markerschütternder Schrei Kims und sie sprang auf, als läge dort der Leibhaftige in ihren Armen. Bibbernd wischte sie das Blut von ihren Lippen und spürte, wie das auf ihrem Schoß langsam erkaltete. Panisch sah sie sich um und konnte dort, in der Tür die nach draußen führte einen Mann stehen sehen. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, da er mit dem Rücken zum Licht stand, doch wusste sie, spürte gar, dass es Jon war. Aufgelöst stolperte sie auf ihn zu und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Beruhigend streichelte er ihr über den Rücken und wischte die Tränen von ihrer Wange, die sie selbst nicht bemerkt hatte. Er legte seinen Arm um ihre Schultern, drückte sie an sich und führte sie mit sich hinein. Es war ein wohliges Gefühl bei ihm im Arm. Als sie drinnen im Licht standen, holte er ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte ihr das restliche Blut von den Lippen. Sie sah sich um und konnte Mathilde, stockbesoffen an Terry lehnend, sehen. Die anderen beiden Wärter saßen leblos, den Kopf auf dem Tisch, daran und ihre Hemden waren rot vor Blut. Erschüttert drehte sie sich weg und sah in das lächelnde Gesicht Jons, der sie wieder an sich zog und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn gab. Und sie drehte flach atmend an ihrem Ring. Dann nahm Jon sie mit hinaus und sie konnte ihre Heimatstadt in Flammen sehen, darüber eine riesige, schwarze Rauchwolke, schwärzer als die Nacht selbst. Sie atmete tief durch und als sie durch die Gassen ging, neben Jon, der seinen Arm noch immer auf ihrer Schulter ruhen ließ, da bekam sie ein flaues Gefühl im Magen, was sie nicht auf den Alkohol schieben konnte. Alles erinnerte sie an damals vor fast neun Jahren, als Jon in ihre damalige Heimat eingedrungen war und sie mitgenommen hatte. Die Flammen, die schreienden Menschen, alles war wie damals, nur dass sie jetzt im Arm des Mannes ging, der all das verursacht hatte. Und auf einmal spürte sie das Entermesser, dass da in seiner Scheide an seinem Gürtel baumelte und ihr Bein streifte, stärker denn je. Plötzlich bekam sie auch vor ihm Angst und versuchte sich zu distanzieren, doch nun fragte er, das erste Mal, dass er diesen Abend sprach: „Was ist, Kim, geht es dir nicht gut?“ Sich an den Kopf fassend, schüttelte sie den Kopf und murmelte: „Nein. Nein, das ist es nicht. Es ist nur so merkwürdig, zum zweiten Mal in meinem Leben erlebe ich die andere Seite und es ist merkwürdig. Für keinen dieser Menschen verspüre ich Mitleid. Alle bekommen sie, was sie verdienen. Keiner hier weiß, was Treue bedeutet, sie erbauen sich ihr Leben aus Lug und Betrug. Warum sind es die Piraten, die Bösen, die ehrlich sind?“ Er streichelte ihr liebevoll durch die braunen Locken und sagte: „Ich weiß es nicht, aber diese Erfahrung habe auch ich schon gemacht, meine liebe Kim.“ Von da an schwiegen sie sich wieder an und gingen durch die brennenden Gassen zum Hafen. Dort wurde Kim noch einmal schmerzhaft bewusst, dass sie Jon wohl zum letzten Mal in ihrem Leben sehen würde und sie lächelte: „Also, das war’s. Terry, gib mir Mathilde, ich werde auf sie Acht geben. Jon, ich…“ Doch sie wurde von einem Jungen unterbrochen, der angerannt kam und aufgebracht brüllte: „Mathilde! Tildchen! Was habt ihr mit ihr angestellt? Lasst sie los, auf der Stelle!“ Entrüstet schaute Kim auf den Jungen, der nun keuchend vor ihnen stand und angsterfüllt auf sein „Tildchen“ schaute. Ruppig fragte sie: „Wer bist du Junge?“ Doch Mathilde löste sich von ihr und stolperte hicksend in die Arme des Jungens. Dabei lallte sie: „Rico, es ist okay, mir geht es gut. Ach, Ricardo, mein Schatz, ich liebe dich.“ Sie glücklich in die Arme schließend flüsterte er: „Ich liebe dich auch, mein Tildchen.“ Dann sagte er, in militärischem Ton: „Captain, die Güter sind auf dem Schiff und die Mannschaft ist bereit!“ Doch kaum hatte er das gesagt, da hörten sie erneut Rufe eines Mannes und er rief Kims Namen. Kurz darauf kam Emilio zum Vorschein, stark am Kopf blutend und brüllte: „Kim, komm weg von denen, das sind Piraten!“ Erschrocken tat sie tatsächlich einen Schritt zurück und starrte auf Emilio, der, nach Atem ringend, vor ihr zum Stehen kam, einen Säbel zückte und ihn auf Jon richtete. Dann brüllte er: „Lasst eure Finger von meiner Frau!“ Doch Kim schob ihn beiseite, ging auf Jon zu, umarmte ihn traurig, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte bekümmert lächelnd: „Gehab dich wohl, Jon Genitson, Kapitän der Miloké. Ich werde dich niemals mehr vergessen.“ Noch einmal fuhr Jon ihr durch die Haare und flüsterte liebevoll: „Willst du nicht doch mit uns kommen?“ Doch sie schüttelte den Kopf, nahm Mathilde aus Ricos Armen und stellte sich zu dem verdutzt dreinblickenden Emilio. Damit drehte Jon sich um, ging auf sein Schiff, gefolgt von den beiden Männern, die eine schwere Truhe schleppten und dem Jungen. Sie hörte ihn rufen: „Leinen losmachen und Segel setzen!“ Dann drehte er sich noch einmal zu ihr um und sagte: „Ich hätte gewünscht, wir hätten uns unter anderen Umständen wieder gesehen. Kim, du bist die tollkühnste und tollste Frau, die ich je gekannt habe und ich bin stolz darauf. Also, leb wohl und bleibe deinem Mann treu.“ Dort stand er, an Deck des Schiffes, das sich langsam aber sicher von ihr fort bewegte. Eine Träne rann über ihre Wange und fiel zu Boden. Mathilde schaute von Jon zu Kim und wieder zurück und begann dümmlich zu kichern, doch Kim brachte sie mit einem gezielten Schlag auf den Hinterkopf zum Schweigen. Nun konnte sie auch Terry, Garret, Laffite und Ricardo sehen, die am Bug des Schiffes standen und winkten. Und ohne zu wissen, was sie da tat, fasste sie einen Entschluss. Sie küsste Emilio auf die Wange, flüsterte: „Es war schön mit dir.“ Und sprang dann ins Wasser, um der Miloké nachzuschwimmen. Als sie das Schiff fast erreicht hatte, wurde eine Strickleiter an der Seite herabgelassen und sie kletterte schwerfällig daran hinauf. Als sie auf Deck stand, lief Jon auf sie zu, zog sie an sich und drückte sie so fest, dass sie fürchtete, zu ersticken. Leise sagte er: „Willkommen zurück, Kimberley Merrylson.“ Und sie fühlte sich wie früher - frei. Doch sie löste sich von Jon, ging zum Bug des Schiffes und schaute der Stadt dabei zu, wie sie hinter dem Horizont verschwand. Und schließlich hatte dieser auch die riesige dunkle Rauchwolke verschluckt und sie sah nichts mehr außer dem Horizont und abertausenden von Sternen. Sie hatte nicht bemerkt, wie Jon sich neben sie gestellt hatte und schrak etwas zusammen, als er sagte: „Kim, dieses Schiff ist etwas anders als die Vengeance.“ Verwundert sah sie zu ihm auf und fragte: „Inwiefern?“ „Am Besten zeige ich es dir.“ Damit führte er sie unter Deck und dort sah sie keine Kabinen, sondern einen großen Raum, in dem Hängematten aufgespannt waren. Verdutzt sah sie wieder zu Jon und fragte: „Und hier soll ich mit der Mannschaft schlafen? Sind sie denn… vertrauenswürdig?“ „Nun, fürs erste würde ich dir raten, in meiner Kajüte zu schlafen und wenn du die Crew dann kennst, kannst du dich hier einnisten“, antwortete er lächelnd. Kim jedoch wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte. Jetzt war es aber zu spät, um ihre Entscheidung zu ändern und so nickte sie schließlich und ging wieder mit ihm hinauf an Deck, wo die besoffenen Piraten ein Lied angestimmt hatten, das Kim zum ersten Mal hörte. „Jon Genitson so wird er genannt Der Captain, dem wir untergetan Als Raufbold ist er nicht verkannt Auf See wie auf Land als Denker bekannt Wir fürchten ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo! Weder den Teufel, noch den Tod Fürchten wir, wenn’s Schlachtfeld tobt Auch wenn der Sturm um die Ohren uns braust Und Wellen so hoch sind wie ein ganzes Haus Wir sehen ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo! Schwarz uns’re Herzen, groß uns’re Gier Nach Schätzen, Frauen und Humpen voll Bier Richtig lustig wird es dann mit Rum Da geht an Bord die Zeit schnell um Wir fürchten ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo! Sollte der Teufel es nur wagen Einen von uns in die Hölle zu tragen So wird die Hölle aufgemischt Wie dort auf den Wellen die Gischt Wir sehen ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo! Das Gewissen ertränkt man mit ner Pulle voll Rum Dann ist nur noch das Maul nicht stumm Edelmänner hängt man auf mit einem Lachen Ihre Frauen nutzen wir zu vielerlei Sachen Wir fürchten ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo! Sterben wollen wir auf Seeräuberart Ertrinken im Meer oder im Blutbad Unser Sarg wird die Miloké sein Im Angesicht des Todes werden wir noch nicht klein Noch fühl’n wir ihn nicht, heijo, heijo Des Galgens Strick, heijo, heijo!“ Lächelnd sagte sie an Jon gewandt: „Deine Crew scheint ja mächtig was auf dich zu halten.“ Sich affektiert arrogant durch die Haare streichend entgegnete er: „Und das nicht zu Unrecht.“ Lachend zwickte sie ihn in die Seite und sagte: „Eingebildet wie eh und je, ein feiner Captain bist du mir!“ So verging der Abend, oder die Nacht, und irgendwann um zwei oder halb drei, Kim wusste es nicht so genau, da ging sie in die Kapitänskajüte um sich schlafen zu legen. Wo sollte sie sich aber hinlegen? Jon hatte nur ein Bett. Doch sie beschloss, dass er sich auch auf dem Sessel schlafen legen konnte, wenn es ihm nicht passte. So ging sie an seine Truhe, zog eines seiner Hemden heraus, zog sich selbst bis auf das Höschen aus und streifte es sich über. Gerade hatte sie den letzten Knopf zugemacht, da streckte Philipe seinen Kopf durch die Tür und rief: „Captain? Bist du da?“ Als er sie jedoch sah, musterte er sie geringschätzig und fragte: „Was willst du denn hier? Bezahlung, dass du hier bleiben darfst, oder was?“ Empört öffnete Kim den Mund um etwas zu erwidern, da sprach der Mann schon weiter: „Auch egal. Dann sag mir wenigstens, wo der Captain ist. Seine persönliche Mätresse müsste so etwas doch eigentlich wissen.“ Seine persönliche Mätresse? Zornig stemmte Kim die Hände in die Hüften und kam langsam auf ihn zu. Er stand breitbeinig, die Hände in den Hosentaschen, im Türrahmen und schaute sie herausfordernd an. Schließlich stupste sie mit ihrem Zeigefinger auf seine Brust und zischte: „Sag das noch mal und du…“ „Was? Dass du seine persönliche Mätresse bist? Das sieht man doch schon an deinem Aussehen“, unterbrach er sie barsch. Nun schubste Kim ihn nach hinten, so dass er einige Schritte zurück stolperte um nicht umzufallen. Sie ging weiter auf ihn zu und zischte: „Genau das! Jon und mich verbindet ein tiefes Band und ich kenne ihn länger und besser als du. Außerdem, selbst wenn es so wäre, dich geht es absolut nichts an, mit wem ich schlafe und mit wem nicht.“ Als sie so knapp bekleidet das Deck betreten hatte, war es schlagartig still geworden und aller Augen waren auf sie gerichtet. Dennoch fuhr sie fort, ihre Umgebung nicht beachtend: „Unterstelle mir nie wieder so etwas, oder es wird dich teuer zu stehen kommen, ich bin nicht zum ersten Mal auf einem Piratenschiff. Und glaube mir, ich habe schon gegen Gegner gekämpft, bei denen du heulend davon rennen und nach deiner Mutter rufen würdest.“ Sichtlich unbeeindruckt lachte er auf und sagte: „So? Und das soll mir jetzt… Angst machen? So ein Frauenzimmer wie du könnte es nie mit einem richtigen Mann aufnehmen. Also sei nicht so selbstgefällig, sondern suche lieber deinen Freier und mach deine Arbeit.“ Gerade wollte sie etwas erwidern, da hörte sie Terry hinter sich knurren: „Und wer soll bitte ihr Freier sein?“ Nun doch etwas verwirrt entgegnete Philipe: „Na der Captain.“ „Und an welchem Indiz kannst du das festmachen?“, hörte sie Garret fragen. „Na schaut euch doch nur mal ihre Kleider an! Außerdem schläft sie in der Kajüte des Kapitäns“, versuchte er, sich zu rechtfertigen, doch Laffite fiel ihm ins Wort: „Na und? Sie hat ein Hemd an, das trug sie schon damals immer beim Schlafen. Du trägst doch auch nichts außer deinen Boxershorts beim Schlafen. Und als Frau würde ich auch nicht gerne in diesem Raum voller Männer schlafen.“ „Aber…“, wollte Philipe gerade ansetzen, da sagte Jon ruhig: „Philipe, es reicht. Sie ist keine Mätresse, noch eine Hure oder sonst irgendwas oder hast du sie nur einmal im Hafen gesehen? Kim, zieh dir entweder etwas über oder leg dich in meine Kajüte schlafen. Und nimm dir Philipes Gerede nicht zu Herzen, er weiß es nicht besser.“ Sie ließ ihren Blick über Deck streifen und sah aller Augen auf sich gerichtet. Bis auf die des jungen Ricos, der traurig an der Reling saß und dessen Brust immer wieder ein Seufzer dehnte. Daraufhin drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand in Jons Kajüte. Dort legte sie sich in sein Bett und zog sich die Decke bis unters Kinn. Verzweifelt versuchte sie einzuschlafen, aber sie spürte erst jetzt, wie sehr sie doch an Emilio gehangen hatte. War es doch keine wahre Liebe mehr gewesen, es war Gewohnheit gewesen. Sie war es gewohnt, neben ihm einzuschlafen, war es gewohnt von ihm ein liebes Wort zur guten Nacht zu hören, war es gewohnt, dass er sich an sie kuschelte und nach kurzer Zeit zu schnarchen begann. Das alles würde sie doch auf eine gewisse Art und Weise vermissen und konnte sich kaum vorstellen, ohne das alles einzuschlafen. Doch irgendwann kam Jon auf leisen Sohlen hereingetapst. Er entledigte sich seiner Kleider und schlüpfte in Boxershorts hinter ihr unter die Decke. Anscheinend war er darauf bedacht, sie in keinster Weise zu berühren, doch Kim wollte nicht alles missen. So rutschte sie ein Stückchen nach hinten und kuschelte sich selbst an Jon. Dieser begriff halbwegs und legte seinen Arm um sie. Leise flüsterte er: „Der Schmerz um die Trennung wird bald vergangen sein, Kim, keine Sorge.“ Damit schloss sie ihre Augen und versuchte erneut einzuschlafen, doch bei Jon war es ganz anders als bei Emilio. Emilio begann zu schnarchen, Jon nicht. Emilio hatte sie immer fest an sich gedrückt, Jon nicht. Aber irgendwann schlief sie dann doch ein und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als sie am nächsten Morgen erwachte, fand sie sich allein im Bett wieder. Erst wusste sie nicht, wo sie war, doch schon nach einigen Sekunden erinnerte sie sich wieder daran, was am Vorabend geschehen war. Langsam stand sie auf und schaute sich wieder in Jons Kajüte um. Sie war nicht einmal halb so groß wie ihr Schlafzimmer - ihr ehemaliges Schlafzimmer. Und wieder vermisste sie die Zärtlichkeit eines Guten-Morgen-Kusses Emilios. Bedächtig zog sie sich an und trat hinaus in das blendende, gleißende Sonnenlicht. Dort sah sie, wie die Piraten putzmunter auf Deck umherwuselten und ihrer Arbeit nachgingen. Anscheinend hatten sie gerade ein Manöver durchgeführt, denn an den Schoten stand jeweils ein Mann, der das dazugehörige Seil aufschoss. Sie sah hinauf in den Himmel. Die Segel waren prall gefüllt und auch ihr zerzauste der Wind die Haare. Doch auf einmal band ihr jemand ein Tuch um den Kopf und lachte: „Ich weiß wohl, warum ich keine solchen langen Haare habe und vor einem Sonnenstich können sie dich auch nicht retten.“ Sie hatte die Stimme Garrets erkannt und antwortete: „Nun, aber was würdest du sagen, wenn ich mir die Haare so kurz schnitte wie du? Da leide ich lieber ein bisschen, als sie mir abzuschneiden.“ „Wer schön sein will muss leiden oder wie heißt es so schön? Soll ich mir die Haare vielleicht auch wachsen lassen?“ Freundschaftlich stupste sie ihn an und meinte lächelnd: „Mit meiner Schönheit könntest du nie konkurrieren. Nein, mit langen Haaren sähst du schrecklich aus, noch schrecklicher als jetzt.“ Da klopfte Garret ein anderer Pirat auf die Schulter, wohl 25 oder 26, lächelte und fragte: „Nun, Garret, willst du mir die charmante, junge Dame nicht vorstellen?“ In seiner Stimme schwang eine Ironie mit, die nur schwer überhörbar war. Kim musterte ihn geringschätzig. Er trug Jeans, deren Beine bis zu den Knien hochgekrempelt waren, seine Füße waren genauso nackt, wie sein zigeunerbrauner, muskulöser Oberkörper. Seinen schlanken, aber dennoch nicht gebrechlich wirkenden Hals bedeckte ein Halstuch und auch seine Haare, kurz und aschblond, wurden von einem Kopftuch fast völlig verdeckt. Dieses Tuch, es war dunkelblau, hatte er tief in die Stirn gezogen. Sein Gesicht wirkte sehr maskulin, eine herausstehende Nase, dünne Lippen, die sich zu einem hämischen Grinsen geöffnet hatten und so den Blick auf seine geraden, weißen Zähne freigaben und erkennen ließen, dass er eine freche Zahnlücke zwischen den oberen beiden Schneidezähnen hatte. Einzig seine Augen hatten etwas leicht Feminines. Sie waren groß und glänzten eisblau; ehrlich. Sie waren von langen dunklen Wimpern umrandet und auch seine hellen Augenbrauen waren nicht so buschig wie die Garrets. Er war insgesamt größer als Garret, so ungefähr einen halben Kopf, mutmaßte Kim, genau konnte sie es nicht sagen, da er lässig dastand, den einen Arm auf Garrets Schulter gelehnt, die andere Hand an der Gürtelschlaufe eingehakt. Garret stellte sie ihm als Kim vor und Kim hielt ihm auffordernd die Hand hin, dass er sie küsste. Dann sagte er: „Mein Name ist Diego. Es freut mich, dich kennen zu lernen, Kim. Aber sag, ich habe gestern deine Auseinandersetzung mit Philipe mitbekommen und ich muss sagen, auch ich dachte zuerst, was er dachte, also verrate mir, was machst du hier an Bord eines Schiffes voller Piraten?“ Unsicher begann sie zu drucksen, denn sie wusste es ja selbst nicht wirklich. Sie wusste nur, dass sie sich hier wohl fühlte. Hier, bei Jon und den anderen. Schließlich sagte sie: „Genau sagen kann ich es dir auch nicht, da ich selbst keinen Grund dafür finde. Alles was ich weiß, ist, dass ich mich hier zu Hause fühle. Ich wollte nicht länger bei diesen Menschen leben, die sich ihre Welt aus Lug und Trug erbauen und keinerlei Rücksicht auf ihre Mitmenschen nehmen. Und es geht mir so wie früher schon auf der Vengeance, hier ist mehr Heimat für mich, als ich es in den letzten fünf Jahren jemals erlebt habe.“ Stimmte das? War es wirklich ein so befreiendes Gefühl wie damals, an Bord des Schiffes zu sein? Aber warum sollte sie denn sonst hier sein? Hier bei Jon. Diego nickte ernst und fragte dann, genauso ernst: „Und hast du ein Verhältnis mit dem Captain?“ Erst sah sie ihm verdutzt in die Augen, nach irgendeinem Indiz suchend, dass er es nicht ernst gemeint hatte und lachte verlegen. Doch als sie nichts Ironisches feststellen konnte, da sagte sie, genauso ernst wie er, aber doch lächelnd: „Nein, ich hege kein Verhältnis zu Jon. Und da war auch noch nie eines.“ „Und willst du denn eines aufbauen?“, fragte Diego. Genervt antwortete Kim: „Nein, das will ich nicht und er gewiss auch nicht. Warum denken denn immer alle, ich hätte eine Liebschaft zu ihm?“ Nun meldete sich Garret wieder zu Wort und entgegnete unsicher: „Nun, es wirkt schon recht eindeutig, wenn du mit ihm sein Bett und seine Kajüte teilst.“ Sie warf Garret einen vorwurfsvollen Blick zu und fragte entgeistert: „Du glaubst das also auch, Garret?“ „Na ja, du hast einfach so deinen Mann verlassen und die letzten fünf Jahre weggeworfen und da ist das doch eigentlich der naheliegendste Punkt.“ Verächtlich schüttelte sie den Kopf und ging hinauf aufs Achterdeck, wo sie sich über die Reling beugte und leicht erzürnt den Horizont anstarrte. Nach einiger Zeit stellten sich dann Garret zu ihrer Linken und Diego zu ihrer Rechten Seite. Vorsichtig fragte Garret, fast wie ein Kind, das man getadelt hatte: „Bist du sauer?“ Ja. Sie wollte es ihm ins Gesicht sagen, ihn anbrüllen, wie sauer sie war, doch lächelte sie nur und schüttelte den Kopf. Innerlich kochend vernahm sie, wie er neben ihr aufatmete und es stieg eine Wut in ihren Bauch. Dann sagte Diego: „Wir wollten dir nichts unterstellen, ganz gewiss nicht, zumindest ich wollte nur ein bisschen Konversation führen.“ Konversation? Ihr etwas vorwerfen an das sie nicht einmal denken würde? Das nannte er einen Dialog? Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr sie sich wünschte jetzt einfach neben Emilio aufgewacht zu sein und ihren gewöhnlichen Alltag vollkommen normal weiter zu leben. Doch sie erwiderte: „Ist schon gut, ich weiß ja, dass ihr es nicht so meint.“ Auf einmal erschrak sie vor sich selbst. Warum log sie? War sie geworden wie die Menschen aus der Stadt, in der sie nunmehr fünf Jahre gelebt hatte? Stumpfsinnig, kurzsichtig und unehrlich? Die ganze Zeit hatte sie gedacht, sie sei anders gewesen, doch sie war es anscheinend nach einiger Zeit leid geworden zu kämpfen und hatte sich der breiten Masse hingegeben. Es erschütterte sie, wie schwach ihr Kampfgeist gewesen war; und sie hatte es selbst nie bemerkt. Gerade setzte sie an, sich selbst zu widersprechen, da hörten sie die Hilferufe einer jungen Frau und das Lachen der Männer an Bord. Schnell eilten sie auf das Mitteldeck und konnten schon früh die Blonde Frau, oder eher das blonde Mädchen, erkennen. Kim, sich selbst vergessend, brüllte: „Was macht ihr denn mit ihr? Wer ist das überhaupt?“ Die Piraten achteten nicht auf sie und sie wollte noch einmal ansetzen, da sah sie, wie Jon aus seiner Kajüte kam und mit lauter und klarer Stimme fragte: „Was ist das hier für ein Lärm?“ Schlagartig wurde es still und durch den Ring Piraten um das Mädchen bildete sich eine Gasse, sodass Jon freie Sicht auf sie hatte. Er hob leicht die Augenbraue, kam auf sie zu und fragte: „Wer bist du und was hast du auf meinem Schiff zu suchen?“ Das Mädchen stockte und sagte: „Kennt Ihr mich denn nicht mehr, Patrick? Wir haben uns doch einmal unterhalten, im Hafen…“ Kaum hatte sie ihn Patrick genannt, begannen die Männer um sie herum zu lachen, doch sie schien nicht zu verstehen, warum. Jon überlegte angestrengt, woher er sie kannte, das konnte Kim auf Anhieb erkennen. Schließlich hob er seinen Arm, um den Piraten so Stille zu gebieten und er fragte: „Du bist Marie, nicht wahr?“ Sie nickte. Dann fuhr Jon fort: „Was willst du hier? Ist dir klar, dass wir Piraten sind?“ Wieder nickte sie, doch Jon fragte noch eindringlicher: „Was machst du also an Bord eines Piratenschiffes. Du bist eine Frau und hast hier nichts verloren.“ Nun wurde ihr Gesichtsausdruck trotzig und sie sagte: „Na und? Sie ist doch wohl auch eine Frau!“ Und ihr ausgestreckter Zeigefinger deutete auf Kim, die unwillkürlich zusammenzuckte, als sich die Piraten nach ihr umdrehten. Jon jedoch sagte ruhig: „Sie haben wir mitgenommen. Dich nicht.“ Auf einmal wurde es windstill. Es war gespenstig, alles schien still geworden zu sein, sogar die Wellen, die sich am Schiff brachen. Dann sagte Marie: „Ich wollte weg.“ Neuer Wind füllte die Segel prall und zerzauste Marie und Kim das Haar. „Wohin?“, fragte Jon. Und sie antwortete ihm starrköpfig: „Kann dir doch egal sein.“ „Gut, dann soll es mir egal sein.“ Sich ihm überlegen fühlend warf sie die Haare in den Nacken und wollte sich gerade umdrehen, da zogen sich Jons Mundwinkel nach oben und er grinste hinterlistig: „Dann soll es mir auch egal sein, wenn du über die Planke springst. Philipe, Terry, sie gehört euch.“ Ungläubig riss sie die Augen und den Mund auf und keuchte: „Was?“ „Du hast ganz richtig gehört, meine Liebe. Entweder du stehst mir Rede und Antwort oder ich ziehe Konsequenzen aus deinem Handeln. Entscheide dich.“ Kim erschrak vor seiner Härte. So kannte sie ihn nicht. So war er früher nicht gewesen. Anscheinend schien auch Marie das nicht erwartet zu haben, denn sie zögerte lange und schließlich sagte Jon: „Philipe, Terry, spielt ihr Statue oder warum missachtet ihr meinen Befehl, ich will sie nicht mehr sehen.“ Kim spürte, wie sich Terry an ihr vorbeiquetschte und sah, wie er, mit einem Messer in der Hand, auf Marie zuging und Philipe hinter Jon hervorgekommen war und auch auf das Mädchen zuging. Gerade wollten die Beiden sie wegschleppen, da rief sie: „Nein! Stopp, Wartet!“ Jon, der sich schon umgedreht hatte, wandte sich ihr noch einmal zu und fragte, während ein erleichtertes Lächeln seine Lippen umspielte: „Willst du nun doch reden?“ Terry und Philipe stoppten und Marie sagte: „Ja, Captain.“ „Dann komm mit in meine Kajüte.“ Als Terry und Philipe sie abgesetzt hatten, folgte sie ihm erhobenen Hauptes in seine Kajüte. Sie warteten lange, dass sie wieder herauskamen und es dämmerte schon, da sichteten sie ein fremdes Schiff. Nun reichte es den Piraten und sie schubsten Kim zu Jons Kajüte, dass sie ihn heraushole. Sie wollte ihn nicht stören, also drückte sie ganz sachte und vorsichtig die Türklinke herunter und spähte durch einen Spalt hinein. Was sie sah erschütterte sie, Jon und diese Marie standen da und küssten sich. Sie stieß die Luft aus und schloss die Tür wieder bedächtig, als sie sich umdrehte und Philipe und den anderen sagte: „Er ist gerade beschäftigt.“ Doch Philipe wollte sich damit nicht abfinden. Er stieß Kim zur Seite mit dem Wort: „Weiber!“ Und fuhr dann, als er hart gegen die Tür klopfte fort: „Ich weiß genau, warum sie eigentlich verboten sind, sie machen nichts als Ärger!“ Dann trat er ein, ohne eine Antwort zu erwarten und brüllte: „Captain, wir haben ein fremdes Schiff gesichtet, erwarten Befehle!“ Kim stand dicht hinter Philipe und konnte so erkennen, wie sich Jon überrascht von Marie löste und fragte: „Welche Nationalität?“ „Französisch, Captain!“, bellte Philipe die Antwort, ungeachtet der Tatsache, dass sein Captain gerade eine Frau geküsst hatte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Jon eilig an Deck und nahm Rico, der gerade Ausschau gehalten hatte, das Fernrohr aus der Hand. Als er sich das andere Schiff genau angesehen hatte, umspielte seine Lippen ein erfreutes Lächeln und er rief: „Hisst unseren Roger, Männer, das da vorne, dieses vermeintlich französische Schiff da, das ist kein geringeres als die Nuit. Und auf ihr natürlich Monsieur Noir. Nun spähte er wieder durch das Fernrohr und rief: „Und dort hinten, ungefähr zwei Seemeilen entfernt, da ist eine Insel. Lasst uns heute Nacht vor Anker gehen und mit unseren Genossen feiern!“ Die Piraten schienen von dieser Idee begeistert, nur Kim hielt sich dezent im Hintergrund und sagte nichts dazu, sondern verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete Jon misstrauisch. Die Crew der Nuit und dieser Monsieur Noir hatten anscheinend die gleiche Idee gehabt wie sie, denn auch sie hissten ihren Jolly Roger und steuerten auf die seichteren Gewässer zu. Als sie am Abend am Lagerfeuer saßen, mit Rum versorgt, da bestand Jon darauf, dass Kim ihm Gesellschaft leistete. Ständig wollte er den Arm um die Schulter legen, doch immer wieder lehnte sie dies entschieden ab. Zuweilen streifte ihr Blick Marie, die bei den anderen Piraten saß und mit ihnen lachte, sang und sprach. Wieso kam sie auf Anhieb so gut mit ihnen aus? Sie sah hübsch aus, schien nicht dumm, anscheinend auch lustig und freundlich. Sie war perfekt. Doch Kim wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Jon seinen Kopf an ihrer Schulter anlehnte und seine Hand nun auf ihren Oberschenkel legte. Erschüttert sprang sie auf und fragte ihn, so leise es in ihrer Hitzigkeit ging, damit sie ihn nicht bloßstellte: „Was hast du denn vor? Schon den ganzen Abend spüre ich, dass du dich anders verhältst, sonst warst du nie so anschmiegsam.“ Auch Jon erhob sich, kühl. Er zog sie am Arm etwas weiter weg von Monsieur Noir. Anscheinend wollte er nicht, dass er etwas von diesem Gespräch mitbekam. Als sie dem Schein des Feuers entzogen waren, da sagte er: „Sag doch nicht, du hättest etwas dagegen. Alles spricht dafür. Du hast uns geholfen deine Stadt zu überfallen, hast deinen Mann verlassen, nach einem Jahr der Ehe, wärst heute vor Eifersucht fast zersprungen als ich Marie küsste. Und wer hat sich letzte Nacht an mich geschmiegt, wie eine Katze?“ „Nein, nein, nein, Jon! Das ist nicht so! Du verstehst das alles falsch!“ Verständnislos schüttelte Jon den Kopf und fragte: „Warum denn? Nun tu doch nicht so, als empfändest du für mich nicht genauso wie ich für dich. So etwas beruht immer auf Gegenseitigkeit.“ „Nein, Jon. Diesmal nicht. Es tut mir Leid.“, sich sehr unwohl fühlend und fröstelnd sah sie zu Boden. Doch Jon ließ nicht locker. „Nun komm schon, schon seit damals, seit unserem Kuss in Brasilien, deinem Heimatland liebe ich dich. Ich habe es akzeptiert, dass du Leo liebtest, dass du Charles liebtest, diese anderen beiden Kerle. Aber jetzt liebst du niemanden, warum dann nicht mich? Der Kuss ging doch auch von dir aus und in deinen Träumen hast du immer geredet, du sagtest, du liebtest mich…“ „Das hat Alice dir eingeredet.“ „Du selbst hast es auch gesagt, an jenem Abend als wir uns im Mondschein küssten, du hattest dir den Knöchel verstaucht und warst am Strand eingeschlafen. Ich habe dich aufgelesen und huckepack zurück getragen, da hast du mir gesagt, du hättest in deiner Vision gesagt, du liebtest mich. Warum willst du es leugnen? Warum tust du das?“ „Bitte, Jon, ich möchte nicht, dass unsere Freundschaft unter so etwas leidet. Lass uns zurückgehen und dieses Gespräch vergessen, du hast schon einiges getrunken…“ „Nein!“, brüllte er auf einmal. „Warum tust du mir so etwas an? Freundschaft, pah! Darauf kann ich verzichten! Versteh doch, dass ich dich begehre, dich brauche, nicht als Freund, Kumpel, Kamerad. Sondern als Frau.“ Er streichelte ihr durch die Haare und blieb an einer Haarsträhne hängen. Kim konnte es nicht glauben. Sie sah auf und hoffte in seiner Mimik, in seiner Gestik zu erkennen, dass das ein schlechter Scherz war, doch als sie in seine Augen sah, stellte sie erschrocken fest, dass es sein Ernst war. Vorsichtig fragte sie: „Das ist dein Ernst? Kein Scherz, kein Witz?“ Anscheinend hatte sie ihn durch diese Aussage etwas verletzt und er antwortete: „Noch nie in meinem Leben war mir etwas ernster.“ „Jon, ich kann nicht, ich liebe dich nicht. Da ist kein Kribbeln im Bauch, wenn ich dich sehe, dich berühre, in einem Bett mit dir schlafe. Es tut mir so leid.“ „Warum machtest du mir dann solche Hoffnung?“ Sie schluckte schwer und er schien in ihren Augen eine Erklärung zu suchen, doch dann drehte er sich weg und ging wieder zu Monsieur Noir. Vollkommen verwirrt ließ sich Kim auf dem Boden nieder und sah in die Sterne. Was war denn eben gerade geschehen? Hatte Jon ihr tatsächlich seine Liebe gestanden? „Hey!“ Sie blickte auf zu der Person, die sie in ihren Gedanken störte und erkannte das blonde Mariechen. Kim lächelte affektiert und erwiderte ihren Gruß. Dann ließ sich Marie neben ihr nieder, nicht wirklich darauf bedacht, ihren Rock zu ordnen und fragte: „Was hat denn der Captain mit dir besprochen?“ „Nichts von Belang“, antwortete Kim knapp und Marie fragte weiter: „Wie findest du den Captain eigentlich? Ich finde ihn begehrlich, sinnlich. Hast du ihn schon einmal geküsst oder gar mit ihm geschlafen? Also ich…“ Mit aufgerissenen Augen starrte Kim Marie an und fragte: „Du hast mit ihm geschlafen?“ Marie kicherte leise und antwortete: „Ja, hab ich und ich muss sagen, er ist sehr zärtlich, nicht wie die Freier, die ich sonst hatte.“ „Und was machst du hier an Bord?“, fragte Kim ruppig. Ihr gefiel die Antwort, die Marie ihr gegeben hatte ganz und gar nicht. „Ich wollte weg. Diese Stadt mochte ich nie leiden. Mit meinem Beruf habe ich mich abgefunden, aber nicht mit diesem Ort. Also habe ich mich an Bord des Schiffes geschlichen und bin sozusagen als blinder Passagier mitgekommen.“, lächelte sie. Ihr Lächeln war durch und durch ehrlich, da war nichts Geheucheltes, nichts Falsches, so sehr Kim auch nach einem Fehler der Perfektion Maries suchte, sie fand ihn nicht. Und als sie nichts sagte, fragte Marie: „Und warum bist du hier an Bord? Was ist dein Beruf? Im Hafen habe ich dich nie gesehen.“ Gehässig antwortete sie: „Mein Mann hat für mich gearbeitet. Und im Hafen haben meine Diener und Sklaven für mich gearbeitet und eingekauft.“ Kurzzeitig verlor Marie ihr Lächeln und ihre perfekten Lippen verdeckten ihre makellosen Zähne. Ihre blauen Augen sahen Kim leicht erschüttert an und sie sagte: „Ich mag Sklavenarbeit nicht. Ich denke, Schwarze sind genauso Menschen wie du und ich.“ Am liebsten hätte Kim ihr ins Gesicht geschmettert: „Ich bin ein Mensch; du bist perfekt, Menschen sind nicht perfekt!“ Doch sie beherrschte sich und hörte Marie zu ende an: „Deshalb sind mir Piraten lieber als Reiche. Bei Piraten werden Schwarze gleichgestellt.“ Kim nickte ungerührt. Sie war mit Sklaven im Hause aufgewachsen, doch ihre Eltern hatten diese nie wie Vieh behandelt, genauso wenig wie sie. Marie hatte sich ein einfaches Schema für die Welt aufgebaut. Kim verabscheute es. „Ich finde es schön, dass ich nicht die einzige Frau an Bord bin. Lass uns doch Freundinnen werden, dann ist es viel schöner. Ich bin übrigens Marie“, lächelte sie wieder. Doch Kim sah ihr das erste Mal direkt in die Augen und konnte sehen, wie unwohl sich Marie dabei fühlte. Kims Blick durchbohrte sie. Nun hatte Kim Maries Schattenseite entdeckt und sie sah ungeniert durch deren Augen in ihre Seele. Schließlich sagte sie, ein übertriebenes Lächeln aufsetzend: „Nun, Marie. Ich lege keinen Wert auf eine Freundschaft mit dir. Geh erst mal in die Welt, öffne deine naiven blauen Äuglein und komm wieder, wenn du gelernt hast, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.“ Leicht verwirrt stand Marie auf, lächelte Kim noch einmal konfus zu und ging dann. „Miststück!“, zischte Kim, gerade noch so laut, dass Marie es verstand. Zwar drehte sie sich nicht zu ihr um, doch sie wusste, dass Marie es verstanden hatte. Kim beobachtete Marie noch eine Weile. Sie war zu den Männern zurückgekehrt, als sei nichts geschehen und lachte wieder mit ihnen. Da stieg ihr der scharfe Geruch von Tabak in die Nase. Sie schaute auf und sah neben sich Philipe stehen, der eine Zigarette rauchte und Marie genauso missbilligend musterte wie Kim. Abwesend sagte er: „Sie ist ein kleines billiges Luder. Würde alles tun für ein paar Achterstücke. Darf ich?“ Sie nickte und er setzte sich neben sie. Dann fuhr er fort, Kim noch immer nicht ins Gesicht schauend: „Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich irrte, was dich und den Kapitän angeht. Du bist kein solches Allermannsliebchen wie die da.“ Er nickte in Richtung Marie. Freundlich lächelnd bedankte sich Kim und sah, wie der Pirat kaum merklich errötete. Sie musste ein wenig kichern und er zeterte, fast wie ein Waschweib: „Ich werde aber nicht immer so freundlich zu dir sein, Kim, sei dir dessen bewusst.“ Sie nickte und entgegnete: „Es ist aber schön zu wissen, dass du ehrlich bist und ich nicht die einzige bin, die diese Marie nicht ausstehen kann.“ Er lachte schallend und meinte: „Oh nein, das wahrlich nicht. Ich verstehe nur nicht, warum die Männer auf sie hereinfallen. Sie sieht die Welt noch immer als Scheibe, ihre Naivität nervt mich. Ich hasse Weiber, die nichts von der Welt wissen und bis jetzt dachte ich, das wäre bei unserem Captain auch so gewesen, doch anscheinend irrte ich mich. Warum lässt du dich eigentlich nicht mit ihm ein? Dir würde ich ihn gönnen.“ Abwesend sah sie aufs Meer hinaus und antwortete ihm nach einiger Zeit: „Ich liebe ihn nicht. Daran liegt es.“ „Und warum liebst du ihn nicht?“ „Dazu ist das Band unserer Freundschaft zu tief.“ „Dann solltest du aufpassen, dass du ihm keine falschen Hoffnungen machst, denn so wie ich ihn kenne, hat er ein Auge auf dich geworfen.“ Waren Jons Gefühle denn für jeden außer ihr so offensichtlich? Sie suchte die Piraten nach Jon ab und fand ihn, das Gesicht und Maries Rücken zu ihr, sich mit der Hure küssend. Er schien sie die ganze Zeit beobachtet zu haben, doch als sich ihre Blicke trafen und er sicher war, dass sie hinsah, da schloss er die Augen und der Kuss zu Marie wurde augenscheinlich immer leidenschaftlicher. Angewidert wandte Kim den Blick ab. Philipe, der der Richtung ihrer Augen gefolgt war, sah weiterhin zu und meinte: „Er will dich eifersüchtig machen. Siehst du es? Schon die ganze Zeit geht er mehr halbherzig mit ihr um, doch kaum siehst du hin, da wandelt es sich zu einem leidenschaftlichen, feurigen Kuss. Er ist verliebt, über beide Ohren. Aber er muss aufpassen, für einen Piratenkapitän kann es gefährlich werden, wenn er liebesblind wird. Ist er nicht achtsam, droht eine Meuterei. Sag das deinem Freier.“ Damit schnippte er seine Zigarettenkippe ins Meer und ließ sie wieder allein. Auch sie erhob sich langsam und ging zurück, in den Schein des Lichtes des Lagerfeuers. Sie setzte sich zu Garret, Laffite und Terry und lauschte ihrem Gespräch halbherzig, während sie weiterhin Jon und Marie beobachtete. Sie musste leicht lächeln, als sie mit der Hand seinen Oberschenkel aufwärts fahren wollte, er diese jedoch festhielt und von seinen Beinen nahm. Sogleich warf er einen flüchtigen Blick zu Kim und als er sie grinsen sah, da wurde es ihm anscheinend zu blöd und er stieß Marie von sich. Er schnappte sich noch eine Flasche Rum und ging zu ihr hin. Sogar beim geraden Gehen wankte er und kaum, dass er bei ihnen war, da stolperte er und stürzte. Sein Kopf schlug hart auf einem Stein auf, doch er rappelte sich wieder auf. Der Rest der Crew schien dieses Malheur nicht bemerkt zu haben, aber sie sprang dennoch auf, packte ihn und zerrte ihn hinter sich her, außer Sichtweite der anderen Piraten. Dann blaffte sie ihn an: „Was ist denn mit dir los? Was macht es denn für einen Eindruck, wenn der berüchtigte Captain der Miloké besoffen stolpert und sich das Genick bricht?“ Er jedoch ging nicht auf sie ein, sondern hielt sich den Kopf und jammerte leise. Ruppig riss sie seine Hand von der Wunde und herrschte ihn an: „Gib mir deine Zündhölzer, ich will sehen, was du dir getan hast.“ Er zückte die Streichhölzer aus seiner Tasche und reichte sie ihr ohne zu murren. Sie entzündete eines und hielt es vor Jons Gesicht. Doch es war nicht viel zu erkennen. Nur eine Beule und viel Sand. Sie pustete das Zündholz wieder aus, gab Jon das Schächtelchen zurück und sagte, als er wieder zu klagen begann: „Nun stell dich nicht an, es ist nur eine Beule, so schlimm kann es kaum sein.“ Prompt hielt er den Mund. Nun holte Kim ein unbenutztes Taschentuch aus ihrer Tasche und begann sein Gesicht zu säubern. Doch er hielt sie am Handgelenk fest, zog sie ganz nahe an sich und fragte, so ernst wie ein Sechsjähriger: „Kannst du es gesund küssen?“ Erst sträubte sie sich, doch schließlich lächelte sie gequält: „Ich will es versuchen.“ So stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Stirn. Sie spürte genau wo die Beule war, sie war schon reichlich angeschwollen und die Stelle war auch ganz heiß geworden. Vorsichtig pustete sie noch einmal und streichelte darüber. Dann fragte sie ganz leise: „Und? Wird es besser?“ Er nickte, schwankte aber im nächsten Moment gefährlich, sodass Kim ihn festhalten musste, damit er nicht wieder umfiel. Schließlich seufzte sie, sich in den Sand setzend: „Na los, leg deinen Kopf auf meinen Schoß und schlaf ein wenig. So kann man ja gar nichts mehr mit dir anfangen.“ Er willigte ein, doch bevor er sich hinlegte, küsste er sie noch einmal sanft und zärtlich auf die Lippen. Bei diesem Kuss bekam Kim ein ganz flaues Gefühl im Magen. Hatte sie ihm denn nicht schon zuvor klargemacht, dass es keinen Sinn machte? Er drehte sein Gesicht zu ihrem Bauch, umschlang diesen mit seinen Armen und sie spürte, wusste, dass er ihren Duft einsog, gleich einer Droge. Es war wohl gerade halb eins, da weckte Kim Jon und flüsterte: „Wach auf, Jon, wir müssen zurück, sonst schöpfen sie Verdacht.“ Murrend setzte er sich auf und fragte, sich den Kopf haltend: „Was ist passiert, wo sind wir hier und warum dröhnt mein Schädel so?“ Kim stand auf, klopfte sich den Sand von den Kleidern, schüttelte ihre eingeschlafenen Beine und antwortete: „Du warst besoffen und hast dir den Schädel recht hart gestoßen. Da hab ich dich mit hierher genommen, damit du wieder zu Sinnen kommst. Hast du denn den ganzen Abend vergessen?“ „Ja, nein, ich weiß nicht.“, druckste er. „Du hast alles vergessen. Auch unser Gespräch“, seufzte sie, wusste jedoch nicht, ob sie das freuen oder bedauern sollte. Doch im nächsten Augenblick fragte Jon mit weit aufgerissenen Augen: „Unser Gespräch? Habe ich dir irgendetwas gesagt? Vergiss alles, es war nur im Suff dahergeredet.“ „Vergessen? Warum denn…“ „Das heißt, du fühlst…“, unterbrach er sie angespannt, doch sie sprach unbeirrt weiter: „Du hast mir nur erzählt, wie du mit Emilio in der Kneipe warst und er eine Hure auf dem Schoß hatte.“ „Und das war alles?“, fragte er misstrauisch. Kim lächelte traurig, weil sie wusste, dass es die Wahrheit war und log: „Das war alles. Wolltest du mir denn noch etwas sagen?“ Hastig hob er abwehrend die Hände und rief: „Nein, nein, um Gottes Willen! Ich habe das nur gesagt, falls ich dir etwas erzählt hätte, was nicht für deine zarten Frauenohren gedacht wäre.“ Natürlich, dachte sie, innerlich lachend. Er hatte ihr seine Liebe gestanden und sie sagte es ihm nur nicht aus Taktgefühl. Diesen Abend stellte keiner der Piraten eine Frage oder machte eine dumme Bemerkung, doch Kim musste daran denken, wo sie wohl ab heute schlafen wollte. Bei Jon würde Marie schlafen und mit dieser Person wollte sie nicht in ein Zimmer. Andererseits war ihr die Vorstellung, unter Deck mit einem Haufen halbnackter, schnarchender, lüsterner Männer zu schlafen auch nicht ganz geheuer. Sie würde wohl Jon fragen müssen, was er vorschlug. Aber das musste sie geschickt anstellen, denn er mochte Marie ja anscheinend. Wieso verstand sie nicht. Die ganze Zeit hing sie an ihm, redete auf ihn ein, ohne ihn auch nur ein Wort erwidern zu lassen. Kim wusste nicht recht, ob sie ihn bemitleiden oder auslachen sollte. Sie hatte sich wieder zu Terry, Laffite und Garret gesellt, die sie neugierig über das Eheleben ausfragten. Nun war diese Nacht und damit auch Jons Geständnis seiner Liebe schon gut eine halbe Woche her. Er hatte Marie mit den Worten: „Du bist es ja gewohnt“ zu den Männern in den Bauch des Schiffes gelegt und Kim bei sich behalten. Jedoch wusste sie nicht so recht, ob sie sich darüber freuen sollte, denn seine Liebeserklärung hatte sie noch immer nicht vollends verkraftet. Sie suchte den Abstand zu ihm und er suchte ihre Nähe, am Tag wie bei Nacht. Nachts konnte Kim kaum mehr einschlafen, ständig war sie darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, schlief ganz am Rande des Bettes und überlegte immer, an was er dachte, wenn er da neben ihr lag. Anscheinend war sie aber zu auffällig, denn am vierten Tage der Woche nahm Jon sie mit sich in seine Kajüte, bot ihr einen Stuhl an, setzte sich ihr gegenüber und fragte: „Kim, was ist los?“ Schuldbewusst lächelte sie: „Was meinst du? Mit mir ist nichts.“ Ruhig entgegnete er: „Versuch nicht, mir etwas vorzumachen, Kim, seit dem Abend als wir auf Monsieur Noir gestoßen sind, hältst du dich fern von mir, um nicht zu sagen, du meidest mich.“ „Verzeih, wenn es dir so vorkommt, als meide ich dich. Das ist wahrscheinlich wegen Emilio, ich hänge noch immer an ihm“, log sie ihn angespannt an. „Warum lügst du mich schon wieder an? Ich weiß, dass du ab dem zweiten Tage auf meinem Schiff kaum noch an ihn denkst, geschweige denn ihn vermisst. Warum kannst du mir nicht sagen, was ist? So wie früher, da hast du mir doch auch alles gesagt.“ Melancholisch lächelnd antwortete sie ihm: „Es ist aber nicht mehr wie früher. Früher haben wir uns vier Jahre lang jeden Tag gesehen, du warst ein Freund für mich, eher ein großer Bruder, ein Vater. Aber ich habe mich verändert und du auch. Ich kann dir nicht auf Anhieb wieder so vertrauen wie früher, es tut mir Leid, ich bin nicht so naiv wie Marie.“ Damit wollte sie aufstehen und seine Kajüte verlassen, doch er packte sie am Handgelenk und hielt sie zurück. Dann lächelte er gequält: „Nein, du bist nicht wie Marie und ich würde es nie wagen euch zu vergleichen. Aber es macht mich traurig, wenn du mich scheust wie ein gebranntes Kind das Feuer. Habe ich dir denn etwas getan? Bitte sag es mir, damit ich dich um Verzeihung bitten kann.“ Traurig schüttelte sie den Kopf und sagte: „Es gibt nichts zu verzeihen, Jon, ich will dich einfach neu kennen lernen.“ Gerade wollte er etwas erwidern, da hörten sie von draußen Pepe, der ins Krähennest eingeteilt war, rufen: „Fremdes Schiff in Sicht, hart Steuerbord!“ Prompt sprang Jon auf und eilte nach draußen auf die Luv- und Steuerbordseite des Schiffes, um dort durch sein Fernrohr das fremde Schiff zu begutachten. Kim stand direkt neben ihm und hörte ihn so murmeln: „Handelsschiff… spanisch…“ Dann drehte er sich diabolisch grinsend zur Crew um, die gespannt auf sein Urteil wartete und er sagte in die gespannte Stille hinein: „Ein spanisches Handelsschiff, Männer, es ist groß; wahrscheinlich hat es auch entsprechend viel Gold geladen. Ich sage, wir greifen es an!“ Daraufhin johlten die Piraten auf und begannen sich kampfbereit zu machen. Sie hissten eine portugiesische Flagge und steuerten auf das spanische Schiff zu. Plötzlich fiel Kim ein, dass sie ja gar keine Waffen mehr besaß. Eilig suchte sie Jon und fand ihn beim Steuermann. Er schien angespannt, so zupfte sie ihn schüchtern am Ärmel und als er sich zu ihr umdrehte und sie ungeduldig anblickte, da verschlug es ihr die Sprache. Gespannt fragte er: „Was?“ Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und wisperte: „Ich habe keine Waffe.“ Er atmete tief durch und sagte dann, sich anscheinend redlich bemühend, zu lächeln: „Geh in meine Kajüte, dort unter dem Schreibtisch steht eine Kiste. Aus der holst du dir eine Pistole und ein Entermesser.“ Gerade wollte sie loslaufen, da rief er: „Aber du brauchst meinen Schlüssel.“ Leicht errötend kam sie noch einmal zu ihm und nahm den Schlüssel in Empfang. Als sie in Schussweite waren und die Kanonen positioniert waren, rief Jon: „Feuer!“ Und die Lunten wurden in Brand gesteckt. Es war ein Ohrenbetäubender Lärm und es drückte die Kanonen jedes mal nach hinten, sodass sie zusätzlich zu den Tauen an denen sie festgemacht waren, von zwei oder gar drei Mann gestützt werden mussten. Ihren Jolly Roger hatten sie schon gehisst, als sie das Schiff außer Fluchtgefahr wussten. Der Schuss saß. Direkt in die Steuerbordseite des spanischen Schiffes. Kurze Zeit später konnten sie die Reling des anderen Schiffes schon fast berühren, doch die Piraten hielten sich zurück, grölten nur und warteten, dass ihr Captain ihnen Befehle erteilte. Dieser stieg auf die Reling der Miloké und rief, sodass auch die Mannschaft des gegnerischen Schiffes, die schon fast vor Angst zitterte, ihn hören konnte: „Männer, dieses Schiff heute war ein großer Fang. Mit der Beute können wir uns einiges leisten!“ Doch kaum hatte er das gesagt, da stürzte der spanische Kapitän auf ihn zu, mit gezücktem Entermesser, und brüllte: „Noch habt ihr uns nicht besiegt!“ Jon hatte mit dem Rücken zu ihm gestanden, aber er drehte sich blitzschnell um, packte den Kapitän beim Kragen, hielt ihm eine Pistole an die Schläfe und grinste: „Oh doch, mein Bester, das haben wir.“ Dann schoss er. Das Blut spritzte und übergoss einen Spanier, der atemlos an sich herunter sah und im nächsten Augenblick das Schreien begann. Darin sahen die Piraten ihr Zeichen. Sie schwangen sich an Deck des Handelsschiffes und nahmen den Kampf auf. Auch Kim, doch sie musste bitter feststellen, dass sie aus der Übung war, als sie gegen einen jungen Spanier kämpfte. Allein hätte sie es nie geschafft, doch gerade als er ihr das Entermesser aus der Hand geschlagen hatte, stand Jon ihr zur Seite und kämpfte für sie weiter. Sie bückte sich, um ihr Entermesser wieder aufzuheben, da spürte sie, wie sich jemand von hinten an sie heranschlich. Langsam und leise zog sie ihre Pistole, drehte sich um und schoss. Sie traf den Spanier am Arm, sodass er vor Schmerzen schreiend seinen Säbel fallen ließ und auf die Knie stürzte. Kim hob das Entermesser auf, ging auf ihn zu und durchbohrte ihm die Brust. Im nächsten Moment glitt ihr Blick zurück auf das Deck der Miloké, wo Marie stand und ihnen angsterfüllt zusah. Was wollte das Mädchen denn auf einem Piratenschiff, wenn es kämpfen weder konnte, noch wollte. Der Kampf dauerte nicht lange und die spanische Crew ergab sich bedingungslos. Sie und die geladenen Waren wurden auf die Miloké gebracht und über die Spanier relativ schnell ein Urteil gefällt; die Minderheit von ihnen wurde hingerichtet. Der Rest desertierte. Am Abend feierten die Piraten, es war ein heiteres Fest, die Seeräuber tanzten, sangen, lachten und tranken natürlich. Nur Kim saß allein an der Reling gelehnt und schaute auf die Männer und doch ins Leere. Es war schwer für sie gewesen, diese Menschen sterben zu sehen. Es gab eine Zeit, da hatte es ihr nichts ausgemacht, doch schon als sie gesehen hatte, wie Jon den spanischen Kapitän erschossen hatte, war es ihr hochgekommen. Sie dachte darüber nach, ob diese Männer wohl zu Hause, in Spanien, eine Familie hatten, Kinder und eine Frau; es war nahe liegend und Kim machte sich vorwürfe deswegen und versuchte den Gedanken zu verdrängen. Da richtete sich ihr Blick auf Marie. Sie stand, recht besoffen, bei einem Piraten, Kim glaubte, er hieß Tito, im Arm und lachte zusammen mit der Schar der Seeräuber, die um sie standen. Da setzte sich Jon neben sie, eine Flasche Rum in der Hand und fragte sie: „Magst du Marie?“ „Sie ist blond und naiv“, sagte sie ohne ihren Blick von Marie abzuwenden. Sie spürte Jons Blick auf sich ruhen und er sagte schlicht: „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Nun sah sie ihn doch an und erkannte, dass er etwas getrunken hatte, aber seine Gedanken dennoch vollkommen klar waren. Wieder wegschauend antwortete sie: „Nein. Magst du sie denn?“ „Ich habe sie geküsst und mit ihr geschlafen.“ „Das ist keine Antwort auf meine Frage“, wiederholte sie seine Aussage. „Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Ich kenne sie und weiß doch nichts von ihr. Sie ist nicht sie. Ich spüre es, sie verstellt sich, passt sich ihrer Umgebung an.“ „Was meinst du damit?“, fragte Kim verwirrt. „Ich habe Mitleid mit ihr. Sie kann nicht sein wie sie ist.“ Kim schwieg. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht – er hatte Recht. Marie stand da, lachte und trank, aber es war nicht sie. Sie war nicht nur unglücklich mit der Stadt in der sie gewesen war, sie war auch unglücklich mit ihrem Beruf, mit ihrem ganzen Leben. Und langsam begann Kim zu verstehen. Sie verstand, warum Marie so naiv war, sie hatte die Welt noch nicht aufgegeben. Zumindest nicht ganz. Sie glaubte an das Gute im Menschen, so schlecht dieser auch war. Und das fiel am leichtesten, wenn man nur aus einer Perspektive betrachtete. Sie machte sich ihr kompliziertes Leben so einfach wie möglich, sie passte sich den Menschen an, denen sie begegnete und war zu allen freundlich. Sie glaubte, was man gab bekam man zurück. Doch schon vor langer Zeit hatte Kim das Prinzip verstanden. Es lief nicht so einfach, wie man es gern hätte; man konnte zu manchen Menschen noch so nett sein, ihnen alles von sich geben und bekam doch nichts dafür. Und auf einmal schämte sie sich, dass sie so abweisend zu Marie gewesen war. Das Mädchen brauchte nur eine Freundin, die ihr richtig zuhörte, bei der sie sein konnte, wie sie wirklich war, mit allen ihren Ecken und Kanten. Denn erst Fehler machen den Menschen einzigartig. „Warum sagst du nichts?“, riss Jon sie aus ihren Gedanken. Kim lächelte sanft und sagte: „Du hast Recht. Ich schäme mich, dass ich so gemein zu ihr war.“ Gerade unterhielten sich die Beiden über die vergangene Schlacht, da übertönte Geschrei den Gesang, die Musik und alle sonstigen Stimmen. Der eine Brüllte: „Fass meine Marie noch einmal an und du wirst deinen Lebtag keine Frau auch nur mehr ansehen können!“ Doch der andere lachte: „Und wie willst du halbe Portion das anstellen? Denkst du, mir macht auch nur einer deiner Schläge etwas aus? Denkst du, ich würde sie überhaupt spüren?“ Es war schlagartig still geworden. Auch Kim und Jon hatten ihr Gespräch unterbrochen und er sprang nun auf und lief auf die beiden Streithähne zu. Kim erhob sich ebenfalls und ging zum Geschehen. Marie stand relativ am Rande und die beiden Kerle, Tito und Warren, mussten schon von den umstehenden Piraten festgehalten werden, damit sie nicht aufeinander losgingen. Sie funkelten sich zornig an und fuhren fort, sich anzubrüllen. Da rief Jon: „Was ist denn zum Teufel hier los?“ Prompt antwortete ihm Tito, ohne den Blick von Warren abzuwenden: „Der Kerl hat meine Marie belästigt und begrabscht!“ Und Warren entgegnete: „Und wovon träumst du bitte nachts? Ich habe sie nach Tabak gefragt und habe aus versehen ihre Hand gestriffen!“ Jon schüttelte resignierend den Kopf und sagte dann: „Von mir aus prügelt euch oder fechtet es im Duell aus…“ Nun wurde seine Stimme lauter und heftiger. „Aber tut das gefälligst nicht auf meinem Schiff! Warum könnt ihr Holzköpfe nicht warten, bis wir wieder an Land sind?“ Verdutzt starrten die Piraten auf Jon und ein Rotschopf fragte ihn: „Und was sollen sie jetzt tun?“ „Na der Eine bleibt bei seiner Marie und der Andere geht wieder zu seiner Gruppe und die Beiden gehen sich aus dem Weg so gut es geht“, antwortete er genervt. Vorsichtig wurden die Beiden losgelassen und sie taten tatsächlich, was Jon ihnen gesagt hatte. Zwar warfen sie sich noch ein paar garstige Blicke zu, doch ansonsten sprachen sie kein Wort mehr miteinander. Genervt ging Jon wieder an die Reling der Luvseite des Schiffes und setzte sich dort nieder, Kim im Schlepptau. Als diese noch einen Blick auf Marie warf, erkannte sie, dass diese überhaupt nicht verstanden hatte, dass es um sie gegangen war und abermals schürte Kim ihren Hass auf diese Person. Im Laufe der Nacht ging Kim in Jons Kajüte, um sich umzuziehen. Sie hatte mit Marie getauscht, da sie es nicht mehr ertragen hatte, Jon solche Hoffnungen zu machen, hatte dessen Kajüte geräumt und war zur Mannschaft in den Bauch des Schiffes gezogen. Doch richtete sie sich dennoch noch in Jons Kajüte. Sie nahm ihren Ohrring aus dem Loch in ihrem Ohrläppchen, da fiel ihr die Perle aus der Hand und rollte zu seinem Schreibtisch. Gerade krabbelte sie darunter, da hörte sie, wie sich die Tür öffnete und jemand eintrat. Die Tür schloss sich wieder und ein Mann, Jon, fragte: „Wie lange gedenkst du eigentlich hier an Bord zu bleiben, Marie?“ Sie antwortete mit säuselnder Stimme: „ Mir gefällt es hier so gut, ich wünschte, ich könnte für immer bleiben.“ „Du weißt genau, dass das nicht geht. Ich teile auch nicht ewig mein Bett mit dir“, entgegnete er kühl. „Und wie lange kann ich noch bleiben?“ „Wir steuern jetzt New Providence an, wo wir wahrscheinlich in einer Woche ankommen werden, da setzen wir dich ab.“ Marie schwieg und nach einer Weile sagte Jon: „Willst du dich jetzt hinlegen oder kommst du noch einmal mit hinaus?“ Kim hörte Marie nichts sagen, doch die Tür wurde geöffnet und zwei Personen traten hinaus. Vorsichtig kam Kim wieder unter dem Schreibtisch hervor und dachte über das nach, was sie gerade gehört hatte. Marie tat ihr Leid, schon in einer Woche musste sie wieder dem Gewerbe der Hurerei nachgehen, um sich ihr Täglich Brot zu verdienen und Hurenwirte waren Weißgott nicht freundlich zu ihren Nichten. Bedächtig zog sie sich für die Nacht um und ging dann unter Deck, um sich in ihre Hängematte zu legen. Es waren immer zwei übereinander aufgespannt, damit man mehr Platz hatte. Sie hatte die obere bezogen. Erst konnte sie kaum einschlafen doch dann packte sie der Schlaf und zerrte sie in einen Traum. Da stand ihr altes Haus, mit eingeschlagenen Fenstern und eingerannten Türen. Und im Wohnzimmer saß Emilio, auf dem Sofa, das Gesicht in den Händen. Es sah fast aus als weine er, doch im nächsten Augenblick sprang die Salontür auf und eine blonde Frau stand in der Tür. Sie sah missgestimmt aus. Emilio schaute auf, fasste sich und fragte freundlich lächelnd: „Was kann ich für Euch tun, Gnädigste?“ „Ich will zu Kimberley“, antwortete sie ihm kalt. „Die ist nicht da“, flüsterte Emilio geknickt. Die blonde Frau ließ sich auf dem Sessel nieder, legte die Füße, die in Stiefeln steckten, auf den Tisch und fragte ruppig: „Und wann kommt sie wieder? Ihr seid doch ihr Ehemann, also müsstet Ihr es wissen.“ Demütig sah er zur Seite und lächelte traurig: „Sie kommt nie wieder, sie ist weg; mit diesem Genitson.“ Die Frau riss die Augen auf, nahm die Füße vom Tisch, lehnte sich angespannt vor und fragte nachdrücklich: „Genitson? Jon Genitson, der Pirat?“ „Genau der. Aber dürfte ich fragen, wer Ihr seid, wenn Ihr einfach in mein Haus platzt und mich nach meiner Frau fragt? Kanntet Ihr sie? Wart Ihr mit ihr befreundet?“ Die Frau lehnte sich wieder zurück, fasste sich mit der Hand an die Stirn und lachte: „Nein, welche Ironie. Da habe ich endlich wieder ihre Spur aufgenommen und sie ist mit Jon durchgebrannt!“ Sie lachte schallend, aber auf einmal wurde sie vollkommen ernst und knurrte: „Das bereut das Luder.“ Nun wurde Emilio nervöser und er fragte erneut, diesmal fester: „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von Kim?“ Alice pfiff durch die Finger und im nächsten Moment kamen drei Untote durch die Tür. Die Frau nickte ihnen zu, daraufhin zog einer seine Pistole und schoss auf Emilio. Dieser brach auf dem Sofa zusammen und noch bevor er ganz das Bewusstsein verlor, stellte sich die blonde Frau vor ihn und grinste: „Gestatten? Alice Awden.“ Damit verlor Emilio das Bewusstsein und starb nur wenige Sekunden später. Als Kim aufwachte, fand sie sich nicht in ihrer Hängematte wieder, sondern auf Philipe, der unter ihr schlief. Er war anscheinend nicht aufgewacht, denn er legte nun seine Arme um sie, als wäre sie ein Stofftier. Verzweifelt suchte sie sich aus dieser Umarmung zu lösen und schaffte es nach einiger Zeit auch, ohne dass er aufwachte. Leise schlich sie sich an Deck, wo nun niemand mehr war. Sie ging ein wenig auf und ab und sann darüber nach, was sie gerade gesehen hatte. Emilio war tot. Aber Kim weinte nicht. Er hätte sein Leben weggeworfen, er hätte sich dem Alkohol hingegeben, es war besser so. Sie wusste, wie selbstgefällig das war, doch wusste sie auch, dass es die Wahrheit war. Aber Alice hatte ihn umgebracht. Für einen Moment dachte sie daran, Jon zu wecken und ihm davon zu erzählen, doch dann beschloss sie, dass dazu auch noch am nächsten Tag genug Zeit war. So blieb sie noch ein wenig an der frischen Luft und ging dann wieder unter Deck, um sich irgendwie in ihre Hängematte zu legen, ohne dass sie Philipe weckte. Lange Zeit konnte sie nicht einschlafen und es lag nicht ausschließlich daran, dass sie es noch immer nicht gewohnt war, in einer Hängematte zu schlafen. Auch nicht an dem lauten Schnarchen der Männer oder der stickigen Luft; es lag vielmehr daran, dass sich ihre Gedanken partout nicht ordnen wollten. Was sollte sie Jon sagen? Sollte sie ihm überhaupt etwas sagen? Hellwach fragte sie sich, wie lange Emilio jetzt wohl schon tot war. Es war ihr, als wäre es am Morgen nach dem Überfall gewesen, denn Emilio war so gebrochen gewesen. Wäre es länger danach gewesen, hätte er darüber hinweg gesehen und sich im Suff nach einer neuen Frau umgeschaut. Sie kannte ihn doch und wenn sie noch einmal darüber nachdachte, kam sie nur zu dem Schluss, dass er sich betrunken und dann eine neue angelacht hätte. Aber sie hatte Angst vor dem Kommenden. Was würde passieren, wenn Alice sie aufspürte. Ein Kampf würde sicher entbrennen, aber welche Auswirkungen sollte dieser haben? Als sie darüber nachdachte, fiel ihr etwas auf. Alice war am Morgen zu Emilio gegangen, als es nicht mehr Nacht war; und die Untoten waren dabei gewesen. Sie wurde noch unruhiger. War nicht die Sonne das Einzige, was diese Kerle besiegen konnte? Warum konnten sie nun bei strahlendem Sonnenschein umherwandern? Es fröstelte sie bei dem Gedanken, nicht einmal mehr bei Tage sicher vor ihnen zu sein und als sie es nicht mehr aushielt, da wälzte sie sich so stark herum, dass sie unwillkürlich aus ihrer Hängematte fiel. Erneut auf Philipe, der dieses Mal jedoch aufwachte und sie schockiert anstarrte, wie sie da auf ihm lag, die Lippen auf den seinen. Beide hielten den Atem an und Kim fasste sich als erstes wieder und stammelte eine Entschuldigung. Philipe schoss die Zornesröte ins Gesicht und er musste sich arg zähmen, damit er nicht brüllte, so zischte er: „Nun landest du schon das zweite Mal in dieser Nacht auf mir und weckst mich das dritte Mal auf. Was ist denn mit dir los, verdammt?“ Schuldbewusst richtete sie sich auf und flüsterte ehrfurchtsvoll: „Es tut mir wirklich Leid, ich habe schlecht geträumt…“ „Das ist mir doch einerlei! Und jetzt geh runter von mir und lass mir wenigstens noch ein wenig Schlaf!“, knurrte er. Ohne ein Wort zu erwidern kraxelte sie von ihm herunter auf den Boden. Er drehte sich schnaubend von ihr weg und sie ging noch einmal an Deck. Sie würde es Jon erzählen. Vorsichtig trat sie in seine Kajüte ein und schlich sich zu seinem Bett. Da lag er, seelenruhig schlafend, Marie fest in seinen Armen. Sollte sie ihn jetzt wirklich wecken? Was war, wenn Marie auch erwachte? Was sollte sie ihr dann sagen? So ging Kim unverrichteter Dinge wieder aus seiner Kajüte hinaus und wollte warten, bis er aufstand. Unruhig schlenderte sie über das Deck, bis sie jemanden nach ihr rufen hörte. Sie wirbelte herum, da rief die Stimme: „Jo, Kim, hier oben!“ Da schaute sie nach oben und sah, wie Garret ihr aus dem Krähennest zuwinkte. Er fragte: „Was machst du denn um diese Zeit hier? Kannst du nicht schlafen?“ Doch sie legte den Finger an die Lippen und machte sich auf den Weg zu ihm nach oben. Erst hatte sie sich gewundert, dass er so spät oben im Krähennest saß, doch dann fiel ihr ein, dass er ja Ankerwache hatte. Als sie sich neben ihn gesetzt hatte, hob er eine Flasche auf, hielt sie gegen den Vollmond, um ihren Inhalt zu überprüfen und fragte dann Kim: „Schluck Rum?“ Leicht verwirrt verneinte sie und fragte: „Woher hast du den denn? Jon erlaubt doch nur bei besonderen Anlässen Alkohol.“ „Na und?“ Entgegnete er. „Heute war doch ein besonderer Anlass und die Flasche habe ich mir aufgehoben.“ „Ach so.“ Leicht besorgt fragte Garret dann jedoch: „Jetzt sag mir aber, warum du um diese Zeit auf Deck herumgeisterst? Ich dachte erst, du seist der Klabautermann.“ Kim lachte leise auf und antwortete ihm dann, die Beine unter das T-Shirt ziehend: „Ich habe schlecht geträumt und dachte, die frische Luft würde mich wieder müde machen. Aber ich habe mich wohl geirrt. Jetzt bin ich nur noch wacher.“ Langsam schob sich eine Wolke vor den Mond und Garret fragte: „Was hast du denn geträumt?“ „Vollkommen unwichtig“, antwortete sie ihm nicht wahrheitsgemäß. Für einige Zeit schwiegen sie, dann, als das Mondlicht sie wieder mit weißen, kühlen Strahlen sanft umarmte, wurde ihr kalt und sie begann zu zittern und leise mit den Zähnen zu klappern. Garret, der das natürlich bemerkte, fragte fürsorglich: „Ist dir kalt?“ Ruppig zischte sie: „Nein, ich zittere zum Spaß, natürlich ist mir kalt, Idiot!“ Da zog er seinen Pullover aus, gab ihn ihr und als sie ihn dankbar angezogen hatte, zog er sie in seinen Arm mit den Worten: „Na komm her, mal sehen, ob ich dich wieder warm bekomme. Trink jetzt mal einen Schluck Rum, davon wird dir auch warm.“ Nun dankbar nahm sie die Flasche entgegen und nahm einen Schluck von dem brennenden Zeug. Es wärmte sie wirklich, aber ganz hörte sie immer noch nicht auf zu zittern, auch nicht als Garret begann ihr über den Arm zu reiben. Er fragte: „Willst du nicht doch wieder unter Deck gehen?“ Da spürte er, wie sie ruhig und gleichmäßig atmete und wusste, dass sie eingeschlafen war. Daraufhin seufzte er und schaute weiter auf die See hinaus. Sie wachte nicht auf, bemerkte aber dennoch, wie Garret von einem anderen abgelöst wurde. Auch dieser legte wieder seinen Arm um sie und ihr Gesicht lehnte an seiner Brust. Ihr war egal, wer das war, Hauptsache, sie konnte schlafen. Doch es fröstelte sie wieder leicht und sie zog die Beine unbewusst näher an sich. Der Pirat an dem sie gelehnt lag, bemerkte das anscheinend, zog, wie Garret zuvor, auch seinen Pullover aus und legte diesen über ihre nackten Beine. Und es wurde ihr wieder wärmer, woraufhin sie erneut in einen Tiefschlaf versank. Am nächsten Morgen weckten sie die warmen und stechenden Strahlen der Sonne und sie richtete sich verschlafen auf, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Sie sah auf den Mann neben sich und stellte erschrocken fest, dass es gar nicht mehr Garret war, sondern Jon. Dieser lächelte sie freundlich an und fragte: „Na? Hast du ausgeschlafen? Ist dir auch nicht mehr kalt?“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf, sie hatte den Wachwechsel wieder vergessen und er lächelte: „Garret hat gesagt, du hättest schlecht geträumt und wärst daraufhin an Deck und zu ihm gegangen. Hier oben seist du dann eingeschlafen. Was hast du denn geträumt?“ Leicht irritiert gab sie ihm erstmal seinen Pulli zurück, der noch immer ihre Beine bedeckte, ihr nun aber zu warm wurde und sie sagte: „Ich glaube, es war eine Vision aus der Vergangenheit; den Morgen nachdem wir aus meiner Heimatstadt waren.“ Jon horchte auf und stocherte weiter: „So? Was hast du denn gesehen?“ „Alice war da, mit anderen Untoten. Sie war bei Emilio und hat ihn nach mir gefragt. Dann hat sie ihn umbringen lassen. Aber das seltsamste daran ist, dass es Tag war, die Sonne hatte geschienen.“ Jon stockte. Sie konnte seinem Gesicht ansehen, dass ihn ihre Aussage sehr beschäftigte. Nur wusste sie nicht, welcher Teil davon, war es jetzt Emilios Tod, Alice Auftauchen oder die Immunität der Untoten gegen die Sonne. Als er jedoch nichts sagte, fragte sie: „Wie sollen wir sie denn jetzt besiegen, wenn ihnen die Sonne nichts mehr ausmacht?“ Abwesend antwortete er: „Ich weiß es auch nicht. Hat Alice irgendetwas gesagt?“ Er dachte an Alice. Dabei hatte er sie das letzte Mal vor fast zehn Jahren gesehen und Kim verstand nicht, wie er immer noch an ihr hängen konnte. Sie hatte ihn verraten und ihn zum Narren gemacht, ihn ausgenutzt. Die Eifersucht begann an Kim zu nagen. Zwar liebte sie ihn nicht, nicht wirklich zumindest, aber dennoch sollte keine andere Frau ihn haben. Zähneknirschend sagte sie: „Emilio hat erwähnt, dass ich mit dir mitgekommen bin, dann hat Alice gemeint, das ich es bereuen würde.“ „So?“, fragte er anteilnahmslos. Warum musste Alice immer kommen und ihr Leben durcheinander wirbeln. Gerade hatte sie sich noch so wohl hier neben Jon gefühlt, doch kaum hatte sie Alice Namen erwähnt, schien er abwesend und träumerisch, wie es sonst so gar nicht seine Art war. Leicht säuerlich kletterte sie hinab auf Deck und ließ ihn oben allein mit seinen Gedanken. Sie stapfte unter Deck und legte sich wieder, ohne jegliche Rücksicht auf Philipe zu nehmen, in ihre Hängematte. Philipe jedoch knurrte nur, wandte sich herum und schlief in aller Seelenruhe weiter. Auch Kim schlief wieder ein. Sie stand erst so gegen Mittag auf, als der Rest der Mannschaft schon längst wieder an Deck war, die Manöver, die Jon anordnete, ausführte oder im Schatten faulenzte. Sie gesellte sich zu Garret, Laffite, Terry und Diego und sagte an den ersten gewandt: „Danke für deinen Pullover, Garret, ich habe ihn zusammengelegt und auf deine Hängematte gelegt.“ Lachend winkte er ab und stieg dann wieder in das Gespräch der sonstigen Männer ein. Gerade waren sie wieder vollkommen in ihr Gespräch vertieft, da rief Jon: „Wende!“ Sämtliche Piraten sprangen auf, das Manöver durchzuführen. Kim lief zur Großschot und wartete darauf, dass der Fordere das Tau vom Nagel löste. So standen sie in Reih und Glied und warteten auf weitere Befehle. Im nächsten Moment hörte sie Jon: „Großschot anziehen!“ So zogen sie, bis die Schot dicht war. Doch sie schossen das Seil nicht auf, sondern warteten, bis Jon „Großschot fieren!“ rief. Daraufhin ließen sie das Seil laufen und Kim spürte, wie sich die Miloké schräg stellte, noch schräger als sonst, dass sie fast herunterrutschte. Als Jon schließlich den Befehl gab, machten sie die Schot fest und Kim wurde dazu beordert, das Seil aufzuschießen. Sie war gerade damit fertig geworden, da klopfte ihr jemand auf die Schulter. Sie drehte sich um und wurde sich gewahr, dass es Jon war. Er hüstelte verlegen und fragte, ob sie mit in seine Kajüte käme. Etwas verwundert folgte sie ihm und ließ sich dann auf einen Stuhl nieder. Sie schaute auf das Bild, das, gerahmt, an seiner Wand hing. Es war die Marke eines Rums; es war kindisch. Jon setzte sich ihr gegenüber und sagte, den Augenkontakt meidend: „Es tut mir Leid, dass ich heute Morgen so abweisend war.“ Sie erwiderte nichts, sondern lächelte ihn nachsichtig an. Er fuhr fort: „Ich war lediglich überrascht, dass du von Alice geträumt hast.“ Nun sagte sie: „Ist doch egal. Wenn du immer noch Gefühle für sie hegst, das verstehe ich.“ Sie verstand es inzwischen wirklich, denn hätte er ihr nun etwas von Leo oder Charles berichtet, hätte sie ebenso reagiert. Aber Leo und Charles waren tot. Jon jedoch sprang auf, fast schon empört und leugnete: „Nein, so ist das nicht, ich liebe sie nicht… mehr. Meine Liebe gilt jemand anderem, sie gehört nur…“ Er stockte, setzte sich wieder, die Knie zusammengepresst, die Finger in die Hosenbeine gekrallt, den Blick darauf, als fürchtete er getadelt zu werden. Kim wusste, dass er sie meinte und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Dennoch sah sie kühl auf ihn und fragte, so eisig, dass es sie selbst erschrak: „Wen? Marie?“ Sie begann ein Spiel mit ihm zu spielen; es war ein grausames Spiel, doch es erheiterte sie. Jon jedoch sah prompt auf und verteidigte sich: „Nein, nicht doch Marie! Keine der Huren in den Häfen, was denkst du denn?“ Er schaute auf in ihr nun überlegen lächelndes Gesicht und sie spielte weiter: „Wen dann? Gibt es da eine holde Jungfer, der du die Unschuld rauben willst? Oder sollte es gar ein Mann sein, nach dem sich deine Gelüste sehnen, dass du es mir nicht sagen willst?“ Nun fuhr er auf und blaffte sie an: „Jetzt langt es aber! Was unterstellst du mir? Ich…“ „Hm, aber wer könnte es dann sein?“, unterbrach sie ihn. „Raus!“, brüllte er endlich. „Lass mich in Frieden!“ Als sie seine Kajüte verließ und er die Tür hinter ihr zugeknallt hatte, brach sie in schallendes Gelächter aus. Sie stand da, hielt sich den Bauch vor Schmerzen. Aber nicht nur ihr Bauch schmerzte. Warum tat sie so etwas? Warum tat sie Jon so etwas an? Die Augen aller Piraten waren auf sie gerichtet, als sie so dastand, das Gesicht in den Händen, schon längst nicht mehr lachend. Anscheinend besorgt kam Marie auf sie zu, legte ihr die Hände auf die Schultern und fragte leise: „Kim? Was ist los? Hat Jon irgendetwas Gemeines zu dir gesagt? Hat er dir etwas angetan?“ Kim sah sie verständnislos an und antwortete geringschätzig: „Das geht dich nichts an, Blondine.“ Damit wandte sie sich von Marie ab und ging zu Philipe und den anderen. Sie wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als in den Arm genommen zu werden. Da boxte Garret ihr freundschaftlich auf den Arm, jedoch hatte sie nicht damit gerechnet, so dass sie zur Seite kippte und ihr Kopf in Philipes Schoß landete, ihr Gesicht dem seinen zugewandt. Sie errötete leicht, machte allerdings keine Anstalten, sich zu erheben, sondern lächelte ihn nur an. Philipes kalter Blick durchdrang sie und er sagte: „Nimm deinen Kopf da weg oder ich nehme ihn dir von deinen Schultern.“ Die restliche Zeit auf dem Schiff erwärmte sich Philipe ihr gegenüber in keinster Weise. Als sie wieder in New Providence ankamen, war die Stimmung an Bord sehr gespannt. Die Piraten stritten sich um Marie und keiner wollte sie auch nur eine Sekunde allein lassen. Kim hatte versucht, sich an Philipe zu halten, doch war der immer mehr auf Distanz gegangen. Doch diesen Abend wollte sie alle ihre Probleme in einem ordentlichen Rausch davonschwämmen. So machten es schließlich alle Piraten und nun gehörte sie ja wieder zu ihnen. Eigentlich hatte sie ja vor, nur mit Jon zu gehen, doch ihnen schlossen sich noch Terry, Laffite, Garret und Philipe an, sodass sie zu sechst in das Wirtshaus gingen, in das sie auch schon zu Zeiten der Vengeance gegangen waren. Sie saß zwischen Jon und Philipe und versuchte beständig mit letzterem ins Gespräch zu kommen, was ihr jedoch nicht so recht gelingen wollte. Schließlich ließ sie es bleiben und saß still schweigend vor ihrem Rum. Sie blieb den ganzen Abend vor diesem einen Glas sitzen und beobachtete, wie die Männer um sie herum immer freizügiger wurden. Da legte ihr Philipe den Arm um die Schultern und fragte sie, das Gesicht so nah an ihrem, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten: „Warum trinkst du denn nichts?“ „Weil ich nicht möchte“, antwortete sie schlicht. Sie hatte es schon vor Stunden aufgegeben, ihm in irgendeiner Art und Weise näher zu kommen und über die Dauer war ihr Glas doch leer geworden. Daraufhin sagte er: „Komm schon, trink etwas von mir, du siehst so deprimiert aus.“ „Nein, ich möchte wirklich nichts“, wiederholte sie. Philipe stellte sein Glas, das er in seine Hand genommen hatte, um es an ihre Lippen zu halten, wieder beiseite und fuhr ihr sanft durch die Haare. Etwas verwundert wollte sie fragen, was er da tat, doch er kam ihr zuvor. „Weich, deine Haare sind so weich. Zerzaust durch den Wind und doch glänzen sie weich. Und die Farbe, als wären deine Haare aus Gold und Schokolade. Noch nie habe ich so schöne Haare gesehen.“ Er musterte ihre Haare. Sah ihr kein einziges Mal ins Gesicht, aber machte ihr Komplimente zu ihren Haaren. Dann schloss er die Augen und seine Lippen legten sich auf ihre. Überrascht wich sie zurück, doch als er es noch einmal versuchte, da schloss auch sie ihre Augen und erwiderte seinen Kuss. Aber er schmeckte nach Alkohol; unangenehm. Als sie am nächsten Morgen an Deck zu ihm kam und ihm einen Kuss geben wollte, da hielt er sie zurück und sagte: „Hör zu, Kim, das gestern war einmalig, ich habe mich vom Alkohol hinreißen lassen, also bilde dir nichts darauf ein.“ Sie stand da wie vom Donner gerührt und konnte seine Worte nicht begreifen. Wie konnte das sein? Sie war doch so glücklich gewesen, als er sie geküsst hatte, hatte er denn nichts dabei empfunden? Gar nichts? Kim wollte ihr Gesicht wahren, unbedingt, sie wollte sich nicht bloßstellen lassen als eine Frau, die Gefühle zuließ. Angestrengt zwang sie sich zu einem Grinsen und entgegnete affektiert verächtlich: „Das wird dann wohl besser so sein. Du küsst mir ohnehin zu schlecht.“ Philipe jedoch zuckte nur mit den Achseln und murmelte: „Wenn du meinst.“ Eigentlich wollte er sich damit umdrehen und gehen, doch Kim fragte aufgebracht: „Wieso konterst du nicht? Wieso schreist du mich nicht an, ich sei eine Lügnerin? Wieso zum Teufel bist du so gefühllos?“ Erneut wandte er sich zu ihr um und sein Blick durchdrang sie wie eine Waffe. Er war kalt und hasserfüllt. Dann zischte er: „Weil ich so Frauen wie dich hasse. Du weißt genau über die Gefühle des Captains bescheid, heuchelst ihm Freundschaft vor und willst dann eine Beziehung mit mir. Du denkst, du könntest alles haben, dir alles erlauben, aber das stimmt nicht. Du bist ein Mensch wie jeder andere und hast weder mehr, noch weniger Rechte, nur hast du das anscheinend in den 23 Jahren in denen du nun schon auf Erden weilst noch nicht begriffen. Du bist keine Frau, du bist ein verzogenes kleines Gör, das gewohnt ist, alles zu bekommen, was es will. Also lass mich in Ruhe und geh wieder mit deinen anderen Marionetten spielen.“ Touché. Wieso sagte er so etwas? Er selbst hatte sie doch gestern geküsst und nicht sie ihn. Er war schon einige Schritte von ihr entfernt, da rief sie ihm nach: „Idiot! Wer hat denn hier wen geküsst?“ Doch er drehte sich nicht noch einmal zu ihr um, sondern entfernte sich immer weiter von ihr. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr es in ihrem Herz stach. Sie griff sich an die Brust und fiel auf ihre Knie. Warum tat es so weh? Was er sagte konnte ihr doch egal sein, warum also? Weil er die Wahrheit sagte, daran lag es. Sie ertrug es einfach nicht, es war grausam. Sie spielte mit den Gefühlen von Männern. Wenn sie sich für sie interessierten, nutzte sie sie aus und hatten sie kein Interesse an ihr zeigte sie ihnen die kalte Schulter. Aber sie wollte es sich nicht eingestehen. Sollte dieser verdammte Bastard Philipe doch von ihr denken, was er wollte, ihr würde es gleich sein. Er kannte sie nicht, er hatte keine Ahnung von ihren Gefühlen und ihrem Leben, was sie alles erlebt hatte. Tief durchatmend stand sie auf und ging in Jons Kajüte, um sich hübsch zu machen. Er war nicht darin, so ging Kim an ihre Sachen und zog sich um. Dann schminkte sie sich. Sorgsam zog sie den Lidstrich und achtete darauf, dass er nicht verwackelte, auch bei der Wimperntusche agierte sie sehr langsam und bedacht. Sie stand vor dem winzigen Spiegel, den sie in Jons Kajüte aufgestellt hatte und setzte die kleine Bürste, getränkt mit der schwarzen Paste, mit offenen Augen an ihre Wimpern an, anschließend schloss sie die Augen und zog das Bürstchen nach oben weg. Dies wiederholte sie ein paar Male bei beiden Augen, bis ihre Wimpern gleichmäßig schwarz gefärbt und nicht verklebt waren. Als nächstes kramte sie in dem Täschchen nach dem Pinsel und der Farbe. Als sie beides gefunden hatte, tauchte sie den Pinsel in die rote Farbe und wandte ihn ein paar Male hin und her, bis er die Farbe vollkommen aufgenommen hatte und fuhr andächtig ihre Lippen nach. Träge räumte sie die Sachen wieder zurück in ihre Handtasche. Dieses immer gleich bleibende Ritual beruhigte sie auf eine bestimmte Art und Weise und so ging sie zu Laffite, Terry und Garret. Diese begrüßten sie mit großen Augen und fragten, warum sie sich so hübsch gemacht hätte. Sie jedoch fauchte: „Das kann euch doch egal sein und jetzt gehen wir in die Kneipe.“ Sie wusste selbst nicht, warum sie so erpicht darauf war, unter noch mehr Piraten zu kommen, aber wahrscheinlich brauchte sie in diesem Moment einfach die Anerkennung eines Mannes, egal wie niederträchtig er sein mochte. Als Kim früh am Abend, alleine, wiederkehrte, war sie noch niedergeschlagener als zuvor. Keiner der Piraten hatte sich auch nur nach ihr umgedreht. Sie war aus purer Provokation und Selbstüberschätzung mit den Männern in das Lokal gegangen, in dem Marie seit neustem anschaffte. Aber diese unausgesprochene Herausforderung hatte sie haushoch verloren und es war ihr auch anzusehen. Sie schlurfte mit gebeugtem Rücken, wie ein geprügelter Hund an Deck und hoffte, niemand würde sie sehen. Es fröstelte sie und ihr war zum Heulen zumute, dennoch lächelte sie den paar Nachzüglern, die jetzt erst loszogen keck zu und heuchelte, wenn sie einer fragte, warum sie schon wieder da sei: „Die Gesellschaft in dieser Hurerei ist noch abscheulicher als die hier.“ Unwillkürlich rieb sie sich die Oberarme und stellte abwesend fest, während sie über Deck schlenderte, dass sie die Letzte war. Außer ihr war niemand mehr da; sie war vollkommen alleine. Niedergeschlagen ließ sie sich auf dem Hauptdeck an der Reling gelehnt nieder und sah mit fallen gelassenen Mundwinkeln empor zu den Sternen, der unendlichen Kälte des Firmaments. So verweilte sie allerdings nicht lange, sondern zog stattdessen die Beine eng an ihren Oberkörper, schlang ihre Arme darum und bettete das Gesicht auf ihren Knien. Obwohl sie nun so gedrängt dasaß, der Kälte so wenig Angriffsfläche wie möglich überließ, drang sie unerbärmlich durch ihre Haut, in ihre Knochen und Eingeweiden. Kim wusste nicht, ob es wirklich so kalt war oder ob ihre Wahrnehmung sich zu sehr von ihren Gefühlen leiten ließ, dennoch sprang sie mit einem Mal auf und tänzelte auf der Stelle herum, um sich warm zu bekommen. Sie sah sich um. Es war dunkel und sie erkannte alles nur in schwarz und weiß. Selbst die Straßenlaternen strahlten kein wärmendes gelbliches altmodisches Licht aus, sondern stießen ein eisiges, weißes, neumodisches Licht auf den harten Beton. Sie hasste diese Stadt. Und sie hatte sie schon immer gehasst. Alles was sie mit dieser Stadt verband, verband sie mit Schmerz und sie wünschte sich nichts sehnlicher als von hier wegzukommen. Plötzlich bemerkte sie, dass ihr Atem sich, wenn sie ihn ausstob, in ein dampfartiges Nebelwölkchen verwandelte, genau wie damals, in ihrem ersten Winter. Egal, wie wunderlich es auch schien, Kim wunderte sich nicht darüber. Sie war anders, selbst wenn ihr in den Bahamas so kalt war, dass sogar ihr Atem gefror, für sie konnte es normal sein. Noch einmal wanderte ihr Blick durch ihre Umgebung und streifte einen warmen Fleck. Unter der Türspalte zu Jons Kajüte drang Licht hindurch. Es schien wie Kerzenlicht; warm. Es strahlte eine solche Wärme aus, dass es Kim in seinen Bann zog. Sie ging darauf zu und fühlte sich wie in Trance, als sie die Klinke drückte und eintrat. Es überraschte sie, dass er noch da war und ihn erstaunte es andersherum nicht minder. Jon saß an seinem Schreibtisch, über Karten und allerlei Messbesteck gebeugt. Als sie jedoch eintrat und vorsichtig die Tür hinter sich schloss, sah er auf und musterte sie erst erstaunt. Jedoch nur für den Bruchteil einer Minute, dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck und seine Lippen umspielte ein warmes Lächeln. Unsicher erwiderte Kim dieses Lächeln und sie musste unwillkürlich daran denken, was Philipe diesen Vormittag zu ihr gesagt hatte. Jon jedoch erhob sich und fragte, sein Herzerwärmendes Lächeln nicht ablegend: „Kim? Kann ich dir helfen?“ Abwesend ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Er stand in starkem Kontrast zu der Welt außerhalb. Hier war alles in braun und gelb und anderen warmen Farben gehalten, alles strahlte Freundlichkeit und Geborgenheit aus, lud sie ein. Während draußen alles in diesem kalkigen weiß und grau erschienen war, unfreundlich und ausladend. Als sie Jons fragenden Blick bemerkte, der auf ihr ruhte, lächelte sie erneut unsicher und sagte: „Ich habe mich gefragt, ob ich dir etwas Gesellschaft leisten darf.“ Freundlich antwortete er: „Natürlich, mach es dir auf meinem Bett bequem, ich kann mich leider nicht um dich kümmern, da ich unseren nächsten Kurs ausrechen muss.“ Sie tat, was er ihr vorgeschlagen hatte und mummte sich in seine Decke ein. Sie spürte, wie sich die Wärme des Raumes angenehm Kribbelnd in ihren Körper übertrug; in ihren Kopf, ihren Rumpf, die Arme, die Hände, die Beine, die Füße und ganz zum Schluss erwärmten sich auch ihre Zehen. Sie musterte Jon stumm. Er war vollkommen anders als sämtliche Piratenkapitäne. Anstatt wie jeder ordentliche Captain mit seiner Crew einen draufzumachen, saß er hier allein in seinem Kämmerchen und brütete über Karten und Zirkeln und dergleichen. Andere Kapitäne segelten einfach drauf los und entschieden dann über den Kurs, den sie einschlagen würden. Jon jedoch saß hier, rechnete alle Möglichkeiten durch und wog sie ab. Als er ihren durchdringenden Blick bemerkte, sah er leicht verunsichert auf und fragte: „Was ist denn los?“ Doch im nächsten Moment war er aufgestanden, um den Schreibtisch herumgegangen und hatte sich vor ihr hingehockt. Nun besorgt fragte er: „Bedrückt dich etwas Kim?“ Sie jedoch wollte ihn nicht ausnutzen um ihm ihre Probleme zu schildern. Sie wollte sich beweisen, dass Philipe im Unrecht war. Und so entgegnete sie: „Hier ist es schön warm. Draußen ist es so kalt.“ Jon verstand offensichtlich nicht, was sie meinte, schüttelte den Kopf, als würden ihre Worte dadurch verständlicher werden und sagte, als er es noch immer nicht verstand: „Du bist heute seltsam. Was ist los? Du kannst mir doch erzählen, wenn etwas ist. Das weißt…“ „Ich will dich nicht ausnützen!“, unterbrach sie ihn und vermied den direkten Augenkontakt. Verwirrt fragte Jon: „Wieso solltest du mich ausnutzen, wenn du mir erzählst, was dich bedrückt, das hast du doch auch früher immer getan und ich kann mich nicht entsinnen, dass es mich jemals gestört hätte, oder dass ich mir ausgenutzt vorkam.“ Zögerlich, so dass er es kaum verstand, fragte sie: „Nimmst du mich in den Arm?“ Verwirrt legte Jon seine Arme um sie und Kim genoss die Wärme und den angenehmen Duft, den sein Körper ausstrahlte. Schließlich strich er ihr durch die Haare und fragte leise, flüsterte schon fast: „Was ist denn los, Lilay? Wieso bist du so niedergeschlagen?“ Ihren Kopf an seine Brust lehnend wisperte sie: „Hältst du es denn für angebracht mich Little Lady zu nennen? Inzwischen bin ich erwachsen geworden, ich bin jetzt 23.“ „Und was macht das für einen Unterschied? Für mich bleibst du immer meine kleine Kim, meine Lilay oder stört es dich?“ Sie hörte ein wenig Zweifel in seiner letzten Frage mitschwingen, doch sie schüttelte den Kopf und entgegnete, innerlich lächelnd: „Du bist neun Jahre älter als ich und auch einen ganzen Kopf größer, Großväterchen, also stimmt es doch eigentlich.“ Lachend verwuschelte er ihr die Haare und rief: „Großväterchen? Kann ja sein, dass ich über dreißig bin, aber das ist noch längst kein Grund mich Großväterchen zu nennen!“ Ebenfalls lachend entschuldigte sie sich und er ließ von ihr ab. Er lag nun halb auf ihr; als sie das bemerkte, errötete sie leicht und schob ihn von sich. Das Licht flackerte ein wenig und Jon wurde wieder ernst. In diesem Licht sah sein Gesicht alt, müde und traurig aus und er fragte: „Nun sag mir schon, was dich bedrückt. Ich höre dir gerne zu.“ „Aber du musst doch den Kurs berechnen“, wich sie ihm aus. Jon jedoch lächelte abgestumpft: „Wenn du mich so anstarrst kann ich ohnehin nicht arbeiten.“ Sich erhebend, sagte sie, seinem Blick ausweichend: „Dann ist es wohl besser, wenn ich gehe, schließlich möchte ich dich nicht von der Arbeit abhalten. Gute Na…“ Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als er sie am Handgelenk packte und wieder zu sich aufs Bett zog. Ihr stockte der Atem, als er sie durchdringend musterte, doch traute sie sich nicht ihren Blick abzuwenden. Ein wenig ängstlich fragte sie sich, was Jon wohl als nächstes vorhatte. Er kam ihrem Gesicht ganz nahe; wollte er sie küssen? Sie schluckte schwer und war wie gelähmt. Doch Jon tat nichts dergleichen. Vollkommen ernst streichelte er ihr mit der anderen Hand über die Wange und blieb in Schweigen gehüllt. Kim jedoch wich zurück und flüsterte: „Du machst mir Angst.“ Aber anstatt seinerseits auch zurückzuweichen, kam er ihr noch näher und fragte: „Warum?“ „Ich weiß nicht“, flüsterte sie mit zitternder, gebrochener Stimme. Schließlich ließ Jon sie los, stand auf und fragte sie, das Gesicht ihr abgewandt: „Du weichst mir aus. Das ist mir schon seit geraumer Zeit aufgefallen. Anfangs dachte ich, du müsstest dich erst wieder an das Schiff, die Piraten, das Leben und mich gewöhnen, aber langsam glaube ich, dass das keinesfalls der Grund dafür ist. Nur ist mir der Grund dafür eigentlich auch relativ egal, wenn du nur bald wieder die Alte bist und mit mir redest.“ Kim seufzte und sagte: „Jon, die ‚Alte’ zu werden ist unmöglich. Das ist nun schon fünf Jahre her, du kannst nicht von mir verlangen, diese fünf Jahre zu vergessen und wieder zu werden wie früher.“ Er wirbelte herum und funkelte sie zornig an, dann brüllte er: „Aber warum? Warum kannst du nicht einfach wieder so sein wie früher?“ „Weil Menschen sich verändern, Jon“, entgegnete sie ruhig, seinen kindlichen Wutausbruch überspielend. Er jedoch zürnte weiter: „Nein, nein, nein! Ich habe mich nicht verändert! Garret, Terry und Laffite auch nicht! Warum also du?“ Vorsichtig ging sie auf ihn zu, schüttelte den Kopf, ergriff seine Hand und erklärte: „Du hast Unrecht, Jon. Du, Garret, Terry und Laffite, ihr habt euch ebenso verändert wie ich jedoch bemerkt ihr es nicht. Der Mensch ist in einer ständigen Metamorphose; er nimmt Eindrücke auf, verarbeitet diese, vergisst diese, nimmt wieder neue auf. Du dachtest, es wäre so einfach, du nimmst mich mit und alles wird, wie es früher war. Ich muss gestehen, anfangs habe ich genauso gedacht, doch ich musste erkennen, dass es so nicht geht. Wir haben das alles zu naiv, zu oberflächlich betrachtet.“ Jon sah sie ungläubig an und erwiderte nichts. Er hatte allen Zorn mit ihrer Berührung seiner Hand verloren und dachte darüber nach, was sie da eben gesagt hatte. Sie sah genau in seinen Augen, dass er verstand und es ihn beschäftigte. Für eine Weile rührte sich keiner, dann machte Jon sich von ihr los und fragte: „Möchtest du etwas trinken?“ Sie nickte und er ging zu einem Schrank, holte dort zwei Gläser und eine Flasche Rum heraus und füllte die Gläser bis zur Hälfte mit dem bräunlichen Getränk. Eines drückte er ihr in die Hand, das andere behielt er selbst. Sie stießen an und murmelten gleichzeitig „Prost“, bevor sie die Gläser in einem Zug leerten. Schließlich fragte Jon: „Warum bist du heute nicht in der Stadt?“ „Warum bist du nicht in der Stadt?“, entgegnete sie. Achselzuckend antwortete er: „Ich fragte zwar zu erst, aber ich bin heute auf dem Schiff geblieben, um in Ruhe den neuen Kurs zu berechnen. Es stört mich, wenn dabei ständig Männer in meine Kajüte rennen, ich todmüde bin, oder gar nicht richtig zum nachdenken komme, weil ich der Crew alles dreimal sagen muss.“ Er schien leicht genervt, so lächelte sie: „Ach, so ist das. Ich verstehe und ich glaube, dass ich es nicht anders machen würde. Aber sag mal, Jon, wie berechnet man eigentlich einen Kurs? Wie nennt man das ganze Zeug auf deinem Tisch?“ Sie versuchte dringend vom Thema abzulenken und es schien ihr auch zu gelingen, denn er antwortete: „Meinst du das Besteck? Ach, Kim, was soll man nur mit dir anstellen, jeder halbwüchsige Matrose weiß, dass es Besteck heißt.“ Dann aber stockte er und blaffte sie im nächsten Augenblick an: „Lenk gefälligst nicht vom Thema ab, Lilay! Ich fragte dich, warum du nicht in der Stadt bist und erwarte eine wahre Antwort, schließlich habe ich dir auch geantwortet!“ Um eine Antwort verlegen begann sie herumzudrucksen und Jon, dem allmählich der Geduldsfaden riss, herrschte sie an: „Nun stell dich nicht so an!“ Sie senkte den Blick und er fragte, mit nun leiser, besorgter Stimme: „Was ist denn mit dir? Hat dir jemand was getan?“ Affektiert lächelnd sah sie auf, schüttelte den Kopf und entgegnete: „Nein, nein. Lass uns doch ein wenig laufen gehen.“ Verwundert stimmte er zu und wollte gerade in Richtung Tür gehen, da eilte Kim zu dem Stuhl, der an Jons Schreibtisch stand, nahm den Mantel, der über die Stuhllehne gelegt war und ging damit zu Jon. Mit den Worten „Draußen ist es kalt“ legte sie ihm den dunklen Mantel, aus teurem Stoff und mit goldenen Knöpfen um die Schultern. Entgeistert sah er ihr zu, wie sie nun auch noch zur Truhe ging und die Wollmütze, die darauf lag, holte, um sie ihm über die Ohren zu ziehen. Anschließend hakte sie sich bei ihm unter und ging neben ihm aus der Kajüte, hinaus in die ausladende, kühle Dunkelheit. Lange Zeit gingen sie, fast kein Wort wechselnd, nebeneinander her, bis sie an den Rand der Stadt kamen. Hier war es noch finsterer. Laternen gab es nicht und auch der Mond hatte seinem Dienst versagt, da sich dunkle Wolken vor ihn gedrängt hatten. Abrupt blieb Jon stehen, sah unsicher in den Himmel und fragte zweifelnd: „Sollen wir nicht besser umdrehen? Ich glaube, es beginnt gleich zu gewittern.“ Kaum hatte er das gesagt, spürte sie auch schon den ersten Tropfen auf der Haut ihres ungeschützten Arms. Immer wieder hatte Jon ihr angeboten, ihr seinen Mantel zu geben, doch jedes Mal hatte sie abgelehnt. Im nächsten Moment schüttete es wie aus Eimern und sie hatten sich noch keinen Zentimeter weiterbewegt. Nun reichte es Jon. Er nahm seinen Mantel, hielt ihn über sich und Kim und schob sie mit dem Ellenbogen wieder zurück in Richtung Stadt. Sie lief neben ihm her und außer Atem kamen sie unter der Überdachung einer Eingangstüre zum Stehen. Kim stützte die Arme auf die Beine und atmete stoßweise. Auch Jon war aus der Puste. Er lehnte sich gegen die Wand und ließ sich schließlich daran herunterrutschen. Besorgt fragte er: „Kim? Möchtest du jetzt nicht doch meinen Mantel anziehen? Er ist imprägniert.“ „Und was ist dann mit dir?“, fragte sie, sich ihm gegenüber setzend. „Ach wo, ich bin Seemann, schon vergessen? Das härtet ab“, entgegnete er lachend und gab ihr seinen Mantel, den sie dankend annahm und sich schlotternd darin einmummte. Sie verbarg das Gesicht bis zu den Augen im Kragen und atmete unweigerlich den Duft des Mantels ein. Er roch nach dem Imprägniermittel, aber nur schwach. Jons leicht süßliches Parfüm überdeckte den beißenden Geruch fast vollständig und sie sog diesen angenehmen Geruch immer wieder ein und versuchte, darauf zu achten, dass Jon es nicht mitbekam. Doch der fragte: „Nun erzähl mir aber was ist. Ich mache mir immer mehr Sorgen, du warst sonst nie so verschlossen auch nicht an Bord der Miloké.“ „Ach, Jon“, seufzte sie und steckte die Hände in die riesigen Taschen des Mantels. Schließlich sagte sie, so leise, dass er sie kaum verstand: „Es ist wegen Philipe.“ „Wegen Philipe?“, brauste er auf. „Was hat der Hornochse jetzt wieder angestellt? Hat er dir Gewalt angetan? Soll ich ihn bestrafen?“ Erschüttert schüttelte sie den Kopf und gab zurück: „Nein, um Gottes Willen, Philipe ist doch gar nicht der Typ, der einer Frau Gewalt antut. Es ist nur so, dass ich mich, glaube ich, nur ein Wenig, ein ganz kleines Bisschen…“ „In ihn verliebst hast?“, beendete er den Satz für sie. Er sah ihr fest in die Augen und falls es ihm etwas ausmachte, dann wusste er seine Gefühle gut zu verstecken. Vorsichtig nickte Kim und fuhr fort: „Nun,… ja. So ist es. Aber leider will er nichts davon wissen.“ „Aber ich dachte, ich hätte gestern Abend noch gesehen, wie ihr euch küsstet oder hat mir der Alkohol da einen Streich gespielt?“, unterbrach er sie und sie seufzte: „Nein, du hast richtig gesehen. Noch gestern Abend haben wir uns geküsst. Aber als ich heute zu ihm kam und ihn erneut küssen wollte, da hat er mich zurückgewiesen und gesagt, der Kuss wäre einmalig gewesen und auf den Alkohol zu schieben.“ Eine Weile schwiegen sie beide, dann kniete sich Jon vor sie und schlang seine Arme um ihren Körper. Mitfühlend flüsterte er: „Du Arme, hast auch kein Glück bei den Männern.“ Warum sagte er das? Warum konnte er so mitfühlend sein, obwohl er sie liebte? Oder waren seine Gefühle inzwischen abgeflaut? In diesem Moment erhellte ein Blitz das Geschehen mit seinem kalten, grellen Licht und kurz darauf folgte das tiefe Grollen des Donners. Als das Brüllen dessen verklungen war, wurde Kim leicht übel und sie wusste, woran das lag. Sie hatte den ganzen Tag noch kaum etwas gegessen. Krampfhaft versuchte sie das Naherückende Rumoren ihres Magens zu unterdrücken, doch er knurrte im nächsten Augenblick laut und schikanierend. Plötzlich begann Jon zu lachen und prustete: „War das etwa auch ein Donner, oder war es dein Magen, Kim?“ Leicht errötend sparte sie sich die Antwort, denn Jon ließ sich gegen die Wand ihr gegenüber fallen und hielt sich schon den Bauch vor Lachen. Kim jedoch verschränkte die Arme vor der Brust und sagte beleidigt: „Also erstens war das gar nicht so laut, zweitens finde ich das überhaupt nicht lustig und drittens habe ich tierischen Hunger.“ Langsam beruhigte sich Jon wieder und keuchte, weil ihm vor lauter Lachen schier die Luft weggeblieben war: „Dann lass uns etwas essen gehen, ich habe auch Hunger.“ „Aber ich habe…“, setzte sie an, doch Jon wusste, was sie sagen wollte und fiel ihr ins Wort, den Arm um ihre Schulter legend und sie mit sich durch den Regen ziehend: „Ich lad dich ein, in meinem Mantel ist meine Börse, also mach dir keine Gedanken.“ Na? Wer konnte Marie auch nicht ausstehen? xD (Das geht jetzt natürlich nicht gegen dich, Marie... mir ist erst beim nochmaligen Durchlesen aufgefallen, dass sie den gleichen Namen hat wie du oÔ) Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und verzeiht mir bitte wieder meinen schlechten Stil von früher uû Danke sehr LG, Terrormopf :] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)