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The Different Ways of Love

oder: Weil die Liebe verschiedene Wege geht... ShikaxTema//NaruxHina//NejixTen//SasuxSaku//InoxSai *Kapitel 33 on*
von

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Zugfahrt ins Ungewisse

Tag, hier spricht inkheartop, wen’s interessiert. Und das hoffe ich doch. Also, das hier ist meine erste FF (die ich auch veröffentliche XD).

Natürlich wünsch ich mir kommis und so, aber erst mal überhaupt Leser!!! Kritik, Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf Rechtschreib – und Grammatikfehler sind immer erwünscht und weil ich euch nich noch mehr langweilen möchte geht’s jetzt los mit: The Different Ways of Love!!!
 

P.S.: Wenn was in Klammern steht, bin ich das :D
 

Kapitel 1: Zugfahrt ins Ungewisse
 

Der Zug rollte an und schon verfluchte Temari ihr Leben. Ihre Eltern winkten ihr noch vom Bahnsteig aus zu, aber sie drehte nur den Kopf in die andere Richtung. Sie sollten bloß nicht glauben, sie würde sich freuen! Schließlich war das nicht auf Temaris Mist gewachsen.

Die Landschaft zischte vorbei, verschwamm zu einem Meer aus Farben.

Gedankenverloren sah Temari hinaus. Immer wieder musste sie an das denken, was sie gerade mit jeder Sekunde weiter hinter sich zurückließ. Schlechte Noten, eine bescheuerte Schule, ein verfluchtes Jahr. Vermutlich steuerte sie direkt auf noch so ein Jahr zu. Und dieses Mal konnte sie sich nicht mal zu Hause verkriechen oder sich bei ihren Freundinnen auskotzen. Nein, ihre Eltern hatten sie ja unbedingt auf ein Internat schicken müssen, in er Hoffnung, ihre Noten wieder hoch zu bekommen.

„Konoha ist ein sehr gutes Internat, Temari“, hatte ihr Vater auf sie eingeredet, um ihre schlechte Stimmung zu heben.

„Und Kankuro und Gaara sind auch da!“ Dieses wenig aufmunternde Argument kam auch noch erschwerend hinzu. Nicht nur, dass sie mit ihren Brüdern auf eine Schule gehen musste, durch ihre ‚Ausrutscher’ im letzten Schuljahr durfte Temari auch noch eine Klasse wiederholen und war somit im gleichen Jahrgang, wie Kankuro!

Temari kniff wütend die Augen zusammen, um jeglichen unangenehmen Gedanken an ihre Zukunft noch ein letztes Mal zu verdrängen.

Am nächsten Bahnhof hielt der Zug an. Temari hatte sich nichts dabei gedacht, doch dann öffnete sich die Abteiltür. Ein Junge mit einem schwarzen, verstrubbelten Zopf, der sie entfernt an eine Ananas erinnerte, trat ein. Kurz besah er sich noch die Nummern über den Sitzen und wuchtete dann seinen Koffer in die Gepäckablage. Ohne Temari eines Blickes zu würdigen, ließ er sich auf seinen Platz fallen und schien sofort einzuschlafen.

Stumm beobachtete Temari das Schauspiel. Irgendwie ärgerte sie sich über die Unhöfflichkeit des Jungen.

„Auch einen guten Tag“, murmelte sie wütend vor sich hin und sah wieder aus dem Fenster.

So bemerkte sie nicht, wie der Junge sie mit einem Auge ansah und es genervt nach oben rollen ließ. Das würde für beide noch eine lange Fahrt werden.
 

Shikamaru erwachte, als ein lautes Rumpeln durch das Abteil ging. Verschlafen öffnete er die Augen, blinzelte … und sah das Mädchen mit den vier blonden Zöpfen vor sich auf dem Boden sitzen.

Sie rieb sich den Kopf und fluchte irgendetwas vor sich hin, bevor sie bemerkte, dass er wach war und ihn anfunkelte, als wäre alles seine Schuld. Seine hochgezogenen Augenbrauen schienen sie nur noch mehr in Rage zu versetzen.

„Was glotzt du so?“, fauchte sie ihn an.

Shikamaru seufzte. Mädchen waren ihm zu anstrengend, als dass ihm eine angemessene Antwort eingefallen wäre. Stattdessen sah er kommentarlos zu, wie sie sich aufrappelte und ihren Koffer aus dem Gepäckfach zog. Anscheinend war sie bei ihrem ersten Versuch hingefallen. An dem grasgrünen Gepäckstück hing ein Zettel, auf dem ihr Name stand: Temari Sabakuno.

„Wo willst du denn hin, dass du gleich vier Koffer dabei hast?“ Der Satz war Shikamaru einfach so rausgerutscht, als er die restlichen drei Koffer über den Sitzen liegen gesehen hatte.

„Zur Schule“, knurrte Temari und öffnete ihren Koffer, der anscheinend noch er kleinste war. Zwischen mehreren, schmalen Schachteln in verschiedenen Größen steckte ein Briefumschlag, auf den ein auffälliges Wappen geprägt war. Ein stilisiertes Blatt. Shikamaru ahnte schlimmstes.

„Wo gehst du denn zur Schule?“, fragte er, scheinbar uninteressiert.

„Was geht’s dich an? Ich kenn dich doch noch nicht mal“, meckerte sie ihn an.

Shikamaru seufzte genervt auf. Dieses Mädchen war ihm echt zu anstrengend.
 

Temari las sich den Brief, den sie von ihrer neuen Schule erhalten hatte, zum tausendsten Mal durch.
 

„Sehr geehrte Temari Sabakuno,

wir freuen uns, Sie im Konoha-Internat begrüßen zu dürfen. Das Schuljahr beginnt am 1. September, aber es ist Sitte, dass unsere neuen Schüler erst eine Woche später eintreffen.

Beiliegend finden Sie Ihren Stundenplan und die Nummer Ihre Wohnung, die Sie sich mit vier weiteren Schülerinnen teilen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Tsunade (Direktorin)“
 

Sie hasste diesen Brief. Alles war so förmlich und die Ankündigungen, inklusive dem Stundenplan, halfen ihr nicht gerade, ihre Laune zu heben.

Dieser komische Ananaskopf sah sie wieder nicht an. Temari beschloss, dass sie ihn nicht mochte und dass er das auch ruhig zu spüren bekommen sollte.

„Es geht dich überhaupt nichts an, wer ich bin, wo ich zur Schule gehe oder sonst irgendetwas aus meinem Leben“, fauchte Temari.

Der Junge hob nur eine Augenbraue, nur ganz kurz, eine minimale Gefühlsregung und sagte dann, ruhig und kühl: „Du bist Temari Sabakuno, gehst auf das Konoha-Internat und bist darüber garantiert nicht froh. Und du sammelst Fächer.“ (Das weiß er wegen den Schachteln in ihrem Koffer; keine ahnung, ob’s so was gibt XD)

Perplex starrte Temari ihn an. Allerdings fasste sie sich schnell wieder.

„Du kommst dir jetzt wohl sehr toll vor, nicht?“, keifte sie ihn an.

„Du bist mir zu anstrengend“, meinte der Junge nur stöhnend. Dann erhob er sich, schnappte sich sein Gepäck und ging. An der Abteiltür drehte er sich noch einmal um.

„Du musst hier übrigens raus“ stellte er sachlich fest.

Temari sah aus dem Fenster und erkannte draußen einen Bahnhof, auf dem in großen Buchstaben „KONOHA“ geschrieben stand.

„Verdammt!“, fluchte sie, raffte all ihr Gepäck zusammen und stürmte nach draußen.
 


 

Da bin ich noch mal – ich weiß, ich nerve! Dieses erste Kapitel und eigentlich auch noch ein paar Kapitel im Anschluss sind eher so zur Erklärung gedacht und deshalb nich sooo spannend, aber das wird es noch. Versprochen!

Bis zum nächsten kappi – hoffentlich!

Ankommen

Okay, also ich hab keine Ahnung, ob das hier ÜBERHAUPT jemand liest, aber ich mach ma weiter, in der Hoffnung, dass.
 

( … ) => da laber ich euch noch mehr voll XD
 


 

Kapitel 2: Ankommen
 

„Wir kriegen noch eine Neue?“, fragte Sakura interessiert.

Kurenai, die Betreuerin der Mädchen und Lehrerin für Musik und Sport (is jetzt halt so XD), nickte.

„Ihr habt doch noch ein Bett frei, oder?“ Die junge Frau war die einzige der Lehrer, die zumindest die Mädchen nicht siezte.

Sakura warf ihr rosarotes Haar zurück und sah ihre Mitbewohnerinnen und Freundinnen fragend an. Ihre beste Freundin Ino drehte sich nachdenklich eine Strähne ihrer blonden Haare um den Finger, wie immer, wenn sie nachdachte.

„Ich glaub, in dem Zimmer, das ich als zusätzlichen Kleiderschrank benutze, steht ein Bett“, murmelte sie stirnrunzelnd.

Geschockt sahen die beiden letzten Mädchen in der Runde, Hinata und Ten Ten, sie an.

„Dann beweg deinen Hintern, Ino!“, rief Sakura, nicht minder entsetzt, als die anderen.

„Warum? Was soll ich …“

„Mensch, Ino“, mischte sich jetzt auch Kurenai wieder ein. „Denkst du, die Neue wird begeistert sein, in deinem begehbaren Kleiderschrank zu schlafen?“

„Oh mein Gott!“ Endlich war bei Ino der Groschen gefallen. „Aber wo soll ich mit meinen Klamotten hin?“

„Komm, ich helf dir“, bot Hinata an. Dankend fiel ihr Ino um den Hals, dann zog sie das blauhaarige Mädchen mit den weißen Augen aus dem Klassenzimmer.

„Hey! Wir haben noch Mathe bei Asuma! Verdammt“, fluchte Sakura, denn ihre Freundinnen waren schon verschwunden.

„Keine Sorge, Sakura“, beruhigte sie Kurenai. „Ich erkläre es ihm!“

„Danke!“

Damit ging Kurenai auch schon auf den Lehrer zu, der gerade zur Tür hereingekommen war. Ten Ten und sakura sahen zu, wie ihr Klassenlehrer sich die Erklärung ihrer Betreuerin anhörte, die Stirn runzelte und dann nickte. Sie seufzten auf. Mit dem ewig rauchenden, schwarzhaarigen Mann war nicht zu spaßen.

„Ich wette, die haben was miteinander“, sagte plötzlich jemand hinter den Mädchen.

Sakura rollte mit den Augen und drehte sich halb auf ihrem Stuhl um.

„Verschwinde, Uchiha!“, zischte sie dem Jungen zu, der grinsend da stand, die Hände in den Hosentaschen vergraben.

„Ach komm schon, Haruno! Du musst doch zugeben, dass …“ Weiter kam er nicht, denn eine raue, laute stimme rief ihn streng zur Ordnung.

„Uchiha, setzen Sie sich! Haruno, Sie auch auf ihren Platz!“, brüllte Asuma und schnell huschten die beiden Angesprochenen auf ihre Stühle.
 

In der Pause waren Ino und Hinata immer noch nicht zurück, was Ten Ten aber nicht wunderte. Sie wohnte schon lange genug mit Ino zusammen, um zu wissen, wie viele Klamotten sie hatte.

„Glaubst du, es stimmt, was Sasuke gesagt hat?“, fragte Sakura, die sich anscheinend auch nicht weiter Gedanken um ihre Freundinnen machte.

Ten Ten zuckte mit den Schultern und sah sich suchend um. „Keine Ahnung. Vielleicht“, meinte sie gedankenverloren.

Sakura folgte ihrem Blick und grinste.

„Mal wieder auf der Suche nach einem gewissen Typen?“

Ten Ten streckte ihr die Zunge heraus. „Quatsch!“, murmelte sie und beschloss, das Thema zu wechseln. „Wie glaubst du, ist diese Neue?“

Sakura hatte keine Gelegenheit, zu antworten, denn schon wieder stand ein Junge hinter ihr und tippte ihr auf die Schulter. Es war aber nicht Sasuke Uchiha, sondern ein Junge mit dunkelbraunen Strubbelhaaren und einem Hund.

„Hey, Sakura! Ten Ten! Wo ist denn Hinata?“

„Sie räumt mit Ino auf, Kiba“, sagte Ten Ten und grinste über das verblüffte „Hä?“, das Kiba von sich gab.

„Wir kriegen ne Neue“, versuchte Sakura verständlicher zu machen. „Sie kommt heute an und ihr Zimmer ist zurzeit Inos persönliches Schlachtfeld.“

„Eine Neue? Es müsste auch noch ein neuer Junge kommen“, meinte Kiba.

„Shikamaru ist doch auch noch nicht da, oder?“

„Er hat sich ne Grippe eingefangen“, erklärte der Hundejunge schulterzuckend. „Ich glaub, er kommt dann auch heute wieder.“
 

Tatsächlich saß Shikamaru in diesem Moment noch im Zug und „unterhielt“ sich mit einem blonden Mädchen, der so genannten „Neuen“. Schon bald sollten beide im Internat eintreffen, wo ein neues Schuljahr beginnen würde.
 

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Die junge Frau, die ihre Betreuerin sein sollte – Temari hatte ihren Namen wieder vergessen – führte sie schnellen Schrittes über den riesigen Campus und redete dabei unaufhörlich auf sie ein.

„Ich bin mir sicher, dir werden deine Mitbewohnerinnen gefallen. Sie sind etwas … sehr einzigartig, aber sonst wirklich in Ordnung. Und auch eure Wohnung ist toll! So da wären wir.“

Sie hielten vor einem von zehn kleinen Häusern, die in einem Halbkreis angeordnet waren. Und das schienen nur die nur die „Wohnungen“ der Mädchen zu sein (Ja, der Campus ist wirklich riesig). Wo wohl die Häuser der Jungen waren? Sogleich verfluchte sich Temari für diesen Gedanken. Keine Jungs! Zumindest noch nicht. Aber ihr verging sowieso die Luft auf Jungs, wenn sie an den bescheuerten Kerl dachte, der mit ihr angekommen war und wohl auch hier lebte. Ob hier alle so waren?

„Dann geh ich mal wieder“, sagte die Betreuerin lächelnd und riss Temari aus ihren Gedanken. „Willkommen auf den Konoha-Internat!“ Damit schritt sie wieder davon und ließ Temari etwas verloren vor ihrem neuen Zuhause stehen.

Sollte sie jetzt einfach klingeln? Kurz entschlossen drückte sie den Knopf neben der Haustür und ein helles, freundliches Läuten drang von innen nach außen.

„Ich komme!“, hörte Temari jemanden rufen und nur wenig später wurde die Tür aufgerissen und ein hübsches Mädchen mit rosanem Haar und grünen Augen, die heller als Temaris waren, stand vor ihr.

„Oh, hi?“, fragte das Mädchen und sah etwas unentschlossen aus.

„Äh, hi!“ Ich bin Temari. Temari Sabakuno“ Ich soll hier wohnen!“, erklärte Temari vorsichtig. Hatte man überhaupt von ihr erzählt?

Anscheinend schon, denn das Gesicht des Mädchens hellte sich auf einmal auf und sie trat einen Schritt zur Seite um Temari einzulassen.

„Super! Wir haben schon auf dich gewartet!“, sagte das Mädchen. „Warte, ich hole schnell die anderen. MÄDELS!!!“ Der Schrei schnitt in Temaris Trommelfell. Holen?

„Was ist denn, Saku?“ ein zweites Mädchen mit braunen Haaren, das sie zu zwei Dutts hochsteckt trug, kam offensichtlich genervt eine Treppe herunter. „Wir müssen doch noch Inos Klamotten …“ Sie unterbrach sich, als sie Temari im Flur stehen sah.

„Ten, das ist Temari. Unsere Neue“, gab die Rosahaarige ihrer Freundin zu verstehen.

„Oh!“, machte diese nur. „Äh, wir sind aber noch nicht ganz fertig.“

Das Mädchen mit dem rosa Haar rollte mit den Augen. „Sie wird’s verkraften. Jetzt hol Ino und Hina. Wir sind in der Küche.“ Damit zog sie Temari mit sich in einen Raum, der sich tatsächlich als Küche und Esszimmer herausstellte und drückte sie dort auf einen Stuhl.

„Kaffe oder Tee?“

„Kaffee.“

Das Mädchen machte sich an der Maschine zu schaffen und quatschte währenddessen munter drauflos.

„Tut mir Leid, wir hatten ein paar Probleme mit deinem Zimmer, aber Ino und Hina haben sich schon darum gekümmert. Hoffe ich“, fügte sie leise hinzu. „Magst du Zucker?“

„Ja, danke …“

„Oh! Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Sakura Haruno und die, die vorhin so bedeppert auf der Treppe herumstand, das ist Ten Ten.“ Sakura stellte eine Tasse mit dampfendem Inhalt auf den Tisch vor Temari.

Gerade als diese etwas trinken wollte, betraten drei Mädchen die Küche, darunter auch Ten Ten.

„Hallo!“, begrüßte Temari die Mädels. Irgendwie kamen sie ihr sympathischer vor, als sie zuerst angenommen hatte.

„Hey! Willkommen im Haus des Chaos!“, rief eine Blonde aufgekratzt.

„Ino! Jetzt mach ihr keine Angst!“, lachte Ten Ten. „Tag auch! Ich bin Ten Ten, und dieses verrückte Huhn hier ist Ino Yamanaka, die Frau mit den meisten unnötigen Klamotten der Welt!“

„Hey, das ..“

„ … stimmt sehr wohl, Ino!“, schaltete sich die letzte im Bunde ein, ein Mädchen mit kurzen, blauen Haaren und schüchtern wirkenden, weißen Augen. „Mein Name ist Hinata Hyuga“, stellte sie sich dann auch noch vor.

„Ihr scheint ja ziemlich verrückt drauf zu sein“, lachte Temari. Ja, diese Mädels gefielen ihr.

„Wir sind Lehrerschreck und Unruhestifter und sowieso die allerbesten!“, grinste Sakura.

Temari ahnte, dass es ihr mit diesen Charakteren garantiert nicht langweilig werden würde.
 

„Das ist mein Zimmer?“

Neugierig sah Temari sich um. Es war ein schöner, heller Raum mit Schreibtisch, Schrank, Regal und einem großen Bett. Sogar ein kleines Sofa stand in einer Ecke.

„Ja. Wir haben’s gerade noch geschafft, Inos Kleider hier rauszuholen.

Temari nickte. Ihre neuen Mitbewohnerinnen – und sich auch Freundinnen – hatten ihr die Story erzählt.

„Dann pack ich mal aus“, seufzte Temari und sah auf ihre vier Koffer. Sie hatte eigentlich überhaupt keine Lust dazu.

„Ach, mach das morgen!“, meinte Sakura leichthin. „Du hast noch genug Zeit.“ Sie ließ sich auf Temaris Bett fallen und stieß genussvoll die Luft aus.

„Dir gefällt es wohl hier? Hm?“, fragte Temari und setzte sich auf ihren neuen Schreibtischstuhl.

„Was? Oh, ja. Ich bin gern hier.“ Mehr sagte sie nicht. Vermutlich war es noch zu früh dafür.

„Was machen wir heute Abend?“, wechselte Temari rasch das Thema.

„Freitags ist unser Mädels-Abend. Filme gucken und so. Hast du DVDs dabei?“

Temari lachte. „Ich habe zwei Ticks: Fächer und Filme“, verriet sie.

Interessiert sah Sakura auf. „Fächer?“

Temari sprang auf, packte ihren kleinsten Koffer und kippte den Inhalt auf dem Bett aus. Erstaunt nahm Sakura ein der Schachteln in die Hand und öffnete sie. „Wow!“, entfuhr es ihr, als sie den kunstvollen, schwarzen Fächer mit dem rosanen Kirschblütenmuster entfaltete.

„Das sind Fächer aus allen möglichen Ländern mit den dazugehörigen Schachteln. Die sind extra für Fächer!“ (Keine Ahnung, ob’s so was wirklich gibt XD), erklärte Temari voller Begeisterung. Auf einmal seufzte sie tief auf. „Meinen Lieblingsfächer konnte ich nicht mitnehmen.“ Immer noch die große Sammlung bewundernd, fragte Sakura nach dem Grund.

„Er ist zu groß! Fast so groß wie ich, aber nicht besonders auffällig verziert. (Den kennt man ja XD) Aber es ist für mich ein echtes Erinnerungsstück.“

„Verstehe“, lächelte Sakura. Plötzlich wurde aus dem Lächeln ein breites Grinsen. „Und was ist jetzt mit deiner Filmsammlung?“
 

Viel zu schnell war der wunderbar witzige Abend zu Ende und der Samstag brach an. Allerdings hatte wohl keine der Mädchen damit gerechnet, WIE der Tag beginnen würde.
 

Also, das sollten eigentlich zwei Kapitel werden, aber einzeln sind die irgendwie noch langweiliger *schlechter Schreiberling bin* *heul* (und mir vor allem zu kurz!)

Na ja, vielleicht erbarmt sich jemand und schreibt nen kommi?
 

LG inkheartop

Eine Tradition - und die Gedanken danach

Eine Tradition – und die Gedanken danach
 


 

„Das ist ganz schön fies, Jungs“, murmelte Kiba Inuzuka seinen Freunden zu, die allerdings nur grinsten.

„Gerade deshalb macht es ja auch so einen Spaß, Kiba“, flüsterte Neji Hyuga zurück. Kaum zu glauben, dass der Junge mit dem eiskalten Blick überhaupt grinsen konnte.

„Schade, dass Naruto nicht mitkommen konnte“, meinte Sasuke Uchiha, klang dabei aber nicht besonders mitleidig.

„Was lässt der Junge sich auch ausgerechnet mit der Lin erwischen?“

„Dass er sich überhaupt erwischen lässt …“, gab Shikamaru Nara nun auch seinen Senf dazu.

„Dann bleibt halt dieses Mal eine übrig“, zuckte Neji mit den Schultern, bevor er einen kleinen silbernen Schlüssel aus seiner Tasche hervorkramte. „Vorgestern fertig geworden!“ Mit einem hinterlistigen Grinsen steckte er den Schlüssel in das Schloss der Tür, vor der sie unerlaubterweise zu so früher Stunde herumlungerten. Ein leises Klicken verkündete, dass der erste Teil ihrer Mission geglückt war. Neji öffnete die Tür und leise schlichen sie in den, mehr oder weniger fremden Hausflur.

Unruhig sah Kiba sich um. Blöd genug, dass er Akamaru nicht hatte mitnehmen können, aber das, was jetzt noch kommen würde, ließ sein Herz noch schneller rasen. Nicht, dass Kiba ein Angsthase war – nein, garantiert nicht! Aber diese Aktion war jedes Mal aufs Neue aufregend.

„Wer wird verschont? Sie sind jetzt schließlich zu fünft!“, ließ Sasuke noch einmal das Unvermeidliche aufleben.

Dieses Jahr war es wirklich anders, als die Jahre zuvor.

„Ich wäre ja für Yamanaka“, meinte Shikamaru. „Die hätte uns letztes Jahr fast auffliegen lassen!“

„Ja … aber ihr Schrei war sooo klasse! Echt unübertrefflich!“ So langsam fing auch Kiba wieder Feuer.

„Haruno kommt auch dran!“, grinste Sasuke. Das stand außer Frage.

„Ten Ten muss auch dran glauben. Und diese Neue braucht ihre ‚Einweihung’“, wisperte Neji. „Dann bleibt nur noch …“

„… Hinata!“, seufzte Kiba, fast erleichtert. Letztes Jahr hatte die Hyuga eine Woche lang nicht mit ihm gesprochen!

„Alles klar. Die Verteilung steht fest. It’s Partytime, Jungs!“, sagte Sasuke und die Freunde schlichen auf leisen Sohlen die Treppe hinauf.
 

Sasuke musste zugeben, dass er diese Aktion jedes Mal aufs Neue genoss. Es war einfach jedes Jahr ein klasse Act und der größte Spaß – zumindest für die Jungs. Und das Beste war, dass es die Mädels immer wieder überraschte. Sie waren einfach zu leichtgläubig!

Leise öffnete er die Tür mit dem hellblauen Schild. An fünf Türen im Haus gab es solche Schilder, auf denen jeweils ein Name geschrieben stand. Auf dieser bestimmten Tür war es „Sakura Haruno“.
 

Ein Zittern fuhr durch Nejis Körper. Wie ein elektrischer Schlag wirkte dieses traditionelle ‚Schuljahresanfangsparty’ auf ihn. Ja, eine Party – für ihn und seine Kumpels. Schade, dass Naruto wieder nicht dabei sein konnte – aber der Idiot brockte sich auch immer neuen Ärger ein.

Das Schild mit dem Namen „Ten Ten“ ließ ihn wieder grinsen und vorsichtig leise drückte er die Zimmertür auf.
 

Eigentlich wusste Kiba nicht einmal genau, warum er ausgerechnet Ino Yamanaka übernehmen musste – wie jedes Jahr. Finster starrte er auf das Schild. „Ino Yamanaka“. Ja, diesen Namen konnte man einfach nicht vergessen. Nicht, wenn dieses Weib so verdammt laut schreien konnte. Aber das war gerade wichtig für ihre Aktion.

Seufzend öffnete er die Tür zu Inos Reich.
 

Shikamaru starrte das hellblaue Schild an. Noch ganz neu sah der Schriftzug „Temari Sabakuno“ aus. Alle anderen waren schon etwas verblasst.

Warum musste ausgerechnet SIE hier wohnen? Er hätte die ruhigere, aber furchtbar leicht zu erschreckende Hinata dem hitzigen Mädchen aus dem Zug vorgezogen. Aber jetzt war es nun einmal so und er konnte es nicht ändern.

Eigentlich hatte Shikamaru gedacht, seine Freunde hätten die ‚Tradition’ schon längst durchgezogen. Aber da er nun mal der beste Planer in solchen Sachen war, hatten sie auf seine Ankunft gewartet. Wie edel!

Shikamaru sah sich um. Niemand war mehr auf dem Flur zu sehen; seine Kumpels waren alle schon in den Zimmern verschwunden. Etwas genervt mit den Augen rollend, betrat auch er den dunklen Raum.
 

Das lange, blonde Haar fiel Ino in sanften Wellen über die Schultern. Friedlich schlummerte sie ihren Schönheitsschlaf und ahnte nicht im Geringsten etwas von dem braunhaarigen Jungen, der etwas nach Hund roch und direkt an ihrem Bett stand.

Kiba wusste, was er zu tun hatte. Fast tat es ihm Leid, die schlafende Schönheit zu verunstalten. Aber nur fast. Aus der Tasche, die er mitgenommen hatte, zog er einige Sachen hervor und begann grinsend mit seiner ‚Arbeit’.
 

Mit geübten, schnellen Griffen verband Sasuke das Handgelenk des schlafenden Mädchens vor ihm mit dem Bettpfosten. Es war wirklich praktisch, dass man Sakura schon ins Ohr schreien musste, um sie wach zu bekommen.

Auch Sasuke hatte eine Tasche dabei und aus dieser holte er nun ein Honigglas hervor.

Klatsch! Klatsch!

Eine ordentliche Portion in ihre Haare. Schade, dass sie sie in den Ferien kurz geschnitten hatte, aber es genügte immer noch.
 

Neji wusste, dass er schnell sein musste, aber er konnte nicht anders, als Ten Ten noch kurz zu betrachten. Richtig süß sah sie aus, wenn sie schlief … Moment! Was dachte er da? Das war kein Gedanke, den er sich als Macho und Mädchenaufreißer leisten durfte!

Kopfschüttelnd kettete auch der Hyuga das Mädchen an ihrem Bett fest. Allerdings an den Füßen. Eine Rolle Klopapier hervorkramend, musste er sich eingestehe, dass sie immer kindischer wurden. Na und? Sie waren erst sechzehn, also noch jung genug, um kindisch sein zu dürfen – zumindest in dieser Sache.
 

Geschafft! Temari war mit einem Fuß und einer Hand an ihrem Bett festgebunden und hatte zudem noch eine Menge Farbe im Gesicht.

Shikamaru grinste. Er war immer recht schnell fertig, jetzt hieß es warten. Und er war ein geduldiger Mensch.

Er setzte sich auf einen Stuhl und beobachtete Temari. Gut sah sie au, das musste er zugeben. Aber da er sowieso nicht mit Mädchen klar kam, war das auch egal. Sie waren einfach nervig, unlogisch, anstrengend. Und besonders dieses bestimmte Mädchen vor ihm.

Wirr hing ihr das blonde Haar ins Gesicht, sanft schlief sie. Nicht mehr lange, wenn Kiba bald fertig war.
 

„AAAHHH!!!“

Der Schrei zerriss Kiba beinahe das Trommelfell. Das klatschnasse Haar klebte in Inos Gesicht und sie starrte Kiba mit weit aufgerissenen, wütenden Augen an. Allerdings nicht lange.

Alle Farbe wich aus ihrem, ohnehin blassen Gesicht, als ihr Blick auf ihre Bettdecke fiel. Dort saß, oder besser krabbelte Inos schlimmster Alptraum. Acht haarige, lange Beine und ein ebenso behaarter, schwarzer Körper mit acht winzigen, glänzenden Augen.

Eine Spinne!
 

Durch Inos Schrei schreckte Sakura auf. Ja, man musste eben nur laut genug schreien können.

Sofort fiel ihr Blick auf Sasuke und sie wusste, was passiert war, zumindest ungefähr.

„Ich bring dich um, Uchiha!“, schrie Sakura und wollte schon aufspringen, wurde aber von einem Ruck an ihrem Handgelenk davon abgehalten. Der Kerl hatte sie doch tatsächlich festgebunden! Außerdem fühlte ihr Gesicht sich so klebrig an …

Sasuke grinste hinterhältig und zückte eine Kamera.

„Das wagst du nicht, du hirntoter Idiot! Verfluchte Pestbeule! Kranker … ARGH!“ Das Blitzlicht unterbrach Sakuras Schwall an Flüchen.

„Eine kleine Erinnerung für uns … und den Rest der Schule“, lachte Sasuke. Dann machte er sich bereit für den letzten Schritt: Abhauen!
 

Nicht nur Sakura wurde durch Inos ‚Trommelfellquäler’ unsanft geweckt, auch Ten Ten setzte sich ruckartig auf … und wäre am liebsten in Ohnmacht gefallen.

Ihr gesamtes Zimmer war verhüllt in Klopapier – und zwar rosarotes Klopapier!

Es hatte Ten Ten wirklich die Sprache verschlagen, das konnte nicht einmal Neji ändern, der ihr grinsend einen Fotoapparat vors Gesicht hielt und sie knipste. Erst das klickende Geräusch weckte das Mädchen aus ihrer Trance.

„Was zum … Neji?!“

Langsam ging ihr ein Licht – nein, ein ganzer Kronleuchter auf.

„Das ist nicht euer Ernst, oder?“, flüsterte Ten Ten bedrohlich. „Oh mein Gott! ICH BING EUCH UM! WIESO MUSS DAS AUCH JEDES JAHR SEIN? ICH BRING DICH UM, NEJI HYUGA!!! HER MIT DEM FOTO!!!“

Sie versuchte vergeblich aufzustehen.

„Komm schon, Ten Ten! Dein Gesicht macht sich sicher gut in der Schülerzeitung!“, meinte Neji, wedelte noch einmal mit der Kamera und rannte dann aus dem Zimmer.
 

Gerade noch konnte Shikamaru dem Fächer ausweichen, der knapp sein Ohr verfehlte, an ihm vorbeizischte und dann in der Schanktür stecken blieb.

„DU BIST SO KINDISCH!“, schrie Temari und zerrte an ihren Fesseln. Sie hatte sich gerade genug rühren können, um an ihre Fächer zu gelangen.

„Und du bist gemeingefährlich“, murmelte Shikamaru und auch er schoss noch schnell ein Foto seines Opfers.

„HEY! Was soll das, Ananaskopf? Brauchst du ein Bild für dein Fotoalbum?“, lästerte Temari, fühlte sich aber reichlich unwohl. Und vor allem hilflos!

„Nein“, meinte Shikamaru schlicht und hielt ihr einen Handspiegel vor die Nase.

Geschockt sah Temari in ihr eigenes, verunstaltetes Gesicht.

„Wasserfest“, sagte Shikamaru noch, bevor er sich der Tür zuwandte. Schon halb auf dem Flur stehend, drehte er sich noch einmal um. „Du bist echt nervig!“
 

Hinata sah gerade noch, wie vier ziemlich bekannte Gestalten die Treppe hinunterstürmten. Vor Wut fehlte ihr die Luft, um ihnen noch etwas hinterherzuschreien, aber innerlich verfluchte sie die Jungs, und besonders Kiba. Der konnte etwas erleben…

Schnell wandte sich die Blauhaarige zu Inos Zimmer. Diese war immer am beliebtesten für Angriffe, denn sie erschrak sich leicht. Und ihr Gekreische hatte bis jetzt jedes Jahr zum Plan gehört.

Seltsam, dass es so still war. Na ja, wenn Hinata vom Gezeter ihrer anderen drei Freundinnen absah. Aber aus Inos Zimmer drang kein Laut. Dabei gab es nur eine Sache, die die Blonde vor Angst verstummen ließ.

Ob die Jungs etwa…?

Sie würde Kiba den Hals umdrehen, ihn fertig machen, ihn umbringen! Dagegen würde die eiserne Schweigewoche vom letzten Jahr eine wahre Erholung sein!
 


 

„Ich bring sie um!“, zischte Sakura und ballte ihre Hände wutschnaubend zu Fäusten. Neben ihr saß Ino in einen Sessel gepresst und immer noch mit schreckgeweiteten Augen. Zitternd hielt sie eine große Tasse mit ihrem Lieblingstee in den Händen, hatte aber starke Probleme damit, sie nicht überschnappen zu lassen.

Temari und Ino – beziehungsweise Sakura, die Ino half, da diese zu diesem Zeitpunkt kaum noch bewegungsfähig war – hatten große Schwierigkeiten damit gehabt, die wasserfeste Farbe von ihren Gesichtern zu waschen, hatten so lange geschrubbt, bis ihre Haut rot glühte und Sakura auf die Idee kam, alle möglichen „Reinigungsprodukte“ zu testen. Diese Versuchsreihe ging von Abschminkcreme über Sonnenmilch bis hin zu Zahnpasta, und irgendwann funktionierte es sogar. Das hatte einige Stunden gedauert, in denen Hinata Ten Ten bei der Beseitigung des rosa Klopapieralptraums in ihrem Zimmer, unter die Arme gegriffen hatte.

Wenigstens hatten die Kerle die Spinne wieder mitgenommen.

Aber nun saßen sie ja alle zusammen, erschöpft und vor allem stink wütend.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Kiba so was noch mal macht.“ (Hinata)

„Ich bring Uchiha um!“

„Wieso? Haben die so was schon mal angestellt?“ (Temari)

„Ich bring Uchiha um!“

„Ja, aber so bescheuert waren sie noch nie!“ (Ten Ten)

„ICH BRING UCHIHA UM!!!“

„Ja, Sakura, wir haben’s verstanden!“, brachte Ten Ten ihre aufgebrachte Freundin, ziemlich genervt, zum Schweigen.

Etwas beleidigt ließ diese sich in einen zweiten Sessel fallen, schlug die Beine übereinander und versuchte zu schmollen, was ihr aber nicht wirklich gelang, dazu war sie noch viel zu wütend.

„Das mit der Spinne ging echt zu weit“, meinte Temari, die inzwischen über Inos Spinnenphobie aufgeklärt worden war. „Wo hatten sie die überhaupt her?“

„Kidomaru sammelt die Viecher“, meinte Ten Ten.

„Kido-wer?“

„Kidomaru, eine Klasse über uns. Der ist total verrückt nach Spinnen“, erklärte Ten Ten weiter.

„Und der leiht die den Jungs einfach so aus?“, hakte Temari ungläubig nach.

Mit einem spottenden Schnauben lenkte Hinata die Aufmerksamkeit auf sich. Die schneeweißen Augen des sonst so zurückhaltenden und ruhigen Mädchens versprühten geradezu wütende Funken.

„Natürlich nicht! Der steht schon lange mit Neji auf Kriegsfuß, aber ich wette darauf, dass sie wieder einen ihrer hirnlosen Wettbewerbe veranstaltet haben!“, regte sich Hinata auf. „Wieso muss ich mit so einem Idioten verwandt sein?“

„Du kannst ja nichts dafür“, meinte Ten Ten beruhigend und klang dabei so, als habe sie dieses Gespräch schon sehr oft ausgefochten. An Temari gewandt, fügte sie hinzu: „Neji ist Hinas Cousin. Aber ihre Familien verstehen sich nicht besonders gut.“

Hinata blieb still. Dies und ihr die Tatsache, dass ihr Blick sich noch um einige Nuancen verfinstert hatte, bestätigten die Tatsache, dass Ten Ten Recht hatte.

„Ich würde mich so gerne an ihm … an ihnen rächen!“, grummelte Sakura, sah aber keine ihrer Freundinnen dabei direkt an.

Ten Ten, anscheinend die einzige, die noch einigermaßen klar denken konnte, seufzte laut auf und vergrub ihren Kopf in ihren Händen. Auch diese Diskussion wurde schon oft geführt.

„Vergiss es, Saku! Das bringt nichts! Denk immer daran, wir Frauen …“

„… sind das stärkere und klügere Geschlecht und der Klügere gibt bekanntlich nach“, vervollständigten Sakura und Hinata ihren Satz im Chor und selbst Ino, die noch immer etwas angeschlagen schien, rollte auf diesen Standardspruch mit den Augen.

Temari beäugte das Schauspiel nur belustigt.

„Aber echt, Ten!“, fing Sakura dann aber doch wieder an. „Es war doch echt unfair von diesen Mistkerlen, die Spinne“, sie warf einen kurzen Blick zu Ino, die bei der Erwähnung dieses Wortes schon wieder zusammengezuckt war, „ausgerechnet zu Ino zu legen. Ich meine … Uchi … die Typen brauchen doch echt mal ne Abreibung!“

Flehentlich sah die Rosahaarige ihre Freundin an, die missmutig Temari anstarrte und wohl so stumm um Hilfe flehte. Diese zuckte aber nur mit den Schultern.

„Ich wäre ja ehrlich gesagt auch für Rache, aber mein Fächer hat den armen Kerl wohl schon genug verschreckt.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war nicht zu überhören, aber auf jeden Fall grinste sie breit und erzählte ihren neuen Freundinnen vom „Fliegenden Fächer, der im Kleiderschrank stecken blieb“. Shikamarus letzten Satz ließ sie dabei wohlwissentlich aus. Das kam ihr irgendwie blöd vor.

Sakura aber hörte nicht wirklich zu. Sie lauschte lieber ihren eigenen Gedanken, die ihr gerade die „Top Ten der besten Rachepläne an allen Jungen und besonders einem im Speziellen“ zuflüsterten. In ihr reifte ein Plan, der sie anekelte, abschreckte – und zugleich das Beste war, was sie sich je zusammenesponnen hatte. Ein Plan, den sie allein ausführen konnte und über den sich selbst die gewissenhafte Ten Ten köstlich amüsieren würde.
 


 


 

****************
 

So, das war Kapiteln 3. Hat echt Spaß gemacht, es zu schreiben *ggg*

Dabei muss ich sagen, dass ich zum Teil auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen habe (jaja, das KjG-Lager ^.^), zum Teil habe ich Streiche in Büchern aufgenommen und das mit der Spinne ist auf meinen ganz eigenen Mist gewachsen. Nur mal so zur Info ^.^
 

Dann hoffe ich mal, dass sich vielleicht ein paar dazu erbarmen, einen Kommi zu schreiben...
 

Bye bye

inkheartop

Revenge is a Kiss

Revenge is a kiss
 


 


 

Die schwächelnden Strahlen der Herbstsonne begleiteten Sakura auf ihrem Weg zu dem Teil des Campus’, auf dem sie eigentlich gar nichts zu suchen hatte, wenn es nach der Schulordnung ging. Aber sie folgte seit jeher sowieso lieber ihren eigenen Regeln und zu diesem Zeitpunkt dachte sie auch nicht an Verbote, die niemand wirklich ernst nahm.

Ihre grünen Augen blitzten gefährlich und insgeheim fand sie es ausgesprochen schade, dass die anderen Mädchen ganz offiziell inoffiziell gegen eine Racheaktion gestimmt hatten. So wie jedes Jahr hatte Ten Ten alle überzeugt – also dazu gezwungen, ihr zu glauben –, dass solche Sachen unter ihrer Würde waren. Manchmal war es echt anstrengend, das einzige Mädchen mit einer inneren Stimme zu sein, wie Sakura fand. Und wenn diese nun einmal „RACHE!“ flüsterte – oder auch schrie –, dann konnte sie einfach nicht widerstehen.

Aber irgendwie konnte Sakura die Mädels auch verstehen. Sie waren zwar sehr kreativ, besonders Ino, wenn diese nicht gerade von einer Spinne psychisch ausgeknockt worden war, aber leider waren sie nun einmal zu viert und sie waren demokratisch.

Was Sakura von Temari halten sollte, wusste sie noch nicht ganz. Der gestrige Abend und eigentlich auch die ganze Nacht hatten aber auf jeden Fall etwas mehr Leben n die Gruppe gebracht, aber es schien, als würde die Ältere sich noch zurückhalten. Aber sie passte gut zu ihnen, das musste Sakura zugeben. Ihre wilde, ungestüme Art und ihre kurzzeitigen Ausraster würden in ihrer WG sich nicht großartig auffallen, so etwas kannte Sakura ja schon von sich selbst.

Was wusste sie sonst noch über die Blonde? Ihr Filmgeschmack war ausgezeichnet, nicht zu schnulzig, aber auch nicht unbedingt die krasse Horrorschiene, mit der Sakura sich nur in Einzelfällen auseinander zu setzen wusste. Die Leidenschaft für Fächer war ihr allerdings noch etwas schleierhaft, auch wenn sie die Dinger wirklich wunderschön fand. Viel mehr Eigenschaften und Hobbys hatte Temari aber bis jetzt noch nicht gezeigt und auch über ihren Kleidungsstil war Sakura sich noch nicht ganz im Klaren, aber das würde sich sicher bald ändern.

Jetzt jedoch vertrieb Sakura die Gedanken an die Neue aus ihrem kopf, denn sie war vor dem Haus angelangt, zu dem sie wollte. Vielleicht war es sogar besser ohne die Mädels, denn so konnte sie ihre eigene, ganz private Rache an Sasuke Uchiha vollstrecken.
 

Lachend berichteten sich die Jungs gegenseitig von ihren Erlebnissen. Zwar gab es auch irgendwie Ereignisse, die lieber nicht erzählt wurden, aber lustig war es trotzdem.

Shikamaru hörte schwach grinsend zu, wie Kiba ganz begeistert Inos Schrei zu Besten gab, und auch wenn dieser eigentlich unnachahmbar war, so kam es doch ganz nah ran.

Der Nara selbst hielt seine Klappe, so wie man es von ihm gewohnt war, auch wenn in dieser Runde sein ewig genervtes „Troublesome!“ nicht zu hören war. Es passte einfach nicht hierher. Stattdessen versuchte er sich darauf zu konzentrieren, seine Gedanken nicht allzu weit abschweifen zu lassen, an einen Ort, an dem es Ruhe gab, keine nervigen Leute, keinen Stress, Sabakuno, Shogi …

Stopp! Halt! Auszeit! Sabakuno? Sabakuno bedeutete Temari, Temari bedeutete Frau und Frau bedeutete Stress. Stress hatte in seiner Welt nichts verloren! Warum also machte er sich Gedanken darüber? Und warum dachte er überhaupt darüber nach, dass er sich Gedanken darüber machte? Stressig! Also doch besser den Jungs zuhören.

„Mann, warum verpass ich das nur jedes Jahr?“, schimpfte Naruto, der inzwischen auch zu ihnen gestoßen war, über sich selbst.

„Weil du echt blöd bist!“, kommentierte Neji trocken, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Aber wenigstens haben wir dadurch die Spinne bekommen. Auch wenn du aufgeflogen bist.“

„Die Lin ist aber auch schwer zu knacken“, meinte Sasuke und klopfte seinem besten Freund anerkennend auf den Rücken. „Hat wohl ne Männerphobie.“

Naruto grinste nur stumm vor sich hin.

„Was war eigentlich bei dir los, Sasuke?“, fragte Kiba.

Sasuke verzog das Gesicht. „Oh, erinnere mich nicht an sie! Die taucht heute garantiert noch auf und ich …“

Wie aufs Kommando wurde die Tür mit einem gewaltigen Tritt aus den Angeln gehoben.

Das „Die Tür bezahlst du aber!“ blieb den anderen im Hals stecken, nur Sasuke blieb gelassen auf dem Boden sitzen und sah zu Sakura auf, die hereingestürmt kam.

„Tag, Haruno“, sagte Sasuke lässig. Allerdings blieb nur er so ruhig, denn seine Kumpel hatten so schnell wie möglich die Flucht vor der rosahaarigen Bestie ergriffen.

Tatsächlich war Sakura fuchsteufelswild. Sie stürmte auf Sasuke, der immer noch scheinbar seelenruhig auf dem Boden saß, packte ihn am Kragen und drückte in mit einer erstaunlichen Kraft hoch an die Wand, so dass er auf den Zehenspitzen stand.

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Uchiha?“, fauchte Sakura ihn an. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

„Wenn du meinen Namen kennst, warum fragst du dann, wer …“, fing Sasuke an, stoppte aber, als er weiter nach oben geschoben wurde und ihm die Luft abgedrückt wurde.

„Du weißt von Inos Phobie und du kostest das ganze genüsslich aus“, wisperte Sakura. „Und jetzt bekommst du die Quittung für dein Handeln.

„Hey, die anderen …“, presste Sasuke hervor, aber auch jetzt kam er nicht weit.

Sakura presste ihre Lippen fest und unverhofft auf seine, war dabei gleichzeitig angewidert und aufgewühlt von ihrer Tat. Sie spürte Sasukes Widerstand schwinden und lockerte ihren Griff etwas, um ihm noch etwas Luft zu lassen. Das hatte sie mit eingerechnet, sogar mit eingeplant. Alles ein Teil ihres Plans – ihrer Rache.

Sasuke musste innerlich über den Kuss grinsen. Er hatte gewusst, dass sie auf ihn stand, aber dass es sobald zu einem Ende kommen würde, das hatte er nicht gedacht. Diese Wette hatte er gewonnen. Dachte er.

Als sich sein Mund öffnete und ihre Zungen zu spielen begannen, war Sakura dazu geneigte, ihre Rache sausen zu lassen. Konnte der gut küssen! Ihre immer noch geöffneten Augen rollten kurz nach oben, als sie sein arrogantes Grinsen sah und verwarf ihre Schwankungen sofort wieder. Eine Sakura Haruno hält sich schließlich an ihre Pläne und deshalb …

„AH!“

Sasuke stieß sie heftig von sich, hielt sich den Mund zu und funkelte sie an.

„Hoffe, du riskierst nicht so bald wieder eine scharfe Zunge, sonst könnte es sein, dass ich sie dir ganz abbeiße!“

Ein letztes Mal grinste sie ihn genugtuend an, dann drehte sie sich um und stürmte davon.

So sah eine Rache à la Sakura aus. Ja ja, revenge is a kiss …
 

*************
 

Okay, das war jetzt kein besonders langes Kapitel und eigentlich wollte ich auch noch einen Teil dranhängen, aber das hätte nicht dazugepasst…

Wie fandet ihr Sakuras Rache? Muss auf jeden Fall schmerzhaft für Sasuke gewesen sein XD
 

Weil ich zurzeit im Schreibrausch stecke ^.^ und zudem die ersten paar Kapitel schon fertig habe, werden die wahrscheinlich schneller folgen. Aber versprechen kann ich nix!
 

Aber jetzt erst ma: Fleißig Kommis schreiben, gell?!
 

Man liest sich!

inkheartop

Probleme - nervig!

Probleme – nervig!
 


 

Grinsend beobachtete Ino, wie Sasuke mit einem noch finstereren Gesichtsausdruck als sonst am nächsten Morgen in die Klasse getrottet kam. Ob er mit dem Sprechen Probleme hatte?

„Mensch Saku, hast du ihm die Zunge abgebissen?“, fragte Temari, ebenso grinsend. Sie stand immer noch, hatte sich noch nicht gesetzt, denn wo hin? Schließlich war sie neu.

Besorgt drein blickend beugte sich Hinata zu Sakura hinüber, die in der Bank neben ihr saß.

„Hast du nicht, oder?“

„Vielleicht“, lächelte Sakura geheimnisvoll, konnte aber das gefährlich lachende Glitzern in ihren grünen Augen nicht verstecken.

„Sieh sie dir doch an, Hina, sie …“ Weiter kam Ten Ten nicht, denn mit einem Knall flog am anderen Ende des Klassenzimmers die Tür auf und alle zuckten zusammen.
 

„Haruno sitzt schon? Sehr gut“, meinte Asuma stirnrunzelnd, als würde diese Tatsache ihn ärgern. „Und wer sind Sie?“

Temari wurde rot, was eigentlich gar nicht zu ihr passte, aber sie hasste diese Art der Vorführung einfach. Besonders, wenn sie im Mittelpunkt stand.

„Sabakuno, Temari“, stellte sie sich vor und war froh, dass wenigstens ihre Stimme nicht zitterte oder sonst irgendeinen nicht geplanten Unsinn anstellte. „Ich bin neu.“

„Ach ja. Die Direktorin sagte etwas von noch einem Neuen“, murmelte der Klassenlehrer vor sich hin.

Temari stellte sich auf einen harschen Wink Asumas nach vorn, wobei sie den Jungen bemerkte. Er stand nahe der Tür und er schien die Schatten förmlich anzusaugen, denn er verschmolz geradezu mit ihnen. Vollkommen unauffällig. Das kurze, schwarze Haar und die dunklen Augen blickten undurchdringbar in den Raum, man konnte nicht sagen, was er gerade dachte.

Als der Junge Temaris Blick bemerkte, lächelte er, aber es sah gezwungen aus, beinahe künstlich.

„RUHE!“, schrie Asuma in die immer noch aufgewühlte Klasse hinein und sofort verstummten alle. „Geht doch!“, knurrte der Kettenraucher kurz, bevor er weiterredete. „Da nach einer unserer Schulregeln die neuen Schüler erst eine Woche später hier aufkreuzen, aus welchen Gründen auch immer, haben wir heute zwei Neue zu begrüßen.“

„Der Typ ist scharf!“, flüsterte Ino und leckte sich kurz über die Lippen.

„Welcher Typ?“, fragte Sakura etwas lauter nach. Dummerweise etwas zu laut.

„Haruno! Wollen Sie schon wieder Ärger machen?“

„Nein, Sir, ich …“

„Schluss jetzt! Ich dulde in meinem Unterricht keinen Ärger! Setzen Sie sich zu Aburame in die erste Reihe, da habe ich Sie im Blick und Sie quatschen nicht mehr so viel. Sie bekommen den Platz neben Yamanaka, Sai“, fügte er noch hinzu.

Der neue Junge namens Sai nickte und setzte sich neben die verdrießlich aussehende Ino. Denn auch, wenn sie immer noch fand, dass Sai scharf war, so hätte sie doch viel lieber mit Sakura darüber gequasselt, als ausgerechnet mit dem Objekt ihrer fast zu Stande gekommenen Diskussion.

„Aber, Sir!“, versuchte Sakura noch einmal ihr Glück, aber wie so oft verursachte es das genaue Gegenteil.

„Nachsitzen, Haruno, damit Sie endlich lernen, still zu sein!“

„Genau, Haruno, sei endlich still“, grinste Sasuke in die Klasse hinein. Das Grinsen verschwand jedoch, als Asuma „Für Sie auch Nachsitzen, Uchiha!“ rief.
 

Gebannt und etwas schockiert hatte Temari die Szene beobachtet und zuckte nun zusammen, als Asuma sie direkt ansprach.

„Wo setzen wir Sie hin, Sabakuno?“

Sein Blick huschte noch während er sprach durch das Klassenzimmer, plötzlich runzelte er die Stirn.

„Sabakuno! Sind Sie mit Sabakuno verwandt?“, fragte er einen Jungen mit braunem Haar, das einen Stich ins Rote zeigte, und der ziemlich lässig auf seinem Stuhl hing und grinste.

„Wir sind Geschwister, Sir“, erklärte Kankuro.

Temari hätte ihn dafür umbringen können, es so breit grinsend zu offenbaren, mit dem Wissen, dass es sie aufregen würde.

Ein paar der Mädchen schienen aufzuseufzen, als sie diese Nachricht erreichte. Anscheinend war ihr kleiner Bruder ziemlich beliebt, auch wenn seine Lieblingsbeschäftigung riesige Marionetten zusammenbasteln war. Aber Temari wusste auch, dass diese Mädels hier keine Chance bei Kankuro hatten.
 

Asuma hatte sich inzwischen wieder der Suche nach einem Sitzplatz für Temari zugewandt, seine Augen huschten über die erste Reihe, in der einige Mädchen saßen, die Temari nicht kannte und schließlich über die letzte Reihe, wo …

//Oh nein, bitte nicht!//, dachte Temari, als sie sah, wie Asuma beim Anblick des schlafenden Jungen in der letzten Reihe neben Neji, lächeln musste.

„Auch wieder da, Nara?“, fragte der Lehrer mit einer ruhigen Stimme, die Temari ihm gar nicht zugetraut hätte.

Aber der Angesprochene rührte sich nicht.

„NARA!“

Der Schrei war laut genug, um eine Horde Strauße zum Fliegen zu bringen, aber noch immer keine Bewegung.

„Hey, Alter!“, zischte Neji und hieb seinem Freund mit aller Kraft den Ellbogen in die Seite.

„Was ist?“

Temari hätte schwören können, er würde für diese Respektlosigkeit auch Nachsitzen aufgebrummt bekommen, aber …

„Nara, Platz tauschen mit Inuzuka!“, knurrte der Lehrer nur, dieses Mal klang es allerdings nichts so bedrohlich.

Shikamaru rollte genervt mit den Augen, setzte sich aber gehorsam in die erste Reihe.

„Sabakuno, Sie setzen sich neben Nara“, wies Asuma sie noch an.

Hatte sie es doch gewusst! Konnte frau im Leben denn überhaupt kein Glück haben?

Sie ließ sich neben Shikamaru fallen.
 

Shikamaru versuchte, während des Unterrichts wieder zu schlafen, aber das gelang ihm aus zwei Gründen nicht.

Der erste war einfach und auch verständlich: Asuma wachte wie ein Luchs über ihm und seiner Fähigkeit, den ganzen Tag zu pennen. Dabei war es doch gerade das, was er an Asumas Unterricht so mochte: Die Tatsache, dass er schlafen konnte, ohne dabei gestört zu werden. Und da Asuma sowieso nur Mathe und Geschichte unterrichtete – zwei Fächer, die für Shikamaru kein Problem darstellten –, war das normalerweise die Zeit, in der er noch einmal ausspannen konnte.

Der zweite Grund war wesentlich komplizierter und für Shikamaru vollkommen unverständlich, denn er saß neben ihm und schrieb die Daten von der Tafel ab, die Asuma gerade in seiner engen Handschrift ankritzelte. Der Grund war also blond, hatte vier Zöpfe und war auf ihn nicht gut zu sprechen. Und er hieß Temari.

So saß er also neben diesem Grund, der ihn nicht schlafen ließ und versuchte wenigstens dem anderen Grund, der ihn nicht schlafen ließ, zuzuhören. Aber das war gar nicht so einfach, wenn der Grund neben ihm manchmal seinen Arm beim Schreiben berührte oder er sich selbst dabei erwischte, wie er Temari beobachtete. Es war zum Verrücktwerden!

Sie strich sich eine helle Strähne hinters Ohr und schien tatsächlich Asuma zuzuhören, der gerade irgendetwas vom Absolutismus laberte; etwas, das sie schon einmal im letzten Jahr durchgenommen hatten – also nur Wiederholung.

Mit einem Mal schaltete sein Gehirn ab, aber Shikamaru schlief nicht. Er beobachtete weiter Temari, ihre Bewegungen, ihr Stirnrunzeln, ihren gestreckten Arm, wenn sie eine Frage stellte oder eine Antwort gab, die er nicht verstand, weil er ihrer Stimme lauschte.

„Nara, ich hab dich was gefragt!“

Asumas plötzlicher Schlag auf seinen Tisch weckte Shikamaru ziemlich unsanft aus seinen eigenartig klaren Tagträumereien.

„Hä?“, machte er und das war wohl das untypischste, was man je von ihm gehört hatte.

Asuma raufte sich die Haare und seufzte genervt auf. „Hä? Hä?! HÄ!“, äffte er seinen Schüler nach. „Das heißt ‚Wie bitte?’, Nara!“ Damit drehte er sich zur Tafel um, knurrte noch verzweifelt etwas von „… nicht mehr zu helfen…“ und „… womit hab ich das verdient...?“, bevor er seine Frage wiederholte und Naruto sie irgendwie zusammenstotterte. Aber da war Shikamaru mit seinen Gedanken schon wieder ganz weit weg.

Na ja, vielleicht nicht allzu weit, sondern nur bei der Person neben ihm.

Temari wandte plötzlich den Kopf, bemerkte wie er sie ansah und ihr Blick verfinsterte sich etwas. Sie runzelte wieder die Stirn und verdrehte die Augen über sein Benehmen. Zum Glück war Shikamaru kein Mensch, der schnell rot wurde oder der sich seine Gefühle groß ansehen ließ. Er starrte ihr nur weiter direkt ins Gesicht, bis es ihr zu dumm wurde und sie sich wieder abwandte.

Innerlich seufzte Shikamaru auf. Äußerlich grinste er kurz und bekam dafür einen säuerlichen Blick zugeworfen. Hatte dieses Mädel Augen am Hinterkopf?

„Wenn du dich für so toll hältst, bist du echt noch dümmer, als ich gedacht habe“, zischelte Temari ihm zu. „Und soll ich dir noch was sagen? Du bist echt nervig!“
 

**********
 

Ich mag das Kapitel… Ging ziemlich viel um Shikamaru x Temari und das mag ich ^^

Außerdem kommen ein paar Andeutungen vor, von denen ich nicht weiß, ob ich sie weiter verfolge, weil es dann irgendwann etwas verwirrend werden könnte…
 

Es ist auch wieder nichts sooo lang, aber bevor ich es auf dem Computer geschrieben habe, war es noch kürzer.

Ich erklär mal kurz mein System (Wow, ich hab ein System!!!): Ich schreib eigentlich am liebsten einfach drauflos, aber das dann auf Papier und dann tipp ich es noch mal ab, dann kann ich auch noch n paar Sachen ändern, verlängern, löschen etc.

Das nur mal so am Rande ^^
 

Und bevor mein Gelaber hier noch mehr wird, als das eigentliche Kappi, hör ich jetzt auf XD
 

Bis denne!

inkheartop

... auf den späten Blick

… auf den späten Blick
 


 


 

Auf dem belebten Flur fühlte Hinata, wie sie in der Menge unterging. Selbst ihre Freundinnen waren nicht mehr zu sehen.

„Hey, Hinata.“ Kiba drängte sich zu ihr durch und lächelte sie an.

„Hi.“ Hinatas Ton war kalt und unmissverständlich. Sie war immer noch stinksauer auf ihren Freund und seine Kumpanen und das würde sie ihm auch deutlich klar machen.

„Mensch, Hina!“, rief kiba verzweifelt und raufte sich die Haare. „Was soll ich denn machen? Es war doch nur ein Scherz!“

„Ein Scherz?“ Hinatas Stimme war ungewöhnlich schrill und eine ihrer Augenbrauen zuckte gefährlich. „Ihr habt Ino fast zu Tode erschreckt!!! Das nennst du einen SCHERZ?!“ Sie spuckte ihm das letzte Wort förmlich vor die Füße und Kiba zuckte zurück. Er kannte die Hyuga inzwischen lange genug, um zu wissen, dass Wutanfälle bei ihr zwar nicht häufig vorkamen, dafür aber umso heftiger ausfielen. Doch anscheinend machte er sich umsonst Sorgen, denn Hinata atmete nur einmal tief durch, um sich zu beruhigen, ihre Stimme zitterte aber fast unmerklich, als sie weiter sprach. „Das hätte ich echt nicht von dir gedacht, Kiba!“

Der Inuzuka machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber er kam nicht dazu, denn seine Freundin funkelte ihn an und machte so klar, dass er erst mal nichts mehr zu sagen hatte.

„Du musst dich gar nicht erst entschuldigen wollen!“, fauchte Hinata. „Die Masche kenne ich von dir ja schon. ‚Bitte, Hinata, verzeih mir. Ich tu es auch nie wieder, ich verspreche es!’ Blablabla! Alles nur Gerede! Das hast du letztes Jahr gesagt, du hast es vorletztes Jahr gesagt und das Jahr davor! Und du hast dich NIE daran gehalten. Und irgendwann reicht es mir!“

Immer noch war da dieses Feuer in ihren weißen Augen, das Kiba mehr als unheimlich war. Es würde wohl wirklich noch etwas Zeit brauchen, bis Hinata sich wieder beruhigt hatte und ihm vertraute.

„Hina, was soll ich denn machen? Was muss ich tun, damit du mir verzeihst?“, flehte Kiba und faltete gespielt theatralisch vor ihr die Hände. „Biiitteee!!!“

Und zur Erheiterung aller umstehenden fiel Kiba vor Hinata auf die Knie und streckte die Arme gen Himmel. „Was muss ich tun, damit sie mir verzeiht, Gott? Nur noch dieses eine Mal???“

Hinata war rot angelaufen und sah sich peinlich berührt um. Sie war wieder fast ganz die alte Hinata, wie sie scheu zu Kiba hinunterblickte, kurz ein belustigtes Lächeln über ihr Gesicht huschen ließ und ihn dann hoch zerrte.

„Ist ja schon gut, Kiba! Die anderen gucken alle schon!“, zischte sie ihm zu. Als er sie noch einmal mit seinem Hundeblick beäugte, musste sie aber doch kurz lachen. „Okay okay, ich verzeihe …“ Sie beendete den Satz nicht, denn gerade war jemand in ihr Blickfeld gerauscht, der ihr die Sprache raubte.

Der Junge mit dem blonden, zerzausten Haar redete laut und wild gestikulierend auf Neji ein, so dass die Leute lieber einen großen Bogen um ihn machten, um nicht etwa einen Ellbogen oder eine Hand ins Gesicht geschlagen zu bekommen. Neji stand nur daneben und grinste.

„Naruto“, flüsterte sie tonlos und kaum hörbar.

„Was? Was hast du gesagt?“, fragte Kiba verwirrt, achtete aber nicht auf ihren verklärten Blick, zu erleichtert war er darüber, dass sie ihm wenigstens ein bisschen verzieh.

Er folgte Hinatas Blick. „Ah, da sind ja Naruto und Neji. Hey, Naruto!!!“

Kiba winkte, um auf sich aufmerksam zu machen, Hinata aber wurde nervös. Nie hatte sie irgendjemandem, außer Ten Ten, von ihren Gefühlen erzählt und sie wollte auch jetzt nicht, dass ihr bester Freund von ihrer Verliebtheit zu seinem Mitbewohner erfuhr. Also am besten die Flucht ergreifen!
 

Naruto hörte Kibas Rufen. Als er sich in die Richtung drehte, bemerkte er auch noch ein blauhaariges, blasses Mädchen, aber um das kümmerte er sich nicht besonders. Sie hatte nicht genug … das, was er wollte, wenn es um eine seiner Eroberungen ging.

Naruto marschierte los, um seinen Kumpel zu begrüßen, Neji kam gelangweilt hinterher.

„Hey, Kiba – AAAHHH!!!“ Irgendetwas war da im Weg gelegen. Naruto stolperte und fiel. Mit einem RUMMS landete er auf dem Boden, seine Sachen waren aus dem Rucksack gefallen und lagen um ihn verstreut. Er hörte Neji und Kiba lachen.

Fluchend setzte er sich auf, packte schon mal einige Sachen zusammen, stopfte diese in seinen Rucksack und wollte sich aufrappeln, um Kiba und Neji dann gehörig die Meinung zu geigen.

Weiße Augen.

Naruto konnte sich sein Herzklopfen nicht erklären.

Ein schüchternes Lächeln.

Hatte er so ein Lächeln schon einmal gesehen? Bestimmt nicht, das hätte er doch bemerkt!

„Hier, bitte.“ Das Mädchen mit dem blauen Haar gab ihm eines seiner Bücher zurück, das sie aufgehoben hatte.

„Danke“, sagte Naruto und schaffte es endlich, ganz aufzustehen. „Wer bist du?“

Das Lächeln verblasste ein wenig. Hatte er etwas falsches gesagt?

„Hinata Hyuga“, sagte Hinata leise.

„Das ist meine Cousine, Idiot! Sie geht in unsere Klasse!“, meinte Neji plötzlich.

Ach ja, der war ja auch noch da.

„Cousine?“, meinte er verblüfft. „Wie lange bist du denn schon da?“

Naruto meinte, das Lächeln noch mehr schwinden zu sehen.

„So lange wie Kiba“, antwortete Hinata noch leiser.

„Oh!“, machte Naruto. Dann grinste er sie an, hoffte, dass sie dann wieder so wunderschön lächeln würde.

Hinata wurde rot.

„Ciao, Kiba“, meinte sie nur noch, dann rannte sie davon.

Naruto sah ihr nach.

„Wow!“, lächelte Naruto ihr hinterher.

So bemerkte nur Neji, wie Kibas Gesicht sich plötzlich verfinstert hatte.
 

Nach dem Unterricht
 

Die Plätze waren nicht so gut belegt, wie sonst, wenn er nachsitzen musste, aber es waren immer noch genug da, fand Sasuke. Aus seiner Klasse sah er nur sich, Naruto – der es irgendwie immer schaffte, sich Ärger einzuhandeln – und Sakura. Als diese ihm einen giftigen Blick zuwarf, wandte er schnell den Blick ab. War er etwa an allem Schuld? Schließlich tat ihm immer noch die Zunge weh!

Naruto zischte Kidomaru, der hinter ihm saß, gerade etwas zu und irgendwie hatte Sasuke das Gefühl, dass es dem Spinnenjungen nicht gefiel. Zu Narutos Sicherheit, verpasste Sasuke ihm einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf.

„He, was …“

Sasuke starrte ihn nur finster an.

„Uchiha, ich hab gerade mit dem kleinen, blonden Idioten geredet, aber da der nichts weiß, könnte es ja sein, dass du ganz wild drauf bist, mir zu erklären, warum meine Vogelspinne MICH gebissen hat!“, knurrte Kidomaru.

Seufzend drehte Sasuke sich um. „Ich hab keine Ahnung, aber vielleicht kannst du von Neji Hyuga mehr erfahren.“

Er wusste genau, dass Kidomaru niemals Neji etwas fragen würde, schließlich konnte er ihn nicht ausstehen. Vermutlich würde er nur eine Schlägerei anzetteln und das würde Neji schon aushalten.

Beim Namen „Hyuga“ hatte sich aber nicht nur Kidomarus Blick verändert, auch Narutos Augen hatten einen besonderen Glanz bekommen.

Er rückte näher zu Sasuke hin. Dieser wusste nicht recht, was er von der ganzen Sache halten sollte. So hatte er seinen besten Freund zum letzten Mal … eigentlich noch nie gesehen.

Natürlich glänzten Narutos Augen oft. Es gab wohl keinen Menschen in diesem Universum, der so leicht zu begeistern war. Aber dieses Glänzen war anders. Es war nicht das Glänzen, wenn ihm ein Teller randvoll mit Nudelsuppe vor die Nase gestellt wurde, oder das Glänzen, wenn sie – Neji, Naruto und Sasuke – wieder mal eine kleine Wette vereinbarten. Dieses Glänzen war neu.

„Was ist?“, fragte Sasuke misstrauisch. „Was grinst du so dämlich?“

Naruto sah sich kurz im Raum um, registrierte, dass die Aufsichtsperson beim Nachsitzen – mal wieder – viel zu spät kam und lächelte weiter.

„Wusstest du, dass Neji eine Cousine hat?“

Was sollte denn jetzt die blöde Frage? Natürlich wusste er es, die halbe Schule wusste davon, schließlich konnte Neji seine Familie nicht ausstehen.

„Wusstest du das etwa nicht? Sie ist immerhin hier an der Schule! Noch dazu in unserer Klasse!“, antwortete Sasuke schnippisch.

Normalerweise wäre Naruto jetzt mit einer frechen, beleidigenden Antwort gekommen, aber stattdessen lächelte er nur weiter so dämlich vor sich hin.

„Sie hat tolle Augen“, meinte der Blonde plötzlich.

Überrascht zog Sasuke die Augenbrauen hoch.

„Und sie lächelt …“ Sasuke versuchte den Rest des Satzes zu überhören. Wie war das? Was war mit Naruto los?

„Willst du sie ins Bett bekommen?“

Naruto runzelte die Stirn, tauchte verwirrt aus seiner Traumwelt auf.

„Ich … ja … ich … weiß nicht. Ich hab keine Ahnung, Sasuke“, gab Naruto verwundert zu.

„Du hast doch bei einer in der Klasse unter uns gerade was am laufen, oder? Nimm dir erst mal die vor. Sonst liegst du irgendwann noch weiter hinter mir zurück“, versuchte Sasuke auf ihn einzureden. Besser so, dachte er sich, sonst würde Naruto wieder mit diesem unheimlichen Grinsen auffahren.

Naruto nickte nur. Aber ihm war nicht ganz klar, warum es ihm auf einmal egal war, wie weit er hinter Sasuke zurücklag. Er wollte eigentlich einfach nur noch mal das Lächeln sehen.
 

Wütend schleuderte Ten Ten ihr Buch gegen die sonnengelbe Wand ihres Zimmers. Bescheuerte Wurzelgleichungen!

„Hey! Was hat dir die arme Wand denn getan?“, fragte Ino spöttisch und hob das Mathebuch auf. Dabei fiel ein schlichter, weißer Brief heraus. Ten Ten erbleichte.

Sie kannte den genauen Wortlaut des Briefes auswendig und hoffte inständig, dass Ino ihn nicht lesen würde. Warum legte sie das blöde Ding auch in ihr Mathebuch?

„…seit ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich … verrückte Gedanken in mir … keine Chance … einseitig …“

Diese Wortfetzen sprangen ihr in den Kopf. Warum hatte sie das aufgeschrieben? Sie hätte ihn doch sowieso nie abgeschickt. Und wenn Ino jetzt …

Ino betrachtete den Brief kurz, dann legte sie ihn ungelesen in das Mathebuch zurück. Manchmal war es einfach besser, gewisse Dinge nicht zu wissen.

Als sie schon im Türrahmen stand, drehte Ino sich noch einmal zu Ten Ten um.

„Rede mit Hinata. Ihr seid doch beste Freundinnen, oder? Egal, was es ist, sie wird zumindest versuchen, dir zu helfen“, sagte Ino und lächelte.

„Danke, Ino“, murmelte Ten Ten etwas verlegen, aber sie beschloss, dass sie Recht hatte.
 

„Kann ich reinkommen?“

„Klar!“

Eine Weile herrschte Stille. Eine Person im Raum starrte gedankenverloren aus dem Fenster, die andere suchte verzweifelt, die Hände in den Hosentaschen vergraben, nach den richtigen Worten.

Die Stille hielt an.

Dann holte eine Person im Raum einmal tief Luft.

„Würdest du morgen mit mir ins Kino gehen?“

„Was?“ Hinata drehte sich zu Kiba um. „Oh, nein. Tut mir Leid, Kiba, aber ich muss noch lernen.“

Kiba lächelte nervös, war plötzlich scharlachrot im Gesicht.

„Schon okay“, nuschelte er. Sein Herz klopfte vor Enttäuschung. Alles in ihm zog sich schmerzhaft zusammen.

Hinata hatte nicht bemerkt, was sie in ihrem Freund ausgelöst hatte. Sie hatte die Einladung für eine ganz normale, freundschaftliche Einladung gehalten. Das war sie doch auch, oder?
 

Gerade als Ten Ten die Tür zu Hinatas Zimmer öffnen wollte, wurde diese von innen aufgerissen. Nur kurz konnte sie Kiba identifizieren, dann war der einzige Junge, der dieses Haus betreten konnte, ohne befürchten zu müssen, zerfleischt zu werden, auch schon an ihr vorbeigerauscht und verschwunden.

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Ten Ten verwundert.

„Mit Kiba? Keine Ahnung, was soll mit ihm sein?“

„Na ja, er ist … ach, egal. Äh, Hina? Kann ich mit dir sprechen?“

Unsicher trat Ten Ten von einem Fuß auf den anderen, sie war nervös, auch wenn sie das nicht wollte.

„Tust du doch gerade, oder?“, lächelte Hinata ihre Freundin an. „Also, was ist?“

Ten Ten schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf das kleine Sofa in Hinatas Zimmer fallen. Trotzdem rutschte sie wieder auf die Kante zu und starrte unschlüssig auf ihre Füße hinunter.

„Ich … na ja … keine Ahnung, wie ich anfangen soll … es ist so … es geht um … um Neji“, stammelte Ten Ten. Sie konnte gar nicht glauben, wie schwer es war mit ihrer besten Freundin darüber zu reden.

Hinata runzelte die Stirn und setzte sich nun selbst auf das Sofa neben Ten Ten. „Was ist mit Neji?“

Hinata sprach nicht gerne über ihre Familie, mit der sie ohnehin nicht gut klar kam. Erst recht nicht mit ihrem Cousin, der nur Verachtung für sie empfand.

Insgesamt war Hinata bei ihrer Familie nicht sehr beliebt. Das erklärte auch, warum sie auf dem Internat war.

„Ach, Hina“, seufzte Ten Ten leise. „Du bist meine beste Freundin und ich…“ Sie brach ab. Wie sollte sie das nur erklären? Es war schwer genug gewesen, es sich selbst begreiflich zu machen. Aber sie musste es jetzt sagen, es war der richtige Zeitpunkt und außerdem war Hinata ihre Freundin. Ihre beste Freundin.

„Du magst ihn, nicht wahr?“, sagte Hinata plötzlich.

Etwas geschockt sah Ten Ten sie an. War es denn wirklich so offensichtlich? Sie hatte doch versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, hatte es wirklich versucht.

Seufzend zog Hinata die Knie an ihren Körper und schlang ihre Arme darum.

„Mein Gott, Ten! Ich bin deine beste Freundin, schon seit du hier bist. Seit drei Jahren! Glaubst du wirklich, ich kenne dich immer noch nicht?“, fragte sie und sah dabei so ernst aus, dass Ten Ten beinahe gelacht hätte. Aber ihr war jetzt nicht danach zu Mute.

„Ich habe versucht, es zu verstecken“, murmelte sie.

„Ich glaube nicht, dass die anderen etwas gemerkt haben“, versuchte Hinata sie zu beruhigen. „Und ich hatte schon immer ein Auge für so was.“

Ten Ten musste unwillkürlich lächeln, als sie in die schneeweißen Augen ihrer Freundin sah. Ja, das passte.

Doch das Lächeln verblasste schnell wieder, als sie sich daran erinnerte, wer ebenfalls solche Augen hatte.

„Es ist seltsam, Hina“, sagte Ten Ten. „Eigentlich … ich glaube, ich habe ihn schon die ganze Zeit gemocht. Aber es war schwer … es ist schwer, das einzusehen. Ich meine … er ist nicht gerade ein übersprudelnder Quell der Gefühle, oder?“

Hinata lächelte, aber es war kein glückliches Lächeln. „Er ist ein Eisblock, Ten. Und nicht gerade ein netter.“

„Letztes Jahr bin ist es mir klar geworden. Dass ich mehr für ihn empfinde … mehr, als alles, was ich zuvor jemals gespürt hatte.“ Wie leicht ihr plötzlich alles über die Lippen kam. Alles, was sie im letzten Jahr in sich hineingefressen hatte. Jetzt kam es raus und es tat unglaublich gut, darüber zu sprechen. Auch, wenn Hinata sie vermutlich nicht verstand.

„Dir ist klar, dass ich dir davon abraten würde?“

Ten Ten biss sich auf die Lippe. Ja, genau das hatte sie geahnt. Denn schließlich kannte Hinata ihren Cousin einfach zu gut. Sie wusste, warm er so war, wie er war, dessen war Ten Ten sich sicher, auch wenn Hinata nie darüber sprach. Die Angelegenheiten ihrer Familie waren verzwickt, kompliziert. Und sie gingen niemanden etwas an. Hinata reagierte meistens einfach nicht, wenn sie darauf angesprochen wurde.

Ten Ten aber glaubte, dass sie noch andere Seiten in Neji erkannte, der sich so verdammt machomäßig und cool gab, aber, selbst aus Hinatas Sicht, ganz anders war. Nur wusste das niemand und Neji legte es nicht gerade darauf an, dass es jemand sah.

„Ich will nicht, dass du verletzt wirst, Ten. Das ist alles. Wenn man sich mit den Hyugas einlässt, wird man einfach viel zu schnell und leicht verletzt. Aber es ist auch deine eigene Entscheidung.“

„Das ist es. Aber du bist mit auch wichtig. Dein Rat, deine Meinung und deine Freundschaft. Ich habe mich mit den Hyugas eingelassen, als du meine beste Freundin wurdest, Hinata. Und ich habe es nie bereut. Aber es gibt Dinge, auf die auch du keinen Einfluss in meinem Leben hast. Ich habe es dir gesagt, weil du meine beste Freundin bist und ich keine Geheimnisse vor dir haben will. Doch du kannst es nicht ändern: Ich liebe Neji!“
 

************
 

Okay, das sagt sie jetzt so einfach, aber leicht machen werde ich es ihr nicht *hähä*

Und dann ist auch endlich was zwischen Naruto und Hinata passiert. Aber auch das dauert noch ne Weile. Macht euch auf viel Herzschmerz gefasst ^^
 

@SandraL und alle anderen, die auf Sai warten: Ich muss euch erst mal enttäuschen, denn das wird sich noch ne Weile hinziehen. Ich habe einen ungefähren Plan, wie ich das machen werde, aber es hapert an der Umsetzung. Sorryyyy T_T
 

Ich hoffe ihr verzeiht mir, aber das Kappi war dafür auch länger und weil ich die nächsten Tage zu Hause rumhocken „darf“, bzw. muss, schreib ich dann auch schön weiter. Da fällt mir dann sicher was ein ^^
 

Bis zum nächsten Kappi

inkheartop

He thinks - She thinks

He thinks – She thinks
 


 


 

Das Gute am Nachsitzen war, dass man ungestört nachdenken konnte. Niemand nervte, niemand störte, niemand redete. Na ja, zumindest sollte das so sein. Aber wer hält sich in der Schule schon an Regeln? (ja, wer wohl...)

Sakura versuchte, das Gedränge und Geplapper um sie herum auszublenden. Darin war sie ganz gut. Allerdings ging ihr dabei ein Gesicht nicht aus dem Kopf. Dieses Gesicht saß auch noch zufällig im gleichen Raum und redete mit seinem besten Freund. Sasuke.

//Vielleicht bin ich doch etwas unfair gewesen//, dachte Sakura. Sofort verwarf sie das wieder. Dieser Kerl und seine vertrottelten Freunde hatten es geschafft, dass Ino den ganzen Samstag und den halben Sonntag nicht geredet hatte!

Trotzdem. Das Nachsitzen hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Dafür konnte Sasuke wirklich nichts. Und Sakura musste zugeben, dass sie in dieser Hinsicht ziemlich unfreundlich zu ihm gewesen war.

Und außerdem … ja, außerdem hasste sie es abgrundtief, wenn sie nicht miteinander redeten. Das Streiten tat ihr nämlich richtig gut, fand Sakura. An ihm konnte sie all ihre Wut ablassen und hatte trotzdem immer noch genug Gründe, bald wieder von vorne anzufangen. Und es baute sie auf, verschaffte ihr Luft. Irgendwie ging es ihr danach immer besser. Oder zumindest so etwas in der Art. Und ihren Freundinnen gefiel es, weil sie Sakuras schlechte Launen nicht abbekamen. Und nach diesem Schema lebte sie jetzt schon drei Jahre!

Der Aufsichtslehrer war immer noch nicht da, was typisch für ihn war und Sakura, die sich darüber sonst immer aufregte, gerade recht kam.

Langsam trottete sie zu Sasuke hinüber, der immer noch mit Naruto redete.

„… sonst liegst du irgendwann hinter mir zurück“, hörte Sakura ihn noch sagen, dann tippte sie ihm auf die Schulter. Naruto, ganz in Gedanken versunken, beachtete sie gar nicht.

Mit einem eisigen Blick musterte Sasuke sie. Selbst wenn er saß und sie stand, schaffte er es immer noch, auf sie herabzusehen.

„Was willst du?“

Schon für diese „Begrüßung“ hätte Sakura ihm liebend gern eine runtergehauen, aber das stand im völligen Widerspruch zu ihrer Mission.

„Ich wollte mich entschuldigen“, sagte sie und bemühte sich redlich, um ein aufrichtiges Lächeln.

„Ach“, meinte Sasuke nur kühl und vollkommen desinteressiert.

//Ganz ruhig, Sakura. Ruhig, ruhig, ruhig!!!//

Jetzt musste Sakura sich arg zusammenreißen.

„Ich war etwas unfair. Wegen dem Nachsitzen meine ich“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Tut mit Leid.“

„Aha. Na dann“, sagte Sasuke. „Entschuldigung NICHT angenommen!“

Sakura hatte keine Zeit, etwas ausgesprochen unfaires zu erwidern, das in vollkommenem Gegensatz zu ihrer Mission stand, denn in diesem Moment kam ihr Aufsichtslehrer herein.

Vor Wut kochend rauschte Sakura an ihren Platz. Na, wenigstens stritten sie jetzt wieder miteinander.
 

„Ich hasse Jungs!“

Drei der fünf Mädchen waren sich einig.

Temari berichtete, wie Shikamaru sie aufregen konnte, selbst wenn er gar nichts machte – was nur allzu oft der Fall war.

Ino dagegen, die eigentlich immer an irgendwem etwas auszusetzen hatte, regte sich gleich über die gesamte männliche Welt auf.

Und Sakura konnte wutschnaubend von Sasukes Frechheit erzählen, ihre Entschuldigung einfach abblitzen zu lassen.

Nur zwei beteiligten sich nicht an den Lästereien: Ten Ten und Hinata. Die beiden hingen still ihren eigenen Gedanken nach, die mit dem genauen Gegensatz von dem zu tun hatten, über was ihre Freundinnen sich aufregten.
 

Hinatas Gedanken
 

Heute hat er mich zum ersten Mal angesehen. Wirklich angesehen. Das hat er vorher nie getan. Ob er mich wohl wirklich bemerkt hat? Und was denkt er sich jetzt über mich? Bin ich für ihn nur Kibas Freundin oder Nejis Cousine oder einfach nur, die-die-ihm-ein-Buch-aufgehoben-hat? Aber wenigstens denkt er dann überhaupt über mich nach.

Ob ich ihn mal ansprechen sollte? Nein, besser nicht, dann hält er mich vermutlich für aufdringlich. Oder aber, er denkt, ich wäre eine Klette. Oder –

ARG, Hinata! Jetzt reg dich mal ab! Du willst dich doch nur rausreden, um nicht noch mal mit ihm sprechen zu müssen. Dabei wäre es doch genau das, as ich tun sollte. Mit ihm reden,

damit er mich nicht vergisst. Oh mein Gott! Er könnte mich vergessen! Er könnte mit anderen Mädchen ausgehen und an mich erinnert er sich nicht mal!!!

Jetzt halt aber mal die Luft an, Hinata! Vorher ist er auch schon mit Mädchen ausgegangen, das wäre also nichts Weltbewegendes!

Arg, warum ist das so kompliziert? Warum kann ich nicht so tough sein, wie Ino oder Sakura oder Ten Ten oder Temari? Ich bin die Schüchternste von uns fünf! Das ist so unfair! Was soll ich bloß tun?

Naruto!
 

Ten Tens Gedanken
 

Okay, ich habe also die Wahl. Entweder ich sage es ihm nicht und verfluche mich mein ganzes Leben dafür, dass ich darüber nachgrübele, was er wohl gesagt hätte. Er könnte ja das selbe fühlen, wie ich, wäre doch möglich …?!

Stopp! Immer beide Seiten betrachten! Er könnte dich auch auslachen oder abweisen oder verspotten oder verschmähen oder … oder …

Jetzt werde ich aber zu pessimistisch. Er könnte sich auch freuen, weil er mich auch mag und dann könnte er lachen – ich habe ihn noch nie lachen gesehen – und dann könnte er mich küss-

Stopp! ZU optimistisch. Immer schön objektiv denken, Ten Ten! Immer schön realistisch bleiben. Mein Gott, wenn das so einfach wäre, wäre Sakura schon längst mit Sasuke zusammen.

Hey, Ten Ten! Misch dich nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein! Böses Mädchen!

Aber jetzt mal ernsthaft – sie mag ihn doch. Sie hätte ihn doch wohl kaum geküsst, wenn sie ihn nur hassen würde, egal, was sie gerade erzählt. Hm, die zwei wären schon ganz süß zusammen, die können ja nicht mit und nicht ohne einander …

Du wolltest dich doch nicht da einmischen! Kümmere dich lieber um dein eigenes Problem. Wenn das aber so einfach wäre! Verdammt, ich hab Angst! Angst davor, dass er mich abweist oder auslacht. Angst davor, dass er mich verletzt. Und irgendwie habe ich auch Angst davor, dass er mich auch mögen könnte.

Verdammt! Ich liebe dich!

Neji!
 

Gedanken Ende
 

Auch am anderen Ende des Campus wurde gelästert. Wie sich jeder denken kann, über Mädchen.

Zumindest mehr oder weniger.

Shikamaru hätte nie gedacht, dass es ein weibliches Wesen geben könnte, dass ihn mehr aufregte und anstrengte, als seine Mutter. Dummerweise war Temari genau das. Allerdings verschwieg er dabei die Tatsche, dass sie eigentlich gar nichts dafür konnte. Er ließ sich schließlich ziemlich gekonnt – wenn auch ungewollt – von ihr ablenken.

Wie so oft hatte auch Neji etwas zu dem Thema beizutragen. Denn in dem Wettkampf zwischen ihm, Sasuke und Naruto, wer die meisten Mädchen ins Bett bekam lag er mal wieder vorne.

Selbst Kiba redete mit.

Allerdings gab es auch in dieser Fünfer-Gruppe zwei, die stumm ihren eigenen Gedanken nachhingen. Und das waren ausgerechnet Sasuke und, was noch viel ungewöhnlicher war, Naruto.
 

Narutos Gedanken
 

Lächeln, weiße Augen. H-I-N-A-T-A. Weiße Augen. Lächeln. Gibt es etwas Wundervolleres? Die ehrliche Antwort darauf wäre wohl „Nein!“. Aber hey, es gibt doch noch andere tolle Sachen im Leben! Nudelsuppe und Wettkämpfe und Nudelsuppe und mit Mädchen ausgehen…

Aber mal ehrlich. Wann hatte ich das letzte Mal ein Date, das einfach nur ein Date war. Das nicht in einem One-Night-Stand geendet hat? Das nicht zum Wettbewerb gezählt hat? Das einfach … mit Gefühlen auskam ...

Mann! Ich hab keine Ahnung, so lang ist das schon her! Aber früher habe ich mir doch darüber auch keine Gedanken gemacht! Warum also jetzt?

Der Grund hat ein bezauberndes Lächeln, weiße Augen, fängt mit „H“ an und hört mit „A“ auf. H-I-N-A-T-A. Hinata. Hinata. Hinata.

ARG! Warum geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf? Warumwarumwarum??? WARUM??? Ist es ihr Lächeln? Sind es ihre weißen Augen? Ich weiß es nicht.

Aber eines weiß ich – oder ich glaube, es zu wissen: Ich will sie nicht ins Bett bekommen. Da soll mehr sein, als nur dieser blöde Wettbewerb zwischen Neji, Sasuke und mir. Viel mehr.

Hinata!
 

Sasukes Gedanken
 

Es ist da: Das achte Weltwunder. Ist zwar nicht wirklich ein kolossales Bauwerk, aber mindestens genauso unvorstellbar unglaublich.

Sie hat sich bei mir entschuldigt! Mann, was ist nur in sie gefahren? Ein Engel? Na ja, vielleicht nicht ganz so gut, aber ein Engel ohne Heiligenschein tut’s auch. Auf jeden Fall hat sie sich entschuldigt!

Warum mache ich mir überhaupt Gedanken darüber? Ich war schließlich sowieso im Recht. Ich war nicht schuld daran, dass sie nachsitzen musste und dann versucht sie, es mir anzuhängen. Sie regt mich so auf! Aber warum eigentlich? Sie ist ja auch nur ein Mädchen. Ein Mädchen, wie jedes andere, das mir und meinem Charme und fabelhaften Aussehen total verfallen ist.

Aber gerade das ist es ja! Sie ist mir eben NICHT verfallen, sie reagiert vollkommen anders, als alle Mädchen. Sie lässt sich nicht einwickeln, sie widersteht mir. Obwohl … wenn ich so drüber nachdenke … ich WILL doch eigentlich gar nicht, dass sie mir verfällt, sie ist mir total egal, sie interessiert mich nicht, ich will nichts von ihr, ich will sie nicht mal ins Bett kriegen. Das ist unter meiner Würde! Jawohl!

ARG! Was rege ich mich überhaupt darüber auf, wenn sie mir egal ist? Gut, also Ruhe bewahren und über irgendetwas anderes nachdenken …

Komisch, Naruto ist so still … ob er immer noch an diese Hyuga denkt? Die hat ihm echt noch das letzte bisschen Verstand geraubt … Normalerweise ist er doch ganz wild darauf, mich und Neji in allem zu überbieten. Auch wenn es um Mädchen geht. Und es ist einfach seltsam, wie er sich zurzeit benimmt. So … ja, verdammt … verliebt! Der Kerl benimmt sich wie ein verliebter Trottel!

Wenn ich so darüber nachdenke, dann … Kann es sein, dass das irgendwas mit diesen Mädchen insgesamt zu tun hat? Also erst Naruto und diese Hinata, dann noch Sakura und …

NEIN! Jetzt denk ich schon wieder an sie! Das muss ich mir echt abgewöhnen! Und das in diesem Zusammenhang! Als könnte ich mich verlieben. Als könnte ich mich in SAKURA verlieben …

Verdammt!

Sakura…
 

Gedanken Ende (so, genug gedacht^^)
 

„Hey, Naruto!“

Kiba wedelte mit einer Hand vor dem Gesicht des Blonden herum.

„Was?“, erwachte Naruto aus seinen Gedanken. „Was machst du da, Kiba?“

Kiba ließ seinen Arm sinken und grinste.

„An was denkst du gerade?“, fragte er.

„An … egal“, redete Naruto sich raus, konnte aber nicht umhin, Sasuke einen unsicheren Blick zuzuwerfen.

Dieser zuckte leicht mit den Schultern. Er würde nicht sagen.

Dann wollte Naruto doch noch etwas genauer wissen. „Kiba, wie ist Hinata eigentlich so?“

Selbst Sasuke, der ja zumindest eine Ahnung hatte, was in Naruto vorging, runzelte darüber die Stirn. Sich so auf ein Mädchen zu konzentrieren, passte einfach nicht zu Naruto.

„Was geht dich das an?“, erwiderte Kiba kalt. Seine Stimme klang mit einem Mal hart und ärgerlich.

Auch über den Inuzuka konnten sich die Jungs nur wundern.

Neji unterdrückte das starke Gefühl, mit den Augen zu rollen. Was hatten in letzter Zeit alle mit seiner Cousine? Sie sah doch noch nicht mal gut aus, war nicht sonderlich intelligent – nicht, dass Neji von einem Mädchen, mit dem er ins Bett wollte, übermäßig viel Intelligenz erwartete, aber …

Irgendetwas veränderte sich.
 

***********
 

So, das war’s dann auch schon wieder. Eigentlich sollte das Kappi etwas anders werden, aber die Idee mit den Gedanken kam mir ziemlich spontan ^^°

Der Titel gefällt mir nicht wirklich, aber er passt ganz gut, denke ich. A propos Titel: ich hab den Untertitel von „Das Leben ist eine Achterbahn“ in „Unser Leben beginnt“ geändert. Stört das jemanden? Für Vorschläge bin ich immer offen, es sollte nur was mit Leben oder Liebe zu tun haben…
 

Man liest sich wieder!

inkheartop

Unangekündigt

Unangekündigt
 


 


 

Fünf vor acht.

Fassungslos starrte Temari auf das Ziffernblatt ihres Weckers und lauschte gleichzeitig auf Geräusche von ihren Mitbewohnerinnen. Waren die anderen schon wach? Hatten sie vergessen, sie zu wecken?

Stille.

Dann schoss sie mit einem Mal auf, fluchte, als sie sich den Zeh am Bett anstieß und versuchte gleichzeitig in Pullover und Hose zu schlüpfen.

„Mädels!“, schrie Temari und riss die Tür zu Inos Zimmer auf. Verschlafen hob diese den Kopf und blinzelte ihr entgegen.

„Wir haben verschlafen!“ Diese Worte wirkten. Mit einem Satz war Ino aus den Federn.

Temari weckte Hinata, Sakura und Ten Ten, die sich mehr oder weniger geschockt in Rekordzeit fertig machten, bis sie endlich zum Schulgebäude rasen konnten.

Sie hatten wirklich verschlafen! Und dabei waren sie zu fünft! Wie konnten fünf Leute in einem Haus verschlafen?

Nun, offensichtlich ging das, aber im Moment machte Temari sich nicht besonders viele Gedanken darüber, wie sie das hinbekommen hatten, sondern eher darüber, wie die Konsequenzen für sie ausfallen würden.

„Und das in der zweiten Woche!“, murmelte Temari, als sie die Treppen zum Klassenzimmer hinaufstürmten.

„Die dritte“, korrigierte Hinata sie keuchend. „Für uns ist es die dritte Woche!“

Schlitternd kamen sie vor dem Klassenzimmer an.

„Ich hasse Dienstage!“, jammerte Sakura noch, dann klopfte sie und öffnete schließlich langsam die Tür.

„Tut uns Leid, Sir“, murmelten die Mädchen dem Lehrer mit dem langen, schwarzen Haar und den schlangenartigen Augen, einstimmig entgegen.

„Sehr freundlich, dass die Damen uns heute auch noch beehren“, sagte Orochimaru kalt. Dann wandte er sich an alle: „Bedanken Sie sich bei diesen fünf für den heutigen Überraschungstest!“

Lautes Stöhnen und Jammern war die Reaktion auf die Worte des Physiklehrers. Zum Glück für die fünf Mädchen nahm kein einziger an, dass Orochimaru den Test NICHT hätte schreiben lassen, wären sie NICHT zu spät gekommen.

Mit klopfendem Herzen beugte Temari sich über ihr Blatt.

Verdammt! Das konnte doch nicht wahr sein! Ein Test in ihrer zweiten Woche und dazu noch in Physik, ihrem absoluten Hassfach.

Wenn sie sich anstrengte, war Temari eigentlich eine ganz gute Schülerin, aber im letzten Jahr hatte sie sich eben nicht besonders angestrengt – aus Gründen, an die sie sich nicht erinnern wollte. Da war sie ziemlich abgesackt und sie hatte die Schule gehasst. Diese Abneigung hielt seitdem an – wenn auch in kleinerem Maße. Aber Physik hatte sie noch nie gemocht.

Verzweifelt kaute sie auf ihrem Stift herum und blinzelte kurz zu Shikamaru hinüber. Verwundert bemerkte sie, dass er schlief. Es waren schon zehn Minuten vergangen und er schlief!

So unauffällig wie möglich stieß Temari ihn an. Ein Auge öffnete sich fragend.

„Willst du nicht schreiben?“, flüsterte Temari.

Ohne ein Wort schob Shikamaru ihr sein Blatt hin. Es war vollständig ausgefüllt. Nach zehn Minuten!

Immer noch vollkommen überrumpelt, wandte sie sich wieder ihrem eigenen Blatt zu. Aber jetzt konnte sie sich erst recht nicht mehr konzentrieren. Wieso war er schon fertig? Nach zehn Minuten? Temari hätte schwören können, dass Shikamaru auch in der letzten Physikstunde schon bald in Tiefschlaf gefallen war.

Den Test würde sie selbst vergessen können, sie schrieben jetzt schon seit fünfzehn Minuten, hatten also gerade noch zehn Minuten Zeit (wie die Zeit vergeht… und die haben ziemlich viel Zeit für ihre Tests …). Das schaffte sie nie, da müsste schon ein Wunder geschehen …

Etwas stupste sie sachte am Arm an.

Immer noch mit einem geschlossenen Auge, stieß Shikamaru ihr sein Blatt gegen den Arm. Fragend sah Temari ihn an. Sollte sie …?

Shikamaru lächelte. Nur ganz kurz und später würde Temari nicht mehr ganz sicher sein, ob er wirklich gelächelt hatte, aber jetzt … jetzt lächelte er sie kurz an. Auffordernd. (Das macht irgendwie keinen Sinn…)

Erleichtert und mit einem Gefühl, von dem sie nicht sagen konnte, um was es sich handelte, begann Temari mit dem Abschreiben.
 

In der Pause zwischen den Stunden setzte Ino sich auf die Fensterbank. Sie war zufrieden mit sich und dem Test, der für sie ganz gut gelaufen war. Irgendwie war ausnahmsweise all das drangekommen, was sie mehr oder weniger gewusst hatte.

„Wie ist der Test gelaufen?“, fragte Ino Temari, als diese sich zu ihr setzte.

„Frag nicht!“ Temari rollte mit den Augen. „Wenn Shikamaru nicht gewesen wäre …“

Ino grinste. „Ja ja, unser kleines Genie!“

„Wie meinste denn das schon wieder?“ Temari runzelte die Stirn.

Ino dagegen lachte. „Süße, ich erzähl dir jetzt mal ein Geheimnis, das an dieser Schule JEDER kennt.“

„Hm? Was ist denn mit ihm? Ich meine, er pennt die ganze Zeit und so …“, meinte Temari, die nicht verstand.

„Siehst du, Shikamaru Nara mag vielleicht den ganzen Tag nur pennen und vielleicht ist er auch stinkfaul … nein, er ist ganz sicher stinkfaul. Aber das Entscheidende ist, das er trotzdem immer gute Noten schreibt. Bestnoten!“, erklärte Ino. „Das macht er zwar vermutlich nur, um von den Lehrern nicht angemeckert zu werden, wenn er mal wieder pennt, aber es fällt ihm leicht.“

„Ist er so schlau?“

„Mann, Tema! Kapierst du denn nicht? Shikamaru Nara ist nicht einfach nur schlau. Er ist ein Genie, das hab ich doch schon gesagt! Angeblich hat er einen IQ von über zweihundert, aber das weiß niemand so ganz genau …“

Temari riss die Augen auf. Ino wusste wirklich, wie man erzählte. „Ist nicht dein Ernst? Aber er … es ist Shikamaru!“

Und wieder konnte Ino nur lachen. „Ich weiß, was du meinst. Aber er ist nun mal einfach stinkfaul!“
 

„Mensch, Naru, jetzt warte doch mal!“

Ein Mädchen mit langem, rotem Haar und himmelblauen Augen hielt Naruto am Arm fest.

„Was ist nur los mit dir? Gehst du mir aus dem Weg? War letzte Nacht …“, fragte sie, klang ehrlich verzweifelt.

„Es ist nichts, Moe“, meinte Naruto nur Schulter zuckend, aber er fühlte etwas ganz anderes.

„Dann guck nicht so traurig und küss mich endlich!“, wisperte Moe ihm ins Ohr.

Naruto küsste sie, aber er war nicht bei der Sache. Seine Gedanken waren gerade bei einem ganz anderen Mädchen.

„Moe.“ Naruto schob die Jüngere von sich und sah sie ernst an. „Moe, ich glaube, es wäre besser, wenn wir in der nächsten Zeit nicht mehr zusammen sind.“

Ungläubig sah sie ihn an. „Wie bitte?“

Naruto seufzte. Es war doch jedes Mal das Gleiche. Auch wenn es dieses mal doch etwas anders war, als sonst.

„Du hast mich schon verstanden. Tschüss, Moe!“

Damit ging er davon.

Er wusste selbst nicht, warum er das gerade eben getan hatte, schließlich hatte er sie noch nicht flachgelegt.

In dem Spiel, das er mit Neji und Sasuke spielte, gab es keine Regeln. So zog Sasuke es vor, die Mädchen kurz mit seinem Charme zu besprühen und dann, wenn sie seinem Bann erlagen, in ein stilles Zimmer zu verschwinden. Danach jedoch, direkt danach, zog Sasuke sich vor ihren Augen wieder an, sagte, dass es toll war, mehr aber auch nicht, und verschwand. Er hatte eine schöne Nacht gehabt, auch sie hatte diese paar Stunden genossen, dessen war er sich immer sicher – und er hatte ein weiteres Girl auf seiner Liste abgehakt.

Eigentlich müsste allen Mädchen klar sein, dass mit Sasuke nicht mehr laufen würde. Und trotzdem waren sie verrückt nach ihm, kosteten jede einzelne Sekunde aus, auch wenn sie wussten, dass er sie nur benutzte. Auch, wenn er sie verletzte.

Sehr viel unterschied Neji sich in dieser Hinsicht nicht von ihm. Aber seine Taktik war doch ein klein wenig anders, denn er erklärte dem Mädel, das er sich herausgepickt hatte, erst einmal ganz genau, dass es ihm nur um den Sex ging. Und die meisten, eigentlich sogar alle, ließen sich trotzdem mit ihm ein – wenn auch nur für eine Nacht. Neji kam, spielte, siegte – und ging. Still und heimlich, wenn sie schlief. Und ihr war klar, dass es vorbei war, wenn sie am nächsten Morgen erwachte und neben sich nur einen leeren Platz vorfand. Und eine schwarze Feder. Nejis Abschiedsgeschenk. Er sagte immer zynisch, dass er ihnen das schuldig wäre. Aber Naruto war klar, dass er es ernst meinte. Neji war kein schlechter Kerl – auch wenn er so tat, als ob.

Er selbst, Naruto, jedoch, unterschied sich in mancher Hinsicht von der Vorgehensweise seiner besten Freunde. Er war zwar eigentlich auch nur auf den Spaß an der Sache aus, aber es gelang ihm nicht, die Mädchen einfach nur für eine Nacht zu benutzen und dann wegzuwerfen wie ein altes Spielzeug, dessen er müde geworden war. Allerdings konnte man auch an Narutos Seite jede Woche ein anderes Mädchen sehen. Seine Taktik war dabei, das Mädchen erst gekonnt um den Finger zu wickeln, dass sie sich nicht mehr von ihm losreißen konnte, so dass sie schließlich im Bett landeten. Dann noch ein paar Tage, in denen aller Charme und jedes Lächeln von Seiten Narutos ausblieb, bis er schließlich mit ihr Schluss machte, nur um sich gleich eine Neue zu Angeln.

Casanova Nummer Drei.

Naruto war ebenso verhasst wie beliebt bei Mädchen wie Jungen, genauso wie Sasuke und Neji und es kam schon einmal vor, dass die drei gleichzeitig ausgebuht und angepfiffen wurden. Die Mädchen fielen beim Anblick der drei Machos – die sie ohne Zweifel waren – reihenweise in Ohnmacht und die Jungs beneideten sie um diese Aufmerksamkeit. Zumindest war das in den meisten Fällen so. Aber es gab auch noch eine Schattenseite. Und das waren die Mädchen, die die Jungs wegen ihrem Verschleiß an weiblichen Wesen verabscheuten und die Jungen, die sie einfach nur hassten, weil ihnen das Mädchen ihrer Träume keine Beachtung schenkte. Oder der Junge ihrer Träume, denn ganz hetero ging es natürlich auch nicht zu. Wie auch, bei solchen Jungs? Es war also auch schon vorgekommen, dass Jungenaugen, die Traumkörper der drei beinahe verschlungen hätten.
 

Langsam schlurfte Naruto den, nun fast leeren Flur entlang und stierte dabei an die kalte, weiße Decke.

Warum hatte er Moe abserviert? Das war nicht seine Art, nicht sein Weg, nicht sein Ziel. Nie gewesen. Aber wäre es denn richtig gewesen, wenn er mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen wäre, wenn er mit Moe zusammen war? Es fühlte sich nicht richtig an, beim Küssen in blaue Augen zu blicken, wenn sich sein Herz doch nach weißen sehnte.

Sein Herz …

Was für ein Schwachsinn! Herz, das bedeutete Verlieben. Und Verlieben konnte er sich nicht leisten. Er wollte es nicht! Aber warum fühlte es sich dann so verdammt gut an? So verdammt gut und richtig?

In Narutos Kopf lief immer wieder der gleiche Film ab und Hinata spielte darin die wundervolle Hauptrolle, einfach in dem sie Hinata war. Mit einem bezaubernden Lächeln. Nicht Moe oder sonst wer.

Naruto konnte nicht verstehen, warum ihm alle anderen Mädchen egal geworden waren. Warum er nur noch an Hinata denken musste. Er wusste es nicht. Hatte keine Ahnung. Aber etwas anderes wusste er mit ganz bestimmter Sicherheit: Er wollte Hinata wieder sehen. Und zwar nicht nur in der Klasse. Er wollte sie wieder sehen und …

Was wollte er eigentlich? Sex? Oder war es doch Liebe?

Seltsam schmeckte das Wort auf seiner Zunge. Liebe. Wahre Liebe. Liebe auf den ersten Blick. Liebe bis in den Tod. Von all dem hatte er natürlich schon gehört. Aber wie fühlte es sich an?

Und wieder etwas, das Naruto nicht wusste.
 

**********
 

Das Kapitel gefällt mir eigentlich ganz gut, sehr sogar. Aber Eigenlob stinkt ^^

Wieder einmal werden die Jungs ganz schlimm in den Dreck gezogen, aber es bessert sich, wie man sieht ^^
 

Bis zum nächsten Kappi!

inkheartop

Tage wie dieser

Tage wie dieser
 


 

Es gibt Tage im Leben, da geschieht rein gar nichts und man hält alles für stinklangweilig. Der „Alltagstrott“ überwiegt einfach und die Eintönigkeit siegt. Die meisten Tage sind so.

Aber wie bei allem gibt es auch Ausnahmen, die die Regel eigentlich nur bestätigen.

Neji hatte das Glück – oder Unglück, je nachdem, wie man es sah – es nicht einmal zu bemerken, dass heute so ein Tag war. Zumindest für ihn.

Im Moment nervte ihn nur, dass er verfolgt wurde. Und zwar von einem gewissen Mädchen mit braunen Zöpfen. Ten Ten.

Neji ist kein sehr geduldiger Mensch, zumindest was Mädchen anging. Da war es irgendwie voraussehbar, dass ihm bald der Kragen platzen würde.

„Was willst du eigentlich von mir?“, rief Neji genervt auf und wirbelte so plötzlich herum, dass Ten Ten fast in ihn hineingestolpert wäre.

Sie wurde rot und sah sich um.

„Hier sind zu viele Leute“, murmelte sie und zog Neji in ein leeres Klassenzimmer.

Mit den Augen rollend ließ Neji es zu – auch wenn er am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht hätte. Er mochte Ten Ten nicht besonders – wenn man mal von der Tradition absah, bei der er sie jedes Jahr aufs Neue ärgerte. Aber das war etwas anderes, das machte Spaß! Aber Ten Ten war so vollkommen anders, als alle anderen Mädchen. Sie zog sich am liebsten lässig und sportlich an, ihr Aussehen war also nicht besonders weiblich und genau das mochte Neji nun einmal. Außerdem schien sie resistent zu sein gegen jegliche Annäherungen von Seiten eines Jungen. Denn, was niemand wusste und Ten Ten niemals irgendjemandem erzählen würde, vor einer ganzen Weile schon hatte sie Sasuke eiskalt abserviert, obwohl dieser all seine Flirtkünste eingesetzt hatte. Und Neji mochte nun mal auch keine Mädchen, die sich so stark gegen ihn zur Wehr setzen konnten.

„Ich frag nur noch einmal: Was willst du?“, knurrte er gereizt.

„Neji … ich bin … seit ich hier bin und dich kenne, da …“, druckste Ten Ten herum.

Der Hyuga hob nur eine Augenbraue. „Komm zur Sache!“

Ten Ten holte tief Luft. Ihr war nicht klar gewesen, wie schwer das werden würde. In der Theorie hörte es sich ja einfach an – sie hatte lange vor dem Spiegel geübt –, aber in der Praxis …

„Neji, ich … argh! Ach, verdammt, ich … ich hab dich echt gern!“, sagte Ten Ten. Ihr fiel der Mount Everest vom Herzen. Es war raus. Zwar nicht so wie geplant, so eindrucksvoll und auch kein richtiges „Ich liebe dich!“, aber immerhin!

Wäre Neji nicht Neji, hätte er vielleicht anders reagiert.

Aber er war nun einmal Neji.

Vielleicht hätte er auf sein wild klopfendes Herz gehört, auf sein Gefühl. Aber so hörte er auf seinen Geist und seine Erinnerungen.

Denn ein Hyuga mochte nicht, das war ihm von klein auf eingebläut worden. Ein Hyuga mochte nicht, ein Hyuga wurde nicht gemocht. Vor allem, wenn man nicht zum gehobenen Teil der Familie gehörte. Nicht, wenn man weniger Wert war, als die anderen. So wie Neji und sein Vater (Also, ich glaube, dass der hier noch lebt, mir schwebt da was vor…). Im Gegensatz zu Hinata. Sie war die Erbin des gesamten Vermögens der Hyugas, des Ansehens, des Ruhmes. Auch wenn sie in den kritischen Augen der Familie eine Enttäuschung war, sie war mehr wert und das musste Neji tagtäglich sehen. Aber auch Hinata durfte nicht mögen. In dieser Hinsicht, waren sie sich dann doch ähnlich.

Neji hätte vielleicht auch auf die Tatsache hören sollen, was für ein Tag heute war. Kein normaler Tag eben. Aber da er das nicht wusste, benahm er sich auch normal. Und an normalen Tagen war Neji ein Arschloch. (entschuldigt diesen Ausdruck *räusper*, aber es gibt einfach keinen besseren^^)

„Schön für dich“, meinte er nur. „Aber da mir das weder etwas bringt, noch mich interessiert, gehe ich jetzt wieder. Ich habe keinen Bock, zu spät zu kommen.“

Und dann ging er.
 


 

Es waren drei schwere Tage. Für alle.

Irgendwie schaffte Naruto es immer, Hinata zu verpassen. Was aber weder seine, noch Hinatas Schuld war. So versuchte er wenigstens, sie im Unterricht von der Seite her anzuflirten. Es stellte sich aber als schwierig heraus, dem süßen Mädchen mit dem blauen Haar feurige Blicke zuzuwerfen, wenn gleichzeitig eigenartig forschend verstimmte Blicke auf ihm lagen und er auch noch aufpassen musste, von den Lehrern keine übergebraten zu bekommen – die waren da irgendwie komisch. So wurden aus den geplanten verheißungsvollen, anziehenden Blicken immer mehr schüchterne Ansehen-Wegsehen-Rotwerden-Blicke. Warum musste sein blödes, unnötiges Herz auch immer so bescheuert schnell schlagen? Ohne dieses Herzklopfen wäre alles so viel leichter!
 

Sasuke und Sakura redeten wieder miteinander – wenn man es reden nennen konnte, sich Beleidigungen und Sticheleien an den Kopf zu werfen. Aber es war in Ordnung so, anders ging es gar nicht. Warum auch? Sie hassten einander, verabscheuten den anderen, der natürlich der dümmste Mensch auf Erden war. Und so schnell würde sich daran auch nichts ändern.
 

Ino hatte lange darüber nachgedacht. Sehr lange. Über einen Jungen. Einen Jungen mit schwarzen Haaren, der Sasuke nicht einmal so unähnlich und eigentlich auch ganz süß war. Sai. Sie wusste so gut wie nichts über ihn. Er war ganz annehmbar in den meisten Schulfächern, die Lehrer hatten nichts gegen ihn, er war sehr still. Und er war ein Genie in Kunst! Das hatte sie festgestellt, als er während einer – ausnahmsweise, musste man gerechterweise sagen – stinklangweiligen Geographiestunde bei Iruka Umino, der nicht so streng mit solchen Sachen umging, etwas auf einen Block gekritzelt hatte. Ein Block mit weißen Blättern, wer nahm so etwas denn in den Unterricht mit?

Sie war ziemlich überrascht gewesen, als sie vorsichtig über Sais Schulter gelinst hatte. Denn Ino hatte in ihr Gesicht geblickt. Eine lachende Ino mit langem Haar auf DIN A4. In Schwarz-weiß, eine Skizze. Anscheinend nur schnell hingekritzelt, aber doch so treffend gezeichnet, dass es Ino für kurze Zeit den Atem verschlug. Und das war bis jetzt nur Kiba mit der Spinne gelungen.

Als Sai ihren fassungslos geschockten Blick gesehen hatte, hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Vielleicht war er kurz rot geworden, ganz kurz nur und wenn ja, dann auch nur ganz leicht. Und er hatte gelächelt. Ein eigenartiges Lächeln. Ino wusste nicht, ob es echt oder nur aufgesetzt gewesen war, aber irgendwie wirkte es nett.

Sai hatte etwas unter das Bild geschrieben und dann mit einer vorsichtigen Behutsamkeit aus dem Block gelöst. Er hatte ihr das Bild gegeben.

Da hatte Ino es gewusst. Instinktiv, auch wenn es ziemlich eingebildet klang. Sai mochte sie. Ob Ino auch ihn mochte, das konnte sie ehrlich nicht sagen. Zu fremd war ihr dieser geheimnisvolle Junge mit dem noch geheimnisvolleren Lächeln. Aber sie würde sich auf ihn einlassen, einfach mal nachsehen, as hinter der Fassade steckte und sich mal wieder ein bisschen mit einem Jungen amüsieren.

Tatsächlich konnte sie nicht bestreiten, dass sie eifersüchtig war. Irgendwie. Eifersüchtig auf Sakura, die ja schon immer ihre rege Hass-Liebe zu Sasuke gepflegt hatte. Eifersüchtig auf Hinata, die seit Neuestem feurige Blicke von Naruto zugeworfen bekam. Eifersüchtig irgendwie auch auf Temari, auch wenn diese anscheinend nichts mit Shikamaru anfangen konnte. Nur auf Ten Ten war Ino garantiert nicht eifersüchtig, denn dass die Liebeskummer hatte, war für Ino sonnenklar. Und darum beneidete sie niemanden.

Und Ino wollte auch andere eifersüchtig machen. Sai kam ihr da gerade recht.
 

Was Temari anging, sie versuchte durchzukommen. Überleben im Schulalltag! Und Shikamaru nervte sie immer noch, wie nicht anders zu erwarten gewesen war. Was gab es da noch zu sagen? Außer vielleicht, dass sie bei Shikamarus Anblick immer so ein eigenartiges Gefühl umgab und sie in Brust und Magen leicht kitzelte.

Das schlimmste für sie waren aber ihre Brüder. Gaara, er eine Klasse unter ihr war, konnte sie ja noch ausweichen, aber Kankuro … Sie kannten sich nun mal schon ihr Leben lang, wussten alles voneinander. Und zwar wirklich alles! Jedes Geheimnis, jede Lüge, jede Wahrheit. Und so war es schwer, sich nicht auf die Nerven zu fallen. Echte Geschwisterliebe eben!
 

Aber egal, wie es den anderen ging, am schlechtesten fühlte sich Ten Ten.

Sie verkroch sich in ihrem Zimmer und war in der Schule kaum ansprechbar. Nur Hinata kannte den Grund, warum sich die sonst so lebenslustige Ten Ten so verhielt. Oder zumindest ahnte sie es. Und diese Ahnung trug nicht gerade dazu bei, dass sich ihre Meinung über ihren Cousin besserte.

Ten Ten versuchte, es zu verstecken. Ihre Gefühle. Wut, Zorn, Hass, Trauer, Kummer, Verwirrung. Ja, sie war verwirrt, sehr sogar. Sie verstand es nicht. Verstand sich selbst nicht mehr. Warum war sie nur so unendlich dumm gewesen? Warum hatte sie Neji nicht gesehen, so wie alle anderen ihn sahen? So, wie jeder ihn sah? Warum? Warum hatte sie auf ihr Herz gehört, hatte geglaubt, dass hinter diesem Neji, den alle sahen, auch noch ein anderer Neji steckte? Sie hatte ihn sehen wollen, den Neji, der seine Gefühle genauso versteckte, wie sie selbst es gerade tat. Allerdings gelang das Ten Ten nicht einmal halb so gut.

Sie starrte drei Tage lang unentwegt die Decke an, hing ihren trübsinnigen Gedanken nach und verbrauchte dabei viele, viele Taschentücher.
 

„Ten, willst du den Rest deiner Freizeit in deinem Zimmer verbringen?“, fragte Hinata nach eben drei Tagen – das war ein Freitag –, als es ihr zu dumm wurde und sie ungefragt in das Zimmer ihrer besten Freundin einmarschiert war.

Ten Ten grummelte irgendetwas Unverständliches in ihr Kissen.

Hinata rollte mit den Augen. Sie hasste es, wenn jemand Trübsal blies, ohne sich helfen zu lassen oder etwas anderes zu tun. Sie hasste es.

„Mensch, Ten Ten! Heute ist unser Abend, unser Film-Abend! Und ich verlange von dir, dass du im Wohnzimmer erscheinst. Dieses… dieses Ding kannst du ja anbehalten.“ Sie zupfte an dem ausleierten, riesigen T-Shirt mit Totenkopf-Aufdruck, dass Ten Ten über einer schlabberigen Jogginghose trug. So lief sie zu Hause nur noch rum. Zum Glück zog sie sich für die Schule etwas anderes an.

„Schon gut“, murrte Ten Ten und richtete sich halb im Bett auf.

„Du musst endlich drüber wegkommen, Süße“, murmelte Hinata.

Der Blick ihrer Freundin verfinsterte sich prompt. „Sag doch gleich, dass du recht hattest!“, knurrte sie erzürnt.

„Werde ich nicht!“, sagte Hinata bestimmt und stand vom Bett auf. „Aber Neji ist nun mal Neji!“
 

*********
 

Ich weiß nicht, was ich von dem Kappi halten soll. Es ist eigenartig. Manchmal gefällt es mir und manchmal würde ich es am liebsten Löschen und noch mal ganz neu schreiben. Aber dazu fehlt mir dann doch der Mut.

Also, ich hoffe, dass die Beziehung von Ino und Sai jetzt klarer wird. Im Moment kommt Ino ja noch wie eine richtige Zicke rüber. Wie lange das hält… weiß nur ich *hähä*!!

Eigentlich sollte da noch ein Dialog hintendran, aber den hab ich wirklich rausgeschmissen, weil er die ganze Stimmung zerstört. Aber dafür ist es jetzt so kurz *heul*
 

Ach ja, ich wollte euch nur noch sagen, was für gerade für ein Tag ist (also in der FF ^^): Es ist Freitag, der 19. September. Nur so zur Info…
 

Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel besser, als mir.

Wenn ja: Man liest sich!

inkheartop

Verrückte Gedanken

Verrückte Gedanken
 


 

„Das hier sind also die Referendare“, sagte Asuma schlicht.

Es war Montag, erste Stunde und Temari war noch im Halbschlaf. Trotzdem nahm ihr Hirn die neue Information auf, nur um festzustellen, dass sie eigentlich gar nicht so neu war. Letzte Woche. Referendare. Da war doch etwas gewesen? Hatte Asuma nicht angekündigt gehabt, dass am Montag Referendare kommen würden? Na, jetzt waren sie auf jeden Fall da.

Die drei jungen Männer, die da etwas fehl am Platze vor der Klasse standen, grinsten zaghaft.

„Mein Name ist Kabuto Yakushi und ich bin Referendar bei Orochimaru in den Fächern Mathematik und Physik“, stellte sich der erste vor und schob seine Brille ein Stück die Nase hoch.

„Ich bin Haku“, lächelte der zweite. Irgendwie sah er mehr wie in Mädchen aus und er benahm sich auch so. Diese langen Haare, das Lächeln. Fast schon unheimlich.

Aber die größte Überraschung war der dritte Referendar.

„Hallo! Ich bin Itachi Uchiha!“

Ein Raunen ging durch die Klasse und alle Köpfe drehten sich zu Sasuke um, der krampfhaft die Zähne zusammenbiss und gleichzeitig versuchte, nicht angespannt auszusehen.

„Ja, Sasuke ist mein kleiner Bruder!“, grinste Itachi in die Runde. Irgendwie überraschte das nicht.

„Sie werden sich vermutlich fragen, warum diese drei jungen Männer ausgerechnet in dieser Klasse sind, obwohl sie eigentlich Orochimaru, Kakashi und Shizune zugeteilt sind“, meinte Asuma. (Versteht ihr das System? Jeder ist einem Lehrer zugeteilt)

„Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen die jährliche Klassenfahrt und zum anderen die fehlende Beteiligung dieser Klasse am Schulfest des letzten Jahres.“

Die Klasse grinste einheitlich. Irgendwie hatten es alle geschafft, darum herum zu kommen, für das Schulfest zu arbeiten.

„Diese Frechheit wird sich jetzt bezahlt machen“, fuhr Asuma fort.

Das Grinsen verblasste.

„Die Direktorin hat beschlossen, dass die elfte Klasse (ich denk jetzt mal, dass sie in der elften sind^^) etwas aufführen darf. Und zwar ein Musical. Und dabei werden ihnen diese drei jungen Herren behilflich sein.“
 

So einig war sich die Klasse noch nie gewesen: Diese Typen hatten sie nicht alle! Ein Musical? Es war das Diskussionsthema Nummer 1, aber obwohl sich alle beschwerten, die Direktorin blieb hart. Aber das blieb sie eigentlich immer.

In der nächsten Pause wurden sogar die ersten Termine für Besprechungen einberufen. Und diese sollten natürlich so früh, wie möglich stattfinden – zumindest nach Meinung der Referendare.

Womit auch der zweite Grund für Diskussionen feststand. Insbesondere bei den Mädchen.

„Ich wusste gar nicht, dass Sasuke einen Bruder hat“, meinte Sakura finster. Warum wusste sie so etwas nicht?

„Er sieht besser aus, als Sasuke“, entgegnete Ino und betrachtete dabei ihre Fingernägel, als sehe jeder einzelne von ihnen besser aus, als der junge Uchiha.

„Wer sieht besser aus als ich?“, fragte plötzlich eine leider nur allzu bekannte Stimme.

Ino würdigte Sasuke keines Blickes, geschweige denn einer Antwort. Allerdings bemerkte Ten Ten, die neben ihr stand, den Hauch von Rosa auf den Wangen ihrer großspurigen Freundin.

Dagegen war Sakura um einiges gesprächiger. Und streitlustiger!

„Dein Bruder“, meinte sie keck und lächelte das Lächeln eines gefallenen Engels (mag den Ausdruck^^).

Sasukes Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Aber da war noch etwas. Täuschte Sakura sich oder blitzte in den dunklen Augen tatsächlich so etwas wie Schmerz auf?

„Schon klar“, knurrte Sasuke und trottete mit hängenden Schultern zu seinen Kumpels zurück.

Moment! Mit hängenden Schultern?

Sakura konnte ja nicht ahnen, dass der Uchiha auch die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt hatte.
 

Der Junge mit dem kurzen, schwarzen Haar lächelte Ino vorsichtig zu. Wieder dieses geheimnisvolle, nicht zu deutende Lächeln.

Sie sah kurz zwischen Sasuke und Sakura hin und her … und lächelte zurück. Aber Ino beschloss, noch ein Stück weiter zu gehen. Sie musste dieses Typen auf ihre Seite bekommen. An ihre Seite.

Sie schritt auf ihn zu.

„Ino!“, meinte Sai erfreut.

„Ich weiß, wie ich heiße, Sai“, stutzte Ino ihn kurz zurecht, setzte dann aber ihr, zugegebenermaßen gutes, aber falsches Lächeln auf.

„Was hältst du von den Referendaren?“, fragte Sai, übersah absichtlich das Offensichtliche.

Ino zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Ganz in Ordnung, glaub ich. Auch, wenn sie ziemlich verrückt aussehen. Aber die Idee ist doch bescheuert!“

„Das Musical?“ Sai schien erstaunt, was man aber nur an seiner Stimmlage erahnen konnte. Sein Gesicht verriet keine Regung.

„Natürlich das Musical“, meinte Ino abwertend.

„Ich hätte gedacht, dass du sicherlich eine tolle Sängerin wärst“, überlegte Sai. Er sprach das Kompliment aus, als wäre es das normalste auf der Welt.

Jetzt war es an Ino, erstaunt zu sein. Dachte er das wirklich?

„Meinst du?“, hakte sie vorsichtig nach. Eine Welle von Stolz überrollte sie.

„Klar! Du hast doch eine schöne Stimme!“ Auf einmal erschien ein Leuchten in Sais dunklen Augen, nur ganz schwach, aber es war da.

Scheinbar verlegen senkte Ino nun den Blick. Dabei konnte sie nur daran denken, dass sie ihn an der Angel hatte.

„Vielleicht… überlege ich es mir“, meinte sie schließlich.

Sai lächelte.

Ja, sie hatte ihn an der Angel!
 

Während des ganzen restlichen Unterrichts konnte Sai sich nicht wirklich konzentrieren. Er dachte nur an das Gespräch mit Ino. Er konnte nicht verhindern, dass er leicht aufgeregt wurde, aber natürlich ließ er sich das nicht anmerken.

Er fand wirklich, dass sie eine schöne Stimme hatte. Melodisch. Auch, wenn er nicht viel von Musik verstand, so dachte er das. Eines wusste er mit Sicherheit: Sie sah zumindest wunderschön aus. Ebenmäßige Züge, gepflegtes, langes, glattes, glänzendes Haar, ausdrucksvolle Augen. Ein perfektes Bild.

Seit er im Internat war, hatte er Ino schon oft gezeichnet. Meist lachend, aber es waren auch ernste und traurige Inos dabei gewesen. Bei diesem Anblick war er selbst traurig geworden. Auch das hatte er sich nicht anmerken lassen.

Auch bei diesem scheinbar belanglosen Gespräch in der Pause hatte er keine großen Gefühle gezeigt. Das war nicht seine Art.

Doch Sai hatte etwas gespürt. Er spürte, dass er Ino sehr mochte, aber noch wollte er nicht zu viel in dieses neue, fremde Gefühl hineininterpretieren. Aber das war nicht alles gewesen. Er konnte sehen, dass Ino auch irgendetwas empfand. Ob es das Selbe Gefühl war, das er verspürte, konnte er nicht genau sagen. Etwas war an Inos Art anders. Äußerlich schien sie verlegen, schüchtern in seiner – Sais – Nähe, aber innerlich schien sie stolz zu sein. Stolz, etwas hochmütig und sie schien genau zu wissen, was sie zu tun hatte, um sein Vertrauen zu wecken.

Sai ahnte, dass er vorsichtig sein musste. Sehr vorsichtig, aber das eigenartige, neue Gefühl schien etwas anderes zu wollen. Was war das?
 

Es gab noch andere, die sich nicht konzentrieren konnten. Ten Ten, zum Beispiel. Sie starrte auf ihr Heft oder an die Tafel, ohne wirklich die Worte zu realisieren, die dort geschrieben standen. Ihre Gedanken waren woanders. Bei Neji.

Es tat weh, an ihn zu denken, aber es ging nicht anders. Es tat weh, es schmerzte, es zerriss sie, ließ ihr Herz bluten. Sie konnte sich bei ihm einfach keinerlei Chancen ausrechnen. Neji war Neji, wie Hinata immer so passend zu sagen pflegte. Neji würde sich nicht ändern. Neji änderte sich nicht.

Der Schmerz in ihrem Herzen hatte nachgelassen, war schon nicht mehr ganz so schlimm, wie zu Anfang, aber immer noch schlimm genug. Sie durfte sich aber nicht anmerken lassen. Hinata reagierte da immer so über. Ten Ten musste gut aussehen, musste lachen, wie sonst auch. Das Lachen fiel ihr immer leicht. Schwieriger war es, die Tränen zu unterdrücken, die nachts auf ihre Augen drückten. Nachts war sie allein mit ihren Gedanken, hatte keine Chance, sich abzulenken von ihren trübsinnigen Gedanken.

Aber es wurde leichter. Und bald schon würde es nicht mehr wehtun, bald würde sie dem Hyuga wieder in die Augen sehen können, ohne dass es ihr Herz entzwei riss.

Es würde besser werden. Es wurde besser.
 

Nach dem Unterricht – am Nachmittag
 

„Ist nicht dein Ernst?“

„Doch, genau das hat sie gesagt!“

Wütend schmiss Sasuke sich auf sein Bett.

„Zicke!“, war Narutos Beitrag dazu. Lässig stand an den Türrahmen gelehnt, sah er Sasuke schief an.

„Sag mal…“ Naruto hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie er es ausdrücken sollte, ohne dabei umzukommen.

„Was?“

„Na ja… ich meine… du machst dir viel aus ihrer Meinung, oder?“, rückte er endlich mit der Sprache heraus.

Sasuke schoss in die Höhe, starrte seinen Freund noch wütender an, als er es ohnehin schon gewesen war.

„Was meinst du damit?“, knurrte er.

„Du weißt, was ich meine“, sagte Naruto locker.

„Ich will es hören, damit ich es auch glaube!“, entgegnete Sasuke eindringlich.

„Besser nicht!“, grinste Naruto. „Ich häng an meinem Leben, ich bin noch viel zu jung zum Sterben!“

Er beachtete den starrenden Blick des Uchihas nicht, als er sich auf das Sofa fallen ließ, das in Sasukes Zimmer stand.

„Nur weil du total von der Rolle bist, muss das nicht gleich jedem so gehen, Naruto“, sagte Sasuke schließlich, als er eingesehen hatte, dass es nichts brachte, seinen Kumpel mit tödlichen Blicken zu durchlöchern. Dagegen war Naruto schon lange immun.

„Ich bin gar nicht von der Rolle!“, rief Naruto entrüstet. „Warum auch?“

Sasuke lachte geringschätzig.

„Hey, Naruto! Du hast Moe abserviert! Und zwar BEVOR du mit ihr in Bett bist!“

„Ehrlich gesagt…“ Verlegen sah Naruto auf seine Hände. Es war schwierig, mit Sasuke so ein Gespräch zu führen. Überhaupt war es schwer, solche Gespräche zu führen.

„Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe“, murmelte Naruto schließlich. „Aber irgendwie hat es mich total angekotzt… irgendwas ist passiert.“

Ungläubig schüttelte Sasuke den Kopf.

„Mensch, ich glaube, du bist echt verknallt!“, rutschte es ihm total überraschend, und total untypisch, heraus.

Aber Naruto lachte nicht, wie sonst, wenn Sasuke so „komisch“ drauf war. Seine blauen Augen waren ernst wie selten zuvor.

„Ich sehe sie nicht mehr.“

„Du bist in der gleichen Klasse!“

„Schon, aber sonst…“

Er ballte die Hände zu Fäusten.

„Sie geht mir aus dem Weg, ich komme echt nicht mehr an sie heran!“

„Du gibst doch sonst nicht so schnell auf“, spottete Sasuke, nun wieder ganz er selbst.

Naruto kam um eine Antwort herum, denn in diesem Moment klingelte es an der Haustür.
 

**************
 

Lacht mich aus, verflucht mich oder tut sonst was ihr wollt. Ich weiß, die Idee ist total abstrakt. Einfach verrückt. Die Naruto-Charaktere in einem Musical. Und ob ihr es glaubt, oder nicht, ich hab das schon so gut wie geplant.

Die FF wird einen Touch von Songfic bekommen, die Lieder ungefähr angepasst an Chara und Situation. Ja, ich bin verrückt. Verrückt nach Musicals ^^ !!!

Okay, hat jemand was dagegen? Wenn ja, dann soll er es melden oder es bleiben lassen. Aber ich muss sagen, diese eigenartige Idee wird so eine Art „roter Faden“.
 

Und jetzt noch was anderes, bevor ich es mir anders überlege: Wie findet ihr die „Referendare“? *Hähä* Da kommt bald eine geballte Ladung Brüderzoff auf euch zu. Und noch gaaaanz viel mehr.
 

An alle ShikaxTema Fans: Freut euch auf das nächste Kapitel. Und vergesst nicht, welches Datum wir gerade in der FF haben XD Na, wer kriegt’s raus???
 

Wer noch mehr sinnloses Gebrabbel hören will, muss auf das Nachwort des nächsten Kappi warten.

Bis denne

inkheartop

Fast berührt

Fast berührt
 


 


 

Ohne zu wissen, wohin sie lief, trottete Temari über den Campus. Sie brauchte Ruhe zum Nachdenken und davon stand in im Haus gerade nichts zur Verfügung; Sakura und Ten Ten hatten sich über irgendetwas in die Haare bekommen und irgendwie fühlte Temari sich in dieser Situation wie das fünfte Rad am Wagen. Zu kurz war sie erst im Internat und um sich an die Streitereien, Krisen und Launen ihrer neuen Freundinnen gewöhnen zu können, kostete sie das Zeit… und Nerven.

Aber immerhin hatte Temari ihre eigenen Probleme, wenn man das überhaupt als Problem bezeichnen konnte.

Erst einmal gab es da jetzt dieses bescheuerte Musical. Nach Temaris Meinung existierte kein kitschigeres Thema als Musical – na ja, außer vielleicht diese amerikanischen High-School-Filme.

Aber ansonsten ging es in Musicals doch wirklich nur um Liebe, hübsch verpackt in schnulzige Melodien und natürlich immer mit einem Happy End. Sie würde garantiert nicht in einem Musical mitspielen… und schon gar nicht singen!

Während Temari sich in Gedanken über das unfreiwillige Projekt aufregte und nach Ausreden suchte, um drum herum zu kommen, war sie auf dem Teil des Campus’ angelangt, auf dem die Häuser der Jungen standen. Als wäre es nicht genug, die einzige verbotene Zone zu betreten, in diesem Moment erkannte sie auch noch zwei Personen, denen sie gerade nicht über den Weg laufen wollte.

Der eine Junge mit dem verstrubbelten, braunen Haarschopf redete eindringlich auf den kleineren ein, der allerdings nur emotionslos alles über sich ergehen ließ. Gelegentlich strich er sich durch die kurzen, roten Haare, ziemlich genervt. Er schien seinem Gesprächspartner überhaupt nicht zuzuhören.

Am liebsten hätte Temari sich gleich wieder aus dem Staub gemacht, aber ihr war klar, dass den wachsamen, grünen Augen ihres kleinen Bruders nichts entging.

Tatsächlich konnte sie beobachten, wie Gaara einfach nur die Hand heben musste, um Kankuro zum Schweigen zu bringen. Er nickte kurz in Temaris Richtung, um auf sie aufmerksam zu machen.

Kankuro schien kurz überlegen zu müssen, bevor er auf sie zukam. Eher genervt schlich Gaara ihm hinterher.

„Was machst du hier, Temari? Betreten für Mädchen verboten!“, knurrte Kankuro seine Schwester an. Da er bei Gaara – mit, was auch immer – keinen Erfolg gehabt hatte, musste sie jetzt als Streitobjekt hinhalten.

„Tz.“ Temari rollte mit den Augen. „Als ob sich da jemand dran halten würde!“

„Ach so.“ Plötzlich erschien ein breites Grinsen auf dem Gesicht Kankuros. Daher wehte also der Wind!

„Das war nicht lustig, Kankuro!“, fauchte Temari wütend, als sie die Gedankengänge ihres Bruders erriet. Dieser ließ sich allerdings in keiner Weise davon beirren.

„Jetzt komm schon, Temari“, neckte er sie. „Es ist Tradition!“

„Ja?“ Mit funkelnden Augen starrte sie jetzt Gaara an.

Er zuckte nur mit den Schultern.

„Bei uns nicht“, murmelte er gelangweilt. Das „Wäre aber lustig“, das ihm auf der Zunge lag, schluckte er beim Anblick seiner Schwester hinunter.

„Siehst du!“, rief Temari laut. „Und übrigens…“ Jetzt huschte ein fieses Lächeln über ihr Gesicht, als sie sich leicht nach vorn neigte. „Hast du eigentlich von den Konsequenzen gehört?“

Kankuro schluckte. Ja, das hatte er. Ihn überkam ein flaues Gefühl in der Magengegend, als er Temaris Lächeln sah. Sie war zu noch viel fürchterlicheren Dingen fähig, das wusste er aus lebenslanger Erfahrung. Darum beschloss er: Angriff ist die beste Verteidigung!

Ich habe gehört, dass du Shikamaru fast den Kopf abgehackt hättest. Und das obwohl er dich gefesselt hatte“, grinste Kankuro. Er wusste, dass Temari dann am verletzlichsten war, wenn man sie an ihrem Stolz packte. Und dieser war nach der „Tradition“ ziemlich angekratzt.

Die Wirkung seiner Worte hätte er sich allerdings in seinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt.

Temari wurde rot. Sie stotterte irgendetwas von „Hausaufgaben … viele … noch machen“, machte auf dem Absatz kehrt und ging so schnell weg, wie es möglich war, ohne dass sie rannte.

„Was war denn jetzt los?“, fragte Kankuro verwundert. Nein, eigentlich war er nicht nur verwundert, er war vollkommen verwirrt. Immerhin war gerade sein Weltbild zusammengebrochen. Temari, seine starke, stolze, jähzornige Schwester, wurde nie rot! Und sie stotterte auch nicht. Das war nicht ihre Art, das war nicht mehr Temari! Genau, das war gar nicht Temari gewesen! Sie war von Außerirdischen entführt worden! Oder schlimmer: Sie hatte den Verstand verloren. Denn Temari zeigte nur dann eine Schwäche, wenn es gar nicht mehr anders ging. Und selbst dann war sie noch anders. Sie stotterte nicht und sie wurde nicht rot! Sie war doch nicht wirklich rot geworden?

Und zu Kankuros maßlosem Erstaunen antwortete Gaara ihm auch noch. Was war bloß heute in seine Geschwister gefahren?

„Ich glaube, du hast einen wunden Punkt getroffen“, meinte Gaara stirnrunzelnd. Auch er konnte sich das Verhalten seiner Schwester nicht ganz erklären.
 

Und wieder hatte Temari nicht den blassesten Schimmer, wohin sie eigentlich lief. Vermutlich einfach nur weg von Kankuro und der Sache, die er angesprochen hatte. Dumm nur, dass sie vor ihren Gedanken nicht genauso weglaufen konnte.

Aber warum lief sie überhaupt weg? Kankuro hatte doch nur die „Tradition“ und Shikamaru angesprochen.

Shikamaru.

Temari wollte die Gedanken an ihn aus ihrem Kopf aussperren, was ihr natürlich nicht gelang. Deshalb legte sie noch einen Zahn zu, stürmte irgendeine Treppe hinauf und … fand sich in einem Gebäude wieder, den sie noch nie zuvor betreten hatte.

Bis zur Decke war sie von Regalen voller Bücher eingeschlossen. In langen Reihen und anscheinend über mehrere Stockwerke verteilt, blitzten Temari neue Bücher entgegen, aber so mancher Buchrücken war so alt, verstaubt und abgegriffen, dass sie den Titel nicht mehr entziffern konnte.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, riss eine freundliche Stimme Temari aus ihrem Erstaunen.

Verwirrt sah sie in das lächelnde Gesicht einer jungen Frau mit feuerrotem Haar, das elegant zu einem Knoten hochsteckt war. Die grauen Augen der Bibliothekarin blitzten vergnügt auf, als Temari „Äh… nein… danke…“ stammelte.

Mit immer größer werdenden Augen schritt Temari durch die Reihen. Nie hätte sie gedacht, dass es einen Ort mit Büchern gab, der sie so beeindrucken konnte.

Mächtig türmten sich die Bücher auf, dicke Romane und Lexika, dünne Heftchen und Broschüren. In allen Farben, von einem ehrwürdigen, dunklen Braun mit goldenen Rändern oder völlig schwarzen Ledereinbänden, bis hin zu verlockend bunten Umschlägen und geheimnisvoll glänzenden Verkleidungen, die einluden, das zu entdecken, was hinter den Buchdeckeln lag. Eine fremde, mitreißende Welt voller Abenteuer, voller Nervenkitzel und Spannung, aber auch unendlich tieferen Gefühlen. Welten, die vergessen ließen. Welten, die nachdenklich machten. Welten, die neue Welten enthielten.

Wie ein Labyrinth verzweigten sich die Gänge, durch die Temari schritt. Treppen mit schwungvollen, verzierten Geländern führten von Stockwerk zu Stockwerk und wieder zurück. Zwischendurch gab es eine freie Reihe, in die einige Tische und Stühle gestellt waren. Hier ließ es sich sicherlich gut lernen. Und hin und wieder fand Temari sich in einer kleinen, versteckten Nische wieder, in der ein Sessel und eine Stehlampe standen. Weiches Licht fiel auf die bunten Polster, samtig und gemütlich sahen die Sessel aus, genau richtig, um sich darin zu verkrümeln und abzuschalten.

Gerade fuhr Temari andächtig mit den Fingerspitzen über die Buchrücken, während sie interessiert die Titel betrachtete – dabei erkannte sie Klassiker wie Tausendundeine Nacht und Grimms Märchen, aber auch neumodische Werke von Der Herr der Ringe und Harry Potter, bis hin zu Büchern wie Stravaganza oder Amy Angel, die sie nicht kannte, die sich aber allesamt interessant anhörten.

Dann bog Temari um eine der vielen Ecken und befand sich – wieder mal – in einer der verborgenen, gemütlichen Sackgassen. Allerdings musste sie feststellen, dass sie nicht alleine war. In einem dunkelblauen Sessel saß, oder vielmehr lag, ein Junge mit schwarzem Haar, das zu einem auffälligen Zopf gebunden war, und starrte mit geschlossenen Augen an die Decke. Er schlief.

Temari stand nur da, wusste nicht, was sie davon halten sollte und wusste es doch.

Das schlafende Genie.

Sie dachte an das, was Ino ihr erzählt hatte. //Er ist einfach stinkfaul.// Das sah man. Er schlief.

Wie friedlich er aussah. Friedlich. So erkannte sie tatsächlich das Genie, das in ihm steckte. Das man auf den ersten Blick nicht vermutete.

Die Falte auf seiner Stirn, die er sonst immer mit sich herumtrug, die anzeigte, wie sehr ihn doch alles nervte, war verschwunden.

Er sah gut aus.

Shikamaru.

Temaris Herz klopfte gegen ihre Brust, fast hegte sie die Befürchtung, er könnte von diesem störenden Geräusch, das in ihren Ohren so laut erschien, aufwachen.

Der Drang, auf ihn zuzugehen wurde unerträglich und immer übermächtiger. So übermächtig, dass ihr Körper irgendwann nicht mehr ihren Gedanken gehorchte. Unbegreiflich erschien es ihr, warum sie sich plötzlich langsam auf ihn zu bewegte. Sie konnte es nicht verstehen, auch nicht, warum sie neben dem Sessel in die Knie ging und nun zu dem weichen Gesicht über ihr aufsehen musste.

Ja, weich war es. Sanft sah er aus, sanft und auf eine verstörend beruhigende Art verletzlich stark. So ganz anders, als die Jungen, mit denen sie vorher zu tun gehabt hatte. Vollkommen anders. Anders.

Wie von selbst bewegte sich ihre Hand, geführt von dem unheimlichen Verlangen, nur einmal durch das schwarze Haar streichen zu dürfen. Es musste lang sein, wenn er es offen trug. Wie er dann wohl aussah?

Sie wollte das Haar spüren, weich.

Die Haut, zart.

Die Lippen, sanft.

…auf ihren.

MOMENT!

Temaris Hand verharrte, nur wenig von seinem Gesicht entfernt. Dann zuckte sie zurück, stolpernd brachte sie wieder Abstand zwischen sich und Shikamaru.

Sie zitterte, ihr Herz klopfte noch schneller, als zuvor.

Bummbumm. Bummbumm.

Was dachte sie da nur? Was für absurde Gedanken schlichen sich in seiner Gegenwart nur immer wieder in ihren Kopf?

Es verwirrte Temari, dass sie irgendetwas an dem schlafenden Jungen, ein Jahr jünger als sie, so… anziehend fand. Warum?

Das Zittern verstärkte sich, als sie an das dachte, was sie gerade eben fast getan hätte. So durfte sie nicht noch einmal die Kontrolle verlieren!

Sie kannte ihn doch gar nicht. Wusste erst seit kurzem, dass er überhaupt existierte. Auch wenn sie manchmal glaubte, ihn eigentlich schon ewig zu kennen.

Sie musste die Kontrolle behalten!

Ihr Atem ging schwer und tief, angestrengt.

Sie mochte ihn doch nicht einmal. Sie mochte ihn doch nicht! Oder?

Sie durfte unter keinen Umständen die Kontrolle verlieren. Was brachte es ihr denn? Keine Jungen mehr, das hatte sie sich doch geschworen. Keine Jungs. Nie wieder?! Nicht nach…

Temari atmete mit einem Mal wieder ruhiger, das Herzklopfen besserte sich, das Zittern ebbte ab. Noch einmal ließ sie den Blick über Shikamaru schweifen, schüttelte den Kopf über ihr eigenes, unverständliches Verhalten. Dann ging sie weiter, verließ ihn mitsamt ihrem seltsamen Gebaren.
 

Als die Schritte irgendwo in den Weiten der Bibliothek verklangen, öffnete Shikamaru die Augen.

Regungslos saß er weiterhin da und starrte die Decke an. Er war sich nicht sicher, ob er das eben nicht nur geträumt hatte. Überhaupt nicht sicher. War es Wirklichkeit gewesen? Realität?

Seine Hand fuhr unsicher zu der Stelle an seiner Wange, die Temari fast berührt hätte. Fast. Nur wenige Millimeter hatten noch gefehlt. Er hatte es gespürt. Das sanfte Prickeln auf seiner Haut, als wäre sie elektrisch geladen. Er hatte gewusst, dass sie es gewesen war. Hatte es instinktiv gespürt. Ihr Duft hatte sie verraten. Der zarte Duft nach einem heißen Sommertag in einer langen Trockenperiode. Unaufdringlich und doch stark. Ein Geruch, wie er sich den Duft einer Wüstenblume vorstellte. Nicht aufdringlich. Zart. Er schlich sich während des Unterrichts ständig in seine Nase, lenkte ihn ab.

Nicht einmal der Geruch der Bücher um ihn herum, hatte das verdecken können.

Aber warum war sie gegangen? Warum hatte sie nicht zu Ende gebracht, was sie angefangen hatte?

Warum war das nur so kompliziert? Warum war SIE so kompliziert? Sie hätte doch nur…

Er hielt in seinen Gedanken inne, konnte sich selbst nicht mehr verstehen. Warum hatte er so sehnlichst auf ihre Berührung gewartet, gehofft? Warum ärgerte es ihn, dass sie einen Rückzieher gemacht hatte?

Es war so kompliziert! Anstrengend! Nervig!

Oder?

Dieses Gefühl, das sich in ihm aufgebaut hatte, es sollte gefälligst verschwinden, und zwar plötzlich! Er wollte es nicht. Es war eben nervig! Und was war es überhaupt?

Er hasste diesen Tag. Er verabscheute ihn. Er hatte ihn noch nie gemocht. Der 22. September. Ein verflucht nerviger Tag. Sein Geburtstag. Immer geschah an diesem Tag etwas, was er nicht hatte voraussehen, planen können. Das war anstrengend.

Heute war sein siebzehnter Geburtstag.

Shikamaru konnte so gut wie jeden einzelnen Tag seines jungen Lebens analysieren und selbst feststellen, warum er wann wie drauf gewesen war.

Aber heute, zum ersten Mal in diesen siebzehn Jahren, wusste Shikamaru nicht, wie er sich fühlte.
 

************
 

Es ist vollbracht! Ich habe dieses Kappi jetzt in drei verschiedenen Variationen, die sich alle sehr ähnlich sind, aber mir gefällt diese hier wirklich am besten.
 

Ich MUSSTE einfach noch Shikas Geburtstag mit einbauen, so eine Chance lass ich mir doch nicht entgehen! Aber es war dann doch schwieriger, als gedacht, weil es nicht zu einem Großereignis mutieren sollte. Wie gesagt, so gefällt es mir.
 

Auch die Sache mit der Bibliothek musste sein. Ich liebe Bibliotheken und Buchhandlungen und ich stelle sie mir gern wie ein Labyrinth vor. Ja ja, ich und mein Büchertick XD.

Ich habe auch ein paar Bücher aufgezählt, Schleichwerbung sozusagen^^ Obwohl ich von „Der Herr der Ringe“ wirklich nicht begeistert bin. Ich find den Film in Ordnung, aber das Buch ist wirklich nicht meins. Wohl Geschmacksache *abschweif*

Zu den anderen Büchern kann ich aber nur raten! Sie gehören wirklich zu meinen Favoriten!
 

Jetzt hab ich euch aber genug voll geschwafelt mit ner Menge verrücktem Zeugs ^^°

Ihr seid dran mit KOMMIS schreiben!!! Und zu diesem Kappi brauch ich viiiiele Kommis *lechz*!!!
 

Bis zum nächsten Kapitel

inkheartop

Gefühle von drei bis vier Idioten

Gefühle von drei bis vier Idioten
 


 


 

Die kühlen, berechnenden, schwarzen Augen lenkten ab von dem freundlich spöttischen Lächeln, mit dem Itachi Sasuke bedachte.

Stumm starrte der jüngere der Brüder dem anderen ins Gesicht. Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr zu Itachi aufsehen zu müssen, so wie es noch bei ihrem letzten Aufeinandertreffen der Fall gewesen war. Das war schon ziemlich lange her.

„Hallo, Sasuke“, sagte Itachi, immer noch mit dem, ohne Frage falschen, Lächeln auf den Lippen.

„Was willst du?“, presste Sasuke zwischen den Zähnen hervor.

„Danke, ich komme gerne herein!“ Itachi ignorierte Sasukes finsteren Blick und schob sich an ihm vorbei in das Haus.

„Schön hast du’s hier“, meinte Itachi gelassen und zuckte nicht einmal, als sein Bruder die Haustür laut zuknallte.

„Was willst du hier, Itachi?“, knurrte Sasuke noch einmal.

„Na, meinen kleinen Bruder begrüßen. Tut mir Leid, dass ich es nicht früher geschafft habe, ich bin ja gestern schon angekommen, aber…“

„Itachi!“, unterbrach Sasuke ihn barsch.

Das falsche Lächeln verschwand augenblicklich und zurück blieb die ausdruckslose, emotionskalte Maske, die Sasuke so hasste. Noch mehr aber hasste er dieses falsche Getue und darum war es ihm fast recht. Aber nur fast.

„Das war wohl zu viel Smalltalk, nicht wahr?“, fragte Itachi. Und selbst als arrogantes, gefühlloses A******** konnte er noch scherzen. Traute man ihm eigentlich gar nicht zu.

„Also?“ Sasuke funkelte seinen Bruder an – wenn Blicke töten könnten, ginge es ihm schlecht –, wollte endlich eine Antwort.

„Ich wollte dich daran erinnern, dass es mich noch gibt“, flüsterte Itachi kalt.

Unwillkürlich musste Sasuke schlucken. Dann jedoch riss er sich zusammen und sah direkt in diese unterkühlten Augen.

„Bist du deshalb hier? Um mich daran zu erinnern, dass du immer noch besser bist, als ich, oder wie?“, fragte er eisig.

„Ich bin wirklich Referendar“, antwortete Itachi nur. „Selbst das mit dem Musical stimmt.“

Sasuke bemerkte die Ausweichtechnik sehr wohl, aber er ignorierte sie. Sollte Itachi doch sein kleines Spielchen spielen. Immerhin hatte sich in den letzten Jahren einiges verändert.

„Es hat sich einiges verändert, Itachi“, meinte Sasuke.

Wie aufs Stichwort kam Naruto polternd die Treppe herunter gesprungen. Auf der vorletzten Stufe blieb er schwankend stehen, sah von Sasuke zu Itachi und wieder zurück. Ohne die beiden aus den Augen zu lassen, setzte er sich wieder in Bewegung, schnappte sich dann seine Jacke, klopfte Sasuke auf die Schulter und flüsterte ihm „Cool bleiben, Mann!“ ins Ohr.

Manchmal wusste selbst der Chaosmagnet Nr. 1, was los war. Sogar ohne viele Worte und manchmal sogar besser, als jeder andere, den Sasuke kannte. Besser, als Sasuke selbst.

Nachdem sich die Tür hinter Naruto geschlossen hatte, herrschte kurz eine Stille, die noch eisiger war, als zuvor.

„Wer war das?“, brach Itachi endlich das Schweigen.

„Naruto Uzumaki“, antwortete Sasuke geradeheraus. Warum sollte er das auch nicht wissen? „Mein… bester Freund.“ Kurz hatte er gezögert, ganz kurz nur.

Itachi hob fast unmerklich eine Augenbraue.

„Freundschaft… ist eine gefährliche Sache. Fast so gefährlich wie… Liebe“, wisperte Itachi. Sollten seine vorherigen Worte eisig gewesen sein, dann waren diese nun gefährlich nah, an der Flüssigstickstoffgrenze.

Sasuke kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn.

„Was soll das heißen?“, fragte er schließlich.

Sein Bruder lächelte geheimnisvoll. „Diese Sakura… ist sie dir wichtig?“

Warum, zum Teufel, kamen heute alle Leute auf Sakura zu sprechen? ARGH!

Aber es lag viel zu viel verborgene Gemeinheit in Itachis Blick, als dass Sasuke es einfach hätte ignorieren können.

„Lass sie aus dem Spiel! Sie hat nichts damit zu tun!“, knurrte er und fragte sich im selben Moment, warum er das gesagt hätte. Das kam doch einem Geständnis gleich! Und das, obwohl er gar nicht zu gestehen hatte!

Tatsächlich wurde Itachis Lächeln noch eine Spur breiter … und gefährlicher.

„Pass gut auf, kleiner Bruder!“, sagte er und so schnell er gekommen war, war er auch wieder verschwunden.

Zurück blieb ein Sasuke, dessen Herzschlag sich innerhalb von Sekunden verdreifacht hatte. Vor Wut, vor Hass und vor Angst.

Angst um seine Freunde. Freunde wie Naruto. Es hatte lange gebraucht, diese Freundschaft aufzubauen. Sie waren so verschieden. Wie Feuer und Wasser. Anfangs hatten sie sich öfter in den Haaren gelegen. Aber das hatte sich verändert. Als sie gemerkt hatten, welche Gemeinsamkeiten sie auch hatten, als Naruto…

//Freundschaft ist eine gefährliche Sache. Fast so gefährlich wie Liebe.//

Angst um Sakura.
 

Wort für Wort floss auf das Blatt. Die Tinte glänzte noch kurz, dann trocknete das Blau, wurde stumpf und kalt.

Wie ihre Augen, als er ihr den Korb gegeben hatte. Alles war aus dem Braun geflohen. Alle Farbe, alles Leben, alle Freude. Nur noch Traurigkeit. Und er war daran schuld.

Wütend schmiss Neji den Füller von sich, dass er klappernd vom Tisch rollte und zu Boden fiel, wo er einige unansehnliche Flecken hinterließ. Wären noch mehr Leute in der Bibliothek gewesen, hätte er von denen vermutlich gleich einen Rüffel bekommen. Diese ewige „Shhhh!“ bei jedem noch so kleinen Geräusch ging ihm auf die Nerven!

Es war aber sonst niemand hier. Zum Glück.

Als er den Füller aufhob und sich wieder auf seinen Platz setzte – er war gerade im Begriff, diesen blöden Aufsatz weiter zu schreiben – fiel ihm ziemlich unerwartet wieder ein, warum das dumme Schreibinstrument so unsanft Bekanntschaft mit dem Parkett gemacht hatte.

Verdammt! Da hatte er sie doch gerade vergessen! Okay, es war nur eine Minute gewesen, aber er hatte sie vergessen. Und jetzt…

Warum bekam er sie nicht aus seinem Kopf? Schon fast eine Woche lang sah er ihre Augen vor sich. Hörte ihre Worte.

//Ich hab dich echt gern!//

Wenn es still war, wenn er alleine war, glaubte er fast, sie hinter sich stehen zu haben. Noch einmal ihre Worte zu hören.

//Ich hab dich echt gern!//

Arg! Warum war er hier so still? Das war eine Bibliothek, na und? Er hätte gerade ziemlich viel für diese „Shhhh!“enden Typen gegeben.

Wütend auf sich selbst packte Neji seine Sachen zusammen. Der blöde Aufsatz über irgendetwas Sinnloses im Absolutismus und Louis XVI. konnte warten. Dem machte das auch nichts mehr aus – war er nicht geköpft worden?

Wenn er Glück hatte, war Shikamaru schon fertig, dann konnte er abschreiben.

Neji bog um eine Ecke, suchte nach dem Ort, wo er Shikamaru zuletzt gesehen hatte und fand ihn auch.

Mit geöffneten Augen starrte er die Decke an, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln.

„Shika, bist du fertig?“, fragte Neji, aber sein bester Freund schien ihn nicht zu hören. Noch immer stierte er nach oben und so langsam fragte sich Neji, was an der Decke so interessant war.

„Shika! Ich hab dich was gefragt!“, rief Neji genervt. Hatte der Kerl Tomaten in den Ohren? Hatte sie ihm jemand zugeklebt?

„NARA!“

Shikamaru zuckte zusammen, was völlig untypisch für ihn war, blinzelte und sah Neji verwirrt an. Hatte er ihn denn wirklich nicht gehört?

„Was ist?“, fragte Shikamaru.

Entgeistert sah Neji ihn an.

„Bist du mit dem Aufsatz fertig? Hab ich dich jetzt schon dreimal gefragt!“, meinte er zähneknirschend.

„Aufsatz? Was? … Oh! Ach so. Ne, ich bin nicht dazu gekommen“, antwortete der Nara überrascht.

Der Hyuga übertraf ihn allerdings an Überraschung. Shikamaru hatte nichts gemacht? Okay, er war faul, stinkfaul sogar, aber gewissenhaft und zudem der klügste Kopf der Schule. Und er hatte noch nichts gemacht?

„Shikamaru! Wir sind jetzt seit zwei Stunden hier! Du kannst mir nicht erzählen, du hättest nichts gemacht!“, meinte Neji, versuchte noch einmal Klarheit in die Sache zu bringen. Vielleicht hatte er sich ja – ausnahmsweise natürlich – verhört?

„Äh… nein… schon zwei Stunden?“, hakte Shikamaru nach.

„Hast du die ganze Zeit gepennt, oder was?“, regte Neji sich auf. „Sonst hättest du doch schon was! Mensch dieser f*** Aufsatz muss morgen fertig sein! Ich hab gedacht, ich könnte noch was für mich abschrei… ergänzen! ARG, du bist doch hier das Genie!“

Ohne einen Kommentar hatte Shikamaru sich den Ausraster seines Freundes angehört. Sicherlich hätte Neji noch weiter gewettert – da war er manchmal richtig gut drin –, wäre ihm diese Tatsache nicht aufgefallen. Kein „Mann, wie nervig!“, nichts von „Sei nicht so anstrengend!“. Nein, der Blick des Nara war schon wieder getrübt und abwesend, als wäre er sehr weit weg mit seinen Gedanken. Das durfte doch nicht wahr sein! Sonst war Shikamaru doch auch nicht so… er bekam doch selbst im Tiefschlaf noch mit, wenn in China ein Sack Reis umfiel!

Neji seufzte. Würde er doch wohl oder übel jemand anderen nach dem Aufsatz fragen müssen. Dabei gab es keine besseren Geschichtsaufsätze, als die von Shikamaru Nara! Schon ärgerlich.

Ohne sich zu verabschieden, verschwand Neji, schüttelte noch einmal den Kopf über seinen Kumpel und machte sich dann auf die Suche. Vielleicht hatte Sasuke ja mal die Hausaufgaben gemacht?
 

Nach einer Stunde ergebnislosen Suchens gab Neji es auf. Aber nein! Das durfte er nicht! Ein Hyuga gab nicht auf.

Hyuga.

Die Idee schoss Neji wie ein Blitz durch den Kopf. Die Mädchen! Die hatte er ganz vergessen.

In dem Moment, als er an die Mädels im Allgemeinen dachte, kam ihm auch schon wieder ein Mädchen im Bestimmten in den Sinn.

Schnell versuchte Neji, das Bild der trüben, braunen Augen, einen Moment zuvor noch voller Leben, loszuwerden.

Keine Chance! Es regte ihn auf, wie sonst nichts, dass ihm ausgerechnet jetzt Ten Ten beim Nachdenken in die Quere kam. Sie hatte in seinem Kopf doch nichts zu suchen! Schließlich führte er in dem Wettkampf zwischen Naruto, Sasuke und ihm. Obwohl man Ersteren wohl auch Abschreiben konnte, wenn er Sasukes Geschichte vom letzten Nachsitzen Glauben schenken konnte.

Während er weiter versuchte, nicht nachzudenken, lief Neji schnellen Schrittes auf die Häuser der Mädchen zu. Klar, es war eigentlich verboten, aber das hier war immerhin ein Notfall! Und es führte ja doch kein Weg daran vorbei, wenn er keine Sechs von Asuma kassieren wollte. Und ein Hyuga bekam schließlich keine Sechser!

Aber wen sollte er denn fragen? Zwölf Mädchen waren in seiner Klasse, zwei davon waren Externe und fünf weitere würden die Aufgabe entweder noch nicht gemacht haben oder ihn nicht abschreiben lassen. Also blieben nur noch fünf übrig. Dumm nur, dass Neji ausgerechnet mit diesen Fünf so seine Probleme hatten. Insbesondere mit zweien von ihnen. Und die anderen drei waren ziemlich … charakterstark. Und nicht gut auf ihn zu sprechen.

Aber es musste nun mal sein, also: Augen zu und durch!

Durfte ein Hyuga Schiss haben?
 

Das Haus der Mädchen war ihm nur allzu bekannt, aber Neji war sich sicher, dass er dieses Mal nicht lachend davon rennen würde.

Er erinnerte sich noch an Kibas Worte, nachdem sie sich nach der Tradition wieder bei sich zu Hause eingefunden hatten.

//Und Hinata wird wieder eine Woche lang nicht mit mir reden. Mindestens! Habt ihr ihren Blick nicht gesehen?//

Zwar hatte Kiba damit falsch gelegen, aber das bedeutete ja nicht, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen gewesen war. Wenn er da an Sasuke dachte…

„Autsch!“, machte Neji, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen und war insgeheim froh, dass Ten Ten NICHT Sakura war.

Dann drückte er auf die Klingel und hoffte…

„Neji!?“

Warum war die Welt nur so ungerecht? Ging es nur ihm mit diesem blöden Schicksal so? Hatte Gott ihn nicht schon genug gestraft?

„Ähm… Hallo, Ten Ten“, begrüßte er sie verlegen und versuchte nicht auf ihre Augen zu achten. So braun! Und sie sahen wieder besser aus.

Arg! Er starrte sie an!

Schnell senkte Neji den Blick, nur um dem ihren nicht zu begegnen.

„Was willst du?“, fragte Ten Ten. Kühl? Überrascht?

Neji konnte es nicht sagen. Bei ihr versagte das, was seine Freunde den „Röntgenblick“ nannten. Das Byakugan, das lag irgendwie mit den Genen der Hyugas zusammen.

„Ist… Sakura da?“, fragte Neji vorsichtig. Bloß nicht hochsehen! Bloß nicht hochsehen! Bloß nichts anmerken lassen von dem Herzklopfen, dem eigenartigen Gefühl in der Magengegend. Bloß nicht!

„Nein.“ Okay, sie klang überrascht. War ihr nicht zu verdenken. Was hatte er schon mit Sakura zu tun? Es war Sasuke, der… na ja.

„Und Temari?“

„Auch nicht. Keine Ahnung, wo sie ist, hat die Flucht ergriffen, als Saku und ich uns angezickt haben.“

Wenigstens konnte SIE noch normal sprechen. Im Gegensatz zu ihm. War es ihr denn nicht unangenehm, was vor kurzem geschehen war? Seltsamerweise war es ihm, Neji, ziemlich unangenehm, obwohl das nicht sein durfte. Er war ein Aufreißer, ein Casanova, ein Macho, ein Herzensbrecher, ein Mistkerl, ein Arschloch. Wenn es nach den meisten Mädchen ging, die er schon…

„Dann ist Ino da?“ Bittebittebitte!

„Ach nein“, antwortete Ten Ten. „Was willst du eigentlich von ihnen?“ So langsam wurde sie misstrauisch.

Neji sah auf. Seine Antwort würde jetzt blöd kommen, das war ihm mehr als nur glasklar.

Als er in ihr Gesicht sah, wünschte er sich, es nicht getan zu haben. Sie grinste. Irgendwie frech. Als würde sie ahnen, wie bescheuert er sich vorkam.

Neji schluckte. Seine letzte Hoffnung war eine von denen, die er gar nicht erst hoffen und eigentlich auch gar nicht ergreifen wollte.

„Ist Hinata da?“ Oh Gott! Warum klang seine Stimme so verdammt hoch? Das war so was von uncool! Und ein Hyuga ist doch immer cool!

Ten Ten runzelte die Stirn. Jetzt war sie garantiert misstrauisch.

„Nein, Hina ist auch außer Haus. Aber vielleicht kann dir ja jemand anderes helfen?“

„Wer?“, fragte Neji sofort hoffnungsvoll. Gab es noch jemanden?

„Ich, du Idiot!“, knurrte Ten Ten, erstaunlich aggressiv.

„Oh“, war alles, was Neji dazu sagen konnte. „Willst du mir denn helfen?“ Er erkundigte sich vorher lieber noch einmal.

Ten Ten zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an.“

„Okay. Also, ich bräuchte nen gescheiten Geschichtsaufsatz“, erklärte Neji.

Ten Ten musste lachen. Sie konnte einfach nicht anders.

„Und deshalb machst du so einen Aufstand?“ Sie hörte gar nicht mehr mit Lachen auf.

So langsam wurde es Neji zu bunt.

„Was ist so lustig?“

„Na ja… du bist hier doch das Genie, oder?“, kicherte Ten Ten.

„Auch ein Genie kann nicht alles“, meinte Neji schulterzuckend und offensichtlich genervt über den erneuten Lachanfall Ten Tens über diesen offensichtlich widersprüchlichen Satz.

Nach etwa fünf Minuten, die es brauchte, bis die Braunhaarige wieder normal Luft holen konnte, versuchte Neji das Gespräch auf normale Art enden zu lassen.

„Gibst du mir jetzt Geschichte?“, fragte er, bemüht teilnahmslos und strich sich kurz das lange Haar zurück, verharrte aber mitten in der Bewegung, als er sah, wie Ten Ten ihr folgte. Warum starrte sie ihn auf einmal an?

„Klar!“, sagte sie schließlich, als sie sich von ihrem kurzzeitigen Konzentrationsverlust erholt hatte. Dann huschte sie kurz ins Haus und kam gleich wieder zurück, einige Bögen Papier unter dem Arm, offensichtlich beidseitig und ziemlich eng beschrieben.

„Schreib aber nicht alles ab.“

Wortlos nahm Neji die Blätter an sich, murmelte noch ein kurzes „Danke!“ und war schon fast wieder weg, als Ten Ten ihm „Kein Problem!“ hinterher rief.

Verwirrt sah Neji auf die inzwischen geschlossene Haustür. Konnte es sein, dass sie letztendlich doch nervös geworden war? Konnte es sein, dass sie ihm auf eine seltsame Art und Weise verziehen hatte? Konnte es sein, dass er ein kompletter Idiot war?

Die Antwort auf zumindest die letzte Frage konnte er sich eigentlich sparen.
 

Natürlich machte er sich Gedanken über Sasuke. Und Itachi! Natürlich! Aber ehrlich gesagt nicht allzu viele.

Aus dem Haus gestürmt war Naruto eigentlich nur, weil ihm eine Idee gekommen war. Eine ziemlich geniale, wie er fand. Eine, die ihm schon längst hätte kommen können, wie jeder andere finden würde.

Schließlich war Naruto nicht umsonst mit Hinatas bestem Freund befreundet. Und Beziehungen sollte man ab und zu auch nutzen. Die Frage, ob Kiba überhaupt helfen würde, stellte er sich nicht.

Stattdessen dachte er über etwas anderes nach. Über Sasukes Worte.

//Ich glaube, du bist echt verknallt.//

Verknallt. War er das wirklich? Denn eigentlich war er das noch nie gewesen. Letztes Jahr ein paar kleine Affären, aber sonst… nichts. Seitdem das mit dem Wettstreit um den Platz des begehrtesten Jungen der Schule angefangen hatte, war an so etwas Banales wie Liebe nicht mehr zu denken gewesen. Und Naruto war eigentlich stolz, zu den drei begehrtesten zu gehören.

Eigentlich.

Seit neuestem nicht mehr. Diese weißen Augen hatten ihm den Kopf verdreht.

Liebe.

War es das? Konnte es das sein? Und nicht nur sinnlose Schwärmerei? Konnte es Liebe sein?

„AUA!“

Mitten in seinen Gedanken fand Naruto sich plötzlich auf der Erde wieder. Er war so vertieft gewesen, dass er Kiba gar nicht bemerkt hatte, der nun vor ihm saß.

„Herr Gott, kannst du nicht aufpassen?“, knurrte Kiba und rieb sich den Kopf, bevor er aufstand und sich den Staub von der Hose klopfte.

„Sorry“, murmelte Naruto, überrascht von Kibas Reaktion; schließlich hatte er ihn schon oft genug über den Haufen gerannt.

„Macht nichts.“ Der Inuzuka seufzte und sah auf den Blonden herab. „Warum hast du’s so eilig?“

Naruto grinste, froh über den plötzlichen Sinneswandel und rappelte sich ebenfalls auf.

„Ich wollte zu dir!“
 

„Zu mir?“ Kiba runzelte die Stirn. „Warum?“

Er hatte ein ungutes Gefühl.

„Kannst du mir bei Hinata helfen?“

Was?

Scheiße. Das war alles, was Kiba denken konnte. Scheißescheißescheiße. Was sollte er denn jetzt antworten?

Denn was brachte es, Hinata und Naruto voneinander fern zu halten, wenn er ihnen dann doch half, zusammen zu kommen?

Ja, er war es gewesen, der verhindert hatte, dass die beiden sich nicht begegneten.

Der Grund: Eifersucht.

Naruto hatte ganz klar Chancen bei Hinata und er selbst wurde nicht von ihr beachtet. Oder zumindest nur als guter Freund, allerdings nicht als DER Freund. Wie gerne würde der Inuzuka in Narutos Haut stecken.

Ihm war das schüchterne, wunderhübsche, nette Mädchen schon längst aufgefallen. Und Naruto, dieser Idiot, müsste sich nicht einmal anstrengen, um an sie heranzukommen. Im Gegensatz zu ihm selbst, das wusste Kiba. Schließlich hatte Hinata schon lange ein Auge auf den blonden Chaosjungen geworfen. Auch das hatte Kiba erkannt, obwohl Hinata nie etwas dergleichen erwähnt hatte.

Bis vor kurzem war das auch kein Problem gewesen. Bis zu dem Zeitpunkt, als Naruto auch endlich Notiz von der Hyuga genommen hatte.

Und er konnte sie einfach haben!

Wut kochte in Kiba auf. Warum war das nur so unfair?

Die Wut ließ ihn auch sprechen.

„Kümmere dich selbst drum!“, knurrte Kiba, drehte sich weg und ging, Akamaru auf den Fersen.

Naruto blieb zurück und wusste nicht, was er von dem eigenartigen Verhalten seines Kumpels halten sollte.

Aber eines war sicher: Sein Plan war futsch. Er würde es alleine versuchen müssen, auch wenn er nicht sicher war, ob das gut gehen würde.
 

*************
 

JUHUUUU! Endlich ist Kapitel 12 fertig. Ich hatte in den letzten Tagen so viel um die Ohren und keinen Bock zum Schreiben.

Aber jetzt ist es geschafft *sing*
 

Tja, mir gefällt das Kappi, allein schon, weil es so toll laaang ist. Aber es hat total Spaß gemacht, Neji mal so richtig OOC zu schreiben. Aber es war so geplant, da kann ich nix machen ^^ Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass die Liebe uns alle ein wenig OOC werden lässt *schön gesagt*

Und Itachi gefällt mir auch. Zur Info: Ich mag ihn NICHT! Darum glaube ich auch nicht, dass er hier der liebe große Bruder werden wird.

UND… Jetzt ist es raus: Kiba ist verknallt und tierisch eifersüchtig… Drama comming soon! *hähä*
 

@Hina-Hyuuga und alle anderen, die Fragen zu Shikas B-Day haben: Ich wollte das nicht ausarten lassen und außerdem… ist mir die Idee ehrlich gesagt erst später gekommen ^^° Da wollte ich nicht noch mal alles überarbeiten *faul*

Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass Shikamaru das gar nicht so gern hat, Geburtstag zu haben. Er ist nicht der Typ, der gerne im Mittelpunkt steht. Und das ist beim Geburtstag meistens der Fall… aber das sind nur meine Überlegungen…^^
 

Und jetzt hinterlasst mir doch bitte schön lange Kommis, weil das so ein schön langes Kappi war. Bitteeeee!!!

An dieser Stelle: DANKE DANKE DANKE für 31 Kommis und 17 Favos!!! Ihr seid die Größten (und total verrückt, weil ihr euch das antut^^°) und … ich will noch viiiiiel mehr davon *lechz*
 

LG

inkheartop
 

PS: Gewöhnt euch an mein Gelaber, aber nicht an so lange Kappis^^!

(Alp)Träume der Nacht

(Alp)Träume der Nacht
 


 


 

Dunkelheit. Dunkelheit umschloss sie, wollte sie mit sich tragen ins süße Land der Träume. Und scheiterte an ihren unaufhörlich kreisenden Gedanken.

Wie gerne hätte Ten Ten dem Drang nachgegeben, einfach die Augen zu schließen und einzuschlafen. Aber es ging nicht. Denn ihr Kopf war wach und ihr müder Körper konnte ihn nicht davon abhalten, zu denken. Nachzudenken über den vergangenen Tag. Über diese Begegnung der dritten Art, die es sicherlich gewesen sein musste. Das waren doch nicht tatsächlich sie und Neji gewesen, die so unverfänglich miteinander geredet hatten?

Zumindest war sie unverfänglich gewesen. Denn als normal konnte man Nejis Gestammel wohl nicht bezeichnen. Was war mit ihm los gewesen? Er war doch sonst immer so cool.

Ten Ten wagte nicht, zu hoffen. Zu hoffen, dass ihr Geständnis vielleicht doch etwas in ihm bewegt hatte.

Denn wie schnell konnte alle Hoffnung zerstört werden, konnte platzen wie eine Seifenblase, konnte zerspringen wie Glas. Dann wäre es aus und vorbei mit allen schönen Träumen und ihre Hoffnung würde vor ihr im Staub liegen, zerstört, in tausend Scherben. Das war der Grund, warum Ten Ten nicht hoffen wollte. Und trotzdem nicht anders konnte.

Sein Blick, so weiß und kühl wie eh und je, aber fast immer auf den Boden gerichtet.

Und wenn er aufgesehen hatte, hatte sich der Blick dann nicht verändert? Was hatte er sich dabei gedacht, als seine Stimme so hoch geworden war, eigenartig hoch, als wäre er noch im Stimmbruch. Warum hätte er lieber Hinata, seine allzeit verhasste Cousine, um einen Gefallen gebeten, als sie, Ten Ten, die doch direkt vor ihm stand?

Ten Tens Herzschlag beschleunigte sich, als sie an den Moment dachte, als er seine Haare zurückgestrichen hatte. So wie er es eben häufig tat. Als er inne gehalten hatte, mitten in der Bewegung, als er bemerkt hatte, wie sie ihn anstarrte; als sie bemerkt hatte, wie sie ihn anstarrte.

Ein eigenartig vertraut fremdes Gefühl machte sich in Ten Ten breit, beanspruchte Platz und verdrängte jegliches Denken.

Wärme und Kälte.

Feuer und Eis.

Freude und unermessliche Traurigkeit.

Sehnsucht nach Nähe, Sehnsucht nach Abstand.

All das nahm ihr die Kraft, sich noch weiterhin wach zu halten.

Und so schlief Ten Ten ein, mit einem Gefühl, das Hoffnung gleich kam, aber eben doch nicht ganz.

Denn sie durfte doch nicht hoffen, dass Neji sich in sie verliebt hatte, oder?
 

Nur eine Tür weiter plagte sich ein anderes Mädchen immer noch mit Schlafstörungen herum. Auch sie starrte in die Dunkelheit ihres Zimmers und hätte am liebsten das Licht ausgemacht – so wie früher, als sie als kleines Kind nicht hatte einschlafen können. Wie schön wäre es doch gewesen, würde das Licht auch jetzt noch die Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben, bis auf den, dass nun keine Monster mehr in den Schatten lauerten.

Aber Temari war siebzehn und schon lange brauchte sie die Helligkeit der Nachttischlampe nicht mehr, um einschlafen zu können. Schon lange wusste sie, dass alles, was sich unter ihrem Bett verbarg, Staub und Wollmäuse waren. Schon lange war das so. Doch etwas war geblieben: Die Unruhe vor dem Einschlafen, die sie noch wach hielt, gepackt in den Klauen ihrer eigenen verworrenen Gedanken.

Wie sehr wünschte sie sich nun einen ihrer Brüder herbei – oder besser gleich beide. Es stimmte, sie konnten ganz schön nervig sein, aber gerade in solchen Momenten der Einsamkeit spürte Temari, wie sehr sie die beiden doch liebte.

Früher, wenn einer nicht einschlafen konnte, dann waren die anderen zu ihm ins Bett gekrochen, hatten sich mit ihrer Wärme gegenseitig beruhigt und gestärkt. Lange war das her, sehr lange. Irgendetwas war verloren gegangen von dieser geschwisterlichen Zutraulichkeit, Geborgenheit und Liebe.

Im letzten Jahr, besonders im letzten Jahr, hätte Temari das alles gebraucht. Und nie war jemand da gewesen, der ihr Wärme gespendet hätte, nie hatte es jemanden gegeben, der ihr die Furcht vor dem Einschlafen genommen hätte. Die Furcht vor den Alpträumen.
 

Ihre Hand zitterte. Es war nicht die Wut, wie so oft, die sie dazu veranlasste. Oder die Kälte, die in ihr Herz kroch. Es war die Angst.

„Hör auf damit!“, flüsterte sie, kaum hörbar. Ihre Stimme klang ungewohnt verzweifelt, verängstigt.

Seine Augen blieben kalt, als er lächelte. Graue Augen. Mit einem nebligen Glanz. Wie Wahnsinn.

„Warum?“ Seine Stimme war wie sonst auch. Etwas hochgeschraubt, abschätzend, aber samtig weich. „Ich fang doch erst an.“

Das Zittern wurde stärker, breitete sich in ihrem Bauch aus, in ihrer Brust. Ihr Atem wurde flacher, schneller.

„Bitte!“

Es war ein Schrei. Ein geflüsterter Schrei nach Hilfe. Ein Schrei, den niemand hörte.

Sein Lächeln wurde breiter, aber immer noch lächelten seine Augen nicht mit. Sie waren weit aufgerissen, die Pupillen stark geweitet, das Grau kaum noch erkennbar. Aber immer noch vorhanden.

„Es ist niemand sonst da. Wir sind ganz alleine“, wisperte er in ihr Ohr. So nah war er jetzt bei ihr; so nah, dass sie seinen Atem spüren konnte.

Seine Lippen pressten sich auf ihre, verlangend, beherrschend. Dann wanderten sie ihren Hals hinab, auf ihre Brust zu.

Sie spürte alles. Jedes Härchen auf seinen Lippen, jede Feder der Matratze, auf der sie lag. Sie spürte es und sie spürte es auch nicht. Denn sie wollte es nicht spüren. Sie fühlte sich so hilflos, so verdammt hilflos, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. So stark demjenigen ausgesetzt, von dem sie gedacht hatte, dass sie ihn liebte. Dass er sie liebte. Wie falsch doch alles gewesen war. Jeder Kuss, jede Berührung, jedes Lächeln, alles war eine einzige große Lüge gewesen.

Denn jetzt lag sie hier, spürte alles mit jeder Faser ihres Körpers, konnte so klar denken, wie selten zuvor, aber unfähig, nur einen Finger zu bewegen.

Was war nur mit ihr geschehen? Alles hatte sie aufgegeben, vernachlässigt, nur um bei ihm zu sein. Ihre Eltern waren wütend gewesen, wegen ihrer Unzuverlässigkeit, wegen ihrem Benehmen. Aber sie hatte es ertragen, es ignoriert. Für ihn. Weil sie dachte, er würde sie lieben. Weil er ihr das Gefühl gegeben hatte, etwas besonderes zu sein. Weil er sie nicht wie ein kleines Kind behandelt hatte.

Im Gegensatz zu allen anderen. Immer waren ihre Brüder wichtiger gewesen, reifer, bedeutender. Sie waren schließlich Jungen. Sie konnten auf sich aufpassen.

Aber sie nicht. Obwohl sie die Älteste war.

Niemandem hatte sie von ihm erzählt, in der Angst, sie könnten in ihr verbieten, wegnehmen. Weil sie es nicht verstehen würden. Das würde niemand verstehen.

Und jetzt? Was war aus ihr geworden?

Jetzt lag sie hier, wurde sich ihrer Situation vollends bewusst, schämte sich für das, was er tat. Mit ihr.

Und sie vergoss stumme Tränen, die in ihren Augen brannten.

Sie weinte.

Er sah kurz auf, als er den Salzgeschmack auf ihrer Haut bemerkte.

„Hör auf zu heulen!“

Ein Befehl. Kalt. Tonlos.

„Du bist doch schon sechzehn, oder?“ Jetzt wurde seine Stimme wieder weicher. „Fast siebzehn. Ein großes Mädchen. Da bist du doch sicher keine Jungfrau mehr.“

Aus ihrem Mund kam nur ein trockenes Schluchzen.

Sechzehn, fast siebzehn. Keine Jungfrau mehr.

Nein, sie war keine Jungfrau mehr. Aber das war etwas anderes.

Die Angst ballte sich in ihrer Kehle zusammen, verdrängte das Weinen, das Schluchzen. Aber nicht die Gefühle.

Angst. Wut. Angst.

Angst um sich selbst. Denn wie weit würde er gehen?

Wut auf sich selbst. Warum hatte sie es so weit kommen lassen?

Angst um alle anderen. Was würde er tun, wenn er genug hatte?

Sie versuchte, nicht auf die Geräusche zu achten, die er von sich gab. Versuchte, an etwas anderes zu denken. An ihre Familie. An ihre Brüder.

Sie würden ihr sicherlich helfen, aber wann würde das sein?

//Trink das schön aus. Dann wird niemandem etwas geschehen.//

Das waren seine Worte gewesen. Nur wenige Stunden zuvor. Und irgendwann war die Lähmung eingetreten. Die Lähmung ihres Körpers, die nur noch ein Zittern zuließ. Nicht aber die ihres Kopfes.

Die Tränen waren versiegt, die Angst jedoch blieb.
 

Temari schreckte auf.

In der Wirklichkeit konnte sie wieder weinen. Und zittern. Und Angst haben.

Der Grund, warum sie von Beziehungen nichts mehr wissen wollte. Von Liebe. Dieser Grund saß jetzt hinter Gittern, ja. Aber die Angst nahm das nicht weg.

Nach der Geschichte hatte sie zuerst niemandem davon erzählt. Lange hatte sie es für sich behalten, in sich hinein gefressen.

Aber irgendwann musste es raus. Und so hatte sie es Kankuro erzählt. Er war einfach der Erste gewesen, es gab keinen besonderen Grund dafür. In dieser Zeit war die Große zur Kleinen geworden, der Kleine zum Großen. Gemeinsam hatten sie es geschafft. Hatten ihn dort hingebracht, wo er jetzt war und wo er noch sehr viel Zeit verbringen würde.

Aber Kankuro war auch wieder gegangen. Besorgt zwar, aber er war gegangen. Hatte Temari zurückgelassen. Sich irgendwann keine Gedanken mehr darüber gemacht. Dabei hätte sie ihn doch noch gebraucht. Ihn und Gaara.

Mit ihren Eltern konnte sie nicht darüber reden. Sie fassten sie nur noch mit Samthandschuhen an, behandelten sie wie ein rohes Ei, wie eine Atombombe, die jeden Moment hochgehen könnte.

Irgendwann hatte sich alles wieder normalisiert. Halbwegs zumindest. Aus der kleinen, ängstlichen Temari war wieder die große, starke, eine wenig verachtende Temari geworden. Aber nur am Tag.

Denn nachts, wenn die Dunkelheit sich um sie hüllte und die Alpträume kamen, war alles anders. Und niemand war da, der sie beschützte vor den Flüchen der Nacht. Der Angst, dem Schrecken. Das war auch jetzt noch so, jetzt und hier.

Temari dachte an den Jungen in der Bibliothek. Das sanfte, schlafende Gesicht. Aber sie wollte nicht an ihn denken. Sie kannte ihn nicht, wusste kaum etwas über ihn. Da durfte ihr so etwas nicht noch einmal passieren.

Und doch… ohne es zu bemerken, hatte sich Temari beim Gedanken an Shikamaru beruhigt.

Und mit der Ruhe kam der Schlaf. Allerdings dieses Mal ohne Alpträume.
 

*************
 

Es fiel mir erstaunlicherweise leicht, das zu schreiben. Ich hoffe, ihr seid nicht zu sehr geschockt. Ich wollte damit nur einige Sachen klären. Für später.
 

Ten Tens Part gefällt mir auch gut, obwohl er leider ziemlich kurz ist. Ich hoffe, ihr verzeiht mir. Irgendwann bringe ich sicher noch was Längeres mit Ten Ten (x Neji???).
 

Schreibt mir Kommis! Ich MUSS wissen, wie ihr dieses Kappi fandet. Und ich bin Kommi-süchtig. Also, schreibt ALLES, was euch dazu einfällt, auch das, was nicht zum Inhalt gehört. *nach Kommis lechz*
 

LG

Inkheartop
 

PS: Das ist das DREIZEHNTE Kapitel! Passt doch.

Musical-Fieber

Musical-Fieber
 


 

Erstes Treffen der Musical-Gruppe

Alle Beteiligten finden sich bitte am Donnerstagnachmittag in der Aula ein. PFLICHT!!! Wer nicht erscheint, hat mit schwerwiegenden Folgen zu rechnen!

Kurenai
 

Wer hätte es gewagt, sich diesem Befehl zu widersetzen? Die Antwort war einfach: Niemand. Der einzige Trost war, dass Kurenai, als ihre Musiklehrerin, ebenfalls an der Produktion beteiligt sein würde. Zumindest dachte man das. Wie sehr sie sich doch alle täuschten!
 

„Alle anwesend?“, fragte Kurenai und sah in die Runde der mehr oder minder begeisterten Truppe. Vereinzeltes Murmeln war die Antwort. Kurenai seufzte genervt auf. Ein schlechtes Zeichen, wie die meisten Mädchen wussten. Kurenai war wirklich nett, fair und all das. Aber wenn sie einmal schlechter Laune war, gab es kein Entrinnen mehr. Für niemanden. Und das Seufzen war die erste Warnung.

„Okay, gehen wir mal die Liste durch“, meinte die Lehrerin und besah sich ein Blatt Papier auf einem Stapel in ihren Armen.

„Abumi, Zaku.“

„…“

„Abumi, Zaku!“

„Da!“, gab Zaku augenrollend Antwort.

Kurenai hob eine Augenbraue. Zweites Anzeichen von Genervtheit.

„Aburame, Shino!“

„Hier.“

„Akimichi, Choji!“

„Hmpf… Hier!“

„Akimichi, was kauen Sie da?“

„Daf ift nur…“

„RAUS damit!“

Choji stürmte davon, um was auch immer schnell aus seinem Mund zu bekommen. Am besten in seinen Magen.

„Guuut“, lächelte Kurenai.

Dieses Lächeln hätten viele wohl anders interpretiert, als die meisten in der Klasse es jetzt taten. Denn es war Warnung Nummer Drei.

„Haruno, Sakura!“

„Anwesend!“

„Hyuga, Hinata!“

„A-anwesend!“

„Hyuga, Neji!“

„Anwesend.“

So ging es weiter, über Kuroda Feng (eigener Chara^^) bis hin zu Tsuchi Kin und schlussendlich Yamanaka Ino, die sich einen Rüffel einhandelte, als sie von Kurenai dabei erwischt wurde, wie sie ihren Lippenstift hinter dem Rücken zu verstecken versuchte. Das rief Warnung Nummer Vier auf den Plan: Zu einem feinen Strich zusammengepresste Lippen.
 

Temari versuchte immer noch das eigentümliche Verhalten ihrer sonst so freundlichen Betreuerin zu verstehen. Sie wurde dabei unterbrochen, als plötzlich die große Flügeltür zur Aula aufgeschoben wurde und vier Gestalten den Versammlungsort betraten.

Kurenais Züge wiesen eine Spur von Erleichterung auf, als sie Shizune erkannte und hinter ihr Haku, Kabuto und Itachi.

„Tut mir Leid, dass es später geworden ist, aber ich musste noch etwas für die Direktorin… äh… erledigen“, entschuldigte sich Shizune. Auch sie trug, wie Kurenai, einige Dokumente unter ihrem Arm. „Haben wir viel verpasst?“

„Wir fangen gerade erst an“, erwiderte Kurenai.
 

„In diesem Musical werden Sie alles organisieren! Die Musik, das Schauspiel, Bühnenbild. Es wird viel Arbeit werden. Wir – also Kurenai, unsere lieben Referendare und ich – werden Sie nur unterstützen, nicht die Arbeit für Sie erledigen. Ist das klar?!“

Gemurmel.

„Na gut“, brummte Shizune. „Ich werde für die Texte bereit stehen, Kurenai für die Musik. Und Itachi, Kabuto und Haku für alles, was sonst noch so anfällt. Und jetzt die große Preisfrage: Welches Stück wollen Sie aufführen?“

Stille.

„Bitte sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie kein Musical kennen! Tayuya?“

Das rüpelhafte Mädchen mit dem roten Haar hatte die Hand gehoben.

„Ich werde NICHT mitspielen!“

Normalerweise wäre das nicht besonders tragisch gewesen. Normalerweise. Aber nicht heute. Nicht, wenn Kurenai schon vier Warnungen vorgebracht hatte.

Die Lehrerin schoss nach vorne, ihre roten Augen blitzten.

„So? Du willst also NICHT mitspielen? Habe ich das richtig verstanden? Tayuya? HAST DU EINE AHNUNG, WAS FÜR EIN STRESS DAS HIER FÜR MICH BEDEUTET? HAST DU DAS? ICH MUSSTE FÜR DIESES TREFFEN MEINE VERABREDUNG SAUSEN LASSEN!!!“

Tayuya war zurückgezuckt und das tat sie nicht oft. Eigentlich nie.

„Ich wollte doch nur…“, murmelte sie, aber Kurenai stieß nur einen markerschütternden Schrei aus und stürmte davon. Mit einem lauten Knall flog die Tür hinter ihr zu.

Und wieder herrschte Stille.

„Äh…nun, wir wollen gar nicht wissen, wer diese Verabredung war“, sagte Shizune nervös. „Was wollten Sie sagen, Tayuya?“

„Ich könnte mich um die Musik kümmern. Orchester und so was. Solange ich bloß nicht schauspielern muss.“ Die Rothaarige hatte sich schnell wieder gefangen.

„Gut.“ Offenbar war Shizune erleichtert, dass es nicht schlimmeres war. „Und welches Stück wollen Sie nun aufführen?“

Stille. Schon wieder.

Shizune seufzte. „Für diesen Fall habe ich noch eine Lösung. ICH werde das Musical auswählen. Ich habe Ihnen auch schon etwas mitgebracht.“

Sie reichte jedem Schüler ein dickes Heft, einige warfen einen ratlosen, gar misstrauischen Blick darauf, andere klappten es sofort auf und überflogen die ersten Zeilen.

„Die Handlung spielt im alten Ägypten“, erzählte Shizune. „Zur Zeit der Pharaonen und dem ganzen Kram. Ägypten hat das nubische Volk versklavt und in ihr Land gebracht. Unter den Sklaven befindet sich auch die nubische Prinzessin Aida, die Hauptrolle in der Geschichte. Sie bleibt allerdings unerkannt und wird vom Soldatenhauptmann und baldigen Pharao Radames seiner Verlobten Amneris geschenkt. Amneris ist die Tochter des Pharaos, der im Sterben liegt und sie liebt Radames. Der verliebt sich allerdings in Aida, für ihn nur eine gewöhnliche Sklavin. Also eine Dreiecksbeziehung allererster Sahne. Romeo und Julia Ägyptens.“

Ein paar der Mädchen seufzten berührt auf.

„Aber Romeo und Julia ist doch eine Tragödie. Es gibt also auch kein Happy End?“, fragte Sakura.

Shizune hob die Augenbrauen. „Nein“, war ihre schlichte Antwort.

Noch mal ein Seufzen.

„Und wer spielt die Hauptrolle?“

Inos Frage ließ das Geseufze abrupt ein Ende finden. Wer würde die Hauptrolle bekommen? Das war schließlich eine große Verantwortung. Viel Text und viel Gesang. Aber vor allem: Keine romantische Tragödie ohne Kussszene. Und da hatten zumindest die Mädchen ihre ganz eigenen Vorstellungen.
 

Temari ließ ihren Blick unauffällig zu Shikamaru schweifen, sah aber sofort wieder weg. Sie hatte sich doch etwas vorgenommen! Sie durfte ihn nur nicht mehr beachten, sie durfte nur keine Gefühle für ihn bekommen. Das konnte nämlich nur schief gehen. Und Temari hatte keine Lust auf ihre eigene persönliche Tragödie. Dieses Musical würde schon ein Trauerspiel an sich werden!

„Ist was?“

Sakuras Stimme riss Temari aus ihren Gedanken. Ihre Freundin sah sie stirnrunzelnd an und versuchte aus Temaris verwirrtem Blick schlau zu werden.

„Was soll denn sein?“, stellte die Blonde die Gegenfrage.

Sakura zuckte mit den Schultern und wandte sich von ihr ab.

Innerlich schlug Temari sich den Kopf gegen eine Wand. Sie durfte nicht so offensichtlich nachgrübeln! Das passte nicht zu ihr, der starken jungen Frau aus der Ferne. Sie durfte sich das Chaos in ihrem Inneren nicht anmerken lassen!

Doch ihre Freundinnen achteten im Moment sowieso eher auf Shizune, oder besser auf Itachi Uchiha, denn diesem hatte die Lehrerin nun das Wort überlassen.

„Wir werden eine Art Casting veranstalten. Jeder spricht und singt für eine der Hauptrollen vor und wir entscheiden dann, wer diese auch bekommt“, erklärte Itachi. Sein Lächeln wurde breiter, als er fortfuhr: „Und jeder von euch wird sein Bestes geben, nicht wahr?“

Es war eher ein Befehl, als eine Frage und sie beinhaltete außerdem den deutlichen Warnruf „Und wehe, wenn nicht!“

Dieser Kerl war wirklich unheimlich.

„Das Casting findet dann in einer Woche statt“, meldete sich nun auch Kabuto zu Wort. „Bitte teilen Sie mir jetzt schon mit, für welche Rolle Sie vorsprechen wollen.“

Und damit ging das große Gemurmel los. Na, vermutlich war es doch schon etwas mehr – besonders etwas lauter –, aber es war zu erwarten gewesen.

„Welche Rolle? Welche Rolle?“

„Und was ist mit…?“

„Denkst du nicht auch, dass…?“

„Bist du dir sicher?“

„Du hast doch keine Ahnung!“

„Ich kann doch gar nicht singen!“

„Ich WILL doch gar nicht singen!“

„Und wen interessiert das?“

„Meine Ohren!“

„Ich MUSS die Hauptrolle bekommen!“

„Ja, aber nur wenn ******* die männliche Hauptrolle bekommt!“

„Und was ist mit mir?“

„Die Blüte der Jungend wird siegen!!!“

„Mann, ist das nervig!“

„Hast du was gesagt?“

„Gibt’s auch was zu futtern?“

„Nudelsuppe???“

„Ja, aber nur für die Hauptrolle!“

„Ich MUSS die Hauptrolle bekommen!“

„Schaffst du doch sowieso nicht, Verlierer!“

„Hey, was hast du….“

„RUUUUUUHHHHEEEEEE!!!!!!“

Es war erstaunlich, wie laut Shizune schreien konnte. Das erinnerte in ziemlich unangenehmer Weise an die Direktorin. Und es hatte so ziemlich dieselbe Wirkung: Aller verstummten augenblicklich.

„Danke!“, sagte die Lehrerin mit bewundernswerter Fassung. „Die Jungen tragen sich bitte bei Herrn Yakuchi ein, die Mädchen bei Herrn Haku (das hört sich doof an -.-°). Sie werden entweder für Radames oder für Aida vorsprechen. Den Rest werden wir Ihnen dann in einer Woche präsentieren.“

Und mit etwas mehr Ordnung wurde die Versammlung für beendet erklärt.
 

Schweigen lag über den fünf Köpfen, die es sich im Wohnzimmer ihres Hauses einigermaßen gemütlich gemacht hatten. Es war nicht so, dass jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Nein, sie dachten alle haargenau dasselbe.

„Ich kann nicht singen“, brach Kiba auf einmal die bedrückende Stille. Die anderen brummelten nur etwas Unverständliches.

„Ich werde auch nicht singen“, sagte Sasuke bestimmt.

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“, meinte Neji spottend. „Wenn Kurenai dich nicht umbringt, dann Shizune. Oder Tsunade.“

Jedem der Anwesenden lief ein Schauer über den Rücken, als er sich an die Wutausbrüche der Direktorin erinnerte.

„Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm“, versuchte Naruto die Stimmung etwas aufzulockern. Ein unverbesserlicher Optimist war er zwar, aber dieses Mal konnte er seinen eigenen Worten nicht trauen. Das schienen auch die anderen zu denken, die ihn mit genervten Blicken durchlöcherten.

„Das Schauspielern ginge ja noch“, murmelte Kiba, mehr zu sich selbst. „Aber das Singen…“

„Singen ist anstrengend“, war Shikamarus Beitrag dazu.

Auch er wurde nun angestarrt, allerdings auf andere Art, als zuvor Naruto.

„Hast du schon mal gesungen?“, fragte Naruto.

„…“

„Echt jetzt?!“

„…“

„Du bist voll unkonservativ!“

„Und du bist nervig!“

Etwas beleidigt lehnte Naruto sich zurück und starrte die Decke an. In der rechten Ecke entdeckte er einen Fleck.

„Ich musste auch mal singen. Bei einem Geburtstag“, brummte Neji.

„Ich hab noch nie gesungen. Aber ich werde auch nicht singen!“, bekräftigte Sasuke sich noch einmal.

„Natürlich!“, sagten die anderen gleichzeitig. Es lebe der Sarkasmus!

Das würde ja ein schönes Theater werden!
 

Ungefähr zur gleichen Zeit wurde auch in einem anderen Haus diskutiert. Allerdings wesentlich heftiger, freudiger und vor allem lauter. Die Mädchen fanden die Idee mit dem Musical auf einmal gar nicht mehr so schlecht!

„Ich glaube nicht, dass ich gut singen kann“, sagte Hinata. „Aber es wird sicher lustig! Bekommt ja trotzdem jeder was zu tun!“

„Ach, Hina“, seufzte Ten Ten und schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. „Du kannst doch nicht über eine Bestrafung froh sein!“

Hinata lachte.

„Ich möchte schon vorsingen“, warf Sakura ein. „Aber ich rechne mir da keine allzu großen Chancen aus. Immerhin macht Ino auch mit!“

„Na und? Du kannst sicher auch schön singen!“

Sakura sah ihre Freundin schräg an und hob eine Augenbraue.

„Ehrlich!“, versuchte Ino ihre Aussage zu unterstützen, konnte sich aber ein Kichern nicht verkneifen.

„Und was ist mit dir, Temari?“, fragte Ten Ten grinsend, um Sakura davon abzuhalten, auf Ino loszugehen.

Temari zögerte mit ihrer Antwort. Sie war sich nicht sicher, ob es nicht ihrer Ehre und ihrem Ruf schaden würde, wenn die anderen die Wahrheit wussten. Aber immerhin waren es ihre Freundinnen!

„In meiner Familie“, begann sie zögerlich, „sind musikalische Talente weit verbreitet. So gut wie jeder kann eigentlich singen.“

„So gut wie jeder?“

„Na ja.“ Jetzt musste Temari doch grinsen. „Kennt ihr Gaara?“

Verblüfft starrten vier Augenpaare sie an.

„Der aus der Zehnten? Mit den roten Haaren und dem Gruselblick?“, fragte Sakura.

„Der begehrteste Junge der Mittelstufe?“ Typisch Ino. So konnte man sich natürlich auch Eselsbrücken bauen.

„Begehrt vielleicht, aber von Mädchen will er nichts wissen. Er ist ein Einzelgänger“, meinte Temari locker.

„Und was ist mit ihm?“

„Er hat eine Singstimme wie Sandpapier.“

„Aha“, kommentierte Hinata trocken. „Und was ist jetzt mit dir?“

„Ich kann schon singen“, meinte Temari. „Aber ein Musical? Das ist doch der totale Schwachsinn!“

„Aber du wirst nicht drum herum kommen“, seufzte Sakura in gespieltem Mitleid. „Ich kenne einige, die dich mit Gewalt zwingen würden, wenn nötig.“

Da hatte sie Recht.
 

Es war fast so, als würde sie ihm aus dem Weg gehen. Ja, es erschien ihm wirklich so, auch wenn sie es schwer hatte, immerhin musste sie neben ihm sitzen. Trotzdem gelang es ihr wirklich gut, das musste Shikamaru zugeben.

Temari sprach nicht mit ihm, sie sah ihn nicht an, nicht einmal kurz und so etwas, wie in der Bibliothek geschah natürlich auch nicht noch einmal. Shikamaru wusste nicht recht, ob er darüber glücklich oder doch enttäuscht sein sollte und so tat er das einzige, was ihm noch einfiel: Er ignorierte sie ebenfalls. Wie du mir, so ich dir.

Trotz aller Komplikationen – dazu gehörten ein unangekündigter Grammatiktest und die Abgabe des Geschichtsaufsatz – gelang es Shikamaru noch, den vermaledeiten Text für das Musical zu lernen. Es war ein komplizierter Part und der gesungene Teil war ein Duett – was bedeutete, dass irgendjemand mit ihm würde singen müssen. Das würde anstrengend werden. Wenn er da nur an so mach verkorkste Musikstunde dachte… Brrrr… Manche Mädchen hatten wirklich eine Reibeisenstimme.

Ob Temari singen konnte? Bestimmt nicht, dafür war sie viel zu sehr sie selbst.

…Jeder irrt sich mal…
 

Eine Woche kann eine lange Zeit sein, wenn man auf etwas wartet. Und Ino wartete sehnsüchtig. Für sie kroch der Zeiger nur so über das Ziffernblatt ihrer Uhr. Aber sie wusste zumindest einen kleinen Trost.

Ich will nicht sehen, was zwischen und steht,

weil ich so nicht leben will.“

„Du singst? Ich wusste doch, dass du eine schöne Stimme hast.“

Ino hatte es sich in einem der Musikzimmer gemütlich gemacht, die um diese Tageszeit – es war schon Nachmittag – normalerweise von keinem Schüler mehr aufgesucht wurden. Aber sie war hier. Und jetzt auch Sai.

„Das Lied ist sehr schön“, meinte Ino, lenkte absichtlich ab.

„Ja“, entgegnete Sai nur.

Sie lächelte ihn keck an. „Willst du mit mir proben?“

Ein leicht zweifelnder Ausdruck trat auf Sais Gesicht.

„Jetzt komm schon! Bitte, Sai!“ Dann zog sie das Ass aus ihrem Ärmel, das sie schon lange hatte ziehen wollen. „Kriegst auch einen Kuss!“

Verlegen wich Sai ihrem Blick aus. Er war doch tatsächlich etwas errötet!

„Sehr schön!“, sagte Ino fröhlich und reichte ihm den Text.

Leise begann Sai, zu singen, von der Stelle, an der er Ino zuvor unterbrochen hatte.

Ich will nicht sehen, was zwischen und steht,

weil ich so nicht lieben will…“

Ino war zufrieden.
 

Donnerstag. Endlich. Vor nervöser Anspannung hielt Hinata es kaum noch aus. Sie machte sich keine großen Hoffnungen auf eine große Rolle, aber aufgeregt durfte sie schließlich trotzdem sein.

Sie stand neben Sakura und Ino vor der Aula und beobachtete ihre Klassenkameraden. Einige murmelten noch einmal ihren Text vor sich hin, andere gammelten einfach nur in einer Ecke herum und sahen so aus, als würden sie sich keine großen Sorgen machen. Oder sie waren einfach lustlos.

Sakura hing anscheinend ebenfalls nur ihren Gedanken nach, im Gegensatz zu Ino, die mit gewissenhafter Ernsthaftigkeit ihren Text durchlas. Sie war vollkommen ruhig. Hinata wünschte sich, ebenfalls solche Nerven haben zu können, wie Ino.

„Hört bitte zu!“

Kurenais Stimme war zum Glück nicht mehr so angespannt, wie beim letzten Treffen. Anscheinend hatte sie ihr Date nachholen können. Und Hinata hatte so eine Ahnung, wer sie hatte beruhigen können.

„Ihr solltet zwei verschiedene Lieder lernen, wenn ich das richtig sehe.“ Kurenai starrte mit zusammengekniffenen Augen auf Shizunes Aufzeichnungen der letzten Stunde.

„Also, ihr werdet in Paaren singen, ist ja logisch. Wir bitten jeweils zwei von euch herein und ihr singt dann eines der Duetts. Alles Klar?“

Mehr oder weniger nervöses Gemurmel war die Antwort.

„Gut, dann fangen jetzt an… Hinata Hyuga und Naruto Uzumaki.“

Herzstillstand.

Hatte sie sich da gerade verhört? Sie musste sich gerade verhört haben, denn es klang so, als ob… Oh Gott! Oh Gott! Oh Gott!

Vermutlich wäre Hinata noch stundenlang dagestanden und hätte panisch Löcher in die Luft gestarrt. Dann gab ihr von hinten jemand einen Stoß und eine Stimme flüsterte: „Zeig es ihnen, Hina!“

Irgendwann würde Ten Ten dafür büßen müssen.

Hinata ging langsamen Schrittes in die Aula, jemand hielt ihr die Tür auf. Sie wollte schon einfach vorbeigehen, doch…

„Ladys first!“, grinste Naruto sie an.

Herzstillstand… Nein, jetzt nicht!

//Ganz ruhig, Hinata! Es ist nur ein Junge, einer wie jeder andere. Gaaaanz ruhig!//

Sie holte tief Luft und betrat die Halle. Naruto schloss hinter ihnen die Tür.
 

„Und was wollt ihr singen?“, fragte Haku.

Es war immer wieder ein seltsames Gefühl, ihn anzusehen und ihn sprechen zu hören. Konnte ein Junge hübscher sein, als Hinata? (Wer kennt den Satz XD)

Naruto sah in Hakus aufmunternd lächelndes Gesicht. Er saß ganz am linken Ende hinter einer langen Tischreihe. Neben ihm hatte Shizune Platz genommen, dann kam Kurenai, die anscheinend wieder versuchte, irgendein Gekrakel in ihren Unterlagen zu entziffern und

neben ihr saß dann Itachi Uchiha. Naruto fröstelte, als er das eigenartige Lächeln des jungen Mannes sah. So kühl und herablassend. Sasuke konnte das auch. Ganz links saß dann noch Kabuto Yakushi und somit war die Jury komplett.

„Wie wäre es denn mit Durch das Dunkel der Welt?“, schlug Shizune vor.

Naruto warf einen Blick auf Hinata, die aus irgendeinem Grund die Farbe wechselte. War sie vorher noch angstbleich gewesen, so war sie auf einmal scharlachrot. Komisch.

„I-in Ord… In Ordnung“, stotterte Hinata leise und sah kurz zu Naruto hinüber. Er nickte.

„Dann fangt an!“
 

Jeder irrt durch das Dunkel der Welt.

Blind vor Ehrgeiz – stumm vor Schmerz.

Hofft auf Licht, das die Nacht erhellt.

Folgt der Pflicht, verrät das Herz…
 

Wie verzaubert lauschte Hinata Narutos Stimme, die in ihren Ohren wie die eines Engels klang. Vermutlich dachten die anderen nicht so. Aber dafür war sie gerade taub. Sie hörte nur die sanft gekrächzten Worte und sah in Narutos blaue Augen. So blau. So blau, dass sie darin versinken wollte.

Wie wunderschön.

„Hinata!“

Auf einmal erschienen ihr die blauen Seen etwas verzweifelt. Warum denn? Er sollte singen. Warum war es so still? Moment mal… Still?!

„Hinata, dein Einsatz!“, zischelte Naruto ihr zu.

„Oh… ja… ich meine… Entschuldigung… ich…“

„Sing einfach!“, brummte Kabuto, der von der Sache anscheinend ziemlich genervt war. Vermutlich wäre er jetzt lieber bei Orochimaru und würde mit ihm physikalische Gesetze beweisen.

„Na-natürlich!“, flüsterte Hinata. Ihr Gesicht stand in Flammen. Gott, war das peinlich! Und auch noch ausgerechnet vor Naruto!
 

Jeder irrt durch das Dunkel der Welt.

Keiner kann die Wahrheit sehn.

Was muss enden? Und was hält?

Wer lügt wann und wer liebt wen?
 

Es war wunderbar mit ihr zu singen. Ein Duett. Romantisch. Auch wenn singen eigentlich gar nicht zu ihm passte. Aber das war egal, wenn er nur bei ihr sein durfte. Endlich allein.

Na ja. Fast allein.
 

Ich will nicht sehn, was zwischen uns steht,

weil ich so nicht leben will.
 

Was sollte denn bitte schön zwischen ihnen stehen? Da war doch gar nichts! Nur ein kleiner Schritt und er wäre noch näher bei ihr. Nur ein ganz kleiner Schritt…

„Naruto, was tust du da? Das steht so nicht im Drehbuch!“

Etwas entrüstet sah Kurenai ihn an. Wieso denn?

„Naru-Naruto.“

Nahe seinem Ohr hörte er plötzlich leise und nervös geflüstert seinen Namen.

Mit einem Satz war Naruto zurückgesprungen. Er war doch tatsächlich diesen kleinen Schritt auf Hinata zu gegangen!

Sie starrte jetzt mit hochrotem Kopf auf den Fußboden.

„Ich glaube, ihr könnt jetzt gehen“, meinte Itachi.

Das musste er nicht zwei Mal sagen.
 

**********
 

Ihr musstet sooo lange auf ein neues Kapitel warten und jetzt bekommt ihr gleich ein ganz langes. Ist eigentlich nur ein ziemlich langes Zwischenkapitel… War eigentlich nicht so geplant, aber jetzt ist es halt so.

Hab die letzten Tage ziemlich viel an der Handlung der FF herumgebastelt, bin fast mit dem Plot fertig. Deshalb gab’s auch so lange kein Kappi. Na, vielleicht nicht nur deshalb ^^°
 

In diesem Kapitel kam zum erstem Mal auch ein Lied vor, oder zumindest ein Teil eines Liedes. Alles ist aus dem Musical „Aida“. Vielleicht kennt es ja jemand? Die Musik ist wirklich wunderschön und die Story total traurig. Gehört definitiv zu meinen Lieblingsmusicals.
 

Zu Kurenai: Keine Ahnung, was da über mich gekommen ist. Total sinnlos die Szene am Anfang…
 

Dann bis zum nächsten Kappi (kommt vielleicht noch in den Ferien)

LG

inkheartop
 

PS: ICH WÜNSCHE ALLEN FRÖHLICHE WEIHNACHTSFEIERTAGE!!!

Kannst du singen?

Sie hatte einen hochroten Kopf, der einem Feuerwehrauto Konkurrenz gemacht hätte, aber sie lachte. Nicht aus vollem Halse und sie kringelte sich auch nicht auf dem Boden. Aber das wäre auch untypisch für Hinata gewesen. Aber aus unerfindlichen Gründen lachte sie, als sie ihren Freundinnen von dem verpatzten, peinlichen Auftritt erzählte.

Einige Zeit kicherten die anderen Mädels noch mit und beobachteten derweil wie ihre Klassenkameraden nach dem Vorsingen aussahen. Ami Minawa (eigener Chara^^) sah nicht besonders glücklich aus, als sie nach Hinata und Naruto aus der Aula gestürmt kam. Das lag allerdings nicht an ihr, sondern wohl eher an ihrem Partner. Shino war nun einmal kein Sänger und er würde auch nie einer werden. Und die hitzige Ami hatte so wenigstens einen Grund, mal wieder richtig Dampf abzulassen.

Auch die nächsten zwei Paare schienen nicht besonders berauschend gewesen zu sein. Lees Gekrächze war bis nach draußen zu hören gewesen und Mai Nakashima (auch ein OC ^^) rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren, als sie hinter dem grün gekleideten Energiebündel die Aula verließ. Sie murmelte etwas von „…Trommelfell geplatzt…“ und verschwand schnell, ihre beste Freundin Ami an den Fersen.

Und auch die zurückhaltende, aber sehr ehrgeizige Feng (die müsstet ihr schon „kennen“) kam nicht sehr zufrieden aus der Aula. Sie war eine Perfektionistin und das passte nicht zu Choji, der gerne in den Tag hinein lebte und so war ihm das ganze auch relativ egal.

Das nächste Paar allerdings war schon interessanter. Da es weniger Mädchen als Jungen in der Klasse gab, bestand ein Paar aus Kiba und Kankuro. Kiba schien es nicht wirklich geheuer zu sein, mit einem Jungen ein Liebeslied zu singen, aber anscheinend schlug er sich wacker. Kankuro klopfte ihm auf die Schulter, als sie zu den anderen zurückkehrten. Er erschien zufrieden mit sich.

Temari wusste, dass es ihrem Bruder egal war, mit wem er sang. Er konnte singen, sogar ziemlich gut und er tat es zur jeder sich bietenden Gelegenheit – allerdings nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur wenn es unbedingt sein musste, konnte er vor großem Publikum singen. Aber dann gab er, wie bei allem, was er tat, hundert Prozent. Kankuro war, Temaris Meinung nach, für die Bühne geboren worden.

Ihr Bruder grinste noch kurz zu ihr herüber, dann wandte er sich seinen Freunden zu. Und so schlimm war es schließlich auch nicht, mit einem Jungen zu singen.

„Ino Yamanaka und Neji Hyuga“, drang zum wiederholten Mal eine Stimme aus der Aula.

Jetzt wurde es wieder ernst für eine der fünf Freundinnen.
 

„Kannst du überhaupt singen?“, fragte Ino spöttisch anzweifelnd. Neji warf ihr einen kurzen, eiskalten Blick zu, bevor er die Aula als Erster betrat.

Kaum schloss sich die Tür hinter Ino, wurde es ganz still in der Halle. Als würde die massive Tür jegliche Geräusche aus dem Raum fernhalten. Ihr war es nur recht, sie wagte anzuzweifeln, ob sie sich hätte konzentrieren können, wenn von draußen die Stimmen ihrer Mitschüler hereingedrungen wären. So war es besser.

Ino sah Neji kurz von der Seite her an, doch der Junge mit dem langen, schwarzen Haar (das hört sich extrem seltsam an) beachtete sie nicht weiter, sondern hatte seinen Blick auf die Jury vor ihm geheftet.

„Welches Lied wollt ihr singen?“, fragte Itachi und seine Stimme ließ Ino erschaudern. Sie klang einfach verdammt sexy. Geheimnisvoll, emotionslos. Überhaupt nicht kalt, wie andere es behauptet hatten.

Durch das Dunkel der Welt“, meinte Neji prompt.

„Und was ist, wenn ich das nicht singen will?“, entgegnete Ino schnippisch. Was fiel diesem eingebildeten Vogel eigentlich ein? Sie hatte hier schließlich auch noch ein Wörtchen mitzureden!

„Dann musst du dich jetzt eben überwinden.“

Deutlich hörbar schnappte Ino nach Luft. Sie wollte schon etwas auf diesen Kommentar erwidern, doch sie hielt inne und erinnerte sich daran, dass hier immerhin Lehrer im Raum waren.

„Gut“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. Sie warf der Jury noch einen zuckersüßen Unschuldsblick zu, dann begannen sie zu singen.
 

Radames: Jeder irrt durch das Dunkel der Zeit.

Man gewinnt und wird besiegt.

Lernt zu leben mit Lüge und Streit,

wer nicht kämpft, der unterliegt.

Ich verachte, was man mit uns macht,

weil ich so nicht leben will.

Ich verachte, was man mit uns macht,

weil ich so nicht lieben will.

Ich will immer bei dir sein,

von jetzt an niemals mehr allein…
 

Gut, sie musste zugeben, dass Neji singen konnte. Er konnte sogar ganz passabel singen. Ob seine Freunde das wussten? Wohl eher nicht, schließlich war er einer dieser ach-so-tollen Hyugas und bei denen war Singen vermutlich nichts, womit man sich schmücken konnte. Nicht, dass Ino etwas gegen Hinata hätte – die war ja schließlich auch eine Hyuga –, aber vermutlich war sie eine Ausnahme.
 

Radames: Es richtig zu erklären,

gelingt mir sicher nicht.

Doch du wirst mich verstehen.

Schau mir einfach ins Gesicht.
 

Und wie sie ihm ins Gesicht sah!

Ino wollte unbedingt eine Rolle in diesem Stück, einfach nur, um Sai zu beweisen, dass er Recht behalten hatte. Und so würde sie ihn für sich gewinnen, um den kleinen Finger wickeln können. Wenn sie das nicht schon längst getan hatte.

In die nächsten Zeilen legte sie so viel Gefühl, wie ihr nur möglich war.
 

Beide: Jeder irrt durch das Dunkel der Welt.

Keiner kann die Wahrheit sehn.

Was muss enden? Und was hält?

Wer lügt wann? Und wer liebt wen?
 

Das würde Ino auch gerne wissen. In diesem Jahr schienen doch die Gefühle von allen verrückt zu spielen. Ten Ten verkroch sich tagelang, Hinata lachte über ihre eigenen Fehltritte, Sakura steigerte sich immer mehr in ihren Hass hinein und Temari schien auch ziemlich abwesend zu sein. Und was war mit ihr selbst?
 

Aida: Ich will nicht sehn, was zwischen uns steht,

Weil ich so nicht leben will.
 

Neji war erstaunt, wie kraftvoll und stark Inos Stimme war, wenn sie sang. Sie schien ihre ganzen Emotionen in dieses Lied zu legen. Und auch ihr Blick hatte sich beim Singen verändert. Er war weich und verzweifelt, genau wie die Person, die sie in diesem Augenblick darstellte. Verzweifelt verliebt.

Sänger waren Schauspieler und Ino beherrschte beide dieser Künste. Er würde aufpassen müssen, sonst würde er neben ihr untergehen. Und ein Hyuga ging nicht unter!
 

Radames: Ich will nicht sehn, was zwischen uns steht,

Weil ich so nicht lieben will.

Ich trag einen Traum in mir:

Ein neues Leben!
 

Er näherte sich ihr, sah sie dabei so an, wie seine Rolle es verlangte. Und dabei sah er nicht Ino vor sich.
 

Beide: Nur mit dir.
 

Die Stille, die dann folgte, war schon fast ohrenbetäubend laut.

Neji atmete schwer ein und aus, kehrte langsam wieder zurück in die Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, in der Ino vor ihm stand und nicht…

Jemand klatschte. Erst war es nur Kurenai, dann schlossen die anderen sich ihr an.

„Das war wirklich wunderbar!“, rief Shizune und anscheinend musste sie einige Tränen zurückdrängen. „Wunderbar!“

Kurenais rote Augen ruhten auf Neji. „Ich wusste nicht, dass du singen kannst, Neji.“

Tja, das wussten viele nicht und eigentlich war es auch nicht beabsichtigt gewesen, es irgendwen wissen zu lassen. Jetzt war es passiert.

Neji zuckte mit den Schultern, seinen Blick richtete er auf den Boden.

„Vielen Dank für eure Darbietung“, hörte er Kabuto sagen. Seine Tonlage war schneidend, aber nicht ganz so furchteinflößend, wie sonst. Vielleicht ein gutes Zeichen? „Ihr könnt jetzt gehen.“

Neji drehte sich um und lief auf die Tür zu. Hinter ihm rief Ino noch ein hastiges „Danke!“, dann eilte sie hinter ihm her. Kurz vor der Tür passte sie ihn ab.

„Du warst echt gut!“, raunte sie ihm kurz zu. „Dafür, dass du mit deinen Gedanken ganz woanders warst.“

Und schon hatte sie sich an ihm vorbei geschoben.

Einen Moment hatte Neji das Bedürfnis, starr auf einer Stelle stehen zu bleiben und über ihre Worte nachzugrübeln. Aber er wäre nicht Neji Hyuga gewesen, hätte er diesem Drang nachgegeben.
 

„Wie war’s? Wie war’s?“, quietschte Sakura ihr entgegen, als Ino sich grinsend zu ihren Freundinnen gesellte.

„Ganz gut“, meinte sie schlicht, zwinkerte aber vergnügt.

„Soll das heißen, es hat ihnen gefallen?“, rief Ten Ten aus.

Ino lächelte ihr schelmisch zu und hob eine Augenbraue. „Überrascht?“

„Äh… nein! Ich meine… du und…“

„Neji?“, half Ino ihr auf die Sprünge. Ihr Grinsen wurde immer breiter. „Er kann gut singen. Auch, wenn er nicht ganz bei der Sache war.“

Verständnislos sahen die anderen sie an.

„Er hat mich nicht richtig angesehen. Als würde er an etwas anderes denken“, sagte Ino. „Oder jemand anderen“, fügte sie noch leise hinzu. So leise, dass nur Ten Ten sie hören konnte.

Verwirrt sah die sie an, kam jedoch um eine Erwiderung herum, als ihr Name ausgerufen wurde. Sie verzog das Gesicht, als Hinata ihr „Viel Glück!“ wünschte und trottete hinter Zaku, ihrem Partner, in die Aula.
 

Ten Ten hatte kein Glück und Zaku, normalerweise in musikalischen Dingen ziemlich gut, hatte anscheinend einen schlechten Tag erwischt.

Beim nächsten Paar verlief es glimpflicher: Kin kam mit derselben Miene herausstolziert, wie sie auch schon hineingestelzt war. Sie war schon immer voller Selbstvertrauen gewesen und im Gesang war sie ohnehin gut. Auch wenn Dosu sich beschwerte, er wäre nur durch ihren schlechten Gesang aus dem Konzept gebracht worden. Kin meinte daraufhin nur, er würde ihr den Erfolg nicht gönnen – was ja auch der Wahrheit entsprach.

Als das nächste Paar die Aula verließ, wurde Inos Grinsen noch breiter, als es ohnehin schon war – so langsam stand ihr das nicht mehr – und sie rannte auf Sai zu, der sie wieder mit diesem seltsamen Lächeln bedachte.

„Und? Wie ist es gelaufen?“, fragte Ino hibbelig und hüpfte um Sai herum.

Sai lächelte weiter, aber irgendetwas veränderte sich in diesem Lächeln, sie konnte nur nicht sagen, was es war.

„Ich glaube, es war ganz in Ordnung“, meinte er.

Ino beruhigte sich wieder und grinste ihn wieder an. „Dann ist ja gut!“

Ja, es war gut. Er konnte gut sein, sie würde es ihm gönnen – aber Ino musste besser sein. Schließlich musste sie Sai an einen gewissen Punkt bekommen. Einen Punkt, an dem er alles für sie tun würde. Sie musste ihn für sich gewinnen und zwar, ohne dabei selbst den Kopf und den Überblick zu verlieren. Sie musste es schaffen, dass Sai sich in sie verliebte.
 

„Das vorletzte Paar“, schallte es aus der Halle heraus.

Temari zitterte. Jetzt waren nur noch sie selbst, Sasuke, Shikamaru und Lian (auch ein OC) übrig. Sie hoffte inständig, dass nicht das eintreten würde, von dem sie dachte, dass es eintrat. Aber das mit dem Hoffen ist so eine Sache…

„Sasuke Uchiha und Lian Shimizu!“

Stumm beobachtete sie Sasuke, wie er unwillig durch die Flügeltür schritt und die Tür hinter sich so plötzlich zuknallte, dass die arme Lian dagegen knallte und leicht benebelt zu Boden ging, bevor sie sich aufrappeln und Sasuke folgen konnte. Wie gerne hätte Temari doch mit Lian getauscht!

„Er ist so ein großmäuliger Ignorant!“, zischte es plötzlich neben ihr.

Sakura hatte wütend die Augen zusammengekniffen und war nahe dran, sich ein Büschel ihrer Haare auszureißen, so wie sie ihre Hände in ihren Schopf krallte.

Plötzlich stutzte Temari. Sakura. Sie war heute noch nicht in die Aula gerufen worden und sie schien sich darüber auch keine allzu großen Sorgen zu machen. Irgendetwas war hier faul!

„Sag mal, Saku“, meinte Temari unschuldig.

Mit einem „Wie kann er nur so…“ wandte sich Sakura ihrer Freundin zu. „Was ist?“

„Na ja… musst du nicht auch noch singen?“

Sakura grinste so selbstbewusst, dass Temari sehr schnell klar wurde, dass die Haruno nicht singen musste.

„Weißt du, es ist manchmal sehr praktisch, Shizunes Lieblingsschülerin zu sein“, offenbarte Sakura munter.

„Das heißt…?“

„Ich werde Regieassistentin sein und allerhöchstens als Statist mitwirken“, grinste sie. „Das bringt auch euch Vorteile: Niemand wird sich mein Katzengejammer antun müssen.“

Wieder einmal konnte Temari nur darüber staunen, wie gewitzt ihre Freundin doch war. Das konnte ihr niemand so schnell nachmachen.

„Sehr gut!“, meinte jemand hinter ihnen.

Blitzschnell drehte Sakura sich um und genauso flink hatte sich auch ihre Stimmung geändert.

„Sasuke, du arrogantes…“, begann sie.

„Ich weiß, dass ich unwiderstehlich bin“, unterbrach er sie neckend. „Das musst du mir nicht sagen.“

Um Sakura von etwaigen Mordgedanken abzulenken, wechselte Temari schnell das Thema: „Wie ist es bei dir gelaufen?“

Sasuke zuckte mit den Schultern. „Wie soll es schon gelaufen sein?“

Anscheinend hatte er damit genug gesagt, denn er machte auf dem Absatz kehrt und schlurfte davon.

„Das soll heißen, er war ganz gut, aber eben nicht perfekt, so wie er es gerne hätte“, übersetzte Sakura genugtuend. Ihre Laune hatte sich anscheinend wieder etwas gehoben.

Doch Temari beschäftigte etwas anderes: Wenn Sasuke und Lian schon geendet hatten, dann…

„Temari Sabakuno und Shikamaru Nara!“
 

***************
 

Und es ist schon wieder nur ein Zwischenkapitel *seufz*. Na ja, was soll’s. Im nächsten Kapitel wird’s besser.

Trotzdem ist es eigentlich besser geworden, als ich gedacht habe.
 

Das Lied ist das gleiche, wie im letzten Kapitel, aber es ist eine andere Stelle. Im nächsten Kapitel kommt dann ein neues Lied und zwar am Stück! Das ist sicher!
 

Hmmm, mir fällt ausnahmsweise nichts mehr zu dem Kappi ein.

Deshalb: Man liest sich!

LG

Inkheartop
 

PS: Ah, doch noch was (ich find immer was^^)! Wir haben den Oktober erreicht. Auch wenn’s niemanden interessiert^^…

Kontrolle

Kontrolle
 


 

Das Leben war nicht fair. Es schien sie quälen zu wollen, foltern, demütigen. Warum sonst war es so gekommen? Warum sonst? Hatte es denn nichts Besseres zu tun? Hatte sie irgendetwas verbrochen, dass man sie so bestrafte? Dabei war die letzte Woche doch so gut verlaufen.

Sie standen vor der Tür zur Aula und beide warteten darauf, dass der andere den ersten Schritt in die gefährlichen Gefilde wagen würde. Dass der andere vorangehen würde. Sie sahen sich direkt an, zum ersten Mal seit über einer Woche.

„Gehst du vor?“, fragte Shikamaru und konnte sich den genervten Unterton nicht verkneifen. Temaris Blick war eisig und eisige Blicke bedeuteten – insbesondere, wenn sie von Mädchen kamen – nie etwas Gutes. Und immer etwas Anstrengendes.

Zu seiner Überraschung erwiderte sie jedoch in diesem Augenblick nichts, sondern zog einfach die schwere Tür auf und schritt hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei.

Innerlich seufzend ging Shikamaru ihr nach.
 

Es war nicht gut, dass sie mit ihm singen musste. Ausgerechnet mit ihm. Es konnte nicht gut gehen. Hätte sie doch nur mit jemand anderem singen können, wenn sie schon musste. Wenn es schon nötig war. Warum ausgerechnet Shikamaru?

Gelangweilt stellte er sich neben sie, vor die Lehrer und Referendare. Sie wagte nicht, ihn noch einmal anzusehen. Das hatte sie heute schon viel zu häufig getan. Viel zu intensiv. Aber vor ihrem inneren Auge zeichnete sich deutlich sein Gesicht ab. Sie konnte sich denken, wie er jetzt aussah. Verschränkte Arme, träger Blick, eine Augenbraue hochgezogen. Wie immer, wenn ihn etwas absolut anödete.

„Welches Lied wollt ihr singen?“, fragte Shizune und blätterte etwas in ihren Unterlagen durch.

Eine Antwort erhielt sie nicht.

„Was ist jetzt?“, durchbrach Kurenai nach einer Weile des angespannten Schweigens die Stille.

Temari konnte förmlich spüren, wie Shikamaru neben ihr mit den Schultern zuckte. Kurenai war jedenfalls nicht besonders begeistert von seiner Reaktion.

„Temari?“, fragte sie und nun ruhte ihr Blick auf der Blonden. „Welches Lied willst du singen?“

Kurz presste Temari die Lippen aufeinander, bevor sie dann doch antwortete: „Von einem Traum entführt.“ Dieses Lied beschwor vielleicht kein Desaster heraus, es war nicht ganz so romantisch. Aber immer noch romantisch genug.

„Shikamaru?“, fragte nun Shizune. Anscheinend nickte er, denn anschließend meinte sie nur „Gut.“.

„Gebt euer Bestes“, sagte Itachi noch. Und es war unbestreitbar, dass er es merken würde, wenn sie diesem Befehl – denn das war es gewesen – nicht Folge leisteten.

Temari nickte kurz und dann musste sie sich wohl oder übel zu Shikamaru umdrehen. Jetzt war es soweit und kein Weg führte daran vorbei. Zum Umkehren war es ohnehin längst zu spät.

Shikamaru begann.
 

Radames: Weit fort von hier verborg’ne Wunder finden

Und sehn, was kaum ein Auge vorher sah.

In dem Zauber eines Augenblicks verschwinde.

Dem Traum vom Paradies auf einmal nah.
 

Aida: Sprechen Sie jetzt von Nubien?
 

Radames: Auch davon…
 

Sie musste zugeben, dass er singen konnte. Gut, sehr gut sogar. Und sie musste zugeben, dass es ihr gefiel. Sehr sogar.
 

Aida: Wär ich hier nicht gefangen, würd ich reisen –

Zurück dorthin, wo jede Sehnsucht schweigt.

Wo über Palmenhainen Vögel kreisen,

Wo Schönheit sich in wilder Freiheit zeigt.
 

Schönheit. Sie war schön, keine Frage. Schön, starr und eigensinnig. Schön und wild, wie die Freiheit, über die sie sang. Mit einer Stimme, so weich und träumerisch, wie er sie noch nie gehört hatte.
 

Radames: Ich würde dich mitnehmen. Flussaufwärts, weil du dich da auskennst.

Die Welt dort würd der Wirklichkeit nicht gleichen.
 

Er würde sie nicht mitnehmen. In diesem Augenblick, in dem er ihr in die Augen sah, wäre er ihr überallhin gefolgt. Ohne zu Zögern.
 

Aida: Und nichts und niemand sperrte mich dort ein
 

Niemand durfte ihre Gefühle einsperren. Nichts und niemand durfte sie daran hindern, jetzt ihr Leben zu spüren. Aber es gab etwas, das es trotzdem tat. Sie ignorierte es.
 

Radames: Kein Schatten dieser Welt könnt mich erreichen.
 

Kein Schatten durfte auf diesen Augenblick fallen. So einzigartig, wie er war. Er näherte sich ihr, sah das Glänzen in ihren grünen Augen – und noch etwas anderes. Etwas, das er nicht zuordnen konnte. Etwas, das ihm nicht gefiel.
 

Aida: Und in mir würde Mut und Hoffnung sein.
 

Mut und Hoffnung. Wie gern würde sie das wieder spüren in ihrem verkorksten Leben. Doch jetzt spürte sie nur Zweifel.
 

Beide: Doch halt! – Warum sag ich das?
 

Warum sagten sie so etwas? Warum fühlten sie so? Die Antwort war denkbar einfach – und doch so schwer zu verstehen.

Sie hatten den Blick wieder voneinander abgewendet, sie hatte sich umgedreht, musste nun nicht mehr diesen eigenartigen Schein in seinen Augen sehen.
 

Aida: Ihm, der mich gar nicht kennt?
 

Er kannte sie nicht, wusste nichts über sie. Sie konnte nichts für ihn fühlen. Konnte, durfte es nicht.
 

Radames: Ihr, die mir fremd ist und

Von der mich Macht und Würde trennt?
 

Sie war ihm fremd, er kannte sie nicht und sie lebten in verschiedenen Welten. Es trennte sie so viel. Es trennte sie unüberbrückbar.
 

Beide: Wir machten beide eine Reise,

Von einem Traum berührt.

Und seltsam – uns hat dieser Traum

Zum selben Ziel geführt.
 

Dasselbe Ziel, dieselbe Aussicht, derselbe Traum, dieselben Gefühle. Für einen Moment verbunden, schnell wieder getrennt. Zu unsicher war der Weg, der sie führen sollte. Zu schwer.
 

Radames: Ach, Unsinn! Ich werde dich nie zum Segeln mitnehmen, ich werde Ägypten nie mehr verlassen!
 

Aida: Sie reden, als wären Sie versklavt. Sie sind ihr eigener Herr, Sie tragen keine Fesseln. Also erwarten Sie weder Mitleid noch Verständnis von ihrer nichtswürdigen Palastsklavin!
 

Er hatte doch keine Ahnung! Er hatte nicht das erlebt, was sie erlebt hatte! Er würde sie nie verstehen und niemals kennen. Sie empfand nichts für ihn.

Sie ging schnell einige Schritte davon, ihr Part war zu Ende. Jetzt musste nur er noch einmal singen. Sie würde nicht hinhören.
 

Radames: Bleib stehen! Ich befehl dir, hier zu bleiben!

Warum hab ich das gesagt?

Ihr, die mich gar nicht kennt?

Ihr, die mir fremd ist und

Von der mich Macht und Würde trennt?

Wir waren beide für Sekunden

Von einem Traum berührt.

Vergiss es, nur die Fantasie

Hat und zwei verführt.

Uns zwei…

Verführt…
 

Er ließ es ausklingen, dachte noch weiter darüber nach. Es war nichts gewesen. Er hatte sich den Glanz in ihren Augen, so wie das Gefühl in seinem Inneren, nur eingebildet. Es war nur Schauspielerei gewesen. Nichts weiter. Da gab es nichts, was sie verband. Gar nichts.
 

„Ihr habt wirklich euer Bestes gegeben“, sagte Itachi, gerade so laut, dass alle es hören konnten.

Temari drehte sich zu ihm um, vermied dabei, Shikamaru anzusehen.

„Darf ich gehen?“, fragte sie, versuchte, ihre Stimme normal klingen zu lassen, vielleicht etwas genervt.

Als keiner etwas erwiderte, drehte sie sich um und ging davon, so schnell es ihr möglich war. Sie wollte keine Minute länger hier verbringen.

Shikamaru aber blieb, fixierte seine Füße.

„Du kannst auch gehen, Shikamaru“, hörte er Kurenai sagen, mit einem seltsamen Unterton in der Stimme.
 

„Es war ganz gut“, murmelte Temari, noch bevor irgendjemand fragen konnte.

Die Mädchen merkten wohl, dass sie jetzt nicht weiter darüber reden wollte, denn sie gingen nicht darauf ein.

„Wann sie wohl die Besetzung bekannt geben?“, plauderte Hinata in einem lockeren Ton.

„Etwa eine Stunde, schätze ich mal“, meinte Sakura und sah auf ihre Armbanduhr. „Allzu lange dürfte es nicht gehen.“

Temari hörte nicht zu. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, ihr wütend klopfendes Herz zu beruhigen. Dieses Lied hatte ihr nicht gut getan, beinahe hätte sie die Kontrolle verloren. Beinahe. Zum Glück hatte sie sich beherrschen können. Aber sie hatte einfach nicht erwartet, dass Shikamaru… nun ja, dass er singen konnte. Seine Stimme hatte sich vollkommen verändert, hatte sich sacht um die Töne geschlungen und die Aussage des Liedes mit voller Kraft wiedergegeben. Es war, als hätte nicht Shikamaru gesungen, sondern eine andere, gefühlvolle Person, die gerade dabei war, sich zu verlieben (voll OOC also^^). Diese fremde Person hatte sie mitgerissen, diesen anderen Shikamaru. Aber sie hatte sich befreien können, aus dem Griff seiner verzaubernden Stimme. Aber hätte sie das auch getan, hätten sie ein anderes Lied gesungen? Eines, das nicht so endete, wie dieses?

Am besten gar nicht erst darüber nachdenken!
 

Eine Stunde vergeht furchtbar schnell, wenn man eigentlich nicht will, dass sie vergeht. Zumindest wollte Temari es nicht.

„Also, wir haben uns über Ihre Auftritte ausgiebig beraten und können nun die Besetzung vorstellen“, erklärte Shizune.

Temari wurde nervös. Sie ahnte, dass sie die Lehrer beeindruckt haben musste – und dummerweise hatte Shikamaru das dann wohl auch.

Shizune drückte Itachi ein einzelnes Blatt Papier in die Hand, das der kurz betrachtete und übermäßig – und unnötig – langsam an die Wand hinter sich heftete.

Da zeigte sich wohl mal wieder der Uchiha in ihm. Das fand auch Sakura, wie Temari mit einem kurzen Blick feststellte, denn sie verzog nachdenklich ihr Gesicht, schien wohl die gleichen Gedanken, wie ihre blonde Freundin zu haben. Dieser entging auch nicht das flüchtige Huschen der grünen Augen zum kleinen Bruder des Referendars, der mit unbewegter Miene bei seinen Freunden stand.

Als das Blatt hing, drängten sofort alle darauf zu. Endlich konnte auch Temari einen Blick auf die Liste zu erhaschen.
 

Aida: Temari Sabakuno
 

Radames: Shikamaru Nara
 

Amneris: Ino Yamanaka
 

Mereb: Neji Hyuga
 

Nehebka: Kin Tsuchi
 

Zoser: Kankuro Sabakuno
 

„Mann, wie nervig!“, murmelte Shikamaru, nachdem er einen Blick auf die Liste geworfen hatte. Er ignorierte Neji, der nur mit den Augen rollte – was nicht nur am normalen Verhalten seines Freundes lag – und lehnte sich an irgendeine Wand, nur möglichst weit weg von den anderen. Immerhin waren sie noch nicht entlassen worden.

Sasuke gesellte sich zu ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. Hätte Shikamaru es nicht besser gewusst, er hätte behauptet, Sasuke wäre beleidigt.

„Wenigstens kannst du ein paar Mädels aufreißen“, meinte der Uchiha leichthin.

„Ach ja?“

Seit wann interessierte er – Shikamaru Nara – sich denn für Mädchen? Selbst den eigenartigen Wettbewerb, den sich drei seiner Mitbewohner lieferten, verfolgte er nur mit seinem gewohnt gelangweilten Blick.

Mädchen. Das war für ihn die Definition der Anstrengung, das Ende des geruhsamen Lebens und der Anfang von unnötigen Streitereien. Mädchen. Das sah er zu Hause schließlich bei seinen Eltern. Seine Mutter war ein Drache und sein Vater in ihren Klauen gefangen. Und er tat auch nichts dagegen. Warum tat er sich das an?

„Natürlich“, redete Sasuke weiter. Was war mit dem los, dass er heute so außerordentlich gesprächig war? „Frauen stehen auf Männer, die singen können.“

Das war ja mal was ganz Neues.

„Und was soll ich dann mit den Mädchen machen, nachdem ich sie ‚aufgerissen’ habe, um deine Worte zu benutzen?“, fragte Shikamaru, mehr als gelangweilt. Er stieß sich von der Wand ab und lehnte sich dann seitlich nur mit einer Hand dagegen (versteht ihr, was ich meine?).

Sasuke grinste.

„Na, ins Bett kriegen, natürlich!“

War ja klar gewesen. Wieso fragte er überhaupt noch?

„Da hat er Recht“, stimmte Neji ihm auf einmal zu und stellte sich zu ihnen. „Sing ihnen was vor, sie schmelzen dahin und dir steht nichts mehr im Weg.“

Er grinste kurz, als Shikamaru eine Augenbraue anhob.

„Und das heißt im Klartext?“, hakte er nach.

Seine Freunde warfen sich kurz einen Blick zu – grinsend, das verstand sich von selbst.

„Du könntest die nubische Prinzessin ja wirklich versklaven“, schlug Sasuke vor, bekam dafür aber nur ein „Was?“ von Shikamaru

Neji seufzte und versuchte es etwas verständlicher auszudrücken: „Wickel deine Hauptdarstellerin um den Finger!“

Als Shikamaru immer noch ziemlich fragend drein sah, wurde er ungeduldig. „Mann, wer hat denn jetzt von uns einen IQ von 200? Schnapp dir Temari, du Genie!“

Irgendwie verlief dieses Gespräch ganz und gar nicht mehr nach dem Geschmack des Nara. Das war eigentlich nichts, was er in aller Öffentlichkeit ausdiskutieren wollte. Oder, das er überhaupt ausdiskutieren wollte!

„Ihr meint…“

„Du sollst sie ins Bett bekommen! Exakt!“, rief Sasuke. „Endlich hat er’s geschnallt!“ Er sagte das eindeutig etwas zu laut.

„So ist das also?“

Shikamaru hörte die schneidende Stimme hinter sich, konnte aber nicht wirklich glauben, dass das jetzt tatsächlich geschah. Langsam drehte er sich um.

„So denkst du? Mich ins Bett bekommen? Denkst du, dass Mädchen nur Spielzeuge sind, die man wegwirft, nachdem man genug von ihnen hat?“

So wütend hatte er Temari noch nie erlebt. Und warum kam es ihm so vor, als wären diese Worte nur an ihn gerichtet und nicht an Sasuke und Neji, die ja eigentlich damit angefangen hatten?

„Weißt du was, Nara?“, spuckte sie ihm vor die Füße.

Ja, sie richtete die Worte wirklich nur an ihn.

Shikamaru sah sie immer noch ausdruckslos an, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein Gefühl in seiner Brust breitmachte, das da überhaupt nichts zu suchen hatte. Angst.

In ihren Augen lagen Hass und Wut, aber auch – er stockte, als er es erkannte – Trauer und unendlicher Schmerz.

„Nara“, setzte sie fort. „Du bist echt das Letzte!“

Damit drehte sie sich um und rannte davon. Aber nicht einfach nur zu ihren Freundinnen, nein, sie rannte wirklich weg. Richtung Ausgang.

Ein Teil Shikamarus war starr vor Schreck und Fassungslosigkeit, konnte sich nicht rühren und fragte sich immer wieder das Gleiche: Warum ist das passiert? Warum hat sie das mitbekommen?

Ein anderer Teil in ihm allerdings schrie. Schrie vor Angst, vor Schmerz und immer wieder: Geh ihr nach! Folge ihr!

Doch er hörte die Stimme nicht, oder besser: Er ignorierte sie. Denn die Stille in ihm war noch zu übermächtig.

Dann fiel die Tür hinter Temari zu.

Der laute Knall ließ ihn aufschrecken und – endlich – konnte er den Schrei in sich verstehen – und ihm Folge leisten. Er setzte sich in Bewegung, erst langsam, aber dann wurde er immer schneller, rannte schließlich, schenkte den Blicken seiner Mitschüler keine Beachtung. Es zählte nur noch ein Gedanke: Temari!
 

Es hatte zu regnen begonnen. Die Straße war rutschig, die Sicht schlecht. Aber Shikamaru konnte sie sehen. Eine zierliche Silhouette, durch die Regenschleier nur verschwommen sichtbar. Schon seit Wochen hatte es nicht mehr so stark geregnet.

Er beschleunigte seine Schritte noch etwas, trieb sich an. Es war egal, dass er vollkommen durchnässt war, es war egal, dass er schon Seitenstechen bekam. Alles egal, außer die Gestalt vor ihm, der er sich zum Glück langsam nähern konnte.

Schon lange waren sie nicht mehr auf dem Campus des Internats. Er war ihr gefolgt, durch das eiserne Gittertor und hinaus auf die Straße, die in die Stadt führte. Dort waren sie schließlich auch angelangt, eilten nun durch die Menschen, die ihnen nur verwundert hinterher starrten.

Sollten sie doch starren! Aber konnten sie nicht aus dem Weg gehen? Immer wieder musste Shikamaru Müttern mit Kinderwägen oder alten Omas mit Pudeln ausweichen. Es kostete ihn Zeit. So würde er Temari doch nie einholen!

Er rannte ihr weiter nach, stellte mit Erleichterung fest, dass er ihr wieder ein Stück näher gekommen war. Vergessen war alle Anstrengung, vergessen die Tatsache, dass er diese Aktion eigentlich nerven sollte.

„Temari!“, rief Shikamaru, hoffte, sie würde ihn hören.

Und tatsächlich drehte sie sich um, wurde kurz langsamer, was ihm die Chance gab, noch weiter aufzurücken. Doch selbst aus dieser – mittlerweile nicht mehr allzu großen Entfernung – konnte er ihren Blick sehen. Diese eigenartige Mischung aus Wut und Schmerz, Hass und Trauer. Und dann wandte sie sich wieder von ihm ab, rannte weiter.

Sie kam an der Hauptstraße an, musste warten, weil gerade ein Auto vorbeirauschte. Er kam ihr noch näher. Doch schon war sie auf der anderen Straßenseite. Shikamaru hatte Glück. Die Straße war frei und ungehindert konnte er zu ihr laufen, endlich ihr Handgelenk packen und zu sich herum zerren.

Sie starrte ihn an. Das blonde Haar klebte ihr im Gesicht, nass und strähnig. Er fragte sich, ob sie geweint hatte, konnte es aber nicht genau sagen, noch immer regnete es in Strömen.

„Temari“, keuchte Shikamaru erleichtert und hielt sich die schmerzende Seite. Sie waren wirklich weit gerannt.

Mit wütender Heftigkeit riss Temari sich los, starrte ihn an.

„Temari, ich…“

„Lass mich in Ruhe!“, zischte sie.

„Aber…“

„ICH HABE GESAGT, DU SOLLST MICH IN RUHE LASSEN!!!“, schrie sie, so laut, dass die ganze Straße es hören musste.

„Temari, das vorhin tut mir leid!“ Er konnte selbst nicht glauben, was er da sagte. Normalerweise wäre ihm so etwas nicht so leicht über die Lippen gekommen.

„Es ist nicht meine Schuld, ich…“

Doch wieder ließ sie ihn nicht ausreden.

„Nicht deine Schuld, so? Wessen Schuld war es denn dann?“, fauchte sie.

Es schien fast, als wollte sie sich wieder umdrehen, weiter rennen. Das konnte, das wollte er nicht zulassen. Shikamaru packte sie an den Schultern.

„Temari, hör mir zu! Ich wollte das nicht, ich…“

„Zuhören? Warum sollte ich? Ich habe gedacht, du wärst anders! Aber das bist du nicht! ICH HASSE DICH!“

Bei ihren letzten Worten stieß sie ihn mit einer ungeahnten Kraft von sich, sodass Shikamaru zurückstolperte. Auf die Straße. Er fiel auf den nassen Asphalt und durch den unerwarteten Schwung knallte er mit dem Hinterkopf auf die Erde.

In diesem Moment kam das Auto.
 

**************
 

Schluss. Ende. Aus. Fertig.

Diesmal kein Gelaber.

Hach, bin ich nett ^^
 

Bis zum nächsten Kappi!

inkheartop
 

PS: Vielen, vielen, vielen Dank für die vielen Kommis! 57!!! Ihr spinnt doch (nee, tut ihr nich, hab euch lieb^^)!

Ich werde mir was als Dankeschön überlegen. Das muss schließlich gewürdigt werden!

Freue mich schon auf weitere Kommis, also nicht nachlassen^^. Ihr spornt mich an! ^^

Schuld und Entschuldigung

Schuld und Entschuldigung
 


 


 


 

Alles um ihn herum war weiß. Ein sauberes, aber kaltes Weiß. Es umfasste ihn und blendete in seinen Augen. So grell! Am liebsten hätte er das Weiß abgeschaltet und wäre wieder in die wohlige Schwärze zurückgesunken, die ihn vor wenigen Augenblicken noch bedeckt hatte. Darum schloss er die Augen und beobachtete nur noch die hellen Pünktchen, die hinter seinen Lidern herumflackerten. Aber ganz konnte er die Helligkeit von außerhalb nicht verdrängen, sie war noch immer da.

Leise seufzend schlug er die Augen ein zweites Mal auf und machte sich nun auf die Suche nach dem Grund für das ungewohnte Licht. Erst jetzt machte er sich auch die Mühe, herauszufinden, wo er überhaupt war.

Er lag. In einem Bett, ebenso weiß, wie alles andere um ihn herum. An der Decke hingen zwei Lampen, beide leuchteten. Der Grund allen Übels.

Eigentlich wollte er den Kopf drehen, um zu sehen, was es sonst noch so um ihn herum zu entdecken gab. Eigentlich. Denn, sobald er seinen Kopf drehte, zuckte ein ungeheuerlicher Schmerz durch diesen. Als würde sich jemand mit einer Kreissäge an seiner Schädeldecke zu schaffen machen.

Ein Keuchen entwich seinem Mund, ausgelöst durch den Schmerz, der so schnell verschwand, wie er gekommen war. Irgendetwas stimmte hier, stimmte mit ihm, ganz und gar nicht. Als er es wagte, sich vorsichtig aufzurichten, peinigte ihn nicht nur eine Säge in seinen Kopf, sondern anscheinend auch eine unangenehme Schwere in seinem Arm. Er hob ihn behutsam in sein Blickfeld, wollte nicht riskieren, seinen Kopf zu bewegen. Um seinen Arm war ein dicker Verband gewickelt.

Was zur Hölle war passiert?

Zum ersten Mal seit seinem Erwachen stellte er sich diese Frage. Nur sehr langsam, beharrlich schleichend, zäh triefend, wie Honig, tropften die Erinnerungen in seinen Verstand. Aber wirklich schlauer war er dadurch nicht geworden.

Behutsam sah er sich im Zimmer um. Ein Krankenhaus. Deshalb war es hier so weiß. Aber warum waren die Lampen noch an? Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass es Tag war. Und einigermaßen hell, die Sonne hatte sich hinter einer Wand aus Wolken versteckt. Wenigstens schien es nicht mehr zu regnen, auch wenn alles noch nass glänzte.

Das künstliche Licht wäre also eigentlich nicht nötig gewesen. Das dachte er, bis sein Blick in eine andere Ecke des Zimmers fiel. Zusammengesunken und augenscheinlich schlafend saß dort eine Gestalt. Ein Mädchen.

„Temari?“

Es war erschreckend, wie heiser seine Stimme klang und wie viel unangenehmer der Schmerz in seinem Kopf noch werden konnte, wenn er sprach.

Doch trotz der nicht vorhandenen Lautstärke schien das Mädchen ihn gehört zu haben. Sie zuckte kurz, schüttelte den Kopf und richtete sich dann auf. Da fiel ihr Blick auf ihn.

„SHIKAMARU!“, schrie sie plötzlich auf und ehe er sich versah, war sie ihm auch schon um den Hals gefallen und drückte ihn fast zu Tode. Dazu kamen noch die Qualen, die sein armer Kopf erleiden musste und schon hatte er die herrlichste Mischung äußerst unangenehmer Gefühle.

„Tema- Temari… Du… erdrückst mich!“, krächzte Shikamaru.

Augenblicklich ließ Temari ihn los.

„Tut mir Leid!“, murmelte sie und erstaunt bemerkte Shikamaru, dass sie weinte.

„So schlimm war’s auch nicht“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sie schüttelte heftig den Kopf.

„Nein… ich meine… Es ist alles meine Schuld!“, schluchzte sie und wäre ihm vermutlich noch einmal um den Hals gefallen, wenn er nicht zaghaft gelächelt hätte – auch wenn sein Kopf das nicht gerade nett fand.

„Erzähl mir erst mal, was passiert ist“, forderte Shikamaru sie auf.

„Nachdem ich… nachdem du auf die Straße gestolpert warst, bist du hingefallen und…“ Sie stockte, musste sich anscheinend erst zusammenreißen, bevor sie weiterreden konnte.

„Du bist hingefallen“, murmelte Temari weiter. „Ich dachte, gleich stehst du wieder auf, aber du bist liegen geblieben. Du hattest dir irgendwie den Kopf aufgeschlagen und warst bewusstlos.“

Er nickte – es tat weh. Daher kamen also die Schmerzen.

„Aber dann… Da ist ein Auto gekommen und ich dachte schon, du…“ Wieder machte sie eine Pause. „Aber dann ist jemand vor das Auto gesprungen und der Wagen ist ausgewichen. Irgendjemand hat einen Krankenwagen gerufen und hat dich… eigentlich uns… hierher gebracht.“ Temari war immer leiser geworden, während sie sprach, aber Shikamaru hatte sie trotzdem verstanden.

„Warst du auch verletzt?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich… ich wollte einfach nur… bei dir bleiben.“

Temari erhob sich, sah ihn nicht mehr an. „Ich hole jetzt besser eine Schwester“, sagte sie mit etwas festerer Stimme und ging schon zur Tür.

„Temari!“

Shikamarus Stimme hielt sie noch kurz zurück.

„Ja?“, fragte sie, ohne sich umzudrehen.

„Es war nicht deine Schuld“, sagte er. „Ich war ein Idiot!“

Obwohl er Temaris Gesicht nicht sehen konnte, so konnte er doch spüren, dass sie lächelte.
 

„Alter, du hast uns echt ganz schön Angst gemacht!“, seufzte Neji und ließ sich auf einem Stuhl nieder, den er zuvor an Shikamarus Bett geschoben hatte.

Inzwischen waren seit seinem Erwachen drei Tage vergangen. In dieser Zeit hatte er erfahren, dass er eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Kopf und einige fiese Aufschürfungen am Arm hatte. Eine Woche musste er noch im Krankenhaus bleiben, aber er war sich sicher, dass ihm nicht langweilig werden würde, schließlich kam jeden Tag einer seiner Freunde zu Besuch.

„Kann ich was dafür, dass ihr euch Sorgen macht?“, brummte Shikamaru als Antwort.

„Hey, wenn du schlechte Laune hast, lass sie nicht an mir aus“, sagte Neji, grinste aber dabei.

„Du hast doch keine Ahnung“, entgegnete Shikamaru. „Immerhin war es eure Schuld!“

„Unsere Schuld?“ Jetzt war Neji aber doch etwas verstimmt. „Dieses ‚unsere’ schließt mich ein?“

„Natürlich! Wer hat denn angefangen, so einen Schwachsinn zu labern?“

„Du hättest ihr ja nicht nachrennen müssen!“

Darum geht’s doch grade gar nicht, Neji!“

Verwirrt sah der Hyuga seinen besten Freund an. Es ging nicht um seinen Unfall?

„Hast du sie nicht gesehen?“, seufzte Shikamaru. „Sie war total sauer! Dieser Schwachsinn hat ihr voll zugesetzt.“

Langsam dämmerte es bei Neji, auch wenn er sich noch nicht sicher war, ob er das eben Gehörte so interpretieren sollte, wie er es verstanden hatte.

„Du hast dir… Sorgen um sie gemacht?“, hakte er vorsichtig nach. „Du hattest echt Angst um sie?“

Bevor Shikamaru antworten konnte, wurde die Tür mit Schwung aufgestoßen und Temari polterte lächelnd herein.

„Na, wie geht’s? Tut mir Leid, dass ich etwas…“ Sie stoppte, als sie Neji bemerkte. Ihr Blick wurde ein kleines bisschen finsterer, aber sie wahrte ihr Lächeln.

Neji hob eine Augenbraue ein kleines Stück, als er Shikamaru ansah. Sein Blick wanderte von ihm zu Temari und wieder zurück, aber beide wichen seinem Blick, aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen, aus.

„Ich glaube, ich geh dann mal“, murmelte er und auch seine andere Braue zuckte nach oben, als er sah, wie Shikamaru leicht die Luft ausstieß. Erleichterung? Neji erhob sich und war schon fast an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte.

„Sasuke wollte morgen vorbeikommen. Ist das in Ordnung?“

Man glaubte fast, dass er die Frage nicht an Shikamaru richtete, sondern an die Blonde, die gerade ein paar Blumen in einer Vase zurechtrückte. Shikamaru ließ ihren Blick für einen so kurzen Moment über Temari schweifen, dass man es kaum sah. Und auch die kleine Kopfbewegung, das Nicken des Mädchens war für einen gewöhnlichen Betrachter beinahe unsichtbar.

Aber Neji war kein gewöhnlicher Betrachter.

„Okay“, meinte Shikamaru schließlich, starrte dabei an die Decke, als wären die Lampen plötzlich besonders interessant geworden.

Mit gerunzelter Stirn verließ Neji den Raum.
 

Temari war sich nicht sicher, ob es ihr gefallen würde, Sasuke zu begegnen. Schon in der Schule war es schwer, Abstand von ihm und Neji zu halten. Es erfüllte sie immer noch mit einer unglaublichen Wut, wenn sie an die Worte der Jungen dachte. Worte, die sie dazu veranlasst hatten, etwas zu tun und zu sagen, was sie jetzt bereute.

Sie hatte ihnen noch nicht ganz verziehen.

Es war nicht so, dass Shikamaru gepetzt hatte. Das war nicht seine Art. Eher war es so gewesen, dass die Jungen, kurz nachdem ihr Freund ins Krankenhaus eingeliefert worden war, sich bei ihr entschuldigt hatten. Nun ja, vielleicht nicht wirklich entschuldigt, aber es kam dem schon ziemlich nahe.
 

*Flashback*
 

Mit zitternden Fingern packte Temari ihre Sachen zusammen, versuchte dabei nicht allzu sehr auf den leeren Platz neben ihr zu achten. Sie machte sich auch so schon genug Sorgen, gab sich auch so schon die Schuld. Da nützte es wenig, sich jetzt noch stärker ins Gedächtnis zu rufen, was sie getan hatte. So schon schlimm genug.

Zum Glück war die letzte Stunde nun vorbei, aber Temari hatte sowieso nur die Hälfte von allem mitbekommen, hatte den Unterricht wie in Trance verbracht. Auch den anderen ging es nicht besonders gut, doch die Lehrer achteten auf so etwas nicht. Oder zumindest nur bedingt. Wer erwartete schon von Orochimaru, dass er Mitleid oder so etwas in der Art zeigte?

Allerdings war niemand so geschockt, wie Temari. Sie glaubte, sich noch nie zuvor in ihrem Leben so schlecht gefühlt zu haben. Nicht einmal nach… nach dieser Sache. Es bestand nämlich ein großer Unterschied zwischen Leid zugefügt bekommen und Leid zufügen. Ein Umstand, mit dem Temari sich nicht auseinanderzusetzen wusste.

„Tema, kommst du?“, fragte Hinata leise. Ihre Freundinnen waren sich nicht sicher, wie Temari auf Fragen und dergleichen reagierte, also ließen sie sie zurzeit einfach in Ruhe. Bei Temari konnte man nämlich nie wissen, ob sie jetzt wutschnaubend herumspringen oder sich auf dem Boden kringeln würde vor Lachen. Obwohl letzteres in der jetzigen Situation eher unwahrscheinlich war. Aber trotzdem war sie noch immer unberechenbar.

„Geht schon mal vor“, murmelte Temari, sah dabei nur auf die Hefte, die sie noch einzupacken hatte und nicht in Hinatas besorgtes Gesicht. Sie hasste Mitleid. Sie hasste Besorgnis. Mit ihr war alles in Ordnung, sie würde sich schon melden, wenn es nicht so war.

Mit fahrigen Bewegungen räumte sie auch ihr restliches Zeug zusammen.

//Mach dir doch nichts vor, Temari!//, schalt sie sich dann. //Gar nicht ist in Ordnung!//

Aber das konnte sie nicht laut zugeben. Das würde bedeuten, dass sie schwach war. Dass sie mit ihren Problemen nicht allein klar kam.

Langsam und auf sich selbst wütend, erhob sich Temari.

Sie musste allein damit klar kommen! Mit der Angst, der Sorge, der Schuld, die auf ihren Schultern lastete. Niemand würde sie ihr abnehmen können. Es war ihre Schuld. Alles, was geschehen war.

„Temari?“

Sie zuckte zusammen, war zu versunken in ihre Gedanken gewesen, als dass sie die Person, die hereingekommen war, bemerkt hätte.

„Was ist, Naruto?“, fragte Temari, versuchte ihren üblichen Tonfall zu wahren. Es gelang ihr nur spärlich.

„Na ja, es gibt da zwei Leute…“ Naruto sah sich um, rollte genervt mit den Augen und seufzte laut. „Warte kurz!“

Er ließ die verdutzte Temari zurück und verschwand aus dem Zimmer. Sie hörte, wie auf dem Gang leise zischend diskutiert wurde. Dann kam Naruto auch schon wieder, im Schlepptau hatte er zwei ziemlich verstimmt aussehende Jungen. Sasuke und Neji. Aber auch Naruto selbst schien nicht der gleiche verrückt fröhliche Idiot zu sein, wie sonst. Tatsächlich hatte er die Arme wütend vor der Brust verschränkt und seine entschlossen funkelnden Augen zeugten ebenfalls von einer nicht gerade himmlischen Laune.

„Also, diese zwei Vollidioten hier“, begann Naruto von neuem und warf seinen Freunden einen wütenden Blick zu, „haben dir etwas zu sagen!“

Temari hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Sie hatten ihr etwas zu sagen? Was denn? Allerdings machten weder Neji, noch Sasuke Anstalten, den Mund aufzumachen. Sie sahen demonstrativ in eine andere Richtung und schienen auch Narutos Blicke zu ignorieren, die sie förmlich zu durchbohren schienen.

„Sasuke!“, zischte Naruto seinem Freund zu. „Neji!“

Immer noch undurchdringliches Schweigen.

Entschuldigend sah Naruto Temari an. „Gut, dann sag ich es eben!“

Temari meinte, Sasuke kurz zusammenzucken zu sehen.

„Also! Sie sind totale Vollidioten und sie würden alles tun, um sich zu entschuldigen. Es tut ihnen sooo furchtbar leid! Alles, was sie getan oder gesagt haben, bereuen sie zutiefst und hoffen, du hast eine angemessene Strafe für sie, schließlich…“

„Jajaja! Schon gut, Naruto!“, stöhnte Neji, der sich anscheinend hatte aufraffen können. Vermutlich hatte er aber auch nur vermeiden wollen, dass Naruto noch mehr Schwachsinn laberte und ihn so völlig bloßstellte.

Der grinste zufrieden, runzelte aber bei Sasukes abgewandtem Blick immer noch die Stirn.

„Sasuke“, knurrte nun auch Neji und rammte ihm den Ellbogen in die Seite.

„Wir wollten nur sagen, dass Shikamaru nichts dafür konnte, was wir da gesagt haben“, meinte Neji schließlich und warf Sasuke noch einen bösen Blick zu.

Ein lautes Räuspern von Seiten Narutos veranlasste den Uchiha zu einem genervten Augenverdrehen, bevor auch er sich schließlich Temari zuwandte. Allerdings sah er sie dabei immer noch nicht direkt an.

„Gut!“, knirschte Sasuke.

„Sie wollten dir also mitteilen…“, grinste Naruto, nun vollauf zufrieden mit der Situation.

Neji und Sasuke seufzte, dann leierten sie gleichzeitig einen, wohl auswendig gelernten Spruch herunter: „Wir sind frauenverachtende Trottel ohne jeglichen Respekt und es tut uns wirklich Leid. Es war weder Shikamarus, noch deine Schuld, sondern alles unsere und wir hoffen inständig, dass du uns verzeihst.“

Genervt wandte Sasuke sich Naruto zu: „Zufrieden?“

Naruto grinste ihn noch einmal an, bevor er nickte. „Passt schon!“

Das war anscheinend das Stichwort für Neji und Sasuke, sich schleunigst vom Acker zu machen. Temari sah ihnen perplex hinterher.

„Nächstes Mal meinen sie es auch ernst“, sagte Naruto, der immer noch vor ihr stand. „Aber es war ein Anfang.“

Temari, immer noch etwas überrumpelt, wandte sich wieder Naruto zu. „Shikamaru hatte also nichts mit diesen… Sprüchen zu tun?“

Naruto schüttelte den Kopf.

„Man kann über ihn sagen, was man will, aber so etwas würde er nie sagen! Das ist alles auf deren Mist gewachsen!“, sagte er und deutete über die Schulter auf die Tür, durch die seine Kumpels gerade abgedampft waren. „Es war also nicht Shikas Schuld!“

In Temari machte sich ein unangenehmes, aufdringliches Gefühl breit. Es nahm sie vollkommen ein und ziepte so schmerzhaft in ihrem Magen, dass ihr schlecht wurde.

Shikamaru hatte nichts damit zu tun!

Naruto schien zu erahnen, was in ihr vorging.

„Und deine Schuld war es auch nicht!“, sagte er ernst. „Es war einfach eine… Verkettung unglücklicher Umstände.“

Temari nickte, aber das Stechen wurde kaum besser.

„Mach dir nicht so viele Sorgen!“, versuchte Naruto noch einmal, sie aufzumuntern. Er setzte sich auf eine Tischkante und lächelte. Es war nicht sein typisches, breites Grinsen, sondern einfach nur ein ernstes Lächeln.

„Es war einfach nur…“, versuchte Temari sich zu rechtfertigen, doch Naruto schüttelte den Kopf.

„Ich will nicht wissen, was genau passiert ist oder warum es passiert ist. Erklär es nicht mir“, meinte er.

Erklär es Shikamaru.

Naruto sprach es nicht aus, aber Temari wusste, was er sagen wollte. Beim Gedanken an Shikamaru zog sich noch einmal alles in ihr zusammen. Sie wusste, dass es nicht nötig war, aber sie fühlte sich trotzdem schuldig.

„Warum tust du das?“, fragte sie plötzlich.

„Ich hab nicht genau mitgekriegt, was gestern geschehen ist. Aber Neji und Sasuke haben darüber geredet und… Sie wussten genau, dass sie da was Bescheuertes gesagt haben, aber freiwillig hätten sie das nie zugegeben. Und das war ja nicht mit anzusehen, wie du rumgehängt bist. Wie ein begossener Pudel!“, grinste Naruto wieder.

Unsicher grinste Temari zurück.

„Du musst nicht immer stark sein“, meinte Naruto auf einmal leise, aber sehr ernst. „Es ist nicht schlimm, hinzufallen. Du musst nur die Kraft haben, danach wieder aufzustehen.“

Es war eigenartig, solch weise Worte aus Narutos Mund zu hören. Es zeigte eine ganz andere Seite an ihm. Eine ernste Seite, die schon viel erlebt hatte. Viel Schlimmes. Die aber auch immer wieder das Gute gesehen hatte.

Temari lächelte. Leicht nur, aber ehrlich. Sie würde noch eine Weile brauchen, um Narutos Worte zu verinnerlichen, aber sie konnten ihr auch jetzt schon etwas helfen. Sie zeigten ihr, dass sie nicht allein war.

„Danke, Naruto!“

Er grinste wieder.

„Kein Problem!“, sagte er und stieß sich von der Tischplatte ab. Er war schon wieder fast an der Tür, als ihm noch etwas einzufallen schien.

„Ich bin eigentlich auch so ein Vollidiot. Aber ich hoffe, dass ich mich ändern kann.“

Jetzt war es an Temari, zu grinsen. „Ich richte es Hinata aus!“
 

*Flashback Ende*
 

Sie gab sich immer noch in gewisser Weise die Schuld und das war auch der Grund, warum sie Shikamaru jeden Tag im Krankenhaus besuchte. Sie redeten nicht über den Unfall und alles, was damit zusammenhing, aber sie hielt es für eine Art Verpflichtung, jetzt bei ihm zu bleiben. Es war nicht nötig, das wusste Temari, aber es half ihr ungemein.

„Spielen wir wieder Schach?“, fragte Shikamaru scheinbar belanglos, doch aus irgendeinem Grund wusste Temari, dass er damit etwas anderes sagen wollte.

Du hast ihnen noch nicht verziehen.

Und auch sie meinte eigentlich etwas anderes, als sie ihm neckend antwortete.

„Du sollst deinen Kopf doch noch nicht überanstrengen!“

Eigentlich nicht.

Shikamaru hob eine Augenbraue und beobachtete Temari dabei, wie sie das Schachbrett auf einem kleinen Tisch vorbereitete, den sie zuvor an sein Bett geschoben hatte.

„Du hast doch nur Angst wieder zu verlieren!“, spottete Shikamaru und auch, wenn vielleicht ein Funken Wahrheit darin lag, so konnte Temari doch etwas anderes heraushören.

Du gibst dir noch immer selbst die Schuld.

Verärgert spielte Temari ihren ersten Bauern – sie spielte immer mit den weißen Figuren.

„Tu nicht so angeberisch!“, herrschte sie ihn an. „Dieses Mal werde ich dich besiegen!“

Ja, und? Ich hätte nicht so überreagieren dürfen!

Shikamaru seufzte und spielte seine erste Figur.

„Wir haben jetzt schon fünfmal gespielt und du hast jedes Mal verloren. Reicht es dir nicht langsam?“

Ich hab es dir schon mal gesagt: Es war nicht deine Schuld!

Verstimmt sah Temari auf das Schachbrett und schien über ihren nächsten Zug nachzudenken, auch wenn es da noch nicht sonderlich viel nachzudenken gab.

„Du bist wirklich stur!“, brummte Shikamaru und ausnahmsweise musste Temari ihm Recht geben.
 

Neji machte sich in gewisser Hinsicht Sorgen. Nicht darum, dass Shikamaru eine Gehirnerschütterung hatte; das würde der garantiert überleben. Er machte sich eher Gedanken darüber, dass sein bester Freund auf dem besten Weg war, verrückt zu werden. Er machte sich Sorgen um ein Mädchen! Und nicht um irgendein Mädchen. Um Temari!

Den ganzen Weg vom Krankenhaus zurück zum Internat hatte Neji sich schon den Kopf über das – zugegebenermaßen kurze – Gespräch mit Shikamaru zerbrochen. Was ging in dessen überintelligentem Hirn vor, dass er sich Sorgen um Temari machte, wo diese ihn doch vor nicht allzu langer Zeit noch genervt hatte. Und nicht nur das! Er gab ihm, Neji, seinem besten Freund, auch noch die Schuld!

Als er endlich am Internat ankam, war er in seinen Überlegungen kein Stück vorangekommen. Wohl oder übel würde er sich Hilfe suchen müssen. Und diese Hilfe konnte kein anderer sein, als derjenige, der das zweite Opfer von Shikamarus Vorwürfen war: Sasuke.

„Wie geht’s ihm?“, fragte der Uchiha, als Neji in das Wohnzimmer der Wohngemeinschaft kam und sich dort erst einmal neben Sasuke aufs Sofa fallen ließ.

„Er ist verrückt geworden!“, seufzte Neji und erntete dafür einen fragenden Blick Sasukes.

„Sag jetzt nicht, er…“

„Doch!“

Sasuke stöhnte und schmiss frustriert die Fernbedienung, die er gerade noch in den Händen herumgedreht hatte, in einen Sessel.

„Er gibt uns also tatsächlich die Schuld an seinem Unfall?“

Neji schnaubte leicht verächtlich.

„Von wegen! Er gibt uns die Schuld an dem, was wir wegen ihr gesagt haben!“

Blitzartig schoss Sasuke auf und starrte seinen Freund ungläubig an.

„Sah mal, ist das ansteckend?“, fragte er und raufte sich die Haare. „Erst ist Naruto nicht mehr zu gebrauchen und jetzt dreht auch noch Shikamaru durch!“

Neji grinste freudlos.

„Und das schlimmste ist, dass sie Recht haben“, entgegnete er.

Sasuke runzelte die Stirn.

„Sie haben Recht?“

„Na, es war ja wirklich nicht gerade nett, was wir…“

„Natürlich war es nicht nett!“, unterbrach Sasuke ihn. „Wir werden von den meisten Mädchen an dieser Schule sowieso entweder gehasst oder vergöttert, warum dann nicht auch von Sabakuno?“

Aus Richtung der Tür ertönte ein Seufzen.

„Seid ihr so blöd oder tut ihr nur so?“, fragte Naruto genervt und kam näher.

„Was soll denn das schon wieder…“

„Es ist doch so offensichtlich!“ Naruto achtete nicht auf Sasukes Blick, der zeigte bei ihm schon lange keine Wirkung mehr.

„Meinetwegen ist es kein Problem, wenn ihr mit jedem Mädchen dieser Schule in die Kiste steigt. Aber ihr solltet euch einfach aus den Angelegenheiten der anderen raushalten!“

„Das sagst ausgerechnet du?“, knurrte Sasuke gereizt. „Schließlich machst du auch mit!“

Naruto nickte.

„Ja, stimmt“, meinte er schlicht. „Aber ich habe jetzt gesehen, dass das für mich nicht richtig war. Es gibt wichtigeres.“

„So?“, schaltete sich nun auch Neji wieder ein. „Und was hat das jetzt damit zu tun, dass Shikamaru nicht mehr alle beisammen hat?“

„So redest du also über deinen besten Freund?“, war Narutos Gegenfrage. Er sah Neji starr an, der nach einigen Sekunden seinem Blick auswich.

„Ich hab es euch doch schon mal erklärt!“, sagte Naruto eindringlich, als er sah, dass seine Worte zumindest bei dem Hyuga Wirkung zeigten. „Ihr habt Temari verletzt! Vermutlich schlimmer, als es sich irgendjemand von und vorstellen kann. Und Shikamaru… na, ich glaube, das könnt ihr euch selber denken!“

Sasuke und Neji wechselten einen Blick.

„Er denkt nicht wirklich das, was ich denke, das er denkt?“, fragte Neji, als wäre Naruto überhaupt nicht anwesend.

„Doch, ich glaube, genau das denkt er.“

Entgeistert starrten sie Naruto an.

„Ihr könnt euch das wirklich nicht vorstellen, was?“, fragte der, mehr rhetorisch. „Dass man für Mädchen mehr empfinden kann, als…“ Er stockte und schien nachzudenken.

„Neji!“, wandte er sich dann plötzlich an den Hyuga. „Hast du denn noch nie unablässig an ein Mädchen denken müssen? Wolltest dich dann nicht mit ihr auseinandersetzen, ihr am liebsten aus dem Weg gehen?

Und Sasuke! Gab es denn nie auch nur einen kurzen Augenblick, in dem du dir Sorgen um ein Mädchen gemacht hast, möglicherweise sogar Angst um sie hattest?“

Neji fixierte plötzlich den auf stumm geschalteten Fernseher und Sasuke fand einen Fleck auf dem Teppich plötzlich sehr interessant.

Zufrieden betrachtete Naruto sein „Werk“, dann wandte er sich zum Gehen.

„Denkt darüber nach!“, flötete er noch, bevor er seelenruhig die Treppe zu seinem Zimmer hoch stürmte.
 

*****************
 

So, das war Kapitel 17.
 

Da habe ich euch aber ganz schön Wind aus den Segeln genommen, was? Aber nein, hier lebt niemand vorzeitig an… zumindest fürs erste *hähä*.
 

Ich habe extra Naruto in dem Kapitel als „Vermittler“ fungieren lassen, weil er einfach die beste Menschenkenntnis besitzt und vermutlich sowieso längst weiß, das er und seine Freunde sich verändern. Dauert aber noch ne Weile, bis die das selber auch kapieren^^

Aber sie haben Zeit, die FF ist noch laaaange nicht zu Ende!
 

Und ahhhhhhh, Naru ist fast n bissl OOC geworden und Sasuke und Neji so RICHTIG!!! HILFE!
 

Na dann, bis zum nächsten Kapitel!

LG

inkheartop

Finde den Fehler

Finde den Fehler
 


 


 

Unschlüssig stand Sakura vor einem Schaufenster und besah sich die darin angebotenen – und zum Teil völlig überteuerten – Dinge. Es waren hauptsächlich Klamotten, aber als nette Accessoires waren den leblosen Plastikpuppen, die die Kleidungsstücke ausstellten, auch lange Ketten um den schlanken Hals und modische Kappen auf den haarlosen Kopf gesetzt worden.

Im Hintergrund verkündete die Kirchenglocke soeben 15 Uhr und das schallende Geräusch ließ Sakura aus ihren Gedanken schrecken. Noch einige Augenblicke lang betrachtete sie ein keckes rotes Oberteil, das an den Seiten etwas gerafft und für diese Jahreszeit eigentlich schon zu frisch war, bevor ihr dann wieder der übertriebene Preis ins Auge fiel und sie sich widerwillig vom Objekt ihrer Begierde abwendete. Immerhin hatte sie noch genug anderes zu tun und das wollte sie ursprünglich schon längst erledigt haben. Nämlich schon seit einer Woche.

Sie schlenderte weiter durch die breiten Einkaufsstraßen, die von der Oktobersonne gnädigerweise noch warm beschienen wurden. Gelegentlich warf sie einen flüchtigen Blick in ein Schaufenster oder auf einen der Kleiderständer, die vor den großen Kaufhäusern unter übergroßen Schirmen standen. Aber nirgends entdeckte Sakura etwas, das sie für passend erachtete.

Nach einer weiteren Stunde wurde sie langsam, aber sicher ungeduldig. Sakura war gern shoppen, aber nicht allein! Doch heute musste es sein. Sie war schließlich selbst schuld, wenn sie es die ganze Zeit vor sich her schob, ein Geschenk zu besorgen.

Wieso eigentlich? Wieso hatte sie es die ganze Zeit hinausgezögert?

Sakura seufzte, während sie wieder einmal vor einem Geschäft stehen blieb und ihr verzweifelt verärgertes Gesicht in der Scheibe betrachtete.

Eigentlich konnte sie sich diese ganzen Fragen sparen – sie wusste schließlich längst die Antwort: Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was sie Naruto zu seinem Geburtstag schenken könnte. Und der Chaot wurde heute siebzehn!

Gerade wollte Sakura sich wieder von ihrem Spiegelbild abwenden, als ihr etwas in dem Glas auffiel. Eine Spiegelung, nur klein und verschwommen, aber sie war sich ganz sicher.

Sakura drehte sich so schnell um, dass ihre Haare mit der Bewegung mitschwangen. Im ersten Moment hoffte sie noch, einer optischen Täuschung unterlegen zu sein, doch es war ergebnislos. Auf der anderen Straßenseite schlenderte ein Mädchen mit langem, hellblondem Haar an einigen Läden vorbei. Diese Tatsache allein wäre vermutlich nicht einmal so schlimm gewesen, hätte das Mädchen nicht einen stillen, sanft lächelnden Jungen an ihrer Seite gehabt, der sie gerade auf ein Schaufenster aufmerksam machte. Sakura bemerkte beiläufig, dass es das Geschäft mit dem süßen roten Oberteil war, an dem sie selbst vor knapp einer Stunde schon hängen geblieben war.

„Ich bring sie um!“, knurrte die Rosahaarige, leise zwar, allerdings so aggressiv, dass einige arglose Passanten erschrocken zurückwichen.

Gerade wollte Sakura die Straße mit großen Schritten überqueren, als das blonde Mädchen einen glücklichen Schrei ausstieß, den schwarzhaarigen Jungen überschwänglich umarmte und ihm dann einen Kuss auf die Wange drückte.

Wie erstarrt war Sakura stehen geblieben, was nicht gerade günstig für sie war, wenn man bedachte, dass sie schon halbwegs auf der Straße stand.

„Pass doch auf!“, zischte eine Stimme an ihrem Ohr und jemand zerrte sie am Arm zurück auf den Bürgersteig (des heißt Trottoir!!! *badisch isch* ^^).

Erst jetzt bemerkte Sakura das Auto und besonders den wütenden Fahrer, der wieder und wieder auf die Hupe drückte. Wie hatte sie das nur überhören können?

„Du bist echt schlimmer als Naruto!“, seufzte Sakuras Retter, den sie ebenfalls auch jetzt erst zur Kenntnis nahm.

„Naruto!“, rief Sakura erschreckt und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Keine Sorgen. Die Party beginnt erst in vier Stunden!“

„Ich soll mir keine Sorgen machen?“, keifte Sakura zurück. „Wenn ich nicht in zwei Stunden wieder im Internat bin, werde ich niemals rechtzeitig fertig sein!“

Ungläubig starrte Sasuke sie an. „Du brauchst zwei Stunden?!“

Genervt verzog Sakura ihr Gesicht.

„Was denkst du denn, Uchiha? Dass diese Frisur schon beim Aufstehen bestand hat? Männer!“, schnaubte sie verächtlich und wollte schon weitergehen, als ihr noch etwas einfiel. „Was machst du eigentlich hier?“

„Außer dir das Leben retten, meinst du?“, grinste Sasuke.

Sakura verdrehte die Augen, ließ sich aber vom Thema nicht ablenken, sondern sah Sasuke schließlich starr an, bis dieser ebenfalls mit den Augen rollte und etwas von „Geburtstag“ und „Geschenk“ grummelte.

„Dann können wir das ja zusammen machen!“, meinte Sakura überraschend, packte Sasuke am Arm und zerrte ihn mit sich.
 

„Haruno!“, stöhnte Sasuke und setzte sich erschöpft auf eine Bank.

„Ach, komm schon, Uchiha! Ich hätte gedacht, du hältst länger durch!“, entgegnete Sakura.

„Haru-… Sakura! Bitte!“

Zu beider Überraschung hielt Sakura, die gerade in ein Geschäft einmarschieren wollte, mitten in der Bewegung inne und kam zu Sasuke zurück.

„Wie hast du mich genannt?“, fragte sie perplex.

„Ich hab dich Haruno genannt, Haruno“, meinte Sasuke grimmig.

„Hast du nicht!“, grinste Sakura, ging aber nicht weiter darauf ein.

„Ich bin wirklich fertig!“, seufzte Sasuke. „Ich bin jetzt mit dir eine Stunde lang durch die halbe Stadt gehetzt, habe dabei etliche Schuh- und Klamottenläden von innen gesehen, obwohl ich mir sicher bin, dass Naruto sich keine Keilabsatzschuhe zum Geburtstag wünscht!“

Sakura grinste, zumindest dachte Sasuke sich das, denn eigentlich sah es mehr wie ein… Lächeln aus.

„Okay okay! Aber ich bin einfach etwas… frustriert“, erklärte Sakura und ließ sich neben ihm auf der Bank nieder.

„Wegen Ino?“

„Wegen wem denn sonst?“, kam die bissige Antwort, aber schon bereute sie es und fügte mit gemäßigter Tonlage hinzu: „Ich wollte das Geschenk eigentlich mit ihr kaufen gehen. Ino kann so was echt gut – passende Sachen aussuchen und so. Aber sie hatte ihr Geschenk schon und deshalb ist sie nicht mit. Sie hat gemeint, sie müsse noch lernen.“

„Und das hast du ihr abgekauft?“, grinste Sasuke.

„Hey!“, gab Sakura mit warnendem Blick zurück. „Ino ist schlau! Sie hat nur meistens keine Lust, irgendetwas zu tun, was ihr im Nachhinein nichts bringt. Aber wenn sie sich wirklich etwas vorgenommen hat, dann erreicht sie das auch!“

„Und jetzt bist du sauer, weil…?“, hakte Sasuke nach.

„Na, weil sie mich angelogen hat! Von wegen Lernen! Statt mir zu helfen, trifft sie sich einfach mit… mit Sai!“

„Und was ist daran jetzt so tragisch?“

Sasuke verstand dieses Mädchen einfach nicht. Warum machte sie so viel Lärm um nichts? Es gab schließlich noch wichtigere Dinge im Leben… Hatte er das jetzt gerade wirklich gedacht? Dass es im Leben wichtigere Dinge gab, als Beziehungen – auch wenn man dieses Wort wohl nicht mit Sasuke Uchiha in Verbindung bringen würde. Affäre würde es besser treffen.

Wenn er das wirklich gedacht hatte, dann… er hörte sich schon an wie Naruto!

„Er ist überhaupt nicht ihr Typ!“, unterbrach Sakuras aufgewühlte Stimme seine Gedanken. „Er ist ein Zweite-Klasse-Typ.“

„Hä?“, war das geistreichste, was Sasuke dazu einfiel.

Sakura rollte über so viel Unwissenheit mit den Augen.

„Na“, begann sie lehrerhaft, „es gibt drei Arten von Internatsschülern: Der Erste-Klasse-Typ hat Eltern mit massig Geld und kann hier in Saus und Braus leben. Der Luxus-Typ eben!“

Sasuke starrte sie entgeistert an. Über so was machten die Mädchen sich Gedanken?

„Dann gibt es auch noch den Zweite-Klasse-Typ. Ein Normalo oder sogar ein Minderbemittelter, was das Geld betrifft. Der ist entweder hochintelligent oder musste und muss richtig dafür ackern, dass er auf der Schule sein kann. Der Stipendiat. Zu dieser Kategorie gehört Sai. Wenig, beziehungsweise kein Geld. Das passt einfach nicht zu Ino, sie braucht Kerle, die ihr etwas bieten können, die ihr das Wasser reichen können, schließlich ist sie Erste Klasse und…“

„Was ist mit dem dritten Typ?“, unterbrach Sasuke sie plötzlich leise.

„Was?“

„Du hast gesagt, es gibt drei Arten von Internatsschülern. Was ist mit der dritten Art?“ Natürlich kannte Sasuke die dritte Art. Den dritten Typen. Schließlich gehörte er eigentlich selbst dazu.

„Der… Der dritte Typ“, murmelte Sakura, dann wurde ihre Stimme auf einmal wieder etwas fester. „Der Dritte-Klasse-Typ. Ein Verstoßener. Ein Kind ohne Eltern. Eine Waise. Nur auf dem Internat, weil dazu auch ein Waisenhaus gehört. Dritte Klasse eben. So wie…“

„So wie ich. Und du. Und…“

„Naruto“, vervollständigte Sakura den Satz leise. Plötzlich riss sie ihre Augen auf und schoss in die Höhe.

„Verdammt! Das hatten wir ja ganz vergessen! Das Geschenk!“, schrie sie und ignorierte die Passanten, die sie verwundert anstarrten.

Sasuke sah auf seine Uhr und seufzte.

„Wir haben doch noch zweieinhalb Stunden“, versuchte er Sakura zu beruhigen, doch dieser Schuss ging nach hinten los.

„WAS???“, kreischte die Rosahaarige auf. „In einer halben Stunde muss ich zu Hause sein. Ino bringt mich um, wenn ich zu spät komme!“

„Vorhin wolltest du sie noch umbringen“, murmelte Sasuke, aber Sakura war schon losgestürmt.

Gelassen schlenderte er ihr nach, sah immer ihren rosa Haarschopf vor ihm aufblitzen und musste unwillkürlich lächeln. Er achtete nicht auf die Geschäfte rings herum, sondern beobachtete nur die Menschen, die eilig um ihn herumhetzten, bepackt mit Einkaufstüten und großen Taschen. Hin und wieder ein kleines Kind, das bei seinen Eltern um ein Eis bettelte oder eine Meute Jugendlicher, die herumalbernd zum nächsten Kino marschierten. Und manchmal auch ein Pärchen, das glücklich händchenhaltend herumspazierte.

Auf der einen Seite war Sasuke neidisch auf sie. Wie konnte man nur so glücklich sein? Manchmal hätte er auch gerne ein wenig von diesem besonderen Glück abbekommen, aber dann dachte er sich wieder, dass es doch so auch ganz gut lief, wie es gerade war.

Gerade gingen wieder ein Mädchen und ein Junge Arm in Arm an ihm vorbei. Sie waren ungefähr in seinem Alter. Das Mädchen rammte dem Jungen spielerisch leicht den Ellbogen in die Seite und rannte dann kichernd davon. Der Junge lief hinterher, fing sie ein und gab ihr einen Kuss. Einfach so. Weil er glücklich war.

Sasuke sah ihnen noch eine Weile nach, dann wandte er sich kopfschüttelnd ab und suchte wieder Sakura in der Menge vor ihm. Es war nicht schwer, sie auszumachen – wer hatte denn sonst noch knallig rosa Haar?

Erstaunlicherweise hüpfte sie jedoch nicht mehr von Schaufenster zu Schaufenster, sondern war vor einem stehen geblieben. Als Sasuke näher kam, drehte sie sich zu ihm um und strahlte ihm entgegen. Und Sasuke musste zugeben, dass ihm dieses Strahlen gefiel. Sie sah hübsch aus.

„Ich hab was gefunden!“, sagte Sakura fröhlich und deutete auf etwas hinter der Scheibe.

Sasuke trat näher heran. Er sah sofort, was Sakura meinte.
 

Immer wieder drehte Ino sich vor dem Spiegel hin und her, hielt sich ein Kleid an, ein Top, steckte sich ihr Haar hoch oder ließ es glatt über ihren Rücken fallen.

Von Zeit zu Zeit fand ihr aufmerksamer Blick die Uhr und nach einer Weile fing sie an, die Stirn zu runzeln.

Viertel nach sechs. Sakura hätte schon längst da sein müssen. Sie wollten sich doch gegenseitig Ratschläge erteilen, die Accessoires aussuchen – die Kleinigkeiten eben, die ein gelungenes Outfit ausmachten. Das hatten sie bis jetzt immer so gemacht. Jedes Jahr zu Narutos Party und auch zu den ganzen anderen Feiern im Jahr. Denn es machte Spaß. Spaß, sich die unmöglichsten Kleidungsstücke überzustreifen und viel zu viel Schmuck dranzuhängen. Bis sie dann endlich ernst wurden und sie mit der richtigen Auswahl begannen, brauchte es immer seine Zeit. Die würden sie dieses Mal anscheinend nicht haben.

Leicht gereizt warf Ino eine schwarze Jeans auf den schon beachtlich gewachsenen Berg auf ihrem Bett. Dummerweise hatte sie nicht richtig gezielt und die Hose rutschte langsam zu Boden, wo sie auf eine Tüte fiel, die knisternd unter der neuen Last zusammenbrach. Es war keine dieser billigen Plastiktüten, wie man sie überall bekommen konnte. Es war eine Papiertüte mit Kordel als Träger und einem gestärkten Boden. Missmutig betrachtete Ino die Ecke der Tüte, die noch unter dem schwarzen Stoff hervorlugte.

Es hatte nicht lange gebraucht, bis Ino etwas Passendes gefunden hatte. Sie war sich so sicher gewesen, dass es Sakura gefallen würde, doch inzwischen… inzwischen war es schon halb sieben und ihre beste Freundin war immer noch nicht aufgekreuzt.

Unwillig hob Ino die Jeans vom Boden auf, betrachtete sie dann noch einmal kurz, bevor sie sie wirklich aufs Bett schmiss. Dann schnappte sie sich die Tüte und holte das einzige Kleidungsstück heraus, das darin lag. Seufzend betrachtete sie es und hielt es sich kurz an. Ihr selbst würde es wohl nicht stehen, sie war zu blass für diese Farbe. Außerdem hatte sie sich für diesen Abend etwas anderes überlegt.

Ino legte das Oberteil zur Seite und öffnete zum wiederholten Mal ihren Schrank. In dem Moment, als sie in dessen Untiefen verschwand, ging auch die Zimmertür auf.

„Hey, Ino, da bin ich! Du glaubst nicht, was…“ Sakura stockte.

Ino drehte sich zu ihr um und sah, wie ihre beste Freundin erstarrt in ihrem Zimmer herumstand.

„Auch hallo!“, begrüßte Ino sie und folgte dann mit gerunzelter Stirn Sakuras Blick. Er lag auf dem roten Oberteil, das ordentlich zusammengefaltet auf der Kommode seinen Platz gefunden hatte.

„So ist das also!“, zischte Sakura mit einem Mal und als ihre grünen Augen die blauen Inos trafen, konnte diese die Wut darin erkennen. Sakura drehte sich um und ehe Ino sich versah, hatte ihre beste Freundin schon die Tür hinter sich zugeknallt.

Irgendetwas war hier gründlich schief gelaufen.

Ohne weiter nachzudenken, stürmte Ino ihrer Freundin hinterher. Wie nicht anders zu erwarten, hatte sie sich in ihrem Zimmer verkrochen, kniete auf dem Bett und trommelte wie wild geworden auf ihr Kopfkissen ein.

„Äh, Saku? Alles in Ordnung? Was ist denn los?“, fragte Ino unsicher.

Wütend wirbelte Sakura herum; ihre Haare standen nach allen Seiten hin ab. Das war bei Sakura nie ein gutes Zeichen.

„Du fragst noch so blöd?“, schrie sie. „Erst belügst und jetzt betrügst du mich? Und dann fragst du ob alles in Ordnung ist?“

Ino war mit Sakuras Launen vertraut. Frei nach dem Motto Himmel hoch jauchzend – zu Tode betrübt wechselten diese oft so plötzlich wie das Wetter. Und genauso unvorhersehbar. Aber was war dieses Mal los?

„Sakura, ich verstehe wirklich nicht! Du kommst doch zu…“

Sakura ließ einen Schrei los und hämmerte wieder auf ihr Kissen ein. Langsam bekam Ino Mitleid mit dem armen Ding. Das war doch kein Boxsack!

„SAKURA!!!“, rief Ino. Sie hatte nie wirklich viel Geduld und schon gar nicht mit ihrer besten Freundin. Das war doch nicht zum Aushalten!

„Jetzt erzähl erst mal ganz ruhig, was passiert ist“, forderte Ino sie auf, als Sakura keuchend auf ihrem Bett saß und offenbar fürs erste keine Puste für weitere Schreie hatte. Trotzdem war Vorsicht geboten, denn bei Sakura wusste man nie so genau…

„Ich hab dich gesehen!“, knurrte die Haruno plötzlich.

Dieser Satz half Ino aber nicht wirklich weiter.

„Ich sehe dich auch gerade!“, meinte sie trocken.

Sakura warf ihr einen wütenden Blick zu.

„Ich habe dich gesehen!“, wiederholte sie. „Dich und Sai! In der Stadt.“

Langsam begann Ino, zu begreifen.

„Du bist sauer, weil ich dich belogen habe?“, seufzte sie. „Aber glaub mir, es ging nicht anders!“

„So?“, fragte Sakura verächtlich. „Hast dich also schön mit Sai amüsiert und mir währenddessen das Top unter der Nase weggekauft!“

Jetzt sah Ino sich in ihrer Ahnung bestätigt.

„Du wusstest genau, dass ich dieses Top toll fand! Und du schnappst es mir einfach weg!“

„Sakura, hör doch auf!“, meinte Ino. „Das ist kindisch!“

„Ach, ja? Und was war das dann mit Sai? Du bist ihm um den Hals gefallen und hast gequietscht wie ein Quietscheentchen. Überhaupt nicht kindisch!“, sagte Sakura sarkastisch.

So langsam wurde es Ino zu bunt.

„Sakura!“, rief sie genervt. „Das mit Sai hätte ich dir schon noch erzählt. Ja, da ist was. Wir sind so gut wie zusammen, vielleicht klappt es auf der Party.“

So nüchtern, wie Ino das erzählte, konnte da etwas nicht stimmen. Sakura kannte ihre Freundin.

„Du magst ihn?“, fragte sie misstrauisch.

Ino nickte nur.

„Aber du spielst wieder nur mit ihm, oder?“

Wieder ein Nicken.

„Ich will auch meinen Spaß!“, versuchte sich Ino zu rechtfertigen.

Sakura seufzte. Sie wusste, dass Ino eine von den Menschen war, die immer einen Freund brauchten. Etwas, das Sakura nicht verstehen konnte.

„Du lenkst vom Thema ab!“, bemerkte Ino zickig, als ihr Sakuras skeptischer Blick auffiel.

Sofort verdunkelte sich dieser wieder.

„Und wieso konntest du mir das nicht eher sagen?“

„Weil ich nicht mit dir shoppen gehen konnte“, erklärte Ino bereitwillig. „Ich wollte dir nämlich etwas schenken.“

Damit lief sie in ihr Zimmer und kam kurz darauf mit dem roten Top in Händen zurück.

„Tadaa!“, trällerte sie und streckte ihr das Oberteil hin.

Sakura blieb der Mund offen stehen.
 

„Wo ist denn Temari?“, fragte Ten Ten, als sich Hinata zu ihr an den Küchentisch setzte.

„Holt Shikamaru ab“, lächelte Hinata und zwinkerte. „Er kommt heute aus dem Krankenhaus.“

Jetzt grinste auch Ten Ten.

„Und was ist mit Saku und Ino?“

Ten Ten schnaubte.

„Die haben sich vorhin gestritten, das konnte man bis draußen hören!“

Hinata zog besorgt die Augenbrauen zusammen.

„Aber inzwischen dürften sie sich wieder beruhigt haben“, erklärte Ten Ten schnell und warf einen beiläufigen Blick auf die Küchenuhr an der Wand. „Sollten sie auch, wenn sie nicht zu spät kommen wollen.“

Es war viertel vor acht.

In diesem Augenblick kamen Ino und Sakura die Treppe hinuntergestolpert, kichernd und glucksend.

Ten Ten hob eine Augenbraue.

„Ist das Top neu?“, fragte sie und deutete auf Sakuras Oberteil.

Die nickte und drehte sich einmal vor ihren Freundinnen um die eigene Achse.

„Wie sehe ich aus?“, rief sie lachend und warf Ino dabei einen Blick zu.

„Wegen solcher Kleinigkeiten sollten wir uns nie wieder streiten!“, grinste Ino zurück.

„Ihr habt euch wegen dem Top so gezofft?“, fragte Ten Ten verblüfft. „Ihr seid echt nicht mehr zu retten!“

„Genau!“, riefen Sakura und Ino im Chor und fingen wieder an zu kichern.

Hinata fing Ten Tens Blick auf und lächelte. So war das eben bei ihnen.

„Jetzt aber los!“, meinte Ten Ten plötzlich und erhob sich. „Wir sind schon ziemlich spät dran!“

„Partytime!“, kicherte Ino und Ten Ten fragte sich wirklich, was ihre Freundinnen genommen hatten, dass sie heute unter akuten Stimmungsschwankungen litten. Erst rupften sie sich gegenseitig die Haare aus und jetzt warfen sie sich schon wieder diese eigenartigen Blicke zu, die Ten Ten noch nie zu deuten gewusst hatte. Das war doch nicht mehr normal!

Hinata lächelte schulterzuckend in ihre Richtung und Ten Ten seufzte innerlich auf. Dann sah sie zum wiederholten Mal auf die Uhr.

Schon zehn vor acht. Es wurde wirklich Zeit.
 

Das Haus der Jungen war hell erleuchtet und die ganze Klasse, inklusive ein paar der älteren Schüler, war schon da. Nur für diese Party hatten die Mädchen die Erlaubnis bekommen, den Geländeteil der Jungs zu besuchen. Wenn es um Narutos Geburtstag ging, wurde Tsunade eigenartig weich.

„Willkommen im Club der fast Volljährigen!“, rief Sasuke und klopfte seinem besten Freund kräftig auf den Rücken.

Naruto grinste und legte das Geschenk des Uchiha auf einen Stapel zu den anderen. Eigentlich waren ihm diese ganzen Pakete egal. Hauptsache, seine Freunde waren hier, sie konnten gemeinsam feiern und lachen. Hauptsache, seine Freunde waren hier.

„Die Mädchen sind immer noch nicht da“, meinte Neji und warf einen verstohlenen Blick zur Tür, was allerdings nicht gerade leicht war, wenn sich im Eingang noch eine fröhliche Meute Jugendlicher tummelte.

„Kommen doch immer zu spät“, warf Sasuke schulterzuckend ein und wandte sich der Tanzfläche zu.

Ohne Möbel bemerkte man erst, wie groß die Wohnung eigentlich war. Die Jungs hatten die Einrichtungsgegenstände nach draußen verfrachtet und so eine respektable Fläche erhalten. Die einzige Sorge war, dass es zu regnen beginnen und die Möbel nass werden könnten.

Naruto runzelte die Stirn, als er sah, wie Sasuke sich an ein Mädchen aus der Klasse über ihnen ranschmiss. So langsam begann er, sich Sorgen zu machen. Sein bester Freund war heute mit einem äußerst seltsamen Gesichtsausdruck, der so überhaupt nicht zu Sasuke passte, wieder nach Hause gekommen. Und jetzt riss er schon wieder irgendwelche Mädchen auf. Naruto verstand ihn wirklich nicht.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als es wieder mal an der Tür klingelte und Sakura, Ino, Ten Ten und – Narutos Herz machte einen Satz – Hinata von Kiba an der Tür empangen wurde. Sakura hatte das Geburtstagskind sofort entdeckt, stürmte auf ihn zu und riss ihn mit ihrer schwungvollen Umarmung fast von den Füßen. Mit Sakura hatte er sich von allen Mädchen immer am besten verstanden. Vielleicht, weil sie ein bisschen wie er fühlte, ihn besser verstand, als die anderen. Oder doch einfach nur, weil man sich so herrlich mit ihr streiten konnte?

Er nahm Sakuras Geschenk dankend entgegen und legte es zu den anderen. Als er schließlich auch Ino und Ten Ten ihre kleinen Pakete abgenommen hatte, wollte er sich Hinata zuwenden. Doch sie war nicht da.

Suchend schweifte sein Blick durch den Raum, bis er sie schließlich beim Tisch mit den Getränken entdeckte – zusammen mit Kiba, der ihr etwas ins Ohr schrie. Anders konnte man sich hier nicht verständigen, die Musikanlage war schon voll aufgedreht. Trotzdem gefiel es Naruto nicht, wie sein Mitbewohner sich so zu seinem Schwarm hinunterbeugte und Hinata lachte.

Schnell bahnte sich Naruto einen Weg durch die Menschen und war schon fast bei seinem Ziel angelangt, als vom Eingang her plötzlich Jubel ertönte und er sich umdrehte. Ein verlegen grinsender Shikamaru war ins Zimmer gekommen, Temari hinter ihm lächelte, murmelte ihm etwas ins Ohr – Naruto war es ein Rätsel, wie er sie verstehen konnte – und lief die Treppe in den ersten Stock hoch.

„Na, haste das Krankenhaus überlebt?“, hörte Naruto noch jemanden, vermutlich war es Choji, rufen, dann wandte er sich wieder seinem eigentlichen Ziel zu. Doch Hinata und Kiba waren nicht mehr da.

Er seufzte und beschloss, es fürs erste sein zu lassen, schließlich war die Nacht noch lang genug.

Sein neuer Weg führe in zu Shikamaru.

Der hatte sich an die Wand neben der Treppe gelehnt, wo die Musik nicht mehr so laut war und trank irgendein giftgrünes, garantiert nicht alkoholfreies Zeug aus einem Plastikbecher.

„Alles Gute“, wünschte Shikamaru und klopfte Naruto kurz auf die Schulter.

„Danke“, sagte Naruto und betrachtete argwöhnisch das Getränk in Shikamarus Händen. „Was ist das?“

„Keine Ahnung“, entgegnete Shikamaru schulterzuckend. „Schmeckt irgendwie nach Limone. Vermutlich mit Sekt.“

Das ging ja noch.

„Und? Wie war’s im Krankenhaus?“, fragte Naruto.

Gelangweilt verdrehte der Angesprochene die Augen.

„Frag lieber nicht“, murmelte er und trank einen Schluck.

„Was ist mit Temari?“

„Bringt meine Tasche nach oben.“

„Das hab ich nicht gemeint!“

Shikamaru fixierte seine Schuhe. Natürlich wusste er, was Naruto gemeint hatte.

„Sie ist mich jeden Tag besuchen gekommen“, meinte er und sein Blick schweifte plötzlich zur Decke.

Naruto nickte. Das hatte er mitbekommen.

„Sie fühlt sich immer noch schuldig.“

Auch das war Naruto klar gewesen.

Eine Weile herrschte Schweigen und Naruto bemerkte, wie Shikamarus dunkle Augen immer wieder zur Treppe huschten, als befürchtete – oder hoffte? – er, dass Temari gleich herunterkommen würde.

„Danke, dass du mit ihr gesprochen hast“, meinte er plötzlich.

Naruto lag ein „Keine Ursache“ auf der Zunge, aber dann rumpelte es im ersten Stock auf einmal und ein Fluch ertönte.

„Ich glaub, ich schau mal nach“, seufzte Shikamaru genervt und er schlurfte die Treppe hinauf.

Es war gut, dass Shikamaru wieder da war, fand Naruto. Es hatte einfach etwas gefehlt. Das ewige Nörgeln und die verschlafen verstimmten Kommentare beim Frühstück, die sich im Lauf des Tages immer mehr zu geistreichen Auslegungen wandelten, sodass das Genie mit dem IQ von über 200 langsam zum Vorschein trat.

Shikamaru war der Ruhepol des Hauses. Neji war der Alleskönner, Sasuke der Eisklotz, Kiba der Wildfang und Naruto selbst war der Chaot. Ohne Shikamaru ging in dieser WG die Ordnung den Bach runter. Was nicht unbedingt hieß, dass es unordentlich war, aber… der Zusammenhalt fehlte einfach.

Shikamaru war der einzige, der Neji die Stirn bieten und ihn von dem hohen Ross herunterholen konnte, auf das er sich zuweilen setzte.

Shikamaru war er einzige, dem es gelang, das Sasuke und Naruto sich nicht ständig in den Haaren lagen und sich auch wieder zusammenrauften.

Shikamaru war der einzige, der Kiba schlagkräftig genug argumentieren konnte, warum Akamaru nicht am Tisch fressen oder auf dem Sofa liegen sollte.

Shikamaru war der einzige, dem dies alles mühelos gelang. Der einzige, auf den alle hörten. Der einzige, dem das innerhalb von wenigen Minuten und ohne Drohungen gelang. Und der einzige, der sich trotzdem noch darüber beschweren konnte, dass diese Angelegenheit ihm eigentlich viel zu stressig war.

Naruto lächelte, als er daran dachte, wie er Sasuke und Neji dazu gebracht hatte, sich zumindest halbherzig bei Temari zu entschuldigen. Wäre es nicht auch um Shikamaru gegangen, hätten sie es wohl ohnehin ganz bleiben lassen.

Er schielte noch einmal kurz aus dem Augenwinkel die Treppe hoch, dann ging er wieder zum Mittelpunkt der Party zurück.
 

Sie hatten getanzt, gelacht, getrunken, gegessen. Jetzt war es fast zwei Uhr und nach sechs Stunden ging die Feier nun langsam zu Ende. Es war nichts Schlimmeres geschehen, als dass irgendein Idiot die Bowle über das Parkett gekippt und einer der älteren Schüler Nejis Zimmer verwüstet hatte. Er war sich hundertprozentig sicher, dass es Kidomaru gewesen war und das, obwohl dieser gar nicht eingeladen gewesen war.

Es wurde ruhiger und es wurden auch immer weniger. Manche gingen nach Hause oder wurden zumindest dorthin mitgeschleppt, weil immer noch genug Alkoholisches im Haus gewesen war. Genug, um sich zu besaufen.

Und dann gab es die, die sich beim Tanzen näher gekommen und in irgendeinem Zimmer verschwunden waren. Aber irgendwann wurden sie auch von dort vertrieben und verzogen sich nach draußen.

Viele waren jetzt nicht mehr da und die meisten gingen nur widerwillig, als Naruto verkündete, dass Tsunade die Party bis halb drei Uhr beendet sehen wollte. Und Naruto wollte sich daran halten, sonst würde er die Party im nächsten Jahr vergessen können.

Schließlich, als es wirklich halb drei war, befanden sich nur noch elf Personen im Haus.

„Sollen wir noch beim Aufräumen helfen?“, bot Sakura an.

Sai wusste manchmal wirklich nicht, was er von ihr und den anderen Mädchen halten sollte. Im einen Moment stritten sie sich noch mit den Jungen, würden ihnen am liebsten die Köpfe abreißen, im nächsten Moment schon waren sie aber wieder die besten Freunde. Es war schlicht und ergreifend verwirrend.

Naruto schüttelte den Kopf, nachdem er sich einmal im Wohnzimmer umgesehen hatte. So schlimm sah es eigentlich gar nicht aus. Es war schon mal schlimmer gewesen.

„Kriegen wir schon hin“, meinte er.

„Schade, dass es schon vorbei ist“, meinte Temari und setzte sich auf die Lehne des Sofas. „Viel zu kurz! Ich bin noch gar nicht müde!“

„Ist ja auch noch nicht so spät“, entgegnete Shikamaru. „Gestern warst du noch bis…“ Er brach ab, als er die Blicke der anderen bemerkte. Voll von grinsender Neugier.

„So war das nicht gemeint“, brummte Temari.

Das Grinsen wurde nicht weniger.

„Willst du nicht deine Geschenke auspacken, Naru?“, fragte Sakura und deutete auf den Stapel von Paketen in den unterschiedlichsten Farben.

Naruto nahm ein Geschenk, das in dunkelblaues Papier eingewickelt war, auf und drehte es in seinen Händen herum.

„Ist das von dir, Neji?“

Der Hyuga nickte nur.

Es war eine CD.

„Da sind Bilder drauf“, erklärte Neji. „Fotos.“

Mit einem Mal schien die Temperatur im Raum um einige Grad zu fallen. Sai beobachtete, wie die Jungen grinsten, während die Mädchen… verstimmt wirkten. Sie sahen sich kurz an, was Sai als „nicht gut“ einstufte.

„GIB DIESE CD HER!“, rief Ino und Sai wunderte sich, wie laut sie wirklich werden konnte. So kannte er sie nicht. Lächelnd sah Sai dabei zu, wie sich die Mädchen auf Naruto stürzten, allerdings von Sasuke, Neji und Kiba aufgehalten wurden, die sich jeweils eine der wild gewordenen Furien schnappten und… durchkitzelten. Egal, für wie erwachsen er zumindest Neji und Sasuke gehalten hatte, das war einfach kindisch.

Temari, die einzige der Mädchen, die nicht in die Mangel genommen worden war, gelang es, sich die CD unter den Nagel zu reißen.

„Ha!“, stieß sie aus und hielt ihre Errungenschaft triumphierend in die Höhe. Doch sie hatte sich zu früh gefreut, denn Kiba ließ einfach von Ino ab und riss jetzt sie um.

Kichernd stolperte Ino zu Sai hinüber, der etwas abseits an der Wand lehnte und das Schauspiel unbeteiligt beobachtete.

„Was ist mit dieser CD?“, fragte er.

„Ach, nicht!“, meinte Ino und lehnte sich glucksend an ihn. Ihr Blick fiel aus dem Fenster, durch das eine schmale Mondsichel zu sehen war,

„Ich geh mal frische Luft schnappen“, flüsterte sie Sai zu. „Kommst du mit?“

Als Sai lächelnd nickte, nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich.
 

Dafür, dass es Oktober war, war es noch verhältnismäßig warm. Ein kühler Wind strich umher, gerade kalt genug, um die Menschen frösteln zu lassen.

Am Himmel blitzten einige Sterne auf und natürlich der Mond, aber es war leicht bewölkt und deshalb nicht ganz sternenklar.

Sai legte Ino vorsichtig einen Arm um die Schultern und sie drängte sich sofort näher an ihn. Ihm gefiel es sie so nah bei sich zu spüren, auch wenn er irgendwie ahnte, dass etwas falsch war. Irgendetwas an diesem Bild war falsch. Wie sie auf der Treppe zum Eingang des Hauses saßen, sie dicht an ihn gekuschelt. Was kam ihm nur daran so falsch vor?

„Es ist wunderschön!“, murmelte Ino und sah in den Nachthimmel hinauf.

„Aber es sind nicht viele Sterne zu sehen“, warf Sai sachlich ein.

Ino kicherte und stupste ihn spielerisch an

„Doch nicht das! Die Situation!“

Unwillkürlich musste Sai lächeln. Die Situation war schön. Die Situation. Mit ihm. Meinte sie das?

Was konnte daran falsch sein?

„Ja“, flüsterte Sai, ein wenig verspätet.

Ino kicherte wieder.

Aus dem Haus kam Gelächter. Ob die anderen immer noch diese CD jagten? Sai war es egal. Nur, was hier und jetzt war, war richtig. Oder? Was kam ihm nur so seltsam falsch vor? Es war wie ein einziger Fehler in einem perfekten Gemälde. Eine falsche Farbe, ein kleines, unachtsam gemachtes Detail. Nicht viel. Aber es war falsch. Es verlieh der perfekten Situation einen Hauch von Unvollkommenheit.

Ja, das war es. Unvollkommenheit. Das Bild mit ihnen war noch nicht vollständig, es war noch nicht fertig.

„Sai?“

Inos Stimme war plötzlich leise, ernst. Aber trotzdem behielt sie diese Art, die für sie typisch war. Das Freche, das Lebensfrohe.

„Was ist?“, fragte Sai, als Ino sich vorsichtig aus der Umarmung löste, die sie bis jetzt noch gewärmt hatte. Sofort meinte er, dass ihm etwas fehlte. Etwas Wichtiges.

Aber noch bevor er sich weiter Gedanken über diesen neuen Fehler gemacht hatte, versank er auch schon in Inos Augen. Hellblau, eine Spur von Grau vielleicht noch. Ein Glänzen im schwachen Schein des Lichts, das durch das Milchglas in der Tür nach draußen drang. Ihre Wimpern waren lang und hell, nur an den Spitzen dunkler. Wenn die Wimpern der Rahmen waren, dann waren die Augen das Bild.

„Ich mag dich, Sai“, wisperte Ino. Es war nur ganz leise, aber er konnte sie verstehen, denn ihr Gesicht war dem seinen plötzlich ganz nah.

„Ich mag dich wirklich, Sai!“

Sie wiederholte die Worte und wurde noch leiser. Er konnte ihren Atem auf seiner Haut spüren und ein Teil von ihm wäre gern zurückgewichen, doch ein anderer Teil, der stärkere, hielt ihn davon ab. Dieser Teil wollte sogar noch näher.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, legte er vorsichtig eine Hand in ihren Nacken, zog sie zu sich heran. Als ihre Lippen seine berührten, schloss er die Augen. Es war wie ein Stromschlag, der durch ihn hindurch zuckte. Ein sehr angenehmer Stromschlag.

Sai zog Ino noch ein wenig näher, wollte mehr von ihren Lippen spüren. Wärme breitete sich in ihm aus und vertrieb jegliches Denken.

Jetzt war das Bild perfekt. Fast perfekt. Irgendwo war da noch ein Makel, aber Sai wollte ihn jetzt nicht finden. Er wollte, dass es richtig war.
 

***************
 

Puh, das war das längste Kapitel bisher. Und es war KEIN Zwischenkapitel *stolz ist*

Hm, zu dem gibt’s eigentlich nich so viel zu sagen.

Außer vielleicht: Sai und Ino!!! *Fähnchen schwenk*

Ähm, ja…
 

Zum vorigen Kapitel noch was: Ich bin sooo erleichtert! Bei dem Kapitel hatte ich echt Bammel vor den Kommis… aber jetzt bin ich umso zufriedener, dass es euch gefallen hat.

Ich hab jetzt auch ein Bild hochgeladen (hab aber keine Ahnung, wann es on ist^^). Es ist so was wie ein Dankeschön an euch, meine lieben Kommischreiber, und zudem eine Art Illustration zur FF. Schaut es euch dann doch mal an^^
 

Bis zum nächsten Kapitel!

LG

inkheartop

Freundschaft und Feindschaft und eine einzige Begebenheit, die alles verändern kann

Freundschaft und Feindschaft und eine einzige Begebenheit, die alles verändern kann
 


 


 

Ganz nah war der Schlaf, der Naruto umhüllte. Aber er wollte noch nicht schlafen. Dabei war es fünf Uhr morgens. Doch zu schön, zu berauschend war das Glücksgefühl noch, das ihn immer nach seinem Geburtstag erfasste und mit sich trug. Das war nicht immer so gewesen.

Er saß auf seinem Bett und lächelte auf das Geschenk in seinen Händen herab. Es war von Sakura. Und seltsamerweise auch von Sasuke, anscheinend hatten sie es gemeinsam gekauft. War Sasuke deshalb so komisch gewesen? So abwesend? Narutos Lächeln wurde breiter.

Weich lag das kleine Ding in seiner Hand und starrte aus bewegungslosen Knopfaugen zu ihm auf. Es erinnerte Naruto an seine Kindheit. Und daran hatten auch seine Freunde gedacht. An seine eigene Kindheit und an ihre gemeinsame Kindheit. In diesem Moment schwebte ihm seine Vergangenheit so klar vor Augen, als steckte er noch mittendrin. Er sah sie vor sich. Sah die glücklichen Momente und die traurigen. Die schönen und die schlechten.

Und dann trat ein Erlebnis hervor, schärfer und gefühlvoller, als alle anderen. Naruto musste die aufwallenden Gefühle zurückdrängen, die ihn überfluteten und ihn fortzuspülen drohten. War es eine schlechte Erinnerung? Oder war es eine schöne?
 

Er erinnerte sich.
 

Ein Regentag. Das Wasser strömte in dünnen Fäden vom Himmel, klatschte auf den Hof vor dem großen Haus. Bildete Pfützen zwischen den Unebenheiten des Bodens oder rann in kleinen Bächen zum Abfluss.

Aus großen, blauen Augen betrachtete er das Naturschauspiel, mit seinem Finger fuhr er die Regenschlieren an der Scheibe nach.

//Madame hat gesagt, wenn es regnet, weinen die Engel.//

Ob sie Recht hatte? Und warum weinten sie dann, die Engel? Sie mussten im Himmel doch glücklich sein. Dort gab es sicher jemanden, der sie lieb hatte. Eigentlich hätte er doch weinen müssen, nicht die Engel. Engel mussten glücklich sein.

In den Staub auf der Fensterbank, die nur selten geputzt wurde, schrieb der Junge in großen, sauberen Buchstaben seinen Namen: NARUTO.

Er wollte schon zu seinem Nachnamen ansetzen, ließ es dann aber doch bleiben. Es interessierte sowieso keinen.

Madame sprach immer vom „Familiennamen“.

Er hatte keine Familie. Darum hatte er auch keinen Familiennamen, beschloss er. Sein Blick wurde hart und entschlossen, als er das dachte. Für ihn gab es keinen Nachnamen mehr.

Rede nicht so einen Unsinn!

Das würde Madame jetzt sagen.

Madame war eine würdevolle Frau, aber sie war sehr streng. Selbst der Akzent, der bei jedem anderen lustig geklungen hätte, war voller Stolz. Sie war Französin. Und auch darauf war sie stolz.

Wir Franzosen sind ein stolzes Volk pflegte Madame immer zu sagen, besonders wenn sie wütend war. Madame war oft wütend, besonders auf Naruto.

Was stellst du nur immer wieder an! Mon dieu! Das sagte sie auch oft.

Es war Samstag und Naruto freute sich schon wieder auf den Montag. Auf die Schule. Dann durfte er das Heim für wenige Stunden verlassen, entkam dem wachsamen Adlerblick von Madame und ihren Regeln.

Regeln, die ihm verboten dies zu tun, jenes zu tun.

Regeln, die alles verboten, was Spaß machte.

Regeln, die Naruto noch mehr abgrenzten von den anderen.

Wie gern wäre er wie sie, wie die Kinder, die eine Familie hatten. Eine liebende Mutter, einen liebenden Vater. Die Mutter richtete jeden Morgen das Pausenbrot, ermahnte noch, die Schuhe richtig zuzubinden und die Jacke anzuziehen, wenn er in die Pause ging. Vielleicht fuhr würde der Vater ihn zur Schule fahren, vielleicht würde er auch laufen und wenn er älter war, würde er mit dem Fahrrad fahren.

Aber Naruto hatte keine Familie. Keinen Vater, keine Mutter.

Selbst von den anderen Kindern, die wie er keine Eltern hatten, wurde er nicht respektiert. Und warum? Niemand sagte es ihm. Niemand konnte ihm Antworten auf seine Fragen geben. Niemand redete mit ihm.

Naruto war allein.

Aus dem Erdgeschoss war das helle Klingeln einer Glocke zu hören und Naruto wandte den Blick vom Fenster ab. Es gab Essen.

Langsam trottete er die breite Treppe hinunter und lauschte auf das Geräusch seiner Schuhe auf dem dunklen Holz.

Tap. Tap. Tap. Knarr.

Eine knarrende Stufe. Sie fiel so aus der Reihe der anderen Stufen, wie er aus der Reihe der anderen Kinder fiel. Aber die Stufe wusste wenigstens warum. Er wusste es nicht.

Im Speisesaal war es warm und laut. Es gab einige Kinder, die keine Eltern mehr hatten, oder deren Eltern sie nach ihrer Geburt weggegeben hatten, oder die von ihren Eltern weggemusst hatten. Aber das wurde nicht laut ausgesprochen. Es wurde nur geflüstert.

Naruto nahm sich einen Teller und hielt ihn der Frau, die das Essen austeilte hin. Die Frau war nett. Sie war dick, alt, trug zu viel Farbe im Gesicht und lächelte immer. Selbst ihn, Naruto, lächelte sie an. Sie hieß Yuna.

Yuna lächelte ihr breites, strahlendes Lächeln und entblößte dabei zwei goldene Zähne.

„Na, kleiner Wirbelwind?“

So nannte sie ihn immer. Schon so lange er denken konnte, schon so lange er lebte. Schon sechs Jahre. Morgen würden es ganze sieben sein.

„Hallo, Yuna!“, lächelte Naruto. Sie mochte es, wenn er lächelte. Sie war eine der wenigen, die ihn überhaupt mochten.

„Heute gibt es Suppe!“, verkündete Yuna laut und schöpfte ihm den Teller mit der heißen Mahlzeit voll.

Naruto lächelte wieder. Nudelsuppe. Er liebte Nudelsuppe.

„Danke!“, sagte er, dann balancierte er den Teller vorsichtig zu einem Tisch. Er ließ sich weit weg von den anderen fallen und schlürfte glücklich die heiße Brühe. Mit einer Nudelsuppe im Magen sah das Leben doch gleich ein wenig besser aus.

Dieses Glücksgefühl verflog schneller, als es Naruto lieb war. Jemand läutete eine kleine Glocke und nachdem das helle Geklingel verstummt war, war es ganz still im Saal.

Am einen Ende des Raumes, das von der Tür – und somit auch von Naruto – am weitesten entfernt war, stand noch ein Tisch. Dort saßen genau vier Personen und eine davon erhob sich.

Madame trug wie immer ihr schwarzes Haar, das mit vielen grauen Strähnen durchzogen war, fest hochsteckt in einem Knoten am Hinterkopf. Sie hatte eine krumme, lange Nase und einen stechenden Blick. Ihr Lippen waren immer, wenn sie nicht sprach, zu einem feinen Strich zusammengepresst und dementsprechend farblos. Ihr Kostüm, bestehend aus einem langen Rock und einem Blazer, war ausnahmslos grau. Nur hin und wieder blitzte unter dem Ärmel des Blazers der weiße Stoff ihrer Bluse hervor.

Die Heimleiterin erhob sich, warf einen wachsamen, kühlen Blick durch den Raum und räusperte sich dann kurz.

„Der Tagesablauf wird heute Mittag sein wie immer. Die Bibliothek ist allerdings wegen Reparaturarbeiten geschlossen.“

Naruto verkniff sich ein Grinsen. Er war vor drei Tagen selbst in der Bibliothek gewesen und hatte Domino gespielt. Mit den Regalen.

Er befand es nicht als großen Verlust, meist wurde die kleine Bibliothek ohnehin nur von den fleißigeren der Fünft- und Sechstklässler genutzt. Ältere gab es im Heim nicht. Alle Kinder wurden ab der siebten Klasse auf das Internat in der Nachbarstadt geschickt und kehrten nie wieder zurück. Naruto sehnte sich den Tag herbei, an dem er nach Konoha durfte, wie sonst keinen Tag in seinem Leben.

Er versank in seinen Tagträumereien über sein Leben ab der siebten Klasse und bekam nur am Rande mit, wie Madame etwas von „Putztag“, „Putzkolonne“ und „neue Putzmittel“ faselte. Madame hatte einen Putzfimmel. Immer musste alles sauber sein im Haus. Nur die Zimmer der Kinder kontrollierte sie nicht. Das war das Gute an Madame: Sie ließ jedem ein gewisses Maß an Privatsphäre.
 

Nach ihrer Rede erhoben sich alle, stellten ihre Teller in die Küche, wo einige der Angestellten sie in die große Spülmaschine einsortierten und diese ihren Dienst machen ließ.

Naruto stapfte zurück in sein Zimmer, setzte sich wieder ans Fenster und sah wieder dem Regen zu. Wie gerne wäre er jetzt draußen gewesen, doch selbst an einem sonnigen Tag wäre das nicht möglich gewesen. Seit der Sache mit den Bücherregalen hatte er Hausarrest.

Sehnsüchtig starrte er auf den Hof, wo das Wasser immer mehr und die Pfützen immer größer wurden. Dann seufzte Naruto auf und warf sich auf seinen Bett, betrachtete das Zimmer um ihn herum. Ein Tisch, zwei Stühle, ein großer Schrank und zwei Betten. Alle Kinder wohnten zu zweit in einem Zimmer, doch Naruto lebte allein und er war zufrieden damit. Hier war er wenigstens allein, wenigstens hier konnte er den abschätzigen Blicken ausweichen, die ihn sonst immer verfolgten.

Auf dem Tisch stand ein Bild, das Naruto zeigte. Er war etwa vier Jahre alt, saß auf einer Schaukel und lachte. Das war ein glücklicher Moment gewesen, er erinnerte sich noch daran. Yuna hatte ihn eingeladen, zusammen mit ihrem Neffen Iruka weg zu fahren. Einfach so. Naruto mochte Iruka. Er studierte gerade und wollte danach am Konoha-Internat unterrichten, das war sein Traum. Naruto wünschte ihm viel Glück, denn dann würden sie sich bald wieder sehen.

Jäh fuhr er aus seinen Gedanken hoch, als er ein Geräusch vernahm. Es kam von draußen, vom Hof.

Schnell sprang Naruto auf und sah in die verregnete Welt hinaus. Auf dem Hof fuhr ein Auto vor und hielt. Ein Mann im Anzug stieg aus und hastete zur Eingangstür. Dort erwartete ihn schon Madame. Der Mann deutete auf das Auto und Madame nickte, sagte etwas. Dann spannte sie einen grauen Schirm auf, der ihr der Mann höflich abnahm und gemeinsam gingen sie unter dem Schirm wieder zurück zum Auto. Die Tür ging auf, noch bevor die beiden den Wagen erreicht hatten und ein Junge stieg aus. Sein blasses Gesicht wurde von langen Strähnen schwarzen Haares umrahmt und seine dunklen Augen blickten seltsam trüb auf das Waisenhaus. Offenbar sagte der Mann im Anzug etwas, denn der Junge nickte und schlurfte zum Haus, den Blick auf den Boden gerichtet.

Sobald er den fremden Jungen nicht mehr sehen konnte, raste Naruto aus seinem Zimmer und stolperte die Treppe hinunter in die Eingangshalle, wo eine nasse Spur von der Eingangstür zu Madames Büro führte. Die Fremden waren also schon drinnen.

Naruto setzte sich auf die Treppe und starrte die Tür aus dem dunklen Holz an. Er war neugierig, wer dieser Junge war. Er schien etwa so alt zu sein, wie Naruto, aber so ganz hatte er das von seinem Zimmer aus nicht ausmachen können. War das ein Neuer?

Einige Zeit verging, dann öffnete sich die Tür zum Büro der Heimleiterin und der Mann im Anzug kam heraus.

„Vielen Dank, Madame“, sagte der Mann höflich und offenbar äußerst erleichtert. „Wie wussten nicht mehr aus, noch ein!“

Madame nickte milde lächelnd. Überraschend flog ihr Blick zur Treppe und blieb an Naruto hängen, der durch das Geländer hindurch auf das Geschehen spähte.

„Naruto, komm her!“, wies sie ihn an.

Er war beim scharfen Klang ihrer Stimme zusammengezuckt, fügte sich jedoch prompt und eilte die Treppe hinab zu Madame, dem Mann im Anzug und dem Jungen, der abwesend am Rand stand.

„Ja, Madame?“, sagte Naruto höflich, versucht, einen guten Eindruck bei dem Mann zu machen.

„Naruto, dieser ehrenwerte Herr hier“, Madame deutete auf den Mann im Anzug, „hat diesem Haus einen Besuch abgestattet, um uns jemanden zu bringen.“

Narutos Blick fiel sofort auf den schwarzhaarigen Jungen.

„Das ist Sasuke Uchiha. Er wird ab heute ebenfalls hier wohnen und da in deinem Zimmer noch Bett frei ist, wird er dieses bekommen“, ordnete Madame an.

„In Ordnung, Madame!“, sagte Naruto sofort und versuchte dem Jungen namens Sasuke ein aufmunterndes Grinsen zuzuwerfen, das aber sofort wieder verblasste, als er Sasukes düsteren Ausdruck wahrnahm.

„Gut“, meinte Madame und wandte sich wieder dem Mann im Anzug zu. „Ich begleite Sie noch.“

Der Mann beugte sich zu Sasuke herunter, drückte ihm einen Briefumschlag in die Hand und sagte: „Leb wohl, Sasuke!“ Dann ging er mit Madame hinaus.

Eine Weile standen sich die beiden Jungen schweigend gegenüber.

„Soll ich dir unser Zimmer zeigen?“, fragte Naruto und versuchte es noch einmal mit seinem Grinsen.

„Lass mich in Ruhe, Vollidiot!“, entgegnete Sasuke und packte einen Koffer, der neben ihm stand und schleifte ihn die Treppe hoch.

Naruto beschloss, dass er Sasuke nicht mochte.
 

In der Nacht auf den Sonntag konnte Naruto wieder einmal nicht schlafen. Das geschah in letzter Zeit öfter. Normalerweise machte er dann das Licht an und übte Schreiben, indem er lange Briefe an imaginäre Eltern oder Drohungen an Madame schrieb, bis er müde wurde Aber es war nichts mehr normal und deshalb konnte er auch einfach nur wach im Bett liegen und den Atemzügen seines neuen Mitbewohners lauschen.

In nur wenigen Stunden hatte Sasuke es geschafft, sich bei Naruto vollkommen unbeliebt zu machen. Dabei hatte er nicht einmal etwas gesagt. Er hatte nur seine Sachen in den Schrank gepackt, hatte sich ein Buch geschnappt und angefangen zu lesen. Vollkommen stumm war er dabei gewesen, anders als Naruto, der immer noch nur laut lesen konnte. Naruto hatte ihn ignoriert bis es zum Abendessen geklingelt hatte.

Sie waren hinuntergegangen in den Speisesaal, Naruto immer ein Stück vor Sasuke. Zum Essen hatte er sich wieder etwas abseits gesetzt und es hatte so ausgesehen, als wollte Sasuke das auch tun, doch schon nach kurzer Zeit war er von anderen Kindern umringt gewesen. So war das bei jedem Neuen. Und es hatte nicht dazu beigetragen, dass Naruto sich besser fühlte.

Nun lag er in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Die matt leuchtenden Zeiger des Weckers neben seinem Bett zeigten elf Uhr nachts. So spät schon. In einer Stunde würde der zehnte Oktober sein, sein Geburtstag. Er freute sich nicht wirklich darauf. Noch dazu war es ein Sonntag und sonntags hatten die Leute in der Küche frei. Yuna war da keine Ausnahme. An diesem Geburtstag würde Naruto also ganz allein sein.

Der kleine Junge konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Er wollte sie zurückdrängen, doch es war hoffnungslos. Dabei wollte er doch nicht weinen. Er musste stark sein. Stark und lachend und fröhlich. Damit die anderen sahen, dass es ihm auch ohne sie gut ging.

Zum ersten Mal seit langer Zeit weinte Naruto sich wieder in den Schlaf.
 

Ein leiser Schrei ließ ihn aufschrecken.

Was war geschehen? Hatte sich irgendjemand verletzt? Wer hatte da geschrieen?

Es dauerte eine Weile bis Naruto sich daran erinnerte, dass er jetzt einen Mitbewohner hatte. Sein Kopf flog zu Sasuke herum und versuchte ihn in dem dämmrigen Licht auszumachen. Der schwarzhaarige Junge saß zusammengesunken auf seinem Bett, die Decke lag auf dem Boden, er zitterte. Sein Atem ging heftig, sein Blick war auf die Hände in seinem Schoß geheftet, sodass Naruto sein Gesicht nicht sehen konnte. Trotzdem konnte er ahnen, dass er weinte.

Narutos Blick huschte kurz zur Uhr, es war schon früher Morgen. Er ignorierte die Traurigkeit, die sich in seinem Inneren breitmachte und stand leise auf. Sasuke schien ihn nicht wahrzunehmen, selbst als er die Decke vom Boden aufhob und sie wieder auf das Bett legte.

Sasuke machte keine Anstalten, sich wieder hinzulegen. Er starrte immer noch seine bebenden Hände an.

Ein wenig hilflos stand Naruto daneben und wusste nicht recht, was er noch tun sollte. Tun konnte, tun durfte. Dann versuchte er jegliche Abneigung gegenüber Sasuke in den Hintergrund zu drängen und wagte es, noch etwas näher zu kommen. Er legte seine kleinen Hände auf die schmalen Schultern des anderen und drückte ihn sanft zurück in die Kissen. Sasuke ließ alles widerstandslos mit sich geschehen, schien immer noch zu sehr von seinem Alptraum gefangen zu sein.

Naruto packte die Decke und breitete sie über Sasuke aus, dann wollte er sich schon wieder selbst hinlegen, als er eine leise Stimme hörte. Nur ein Flüstern.

„Blut“, wisperte Sasuke. „Da ist überall Blut an meinen Händen.“

Verwirrt drehte sich Naruto wieder zu ihm um. Blut? Was für Blut? Er sah kein Blut!

„Da… ist kein Blut“, meinte Naruto leise.

Sasuke schüttelte den Kopf, sah ihn mit großen, leeren Augen an. Dieser Blick machte Naruto Angst. Er war verzweifelt. Voller Verzweiflung, voller Einsamkeit. Voller Furcht.

„Es klebt an mir“, sagte Sasuke. „Ich konnte nichts tun!“

Dann schloss er die Augen, schlief so plötzlich wieder ein, wie er aufgewacht war. Vollends verwirrt starrte Naruto ihn noch eine Weile an, bevor auch er sich wieder hinlegte. Schlafen konnte er aber nicht, er lag wach bis es drei Stunden später Zeit zum Aufstehen war.
 

Wie er es sich vorgestellt hatte, schien niemand an seinen Geburtstag gedacht zu haben. Aber das war egal. Es war egal.

//Es ist egal. Es ist egal.//, dachte Naruto immer und immer und immer wieder, wie in einer endlosen Gedankenschleife.

„Es ist egal. Es ist egal“, murmelte er vor sich hin, so leise, das niemand außer ihm selbst es hören konnte.

Es war egal.

Beim Frühstück, das die Kinder sich selbst richteten, warf er manchmal einen hastiges Blick zu Sasuke hinüber, der schon wieder von den anderen umringt war und sich anscheinend nicht an das Erlebnis am Morgen erinnern konnte.

Alles war normal.

Sasuke schon nach einem Tag geliebt, bewundert, weil sich gezeigt hatte, dass er der beste Werfer, der schnellste Läufer war.

Naruto sein ganzes Leben gehasst und gemieden aus Gründen, die er selbst nicht kannte, nicht verstand.

Aber Naruto wusste, dass es etwas gab, was sie verband, ihn und Sasuke. Und das war die Einsamkeit. Er wusste nicht, wie Sasuke einsam sein konnte, unter all den Menschen, aber er wusste, dass er einsam war. Genauso, wie Naruto selbst.

Irgendwie wäre er gerne zu ihm hinüber gegangen, wäre gerne sein Freund gewesen. Vielleicht wäre die Einsamkeit in beiden jungen Herzen damit verschwunden. Doch Naruto tat es nicht. Da waren die anderen, die Sasuke jetzt schon vergötterten, obwohl ihm das egal erschien. Die anderen, die Naruto verabscheuten, obwohl sie vermutlich selbst nicht wussten, warum.

Da war Sasuke selbst, der ja anscheinend nichts von ihm wissen wollte.

Und da war Naruto, der schließlich beschlossen hatte, Sasuke nicht zu mögen. Er hatte vor, sich daran zu halten.

Naruto verkroch sich nach dem Frühstück wieder in sein Zimmer und sah vom Fenster aus den anderen beim Spielen zu. Es machte nichts, dass sie ihn nicht gefragt hatte, ob er mitspielen wolle. Das war er gewohnt. Es war egal.

Aber ein wenig schmerzte es doch, zu sehen, wie die Kinder sich gegenseitig über den Hof jagten, dabei hin und wieder von Madame ermahnt wurden, nicht zu wild zu sein. Sie lachten vor Freude und schrieen vor Enttäuschung, wenn jemand gefangen wurde. Er hätte gerne zu ihnen gehört. Normal sein, auch wenn man keine Eltern hatte. Aber war er denn nicht so normal, wie sie auch?

Die Tür öffnete sich und Sasuke trat ein, Naruto spürte kurz seinen Blick auf sich, dann schnappte der andere sich wieder ein Buch und warf sich auf sein Bett. Er schien Naruto gar nicht mehr zu beachten.

„Warum bist du nicht bei den anderen?“, fragte Naruto. Unverfänglich, es sollte schließlich nicht aussehen, als würde es ihn interessiere. „Haben sie dich nicht gefragt?“

„Doch“, sagte Sasuke schlicht, hob dabei nicht den Kopf. „Hatte keine Lust.“

Wieder so etwas, was Naruto an ihm nicht verstand. Sasuke war beliebt, obwohl er erst seit so kurzer Zeit hier war, aber es war fast so, als wollte er diese Beliebtheit nicht. Als bräuchte er sie nicht.

Und so saßen sie da, der dunkelhaarige Junge mit der hellen Haut in sein Buch versunken, der blonde Junge mit der gebräunten Haut aus dem Fenster starrend. Sie sahen einander nicht an, waren verschiedener, wie es nicht verschiedener ging. Sie sprachen nicht miteinander, doch da war eine stille Verbundenheit zwischen ihnen, die sie selbst noch nicht ganz erfassen konnten.

Als Naruto schon glaubte, sie würden sich auf ewig anschweigen, fing Sasuke doch noch einmal an, zu reden. Noch immer blickte er nicht von seinem Buch auf und seine Stimme war leise, aber Naruto verstand ihn.

„Diese Leiterin hat gesagt, du hättest heute Geburtstag.“

Es war ein seltsames Gefühl, jemanden über seinen Geburtstag reden zu hören, fand Naruto. Normalerweise tat das doch niemand.

„Ja“, antwortete Naruto, es war fast schon eine Frage.

„Dann…“ Naruto spürte Sasukes Zögern. „Alles Gute.“

Ein noch seltsameres Gefühl war es, Glückwünsche zum Geburtstag zu erhalten. Das tat sonst auch niemand. Es war das erste Mal.

Naruto wusste, dass er sich eigentlich bedanken sollte, aber er war zu aufgewühlt, zu überwältigt von diesem neuen Ereignis.

Er lächelte einfach nur die Fensterscheibe an.
 

~ * ~
 

Selbst jetzt noch musste Naruto Lächeln, wenn er an diese Worte dachte. Sie waren der Beginn gewesen, der Anfang einer… konnte man es schon ‚Freundschaft’ nennen? Wohl eher nicht. ‚Freundschaftliche Beziehung auf rivalisierender Basis’ traf es schon eher. Damals war alles eben noch anders gewesen. Lange Zeit war es anders gewesen. Fast vier Jahre lang.

Und wieder strömten Erinnerungen auf ihn ein. Erinnerungen an den Tag, der alles veränderte.
 

~*~
 

Ein sonniger Sommertag, vier Jahre später.

Für Naruto war alles so wie immer. Die anderen mieden ihn, nur mit Sasuke redete er. Wenn man das als ‚Reden’ bezeichnen konnte – wohl eher ‚Rivalität betreiben’. Natürlich nicht immer, aber man konnte schon fast von einem Dauerzustand sprechen. Es war im ganzen Heim und sogar in der Schule bekannt, dass Naruto Uzumaki und Sasuke Uchiha verfeindet waren. Was niemand wusste: Manchmal, ganz selten nur, herrschte zwischen den beiden ein stillschweigendes Einverständnis der Freundschaft. Oder zumindest einer Art von Freundschaft. Und vermutlich wussten sie es selbst noch nicht einmal. Denn das Gefühl, wenn sie schweigend zusammen saßen und ihren jeweiligen Beschäftigungen nachgingen, augenscheinlich in keinerlei Verbindung stehend, war gut. Denn irgendeine Verbindung war vorhanden. Wenn auch nur sehr, sehr schwach und nur in diesen ganz, ganz besonderen Momenten.

Die Sonnenstrahlen vertrieben jedoch zumindest für einige Momente alle Gedanken an Streit, der laue Wind wehte alle Sorgen davon und an diesem Tag plagten Naruto viele Sorgen. Doch er wollte gerade nicht daran denken, wollte nur im Gras liegen, mit den Fingern die, von der Sonne ausgedörrten Halme berühren, stachelig und braun, wie sie waren. Einfach die Gedanken schweifen, fliegen lassen bis hoch hinauf in den locker bewölkten Himmel, blau wie ein heller Saphir.

Er durfte nur nicht an das kleine Heft denken, dass gut verstaut in seinem Rucksack steckte, nur wenige Meter von ihm entfernt. Nur nicht an dieses Papier denken, auf dem sauber aufgereihte, kleine Ziffern geschrieben standen. Nur nicht daran denken, was es für Ziffern waren; er hatte sich das Zeugnis noch nicht angesehen.

Plötzlich war ein Rascheln zu hören – jemand kam über das trockene Gras auf ihn zu. Der andere beugte sich über ihn, ein Schatten fiel auf Narutos Gesicht.

„Geh mir aus der Sonne!“, knurrte er und hielt die Augen bewusst geschlossen, um nicht dieses spöttelnde, freudlose Grinsen sehen zu müssen, das sich zweifellos auf das Gesicht des anderen geschlichen hatte.

Natürlich dachte Sasuke nicht daran, zu verschwinden, im Gegenteil. Er ließ sich neben Naruto auf die Erde fallen – der Blonde spürte die forschenden Blicke auf ihm. Es war, als könnte Sasuke in ihn hineinsehen, wie er das hasste!

„Was willst du?“

„Dir unter die Nase reiben, dass ich besser bin, als du!“, erklärte Sasuke ohne Umschweife. Auch diese direkte Ehrlichkeit konnte Naruto nicht ausstehen. Sie passte nicht zu Sasuke.

„Ich hab es mir noch nicht mal selbst angesehen!“, meinte Naruto, aber natürlich würde Sasuke nicht darauf hören. Wann tat er das schon?

Als er die Bewegungen neben sich vernahm, sprang Naruto blitzschnell auf und erreichte seine Tasche zuerst.

„Ich sagte Nein!“, blaffte er Sasuke an, der abwehrend die Hände hob, aber wie geahnt immer noch dieses fürchterlich überhebliche Grinsen zur Schau trug. Naruto schmiss den Rucksack zurück auf den Boden, ließ auch sich selbst ins Gras fallen und benutzte das Gepäckstück kurzerhand als Kopfkissen.

„Sturkopf“, brummte Sasuke, legte sich einfach neben Naruto. „Früher oder später musst du es sowieso ansehen!“

„Dann lieber später!“, entgegnete Naruto starrsinnig.

Sasuke seufzte, versuchte dann aber doch, die noch relativ gute Stimmung zu retten und schnitt ein anderes Thema an. „Heute kommt noch eine Neue.“

„Echt?“

Naruto versuchte, gelangweilt zu klingen, aber es gelang ihm nicht ganz. Und selbst, wenn er es geschafft hätte – Sasuke konnte er damit nicht täuschen. Er kannte ihn einfach viel zu gut. Gott, wie er ihn hasste!

„Ein Mädchen. Ich habe gehört, wie Madame sich mit Miss O’Sullivan darüber unterhalten hat.“

Miss O’Sullivan war die junge stellvertretende Heimleiterin aus England.

„Aha“, machte Naruto und blinzelte in die Sonne. Er würde sich so gerne wieder in seine Tagtraumwelt sinken lassen, aber niemals würde er sich die Blöße geben, vor Sasukes Augen einzuschlafen. Niemals!

„Willst du nicht sofort hinrennen und nachsehen?“, stichelte Sasuke. „Machst du doch sonst auch immer.“

Naruto schnaubte verächtlich, sagte aber nichts.

„Sie soll schweres erlitten haben“, erzählte Sasuke weiter. „Viel zu schlimm für so eine arme, kleine Kinderseele.“ Er schien Madame zu zitieren, seine Stimme wurde höher und hart und erhielt diesen eigenartigen Akzent.

Wieder kam nur ein Schnauben von Naruto, dieses Mal aber vermischt mit einem kurzen Grinsen.

„Was kann bitte schön so schlimm sein?“, murmelte Sasuke da plötzlich. Auf einmal schienen sich dunkle Wolken vor die Sonne zu schieben und die Temperatur fiel rasant. „So schlimm?“

Naruto kannte Sasuke inzwischen gut genug, um zu erkennen, dass er nun nicht mehr an dieses neue Mädchen dachte. Er sah den anderen kurz von der Seite her an. Mit leeren Augen starrte Sasuke vor sich hin, ein kalter Ausdruck hatte sich über sein Gesicht gelegt. In letzter Zeit geschah das öfter. Als würde er sich besinnen auf etwas, dass eigentlich unerreichbar war.

//Seine Vergangenheit…//

„Wir sollten wirklich mal nachschauen!“, sagte Naruto laut und Sasuke schreckte aus seinen düsteren Gedanken auf.

„In Ordnung.“ Wie immer hatte er sich schnell wieder gefangen.

Naruto rappelte sich auf und noch ehe er das kurze hinterlistige Funkeln in Sasukes Augen sah, erkannte er seinen Fehler. Doch da hatte der Schwarzhaarige sich schon den Rucksack geschnappt und war davon gerannt – im Laufen noch kramte er das Zeugnis hervor.

Fluchend spurtete Naruto ihm nach, auch wenn er wusste, dass er Sasuke nicht würde einholen können. Zumindest nicht, bis sie am Heim angekommen waren.

„Naruto Uzumaki hat folgende Noten erreicht…“, rief Sasuke im Laufen und schien dabei gleichzeitig zu Lesen.

Oh, wie er ihn hasste!

„Mathematik… na, das geht doch noch! Deutsch… könnte besser sein. Musik… das du nicht singen kannst, wusste ich schon vorher!“

„Uchiha! Jetzt halt deine Klappe!“, rief Naruto zornig und beschleunigte sein Tempo noch einmal, aber natürlich dachte Sasuke nicht im Traum daran. Manchmal drehte er wirklich durch, dann wurde er richtig durchgeknallt, kindisch. Das passierte meistens dann, wenn er vorher so seltsam abwesend gewesen war. Es kam immer öfter vor.

„Erdkunde… das ist aber mal ne Überraschung! Sport… wer sagt es denn?!“

Meistens gingen die seltenen Späße auf Narutos Kosten. So auch dieses Mal, war ja klar gewesen.

„Und dann noch… ich hab doch gesagt, ich bin besser!“, rief Sasuke und Naruto konnte sich sein affektiertes Grinsen nur zu gut vorstellen.

Sasuke wurde langsamer, der Abstand zwischen ihnen verkleinerte sich und als Sasuke im Hof des Waisenhauses schließlich hielt, hatte Naruto ihn schon fast eingeholt. Nur leicht außer Atem kam er neben ihm zum Stehen und funkelte ihn an.

„Bitte schön!“, grinste Sasuke.

Hatte er es nicht gewusst? Wie er ihn doch hasste!

Wütend riss Naruto ihm Rucksack und Zeugnis aus der Hand.

„Was hast du denn?“ Immer noch dieses penetrante, widerliche Grinsen. Er wollte es aus seinem Gesicht wischen, schlagen, aber ihm war auch klar, dass er es nicht machen würde, konnte. Sasuke war stärker. Nur ein bisschen natürlich, keine Frage, aber es genügte. Und außerdem – Naruto würde sich den Mund mit Seife auswaschen müssen, sollte er jemals in die Verlegenheit geraten, das zuzugeben – war Sasuke irgendwie sein einziger, sein bester Freund.

Nur bei diesem Gedanken musste Naruto sich schon schütteln. Um diese ungewollte Reaktion vor Sasuke bestmöglich zu verbergen, schob er sich an ihm vorbei und marschierte zur Eingangstür. Dabei musste er unweigerlich am Fenster zu Madames Büro vorbei und der Zufall trug in eben diesem Moment nur ein einziges Wort mit dem Wind an sein Ohr: „…Naruto…“

Er blieb stehen und drückte sich an die Wand neben das Fenster, ganz still stand er da, um nur kein Wort von dem Gesprochenen hinter dem halbgeöffneten Fenster zu verpassen. Da drin wurde über ihn geredet und er wollte hören, was. Hatten sie von der Büste von Madame – die übrigens ausgesprochen realitätsnah war – in der Bibliothek erfahren, die er mit bunten, wasserfesten Farben bemalt hatte? Das wäre nicht gut, schon einmal hatte er das Marmorbildnis der Heimleiterin bekritzelt und damals mit wasserlöslicher Farbe. Und schon zu diesem Zeitpunkt war seine Strafe nicht gerade sanft ausgefallen und noch einmal wollte er nicht bestraft werden, so viel Spaß diese Aktion auch gebracht hatte. Da kam ihm eine frühzeitige Warnung gerade recht.

„Ich bin mir immer noch nicht sicher, Madame.“ Nur gedämpft drang die Stimme ins Freie, aber trotzdem war sie immer noch gut verständlich. Es war Miss O’Sullivan, ihr Akzent war unverkennbar.

„Was tust du da?“, fragte plötzlich Sasuke direkt neben Narutos Ohr. Er zuckte zurück und sah seinen besten Feind böse an.

„Sei still! Ich will hören, was da drin über mich gesprochen wird!“, zischte Naruto.

„Du lauschst?“, flüsterte Sasuke spöttisch, aber Naruto beachtete ihn gar nicht mehr und so blieb er und spitzte ebenfalls die Ohren.

„Stellen Sie meine Autorität in Frage, Miss?“, fragte Madame scharf.

„Nein, nein! Natürlich nicht!“, beteuerte Miss O’Sullivan hastig. „Ich dachte nur… er hat schon wieder Ihre Büste beschmiert.“

Sie hatten es also doch herausgefunden. Mist.

„Miss O’Sullivan“, sagte Madame eindringlich. Mit einem Mal klang sie noch ernster und irgendetwas schwang in ihrer Stimme mit, das Naruto nicht deuten konnte. Irgendetwas bedrückte sie.

„Ich muss sie wohl nicht darauf hinweisen, dass Naruto Schweres durchlebt hat.“

„Aber das hat doch hier jedes Kind“, warf die junge Frau ein. „Das ist immerhin ein Waisenhaus!“

Ein kaum hörbarer Seufzer entwich Madame. „Aber mit Naruto Uzumaki ist es noch einmal anders.“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Natürlich hat hier jeder Schlimmes erlebt. Denken Sie an Sasuke Uchiha. Seine gesamte Familie wurde getötet. Im Verdacht stand Sasukes älterer Bruder, aber diese Spur wurde schnell fallen gelassen. Wer glaubt schon, dass ein Dreizehnjähriger seine Familie ermordet? Aber auf mysteriöse Weise verschwand der Junge und Sasuke blieb allein zurück – und kam schließlich hierher.“

„Oh, wie furchtbar!“, rief Miss O’Sullivan entsetzt.

„Ja, in der Tat eine grausame Geschichte“, meinte Madame tonlos. „Aber ich persönlich halte sie für… überwindbar.“

„Was meinen Sie damit?“

„Nun ja… Sasuke hat einen starken Charakter, er wird auch diese Sache meistern. Irgendwann einmal.“

Stille trat ein und Naruto spürte Sasuke neben sich zittern. Aber er wandte sich nicht zu ihm um.

„Madame?“ Zögerlich durchbrach die Stimme der stellvertretenden Heimleiterin das Schweigen. „Und was ist nun mit Naruto Uzumaki? Ich denke immer noch, dass wir ihn nicht auf das Konoha-Internat lassen sollten. Er ist ein Unruhestifter.“

„Und ich denke immer noch, dass wir ihn gehen lassen sollten, so wie es in diesem Haus schon seit Jahren und Jahrzehnten Tradition ist.“

„Aber warum, Madame? So fürchterlich kann es doch nicht sein…“

„Miss! Sie sind noch nicht lange genug hier, um diese Kinder so gut zu kennen, wie ich es tue! Als ich gerade zwei Jahre in diesem Heim gearbeitet habe, haben wir diesen armen Jungen aufgenommen. Seit seinem ersten Lebenstag ist er hier!“

„Madame, ich wusste nicht…“

„Und Sie wissen es bis jetzt nicht, Miss O’Sullivan! Denn noch keiner in diesem Haus hat die Vergangenheit von Naruto Uzumaki je zu Ohren bekommen! Die Kinder hier lassen sich von außen beeinflussen, obwohl sie nicht einmal die Wahrheit kennen. Niemand kann das verhindern, auch ich nicht. Und zu meiner Schande muss ich gestehen – mit der Zeit wurde es für mich egal. Ich sah nur noch das, was Naruto nach außen hin zu sein schien: ein hyperaktiver Chaot mit nichts als Unsinn im Kopf. Und erst als es schon zu spät war, habe ich erkannt…“

„Madame… Dürfte ich bitte erfahren, was…“

„Natürlich, Sie haben eigentlich auch das Recht darauf. Wenn ich diese Stelle abtrete…“

Stühle scharrten über Parkettboden, die Frauen setzten sich.

„Die Familie Uzumaki kam in diese Stadt, die eigentlich eher ein Dorf ist und seit jeher waren sie Fremde. Sie gehörten nicht hierher und niemand hätte sie beachtet oder gar gemocht, wären sie ganz normale Leute gewesen. Diese Gegend hier ist so… verklemmt, es gibt kein besseres Wort dafür, selbst für meine vornehme Ausdrucksweise. Man beharrt auf Tradition und Neues bedeutet Veränderung und Veränderung bedeutet nichts Gutes. Vollkommen veraltete Lebensweisen, muss ich sagen.

Und Herr und Frau Uzumaki bedeuteten nun einmal etwas Neues, eine Veränderung. Und anfangs stellten Sie etwas Schlechtes dar. Doch nach einiger Zeit – ich weiß nicht genau, wie es geschah – wurden sie doch in den altvertrauten Kreis aufgenommen. Es lag an ihrer Persönlichkeit. Ich hatte einige Male die Gelegenheit, ihnen zu begegnen. Sie war eine wundervolle Frau – verständnisvoll, liebenswürdig, sie lachte gern. Und sie konnte sehr stur sein, ehrgeizig sein, fast ein wenig perfektionistisch. Und er… er war einfach bemerkenswert. Fand immer die richtigen Worte, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, wusste immer, wenn es jemandem gerade nicht so gut ging, nie voreilig, versuchte aber immer, erst das Gute im Menschen zu sehen und dann das Schlechte. Allerdings auch ein wenig eigensinnig. Und er liebte seine Frau, oh ja, er liebte sie wirklich. Es gab für ihn nichts wichtigeres, als sie und das Kind, das sie erwartete – sie war schon schwanger, als sie hier ankamen.

Und doch war da immer ein Teil von ihnen, der fremd blieb. Ein Teil, dem misstraut wurde. Und der Hauptgrund für dieses fehlende Vertrauen waren vermutlich die Tiere. Sie nahmen verletzte Wildtiere aus dem Wald auf, pflegten sie und ließen sie wieder frei. Oft kamen Kinder zu ihnen, um die Tiere anzusehen, das war es, was vielen Eltern nicht gefiel. Eigentlich verständlich, sie hatten Angst um ihre Kinder, immerhin waren einige der Tiere

nicht gerade ungefährlich. Doch das ausschlaggebende Ereignis trat erst einige Monate später ein. Seit etwa zwei oder drei Tagen ging das Gerücht von einem Fuchs herum, der durch die Wälder schlich und auch durch die Stadt und wahllos Menschen, insbesondere Kinder, angriff. Und zu genau dieser Zeit hatten die Uzumakis einen verletzten Fuchs in Pflege. Und da griff dann die verstockte, abergläubische Art der Menschen durch. Sie brachten den streunenden Fuchs mit dem Fuchs in der Klinik in Verbindung und dachten, dieses junge Paar würde ihren Fuchs auf die Menschen hetzen. Da trat das Misstrauen wieder auf und hinzu kam auch noch, dass diejenigen, die von dem Fuchs gebissen worden waren, schwer erkrankten. Der erste Todesfall war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Nichts als Hass und Wut wurde ihnen gegenübergebracht, niemand dachte mehr nach oder suchte nach vernünftigen Lösungen, sinnigen Erklärungen. Und in genau dieser Zeit wurde Naruto geboren. Es war helllichter Nachmittag. Sie hatte eine Hausgeburt bevorzugt, mehr wusste man in der Stadt nicht. Schließlich aber kam die Nachricht, dass es bei der Geburt Komplikationen gegeben hatte. Die Blutung war nicht mehr zu stoppen gewesen, die junge Frau hatte ihr Mutterglück wohl nur kurz erleben dürfen. Von diesem Augenblick an war für die Menschen klar: Dieses Kind war kein gewöhnliches Kind, es war ein Hexenkind, es hatte seiner Mutter das Leben gekostet. Natürlich war das vollkommen unsinnig, aber wenn viele Menschen so fest an etwas glauben wollen, ist es schwer, diesen Glauben aufzuhalten.

Der frischgebackene Vater kam an diesem Tag in die Stadt, seinen Sohn in den Armen und er verkündete unter Tränen sein Glück. Das Kind schrie anscheinend unablässig und der Fuchs, der keine Scheu vor Menschen zu haben schien, tauchte plötzlich auf. Es ging alles sehr schnell. Vollkommen aufgewühlt von der Aufruhr unter den Menschen, wurde er noch wilder und biss und kratzte. Nur der Mann, der doch so verhasst war, erschien vollkommen ruhig und versuchte, Herr der Lage zu werden. Er bezahlte dafür mit seinem eigenen Leben, rettete aber viele andere. Unter anderem das seines Sohnes. Naruto Uzumaki jedoch war noch immer das Hexenkind, das nun wohl auch seinen Vater in den Tod getrieben haben musste. Und es ging das Gerücht um, das Kind hätte mit seinen Schreien auch die anderen zwei Tode, die nach diesem Tag eintraten, heraufbeschworen. Sie suchten einen Sündenbock und fanden ihn in einem wehrlosen Kind. Der Fuchs wurde Tage später im Wald gefunden. Er wurde untersucht und es wurde Tollwut festgestellt. Eine natürliche Ursache für seinen Tod, sein Verhalten und die Tode von insgesamt vier Menschen. Naruto hatte nichts mit alldem zu tun, aber trotzdem war er seither ein Verstoßener, denn man glaubte – und vermutlich glaubt man immer noch –, dass seine Geburt all das heraufbeschworen hatte.

Wenn Menschen auf etwas keine Antwort wissen, oder aber die Antwort nicht wissen wollen, dann verdrehen sie die Wahrheit und suchen sich eben einen Schuldigen. Und meist trifft es die, die es am wenigsten verdienen.“
 

Die ganze Zeit über hatte Naruto still gestanden und gelauscht. Erstarrt, kaum merkbar zitternd. Doch nun, als er nur noch den sommerlichen Wind in den Bäumen und den leisen Gesang der Vögel hörte, schien er zu erwachen, wie aus einem tiefen Schlaf.

„Naruto…“, sagte Sasuke neben ihm leise, aber fordernd. Eine Forderung, jetzt nichts Unüberlegtes zu tun.

Aber er konnte nicht überlegen, nachdenken. Er war nun mal nicht Sasuke Uchiha, der alles in sich hineinfressen konnte, alles verdrängen, sein Leid, Schmerz und Pein. Nur damit ihn nachts Alpträume plagten, er aus dem Schlaf aufschreckte, wirres Zeug faselte, aber am nächsten Morgen nichts mehr davon wusste. So war er nicht. Das wäre nicht Naruto Uzumaki.

Naruto dachte nicht nach, als er loslief, als er spürte, wie Wut in ihm aufkochte, Wut und Schmerzen und noch mehr Wut. Und vielleicht auch Trauer. Und noch viele Gefühle mehr, die sich in ihm vermischten, vermengten, einen explosiven Sud bildeten, der leise darauf hinbrodelte, endlich von der Flamme der Wut in Brand gesetzt, entzündet zu werden – und mit einem Knall in die Luft zu fliegen.

In seinen Ohren hallten Worte. Wortfetzen. Kleine Splitter aus Gesprächen, winzig klein, kaum von Bedeutung, wenn sie allein standen. Aber gemeinsam ein eisernes Schwert, das ihn zerfetzte, von innen heraus. Alles machte jetzt Sinn.
 

Nicht mit dem reden!

Monster! Mörder!

Nicht mit dem spielen!

Gefahr!

Gehört nicht zu uns. Zu niemandem.

Keine Eltern. Eine Waise.

Tollwut…

Sündenbock…

Mutter getötet…

Vater getötet…

Sündenbock. Mörder. Monster. Tollwut. Schuld. Schuld. Schuld. Schuld.
 

Fast wäre Naruto in das Auto hineingerannt, das gerade auf dem Hof parkte. Hätte fast das Kind umgerannt, das ausstieg und offenbar erzürnt war. Aber das alles bekam er überhaupt nicht mehr mit. Nur die Stimme hinter ihm, die ständig seinen Namen rief – „Naruto! Naruto! Naruto!!! – drang zu ihm vor, zumindest ein bisschen und er glaubte, sie durch den Schleier des Gefühlssturms in seinem Innern selbst dann noch zu hören, als sie doch noch etwas anderes rief. „…Pass doch selber auf… dann komm doch mit… Breitstirn…!!!“

Naruto konnte den Sinn hinter den Worten nicht verstehen, wollte es auch nicht. Alles war egal. Nur weg von hier, von hier, wo alles nur noch schlimmer war. Weg. In den Wald. Weg. Fort von hier, wo nichts mehr einen Sinn ergab. Wo sich alles drehte. Wo alles nur noch schlimmer wurde, je länger er hier war, je mehr er wusste.
 

Irgendwo hielt Naruto an. Tief, tief im Wald. Hier war er noch nie gewesen. Er erkannte nichts um sich herum und er war schon oft im Wald gewesen. Doch jetzt musste er stehen bleiben. Sein Atem ging schnell, sein Herz klopfte heftig, aber nicht nur wegen des Laufens. Wie lange war er eigentlich gerannt? Er wusste es nicht. Spürte nur die friedvolle Stille um ihn herum, nur durchbrochen vom Rauschen des Windes in den Wipfeln der Bäume und vom Zwitschern der Vögel. So friedlich. Viel zu friedlich.

Der Drang, den Frieden zu durchbrechen wurde immer stärker, unhaltbar und dringlich. Er schrie. Wollte, dass sein Schrei bis in den Himmel drang, hoch in die Wolken und noch weiter. Er schlug. Auf die Stämme der Bäume, auf den Erdboden, auf Steine, Pflanzen und alles, was seinen Fäusten noch so in die Quere kam. Schlug, bis seine Knöchel bluteten. Schrie, bis seine Stimme ermattete.

Und dann… dann weinte her. Dann flossen Tränen, gegossen aus Wut und Verzweiflung und Trauer und mehr Wut und Verzweiflung und aus so viel Hass und Hoffnungslosigkeit. Und doch hoffte er noch. Hoffte, dass ihn jemand von der Qual erlösen würde, denn er selbst konnte es nicht. Er selbst war zu schwach, zu kraftlos, in diesem Augenblick. Hätte er doch bloß einen Freund. Einen besten Freund. Der ihm half. Der ihn erlöste. Befreite.

„…ruto!“

Gab es denn niemanden? Wirklich niemanden?

„…aruto!“

Es gab doch jemanden, es musste doch jemanden geben!

Die Wut schoss wieder hoch, durchflutete ihn, gleich einer Welle und verbreitete sich. Kam auf, ebbte wieder ab, kam auf… Ein Kreislauf, sich wiederholend. Und Naruto gab sich der Wut und allem anderen hin, sah nicht mehr, was er tat, kontrollierte es nicht mehr. Schlug wieder zu, mit der nichtvorhandenen Kraft, die anscheinend doch noch irgendwo da war.

„Naruto!“

Er wurde herumgerissen, starrte in Sasukes Gesicht, wollte sich losreißen, aber Sasuke war stärker. So wie immer.

„Lass mich!“, schrie er, mit heiserer Stimme. So viel hatte er schon geschrieen. So viel. „Lass mich los!“

„Nein!“, knallte Sasuke ihm das Wort ins Gesicht, das er jetzt am wenigsten gebrauchen konnte. „Beruhige dich! Denk nach! Das bist nicht du! Was die da gesagt haben…“

„Ich bin ein…“

„Sei still!“ Sasuke hielt ihm die Hand vor den Mund. „Sag das nicht! Das bist du nicht! Du bist Naruto Uzumaki! Du bist du! Du bist nichts von dem, was sie behaupten!“

Naruto mobilisierte seine Kraft und riss sich los.

„Was bin ich dann? WER bin ich dann? Sie sagen, ich hätte sie umgebracht!“

„Das hast du aber nicht!“, schrie Sasuke. Naruto hatte ihn noch nie so außer sich erlebt. So in Rage. Ohne die Eisschicht, die ihn sonst immer umhüllte.

„Aber sie sagen…“

„SCHEISS AUF DAS, WAS SIE SAGEN!!!“ Sasuke brüllte und stieß Naruto ein Stück von sich. „Total egal! Es ist total egal! Das warst du nicht! Du hast niemanden umgebracht! Das war dieser verfluchte Aberglaube! DU – KONNTEST – NICHTS – DAFÜR!!!“

„Und was ist mit dir?“ Er hatte nicht mehr die Kraft zu Schreien. Umso mehr Ausdruck legte er in die leisen Worte, fast ein Flüstern, ein Wispern. Naruto war es egal, wenn Sasuke jetzt ausrastete. Schließlich wusste er nun auch von Narutos Vergangenheit. Warum durfte Naruto dann nichts von Sasukes erfahren? So gesehen war es sogar sein gutes Recht.

„Wie meinst du das?“, zischte Sasuke. Sein Blick wurde eiskalt und vermutlich hätte jeder normale Mensch jetzt vor ihm Reißaus genommen. Aber Naruto kannte Sasuke schon viel zu lange. Er kannte die Schwächen des Uchiha wie kein anderer. Und er wusste, dass in diesem Blick nicht nur Hass lag. Da war noch etwas, tief, sehr tief in seinem Inneren versteckt.

Angst.

„Du fürchtest dich vor der Wahrheit“, flüsterte Naruto. „Du fürchtest die Wahrheit! Und wenn du es selbst aussprechen würdest, würde es unweigerlich wahr sein müssen, habe ich Recht? Dann kannst du dich nicht mehr drum herum schweigen, dann…“

„Sei still!“, knurrte Sasuke.

Naruto wollte ihn reizen, wollte ihn endlich aus dieser Reserve locken, hinter die Fassade sehen, die nur in der Nacht zu bröckeln schien, auch wenn der Uchiha sich morgens nicht mehr daran erinnerte. Nachts…

„Fast jede Nacht“, sagte Naruto leise. „Fast jede Nacht schlägst du im Schlaf um dich. Du schreist und du heulst. Du erwachst und erzählst, du hättest Blut an deinen Händen. Aber am nächsten Morgen erinnerst du dich nicht mehr daran. Was verbirgst du, Sasuke Uchiha? Hat es etwas mit deinem Bruder…“

„SEI STILL!“, schrie Sasuke, aber anstatt auf Naruto loszugehen, wich er einen Schritt zurück. Sein Gesicht war leichenblass, jegliche Farbe war daraus gewichen.

Naruto ging auf Sasuke zu, stand nun ganz nah vor ihm, sodass er sein eigenes Spiegelbild in den Pupillen des anderes erkennen konnte.

„Wer bist du, Sasuke Uchiha?“, flüsterte er, fast tonlos. „Sag mir, wer du bist!“

Die Faust flog auf Narutos Gesicht zu, so schnell, er konnte nicht einmal mehr zurückweichen. Aber das musste er auch nicht. Er wurde zur Seite gestoßen und plötzlich war da eine Hand. Eine zierliche, aber starke Hand. Sie hielt Sasukes Faust fest umklammert.

„Misch dich nicht ein, Breitstirn!“, knurrte Sasuke das Mädchen an, das nun zwischen ihnen stand.

„Du hast doch gesagt, ich soll mitkommen. Idiot!“, entgegnete das Mädchen. Ihre grünen Augen blitzten, ihr Haar wehte leicht in der Sommerbrise. Und was für Haar das war! Solch eine ungewöhnliche Haarfarbe hatte Naruto noch nie gesehen: Rosa! Es war doch tatsächlich rosa!

„Mädchen, springst du auch von einer Brücke, wenn man es dir sagt?“

„Ich dachte nur, dass du emotionsloser Eisklotz doch sicher nicht mit der Situation zu Recht kommst!“

„Dann hör auf zu denken!“

Ungläubig verfolgte Naruto den angeregten Wortwechsel. Diesem Mädchen musste er wirklich Respekt zollen. Hielt Sasukes Faust noch immer mit Leichtigkeit in der Luft fest, schnauzte ihn ziemlich frech an und vor allem schien sie seine Art nicht im Mindesten zu beeindrucken. Eher im Gegenteil – sie hatte wohl ziemlich schnell verstanden, dass genau diese Art ihm in dieser Lage zum Verhängnis werden könnte. Und das, obwohl sie ihn noch nicht einmal kannte!

„Wow, was für ein kluger Kommentar! Da musstest du dir jetzt vermutlich ganz schön den Kopf drüber zerbrechen, was?“ Der Sarkasmus triefte förmlich aus ihren Worten.

„Ähm…“, begann Naruto, um sich auch mal bemerkbar zu machen.

„Im Moment denke ich immer noch, dass dich das hier nichts angeht! Also verschwinde!“, knurrte Sasuke gereizt.

„Ich…“, fing Naruto wieder an. So langsam eskalierte die Situation. Das unbekannte Mädchen hatte Sasukes Hand losgelassen und ihre Nasen waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Wenn man die Situation ein wenig… umdefinierte, könnte man fast meinen, sie würden sich gleich…

„Ich werde nicht verschwinden, du aufgeblasener Trottel!“

„Wie hast du mich genannt, eingebildete Schnepfe? So hässlich, wie…“

Nein, jetzt sah es nicht mehr danach aus, denn die flache Hand des fremden Mädchens hatte einen feurig roten Abdruck auf Sasukes Gesicht hinterlassen. Dieser war einige Schritte zurückgetaumelt und war drauf und dran, zum Gegenangriff überzugehen. Das würde Naruto aber zu verhindern wissen. Schnell stand er zwischen den beiden, setzte sein fröhlichstes Gesicht auf und lachte dem Mädchen kurz entgegen.

„Er meint es nicht so. Nicht wahr, Sasuke, du meinst es nicht so!“

„Und wie ich das…!

„Jaaa, schönes Wetter heute, nicht wahr? Also, mein Name ist Naruto Uzumaki und das hier ist Sasuke Uchiha. Wir wohnen in dem Heim da drüben.“

„Nett dich kennen zu lernen.“ Sie warf Sasuke einen giftigen Blick zu. „Ich werde von heute an auch in dem Heim wohnen.“

Sie lächelte. Naruto fand sie wesentlich hübscher, wenn sie lächelte, als wenn sie seinem besten Freund an die Gurgel ging.

„Ich bin Sakura Haruno.“
 

~*~
 

Freunde. Von diesem Tag an waren sie Freunde gewesen. Naruto und Sasuke und Sakura. Auch wenn Sakura und Sasuke sich nicht normal unterhalten konnten, ohne nach kurzer Zeit einen Streit anzufangen. Aber diese Zeit war schön. Einfach unglaublich.

Naruto hatte Sakura sehr bald das erzählt, was er über seine Vergangenheit erfahren hatte. Er war etwas nervös gewesen, aber Sakura hatte ein für allemal bewiesen, wie unglaublich sie war. Sie hatte gelacht. Gelacht und etwas von „Bescheuertem Aberglauben“ gekichert und dass dies ja wohl niemand ernst nehmen könne. Aber diese Sache mit dem Fuchs wäre schon irgendwie… verzaubert, hatte sie noch hinzugefügt. Und Füchse zu ihren Lieblingstieren erklärt.

Das war in diesem einen Sommer gewesen. Danach waren sie auf das Konoha-Internat gekommen. Und sie hatten all ihre Freunde kennen gelernt und in gewisser Weise hatte sich ihre Freundschaft dadurch verändert. War irgendwie stärker geworden, auch wenn sie sich veränderten.

Niemandem stand Naruto so nahe, wie Sakura und Sasuke. Ihnen konnte er alles erzählen und niemand kannte sie so gut wie er. Und andersherum. Und darum bemerkte er auch die Veränderung zwischen Sasuke und Sakura. Nur eine kleine Veränderung, aber… oft waren es die kleinen Steine, die die Lawine ins Rollen brachten.

Naruto lächelte auf sein Geschenk herunter. Der kleine Fuchs starrte ihn aus seinen schwarzen Knopfaugen an und schien zurückzulächeln. Ein kleines Detail aus einer Zeit, an die er sich nicht einmal erinnern konnte. Und das doch alles verändert hatte. Das ihm in gewisser Weise die zwei besten Freunde der Welt beschert hatte.

Naruto stellte das Plüschtier auf seinen Nachttisch direkt neben den Wecker und seine gesammelte Geburtstagspost. Besonders eine Karte fiel ihm dabei ins Auge – kein Wunder, schließlich hatte er sie noch vor alle anderen platziert. Ein schlichtes, helles Blau mit einem verschnörkelten Schriftzug. Happy Birthday! Irgendjemand hatte sich viel Mühe mit dieser Karte gegeben. Und Naruto wusste, wer. Im Inneren der Karte stand mit leicht zittriger Schrift geschrieben: Wünscht dir Hinata. Und daneben, noch ein wenig zittriger, ein kleines Herz.

Naruto seufzte tief auf und dachte noch einmal an seine Party zurück. Als alle schon gegangen waren und es plötzlich noch einmal an der Tür geklingelt hatte. Und da war Hinata, die er den ganzen Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, aus welchen Gründen auch immer. Und sie standen sich gegenüber und starrten sich etwas dämlich an, bis Naruto endlich ein schwächliches „Jaaa?“ herausbrachte. Sie lief rot an und er fragte sich, wie sie so süß aussehen konnte. „H-hab d-d-dir noch ga-ga… Hab dir noch gar kein Geschenk… gegeben“, hatte sie gestammelt und bevor Naruto erwidern konnte, dass sie ihm kein Geschenk zu geben bräuchte… hatte sie ihm auch schon einen Kuss auf die Wange gedrückt und war so schnell verschwunden, dass er sich nicht einmal hatte bedanken können.

Selbst jetzt konnte er noch Hinatas Lippen auf seiner Haut spüren und sein nächster, in einem Lächeln verborgener Seufzer verlangte ausdrücklich nach mehr. Und bald würde die Chance auf mehr kommen, dessen war Naruto sich sicher.

Aber die Zeitspanne bis zu ‚bald’ kann sehr unterschiedlich ausgelegt werden.
 

*********
 

Jaaa, es hat sehr lange gedauert diesmal, sorry dafür. Na ja, die Schule eben.

Und das Kapitel? Hmm, war eigentlich vollkommen ungeplant, aber ich mag es wirklich.

Oder zumindest zum größten Teil.
 

Und bevor ich euch jetzt wieder in eine Wartepause schicke, möchte ich noch ein paar Dinge verkünden. *Trommelwirbel*

Erst mal vielen Dank für alle Kommis und Favos, das ehrt mich wirklich sehr (ein Vögelein hat mir gezwischtert, ich soll nicht mehr sagen, dass ihr verrückt seid deswegen^^)
 

Und zweitends: Ich werde fürs Erste keine ENS mehr verschicken, nur noch an Kommischreiber. Sorry, aber es geht nicht anders.
 

Dann, man liest sich (hoffentlich bald^^)

LG

inkheartop

Happy Holidays

Happy Holidays
 


 

„Hab ich alles?“

„Ja, Temari. Das hast du vor fünf Minuten schon mal gefragt! Und vor zehn Minuten und vor fünfzehn und…“

„Jaja, ich hab’s kapiert!“

„Dann ist ja gut. Komm schon, so langsam sollten wir zum Tor laufen. Der Wagen müsste gleich da sein.“

„Aber ich muss mich doch noch verabschieden!“

Hinata schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei.

„Beeil dich aber. Ich geh schon mal vor.“

Temari sah ihrer Freundin hinterher, wie sie ihren Koffer die Treppe hinunter zog und zwischendurch einen leicht griesgrämigen Blick auf den grauen Himmel warf. Es regnete. In Strömen. Es war kalt. Es war Dezember. Aber natürlich schneite es nicht. Es regnete.

Trotz des Wetters wurde Temari von einer Welle der Vorfreude überspült und am liebsten wäre sie in die Luft gesprungen. Tat sie aber natürlich nicht.

Auch sie packte ihren Koffer und trat unter dem Vordach des Hauses hervor. Innerhalb von Sekunden war sie klatschnass. Aber was machte das schon? Es war doch nur Wasser, oder war sie etwa aus Zucker? Trotzdem rannte sie zu den Häusern der Jungen.

Schon von weitem erkannte Temari die grelle orangefarbene Jacke Narutos, selbst durch den Regenschleier hindurch gut sichtbar. Dagegen waren die anderen Jungs nicht so gut auszumachen. Neji trug eine schwarze, Sasuke eine dunkelblaue Jacke. Die drei standen noch unter dem Vordach ihres Hauses und schienen zu warten.

„Hey, Jungs!“, rief Temari und beschleunigte ihre Schritte, bis sie sich auch unter das schützende Dach stellen konnte. Dort schüttelte sie erst einmal ihren Kopf, sodass die Tropfen aus ihren Haaren zu allen Seiten hin spritzten.

„Hey! Bist du ein Hund? Du benimmst dich schon wie Kiba!“, meckerte Naruto, aber er lachte dabei.

Temari grinste zurück. „Wo steckt der denn? Kiba, meine ich.“

„Ist schon bei seinen Eltern“, erklärte Naruto und verschränkte die Arme vor der Brust. „Seine Mutter hat eine Tierarztpraxis in der Stadt.“

„Wirklich? Und warum wohnt er dann im Internat?“

„Weil ihm die Fahrerei mit dem Bus zu blöd war. Er wohnt ziemlich außerhalb.“

„Shikamaru!“ Temari fiel Shikamaru um den Hals, der gerade aus der Tür getreten war und ihre Frage beantwortet hatte.

„Igitt, Temari. Du bist nass!“

„Schon mal zum Fenster rausgeguckt?“, gab Temari zurück und schlug ihm kurz auf den Hinterkopf.

„Was willst du eigentlich hier?“ Es war Sasuke, der gefragt hatte.

„Mich verabschieden“, entgegnete Temari.

„Fährst du nach Hause?“

„Nein, tut sie nicht“, meinte Neji. Er sah unbewegt in den Regen hinaus, als er sprach. Sein Blick ließ sich nicht deuten. „Hinata hat sie eingeladen.“

„Ja“, sagte Temari, runzelte kurz die Stirn über Nejis Verhalten, beließ es dann aber dabei. „Es war ziemlich kurzfristig.“

„Dann können wir uns vielleicht… sehen“, sagte Shikamaru nach kurzem Zögern. Neji warf ihm einen unmissverständlich zornigen Blick zu. „Ich bin bei Neji.“

„Super“, rief Temari. „Und was macht ihr zwei so?“ Das ging an Naruto und Sasuke.

„Wir bevorzugen dieses Jahr die weihnachtliche Atmosphäre des Internats“, grinste Naruto.

„Ihr bleibt hier?“

„Wir sind ja nicht die einzigen“, meinte der Blonde und klopfte Sasuke vielsagend auf den Rücken. „Sakura bleibt ja auch da.“

„Aha“, machte Temari. „Ten Ten auch.“

„Können wir jetzt gehen?“, fragte Neji, leicht genervt wie es schien.

„Ja, gleich. Kann ich noch kurz mit dir reden?“

Stirnrunzelnd sah Shikamaru Temari an, warf Neji noch einen kurzen Blick zu, nickte dann aber.

Temari grinste und zog Shikamaru in den Regen hinaus.

„Also, eigentlich wollte ich dir dein Weihnachtsgeschenk ja jetzt schon…“

„Weihnachtsgeschenk?“

„Ja, Weihnachtsgeschenk. Für dich, meinen besten Kumpel, nicht wahr?“ Sie grinste noch breiter. „Aber du kannst mich dann ja mal besuchen, wenn du ohnehin bei Neji bist.“

„Schon, aber ob Neji…“

Aber Neji. Brauchst du jetzt schon diesen Typen, um mal vorbeizugucken?“

„Nein, aber…“

„Na, dann ist ja gut. Ich muss noch schnell zu Kankuro und Gaara. Bis dann also, ich zähl auf dich. Schöne Ferien!“

Mit diesen Worten stürmte sie davon und ließ Shikamaru – wortwörtlich – im Regen stehen.

„Mann, diese Frau ist mir echt zu anstrengend“, murmelte Shikamaru genervt, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.

Seit seinem Unfall hatte sich die Beziehung zwischen ihm und Temari deutlich gebessert. Es hatte sich eine wirklich gute Freundschaft entwickelt, auch wenn Shikamaru nicht an rein freundschaftliche Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen glauben konnte.

Das Musical-Projekt hatte sie noch enger zusammengeschweißt und über die ganze Textlernerei und die gemeinsamen Proben hatten sie sich noch besser kennen gelernt. Und außerdem war Temari die einzige, mit der Schachspielen noch eine Herausforderung war. Auch wenn er ihr das nicht sagte.

„Neji, wir können los!“, rief er seinem Freund zu. Vielleicht sollte er den Hyuga wirklich überreden, mal bei Hinata und Temari vorbeizugehen.
 

Jetzt waren sie alle weg. Neji und Shikamaru. Und Kiba. Und überhaupt der größte Teil der Schülerschaft. Nur selten blieben einige ausgerechnet über die Weihnachtsferien im Internat. Und diese waren dann meistens ehemalige Heimkinder. Und selbst die konnten manchmal über die Feiertage zu Freunden.

Doch Sasuke und Naruto blieben dieses Jahr in der Schule. Einfach weil sie das Gefühl hatten, dass es dieses Mal so besser war.

„Jetzt sind sie weg“, murmelte Naruto und starrte in den Regen, als könne er in weiter Ferne noch seine Freunde sehen – was bei solchen Wetterbedingungen schlicht und einfach unmöglich war.

„Dann lass uns endlich wieder reingehen. Hinterhertrauern bringt auch nichts“, entgegnete Sasuke und betrat auch schon das Haus. Schnell folgte Naruto ihm, allerdings nicht, ohne noch einen raschen Blick in Richtung seiner verschwundenen Freunde zu werfen.

„Ich hab mich gar nicht von Hinata verabschiedet“, brummte Naruto, nachdem er sich auf das Sofa im Wohnzimmer geworfen hatte.

Sasuke seufzte, stellte auf die Theke, die Küche und Wohnzimmer voneinander trennte, zwei Tassen und wartete auf den Kaffe, der in der Maschine auf sich warten ließ.

„Kein Wunder“, murmelte er, gerade laut genug, dass Naruto ihn hören konnte.

„Was soll das jetzt wieder bedeuten?“

„Dass es kein Wunder ist“, sagte Sasuke lauter und stieß sich von der Theke ab, an der er gerade noch lässig gelehnt hatte.

Was soll kein Wunder sein?“, bohrte Naruto nach.

Sasuke seufzte wieder. Wenn es um Hinata ging, konnte Naruto ziemlich stur und hartnäckig sein. Na ja – eigentlich war er auch sonst ziemlich stur und hartnäckig.

„Was faselst du da, Sasuke?“, hakte die Nervensäge weiter nach.

„Ist das nicht offensichtlich?“ Einen Versuch war es immerhin wert, vielleicht war Naruto ja doch…

„Für dich vielleicht.“

Okay, dann eben deutlicher.

„Da will jemand einfach nicht, dass du sie siehst“, versuchte Sasuke ihm weiter auf die Sprünge zu helfen.

„Von wegen“, entgegnete Naruto. „Wer sollte das denn sein?“

Genervt verdrehte Sasuke die Augen und wandte sich lieber der Kaffeemaschine zu, um sich die schwarze Brühe endlich einzuschenken. So trank er seinen Kaffee am liebsten: Schwarz. Ohne alles.

„Jetzt sag endlich!“, drängte Naruto und sprang vom Sofa auf. „Wer sollte das sein?“
 

Die Familie Sabakuno war nicht gerade arm, immerhin war der Herr im Haus auch gleichzeitig der Herr über eine ganze Stadt – und so hatte es Temari, Kankuro und Gaara nie an etwas gefehlt. Außer vielleicht an etwas Liebe und Zuneigung.

Doch noch nie hatte Temari ein Haus gesehen wie das der Hyugas. Wenn sie es in diesem Moment, in dem sie davor stand, hätte beschreiben müssen, wäre ihr nur ein einziges Wort eingefallen: Groß! Es war groß. Genauer gesagt war es vermutlich dreimal so groß, wie die Villa der Sabakunos, den Garten nicht mit einberechnet. Das Gebäude lag ein wenig abseits der Stadt und war in einem schlichten Weiß gestrichen worden, die Flügeltür war aus sehr dunklem Holz, fast schon schwarz und mit einem dieser Türklopfer daran – der Kopf eines Löwen aus Messing.

Fenster gab es viele. Die unzähligen Glasflächen spiegelten das Grau des Himmels wider, Regentropfen sammelten sich daran. An den Fenstern im Erdgeschoss hingen Blumenkästen, aber zu dieser Jahreszeit waren sie leer, wie die Augen der marmornen Figuren auf dem Sockel in der Mitte des Brunnens, rechts neben der Auffahrt. Es waren vier Figuren, zu jeder Himmelsrichtung eine standen sie Rücken an Rücken: Die Einfahrt hinauf in Richtung Haus blickte eine Frau mit sanftem Gesichtsausdruck und einem langen, schlichten Kleid. Ihr langes, lockiges Haar wurde von einem Kranz aus Blüten aus ihrem Gesicht gehalten. Sie war wunderschön, wenn auch erfüllt von einem eisigen Hauch von Stolz. Sie blickte auf zu dem dreistöckigen Haus, in den wolkenschweren Himmel.

„Temari, kommst du? Du wirst noch ganz nass!“

Hinatas Stimme riss Temari aus ihrem Stauen. Erst jetzt bemerkte sie, wie der Regen ihre Kleidung durchweichte und sie anfing zu frösteln. Sie wollte schon zu Hinata rennen, als sie sich an ihr Gepäck erinnerte. Temari drehte sich zum Wagen um – ein silberner Mercedes –, doch ein Mann mittleren Alters lächelte sie gütig an.

„Gehen Sie schon, Miss“, sagte der Mann. „Ihr Gepäck wird auf Ihr Zimmer gebracht.“

„Wa –? Ach, Unsinn!“ Temari hatte sich schnell wieder gefasst. „Ich schaff das schon!“

„Da habe ich keinerlei Zweifel, Miss“, schmunzelte der Mann. „Aber ich glaube, ich sollte Sie darauf hinweisen, dass Sie Ihre Räumlichkeiten wohl kaum alleine finden werden.“

Das war allerdings ein schlagkräftiges Argument.

„Und Hinata?“, hakte Temari nach. „Sie könnte doch eigentlich ihren Koffer tragen!“ Sie konnte kaum den vorwurfsvollen Unterton in ihrer Stimme unterdrücken.

Der Mann schmunzelte wieder, seine braunen Augen blitzten vergnügt.

„Miss, ich stehe schon seit vielen Jahren in den Diensten der Familie Hyuga, Sie jedoch kennen wohl nur Miss Hinata und das auch erst seit einem halben Jahr, wenn ich richtig informiert bin.“

Temari runzelte die Stirn und nickte.

„Ja und?“

„Die junge Miss Hinata ist das höflichste Mädchen, das ich je die Freude hatte, kennen zu lernen. Und sie würde sicherlich ihr Gepäck selbst tragen, aber leider ist das nicht die Meinung eines jeden.“

Damit drehte er sich zum Auto um und packte die Koffer der Mädchen.

„Miss, Miss Hinata wartet sicher schon“, sagte er Temari noch.

Die Blonde runzelte wieder die Stirn. Es gab hier einiges, das sie noch von Hinata erklärt haben wollte. Jetzt, da sie darüber nachdachte, bemerkte Temari, dass die Hyuga eigentlich so gut wie nie über ihre Familie sprach.

„Miss?“

Temari rüttelte sich aus ihren Gedanken und bemerkte ein weiteres Mal den Regen, der inzwischen noch stärker geworden war.

„Alles in Ordnung“, meinte Temari, immer noch leicht abwesend und zog in einem Anflug von Kälte die Schulter hoch. Sie zitterte. Es wurde wirklich Zeit, dass sie ins Trockene kam.
 

„Wer ist eigentlich dieser Chauffeur?“

Hinata sah von ihrem Koffer auf, indem sich die kleinen und größeren Geschenke stapelten. Temari erkannte ein Paket in rostrotem Papier, auf das Hanabi geschrieben stand.

„Das war Mario. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben.“

Hinata lächelte und wandte sich wieder dem Koffer zu.

Temari saß auf Hinatas Bett, das etwa dreimal so groß war, wie das im Internat. Alles schien hier groß zu sein, wenn nicht sogar riesig. Das fing beim Haus an sich an, wiederholte sich bei jedem einzelnen Zimmer und die Möbel vervollständigten das Bild. Selbst der Kronleuchter in der Eingangshalle schien dieses Muster zu verfolgen; er war enorm!

„Warum hast du eigentlich nie was erzählt?“, sprach Temari endlich aus, was ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge lag.

„Was meinst du?“ Hinata schien sehr genau zu wissen, worüber ihre Freundin redete. So interessant konnte der Kofferinhalt nun auch wieder nicht sein!

„Na, das hier!“ Temari machte eine weit ausholende Bewegung mit beiden Armen und ließ sich auf das übergroße Bett zurückfallen. Für seine Größe war es sehr bequem.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so leicht beeindrucken lässt“, entgegnete Hinata. „Deine Familie hat doch auch Geld, oder?“ Sie klang unbeschwert, fast ein wenig zu unbeschwert.

„Schon. Aber, Hina, das hier ist so … groß!“

„Meine Familie muss es eben auch immer übertreiben“, sagte Hinata. Jetzt klang sie bitter. Temari setzte sich wieder auf und sah ihre Freundin, starr auf ein kleines Päckchen in ihren Händen stierend. Temari konnte den Namen darauf nicht erkennen. Aber sie sah, dass das Thema nicht unbedingt zu Hinatas Favoriten zählte, und das wollte sie berücksichtigen. Sie kannte diese Familiensachen ja.

„Wo sind deine Eltern eigentlich?“ Das war schon ein unverfänglicheres Thema. Temari glaubte, Hinata dankend lächeln zu sehen und ignorierte es höflich.

„Vater ist noch arbeiten, er kommt wohl erst später. Und Hanabi hatte heute noch Schule. Sie ist auf einer Privatschule in der Stadt. Vater wollte sie näher bei sich haben.“

//Was ist mit dir? Will er dich nicht in seiner Nähe haben?//

Aber diese Gedanken behielt Temari für sich. Vermutlich würden einige Fragen im Laufe der Ferien noch geklärt werden – und neue würden aufkommen. Vielleicht erzählte Hinata es ihr auch irgendwann von selbst. Sie brauchte nur Geduld und die hatte Temari – wenn auch nur in begrenztem Maße.

„Okay, dann haben wir ja sozusagen sturmfreie Bude“, grinste Temari. Hoffentlich waren Badezimmer, Küche und Fernseher auch so groß, wie das Haus es versprach.
 

„Das kann nicht dein Ernst sein!“

„Das ist sogar mein voller Ernst.“

Ein Seufzen.

„Ich meine… es war doch schon irgendwie offensichtlich, oder?“

„Er hat es gut versteckt!“

„Na ja…“

Ein zweifelnder Unterton. Noch ein Seufzen.

„Ich hätte nie gedacht… gleich zwei Jungs?!“

„Tja, das Leben steckt voller Überraschungen.“

„Sie lauern hinter jeder Ecke.“

„Und wenn du am wenigsten damit rechnest…“

„…Springen sie aus ihrem Versteck und schreien: Überraschung!“

Kichern. Noch mehr Kichern.

„Jetzt mal ernsthaft!“

Ich bin schon die ganze Zeit ernsthaft!“

„Tse!“

„Du klingst schon wie…“

„Sag diesen Namen nicht!“

„Schon gut!“

Genervtes Augenverdrehen.

„…Zurück zum eigentlichen Problem.“

„Also, ich find das Problem, dass du mit…“

„Ich warne dich!“

„…diesem Jungen hast, schon eigentlich genug. Und mindestens genauso problematisch.“

„Ich hasse dich.“

„Ich weiß.“

Schweigen.

„Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt, wenn man dir einmal die Wahrheit sagt!“

„Die Wahrheit nennst du das?“

„Das bemerkt doch sogar n Blinder mit Krückstock!“

„Was?“

Extrem genervtes Aufstöhnen.

Was?

„Stell dich nicht dümmer als du bist. Da läuft doch was, gib es zu!“

„Vergiss es! Eher wird Ino Punkrockerin!“

Kichern.

„Interessante Vorstellung! Aber du lenkst vom Thema ab!“

„Wer hat denn vom eigentlichen Thema abgelenkt?!“

„Hör mal, du…“

„Er ist ein Vollidiot, okay? Ein arrogantes Arschloch! Selbstverliebt, intrigant, bescheuert, hohlköpfig! Diese Tonne Gel auf seinem Dickschädel hat vermutlich sein Gehirn vernebelt, oder so was! Aber wenn ich’s mir recht überlege… er war ja schon so, bevor er sich dieses Zeug in seine Haare geschmiert hatte! Er…“

„Okay, okay! Ich hab’s kapiert! Das hier sollte nicht in eine Hasstirade ausufern. Also, zurück zum eigentlichen Thema.“

„Na, endlich!“

„Wer hat bessere Chancen, was denkste?“

„Ganz klar Naruto! Sie ist so was von verknallt in ihn.“

„Unverständlich, wenn du mich fragst.“

„… Na ja… so schlecht sieht er jetzt auch wieder nicht aus. Und er ist ziemlich nett, immer positiv. Das haben schon ganz andere Mädels bemerkt!“

„Was für Mädels? Die kleinen Zicken aus der Zehnten etwa? Die wissen doch genau, dass er zu den Super-Drei gehört! Nach dem Motto: Einschmeicheln, verrückt machen, in die Kiste kriegen, sitzen lassen.“

„Aber Naruto…“

„Ich weiß, dass er dein bester Freund ist, aber das kannst selbst du nicht abstreiten!“

„Allerdings ist er nicht so schlimm, wie Neji und Sasuke.“

„Ach, jetzt darf man auf einmal seinen Namen aussprechen, oder wie?“

„Nur in dem Zusammenhang! Und du fängst schon wieder damit an!“

„Sorry. Aber es stimmt doch!“

„Hast ja Recht. Trotzdem ist er auch nicht viel besser.“

„Vielleicht ist das mit Hinata ja… anders?“

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber, egal wie das jetzt nun wird, da gibt es immerhin noch ein viel größeres Problem…“

„Ach ja?“

„Du tust es schon wieder!“

„Was?“

„Ahhh! Dich dumm stellen!“

„Beruhig dich! Wenn Temari hier wäre, würde sie dir mit einem ihrer Fächer eins überziehen, damit du die Klappe hältst.“

„Dir aber auch!“

„Aber Temari ist nicht da!“

„Eben!“

„…“

„Zurück zum Thema, bitte!“

„Ich versteh trotzdem nicht, was du meinst.“

„Maaaaannnnn!!!“

Frau, wenn ich bitten darf!“

„Mädel!!! Jetzt setz deine kleinen grauen Zellen unter diesem fürchterlichen Pink mal in Gang und denke! Geht das?“

„…Kiba?“
 

Lautes Lachen auf der anderen Seite des Campus’. Es war beherzt und doch etwas ungläubig. Fast spottend.

„Komm schon, das ist jetzt nicht dein Ernst, Sasuke! Ich meine… Nein! Das kann nicht sein, ich… Ach, Quatsch!“

Sasuke stöhnte auf und hätte am liebsten einen Kopf gegen eine Wand geschmettert. Vorzugsweise einen blonden.

„Hör mal. Kiba ist nicht wie du… wie wir. Er respektiert Mädchen. Und er… verliebt sich.“

„Du klingst, als wäre das ne Krankheit.“

Sasuke verdrehte genervt die Augen, wollte noch etwas hinzufügen, aber Naruto ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen.

„Jetzt hörst du mal zu! Ja, Kiba respektiert Mädchen und sicher verliebt er sich auch. Jeder verliebt sich mal! Ja, selbst du, großer, unnahbarer Sasuke Uchiha!“

„Das…“

„Das ist die Wahrheit, Sasuke!“

Finster starrte Sasuke seinen besten Freund an und sah sich schon mal nach einer passenden Wand um. Massiver Beton, am besten.

„Mich würde es nicht mal wundern, wenn es nicht schon passiert wäre.“ Naruto grinste so besserwisserisch, dass Sasuke sich nun arg zusammenreißen musste. Die nächsten Worte waren gezischt zwischen den Zähnen hindurchgepresst: „Was soll das schon wieder heißen?“

Narutos Grinsen wurde noch breiter, aber er sagte nichts.

Sasuke knurrte gereizt. „Du hast mir echt besser gefallen, als du dich noch nicht verknallt hattest. Als du noch ein genauso großes Arschloch warst, wie Neji und ich.“

„Danke für das Kompliment!“, lachte Naruto.

„Hör mal, das war mein Ernst!“

„Meiner auch!“

Sasuke schwieg verbissen, starrte zum Fenster hinaus in den strömenden Regen und seufzte innerlich tief auf.

„Naruto…“, murmelte er dann, schloss kurz die Augen und wandte sich dann wieder seinem Freund zu. „Du bist du, ich bin ich und Kiba ist eben Kiba. Ganz davon abgesehen, dass ich mich garantiert nicht verliebe, ist es einfach so, dass… dass…“ Er brach ab.

„Mal ganz abgesehen, dass du dich garantiert verliebst, Sasuke“, setze Naruto an.

Sasuke seufzte wieder, diesmal deutlich hörbar. „Naruto, jetzt lenk nicht vom Thema ab! Ich denke nur, dass… Kiba ist… Mein Gott, er ist so was von eifersüchtig! Der Kerl kocht doch vor Eifersucht!“ Er schlug so heftig mit der Faust auf die Theke, dass die Tassen darauf klirrten.

„Reg dich ab!“, meinte Naruto nur und runzelte die Stirn über diesen ungewohnten Gefühlsausbruch. „Du hast doch Halluzinationen.“

„Von wegen“, war Sasukes einziger Kommentar dazu.

„Ich hab Hinata wirklich gern, ich… ja, verdammt, schau mich nicht so an! Ich habe mich in sie verliebt… glaube ich zumindest“, fügte Naruto hinzu.

Es jetzt so aufrichtig aus Narutos Mund zu hören, machte die Sache greifbarer. Noch vor einem halben Jahr hätte Sasuke sich das nicht einmal im Traum vorstellen können. Natürlich hatte er es geahnt, fast schon gewusst. Aber eigentlich hatte er immer gehofft, dass Naruto es noch mindestens ein Jahr lang abstreiten würde.

„Ähm, Sasuke?“, tönte Narutos Stimme unsicher in seine Gedanken und in seinem Blickfeld wurde eine Hand herumgeschwenkt. „Alles okay?“

„Lass das!“, knurrte Sasuke entnervt und packte die Hand, die immer noch vor seinem Gesicht hing.

„Musst ja nicht gleich rumzicken“, murmelte Naruto, gespielt beleidigt. „Wie ein Mädchen!“

Naruto wusste genau, wie er Sasuke noch mehr auf die Nerven gehen konnte, oh ja, das wusste er nur zu gut. Sasuke verfluchte sicher nicht zum ersten Mal den Tag, an dem er Naruto kennen gelernt hatte. Vorher war sein Leben noch ruhiger gewesen… zumindest ein wenig.

„Mädchen, Mädchen, Mädchen! Dreht sich denn alles im Leben nur um Mädchen?“ Es kam selten vor, dass Sasuke etwas sagte, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben. Wenn es dann aber mal passierte…

„Wo ist der echte Sasuke und was hast du mit ihm gemacht?“, fragte Naruto und starrte ihn an, als wäre er ein Außerirdischer. Dann begann er wieder zu grinsen.

Sasuke wusste, dass diese Sache jetzt in vollkommen falsche Sphären abdriftete. Da lief etwas gewaltig schief!

„H-hey! So war das nicht gemeint! Das ist alles deine Schuld!“

„So so. Meine Schuld also. Natürlich! Schiebt alles auf den armen Naruto, bevor ihr mal drüber nachdenkt, was da grade passiert ist!“

„Narutooooo!!!“

„Mann, Sasuke! Jetzt halt aber mal die Luft an. Selbsteinsicht ist der erste Schritt zur Besserung!“

„Wo ist der Schalter zum Abstellen? Ich brauche Ruhe! Seit du in die kleine Hyuga verschossen bist, bist du so verdammt besserwisserisch!“, schimpfte Sasuke. „Schon seit der Sache mit Sabakuno.“

„Kankuro?“

„Was?“

„Kankuro Sabakuno?“

„Was? Nein! Temari, du Idiot! Also, schwer von Begriff bist du ja zumindest immer noch! Genauso ist Sakura au-…“

„HA!“

Sasuke zuckte bei Narutos Triumphgeheul zusammen. Was war denn jetzt kaputt?

„Du hast es getan! Hey, ich hätte ihr fast nicht geglaubt, als sie es mir erzählt hat. Aber jetzt hab ich ja den Beweis! Du – hast – ihren – Namen – gesagt!“ Er betonte jedes Wort einzeln und sprang dabei voller Aufregung und laut lachend durch den Raum. Es war ein beängstigender Auftritt.

„Ich soll was getan haben?“

„Du hast ihren Namen gesagt! Du hast ihren Namen gesagt!“, sang Naruto fröhlich vor sich hin.

„Ja, und?“, setzte Sasuke zum kläglichen Gegenangriff an. In solchen Diskussionen zog er gegen Naruto immer den Kürzeren. „Ich sage ihren Namen ja oft. Haruno, Haruno, Haruno! Siehst du, ich sage ihren Namen!“

Naruto bremste so plötzlich ab, dass er auf den rutschigen Parkett das Gleichgewicht verlor und auf dem Hintern landete. Von unten herauf starrte er Sasuke wortlos an, mit leicht geöffnetem Mund, was Sasuke nur noch mehr verunsicherte. Das war ja noch beängstigender!

Beunruhigt starrte Sasuke zurück, trommelte leicht nervös mit den Fingern auf die Theke. Und das tat er eigentlich nie, oder zumindest nicht, wenn jemand dabei zusehen konnte. Aber Naruto achtete im Moment ohnehin nicht auf so etwas Banales wie trommelnde Finger.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Er hatte anscheinend endlich seine Stimme wieder gefunden. Was nicht gut für Sasuke war, wie dieser beschloss.

„Warum denn nicht?“, sagte er leichthin, versuchte seine Finger zum Stillhalten und sein Gesicht zu einem Pokerface zu zwingen.

„Du weißt ganz genau, was ich meine, Uchiha!“, sagte Naruto. „Ihren Vornamen! Du hast sie ‚Sakura’ genannt. Sakura! Das hast du seit… eigentlich noch nie gemacht. Und es war nicht das erste Mal! Wenn…“

//Jetzt sagt er es gleich! Nein! Wag es nicht, Naruto! Sag es nicht!!!//

„…ich es nicht besser wüsste…“

//Hör auf! Sag es nicht! WEHE DIR! Wenn du es sagst, dann…//

„…würde ich sagen, du…“

//Das gibt’s doch nicht! Er sagt es wirklich…!//

„…fängst an, sie zu mögen!“

//Er hat es gesagt.//

„Dass ich das noch erlebe!“

//Aber es ist doch gar nicht wahr!//

„Das ist nicht wahr!“, meinte Sasuke und ärgerte sich im gleichen Moment. Abstreiten brachte gar nichts. Nicht in dieser Situation und bei Naruto sowieso.

Schluss mit Pokerface.

Auf einmal war Narutos Laune wieder auf ihrem Höhepunkt, während die Sasukes Richtung Erdkern rutschte.

„Und ich hab gedacht, es passiert gar nicht mehr“, sagte Naruto und ignorierte mehr als gekonnt Sasukes verzweifelt zornige Miene.

„Es ist nicht…“

„Aber es war ohnehin nur noch eine Frage der Zeit“, fuhr Naruto unbeirrt fort.

„Es war nie…“

„Du hast dir trotzdem ganz schön Zeit gelassen!“

Konnte dieser Kerl ihn denn nicht auch mal aussprechen lassen?

„Und ich würde mir noch mehr…“

„Fünf Jahre, immerhin!“

Nein, konnte er nicht.

„Das waren ungefähr fünfzig Jahre zu…“

„Aber jetzt könnt ihr ja immer noch Freunde werden. Oder zumindest etwas in der Art. Muss ja nicht gleich ne dicke Freundschaft auf immer und ewig werden. Es ist nie zu spät!“

„Es könnte nicht spät…“

Aber es war immerhin Naruto. Da musste er auf alles gefasst sein.

„Und genau deshalb kannst du dir noch etwas Zeit lassen. Nach fünf Jahren kommt’s auch nicht mehr drauf an. Aber zu Weihnachten solltest du ihr was schenken. Und Silvester…“

„WAS???“

Ihm war vorher nicht klar gewesen, wie weit gefächert der Bereich für alles war.
 

Wie sie das vermisst hatte! Diese wunderbare Wärme, dieses Sprudeln und Blubbern, diese angenehme Massagewirkung. Natürlich war das Internat recht komfortabel für so eine Schule, aber ein wenig Luxus war nie schlecht.

Der Duft um sie herum betörte ihre Sinne und am liebsten wäre sie untergetaucht, mit dem Kopf unter das Wasser, aber das ging nicht, sie hatte ihren MP3-Player auf den Ohren.

Temari lächelte selig und schloss genüsslich die Augen. Oh ja, sie hatte es vermisst. Luxus war etwas herrliches, auch wenn man ihn in kleinen Portionen genießen sollte. Und die Ferien waren da wohl der perfekte Anlass.

Als das Lied, das aus ihren Kopfhörern drang, zu Ende war und schon das nächste begann, öffnete Temari kurz die Augen, aber nur um sich eine der Trauben, die in einer Schale am Rand des Beckens lagen, zu greifen. Im gleichen Moment fragte sie sich, warum Hinata nicht furchtbar eingebildet war. Immerhin konnte sie hier wie eine Prinzessin leben. Schon allein dieses Bad war ein Traum. Zwei strahlend weiße Waschbecken mit goldenen Hähnen und einem riesigen Spiegel dahinter, der in einem goldenen, reich verzierten Rahmen an der Wand hing. Eine große Flügeltüre, ganz aus Glas, mit einem weißen Rahmen versehen, führte auf einen kleinen Balkon, der in einem Halbkreis geformt war und Rosen wickelten sich um das leicht gebogene Geländer.

Und dann war da natürlich noch der Whirlpool. Temari vergötterte dieses Teil geradezu. Ihr Vater hielt von solchen Luxusgütern nicht viel, seine Leidenschaft waren Autos – teure Autos. Temari hatte dafür – wie für so viele Dinge, die ihren Vater betrafen – kein Verständnis. Zum Glück schien er diese Vorliebe nicht an seine Kinder weitergegeben zu haben. Zumindest sah Temari nichts in der Art bei sich oder Kankuro – bei Gaara war sie sich da noch nicht so sicher, aber der gab ohnehin nicht besonders viel von sich preis. Doch bei sich selbst war die Sache klar. Sie hatte ihr Herz an ihre unfangreiche Sammlung von Fächern verloren und dabei würde es fürs Erste auch bleiben. Auch wenn sie schon achtzehn war, den Führerschein hatte sie noch nicht gemacht, es war einfach zu viel geschehen in der letzten Zeit.

Und Kankuro… ja, Kankuro hatte seine Puppen. Fingerpuppen, Handpuppen, Schaupuppen. Aus Metall, Plastik, Holz. Seine Sammlung war vermutlich größer, als Temaris. Und beständig kamen neue hinzu. Am liebsten waren ihm Marionetten. Und mit ihnen umgehen konnte er auch, ließ sie tanzen nach seinem Willen, dachte sich Geschichten aus und schrieb sie auf – das wusste Temari aber nur, weil sie zufällig mal eine im Zimmer ihres Bruders gefunden hatte. Davon hatte Kankuro allerdings keine Ahnung und Temari hoffte inbrünstig, dass das auch so bleiben würde.

Die Geschichte, die Temari gelesen hatte, war gut gewesen, sehr gut sogar, voller Gefühl und nicht selten bestanden Verbindungen zwischen Realität und Fiktion. Fast wie eine Art Tagebuch. Seitdem sie die Geschichte gelesen hatte, hatte Temari angefangen, das größte Geheimnis ihres Bruders zu erahnen und mit der Zeit war sie sich immer sicherer geworden. Kankuro hatte es ihr auch irgendwann anvertraut, allerdings erst lange Zeit später.

Beim Gedanken an ihre Brüder war Temaris Laune etwas gesunken. Denn während sie sich hier in Luxus und Wohlbefinden ölte, waren ihre Brüder zu Hause bei ihren Eltern. Hierbei lag das Problem nicht am fehlenden Luxus, der stand immerhin reichlich zur Verfügung. Doch seit einiger Zeit kriselte es in der Beziehung ihrer Eltern… gut, eigentlich hatte es schon so viel gekriselt, dass es inzwischen schon Felsen regnete.

Temari seufzte und ließ ihre Hand über die sprudelnde Wasseroberfläche gleiten. Vielleicht sollte sie mal zu Hause anrufen.

„Temari?“

Durch die Musik aus ihrem MP3-Player drang ein Klopfen an ihr Ohr und Temari schreckte hoch, bevor sie sich daran erinnerte, dass das hier immerhin Hinatas Bad war.

„Kannst reinkommen!“, rief sie Richtung Tür, die gleich geöffnet wurde.

Hinata trug schon ihren Bikini, sie lächelte Temari an, als sie sie sah. Temari wusste, dass sie komisch aussehen musste mit den verstrubbelten, hochgesteckten Haaren, die trotzdem zu allen Seiten abstanden.

„Mir fällt grade auf, dass ich dich noch nie mit offenen Haaren gesehen habe“, meinte Hinata, als sie in den Whirlpool kletterte und sich dann entspannt zurücklehnte.

„Das hatte auch seinen Grund“, brummte Temari und strich sich mit der nassen Hand über ihre Stirnfransen, was deren Zustand allerdings nicht gerade verbesserte.

„Ich bin mir sicher, dass deine Haare…“

„Meine Haare sind ein einziges Desaster! Ich weiß schon, warum ich meine Zöpfe trage!“, entgegnete Temari unwirsch.

„Offenes Haar würde dir sicher gut stehen.“

„Die Betonung liegt auf würde!“

Hinata lächelte und schüttelte den Kopf. „Wir können später ein paar Filme gucken und es uns ein bisschen gemütlich machen, mit Popcorn und so“, wechselte sie das Thema.

„Das klingt zwar gut, aber…“

„Aber?“

„Bedeutet das, ich muss aus diesem Teil hier raus?“

Hinata lachte ihr leises Lachen und Temari kicherte mit.

„Hast du deshalb so lange gebraucht? Weil du das organisiert hast, oder so?“, fragte Temari schließlich.

„Nein.“ Hinata nahm sich gedankenverloren eine Traube, auf einmal schien sie wieder etwas trübsinniger. „Ich musste… etwas mit… mit meinem Onkel besprechen.“

Temari hatte das Zögern bemerkt, aber dieses Mal war sie nicht gewillt, das Thema so schnell wieder fallen zu lassen.

„Dein Onkel? Ist das Nejis Vater?“

Sie sah Hinata deutlich an, dass sie eigentlich nicht darüber reden wollte, aber sie konnte es nicht verstehen. Es war doch nur eine ganz gewöhnliche Frage gewesen. Warum machte Hinata so ein Drama darum?

„Ja, das ist Nejis Vater“, antworte Hinata endlich.

Eine Zeit lang herrschte Schweigen zwischen den Mädchen, nur das Geräusch des Wassers durchbrach, seltsam hohl durch die gefliesten Wände, die Stille.

„Shikamaru ist über die Ferien bei Neji“, meinte Temari schließlich, als sie es nicht mehr aushielt. „Denkst du, er kann an Weihnachten mal herkommen? Er wohnt doch auch hier, oder?“

Hinata starrte ausdruckslos nach draußen, es war nicht möglich, zu sagen, was sie im Moment dachte.

„Er wohnt im Anbau, an der hinteren Seite des Hauses“, antwortete sie schließlich. Noch immer sah sie Temari nicht an. „Vielleicht… nur vielleicht…“

Vielleicht war ganz gut.
 

Ein tiefer, wirklich sehr tiefer Seufzer erfüllte den Raum, als Shikamaru sich auf das Bett schmiss und erst einmal platt liegen blieb.

Neji hätte fast geschmunzelt. Doch dann erinnerte er sich, wo er war. Und ließ es bleiben.

Trotzdem. Es war schon ein ulkiger Anblick.

„Na, dir geht’s gut, oder?“, spottete Neji und lehnte sich an den Türrahmen.

„Hchm“, machte Shikamaru, sein Gesicht war in einem Kissen verborgen.

Neji setzte sich auf einen Stuhl und sah sich im Raum um. Es hatte sich eigentlich nichts verändert, seit er zum letzten Mal hier gewesen war – hätte ihn auch gewundert. Immer noch die gleichen Regale, der gleiche, fast leere Schrank und die schneeweißen Wände. Auch sie waren leer, Neji hielt nicht viel von Bildern oder Postern oder was auch immer sich andere Jungs in seinem Alter an die Wände hängten. Überhaupt war die Einrichtung sehr schlicht – keinerlei Verzierungen, Schnörkel, Dekorationen. Helles Holz, klare Linien, Schlichtheit. Neji sah nicht ein, warum er sein Zimmer groß herausputzen sollte, wenn er ohnehin die meiste Zeit nicht hier war. Und außerdem bevorzugte er Schlichtheit gegenüber unnötigem Schnickschnack.

In den Regalen standen hauptsächlich Bücher. Historik, Lexika, Atlanten, hin und wieder ein Bildband oder ein Reisebericht, seltener etwas über Biologie, manchmal Chemie oder Physik. So etwas las Neji hauptsächlich, nur selten verirrte sich in diese lehrreiche Sammlung ein Roman und dieser war dann meistens historisch und in einer Kriegsepoche. Zudem sahen alle Bücher ziemlich neu aus, immerhin hatte waren sie nur ein Mal gelesen worden – Neji hatte seine Zeit nun mal lieber mit anderen Dingen verbracht, die seiner Meinung nach sinnvoller waren. Es gab nur ein einziges Buch, das aus dieser Masse heraus stach. Und das stand nicht einmal im Regal, sondern war in einer Schachtel unter dem Bett verstaut. Hätte Neji es hervorgeholt, wäre es ziemlich abgegriffen gewesen, der Rücken war sogar gebrochen und in so mancher Ecke war ein Eselsohr. Aber Neji würde es nicht hervorholen, selbst wenn Shikamaru nicht anwesend wäre.

„Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Ein ersticktes Murmeln aus Shikamarus Richtung rüttelte Neji aus seinen Gedanken. Der Nara hatte seinen Kopf auf die Seite gedreht und sah Neji direkt an.

„Wir haben Ferien“, seufzte Shikamaru glückselig. „Keine Schule mehr, kein frühes Aufstehen, kein Aufpassen, keine Hausaufgaben, keine nervige Lernerei…“

„Als ob du so viel lernen müsstest. Dir fliegt doch alles zu“, entgegnete Neji.

Genervt rollte Shikamaru mit den Augen. „Darauf kommt’s jetzt auch nicht an.“

„Dir fällt Schule insgesamt ziemlich leicht“, redete Neji unbeirrt weiter. „Außer vielleicht das frühe Aufstehen. Selbst das Aufpassen hat sich doch verbessert seit du vorne sitzt. Obwohl…“ Er brach ab und grinste hinterhältig.

„Obwohl?“, hakte Shikamaru nach. Sein Gesichtsausdruck blieb dabei unverändert genervt, vermutlich interessierte es ihn sowieso nicht.

„Du sitzt immerhin neben Temari.“

Shikamaru hob eine Augenbraue. „Das ist bescheuert.“

Neji zuckte mit den Schultern. „Ich schwör dir, irgendwann passiert da noch was.“

„Von wegen“, brummte Shikamaru. „Schon mal was von ‚Freundschaft’ gehört?“

„Du sagst doch selbst immer, dass du nicht an Freundschaft zwischen Jungs und Mädels glaubst“, sagte Neji nur und erklärte damit das Thema für beendet. Zumindest fürs Erste.
 

**********
 

Ein Zwischenkapitel, das für den weiteren Verlauf der Handlung zu wichtig ist, um es als ein solches bezeichnen zu können. *no comment*
 

Bis bald dann mal

LG

inkheartop

Was man an Regentagen tun kann

Was man an Regentagen tun kann
 


 

Ein Tag nach Ferienbeginn regnete es immer noch. Die Welt war noch immer in eisige, nasse Schleier gehüllt, anstatt in eine weiße Puderzuckerdecke. Dabei würde doch schon am nächsten Tag Heiligabend sein und wer wünschte sich nicht ‚Weiße Weihnacht’? Aber dieses Jahr würde man wohl darauf verzichten müssen.

Shikamaru sah zum Fenster hinaus, sah dem Regen zu. Das war zwar nicht einmal halb so entspannend wie Wolken beobachten – Regen machte einfach zu viel Lärm –, aber er musste nehmen, was er kriegen konnte. Der Garten der Hyugas wurde förmlich überflutet von den Wassermassen, die da vom Himmel herunterstürzten, vom Grün des Rasens war nicht mehr viel zu erkennen und die sonst so blumigen Gärten erschienen genauso trist und grau, wie der Rest der Welt. Im Frühjahr würde sich das ändern, aber bis dahin musste er mit dieser einfarbigen Einöde Vorlieb nehmen. Trotzdem zog Shikamaru diesen Ort fast jedem anderen vor. Hier herrschte wundervollste Ruhe, die Stille wurde nur vom trommelnden Regen durchbrochen. Es war genau das, was Shikamaru brauchte. Wenn er nachdachte, wenn er Schach spielte oder – so wie jetzt – sich einfach nur ausruhte.

Freilich war das nicht immer und überall so. In den Trainingsräumen des Hauses war es sicher nicht so friedlich und still. Dort war Neji gerade und schlug vermutlich auf einen Boxsack ein, stemmte Gewichte oder machte sonst irgendetwas, um sich abzulenken. Und um seine Wut abzulassen. Denn Neji war wütend, da war sich Shikamaru sicher. Immerhin war er zu einem großen Teil für diese Wut verantwortlich. Dabei war es nur eine unscheinbare, kleine Frage gewesen. Eine Frage, die Neji bis aufs Blut gereizt hatte. Natürlich hatte er nicht irgendwie herumgeschrieen oder so etwas. Nejis Wut war eher… in seinem Inneren. So war Neji nun mal, er musste immer alles in sich hineinfressen. Er sprach nicht über so etwas Banales wie seine Gefühle, er ließ seine Wut stillschweigend ab.

Shikamaru lehnte sich mit der Stirn an die kalte Fensterscheibe und unterdrückte ein Seufzen. Schon war er von der Phase des Ausruhens in die unangenehmere Phase des Nachdenkens gerutscht.

Es war doch nur eine klitzekleine Frage gewesen, vollkommen harmlos. Aber Shikamaru hätte eigentlich wissen sollen, dass es dann doch nicht ganz so ohne Folgen ablaufen würde. War wirklich irgendwie klar gewesen. Und für so was dämliches riskierte er seinen Kopf. Obwohl… wenn er nicht nachgefragt hätte, hätte ihm jemand anderes den Kopf abgehackt. Und vermutlich würde dieser andere Jemand es wesentlich qualvoller machen, langsam und qualvoll und schrecklich.

Jetzt konnte Shikamaru das Seufzen wirklich nicht mehr unterdrücken. In was hatte er sich da nur reinmanövriert? Wie nervig.
 

Draufhauen, immer nur drauf. Und fester und stärker und härter. Immer drauf. Rechts, links. Rechts, links. Immer drauf. Frust ablassen. Wut ablassen. In stillschweigender Disziplin. Immer drauf, nicht nachlassen. Zeige kein Mitleid.

//Nicht nachlassen! Kein Mitleid zeigen! Zeige niemals deine Gefühle! Disziplin! Gehorsam! Absoluter Gehorsam. Absoluter…//

Ein Schrei. Nur ein Schrei. Was wäre an einem Schrei so schlimm? Was war daran eigentlich so schlimm? Nur einmal. Einmal nicht gehorsam sein. Einmal so sein, wie man wollte. Tun, was man wollte. Sein, wie man wollte. Nur ein einziges Mal. Einmal.

Faust. Faust. Kick. Kick. Faust. Kick.

Muskeln fingen zu schmerzen an. Wie lange schon? Noch nicht lange genug. Nie genug. Es ging immer noch mehr. Immer mehr. Immer besser. Nie gut genug. Niemals.

Weitermachen.

Warum war er eigentlich so ausgetickt? War doch ganz normal gewesen. Ganz normal. Und er… er drehte so ab. Warum? War doch ganz normal gewesen. Er durfte nicht noch einmal seine Beherrschung verlieren. Nicht noch einmal. Niemals wieder.

Es war doch eine ganz normale Frage gewesen.

Unverzeihlich. Sein Verhalten war unverzeihlich. Nie wieder durfte so etwas geschehen. Nie wieder.

Eine ganz gewöhnliche Frage. Er wollte sie eben sehen.

Warum eigentlich? War doch auch nur ein ganz gewöhnliches Mädchen. Etwas älter, als die anderen, aber trotzdem ganz normal. Was sah er bloß in ihr.

Eine Freundin. Eine gute Freundin. Nicht mehr? Natürlich. Lang lebe der Sarkasmus.

Vielleicht sollte er ihm diesen Gefallen tun. Immerhin waren sie Freunde. Beste Freunde.

Vielleicht würde es sich einrichten lassen.

Vielleicht… so lange er nicht der Familie begegnete. Nicht, wenn er dabei war. Das wäre so… demütigend.

Was sollte er denn tun?

Verdammt, was sollte er tun? Das Risiko eingehen? Er war sein bester Freund, es musste doch möglich sein… er würde es vermutlich sogar verstehen. Würde nur eine Braue hochziehen, leicht fragend. Würde sich alles selbst zusammenreimen können. Er würde nicht nachfragen. Würde nicht noch tiefer bohren, es noch unerträglicher machen.

Würde er nicht.

Warum also nicht? Was war denn dabei? Warum zögerte er dann noch?

Vielleicht weil…

„Verdammt!“, zischte Neji, schlug noch einmal auf den Boxsack ein, der erbebte.

Warum zögerte er noch? Was war schon dabei?
 

„Och, Mann!“

Ten Ten fluchte verzweifelt und warf wütend die Rolle mit dem Geschenkpapier in die andere Ecke des Zimmers. Gleich darauf folgten Geschenkband, Klebeband und eine Schere. Letzteres hätte sie lieber nicht werfen sollen. Mit einem hässlich dumpfen Domp blieb das Teil in der Türe stecken.

Ten Ten starrte die Schere ungläubig an, dann raufte sie sich die Haare, fiel auf den Bauch und trommelte mit beiden Fäusten auf den Boden ein. Es war doch zum Verrücktwerden. Einmal mehr entfuhr ihr ein Wutschrei.

Erst ein zaghaftes Klopfen ließ sie zur Besinnung kommen und Ten Ten schoss in die Höhe.

„Ten? Was ist los?“

„Warte! Nicht reinkommen! Bleib draußen!“, rief Ten Ten Richtung Tür und kramte dabei hastig in dem Kram auf dem Boden herum. Endlich hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte und stolperte schnell Richtung Kleiderschrank, in den sie das Teil hineinpfefferte. Noch kurz die Haare glatt streichen, ruhig werden und Geschenkpapier und Co. vor sich drapieren. Alles ganz normal aussehen lassen und dann…

„Kannst jetzt reinkommen!“

Sakura steckte den Kopf ins Zimmer und sah sich stirnrunzelnd um, bevor sie eintrat.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie misstrauisch.

„Klar! Natürlich! Was sollte schon sein? Ich packe nur grad Geschenke ein und du darfst deines natürlich noch nicht sehen!“, beteuerte Ten Ten.

„Ach so. Bist du nicht etwas spät dran?“, meinte Sakura.

„Na ja, ich…“, murmelte Ten Ten.

//Ich schieb das immer bis zum letzten Moment auf.//

Sakura beäugte die Dinge, die vor Ten Ten auf dem Boden verteilt lagen und umrahmt wurden von zusammengeknüllten Haufen Geschenkpapier. Dann fiel ihr Blick auf die, wieder geschlossene, Türe.

„Ähm… Ten? Warum steckt eine Schere in deiner Türe?“

„Ups“, machte Ten Ten und verfluchte sich selbst dafür. „Die hatte ich ganz vergessen.“

Auf Sakuras Gesicht schlich sich ein Grinsen und Ten Ten konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Hirn Klick machte.

„Brauchst du zufällig Hilfe?“

„Nein!“ Es klang bissiger, als gewollt.

„Ach, komm schon, Ten Ten! Ist doch nichts dabei!“, versuchte Sakura, sie zu überzeugen.

„Saku, du verstehst das nicht“, seufzte Ten Ten verzweifelt.

„Dann erklär es mir.“

Ten Ten seufzte wieder und ließ sich wieder fallen, diesmal auf den Rücken.

„Sakuraaa! Das ist aber so erniedrigend!“

„Ach, Blödsinn! Du bist eben nur…“

„… eine Niete im Geschenke einpacken!“

„Ich hätte das jetzt nicht so drastisch ausgedrückt, aber… ja!“

„Du munterst mich echt auf“, murrte Ten Ten und richtete sich wieder auf. Ihr Gesichtsausdruck war noch düsterer als zuvor.

„Komm, ich helfe dir“, bot Sakura an. Ten Ten hob sofort abwehrend ihre Hände.

„Nein! Das ist meine Sache! Und es ist ja auch eigentlich gar nicht so schwer“, fügte sie noch hinzu. „Ich schaff das alleine.“

„Du benimmst dich wie ein kleines Kind!“, meinte Sakura.

„Aber du bist perfekt, oder wie?“

„Hab ich das gesagt?“

Missmutig starrte Ten Ten sie an, dann stand sie auf, ging zur Tür und zog mit einem Ruck die Schere aus dem Holz.

„Also gut“, sagte sie plötzlich. Du zeigst mir jetzt einmal wie das geht und dann mach ich es selber!“

Sakura zuckte mit den Schultern, dann griff sie sich das Geschenkpapier und wollte schon eines der Dinge vom Boden aufheben, als Ten Ten doch noch mal dazwischen ging.

„Nein! Das nicht!“

Erst ein wenig verwirrt sah Sakura auf das Ding in ihrer Hand, dann warf sie Ten Ten einen schiefen Blick zu. Sie richtete sich wieder auf und besah sich das Geschenk. Eine CD. Sakura kannte in ihrer Klasse genau fünf Leute, die die Band, die auf dem Cover abgebildet war, mochten. Und sie glaubte auch die Person zu kennen, der Ten Ten diese CD schenken wollte. Und sie wollte es verhindern.

„Ich glaube, ich schenke die hier Naruto“, sagte Sakura und klopfte kurz auf die Plastikhülle. „Der mag die doch auch. Unverständlich, wenn du mich fragst.“ Es sollte so unverfänglich, wie möglich klingen, aber genauso wenig konnte Sakura Ten Tens verzweifelten Blick ignorieren.

„Sakura…“

„Ten Ten! Mach dir nichts vor! Es wird nur noch mehr wehtun! Ich meine… ach, Herrgott! Er empfindet genauso viel für dich, wie für… wie für Tayuya! Du darfst nicht…“

„Sag mir nicht, was ich darf, Sakura!“, meinte Ten Ten energisch. Sie spürte, wie sie wütend wurde. „Du weißt nämlich gar nichts! Er war… er war da! Ende September ist er hergekommen. Er wollte nur die Geschichtshausaufgabe, aber… du hättest ihn sehen müssen, Sakura! Vollkommen durch den Wind und… anders. Einfach anders. Ich… Sakura, ich weiß es einfach!“

Sakura schüttelte den Kopf, suchte kurz nach den richtigen Worten.

„Du glaubst, es zu wissen. Du wünschst es dir. Und – nein, lass mich ausreden! Vielleicht hab ich ihn da nicht gesehen, vielleicht empfindet er für dich doch etwas mehr wie für Tayuya, aber es ist immer noch Neji! Immer noch Neji! Er wird sich nicht so schnell verändern, von heute auf morgen. Denk einfach mal darüber nach, Ten! Willst du einer Illusion hinterher rennen, nur für ein paar glückliche Augenblicke? Nur dafür?“

Sakura blickte noch einmal auf die CD in ihren Händen.

Ein wenig fassungslos war Ten Ten schon. Wie konnte sie…?

„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, meinte Sakura. Sie war schon fast an der Tür, als Ten Ten endlich ihre Sprache wieder fand.

„Du hast doch keine Ahnung, Sakura!“

Sakura drehte sich halbwegs zu ihr um und irgendwie sah sie auf einmal todunglücklich aus.

„Ich wünschte, es wäre so, Ten. Ruf mich, wenn ich dir doch noch helfen kann.“

Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
 

Sasuke sah… grün. Viel, wirklich viel grün. Und gold. Und rot. Alles glänzte und glitzerte und funkelte und leuchtete. Überall hingen Kugeln und Sterne und Lametta. Also, dieses Mal hatte er es wirklich übertrieben!

„Narutooo!!“, stöhnte Sasuke verzweifelt. In diesem Wirrwarr aus Weihnachtsschmuck konnte man ja nicht einmal mehr den Weihnachtsschmuck sehen! Geschweige denn den Übeltäter dieses Horrors hier.

„Sasuke…?“, kam es plötzlich ziemlich gedämpft von… irgendwoher.

„Naruto? Wo bist du? Ich meine… dein Weihnachtsfimmel war letztes Jahr schon schlimm,

aber dieses Mal sieht es aus, als wäre der Schlitten des Weihnachtsmannes explodiert!“, meinte Sasuke und sah sich dabei suchend um. Wo war Naruto?

„Na ja…“ Wieder klang es ziemlich gedämpft. „Ich glaub auch, dass es vielleicht etwas zu viel ist…“

„Etwas???“

Immer noch keine Spur seines besten Freundes.

„Sag mal… wo steckst du eigentlich? Naruto?“, rief Sasuke in den voll gestopften Raum hinein. Dann fiel ihm etwas auf.

„Du bist doch nicht etwa…“

„Wehe du lachst, Uchiha!“, drang es warnend an sein Ohr. „Aber hilf mir gefälligst!!!“

Sasuke konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Wie heißt das Zauberwort?“

„Uchiha!“

„Ich wusste gar nicht, dass ich nach einem Zauberwort benannt bin…“

„Uchihaaa… Bitte!“

„Na, geht doch“, meinte Sasuke und zog an der Tanne, die ebenfalls schon reich geschmückt war, jedoch am Boden lag. Als er dann einen Blick auf die Gestalt warf, die unter dem Weihnachtsbaum lag, konnte er das Lachen nicht mehr zurückhalten.

„Das… das ist das… das absolut blödeste, was ich je gesehen habe!“, brachte er noch heraus, bevor ihn ein Turnschuhbestückter Fuß am Schienbein traf.

„Autsch! Was soll das?“

„Ich hab gesagt, du sollst nicht lachen!“, knurrte Naruto. „Und jetzt hilf mir endlich!“ Bei jedem Wort spuckte er Tannennadeln aus.

„Tut mir leid“, meinte Sasuke. Dann: „Nein, tut es mir nicht, aber das…“ Er unterdrückte mit Mühe einen neuen Lachanfall, als er den Chaoskomödianten von langen Lamettaschlangen befreite. Sehr viel, viel, wirklich sehr viel Lametta. In Rot, Grün, Gold, Silber und Blau. Ein paar Christbaumkugeln hatten sich darin verfangen und fielen klirrend zu Boden und zerbrachen, als Sasuke das Glitzerzeug abwickelte.

„Schade, dass wir das nicht fotografiert haben. Zusammen mit den Tannennadeln sahst du aus wie ein zweiter Weihnachtsbaum. Die anderen hätten sich schlapp gelacht“, grinste Sasuke, als er Naruto endlich befreit hatte.

„Ein Wort und du bist so was von tot, Uchiha! Ich hab auch meinen Stolz!“, brummte Naruto und klopfte sich einige letzte Nadeln vom Pullover. Er sah so finster drein, dass Sasuke es ihm sogar abnahm.

„Was ist eigentlich passiert? Ich meine… würdest du vom Kommando der Weihnachtsschmuckhasser überwältigt, oder so?“

„Hahaha, sehr witzig“, meinte Naruto mit triefendem Sarkasmus. „Ich hab nur den Baum aufgestellt. Und dann sollte noch ein bisschen Lametta dran, aber die verpacken das immer so blöd und das wurde immer mehr und mehr und mehr und plötzlich hatte ich mich total verheddert und dann wollte ich mich befreien, aber ich bin gestolpert und dabei hab ich den Baum umgerissen und der natürlich voll auf mich drauf! Und aufstehen konnte ich dann nicht mehr und mir sind die ganze Zeit Nadeln im Mund gehängt und wenn ich versucht hab, sie auszuspucken, dann…“

Naruto wedelte wild mit beiden Armen in der Luft herum und redete und redete und redete. Gelegentlich musste er dann doch über sich selbst lachen. So war Naruto eben – er konnte einfach nicht lange sauer sein. Es war schon komisch, dass ausgerechnet er Sasukes bester Freund war. Dabei waren sie doch so unterschiedlich. Wie Feuer und Wasser eben. Aber gerade deshalb… gerade deswegen… konnte er sich keinen besseren besten Freund vorstellen. Wenn Naruto da war, dann war er anders. Gelöster, befreiter… fröhlicher. Fast ein anderer Mensch. Selbst mit Neji und Kiba und Shikamaru ging er nicht so um, wie mit Naruto.

//Beste Freunde. Auf ewig… oh Gott, jetzt werde ich auch noch sentimental…!//

Es war schon eigenartig abnormal. Aber mal ernsthaft: Was ist auf dieser Welt auch schon normal?

„…und ich hab echt gedacht, du kommst nie wieder! Und dann wäre ich ewig unter dieser blöden Tanne gelegen und ich wäre gestorben mit Tannennadeln im Maul! Kannst du dir das vorstellen? Und irgendwann hätten sie meine Leiche gefunden und aufgeschnitten und dann hätte der Befund gelautet: Das Opfer wurde von einem Weihnachtsbaum erschlagen. Oder: Das Opfer hat zuletzt Tannennadeln zu sich genommen. Kannst du dir das vorstellen? Kannst du das?“

Sasuke grinste kopfschüttelnd. „Nein, kann ich nicht. Ist vielleicht auch besser so. Sollen wir jetzt diesen gewalttätigen Baum mal wieder aufstellen? Oder hast du noch mehr Unfälle für heute geplant?“

Naruto streckte ihm – in typisch kindlicher Manier – die Zunge heraus. Und schon wenige Minuten später stand der Baum wieder.

„Schmücken?“, fragte Sasuke noch und hoffte auf eine befriedigende Antwort.

„Später“, meinte Naruto.

Das war nicht ganz die erhoffte Antwort, aber zumindest nahe dran.

„Jetzt reden wir mal Klartext.“

Das dagegen klang überhaupt nicht gut. Als Naruto das letzte Mal „Klartext“ hatte reden wollen, war das Ende vom Lied gewesen, dass Neji und er einen Satz hatten auswendig lernen müssen, der mit „Wir sind frauenverachtende Trottel“ begann.

Naruto setzte sich auf einen der Barhocker an der Theke und deutete demonstrativ auf den Stuhl neben sich. Seufzend leistete Sasuke dem Befehl Folge.

„Was ist?“ Reichlich genervt.

„Wo warst du?“

„Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“

„Das soll heißen: Wo warst du? Während ich von der Tanne erschlagen wurde, meine ich.“

Das war unfair. Warum musste er die Sachen, die ihn nichts angingen auch immer sofort bemerken, wenn er doch volle drei Jahre gebraucht hatte, um zu kapieren, dass Hinata in ihn verschossen war.

„Ich war… einkaufen“, seufzte Sasuke geschlagen. Irgendwann würde Naruto es ohnehin herausbekommen.

Naruto schien mit dieser Antwort fast zufrieden.

„Echt? Sehr gut! Hast du das gekauft, was ich dir aufgeschrieben hatte?“

„Jaaa, habe ich. Obwohl ich immer noch nicht verstehe…“

„Solltest du aber. Mädchen mögen so was. Solltest du doch eigentlich am besten wissen, oder? Mr. Casanova?“

Sasuke seufzte wieder und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Aber es ist für Haruno! Haruno! Warum ausgerechnet sie? Warum nicht… Yamanaka?“

Ungläubig stierte Naruto ihn an.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Bist du wirklich so ein Ignorant?“

„Gleichfalls“, knurrte Sasuke zurück, aber Naruto interessierte das nicht.

„Hier also die neuesten Nachrichten für Sasuke Uchiha, damit er nicht ganz so weltfremd bleibt: Ino ist mit Sai zusammen. Und zwar schon seit meinem Geburtstag! Das sind jetzt mehr als zwei Monate! Hast du das wirklich nicht mitbekommen?“

„Vielleicht verstecken sie es gut…?“

„Wie reden hier von Ino Yamanaka!“

„Schon gut, schon gut!“, murmelte Sasuke zähneknirschend. „Dann eben kein Geschenk für Yamanaka. Aber warum dann Haruno?“ Jetzt knallte sein Kopf ergeben auf die Platte der Theke. „Es ist Haruno!!“

„Eben.“

„Und was heißt das jetzt?“

Sasuke schielte Naruto von unten herauf an. Er bekam ein Grinsen zu Gesicht.

„Ihr zwei seid meine besten Freunde! Wäre ganz nett, wenn ihr euch vertragen könntet.“

Zweifelnd hob Sasuke eine Augenbraue. „Vertragen? Ich und Haruno?“

„Jaaa“, meinte Naruto und sein Grinsen wurde unangenehm breiter. „Oder auch mehr.“

Sasukes Blick wurde finsterer, gefährlich.

„Das einzige Mädchen auf dieser Schule, mit dem ich niemals auch nur in die Nähe eines Bettes kommen will, ist Sakura! Dass das klar ist!“

Narutos Grinsen wurde noch breiter, so fern das überhaupt möglich war. „Erstens: Wer hat den gleich mit Sex angefangen? Und zweitens: Warum nennst du sie ausgerechnet jetzt wieder Sakura?“

Ja, zum Teufel! Warum tat er das?
 

„Also gut. Wir gehen hin.“

Shikamaru hob eine Augenbraue, als Neji das so unvermittelt verkündete.

„Wo ist dabei der Haken?“, fragte er. So ganz traute er der Sache noch nicht.

„Nicht heute“, erklärte Neji sachlich.

Gut, damit konnte Shikamaru leben.

„Und wann dann?“

„Übermorgen. Zweiter Weihnachtsfeiertag.“

Das war in Ordnung. Fragte sich nur noch…

„Warum hast du deine Meinung geändert?“

Neji schmiss sich auf sein Bett und starrte unverwandt die Decke an. Es dauerte eine Weile, bis er sprach.

„Es… ist doch eigentlich nichts dabei, oder?“, fragte er, aber Shikamaru kam es so vor, als stellte er diese Frage sich selbst.

„Eigentlich nicht.“

„Es ist nur… ich war noch nie dort, wenn jemand bei mir war…“, murmelte Neji. „Ich wollte eigentlich nicht…“

„Schon gut“, unterbrach Shikamaru ihn. „Du musst nicht drüber reden. Sehen wir es mal als mein Weihnachtsgeschenk an, okay?“

Neji schloss die Augen und er lächelte ein klitzekleines bisschen. Fast unsichtbar. Erleichtert. „Sehen wir es als dein Weihnachtsgeschenk an“, wiederholte er.
 

Der Abend rückte immer näher. Es regnete zwar immer noch, aber bei Sakura kam trotzdem so langsam Weihnachtsstimmung auf. Sie backte Kekse, um die letzten Stunden noch sinnvoll zu bewältigen und dekorierte ein wenig das Haus. Der kleine Weihnachtsbaum, gerade ein Meter hoch, hatte schon am Morgen seinen Platz im Wohnzimmer auf einem niedrigen Tisch gefunden und war auch schon geschmückt. Es würde ein wunderschönes Weihnachten werden – wenn Ten Ten endlich zur Vernunft kam.

Ein wenig verstimmt schlug Sakura die Plätzchenform in die Teigfläche vor ihr und hackte dabei aus Versehen einem Teigrentier den flachen Kopf ab. Sie seufzte auf und beschloss, dass ein Keksrentier ohne Kopf nicht so schlimm sein würde und vielleicht würde eine ordentliche Portion Zuckerguss auch weiterhelfen können.

Aus dem Radio dudelte fröhliche Weihnachtsmusik, doch in diesem Moment war Sakura nicht mehr sonderlich gut gestimmt. Sie mochte Weihnachten. Das Fest der Liebe, des Beisammenseins und so weiter und so weiter… Natürlich waren diese Dinge auch wichtig, aber Sakura empfand es ein wenig anders. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie eine gewisse Zeit lang an jedem wichtigen Fest in eine eigenartige Melancholie verfallen – und hatte versucht, diese unter einem Haufen Arbeit zu begraben. Natürlich hatte es sich nach und nach gebessert, aber ganz verschwunden war es noch immer nicht. Immerhin war sie erst seit etwa vier Jahren eine Waise.

Und seitdem sah sie Weihnachten einfach anders. Sie liebte es, das Glänzen in den Augen ihrer Freunde zu sehen, sie liebte die Lichter, die in dieser Zeit überall leuchteten, sie liebte das Gefühl, nicht allein zu sein.

Dabei war Sakura selbst nie allein gewesen, von Anfang an hatte sie Freunde gehabt. Freunde, die wussten, wie schlecht es ihr manchmal ging. Freunde, die für sie da waren oder sie auch in Ruhe ließen. Freunde, die nie eine Gegenleistung erwarteten. Wahre Freunde. Freunde wie Naruto.

Wieder seufzte Sakura und lauschte kurz dem Geträller aus dem Radio. Sie wusste, dass es auch in dieser Freundschaft mit Naruto Schwierigkeiten gegeben hatte. Meistens kleinere, aber manchmal gab es auch große Probleme, die nicht so leicht unter den Teppich zu kehren waren. Sakura erinnerte sich nur ungern daran. Besonders an ein Erlebnis während der vorletzten Sommerferien, das sie lieber wieder vergessen würde. Aber sie konnte es nun mal nicht ungeschehen machen. Es war passiert und sie musste damit leben, auch wenn es ihr selbst jetzt noch manchmal schwer fiel.

„Es ist jetzt siebzehn Uhr. Zeit für das Wetter. Noch immer schlechte Aussichten auf weiße Weihnachten. Im Süden des Landes…“

Sakura drehte genervt das Radio ab und warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. Dass es mit weißer Weihnacht nichts wurde, das konnte sie selbst sehen.

Sie versuchte angestrengt, nicht wieder ihren trübsinnigen Gedanken nachzuhängen, holte ein Backblech mit Keksen aus dem Ofen und schon ein neues rein. Sie hatte wie so oft viel zu viel Teig gemacht. Sie nahm sich einen Keks und nickte zufrieden. Wenigstens schmeckten sie gut.

„Wenigstens etwas“, murmelte Sakura und begann damit, die Kekse mit klebrig süßem Zuckerguss einzupinseln. Dann noch ein paar Streusel darüber.

„Et voilà!“ Sakura grinste ihr ‚Kunstwerk’ an und klatschte in die Hände. „Das wäre geschafft. Ten wird sich zwar wieder beschweren, dass das alles viel zu ungesund ist, aber…“ Sakura stoppte. Jetzt redete sie schon mit sich selbst. Das war bei ihr meistens das Zeichen für ‚Du machst dir zu viele Gedanken um nichts!’.

Außerdem… Ten Ten würde nur etwas zum Meckern haben, wenn sie endlich aus ihrem Zimmer kam. Und das würde sie erst machen, wenn sie genug Gründe dafür – oder dagegen – gefunden hatte, dass sie Recht hatte.

„Dass mit Neji wird so langsam zu einer fixen Idee“, seufzte Sakura. Ihre Freundin sollte sich diesen Typen wirklich aus dem Kopf schlagen. Egal, was er gesagt oder wie er sich verhalten hatte – Neji blieb Neji. Einer der größten Aufreißer dieser Schule und er würde sich für Ten Ten garantiert nicht ändern. Genauso wenig wie Sasuke sich für irgendjemanden ändern würde.

Bei Naruto sah die Sache allerdings schon anders aus…

Sakura musste lächeln, als sie an das letzte Gespräch mit ihrem besten Freund zurückdachte. Die letzte Begebenheit, als sie allein gewesen waren und einfach nur geredet hatten. Das war erst eine Woche her. Wie Naruto geschwärmt hatte. Und geredet und geredet. Über dies und jenes und noch viel mehr unwichtigen Kram – besonders über Nudelsuppe und deren Zubereitung – und über Hinata. Jeder dritte Satz begann mit „Weiß Hinata eigentlich…?“ oder „Hat Hinata schon…?“ oder „Was macht Hinata…“. Naruto würde sich für Hinata ändern und irgendwie tat er das auch schon. Das war zurzeit das Gesprächsthema Nummer Eins.

Aber es gab schließlich auch noch Gesprächsthema Nummer zwei. Und das lautete: Sasuke. Besonders: Sasuke und Sakura.

Naruto musste immer wieder davon anfangen. Immer und immer wieder. Schon seit ihrem ersten Treffen versuchte er die Wogen zwischen seinen besten Freunden glätten, bislang ohne Erfolg. Sakura wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, dass er sie niemals enttäuschen würde, dass er immer für sie da sein würde. Egal, was auch geschah.
 

Im vorletzten Sommer
 

Die Ferien hatten gerade erst begonnen und Sakura langweilte sich schon schrecklich. Ihre Freundinnen waren alle im Urlaub, überall auf der Welt verteilt. Ino war in die Karibik abgedampft und hatte ihrer besten Freundin versprochen, für sie auch ein paar Typen aufzureißen. Brachte Sakura auch viel, wo sie doch im Internat festsaß. Ten Ten war irgendwo beim Wildwasserrafting in Italien und Hinata saß vermutlich in irgendeiner Ferienresidenz ihrer Familie in Frankreich.

Sakura konnte sich also auf einen langwierigen Sommer gefasst machen. Zumal sie noch nicht einmal jemanden zum Streiten hatte. Denn ausgerechnet in dieser ohnehin schon langweiligen Zeit hatte Sasuke Uchiha sich beim Skaten das Knie zertrümmert – wie, das wusste wohl nur der liebe Gott und der hütete sich genauso darüber zu sprechen, wie das unglückliche Opfer. Und Naruto wusste es anscheinend auch, denn er war dabei gewesen, aber über seine Lippen kam kein Sterbenswörtchen, anscheinend hatte Uchiha ihm mit Mord gedroht. Aber ein breites, wirklich sehr, sehr, sehr breites Grinsen hatte er sich doch nicht verkneifen können, als er Sakura davon erzählt hatte.

Also hieß es diesen Sommer: Sie und Naruto, so gut wie allein im Internat und das auch noch bei Dauerregen. Bedeutete: Endlose Langeweile und sehr viel nerviges, sinnfreies Gelaber, denn natürlich konnte Naruto seine Klappe mal wieder nicht halten.

Sakura hatte es sich bei sich zu Hause auf dem Sofa gemütlich gemacht und zappte durch sämtliche Programme.

„Talkshow, Talkshow, Gerichtsshow, Talkshow, Nachrichten, Soap, Kinderkram, wieder nix, nur Scheißdreck… und noch ne Talkshow… ARGH!!! Ich halte das nicht mehr aus! Sakura!“, flehte Naruto und beendete damit die Aufzählung der Sendungen, die gerade liefen.

„Was soll ich denn machen, Naruto? Bin ich der Wettergott?“, brummte Sakura und stierte in gelangweilter Trance auf den Bildschirm.

„Würde schon reichen, wenn du die Zeit vordrehen könntest“, murmelte Naruto verzweifelt und sah dabei demonstrativ auf die Uhr. „Nur zwei Wochen oder so, dann kommt wenigstens Sasuke wieder aus dem blöden Krankenhaus.“

„Ach? Und ich soll mich dann weiter langweilen, während du und Mister Superskater den leeren Campus unsicher macht?“, entgegnete Sakura und warf mit einem Kissen nach Naruto, der diesem so ungeschickt auswich, dass er vom Sofa fiel.

„Ich mein ja nur“, brummte er.

Sakura seufzte resigniert und heftete ihren Blick wieder auf die Mattscheibe.

„Werbung, na toll!“, rief sie dann und drückte entschlossen den roten Knopf, der das Aus für sämtliche grauenerregende Sendungen und schlecht synchronisierte Werbung bedeutete.

„Mir war noch nie so langweilig!“, stöhnte Naruto und lag nun flach auf dem Boden. „Noch nie in meinem ganzen Leben!“

„Das glaub ich nicht“, entgegnete Sakura zweifelnd. „Was machst du denn immer so mit Uchiha?“

Naruto sah sie unsicher grinsend an.

„Außer Skaten, meine ich“, fügte Sakura hinzu.

„Das willst du nicht wissen“, meinte Naruto nur.

Sakura kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Was, wenn doch?“

„Du willst es zweihundertprozentig nicht wissen!“ Naruto schüttelte bestimmt den Kopf.

„Na ja.“ Jetzt grinste Sakura hinterhältig und ließ Naruto Schlimmes ahnen. „Ich hätte da so meine Mittel, es herauszufinden, wenn du es mir nicht freiwillig sagst!“

Naruto schluckte, schüttelte aber trotzdem weiter den Kopf. „Das sind… Männersachen.“

Sakura lachte auf. Dann wurde es plötzlich sehr still, nur der Regen, der gegen die Scheiben hämmerte, durchbrach das angespannte Schweigen.

Dann sprang Naruto plötzlich auf und wollte die Flucht ergreifen, doch Sakura war schneller. Sie war ebenfalls aufgesprungen und hatte sich mit einem Schrei auf Naruto gestürzt, der unter dem plötzlichen Gewicht einknickte und einigermaßen weich auf dem Wohnzimmerteppich landete. Sakura nagelte seine Handgelenke auf dem Boden fest, indem sie sie über seinem Kopf mit einer Hand festhielt.

„Sakura! Bitte nicht!“, flehte Naruto, doch ihr Griff war eisern, ihr Blick unbarmherzig.

Mit der freien Hand begann Sakura, Naruto zu kitzeln.

„Und? Rückst du jetzt endlich mit der Sprache raus?“, rief Sakura angriffslustig.

„Nie… niemals! Nicht in… tausend Jahren!“, keuchte Naruto, dem vor Lachen schon der Bauch weh tat.

„Ach ja? Ganz sicher?“, grinste Sakura und malträtierte ihn weiter.

„Ga-ganz… sicher!“, brachte Naruto hervor.

Gespielt entrüstet stemmte Sakura eine Hand in die Hüfte. „Das macht so ja überhaupt keinen Spaß!“

Naruto atmete schwer, grinste jedoch. „Wir könnten ja…“

Und plötzlich riss Naruto sich mit ungeahnter Kraft und los und schon kugelten er und Sakura durch den Raum, jeder immer bemüht, die Oberhand zu behalten.

Dann machte es RUMMS und nur wenige Wimpernschläge später folgte ein unangenehmes Klirren.

„Oh…“, machte Naruto und rieb sich den Hinterkopf, mit dem er heftig an einen Beistelltisch geknallt war. „Tut mir Leid, Sakura!“

Die Rosahaarige besah sich stumm den Schaden. Vor ihr lagen die Scherben einer Kristallvase verstreut, glänzten schwach im Licht, wie ein letztes, hoffnungsloses Aufbegehren nach Aufsehen.

„Das war…“, flüsterte Sakura und nahm eine der Scherben vorsichtig in die Hand.

„Sakura, ich…“

„Schon gut… Naruto… es ist… nichts…“ Aber ihrem besten Freund konnte sie nichts vormachen. Und sie wollte es auch gar nicht.

„Das war Mamas Vase… ihre Lieblingsvase… das einzige, was…“ Sakura schluchzte auf. „…kaputt…“, konnte sie noch herausbringen, dann sank sie an Narutos Schulter zusammen.

Etwas hilflos streichelte Naruto ihr über den Rücken und murmelte dabei irgendwelche beruhigenden Worte, einfach alles, was ihm so in den Sinn kam.

„Es… es tut mir wirklich leid, ich hätte nicht… das war meine Schuld… es ist… Bitte hör auf zu Weinen, Saku!“

Das Letzte, was Naruto erwartet hatte, war, dass Sakura auf ihn hörte, sich aufrichtete und sich mit einer heftigen Bewegung die Tränen vom Gesicht wischte.

„Ich werde nicht weinen! Es war nur eine Vase, es war nur eine Vase…!“, redete sie auf sich selbst ein und versuchte, das aufsteigende Brennen in ihren Augen zurückzuhalten.

„Es tut mir echt leid, Sakura!“, beteuerte Naruto noch einmal und wischte ihr mit dem Daumen eine letzte Träne von der Wange.

Blitz.

Es war, als hätte jemand die Zeit angehalten. Als hätte jemand alle Geräusche zum Schweigen gebracht, zum Verstummen, zum endlosen Nichtstun.

Sakura starrte nur in Narutos Augen und er starrte zurück. Blau und Grün, ein Farbenwirbel. Eine Verschmelzung. Die Berührung, eine sachte, kleine Geste, rein freundschaftlich. Ein einfacher Augenblick, geworden zur endlosen Sekunde aus Nichts und wieder Nichts. Die Hoffnung, ein vergangenes Gefühl, zurück blieb nur der Moment, eine Träne, eine Berührung, die sich entwickelte zu einem Kuss. Erst zart, zögernd, suchend. Dann fordernder, verlangender, begehrender. Auf der Suche nach der Erlösung aus dem endlosen Strom der Gedanken.

Wie weit reicht Unendlichkeit?

Auf dem Weg zu Vergessen, auf dem Pfad zu Verlieren. Fort waren Angst und Trauer, jegliches Gefühl glich einem Strom aus Sehnsucht, der auch nicht gestoppt werden konnte durch den leichten Damm der Lust, die sie umschlang.

Zwei Freunde, nur Freunde.

Denn in Wirklichkeit war doch alles nur ein Spiel, ein Traum, eine Idee im Herzen eines mutwilligen Autors, der bereit war, leiden zu lassen und erleiden zu lassen. Eine Geschichte. Mit oder ohne glücklichem Ende.

War dieser eine Moment aus zwiespältigen Gefühlen es wert, das fallen zu lassen, was sie wirklich brauchten? Die wahre Liebe zu finden, oft schwieriger, als von der Spitze eines hohen Berges mit bloßem Auge durch dichten Neben ins Tal zu blicken. Und dabei konnte es doch so einfach sein.

Unendlichkeit kann ewig gehen. Es geht über die Vorstellungskraft eines jeden hinaus.

Ein lautes Glockenläuten. Die gleiche Tonfolge, wie beim berühmten Big Ben in London tönte durch die atemlose Stille und ließ Naruto und Sakura auseinanderschrecken.

Hastig rappelte Naruto sich auf, wich Sakuras ebenso geschocktem Blick aus.

„Ich glaube, ich sollte besser gehen“, nuschelte er noch, dann eilte er aus dem Raum und nur wenige Minuten später hörte Sakura die Tür hinter ihm zufallen. Sie selbst saß immer noch wie erstarrt vor einem Scherbenhaufen. Irgendwie kam ihr das in diesem Moment furchtbar ironisch vor.
 

Und das kam es ihr auch heute noch.
 

Damals, als sie vor den Scherben des letzten Andenkens an ihre verstorbene Mutter gesessen hatte – und gleichzeitig vor den Scherben einer zerbrochenen Freundschaft.

Es hatte volle acht Wochen gedauert, bis die zwei ehemals besten Freunde wieder miteinander gesprochen hatten. Volle acht Wochen, in denen sich Sakura den Kopf darüber zerbrach, wie es nur so weit hatte kommen können. Wegen einem einzigen, verdammten Kuss.

Sie hatte niemandem davon erzählt, nicht einmal Ino und tatsächlich glaubte sie auch nicht, dass Naruto irgendwem etwas erzählt hatte. Bis heute wussten nur zwei Personen von dieser unglücklichen Verkettung von Missständen. Naruto und Sakura. Und dabei sollte es auch bleiben!

Die Situation hatte sich immerhin gebessert. Alles war wieder wie früher – nur Freunde, sonst nichts. Aber so nah, wie damals waren sie sich nie wieder gekommen und irgendwie vermieden sie es auch jetzt noch, allein in einem Raum zu sein, außer wenn es sein musste oder sie sicher waren, dass nichts geschehen würde.

Aber… trotzdem beschlich Sakura manchmal das Gefühl, dass da immer noch etwas zwischen ihnen in der Luft hing. Dieses Gefühl hatte sich seit dem beginnenden Konkurrenzkampf zwischen den Jungs auch noch verstärkt. Was, wenn Naruto…

Sakura schüttelte hastig den Kopf, um diese unsinnigen Gedanken zu vertreiben, aber sie würden wiederkommen, dessen war sie sich sicher. Schon zu oft waren sie wiedergekommen, in den unscheinbarsten Momenten, selbst jetzt, wo Naruto doch so offensichtlich Interesse an Hinata zeigte. Oder gerade deswegen?

In diesem Moment unterbrach das Klingeln der Haustürglocke Sakuras Gedankengänge und ließ sie zusammenzucken. Das hatte sie jetzt irgendwie unangenehm erinnert…

Da Ten Ten mit ziemlicher Sicherheit nicht öffnen würde, ging Sakura seufzend zur Tür, öffnete diese und…

Nichts. Oder besser: Niemand.

Niemand stand da draußen im Regen vor ihrer Haustür und verlangte nach Einlass. Sakura wollte schon stirnrunzelnd wieder die Tür hinter sich schließen und es als einem kindischen Streich abtun, als ihr etwas auffiel.

Auf der Matte am Boden vor der Tür lag ein Paket. Oder eher ein Päckchen. Sauber eingepackt in schlichtes, hellblaues Papier. Ohne Schleife oder sonst irgendeinen Schnickschnack. Sakura hob das Geschenk auf und sah den Zettel, der daran geklebt war.

Sakura stand darauf. Einfach nur ihr Name. Keine Anrede, kein Nachname. Und vor allem: kein Absender.

Sakura beschlich ein dumpfes Gefühl und sie wusste nicht, wie sie es einschätzen sollte.
 

************
 

Irgendwie habe ich einen Narren an Rückblicken gefressen.
 

Hier kam viel weniger vor, als ursprünglich geplant, das wird im nächsten Kapitel nachgeholt.
 

@Schrank, Sayuri_chan7 und alle anderen, die auf SasuxSaku warten: Da war das Kapitel vermutlich grad ne Abschreckung, was? *grins* Ich hoffe, ihr bleibt mir trotzdem weiterhin treu, denn die SasuxSaku-Zeit wird kommen… wenn auch nicht sooo bald. ^^
 

LG

inkheartop

Gefühlschaos

Gefühlschaos
 


 

Das Geschenk lag unter der kleinen Tanne. Sakura versuchte, es zu ignorieren, aber sie erwischte sich immer wieder dabei, wie sie zu dem blauen Päckchen hinüberschielte. Zwei Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum, wie lästige Stechmücken: Was war in dem Päckchen? Wer hat es gebracht?

Und Sakura ärgerte sich darüber, dass sie auf beides noch keine Antwort hatte. Sie hatte das Paket gedreht und gewendet, geschüttelt und gedrückt, hatte gehört und gelinst. Aber nichts hatte ihr ein Ergebnis gebracht.

Einen Trost gab es allerdings: Nach dem Essen würde sie das Geschenk auspacken und dann zumindest eine Frage beantworten können. Unter der Bedingung, dass Ten Ten endlich zu Ende geschmollt hatte. Alleine würde sie garantiert nicht Weihnachten feiern!

„Ten?“, rief Sakura die Treppe hinauf. „Kommst du runter?“

Keine Antwort.

Sakura seufzte und verfluchte mehrmals ihre Freundin und sich selbst.

//Sie ist genauso ein Sturkopf, wie ich!//

Dann schritt sie die Treppe hinauf, betont langsam, vielleicht kam Ten Ten ja doch von selbst. Doch gleichzeitig wusste sie, dass alle Hoffnung umsonst sein würde.

„Ten! Komm raus!“ Sakura klopfte an die Zimmertür und trat dann ohne Abzuwarten einfach ein.

Ten Ten saß halb, lag halb auf dem riesigen Sitzkissen, stierte verbissen ihre Augenlider von innen an und hatte die Musik aus ihrem MP3-Player so laut aufgedreht, dass Sakura den Text in vier Metern Entfernung hätte mitsingen können. Kein Wunder, dass sie Sakura nicht hörte.

Das Mädchen ging energisch auf Ten Ten zu, riss ihr einen Stöpsel aus dem Ohr und brüllte: „ESSEN IST FERTIG!!!“

Ten Ten zuckte heftig zusammen und konnte nur mit Mühe einen Schreckensschrei herunterschlucken, der dann zu einem Hustenanfall mutierte.

Sakura klopfte ihrer Freundin also erst einmal kräftig auf den Rücken und verkniff sich jegliche sonstige Kommentare, bevor Ten Ten nicht wieder gleichmäßig atmen konnte, war sie ohnehin nicht ansprechbar.

„Was… sollte das… denn?“, krächzte Ten Ten, als sie wieder normal Luft holen konnte und rieb sich das ‚demolierte’ Ohr.

„Anders hättest du mich ja wohl nicht gehört“, meinte Sakura spöttisch.

Ten Ten verdrehte die Augen. „Du hättest dir nicht solche Mühe geben müssen“, entgegnete sie. „Ich hab keinen Hunger.“

„Und ich hab keine Lust, dich die ganzen restlichen Weihnachtsferien mit schlechter Laune ertragen zu müssen. Und ich will nicht alleine feiern!“

Ten Ten sprang auf und funkelte Sakura wütend von oben herab an.

„Ich! Ich! Ich!“, rief sie. „Es geht immer nur um dich, Sakura! Immer muss sich alles um dich drehen! Immer denkst du, du hättest Recht. Oh, allwissende Sakura Haruno, du bist so viel besser und größer und gütiger, als ich armes, kleines, unscheinbares Mädchen!“ Ihr Ton war mehr als nur gereizt und triefte nur so vor Sarkasmus.

Sakura sprang jetzt auch auf.

„Ach, so ist das?“, brüllte sie und ballte die Hände zu Fäusten. „So denkst du also von mir?“

Ten Ten schnaubte.

„Nicht nur ich!“, tobte sie. „Jeder denkt so! Du musst dich immer einmischen, willst immer alles besser wissen, immer allen helfen!“ Sie betonte das letzte Wort extra.

„Was denkt ihr denn noch so über mich?“

„Du bist hältst dich für etwas Besseres! Du denkst, alle Jungs fahren auf dich ab! Aber das stimmt nicht.“

Sakura holte tief Luft, um etwas zu erwidern, doch Ten Ten ließ sie erst gar nicht zu Wort kommen.

„Das ist Inos Part, Sakura! Ino ist hier die Superschlampe! Die Schulschönheit! Aber in einer Sache übertriffst du Ino um Längen…“ Sie machte eine eindrucksvolle Pause und fuhr dann so ruhig fort, als säßen sie bei Kaffee und Kuchen. „Und das ist deine Blondheit!“ (nur so: ich hab nix gegen Blonde, ich bin selber eine ^^)

Fast wären bei Sakura die Sicherungen jetzt vollkommen durchgebrannt, aber sie beherrschte sich. Gerade noch so. Ihre Hände zuckten, ihre Augen blitzten.

„So ist das?“, zischte sie, angriffslustig wie nie. „Wenn das deine Meinung ist, Ten Ten, dann renn doch in dein Verderben mit Neji Hyuga! Ich werde dir ab jetzt auch nicht mehr im Weg stehen! Ich habe meine eigenen Probleme!“

Damit rauschte sie hinaus, hörte wie Ten Ten ihr hinterherlief und schrie: „Du tust es schon wieder, Sakura!“

Ohne weiter nachzudenken stürmte Sakura zum Weihnachtsbaum, packte sich das blaue Päckchen, zog sich Jacke und Schuhe an und jagte aus dem Haus.
 

Ihre Kopfhaut juckte. Das war kein gutes Zeichen, dessen war Temari sich bewusst. Dafür gab es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder zog ein Sturm auf, oder jemand, den sie gern hatte, war in Schwierigkeiten. Und beides machte Temari Sorgen.

Ihre Brüder hatten sie früher immer als eine ‚wandelnde Wettervorhersage’ betitelt – bis zu dem Zeitpunkt, als sie entdeckt hatte, dass Fächer auch hervorragende Waffen abgaben.

Anscheinend war ihre Kopfhaut ein Teil ihrer eingebauten Wetterstation und in manchen Fällen durchaus praktisch, aber dafür auch immer wieder sorgenerzeugend. So auch in diesem Fall. Denn Temari wusste, dass Gaara und Kankuro bei ihren Eltern zu Hause Weihnachten verbrachten und hatte deshalb schon ein schlechtes Gewissen gehabt. Sie sollte unbedingt mal bei ihnen anrufen.

„Hina? Kann ich mal euer Telefon benutzen?“

Hinata trug eine schlichte, weiße Bluse mit schwarzen Stickereien und eine einfache, wenn auch sehr teure, schwarze Jeans. Sie band sich gerade die, seit dem Sommer etwas länger gewachsenen Haare zu einem Pferdeschwanz, als Temari in ihr Zimmer platzte.

„Natürlich“, sagte Hinata ruhig. „Nach dem Essen?“

„Danke.“ Temari war ehrlich erleichtert. So würde sie vielleicht in Erfahrung bringen, was ihre Kopfhaut zum Jucken brachte. Oder war es vielleicht doch nur ein herannahender Sturm?

„Du siehst hübsch aus“, meinte Hinata und lächelte, scheu wie immer.

Tatsächlich hatte Temari, einem Rat Hinatas folgend, auch etwas edlere Klamotten eingepackt. Auch wenn sie sich in der schwarzen Bluse, die bis oben hin zugeknöpft war und in dem schmucklosen, dunklen Rock eher wie auf dem Weg zu einer Trauerfeier fühlte, sah sie doch ganz schick aus. Einfach, aber edel, so lautete wohl die Devise.

„Du auch“, gab Temari das Kompliment zurück. Eine Weile lang starrten die zwei Mädchen sich an, dann lächelte Hinata, schüttelte kichernd den Kopf und auf Temaris Gesicht schlich sich ein breites Grinsen.

„Denkst du auch, was ich denke?“, fragte Hinata glucksend.

„Dass ich mich fühle, als wäre ich zu einer Beerdigung eingeladen, oder das andere?“

„Vermutlich beides.“

Temari lachte auf. „Ino würde jetzt die Nase rümpfen…“

„… sich die Haare raufen und ganz laut schreien…“, setzte Hinata fort und dann fiel Temari mit ein: „… ‚Hilfe! Hier wird gerade gesündigt!“
 

Nur eine halbe Stunde später war Hinata nicht mehr zum Lachen zu Mute. Sie saß mit ihrer Familie und natürlich Temari an einer riesigen, gedeckten Tafel und starrte mit eisernem Gesichtsausdruck die Serviettenhalter an. Manchmal wünschte sie sich, Weihnachten wie eine ganz gewöhnliche Familie feiern zu können. Mit einem leicht überladenen Tannenbaum mit elektrischen Kerzen, damit die Katze sich nicht verbrannte, und einem gemütlichen Essen, bei dem gelacht und geredet und vielleicht sogar gesungen wurde.

Aber das würde für eine Hyuga vermutlich ewig ein Wunschtraum bleiben.

Über dem Tisch hing ein glitzernder Kronleuchter, dessen Licht nur spärlich die gedrückte Stimmung erwärmen konnte. Auf der schneeweißen Tischdecke war Geschirr für ein Drei-Gänge-Menü angerichtet worden und am Weihnachtsbaum im Hintergrund hingen genau richtig portioniert die blauen und silbernen Kugeln, umrahmt vom Licht der echten Kerze, denn die Hyugas hatten keine Katze – oder zumindest keine, die ins Haupthaus durfte.

Neben Hinata saß Temari, ebenfalls sehr aufrecht und ungewöhnlich ernst. Ihr gegenüber thronte Hanabi, als wäre sie die Königin der Welt und starrte Temari so verbissen an, als wollte sie ihre Gedanken lesen. Und neben ihrer kleinen Schwester saß wiederum ihre Mutter. Frau Hyuga war ohne Zweifel schön, allerdings auf ihre ganz eigene Art und Weise, um die Hinata sie fast ein wenig beneidete. Ihr Haar fiel ihr in dunklen Wogen über den Rücken, der sanft violette Hosenanzug betonte ihre Figur perfekt und die ebenmäßigen Züge ihres Gesichts strahlten selbst im kühlen Licht des Raumes. Aber am besten gefielen Hinata die Augen ihrer Mutter. Sie waren nicht weiß, wie die ihrer Tochter, sondern funkelten in einem warmen Braun. Sie war eine sehr ruhige Frau, aber dennoch strahlte sie eine unzweifelhafte Würde aus. Hinata ahnte, warum ihr Vater sich ausgerechnet in sie verliebt hatte.

Hiashi Hyuga selbst saß am Kopfende des Tisches und er wirkte wie das genaue Gegenteil seiner Frau. Kalt, abweisend und streng. In seinem weißen Blick lag nichts von der Güte der Mutter, um seinen Mund schien sich nie auch nur das kleinste Lächeln zu bilden. Und wenn, dann galt es sicher nicht seiner Erstgeborenen.

„Nun.“ Hiashi räusperte sich leicht und wandte dann den Blick zu Temari. „Meine Tochter hat mir nie von Ihnen erzählt, Miss…?“

Es sollte wohl höflich wirken, aber in Hinatas Innerem zog sich etwas schmerzhaft zusammen. Er redete, als wäre sie nicht anwesend. Und außerdem: Wie sollte sie etwas erzählen, wenn sie nie zu Hause war? Oder nur mal mit ihrer Mutter telefonierte?

„Das liegt wohl daran, dass ich erst seit diesem Sommer die Schule besuche.“ Es war erstaunlich, wie sicher Temari mit Herrn Hyuga redete. Wie gewählt ihre Worte waren… „Und mein Name ist Temari Sabakuno, Sir.“

Hiashi hob kurz eine Augenbraue.

„Sabakuno? Ist Ihr Vater zufällig…“

„Mein Vater ist ein angesehener Politiker und Bürgermeister meiner Heimatstadt“, erklärte Temari sachlich. „Übrigens möchte ich mich noch einmal herzlich für Ihre Einladung bedanken.“

Hinata erkannte den leicht energischen Unterton und wusste, dass Temari diese Unerhaltung so zwar etwas abrupt, aber einigermaßen höflich für beendet erklärt hatte.

Hiashi runzelte die Stirn, kam aber nicht dazu, noch etwas zu erwidern, denn in diesem Moment kamen einige Angestellte mit großen Schüsseln herbei und das weihnachtliche Festmahl konnte beginnen.

Eine Weile lang herrschte Stille, nur durchbrochen vom Geklapper des Bestecks in den Schüsseln.

„In der Schule läuft alles gut, Mädchen?“

Hinata zuckte kurz zusammen, als die weiche, aber feste Stimme ihrer Mutter das Schweigen brach, doch Hanabi ging sofort darauf ein.

„Der Geschichtsunterricht ist miserabel“, sagte sie. „Die Lehrerin hat die Klasse nicht unter Kontrolle, die tanzen auf den Tischen. Aber Sport ist phänomenal! Durch die Einnahmen beim Weihnachtsmarkt konnte wir neue Geräte kaufen.“

Da sprach die Klassensprecherin. Die Musterschülerin. Hinata hoffte, dass sie mit fünfzehn nicht auch so streberhaft gewesen war. Obwohl… irgendwie veränderte sich ihre kleine Schwester schon etwas. Vielleicht lag es nur an der Pubertät?

„Sehr schön“, meinte Hiashi und nickte zufrieden.

„Was ist mit dir, Hinata?“

Wieder zuckte sie zusammen.

„Ni-nichts beson… nichts Besonderes, Ma“, murmelte Hinata und starrte in ihre Suppe.

„Sieh deine Mutter an, wenn du mit ihr sprichst!“, herrschte ihr Vater sie an und Hinatas Kopf schoss in die Höhe.

„Es war nichts… nichts Besonderes los, Ma“, wiederholte sie, leicht zittrig.

„Red nicht so einen Unsinn!“

Überrascht sah Hinata Temari an, die sie leicht ärgerlich anfunkelte.

„Hinata hat den besten Aufsatz der Klasse geschrieben. Bei einem sehr schwierigen Thema! Selbst das Genie in unserer Klasse – das Genie, das nicht den ganzen Schultag verschläft – war um eine Viertelnote schlechter!“

Hinatas Herz schlug ihr bis zum Hals. Nicht wegen des Komplimentes, sondern weil sie ahnte, auf welches Fiasko diese Unterhaltung zusteuerte.

„Und wer ist dieses Genie?“, hakte Hiashi nach. Sein Blick war bei dieser Nachricht eine winzige Nuance wärmer geworden, doch Hinata wusste, dass das nicht lange anhalten würde.

Temari machte gerade den Mund auf, um zu antworten, als sie ihr zuvorkam.

„Sasuke Uchiha, Vater!“

Temaris Mund klappte wieder zu und sie runzelte die Stirn.

//Bitte, lieber Gott! Mach, dass sie es verstanden hat! Mach, dass sie ihre Meinung zurückhält, nur dieses eine Mal…!//

„Was redest du da, Hina?“

Hinata flehte innerlich, versuchte, Temari wissen zu lassen, dass sie es nicht sagen sollte. Nur dieses eine Mal! Sonst…

„Uchiha ist in Aufsätzen eine Naturkatastrophe! Das sagt Sakura, das sagen alle!“, meinte Temari und verstand anscheinend nicht. Warum verstand sie ausgerechnet jetzt nicht? Normalerweise war sie doch auch nicht auf den Kopf gefallen.

„Es war Neji, Sir. Neji Hyu…“

Erst jetzt schien Temari zu verstehen, aber es war schon zu spät.

Hinata sah ihren Vater nicht an, versuchte, jemand anderen anzusehen. Hanabi schloss mit einem leisen Seufzer die Augen, anscheinend kämpfte sie gegen den Zwang an, den Kopf auf die Tischplatte fallen zu lassen.

Und ihre Mutter umklammerte mit eiserner Entschlossenheit ihr Besteck, als wollte sie sich für den Kampf rüsten.

„Hiashi, bitte…“, murmelte sie eindrücklich, lächelte zwanghaft.

Doch ihr Mann war schon langsam aufgestanden und marschierte fest entschlossenen Schrittes zur Tür.

„Die sollen sich gefälligst etwas mit dem Hauptgang beeilen!“, knurrte er und in seiner Stimme schwang Wut mit. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ging ein Aufatmen und gleichzeitig ein Stoßseufzer durch den Raum.

„Hina, ich wusste nicht…“, begann Temari, kaute nervös auf ihrer Unterlippe. „Das war total bescheuert von mir!“

„Machen Sie sich keinen Vorwurf“, entgegnete Frau Hyuga und lächelte nervös. „Er reagiert nur leicht… erzürnt, wenn der Name eines Mitglieds des Unterhauses fällt.“

„Leicht erzürnt?“ Hanabi schnaubte und endlich glaubte Hinata den Teenager zu sehen, der sie eigentlich war. „Er hat vor Wut gekocht!“

Hinata sagte nichts, spürte nur Temaris Blick auf sich ruhen.

„Was soll das heißen? ‚Unterhaus’?“
 

Seit Jahrhunderten schon existierte in der Familie Hyuga eine Art Rangordnung. Dem erstgeborenen Sohn wurde der größte Teil des Erbes vermacht – und das war nicht nur das Vermögen. Es bestand auch aus dem Ruhm und der Ehre, ein Hyuga zu sein und das Familienimperium zu führen. Da es immer nur einen Sohn gab, der den Namen Hyuga weitergeben konnte, gab es damit auch keinerlei Probleme, denn die Töchter des Hauses erhoben zuerst keinerlei Anspruch. Doch mit der Zeit der Emanzipation konnten bald auch Frauen das Unternehmen leiten.

Aber in solch einer Rangordnung gibt es auch immer Verlierer. Und diese waren in der Familie die jüngsten Kinder, insbesondere die Söhne. Sie waren Ausgestoßene der eigenen Verwandten, hatten keinerlei Anspruch auf das Erbe und zudem auch nie die nötige Aufmerksamkeit der Eltern. Und so konnte aus anfänglicher Bruderliebe Neid werden und aus Neid wurde in späteren Jahren Hass. Und wo Hass zuschlug, schlug Verachtung zurück. So wurden aus Brüdern erbitterte Feinde, allerdings im Stillen, denn kein Laut drang je an die Öffentlichkeit, für die Außenwelt war die Familie Hyuga eine Familie ohne Fehler, ohne Makel.

Aber Zeiten ändern sich und die Zeit der Hyugas änderte sich mit der Geburt der Zwillinge. Die Brüder Hiashi und Hizashi hatten nur wenige Minuten nacheinander das Licht der Welt erblickt, aber Hiashi war der Erstgeborene und somit der rechtmäßige Erbe. Waren sie in frühester Kindheit noch die besten Freunde, so änderte sich das bald und wie schon so viele Generationen zuvor, begann der junge Hizashi seinen Bruder zu beneiden und schließlich zu hassen. Aber Hizashi war niemand, der einfach stillschweigend zusah. Er gründete das so genannte ‚Unterhaus’ und wurde der persönliche Leibwächter seines Bruders. Doch der Hass blieb und die Dienstrolle des Unterhauses wurde schamlos ausgenutzt, wie auch schon in den unzähligen Generationen zuvor. Durch mehrere Umstände begann Hiashi seinen Bruder nicht nur seine Verachtung, sondern nun auch den wachsenden Hass seinerseits, spüren zu lassen – und nicht nur ihn…
 

Noch immer prasselte der Regen auf die Erde und Sakura war vollkommen durchweicht, aber sie spürte weder die Nässe, noch die Kälte, die sich durch ihre Klamotten fraß. In ihrem Kopf tobte ein einziges Chaos, wie ein riesiger Wirbelsturm.

Sie musste rennen, einfach nur rennen. Dabei mit dem Denken aufhören und nur wieder ruhig werden. Sie rannte über den riesigen Campus, lief fast eine volle Stunde, bis sie nicht mehr konnte. Aber die Wut war noch immer nicht verraucht.

Sakura sah sich um und fand sich vor den Wohnungen der Lehrer wieder. Doch sie schienen leer zu sein, immerhin war Weihnachten.

Am liebsten hätte Sakura ihre Wut in den Regen geschrieen und weil niemand in der Nähe zu sein schien, tat sie das auch. Sie schrie den Zorn, brüllte den Ärger in den schwarzen Himmel, bis ihre Stimme nachließ und selbst dann konnte sie mit dem Denken nicht aufhören. Zu tief saßen die Worte, die Ten Ten ihr an den Kopf geworfen hatte.

Du hältst dich für was Besseres!

Tat sie das wirklich? Und wie sollte sie sich diese Frage selbst beantworten, ohne dabei in ihren üblichen Hochmut und ihren Stolz zu verfallen.

„Aber wie heißt es so schön?“, murmelte Sakura und ließ sich auf eine er Bänke nieder, die auf dem ganzen Schulhof verteilt waren. „Hochmut kommt vor dem Fall, Sakura!“

Sie starrte in die dunkle, regenschwere Nacht hinauf und schloss schließlich die Augen, spürte nur noch die Tropfen auf ihrem Gesicht und fühlte eine Leere in sich aufsteigen.

Sollte sie zurückgehen und sich entschuldigen? Sollte sie Ten Ten ermutigen, Neji das Geschenk zu geben, selbst wenn es falsch war?

Sakura fluchte leise und vergrub das Gesicht in den Händen. Warum musste alles immer so schwer sein?

„Das ist nicht fair!“, rief sie verzweifelt.

„Das Leben ist nie fair, Süße.“

Sakura fuhr herum und stierte erschrocken auf die Person, die sich neben sie auf die Bank gesetzt hatte und leicht unbeteiligt Löcher in die Luft starrte.

„Herr… Herr Uchiha…“, stammelte Sakura und war mehr als froh, dass es dunkel war und er nicht erkennen konnte, wie sie rot wurde. „Entschuldigung… ich wollte nicht… ich weiß, dass ich nicht hier sein darf, das hier sind die Wohnungen der Lehrer… ich meine, ich gehe jetzt auch gleich, ich…“

Sakura stand auf und wandte sich schon zum Gehen, als sie spürte, wie jemand sehr bestimmt ihr Handgelenk umschloss.

„Kannst ruhig dableiben, ich verpetz dich schon nicht“, schmunzelte Itachi Uchiha.

„Ähm… danke, Herr Uchiha…“, murmelte Sakura unsicher und setzte sich wieder.

„Du kannst mich Itachi nennen. Immerhin… kennst du meinen Bruder jetzt schon sehr lange.“

Sakura wusste zuerst nicht, ob sie über das schwache Lächeln, das sie durch die Dunkelheit erkennen konnte, erleichtert sein sollte oder doch lieber verängstigt. Sie entschied sich für Ersteres, es gab schon genug Gefühlschaos in ihrem Inneren.

Eine Weile lang saßen sie schweigend nebeneinander, dann sprach Itachi: „Warum glaubst, dass es nicht fair ist? Das Leben?“

„Warum glauben Sie… Entschuldigung… Warum glaubst du, dass es nicht fair ist?“, entgegnete Sakura.

Itachi lachte leise.

„Egal, wie viel Glück man haben kann, es gibt immer einen Haken“, antwortete er nach einer kurzen Pause. „Und was ist jetzt mit dir?“

„Ich hab mich mit meiner Freundin gestritten und… wenn ich jetzt zu ihr gehe, dann ist sie vermutlich immer noch wütend auf mich, aber ich kann ihr doch nicht Recht geben, bei dem, was sie tun will, nur um mich wieder mit ihr zu vertragen!“ Die Worte sprudelten aus Sakura heraus, bevor sie es verhindern konnte und innerlich schlug sie sich die Hand vor die Stirn.

„Es… es tut mir Leid, Herr… Itachi… ich wollte… dich nicht damit belästigen, das ist mein Problem, ich…“, stotterte Sakura und brach dann ab. Es hatte sowieso keinen Sinn mehr.

„Schon in Ordnung, Sakura.“

Erstaunt sah Sakura ihn an. Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet, immerhin war er ihr Lehrer… okay, Referendar, aber er unterrichtete und eigentlich mussten ihn die Probleme einer kleinen Schülerin nicht interessieren.

„Vielleicht ist es ganz gut, wenn deine Freundin ihre eigenen Erfahrungen macht“, meinte Itachi schlicht. „Auch wenn es nicht gut für sie ist, sie wird zumindest daraus lernen.“

„So wie ich sie kenne nicht!“, meinte Sakura und schlug sich jetzt wirklich die Hand vor die Stirn. Warum plauderte sie über die Gefühle ihrer Freundinnen mit einem Referendar?

Itachi lachte nur wieder kurz auf.

„Lass es drauf ankommen. Und… du weißt ja nicht, wie schnell manche Menschen ihre Meinung ändern können“, sagte er. „Da wird aus einer schlechten Entscheidung eine gute, aus rot wird blau, aus Freundschaft wird Liebe…“

„Das vergleichen Sie… vergleichst du mit Rot und Blau?“, fragte Sakura entgeistert. „Liebe ist etwas ganz anderes! Das ändert sich nicht so leicht, das sind tiefe Gefühle! Aus Hass wird genauso langsam Liebe, wie aus Freundschaft! Das braucht Zeit!“

//Liebe und Freundschaft. Freundschaft…//

Plötzlich fiel Sakura das Päckchen wieder ein, das immer noch im Inneren ihrer Jackentasche steckte. Sie spürte Itachis Blick auf sich, als sie es hervorkramte.

„Ein Weihnachtsgeschenk?“, fragte er verwundert. „Von wem ist es denn?“

„Keine Ahnung…“, murmelte Sakura. Dann hielt sie kurz inne. „Das heißt, eine Ahnung habe ich schon…“

„Ach?“

Sakura sah auf und Itachis Lächeln erinnerte sie mit einem Mal furchtbar an das Sasukes. Genauso spöttisch.

„Was ist?“, fragte sie und rückte etwas von ihm weg, misstrauisch. Erst jetzt bemerkte sie, wie nah er war. Aufdringlich.

„Warum machst du es nicht auf, dann hättest du vielleicht Gewissheit.“

„Jetzt?“ Sakura starrte in die Finsternis, spürte den Regen und zum ersten Mal auch die Kälte. „Hier?“

„Warum nicht?“, meinte Itachi schulterzuckend.

Sakura seufzte. Irgendwie hatte er Recht, auch wenn sie sich das Geschenkeauspacken dieses Jahr anders vorgestellt hatte. Ihre Finger zitterten, als sie das Papier auseinander riss. Ob vor Kälte oder doch vor Aufregung, das wusste sie selbst nicht genau.

Eine Schachtel kam zum Vorschein, eingekleidet in dunklen Samt.

„Das ist eine Schmuckschatulle“, murmelte Sakura. Wer schenkte ihr Schmuck?

Sie klappte sie vorsichtig auf und erkannte im spärlichen Licht der Lampen, die auf dem Campus aufgestellt waren, das Schmuckstück.

Es war ein Anhänger für eine Kette. Schlicht und einfach, nur eine kleiner, roter Stein in Form einer Träne. Selbst im schwachen Licht glitzerte er verführerisch.

Itachi pfiff leicht durch die Zähne.

„Hast wohl einen Verehrer, was? Darf ich mal?“

Als Sakura leicht nickte, nahm er den Anhänger vorsichtig aus der Schachtel und betrachtete ihn genauer.

„Da hat wohl jemand sein Erbe geplündert“, murmelte Itachi.

„Was?“, fragte Sakura, doch er lächelte nur.

„Ich meinte nur, auf den ersten Blick müsste das ein Rubin sein. Sicher bin ich mir natürlich nicht, das Licht ist schwach und ich bin kein Experte, aber…“

„WAS?“ Ein Rubin? Wer schenkte ihr so etwas Teures? Es gab nur zwei Personen, die wussten, dass das ihr Lieblingsstein war. Einmal Ino und dann…

„Oh nein“, stöhnte Sakura und warf einen Blick auf den Stein, der immer noch in Itachis Hand lag. War er es? Konnte das wirklich sein? Und, wenn ja: Woher hatte er das Geld?

Ihr Gedankengang wurde unterbrochen, als sie spürte, wie jemand an der Kette um ihren Hals zerrte.

„Was… Itachi? Was soll das?“, fragte Sakura entgeistert.

„Warte kurz.“ Itachi öffnete den Verschluss des Silberkettchens, nahm den billigen Anhänger aus Glas ab und fädelte stattdessen den Rubin auf. Dann legte er Sakura die Kette wieder um.

„Sehr schön.“ Er klang zufrieden.

Unsicher schielte Sakura auf den Anhänger hinunter. Es sah fast ein wenig so aus, als würde sie bluten. Aus dem Herzen? Wie ironisch.

„Ich glaube nicht, dass ich das annehmen kann“, meinte Sakura unsicher und umschloss den Stein mit den Fingern, als sie zu Itachi aufsah.

Der schüttelte tadelnd den Kopf. „Aber du kannst das nicht ablehnen! Da hat sich jemand offenbar Gedanken gemacht oder… findest du den Stein etwa nicht schön?“

„Doch! Natürlich. Es ist nur… ich glaube, ich weiß, wer mir das geschenkt hat und… ich kann das nicht annehmen… nicht von ihm!“

„So? Wer war es denn?“

„Mein bester Freund… Naruto… Er ist…“

„Dieser Chaot?“ Itachi klang ehrlich überrascht. „Wie kommst du denn da drauf?“

„Na ja…“ Sakura zögerte. Sie kannte diesen Mann erst seit einem halben Jahr, sollte sie ihm da wirklich all ihre Geheimnisse erzählen.

„Ihr hattet mal was miteinander.“

Sakura zuckte verräterisch zusammen. Woher wusste er das? Dieser Kerl war echt unheimlich.

„Ist schon ne Weile her“, nuschelte sie undeutlich.

„Aha.“ Mehr sagte er dazu nicht.

Dann stand er plötzlich auf, stellte sich direkt vor sie und sah sie an.

„Sakura, du bist eine sehr intelligente, junge Frau und die Arbeit mit dir macht wirklich Spaß. Im Unterricht und bei den Proben für das Musical. Und ich bin mir sicher, dass du das Richtige tun wirst.“

Itachi drehte sich um, winkte über die Schulter und ging davon.

Er ließ Sakura zurück, die diese Worte zwar beeindruckt, aber auch verunsichert hatten und eigentlich hatten sie ihr auch nicht wirklich geholfen. Aber trotzdem musste sie feststellen, dass sie Itachi mochte, auf eine verquere Art und Weise fand sie ihn zumindest sympathischer, als es Sasuke je sein würde.
 

Normalerweise heulte Ten Ten nicht. Aber heute war Heiligabend, sie hatte sich mit einer ihrer besten Freundinnen gestritten und war mehrere Male mit dem Kopf darauf gestoßen worden, dass ihre Schwärmerei genauso sinnlos war, wie die Hoffnung auf eine Olympiade ohne einen einzigen gedopten Sportler. Aber dummerweise wollte sie das nicht einsehen.

Sie hatte sich viel Mühe gemacht, über Neji hinwegzukommen, nur um dann festzustellen, dass sie immer noch in ihn verliebt war.

Sie saß am Küchentisch, vor sich ein duftendes Essen und zwei Teller plus Besteck, aber sie hatte keinen Hunger. Das alles erinnerte sie nur daran, wie viel Mühe Sakura sich gemacht hatte. Wenn sie daran dachte, wie ihre Kochkünste aussahen…

Doch ihr Hauptaugenmerk lag auf der CD. Und mit dieser stand die unbeantwortete Frage im Raum: Verschenken, ja oder nein? Oder besser: Neji, ja oder nein?

Wütend schlug Ten Ten auf die Tischplatte und ließ die Teller darauf klirren.

Neji war so unerreichbar für sie, so in weiter Ferne, wie der Gipfel des Mount Everest. Und vermutlich war der noch leichter zu erklimmen, als Neji Hyugas Gefühle. Warum machte sie sich also noch Hoffnungen?

Sakura hatte doch Recht. Er würde sie verletzen, so wie er schon viele Mädchen verletzt hatte; er würde ihr das Herz brechen. Ein Mal hatte er es schließlich schon geschafft. Es hatte keinen Sinn, es war doch nur eine alberne Verliebtheit, Schwärmerei. Nichts weiter. Sie würde darüber hinwegkommen, besser jetzt, als später. Und vor allem: Aus eigenem Entschluss. Dieser Schmerz würde schneller vergehen, als wenn Neji ihr das Herz brach.

Ten Ten richtete sich auf, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und sah auf die Uhr. Es war halb sieben.

Entschlossen stand sie auf, nahm sich die CD und ging zum Mülleimer.

„Neji Hyuga.“ Ten Ten kam sich ein klein wenig bescheuert vor, aber was machte das jetzt schon? Sie räusperte sich kurz und fing dann noch einmal an.

„Neji Hyuga. Obwohl wir nie zusammen waren, erkläre ich unsere Beziehung hiermit für beendet. Mögest du in Frieden weiterhin Mädchen in die Kiste ziehen, aber mich kriegst du nicht!“ Damit ließ sie die CD in den Abfalleimer fallen.

//Ten Ten, Sakura wäre stolz auf dich!//
 

Temari starrte die Decke an, als wäre sie das Interessanteste auf der Welt. Ihr Kopf war dankenswerterweise vollkommen leergefegt und deshalb nicht voller verwirrender Familienfehden, verschüchterter Freundinnen und wütenden Vätern. Es gab keine verpatzten Unterhaltungen bei Tisch und keine streberhaften Schwestern, die eigentlich gar nicht so streberhaft waren. Nirgends eine Spur zu sehen von schweigsamen Müttern und verschreckten Dienstmädchen oder von kaltem Kronleuchterlicht und täuschender Fassade.

Was wie ein Märchenschloss aussah, war in Wirklichkeit ein hoher Turm ohne Treppen und Türen, dafür aber bewacht von einem grauenerregenden Drachen. Um den Turm rankte sich eine Dornenhecke, die alles Leben erstickte und giftige Äpfel waren das einzige Nahrungsmittel. Die Kleider waren zwar neu, aber unsichtbar und statt einem rettenden Prinzen, flog die Hexe auf ihrem Besen an, den Kopf gefüllt mit fürchterlichen, grausamen Zaubersprüchen und Hexenformeln.

Seufzend drehte Temari sich auf die andere Seite und sah auf den Wecker, die auf ihrem Nachttisch stand.

Es war noch nicht mal sieben Uhr.

Temari fluchte leise und richtete sich im Bett auf.

Nachdem Hiashi Hyuga aus dem Raum gerauscht war, hatte Frau Hyuga ihr Einblick in einen kleinen Teil der Familiengeschichte gewährt. Als Hiashi nicht zurückgekehrt war, hatten sie ohne ihn weiter gegessen, doch die Stimmung war gedrückt und schließlich hatte Temari Kopfschmerzen vorgetäuscht und war in ihrem Zimmer verschwunden.

Sie kam sich schäbig dabei vor, Hinata im Stich gelassen zu haben, aber sie wusste auch, dass die Freundin es ihr nicht übel nahm. Tatsächlich hatte sie Temari sogar einen Tee ins Zimmer gebracht und gemeint, ihr Vater würde sich jedes Weihnachten nach dem Essen in seinem Arbeitszimmer verschanzen, das wäre nicht ungewöhnliches.

Temari hatte sich schlafend gestellt und Hinata sozusagen gegen eine Wand reden lassen. Dabei hatte sie ihr mit dem Tee sogar noch ein Weihnachtsgeschenk auf den Nachttisch gelegt. Und einen kleinen Zettel dran geklebt: Fröhliche Weihnachten! Hinata. Damit war für Temari klar, dass Hinata es nicht allzu tragisch nahm, dass sie nicht mehr unten geblieben war. Temari war ihr dankbar dafür.

Das Geschenk war in grünes Papier eingewickelt, glänzend. Es war länglich und nicht sehr hoch, eine Schachtel. Als Temari sie öffnete, musste sie lächeln. Ein Fächer mit dunkelrotem Stoff, auf dem ein chinesischer Drache abgebildet war. Auf dem dunklen Holz war das Schriftzeichen für Freundschaft eingebrannt.

Freundschaft. Irgendwie ging es ihr jetzt wieder besser.

Sie griff zum Telefon, das in ihrem Zimmer stand und wählte eine Nummer. Lange Zeit kam nur das Freizeichen und Temari wollte schon auflegen, als ein leises „Sabakuno?“ an ihr Ohr drang.

„Kankuro?“, fragte sie in den Hörer und runzelte die Stirn. „Hier ist Temari.“

„Hi, Schwesterchen!“ Kankuros Stimme war nur gespielt fröhlich, er redete noch immer ziemlich leise.

„Was ist los? Kankuro?“

Lange Zeit Schweigen.

„Warte kurz, ich geh schnell in mein Zimmer.“

Temaris ohnehin schon angeschlagene Stimmung rutschte weiter in den Keller. Was war zu Hause los?

„Temari, ich…“

Kankuro seufzte und Temari konnte sich in diesem Moment gut vorstellen, wie er die Augen schloss.

„Streiten sie wieder?“, fragte sie leise und presste den Hörer fester an ihr Ohr.

Eine kurze Pause folgte, dann fiel Kankuro offenbar ein, dass sie ein Nicken durch den Hörer hindurch nicht sehen konnte.

„Ja. Wieder die gleichen Gründe, wie sonst auch, aber… dieses Mal noch schlimmer.“

Temari seufzte jetzt auch.

„Sag Gaara, dass… Sag ihm, dass er nicht Schuld ist und dass es nun mal so ist, wie es ist und…“

„Glaubst du, dass hätte ich nicht schon längst getan?“, knurrte Kankuro sie an.

Temari biss sich auf die Lippen.

„Tut mir Leid, es ist nur… ich bin etwas durcheinander. Hier geht alles drunter und drüber.“

„Schon gut“, meinte Kankuro. Dann schien er kurz zu lauschen.

„Mist!“, fluchte er. „Sie haben gerade… wie ich Gaara kenne, hat er es wieder gehört.“

„Was? Diese ‚Dein-Sohn-hat-Probleme’-Nummer?“

„Freundlich ausgedrückt, ja.“

Wieder herrschte eine Zeit lang Schweigen.

„Ich sollte bei euch sein“, murmelte Temari dann.

„Quatsch“, brummte Kankuro. „Dann würden sie sich auch streiten und Gaara… er ist auch kein kleines Kind mehr, oder?“

„Schon“, meinte Temari gedehnt.

„Er ist fast sechzehn, Tema! Er ist nicht mehr wie früher.“ Kankuros Stimme drang eindringlich an ihr Ohr, doch Temari war nicht wirklich überzeugt.

„Aber er…“ Sie unterbrach sich selbst, als sie erkannte, dass es ohnehin egal war. Sie würde ihrem kleinen Bruder nicht helfen können.

„Ich kümmere mich um ihn, aber es ist schwierig. Er lässt eben niemanden an sich ran“, meinte ihr Bruder und vor ihrem inneren Auge konnte sie sehen, wie er die Augen verdrehte.

„Er hatte es noch nie leicht und seine Insomnie (Schlafstörung) macht das nur noch schlimmer“, verteidigte Temari ihren kleinen Bruder.

„Ich weiß, ich weiß“, grummelte Kankuro. „Könnten wir vielleicht das Thema wechseln?“

„Wenn du meinst“, kam es säuerlich zurück. „Aber…“

„Tema! Bitte! Es ist Weihnachten…“

Kankuro klang erschöpft und Temari konnte es ihm nicht verübeln. Immerhin verbrachte er die Ferien damit, dafür zu sorgen, dass sich ihre Eltern nicht an die Gurgel gingen. Temari konnte sich schönere Beschäftigungen vorstellen.

„Vielleicht kommt Shikamaru noch vorbei“, murmelte sie, beinahe geistesabwesend bei dem Gedanken. Es war das Erste, was ihr eingefallen war. „Wäre zumindest besser für ihn und seinen faulen Dickschädel!“

Stille am anderen Ende der Leitung. Und zwar so lange, bis es Temari zu blöd wurde.

„Kankuro? Was ist jetzt schon wieder los?“

„Nichts“, lautete die gekeifte Antwort.

Temari zog die Augenbrauen hoch und setzte einen äußerst zweifelhaften Blick auf. Nichts?

„Kankuro? Was ist los?“, wiederholte sie eindringlicher und bekam ein gequältes Seufzen zu hören.

„Es ist nur… dieser Shikamaru…“

Temari spürte, wie sich in ihr ein Funke entzündete. Jetzt war es nur ein Funke, aber…

„Was soll das heißen?“

„Na ja… ich kenne den schon länger, als du und besonders seine Freunde. Ich meine… ich glaube nicht, dass diese… Beziehung… dir gut tut“, stammelte Kankuro unsicher.

Der Funke wurde zu einer Flamme.

„Kankuro…“ Temaris Stimme war verdächtig ruhig. „Shikamaru ist garantiert nicht so…“

Ein Schnauben. Sie glaubte zu spüren, wie ihr Bruder die Schultern straffte, als mache er sich zum Angriff bereit.

„Natürlich“, sagte er sarkastisch. „Und Uchiha ist noch Jungfrau!“

Temari brachte dafür nicht einmal ein Lächeln zustande. Die Flamme wurde ein Feuer.

„Ich mag Shikamaru! Wir sind Freunde, verstanden? Einfach nur Freunde!“, fauchte sie in den Hörer und hörte förmlich, wir Kankuro am anderen Ende zusammenzuckte.

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, meinte Kankuro schließlich zögernd. Wäre es hier nicht um sie gegangen, hätte Temari ihn entweder für ausgesprochen mutig, oder für lebensmüde befunden. „Dieser Kerl… lange geht das nicht gut. Irgendwann wird da mehr draus und du verliebst dich und dann bricht er dir das Herz…“

Das Feuer entfachte einen Flächenbrand. Jetzt war Kankuro zu weit gegangen.

„Seit wann interessiert dich, was ich fühle? Du hast mich in der schlimmsten Zeit alleine gelassen!“, schrie Temari aufgebracht. „Gut, vielleicht warst du eine Weile da, aber dann bist du einfach weggegangen! Einfach weggegangen! Du hast mich im Stich gelassen! Wenn ich mich jetzt verliebe, ist das auch ganz allein mein Problem und du hast dich da nicht einzumischen! Bekomm erst mal dein eigenes Liebesleben auf die Reihe, bevor du anderen…“

Temari stockte und ihre Augen weiteten sich. Es war, als wäre ein Löschflugzeug über ihr inneres Feuer geflogen und hätte es innerhalb von einem Wimpernschlag besiegt.

„Kankuro… ich… so war das nicht gemeint… ich…“

„Schon gut, Temari.“ Seine Stimme klang seltsam heiser und bitter oder lag das nur an der Verbindung?

„Ich wollte wirklich nicht…“, begann Temari von neuem.

„Es ist gut!“, knallte Kankuro ihr entgegen, dann hörte sie, wie er heftig ausatmete. „Es ist gut, es ist gut.“ Die gemurmelten Worte drangen kaum an Temaris Ohr. Sie hatte sich im Bett aufgesetzt und starrte die Wand an, ohne sie richtig zu sehen, lauschte nur den Geräuschen am anderen Ende der Leitung.

„Du… Hast du es ihnen schon gesagt?“ Sie empfand ihre Stimme selbst als gedämpft. Gedrückt, musste man wohl sagen. Oder: Bedrückt.

Kankuro lachte freudlos auf.

„Natürlich habe ich es ihnen schon gesagt, Schwesterherz.“ Der Sarkasmus triefte nur so aus seiner Stimme. „Unsere Eltern stehen kurz vor der Scheidung und dann kommt jemand daher und sagt: ‚Hey, macht euch nichts draus! Eure Tochter wurde vergewaltigt und ist immer noch nicht darüber hinweg, euer Jüngster leidet nicht nur an Schlafstörungen, er bekommt auch sonst sein Leben nicht auf die Reihe und landet im Knast, wenn ihr nicht aufpasst. Und wusstet ihr schon das Neueste? Euer ältester Sohn steht auf Jungs!“

Temari war bei jedem Wort zusammengezuckt und hatte die Augen geschlossen.

„Kankuro“, flüsterte sie bittend. „Es tut mir Leid! Ich hätte nicht so ausrasten dürfen und das war auch eine bescheuerte Frage. Aber… irgendwann…“

„Ich werde es ihnen nie sagen, wenn ich es vermeiden kann“, unterbrach Kankuro sie. „Sie würden es sowieso nicht verstehen.“ Die Bitterkeit sprach aus seinen Worten und Temari wusste, was er meinte. „Es geht nur um seinen Ruf. Den Ruf des angesehen Politikers Sabakuno!“ Er spuckte es förmlich aus. „Mit jedem unserer Erlebnisse, unserer Taten und Einstellungen, verleugnet er uns mehr. Das hat schon vor diesem Perversen angefangen, aber da ist es erst wirklich deutlich geworden. Was für ein Skandal! Die Tochter des Bürgermeisters wurde vergewaltigt! Und als dann die Sache mit Gaara angefangen hat... Er hat das neue Dienstmädchen geschickt, um ihn von der Polizeiwache abzuholen! Er hat einfach irgendwann aufgehört, sich um uns zu kümmern. Er interessiert sich nicht für uns, wir sind die Schande seines Lebens! Er versteht uns nicht. Er hat deine Angst nicht verstanden, er hat Gaaras Selbstzweifel und seinen Hass auf sich selbst nicht verstanden und er wird auch meine Gefühle nicht verstehen! Ich wäre nur ein weiteres, lästiges Anhängsel in seiner politischen Laufbahn, das er gerne aus dem Weg schaffen und vergessen möchte.“

Temari wusste, dass er Recht hatte. Sie wusste es ganz genau. Aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – tat die Wahrheit weh. Denn das hat die Wahrheit nun mal so an sich.
 

*********

Ich habe es getan. Ich habe einen Chara ‚zwangsverschwult’ (das ist übrigens ein überaus bescheuertes Wort!). Für alle, die Shonen-ai nicht mögen: Tut mir sehr Leid! Aber hier geht es um die verschiedenen Wege der Liebe, da passt das einfach.
 

Obwohl jetzt dann Ostern ist, bin ich gerade sehr eingestimmt auf Weihnachten. Was wohl daran liegt, dass es hier schneit. Zumindest ein bisschen. Aber jetzt mal ernsthaft: Warum schneit es jetzt, mitten im März? Anscheinend spielt die Wettermaschine vom lieben Gott ziemlich verrückt, oder unser Planet geht eben den Bach runter…
 

@alle: Vielen, vielen Dank für eure Kommis und Favos und das ganze. Ihr macht mich echt glücklich. Und wenn ich glücklich bin, kann ich besser schreiben ^^ Also noch mal: Danke für 118 Kommentare und 60 Favorisierungen!!!
 

Bis zum nächsten Mal!

GLG

inkheartop

"Miss Hinata" - Nejis Leiden

„Miss Hinata“ – Nejis Leiden
 


 

Es ärgerte sie, dass sie ihren Schlüssel in der Eile vergessen hatte und klingeln musste. Hoffentlich machte Ten Ten überhaupt auf.

Doch alle Sorge war unbegründet, denn schon öffnete sich die Tür und vor Sakura stand Ten Ten.

„Schlüssel vergessen“, murmelte Sakura und drängte sich an ihrer Freundin vorbei.

Im Haus war es warm und gemütlich und seltsamerweise duftete es immer noch nach dem Essen, das Sakura vor etwa zweieinhalb Stunden gekocht hatte.

„Ich hab es in den Backofen gestellt“, meinte Ten Ten und klang ziemlich zerknirscht. „Zum Warmhalten.“

Sakura biss sich auf die Unterlippe und drehte sich langsam zu Ten Ten um. Sie wich ihrem Blick aus und starrte stattdessen lieber auf ihre Socken.

„Ten Ten, ich…“

„Saku...“, begann Ten Ten gleichzeitig.

Sakura grinste schwach.

„Es tut mir Leid!“, sagten beide zusammen.

Erstaunt sah Ten Ten auf. „Warum tut es dir Leid? Ich bin hier die Einzige, die sich entschuldigen muss, ich…“ Weiter kam sie nicht, denn plötzlich fiel Sakura ihr um den Hals.

„Es tut mir wirklich Leid, Ten! Ich hab nur Schwachsinn gelabert. Und du hattest Recht und ich bin so was von egoistisch und du kannst tun, was du willst, auch wenn ich nicht damit einverstanden bin, aber…“

„Jetzt halt aber mal die Luft an!“, fuhr Ten Ten dazwischen und brachte Sakura zum Schweigen. Dann schob sie sie von sich. „Du verbringst zu viel Zeit mit Ino und Naruto. Die sind auch schlimmer als ein Wasserfall!“

Sakura grinste erleichtert. Ten Ten war nicht gerade die Gefühlvollste der Mädchen. Das war ihre Art zu zeigen, dass… Ja, was eigentlich?

„Jetzt zieh dir erst mal trockene Klamotten an. Ich mach Tee, das krieg ich gerade noch hin, ohne die Küche abzufackeln!“, meinte Ten Ten und schob Sakura Richtung Treppe. „Beeil dich!“

Sakura schleppte sich die Treppe hinauf. Wer hätte gedacht, dass Streiten so anstrengend sein konnte? Sie war hundemüde, hungrig und sie fror. Aber trotzdem war sie irgendwie glücklich und zufrieden. Anscheinend hatte sich zumindest ein Problem gelöst.

Sie zog ihren geliebten Schlabberpullover mit der Kapuze und eine Jogginghose an, dazu warme Wollsocken und schon fühlte sie sich wärmer. Inos mahnende Stimme drang in ihr Bewusstsein: ‚Hilfe! Hier wird gerade gesündigt! Saku, wie kannst du dich nur so gehen lassen?’ Aber sie ignorierte sie gekonnt.

Als sie in die Küche kam, stand das warm gehaltene Essen auf dem Tisch und aus einer großen Kanne dampfte der Tee.

„Zucker?“, fragte Ten Ten und schüttelte die Zuckerdose. Sakura nickte und setzte sich an den Tisch.

Ten Ten stellte die Zuckerdose neben die Teekanne, schenkte Sakura und sich selbst etwas von dem heißen Getränk ein und setzte sich. Dann herrschte eine Weile lang Stille, die nur von Ten Tens kurzem Fluchen durchbrochen wurde, als sie sich am Tee die Zunge verbrannte.

„Ten?“, nuschelte Sakura in ihre Tasse und pustete. Die Flüssigkeit kräuselte sich kurz. „Was ist passiert, als ich weg war?“

Das klang so, als wäre sie zehn Jahre nicht da gewesen, fand Sakura, aber sie wusste nicht, wie sie es besser formulieren sollte. Und irgendwie fühlten sich die wenigen Stunden auch wie Jahre an.

„Ich hab nachgedacht“, sagte Ten Ten schlicht und seufzte. „Irgendwie hattest du ja auch Recht, ich meine… ich musste es einsehen. Ich dachte, ich wäre drüber hinweg und das war ich nicht. Mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Ich werde jetzt versuchen, ihn zu vergessen. Endgültig.“ Sie trank etwas und verzog das Gesicht. „Ich hab zuviel Zucker rein gemacht.“

Sakura starrte beklommen die Tischdecke an. Verschwommen erinnerte sie sich, dass Hinata sie einmal mitgebracht hatte.

„Du musst tun, was du für richtig hältst, ich werde dir dabei nicht im Weg stehen“, sagte Sakura schließlich.

„Danke, aber… vielleicht war es ganz gut so“, meinte Ten Ten schulterzuckend. Dann sah sie auf einmal auf und Sakura direkt in die Augen. „Versprich mir, dass du niemandem etwas davon erzählst. Von der ganzen Sache. Ich habe einen Entschluss gefasst, aber… es dauert eben. Es tut nämlich trotzdem irgendwie weh…“ Ihr Blick hatte etwas Flehendes.

Sakura nickte. „Natürlich.“

Wieder schwiegen sie eine Weile, dann stand Sakura entschlossen auf und griff sich die Schüsseln mit den Kartoffeln.

„Ich hab Hunger!“

Ten Ten lachte auf, doch Sakura machte sich nichts daraus. Es stimmte ja und offenbar war alles geklärt.

Sie beugte sich zu Ten Ten, um ihr auch etwas auf den Teller zu geben. Zu spät fiel ihr die Kette ein, die jetzt direkt vor Ten Tens Nase baumelte.

„Saku… was ist das?“, hauchte sie.

„Das? Ja, also…“ Sakura setzte sich verlegen wieder hin. „Ein Weihnachtsgeschenk.“

„Von wem? Ich meine… das Ding sieht saumäßig teuer aus! Wer gibt so viel Geld aus?“

Sakura schob sich eine große Portion Kartoffeln in den Mund. So hatte sie Zeit sich eine Antwort zu überlegen. Und die war dringend nötig, denn sie hatte die Sache mit Naruto schon einer Person erzählt. Und das war eine Person zu viel.

Schließlich schluckte sie das Essen hinunter, atmete noch einmal tief durch, bevor sie antwortete.

„Sasuke“, sagte sie dann und hätte sich selbst gerne die Zunge abgeschnitten. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein? Das würde Ten Ten ihr doch niemals abnehmen!

Tatsächlich runzelte sie die Stirn und sah ziemlich ungläubig aus.

„Sasuke? Der Sasuke?“

Sakura nickte. Jetzt musste sie das auch durchziehen.

„Ja. Das war eine von Narutos komischen Einfällen, uns miteinander zu verkuppeln. Darauf ist er doch schon seit Jahren aus. Also kann man das auch als Narutos Geschenk ansehen.“

Das war jetzt eine dicke, fette Lüge und wenn sie weiterredete, würde sie das noch irgendwann ihren Kopf kosten, aber zumindest ein kleines Fünkchen Wahrheit steckte darin.

„Also Narutos Geschenk?“, hakte Ten Ten noch mal nach und schien darüber irgendwie… enttäuscht?

„Ja! Ganz sicher!“

Oder? Sakura war durch ihre eigene Lüge ins Wanken geraten. Vermutlich wäre es sogar besser, wenn Sasuke ihr den Anhänger geschenkt hätte. Aber es war ziemlich unwahrscheinlich, wenn nicht vollkommen unmöglich. Es war immerhin Sasuke! Aber der Gedanke, dass Naruto ihr dieses Geschenk gemacht hatte, gefiel ihr noch viel weniger.
 

Für Nejis Geschmack vergingen die zwei Tage viel zu schnell und der zweite Weihnachtsfeiertag stand vor der Tür. Und damit auch das Versprechen an Shikamaru und ein äußerst unliebsamer Besuch. So langsam bereute er das Ganze.

Der Morgen verlief noch ganz normal, außer vielleicht, dass Shikamaru dabei war, Nejis eigene Nervosität zu übertreffen. Er raste zwar nicht unaufhaltsam durch das Haus, so wie Naruto, wenn er aufgeregt war, oder begann mit sich selbst zu reden, so wie Sasuke, aber er wirkte anders. Als hätte er Lampenfieber, oder so was.

Das begann schon beim Aufstehen. Um sieben Uhr wachte Neji auf und stellte fest, dass Shikamaru schon wach war und im Schein einer Taschenlampe ein Sudoku löste. Und anscheinend war es nicht das erste. Shikamaru war schon seit zwei Stunden wach!

Beim Frühstück schlief er nicht sofort ein und musste deshalb nicht von Neji aus der Cornflakesschüssel gezogen werden und im Badezimmer hielt er sich verdächtig lange auf. Sogar länger als Sasuke und das, obwohl Shikamaru sein Äußeres eigentlich ziemlich egal war.

Als Shikamaru nach dem Frühstück anfing, jede halbe Stunde auf die Uhr, anstatt wie normalerweise aus dem Fenster, zu sehen, außerdem freiwillig mit den Hausaufgaben, die sie über die Ferien bekommen hatten, anfing und noch nicht einmal meckerte, als Neji seine Stereoanlage voll aufdrehte, wurde es dem Hyuga zu bunt.

„Was ist eigentlich los mit dir?“ Er stellte die Musik wieder ab und zog Shikamaru das Matheheft unter der Nase weg.

„Was soll sein?“, grummelte Shikamaru, ungewohnt gereizt.

„Du benimmst dich nicht normal“, sagte Neji. „Es ist fast, als…“ Er stockte. Warum war er da nicht früher draufgekommen?

„Was ist?“, fragte Shikamaru und starrte ihn genervt an. „Ich dachte, das Thema hätten wir abgehakt.“

Aha. So nervös war er anscheinend doch noch nicht, dass er nicht sehen konnte, was in Nejis Kopf vorging. Eigentlich schade.

„Nara, du hast einen an der Waffel“, meinte Neji schlich und fing sich dafür einen weiteren ‚Ich-bin-genervt-und-das-weißt-du-auch’-Blick ein. „Du wolltest doch unbedingt zu deiner Temari!“

„Sie ist nicht meine…“

„Abstreiten bringt nichts, Nara! Du sitzt hier vor Neji Hyuga!“, unterbrach Neji ihn unwirsch. „Ich stelle dir jetzt ein paar Fragen und du wirst sie einfach mit ‚Ja’ oder ‚Nein’ beantworten.“

Shikamaru verdrehte die Augen und Neji fragte sich, seit wann er so penetrant und nervig sein konnte.

„Also… du bist mit Temari nur befreundet?“

„Ja!“, grummelte sein Gegenüber.

„Du glaubst nicht an eine Freundschaft zwischen Jungen und Mädchen?“

Jetzt dauerte es etwas länger, bis die Antwort kam.

„Nein“, murmelte Shikamaru schließlich ergeben.

„Hast du dich in sie verknallt?“

„Wa-? Nein! Wie oft soll ich das eigentlich noch…“

„Glaubst du, du könntest dich irgendwann in sie verlieben?“, unterbrach Neji ihn.

Shikamaru klappte den Mund auf und zu und erinnerte dabei unangenehm an einen Karpfen. Letztendlich zog er es vor zu Schweigen. Für Neji war das Antwort genug.

„Bist du deshalb nervös?“

Shikamaru wich seinem Blick aus.

Neji konnte sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. So lief der Hase also.

„Du willst dich nicht in sie verlieben, weil du Schiss hast“, grinste er. „Und deshalb hast du auch Schiss jetzt da rüber zu gehen.“

Es war eine neue, aber überaus spaßige Erfahrung, andere zur Weißglut zu treiben und nervig zu sein. Machte Naruto das deswegen immer mit Sasuke?

Shikamaru warf einen Blick auf die Uhr und schien fast erleichtert zu sein, als er sagte: „Können wir jetzt gehen?“

Nejis Grinsen wurde erst breiter – und fiel dann in sich zusammen. Er hatte ganz vergessen, was dieses Treffen auch für ihn bedeutete. Und zwar nichts Gutes. Er hatte ganz vergessen, selbst nervös zu sein.
 

Einmal tief durchatmen, Schlüssel ins Schloss, umdrehen, Türe auf, rein, Türe zu. Hörte sich doch ganz einfach an. In der Theorie. In der Praxis war das noch mal etwas anderes. Etwas völlig anderes.

Neji atmete jetzt schon ziemlich lange tief durch. Der Schlüssel aber lag immer noch in seiner Hand, nur wenige Zentimeter vom Schloss entfernt.

Schon sehr lange war Neji nicht mehr freiwillig hier gewesen. Betonung auf freiwillig. Wenn er ‚gebraucht’ wurde, war er natürlich erschienen, widerspenstig zwar, aber er war gekommen.

Und jetzt?

Die Entscheidung wurde ihm von Shikamaru wortwörtlich abgenommen, als dieser nach dem Schlüssel griff und bevor Neji noch Widerspruch einlegen konnte, war er von seinem besten Freund ins Haus gezerrt worden.

„Ich will nicht ewig vor dem Hintereingang stehen bleiben!“, verteidigte sich Shikamaru auf Nejis finsteren Blick hin und gab ihm den Schlüssel wieder.

„Damit das klar ist“, meinte Neji und sah Shikamaru eindringlich an. „Wir gehen in Temaris Zimmer, du hast eine halbe Stunde Zeit um zu tun, was immer du tun willst und dann verschwinden wir wieder! Keiner wird merken, dass wir da waren und wenn Temari uns verpfeift…“

„Erstens: Temari verpfeift uns nicht. Zweitens: Warum auch? Und drittens: Jetzt halt mal die Luft an! Wir brechen hier nicht gerade in ein Gefängnis ein!“, sagte Shikamaru leise, aber deutlich.

//Wenn du wüsstest…//

Nejis Gedanken wurden mit jedem Schritt, den er weiter in das Haus ging, finsterer. Dieses Haus war ein Käfig. Ein hübscher, goldener Käfig mit Hochsicherheitsstatus. Hier kam niemand ohne Berechtigung rein oder raus. Der perfekte Käfig. Und er war der Vogel. Er konnte zwar hin und wieder fliegen, wenn er im Internat war, aber er würde sein ganzes Leben lang in den Fängen seiner Familie gefangen sein. Kein Entkommen.

„Wo ist jetzt ihr Zimmer?“

Neji zeigte auf eine kleine Treppe, die zu einer einfachen, braunen Tür führte, von der aus man zum Kern des Hauses gelangte.

„Treppe hoch, durch die Halle über die große Treppe in den zweiten Stock und dann die dritte Tür links.“

Shikamaru hob eine Augenbraue. „Ganz sicher? Ich hab keine Lust, in Hinatas Badezimmer zu platzen, oder so.“

Neji nickte. „Ganz sicher. Das ist das einzige Gästezimmer in Hinatas Nähe“, erklärte er kurz. Mehr bekam er gerade nicht raus, zu sehr hatte ihn die übliche Anspannung befallen, die ihn immer überkam, wenn er im Haupthaus war. War wohl eine Art Schutzmechanismus. Und dieses Mal war er sogar noch stärker.

„Dann mal los“, murmelte Neji und schritt auf die Treppe zu.
 

Er war sich immer noch nicht sicher, wie sie es bis hierher geschafft hatten, ohne entdeckt zu werden. So langsam fühlte er sich wirklich wie ein Einbrecher.

Shikamaru und er standen vor der Tür, die in Temaris Zimmer führen musste. Ein letztes Mal sah Neji sich prüfend um, dann nickte er Shikamaru zu und dieser klopfte an die Tür.

Nichts.

Neji biss sich auf die Lippen. Das hatte er nicht bedacht. Was, wenn Temari gerade gar nicht in ihrem Zimmer war, sondern irgendwo anders im Haus oder sonst wo?

Aber Shikamaru hatte auch schon die Tür geöffnet und ihn mit in das Zimmer gezogen. Wie konnte ein Mensch mit einem so hohen IQ nur so blöd sein und nicht einmal nachdenken? Was, wenn…

Temari lag mitten auf dem riesigen Bett, blätterte in irgendetwas herum, das Neji als die Noten für das Musical-Projekt identifizierte und hatte dabei ihre Kopfhörer auf den Ohren. Die Musik war so laut, dass Neji sie bis zur Tür hören konnte. Leise sang Temari das Lied mit und schien überhaupt nicht zu bemerken, dass gerade zwei mehr oder weniger geschockte Jungs in ihrem Zimmer standen. Kein Wunder, dass sie das Klopfen nicht gehört hatte.

Neji sah Shikamaru an, der grinste leicht – und überaus untypisch – und zuckte mit den Schultern.

„Was hast du…?“, begann Neji flüsternd, doch Shikamaru hatte sich schon auf leisen Sohlen auf den Weg zu Bett gemacht. Innerlich fluchend versuchte Neji, zumindest äußerlich die Ruhe zu bewahren. Er redete flüsternd auf Shikamaru ein und versuchte dabei nicht an das heraufnahende Unheil zu denken.

Mit einer plötzlichen Bewegung, die man von dem faulen Nara eigentlich gar nicht erwartete, schmiss sich Shikamaru auf das Bett, riss Temari die Kopfhörer von den Ohren und sagte so leise, dass Neji es kaum hören konnte: „Buh!“

Es war schon schlimm, dass so kluge Menschen ihren Verstand erst so spät einschalteten, fand Neji.

Temari ließ einen Schrei los, der Ino Konkurrenz machte und stoppte erst, als Shikamaru ihr den Mund zuhielt. Jetzt dachte er also an Ruhe?

Shikamaru grinste, als Temari ihn wütend anstarrte und Neji wusste nicht, was schlimmer war: Die heraneilenden Schritte, die auf dem Gang ertönten oder die Tatsache, dass sein bester Freund in Gegenwart dieses Mädchens langsam, aber sicher den Verstand zu verlieren schien.

Als Hinata die Tür aufriss, Neji dieser gerade noch ausweichen konnte und Hinata ebenfalls erstmal kurz und erschreckt schrie, entschied er sich für Ersteres. Schlimmer konnte es kaum noch werden.

„Beruhige dich, Hina. Es ist nur dieser Volltrottel Nara!“, sagte Temari ärgerlich und schob Shikamarus Hand von ihrem Mund weg. „Und Neji!“

Hinata drehte sich zu ihm um und öffnete erstaunt den Mund, um etwas zu sagen, als plötzlich ihr Vater in der Tür erschien und mit zornigem Blick erst seine Tochter und Temari, dann den fremden Eindringling Shikamaru und schließlich ihn – Neji – musterte.

Er hatte sich geirrt – es konnte schlimmer kommen.

„Was hat das hier zu bedeuten? Hinata? Wer ist das? Neji, was tust du hier? Niemand hat nach dir verlangt!“, sagte Hiashi schließlich und Neji versuchte die aufsteigende Wut zu unterdrücken, unter Kontrolle zu behalten. Ruhig bleiben, das war jetzt das Wichtigste!

„Va-Vater… i-ich…“, stotterte Hinata und auf ihrem Gesicht zeichneten sich hektische rote Flecken ab.

„Schweig, Hinata! Ich verlange von ihm eine Antwort!“

Es war demütigend, so demütigend. Er sprach ihn nicht einmal direkt an, er verlangte. Und Neji musste gehorchen, auch wenn er nicht wollte. Er musste einfach versuchen, die Wut zu unterdrücken, den Hass, und die unsicheren, fragenden Blicke Shikamarus und Temaris zu ignorieren.

„Verzeihen Sie mir, Sir“, murmelte Neji und senkte den Blick. „Ich wollte meinem Freund einen Gefallen bereiten. Er wünschte, Miss Sabakuno zu sehen.“

So demütigend, so verdammt demütigend!

„Das wünschte er also? Und was sollte dann diese Heimlichtuerei? Du hast meinen Gast, meine Tochter und mich zu Tode erschreckt!“, knurrte Hiashi und Neji konnte förmlich den Zorn spüren, der von ihm ausging.

Es war so verdammt ungerecht.

„Ich… das war nicht meine Absicht, Sir“, sagte Neji.

„Ach?“ Er lachte kurz, hämisch und kalt auf.

„Vater! Ich bitte dich, er…“

„Sei still, Hinata!“, fuhr ihr Vater sie an und Neji sah aus den Augenwinkeln, wie seine Cousine zusammenzuckte. Sie war noch nie besonders mutig gewesen, immer schreckhaft, besonders vor Hiashi. War ihr das zu verübeln?

„Es war also nicht deine Absicht?“, wandte der Chef der Familie Hyuga sich wieder an ihn.

„Nein, Sir.“

„Und?“

Neji wagte es, kurz den Kopf zu heben. Er wusste, was zu tun, was zu sagen war, aber alles in ihm sträubte sich dagegen. Es war so ungerecht, so unfair. So entwürdigend.

„Was, Sir?“

Er lehnte sich viel zu weit aus dem Fenster, das war ihm klar. Einen wütenden Hiashi Hyuga sollte man unter keinen Umständen auch noch provozieren!

„Du weißt genau, was ich verlange!“ Die Stimme, kalt wie Eis. Kälter noch, als seine eigene, fand Neji. Härter, rücksichtsloser. Und eiskalt.

Neji schluckte. Er sah die Wut, den Zorn vor sich, wie er Wellen schlug, rote Wellen, haushoch, ein flüssiges Feuer, lodernd und gleichzeitig strahlend. Und so kalt. So kalt, dass Neji ein Schauer über den Rücken lief. So kalt.

Hiashi Hyuga war für seine Wut bekannt. Er konnte gut reden, diskutieren, verhandeln. Aber nie lange. Auf Worte folgten sehr schnell Taten. Sehr, sehr schnell.

„Sir…“, presste Neji zwischen seinen Zähnen hervor. Noch stand er knapp vor der Linie, vor der Linie der Taten. Noch konnte er sich vorwagen, nur noch wenige Millimeter.

„Vater, er muss nicht… es ist in Ordnung…“, stammelte Hinata. Sie versuchte ihm zu helfen? Sie, ausgerechnet sie? Die Erbin, die verhasste, verstoßene Erbin? Neji konnte nicht daran glauben und er wollte es auch nicht. Wollte es nicht.

„Halt den Mund, Hinata.“ Dieses Mal klang er ruhiger. Die Ruhe vor dem Sturm, er kannte das schon. Kannte es nur zu gut. Als würde die unsichtbare Linie von selbst auf ihn zukommen.

Neji spürte den eisig feurigen Blick auf seinem Nacken. Es gab kein Zurück mehr. Kurz blickte er auf, ganz kurz nur, als er sich zu Hinata umdrehte. Sie starrte ihn an, die Augen vor Schreck geweitet und er ahnte, dass sie das ebenso wenig wollte, wie er. Aber er wollte nichts davon hören. Er brauchte ihr Mitleid, ihr Mitgefühl nicht. Alles gelogen, alles falsch.

„Ich bitte um Vergebung, Miss Hinata. Es wird nicht wieder vorkommen“, sagte Neji. Es tat ihm fast körperlich weh, die Worte über seine Lippen kommen zu lassen, sie auch nur zu denken. Es war die reine Demut, die reine Folter.

Hiashis Wut wurde blasser, ruhiger, beinahe sanft. Es war so still im Raum, dass sogar Temaris Musik zu hören war. Erst jetzt erkannte Neji das Lied. Der Manteltanz aus dem Musical. Die perfekte dramatische Hintergrundmelodie.

„Schalten Sie das ab, Miss Sabakuno!“, sagte Hiashi zu Temari. Neji spähte zu ihr hinüber. Sie erschien ihm erstaunlich ruhig, als sie mit geregelten Bewegungen die Musik abstellte.

„Was war das für Musik?“, fragte Hiashi. Es war erstaunlich, wie schnell er das Thema wechseln konnte.

„Wir proben in der Schule für ein Musical, Sir“, sagte Temari. Ihre beherrschte Stimme und ihre ruhige Tonlage deuteten auf jahrelange Übung hin. Sie machte das nicht zum ersten Mal. „Wir singen dafür, Shikamaru Nara, Neji und ich.“

Schon wieder spürte Neji Hiashis Blicke auf sich ruhen. Abscheu.

„Singen?“, fragte er leise, aber deutlich. „Das kommt ganz nach deiner Mutter. Und auch sie war es nicht wert, den Namen Hyuga zu tragen.“

Es war zuviel. Viel zu viel. Neji blickte auf, starrte Hiashi direkt ins Gesicht und stellte mit Genugtuung fest, dass er nur unbedeutend kleiner war.

„Wagen Sie es nicht, so über meine Mutter zu reden! Sir!“, setzte er hinzu. Auch das war zuviel. Er war weit über die Linie hinausgeschossen, das wusste er, noch bevor ihn der Schlag traf. Hart, heftig. Als würde ihm der Kopf von den Schultern gerissen.

Neji stolperte zurück, blieb aber auf den Beinen, keuchend. Und voller Hass. Hass auf die Verachtung in Hiashis Augen, Hass auf das erschrockene Gesicht seiner Cousine, auf dem sich aber noch etwas abbildete, das er noch nicht zuordnen konnte. Hass auf die gesamte Familie Hyuga und ihr verdammt verfluchtes System. Und irgendwie hasste Neji im Moment auch sich selbst.

„Du verdienst es nicht, diesen Namen zu tragen. Du bist ein aufmüpfiger, kleiner Bengel, der nicht weiß, wohin er gehört“, zischte Hiashi und Neji fühlte die Verabscheuung. „Deine Mutter war genauso wie du! Und wäre dein Vater nicht mein Bruder, hätte er diese Verbindung niemals entstehen lassen dürfen! Sei also froh, dass du überhaupt existierst!“

„Mit anderen Worten“, flüsterte Neji gehässig. „Ich soll Ihnen dankbar sein? Darauf können Sie bis zu ihrem Tod warten!“

Dieses Mal war er auf den Schlag vorbereitet, aber er war trotzdem so stark, dass es ihn von den Füßen riss. Der Schmerz war so unerträglich, dass er das Brennen in den Augen nur mühsam zurückdrängen konnte. Aber jetzt war ohnehin alles egal.

Neji verschwendete keine weitere Minute und stürmte aus dem Raum. Er konnte es nicht mehr ertragen, diese stickige Luft, angereichert von Wut und Hass und Abscheu, von Angst und Schmerz und Zorn. Von Unverständnis und Klarheit.

Er musste weg von hier. Aber nur weil er das Haus verließ, konnte er den Käfig, der ihn einsperrte, ihn an der Freiheit und am Fliegen hinderte, nicht so einfach hinter sich lassen. Das war einer der Gründe, warum Neji sich selbst hasste.
 

Die Szene war erschreckend gewesen und der Schrecken war selbst dann noch nicht zu Ende, als Neji verschwunden war.

Shikamaru erhob sich, langsam, als überlege er noch, was jetzt das richtige Handeln war. Er stellte sich vor Hiashi, aufrecht, aber nicht überlegen und trotzdem schaffte er es, stolz zu wirken.

Vermutlich hatte Shikamaru mehr verstanden, als Temari.

„Das Eindringen in Ihr Haus war nicht richtig, Sir. Es wir nicht wieder vorkommen“, sagte er direkt und ohne Umschweife. Die perfekte Wortwahl. Sagte nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel.

Kurz drehte er sich noch zu Hinata um. „Sorry, dass wir dich erschreckt haben.“

„Schon… gut“, murmelte Hinata, sie war kreidebleich.

Erst ganz zum Schluss wandte er sich noch an Temari. „Sehen wir uns noch?“

„Klar“, meinte sie schlicht. Damit war genug gesagt.

Shikamaru nickte Hiashi Hyuga zu und ging, nahm den gleichen Weg, den auch Neji gegangen war.

Temari jedoch blieb, sah regungslos auf das Bild von Vater und Tochter, die sich anstarrten wie Wachsfiguren, beinahe leblos. Es konnte nicht lange so gut gehen. Aber dass Hinata zuerst sprechen würde, hätte Temari nicht gedacht.

„Das war nicht richtig, Vater“, sagte sie, so leise, dass Temari sie kaum verstand.

Hiashi schien aus seiner Starre zu erwachen und er blickte seine Tochter an, als wäre sie etwas Fremdes, Unbekanntes, Ungewolltes.

„Du hast nichts zu sagen, Hinata“, antwortete er mit fester Stimme. Genauso hart und kalt wie zuvor bei Neji.

„Doch, das habe ich.“ Es war erstaunlich, wie viel Mut die zierliche Hyuga auf einmal zeigte. Traute man ihr gar nicht zu. „Auch, wenn du es nicht wahrhaben willst.“

In Hiashis Augen blitzten wieder Wut und Verachtung hervor, genauso wie erst wenige Minuten zuvor.

„Willst du dich gegen mich auflehnen?“, fragte Hiashi.

Temari sah das Zittern, das von Hinata Besitz ergriff, als sie antwortete. „Wenn es nötig ist.“

Lange Zeit schwiegen beide, sahen sich an und sahen sich nicht. Temari begriff, dass die Familie Hyuga noch viel zerbrochener war, als ihre eigene.

Ein wenig Verlassenheit schlich sich nun in Hiashis Augen, vermengte sich mit Wut und Zorn und Verachtung. Aber es war viel zu wenig, um wirklich etwas verändern zu können.

„Du bist meine Tochter, Hinata. Du bist die Erbin des Hyuga-Imperiums. Und du hast mir zu gehorchen.“

Hinata zuckte zusammen, wich jedoch nicht zurück.

„Es geht immer nur um das Imperium der Hyugas“, sagte sie bitter. „Wann siehst du es endlich ein, Vater? Manchmal ist das nicht wichtig. Manchmal muss man auf andere Dinge hören. Und du musst endlich begreifen, dass es unwichtig ist, aus welcher gesellschaftlichen Schicht man stammt.“

War das immer noch die Hinata, die beim Essen herumgestottert hatte? Die über ihre eigenen Worte gestolpert war?

Hiashi erwiderte nichts, sein Blick war kalt und leer. Er ging schweigend, aber sein Abgang war stolzer, ungebeugter und beeindruckender, als der Nejis es je sein würde.

Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, blickte Hinata wieder zu Temari.

„Ich wollte nicht… du solltest nie… es tut mir leid…“

Temari schüttelte den Kopf.

„Warum stammelst du jetzt wieder so herum?“, fragte sie ernst. „Das war gerade sehr mutig.“

Traurig lächelte Hinata.

„Nein, das war es nicht. Es war dumm und unüberlegt. Ich habe genau das getan, was man nie tun sollte: Vater reizen, wenn er ohnehin schon wütend ist.“

Ein Schulterzucken war die Antwort.

„Na und?“, fragte Temari. „Du hast nur getan, was du für richtig gehalten hast.“

Hinata seufzte und ließ sich zu Temari aufs Bett sinken.

„Die Verhältnisse in dieser Familie sind kompliziert.“

„Das sind sie in jeder Familie.“

„Ja, vermutlich. Aber… du hast es gesehen…“

„Das habe ich“, bestätigte Temari nachdrücklich. Sie dachte kurz nach, bevor sie weiter sprach. „Neji entstammt also diesem ‚Unterhaus’, richtig? Und dieses wird vom Oberhaus unterdrückt. Mal ganz abgesehen davon, dass sich das hier total in dummen Traditionen verrennt und sich augenscheinlich niemand groß dagegen wehrt… hast du das gerade getan, oder? Du hast dich gewehrt. Du hast Dinge gesagt, die deinem Vater nicht gepasst haben. Anders als Neji, der vor deinem Vater sowieso nichts sagen darf. Aber du hast dich für ihn eingesetzt. Deshalb bist du im Internat, nicht wahr? Weil du deinem Vater im Weg stehst mit deiner Meinung. Weil er dich wegen dieser Meinung für schwach und zu weich hält. Dabei bist du eigentlich unglaublich stark, Hinata.“
 

Shikamaru stand im Türrahmen und beobachtete, wie sein bester Freund auf dieses kleine Buch starrte. Der Umschlag war himmelblau und das Werk war anscheinend schon ziemlich abgegriffen, so viel konnte Shikamaru erkennen. Es lag aufgeschlagen auf Nejis Schoß. Von Neji selbst konnte man nicht viel sehen, er saß leicht nach vorn übergebeugt auf seinem Bett, sein Haar fiel wie ein Vorhang über sein Gesicht und wie ein Vorhang verdeckte er auch alles, was sich dahinter abspielte.

Shikamaru war immer nur der Beobachter gewesen, der Zuschauer. Es lag ihm nicht, in das Geschehen einzugreifen, zu verändern oder gar wirklich mitzuspielen. Er sah lieber zu, er mischte sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten. Vielleicht war es das, was ihn für einige mehr, für andere weniger sympathisch machte. Einige schätzten diese Eigenschaft, andere hielten sie für übertrieben, vielleicht für unnötig, abschätzend. Aber Shikamaru war es egal, was andere über ihn dachten. War es immer schon gewesen. Er war nun einmal der Beobachter, er wollte sich gar nicht einmischen. Jedoch hier, in dieser Situation, wurde er unsicher. War es richtig, immer nur der Beobachter zu sein? Sollte er nicht doch lieber etwas tun, irgendetwas?

Neji begann zu zittern. Es war kein Weinen, das wusste Shikamaru. Neji weinte nicht, niemals. Er wollte, konnte und durfte nicht. Dieses Zittern, dieses Beben, das seinen Körper in Wellen erschütterte, ganz leicht nur, glich eher einem inneren Aufbäumen. Einem stillen Schrei. Einer stummen Träne. Neji war kein Mensch, der seine Gefühle preisgab. Er behielt sie für sich, im Stillschweigen, fraß in sich hinein und er wollte es auch nicht anders. Darum war dieser stille Ausdruck, das Zittern, schon mehr Gefühl, als Shikamaru je von seinem besten Freund gesehen hatte.

„Dad hat sie auf einer Geschäftsreise kennen gelernt.“

Die Worte waren leise, aber deutlich. Und auch in ihnen verbarg sich ein kaum hörbares Zittern.

Shikamaru war nicht überrascht, dass Neji ihn bemerkt hatte. Sie kannten sich schon zu lange.

„Irgendwo in Amerika, Ostküste. Boston, New York, irgendwo da, ich weiß es nicht mehr genau. Sie war Sängerin in einem Club. Kein Nachtclub oder so, sondern ein richtiger Nobelschuppen, ein Restaurant. Er hat mal erzählt, er hätte sie singen gehört und sich in ihre Stimme verliebt. Nur in ihre Stimme. Schon verrückt, nicht?“

Shikamaru beantwortete die Frage nicht. Wie auch? Er wusste ja selbst nicht viel davon. Von der Liebe. Aber er musste es auch nicht.

„Und dann ist er jeden Tag gekommen, jeden Abend. Nur um sie zu hören. Aber er hat nicht den Mut gefunden, sie anzusprechen. Dabei ist er doch sonst so… furchtlos. Am Ende hat doch tatsächlich sie ihn angesprochen. Wollte mit dem Mann sprechen, der sie jeden Abend aus der Ferne anhimmelt. Und da hat es dann richtig gefunkt, glaube ich. Zumindest hat Dad das immer so erzählt. Sie haben sich getroffen. Immer und immer wieder. In diesem Club oder in anderen Restaurants, sie sind tanzen gegangen, oder in den Park.

Aber irgendwann war eben auch diese Geschäftsreise zu Ende, er konnte ja nicht ewig bleiben. Das hat er ihr auch gesagt. Er hat gedacht, sie würde in Tränen ausbrechen oder ihn beschimpfen oder sonst irgendwas machen. Aber so war sie nicht. So war sie nie. So… feminin. Sie hat gerne blöde Witze gerissen, sie hat Shoppen gehasst und Sport geliebt. Und das Singen natürlich. Und da, als er ihr sagte, er müsse bald gehen, da hat sie gelacht. Und gesagt, sie bräuchte auch mal wieder einen Tapetenwechsel. Und Dad… na ja… da haben sie sich angeblich zum ersten Mal geküsst. Und Dad hat sie mitgenommen. Hierher. Natürlich war niemand besonders begeistert. Sie war schließlich nur eine Sängerin aus Übersee. Nichts Besonderes. Nicht gut genug, selbst für jemanden wie… ihn. Aber sie muss wunderbar gewesen sein. Sie war wunderbar. Sie hat es ihnen gezeigt!“

Shikamaru glaubte, ein Lächeln zu sehen. Ein bittersüßes Lächeln.

„Und sie haben geheiratet. Obwohl alle dagegen waren. Ganz schlicht nur, aber mit allen aus der Familie. Und dann ist sie schwanger geworden. Sie waren glücklich, sie beide waren glücklich. Und dann wurde ich geboren. Muss ein ziemlicher Schock für die Familie gewesen sein.“

Es klang bitter.

Eine Weile schwieg Neji, als er weiter sprach klang seine Stimme erstickter.

„Ich kann mich noch so gut an sie erinnern. An ihren Duft, ihre Augen, ihre Bewegungen, ihre Stimme. Besonders an ihre Stimme. Sie hat die ganze Zeit gesungen, den ganzen Tag. Sogar ihr Lachen klang wie eine Melodie. Und sie hat immer versucht, mich auch zum Singen zu bewegen. Hat mir Notenlesen beigebracht und diese ganze Theorie. Aber weiter ist sie nicht gekommen, da habe ich mich geweigert.“

Fast konnte Shikamaru ihn lächeln sehen, durch den Haarvorhang hindurch.

„Aber… es war in der Kirche. Sie sang im Chor, zum Spaß nur, sie war viel zu gut dafür. Und dann… war plötzlich ihre Stimme weg, einfach weg. Sie ist zum Arzt und der hat gesagt, dass sie… dass sie Krebs hat. Am Kehlkopf. Sie hat ewig lange nicht gesungen. Ich glaube, das war das Schlimmste. Dass sie nicht singen konnte. Sie wurde operiert, hatte dann so ein Loch im Hals, selbst Essen und Trinken war schwer. Es war eine schlimme Zeit, natürlich, aber es ging vorbei. Es ging vorbei und sie erschien wieder gesund. Wieder gesund.“

Das Zittern wurde so stark, dass das Buch von Nejis Schoß herunterfiel und mit einem, die Stille zerreißenden Geräusch auf den Boden knallte. Ein Foto glitt zwischen den Seiten hervor. Shikamaru konnte eine Frau erkennen. Sie hatte kurzes, strubbeliges, dunkelbraunes Haar, ein fein geschnittenes, ovales Gesicht, aus dem grün-blaue Augen hervorblitzten und leicht abstehende Ohren. Sie lachte und entblößte einen kleinen, silbernen Stein auf ihrem rechten Schneidezahn, auf ihrer Schulter war ein Teil einer Tätowierung zu sehen, die sich auf dem Rücken fortsetzte. Sie war noch ziemlich jung und wohl auch wild gewesen. Und vor allem schön, auf ihre ganz eigene Weise. Neji sah ihr überhaupt nicht ähnlich.

„Als ich… neun war, vielleicht auch zehn, da… da ist der Krebs wiedergekommen. Aber dieses Mal war es in ihrer Brust und… eigentlich ist er nicht wiedergekommen, der Tumor war die ganze Zeit schon da, sie haben es nur nicht gesehen… ich hab mich noch monatelang gefragt, wie die Ärzte so etwas übersehen konnten. Ich frage es mich heute noch.“

Am liebsten hätte Shikamaru die Zeit zurückgedreht und wäre einfach unwissend geblieben. Er wollte es nicht mehr hören. Noch nie hatte Neji so viel von sich erzählt, von seiner Vergangenheit, die er sonst in eisiges Schweigen hüllte. Und vermutlich hatte er noch nie mit jemandem darüber geredet. Aber irgendwann musste es nun mal raus. Und Shikamaru war eben gerade da, um zuzuhören. Und er würde weiterhin zuhören, einfach nur, um da zu sein.

„Ich… ich war fast elf, als sie starb. Am 20. Mai. Sie hat geschlafen. Und sie hat eben einfach etwas länger geschlafen.“

Zum ersten Mal strich Neji sich das Haar aus dem Gesicht und sah Shikamaru an, sah ihn direkt an. Seine Augen waren gerötet, er weinte. Neji weinte. Stumm allerdings, ohne jegliche Schluchzer. Die Tränen kamen einfach, schienen nicht aufhören zu wollen. Shikamaru hatte ihn noch nie weinen sehen.

„Ich hab mir das Singen selbst beigebracht. Mit dem Buch. Sie hat es mir mal geschenkt und ich dachte, sie wäre vielleicht noch irgendwie in dem Buch, ihre Seele oder so was. Und ich hab mir vorgestellt, wie sie mich unterrichtet, durch das Buch.“

Neji wandte wieder den Kopf ab, sah zum Fenster hinaus.

„Sie wollte immer, dass ich singe. Deshalb habe ich damit angefangen. Aber ich habe es geheim gehalten. Vor Vater, vor meinem Onkel, vor allen. Nur Hinata wusste davon. Sie hat mich mal… erwischt. Beim Üben. Aber sie hat nichts gesagt, sie hatte Angst. Ist eingeschüchtert, verschreckt. Bis heute wusste es niemand. “

Shikamaru unterdrückte ein Lächeln. Das war wieder der Neji, den er kannte. Mit einem verächtlichen Tonfall und viel zu viel Hochmut. Wenn auch die Tränen dieses Bild etwas zerstörten.

„Ich habe sie sehr… geliebt“, murmelte Neji. „Ich habe sie so vergöttert.“
 

**********
 

Die Idee dazu kam mir schon vor einer ganzen Weile und wie immer ziemlich spontan. Trotzdem fiel es mir ziemlich schwer, besonders der Teil mit Hiashi. Dafür war der letzte Abschnitt über Nejis Mutter wieder sehr leicht.
 

Ich hoffe, die Neji-Fans da draußen bringen mich jetzt nicht um für das, was ich Neji da antue. Und noch antun werde…
 

Man liest sich!

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Liebe, Freundschaft, Hass

Liebe, Freundschaft, Hass
 


 

Zu schnell verging sie, die Zeit. Flog dahin und die ersten, zu früh gestarteten Raketen erinnerten Sakura mit nervender Regelmäßigkeit an ihr Versprechen an Naruto. Dass sie zusammen Silvester feiern würden. Das war ja auch eigentlich selbstverständlich. Aber Sakura fürchtete sich beinahe vor diesem Treffen. Denn dann würde sie Naruto sehen, er würde die Kette sehen, würde sich Hoffnungen machen und… und…

Und vermutlich dachte sie einfach mal wieder viel zu viel nach. Schließlich konnte sie die Kette auch einfach zu Hause lassen. Und ihren besten Freund damit zu Tode kränken, ihn verletzen, ihn in den Selbstmord treiben…

Ja, sie machte sich eindeutig zu viele Gedanken!

„Hör einfach auf mit dem Denken, Sakura! Hör einfach auf damit!“

„Wer soll womit aufhören?“, fragte Ten Ten plötzlich. Sie war unbemerkt in Sakuras Zimmer getreten und sah ebenfalls ziemlich verstimmt aus. „Ino könnte damit aufhören, an anderer Leute Kleidungsstil herumzumäkeln!“

Sakura sah sie fragend an, auch wenn sie irgendwie denken konnte, was geschehen war. Inos Weihnachtsgeschenke waren angekommen.

„Hat sie dir schon wieder Klamotten geschenkt?“, fragte Sakura.

Ten Ten starrte sie finster an.

„Und eine Karte. Wie wär’s, wenn du das beim Karnevalsball anziehst? Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch, Ino!“, zitierte Ten Ten mit spöttisch zorniger Stimme.

„Sie… meint es eben gut…“ Sakura konnte selbst nicht wirklich an ihre Worte glauben.

Ten Ten stand auf und ging, kurz darauf kam sie wieder und packte aus einer überdimensional großen Schachtel etwas aus. Ein Kleid. Feuerrot, goldene Ornamente in Form von Blüten und ein großer Drache in chinesischem Stil.

„Sieht doch gut aus.“ Dieses Mal war es sogar ernst gemeint.

„Natürlich sieht es gut aus!“, herrschte Ten Ten sie an. „Aber sie soll trotzdem damit aufhören, mich verkleiden zu wollen! Da war übrigens auch ein Päckchen für dich.“ Sie schmiss Sakura ein kleines, handliches Paket zu, eingewickelt in rosarotes Papier mit einer leicht zerdrückten, roten Schleife.

Sakura wusste, was darin war, aber trotzdem versetzten sie die winzigen Anhänger jedes Jahr aufs Neue in Erstaunen. Es war zu einer Tradition geworden, dass Ino und Sakura sich zu jedem Weihnachtsfest einen kleinen Anhänger für ein Armband schenkten. Sakura hatte sich in diesem Jahr für eine Feder entschieden, in dem kleinen Paket für sie selbst, fand sie eine winzige, filigran gearbeitete Blume.

„Sie hat mir sogar eine Maske geschenkt!“, brummte Ten Ten und hielt sich eine Maske vor, die ihr Gesicht zur Hälfte verdeckte. Sie war im gleichen Stil gehalten, wie das Kleid.

„Dieses Jahr ist das Thema für den Ball doch ‚Venezianisches Fest’“, erinnerte sich Sakura. „Da passt das doch.“

Ten Ten zuckte ergeben mit den Schultern. „Ich könnte wetten, dass Ino sogar den Jungs Geschenke gemacht hat, so wie die immer mit ihrem Geld protzt!“, murmelte sie, als sie Maske und Kleid wieder in die Schachtel packte.

„Ich wollte sie sowieso noch anrufen“, meinte Sakura.

„Dann sag ihr, dass ich ihr die Pest an den Hals wünsche… oder besser: Einen riesigen, eitrigen Pickel auf die Nase!“, brüllte Ten Ten, die schon wieder in ihrem Zimmer war.

Sakura lachte. Es war schon eigenartig, dass sie die meiste Zeit so friedlich zusammenleben konnten. Dabei hatten die fünf Mädchen vollkommen unterschiedliche Meinungen und Einstellungen, das merkte man besonders an Ten Ten und Ino. Die lässige Sportskanone und der gestylte Modefreak.

Sakura schnappte sich das Telefon, wählte Inos Nummer und wartete.

„Yamanaka?“ Die tiefe Stimme von Inos Vater ertönte am anderen Ende.

„Hallo, hier spricht Sakura, könnte ich bitte mit Ino sprechen?“

„Natürlich, Sakura, warte kurz.“

Ein Rauschen ertönte, dann klickte es kurz und wieder erklang eine Stimme. Höher dieses Mal und gehetzt.

„Ja? Sai, bist du’s?“

„Nein, hier spricht nicht dein Liebster, hier ist deine liebste Freundin!“, begrüßte Sakura ihre Freundin. „Die du ziemlich lange vernachlässigt hast!“ Es sollte eigentlich nicht vorwurfsvoll klingen, aber Sakura konnte nichts dagegen tun. Schon seit fast zwei Wochen hatte Ino sich nicht gemeldet.

„Saku? Oh, tut mir Leid! Ich bin voll im Stress. Mama und Pa haben Probleme in der Firma und dann die ganzen Verwandtenbesuche. Und Sai hat sich auch noch nicht bei mir gemeldet, obwohl er mein Geschenk schon seit einer Woche haben müsste. A propos: Sind eure Geschenke endlich angekommen? Ich schwöre dir, irgendwann verklag ich diese lahme Postgesellschaft!“

Ino schien endlich Luft zu holen, denn es herrschte Stille.

„Jajaja, Sie haben vielleicht Probleme, Miss Yamanaka!“, grinste Sakura. „Die Geschenke sind heute angekommen. Und ich soll dir von Ten Ten die Pest auf die Nase… ähm… Pickel auf den Hals… ach, egal. Ten wünscht frohe Weihnachten!“

Ino fluchte kurz. „Ich hätte doch das blaue Kleid nehmen sollen, nicht? Aber ich dachte…“

„Ino, ist doch egal! Ten hätte sich das Kleid gerne selbst ausgesucht, so sieht’s aus!“, erklärte Sakura.

„Ach ja? Weißt du noch, letztes Jahr? Thema: ‚Farben der Nacht’. Diese schwarze Spitze sah so…“

„Ino, bitte! Ten Ten hat das Kleid ja gefallen, aber nächstes Mal lässt du es einfach, okay? Wäre für uns alle besser!“, fuhr Sakura dazwischen.

Ino seufzte. „Auf deine Verantwortung!“
 

Es war gar nicht so leicht, die beste Freundin am Telefon abzuwimmeln, wie Ino feststellen musste. Aber sie konnte ja eigentlich auch nichts dafür, immerhin hatte sie darin auch keine Übung – sie sah Sakura schließlich jeden Tag!

„Saku, ich muss Schluss machen“, sagte Ino, nach einem Blick auf die Uhr. Sai konnte jeden Moment anrufen.

„Jetzt schon? Wir telefonieren erst seit eineinhalb Stunden! Was ist denn los?“

Sakura klang ziemlich entgeistert. Ino konnte es ihr nicht verübeln, aber sie saß schon diese eineinhalb Stunden wie auf glühenden Kohlen. Oder besser: Sie stand. Denn schon nach zehn Minuten hatte sie es nicht mehr ausgehalten, hatte die Lautsprecherfunktion am Telefon betätigt und war pausenlos in ihrem Zimmer herummarschiert.

„Ich…“, begann Ino, überlegte es sich dann aber doch anders. „Ma erwartet einen Anruf.“

„Ach so?“ Sie konnte förmlich hören, wie Sakura die Augenbrauen hob und die Stirn kräuselte. Sakura war gut im Lügenerkennen.

„Ja, irgend so ein schnöseliger Händler, der bis nächste Woche nicht liefern will. Es nervt, dass sie sogar an Silvester arbeiten muss. Pa brütet auch seit Stunden über den Finanzen. Aber sie haben versprochen, heute Abend nicht zu arbeiten. Bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, wenn sie unbedingt zu dieser Feier gehen wollen.“

Ino redete schnell und hastig, sah mehrmals auf die Uhr und dankte Gott, dass Sakura das nicht sehen konnte.

„Na dann“, meinte Sakura zögernd. „Viel Spaß noch. Nimm dein Handy mit, dann ruf ich dich um Mitternacht an.“

„Ist gut. Ciao!“

„Bis dann!“

Es klickte.

Seufzend legte auch Ino auf. Erst jetzt fragte sie sich, warum sie Sakura belogen hatte. Das machte sie sonst nie – außer es war wirklich wichtig. Aber bei dieser Sache… Sakura hätte sie doch verstanden…

Ino schüttelte den Kopf. Nein, hätte sie nicht. Sakura wusste, dass sie nur ihren Spaß mit Sai wollte und Ino war ihr schon dankbar dafür, dass sie einfach nur ihre Klappe hielt, wenn das Thema aufkam. Sie kannte ihre Meinung zur Genüge.

War also gar nicht mal so schlimm, dass sie sie belogen hatte. Eigentlich war es auch nur eine kleine Notlüge, sie hatte nur etwas verschwiegen. Schließlich arbeiteten ihre Eltern wirklich noch, auch wenn der wichtige Anruf ihrer Mutter schon gestern getätigt worden war.

Wieder ein Blick auf die Uhr.

Schon seit einer Woche war Ino nervös. Hatte Sai ihr Geschenk noch nicht erhalten? Meldete er sich deshalb nicht? Oder wollte er sie nicht anrufen?

Ino konnte ihre Zweifel nicht verbergen. Sai war schließlich nicht dumm, er war vermutlich schon längst darauf gekommen, dass Ino ihn nicht wirklich liebte.

Was bedeutete das schon, Liebe? Sie fand Sai süß, er war wirklich nett und er himmelte sie an. Wem würde das nicht gefallen? Aber Sai war auch anders, als die Jungen, die Ino sonst um ihren kleinen Finger wickelte. Auch sie waren süß und nett und himmelten sie an. Doch Sai…

Sai hielt ihr die Tür auf, er konnte ihr stundenlang zuhören – und zwar wirklich zuhören und auch noch mitreden –, er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, sagte aber auch, was er dachte. Und er lächelte. Es war ein sehr geheimnisvolles Lächeln, das sie noch vor keinem anderen an ihm gesehen hatte. Ehrlich. Er lachte eigentlich nie laut, aber seine Augen begannen zu funkeln, wenn ihn etwas amüsierte. Er war immer recht still.

Und Sai malte. Er malte Tiere und Landschaften und Menschen und das so erschreckend real, dass es bei Ino jedes Mal eine Gänsehaut verursachte. Aber von ihr hatte er erst einmal ein Bild gezeichnet. Das Bild, das sie im Unterricht von ihm bekommen hatte. Ino bewahrte es immer noch auf, auch wenn sie es schon lange nicht mehr betrachtet hatte. Und sie erinnerte sich an den Schriftzug.

Warum also meldete Sai sich nicht?

Und warum wühlte sie das so sehr auf?

Ino sah wieder auf die Uhr, dann aus dem Fenster. Der Regen hatte vor zwei Tagen aufgehört, aber der Himmel war immer noch grau, wie der Staub, den die Haushälterin am Tag zuvor von ihrem Regal gewischt hatte. Und es wehte ein starker, eisigkalter Wind, der es fast unmöglich machte, draußen gerade zu gehen.

Gerade fuhr der Postbote in seinem Wagen vorbei, hielt und stieg aus. Die Briefe in seiner Hand flatterten wild auf und ab, zerrten und zogen.

Ino bemitleidete den armen Kerl, der bei diesem Wetter draußen arbeiten musste. Wenigstens hatte er sein Auto und fuhr nicht mit dem Fahrrad, wie er es sonst häufig tat. Sie beobachtete, wie er weiterfuhr und beim nächsten Haus hielt und beim nächsten und beim nächsten, bis er an der Kreuzung nach links abbog und sie ihn aus den Augen verlor.

Wieder fiel ihr Blick auf die Uhr und sie seufzte. Die Zeit verging und verging und Sai rief einfach nicht an. Und sie würde garantiert nicht den ersten Schritt machen, sein Geschenk hatte sie nämlich auch noch nicht erhalten.

Ino hatte ihm ein Bild geschenkt, eine Fotographie in einem silbernen Rahmen. Es zeigte sie und Sai, Arm in Arm und lachend. Oder zumindest lachte sie, Sai warf ihr nämlich wieder nur dieses geheimnisvolle Lächeln zu.

„INO!“

Der laute Ruf schallte durch das gesamte Haus und Ino rollte mit den Augen. Sie hasste es, wenn ihre Mutter so herumbrüllte. Besonders, weil sie nie wusste, ob es jetzt gut oder schlecht war, dass sie gerufen wurde.

Genervt trottete Ino die kunstvolle Wendeltreppe hinunter in den ersten Stock, wo das Arbeitszimmer ihrer Mutter lag.

„Du solltest mal wieder aufräumen, Ma!“, meinte sie, als sie den großen Raum betrat. Überall lagen Skizzen und Stoffmuster verstreut, die drei Schaupuppen hatten in ihren halbfertigen Kleidern unzählige Nadeln stecken und zum Teil lagen auch die auf dem Boden verstreut. Inos Mutter war Modedesignerin und dazu noch sehr erfolgreich, doch sie bevorzugte es, zu Hause zu arbeiten und sie ließ kaum jemanden in ihr Zimmer, um aufzuräumen.

„Unsinn!“, herrschte ihre Mutter sie an und hob den Kopf. „Das Genie beherrscht das Chaos.“ Das war ihr Lieblingsspruch.

Frau Yamanaka arbeitete schon sehr lange, ihr Haar hatte sie notdürftig hochgesteckt und die Strähnen hingen ihr wild ins Gesicht, in ihrem Pullover trug sie Nadeln mit sich herum und in der Hosentasche ihrer Jeans steckte ein Stofffetzen.

„Du arbeitest schon ziemlich lange“, meinte Ino und lehnte sich in den Türrahmen, um zuzusehen, wie ihre Mutter eine Stoffbahn vermaß, die sie auf einem ihrer Tische ausgebreitet hatte.

„Wir stehen unter Zeitdruck, Schatz“, murmelte Frau Yamanaka. „Aber heute Abend zur Feier sind wir fitt!“

„Hoffentlich“, meinte Ino zweifelnd. „Was wolltest du denn von mir?“

„Was?“ Ihre Mutter sah noch nicht einmal zu ihr, als sie antwortete. „Ach, da ist Post für dich gekommen. Liegt neben der Nähmaschine.“

Post? Inos Herz machte einen Satz. Sais Geschenk!

Aber da lag kein Päckchen, sondern nur ein großer, brauner Umschlag. War das wirklich von Sai?

Ino drehte den Umschlag in ihren Händen herum, aber es war kein Absender zu finden. Nur ein Aufkleber Nicht knicken.

„Von wem ist es?“, fragte ihre Mutter, als sie bemerkte, dass ihre Tochter noch immer im Raum stand.

„Kein Absender“, antwortete Ino geistesabwesend und verließ das Arbeitszimmer. Sie rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer und fummelte umständlich den Umschlag auf.

Mehrere Blätter fielen ihr entgegen und schon auf den ersten Blick erkannte sie Sais kleine, saubere Schrift auf den meisten von ihnen.

Er hatte ihr geschrieben!
 

Liebe Ino,

es tut mir Leid, dass ich erst jetzt schreibe, vermutlich wartest du schon sehr lange. Aber es ging nicht früher, denn mein Geschenk hat doch etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich zuerst gedacht hatte.

Nachdem ich das Foto bekommen habe, musste ich alles noch einmal umwerfen und das hat Zeit gekostet. Du wirst verstehen, was ich meine, wenn du dein Geschenk öffnest. Aber bitte: Lies erst diesen Brief zu Ende.
 

Ich habe noch nie so einen Brief geschrieben.

Aber ich habe auch noch nie so jemanden kennen gelernt, wie dich. Du bist das wundervollste Mädchen, das ich kenne und die Zeit bis wir uns wieder sehen kommt mir viel zu lang vor, auch wenn es nur zwei Wochen sind.

Du machst mich unglaublich glücklich, auch wenn du das vielleicht nicht so wahrnimmst. Es macht mich glücklich, mit dir zusammen zu sein, dein Lachen zu hören und zu sehen, wie deine Augen blitzen, wenn du wütend bist. Wenn du die Nase rümpfst oder dir auf die Unterlippe beißt, wenn du nachdenkst. Wenn du den Kopf schüttelst und deine Haare sich mitbewegen. Dann denke ich mir, dass ich so jemanden, wie dich eigentlich gar nicht verdient habe.

Ich sehe deine Schönheit, so strahlend, dass ich Angst habe, dich anzusehen. Ich sehe deine Fröhlichkeit und werde von ihr mitgerissen. Ich sehe deine Wut und bin froh, dass sie sich nicht gegen mich richtet.

Das bist du äußerlich für mich, Ino. Und in deinem Inneren bist du noch viel schöner.

Gerade deswegen habe ich mich noch nicht getraut, dich wirklich zu malen. Nicht nur diese Skizze, die ich dir gegeben habe, meine ich, sondern ein richtiges Bild mit Ölfarben und auf Leinwand. Denn ich will dich genauso malen, wie du bist. So, wie ich dich sehe. Ich habe Angst, dass es nicht so wird.
 

Hast du verstanden, was du für mich bist, Ino?

Du bist alles.
 

Ich glaube nicht, dass du Kitsch magst und ich bin mir nicht sicher, wie kitschig dieser Brief ist. Ich bin nicht gut darin, Dinge – Gefühle – in Worte fassen zu wollen. Meine Welt sind nun mal die Bilder. Also sage ich dir in Bildern, was ich fühle.
 

Wenn du erzählst, ist das wie ein Wasserfall, ein Quell aus purer Energie, das Wasser fängt die Sonnenstrahlen ein und die Funken glitzern.
 

Wenn du lächelst, ist das wie ein Morgen im Frühling. Die Sonne bricht durch eine lichte Wolkendecke hindurch und die Farben sind sanft und rein und frisch.
 

Wenn du lachst, ist das wie ein Regenbogen. Tausend Farben und kein Ende in greifbarer Nähe, aber ich sehe das Gold.
 

Wenn du wütend bist, ist das wie ein Sommergewitter. Es brodelt lange, aber Blitze können überall einschlagen, alles treffen und wenn es sich entladen hat, wird es wieder ganz still.
 

Wenn du nachdenkst, ist das wie Glas. So durchschaubar und so leicht zu zerstören, es kann Formen annehmen und Töne erklingen lassen.
 

Wenn du schläfst, bist du wie eine junge Katze. Nichts kann dich aus der Ruhe bringen, man sieht wie du träumst und alle Wildheit fällt von dir ab.
 

Wenn du mich küsst… ist das nicht einmal in Bildern zu beschreiben. Ist es ein Wirbel aus Farben und Formen, eine Spirale aus Licht, ein Gemisch aus Schattierungen.
 

Verstehst du, was ich dir damit sagen will, Ino?

Ich hoffe es, denn ich weiß nicht, wie ich es anders sagen kann.

Auch weiß ich nicht, wie du fühlst. Was fühlst du, Ino? Eigentlich will ich es gar nicht wissen. Oder sollte ich?
 

Ich möchte glücklich sein, Ino. Und ich möchte, dass du auch glücklich bist. Das ist es, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Ich schenke dir ein Bild. Es ist nicht perfekt und es ist auch nicht mit Ölfarben und auf Leinwand. Aber im Moment ist es das, was ich mir zutraue und auch das, was ich sehe.

Vielleicht male ich irgendwann ein perfektes Bild. Ich hoffe, dieses hier gefällt dir auch.
 

Fröhliche Weihnachten und ein frohes, neues Jahr!
 

Dein Sai
 

Ino musste lächeln. Sie strich über die Worte, über seine Unterschrift und lächelte. So war Sai. Eben irgendwie anders, als alle anderen. Er sagte nicht einfach am Telefon „Ich bin in dich verliebt.“, sondern er schrieb ihr einen Brief und versuchte Bilder in Worte zu fassen. Er war einfach ungewöhnlich.

Ino legte den Brief zur Seite und spähte in den Umschlag hinein. Tatsächlich ließ sich noch etwas herausziehen. Es war eingepackt in weißes Geschenkpapier mit blauen Schneeflocken darauf. Vorsichtig löste Ino das Klebeband. Als sie das Geschenkpapier zurückschlug, sah sie sich selbst. Sie schlief, ihr Haar breitete sich wie ein Fächer über das Gras aus, auf dem sie lag, sie trug ein hellblaues Kleid ohne irgendwelche Verzierungen, in ihrer Hand hielt sie eine Blume und die Sonne schien sanft auf sie herab, tauchte alles in weiches Licht, es schien früher Morgen zu sein. Sie sah friedlich aus.

So sah Sai sie also?

War sie wirklich so… friedlich schön? Ganz anders, wie wenn sie sich schminkte und schön machte. Auf dem Bild wirkte sie so natürlich.

So sah Sai sie.

Ino kam sich irgendwie schäbig vor. Er himmelte sie nicht nur an. Er war wirklich in sie verliebt, er sah sie so und sie… spielte nur mit ihm.

Ino beschloss, Sai nicht anzurufen.
 

Drei Tage zuvor
 

Mit nachdenklichem Gesicht starrte Sai auf das weiße Briefpapier vor ihm. Gerade einmal das Datum prangte im rechten Eck und erinnerte mit nervender Direktheit daran, dass auch der Rest des Blattes noch gefüllt werden wollte.

Sai ließ den Füller zwischen seinen Fingern tanzen, sah auf das Bild vor ihm. Das Bild in dem Silberrahmen. Er und Ino, Arm in Arm. Wann war das gemacht worden? Er erinnerte sich nicht mehr daran, das war seltsam. Dabei sah er so ungewohnt glücklich aus. Sah er so immer aus, wenn er bei ihr war? So glücklich?

Gleich daneben lag ein anderes Bild, nicht eingerahmt. Ein Aquarell, in das er viel Arbeit gesteckt hatte. Viel Mühe, viel Zeit, viele Nerven. Und noch immer hatte er den Papierkorb, der inzwischen mehr als randvoll war, nicht geleert. Sollte er bald nachholen.

Ino. Er sah sie nicht nur auf den Bildern vor sich, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Die lachende, aufgedrehte Ino und die friedliche, lächelnde Ino. War das wirklich ein und dieselbe Person oder machte er sich etwas vor und hatte Ino nicht so gemalt, wie er sie sah, sondern wie er sie sehen wollte.

Als ihm dieser Gedanke kam, wäre Sai am liebsten aufgestanden, hätte das Bild zusammengeknüllt und in den Müll zu den anderen, unfertigen Skizzen geworfen, mit denen er nicht zufrieden gewesen war. Was hielt ihn davon ab?

„Hier ist das Papier, das du so unbedingt haben wolltest, Darling.“

Sai sah auf und bemerkte, wie seine Mutter ihm die Rolle Geschenkpapier hinhielt. Das weiße mit den blauen Schneeflocken.

„Kannst du nicht einmal anklopfen, Mum?“, fragte Sai und nahm das Geschenkpapier an sich.

Seine Mutter rollte mit den Augen.

„Erstens: Nenn mich nicht ‚Mum’, da fühle ich mich so alt! Und zweitens: Nein, kann ich nicht.“

Seine Mutter zwinkerte belustigt, als sie sah, wie ihr Sohn nun die Augen verdrehte.

„Oh, take it easy!“, grinste sie und schüttelte ihre violett gefärbten Locken. Die hatte sie auch erst seit kurzem. „Ich bin jung und ich will nicht, dass mein süßer kleiner Junge eines Tages so verklemmt wird, wie sein Daddy!“ Sie machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen und schüttelte sich.

„Ich will doch nur ein bisschen Privatsphäre, Mu-… Tess“, murmelte Sai. Es war manchmal richtig anstrengend, dass seine Mutter gerade mal Anfand dreißig, Amerikanerin, zudem Single aus Überzeugung war und trotzdem hunderte von Liebhabern hatte.

„Privatsphäre!“, schnaubte Tess abfällig. „Ich würde Silvester auch gerne Urlaub haben, weißt du.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und Sai ahnte, was jetzt kommen würde. Ein langer Vortrag über die Arbeitsbedingungen und die Vorzüge von good old America.

Tess öffnete schon den Mund, als Sai ihr zuvor kam. „Wenn du es hier so furchtbar findest, warum gehst du dann nicht einfach zurück? Und ich komm dich eben in den Ferien besuchen, so viel ändert sich dadurch auch nicht.“ Seine Stimme klang merkwürdig gereizt.

„Das weißt du sehr genau, Sai!“, sagte Tess ernst und plötzlich war ihr breiter Akzent fast vollständig verschwunden. „Ich denke nur, dass du dich immer mehr in eine Richtung veränderst, die mir nicht gefällt.“

Sai wich ihrem Blick aus und starrte stattdessen lieber das Foto auf seinem Schreibtisch an. Auch Tess bemerkte es.

„Was ist das?“, fragte sie interessiert und schien von einem Moment auf den anderen die Stimmung zu wechseln.

„Nichts“, meinte Sai hastig und klappte das Foto um, sodass das Bild auf den Tisch lag.

„Oh, doch!“ Schnell hatte sich Tess das Foto geschnappt und ihre Augen weiteten sich, dann grinste sie.

„Hör auf, mich so anzustarren, Tess!“, brummte Sai und versuchte, das Bild wieder in die Finger zu bekommen, doch seine Mutter wich ihm geschickt aus.

„Das ist deine Freundin, isn’t she?“, griente sie. „Your girlfriend!“

Finster starrte Sai sie an. Es hatte doch keinen Sinn mehr. Es war geschehen und Tess würde ihn so lange ausquetschen, bis sie jedes noch so winzige Detail wusste.

„Ich will alles wissen!“

Na, bitte.

„Wie heißt sie?“

„Ino.“

„Wie alt? In deiner Klasse?“

„Mhm“, machte Sai.

„Sag bloß, sie ist älter, als du?“

„Nur ein bisschen.“

Tess’ Grinsen wurde breiter. „Hattet ihr schon Sex?“

„Mum!“, stöhnte Sai verzweifelt, doch Tess rollte nur mit den Augen und stemmte die Hände in die Hüften.

„Frau wird doch wohl noch fragen dürfen!“

„Es ist meine Sache, ja?“

„Sie sieht nett aus“, meinte Tess nur und betrachtete das Foto. Dann runzelte sie die Stirn. „Ganz anders, wie du.“

Als du, hätte Sai sie am liebsten verbessert, aber er beließ es dabei.

„Sie ist… temperamentvoll“, murmelte er, unsicher, was seine Mutter jetzt sagen würde.

„Da ist etwas in ihrem Blick, das mich stört.“

Sai runzelte die Stirn.

„Was meinst du damit?“, fragte er.

„Sie erinnert mich sehr an… mich.“ Tess sah auf. „Wie ich, als ich jünger war.“

Sai verstand nicht, was sie ihm damit sagen wollte. „Was meinst du?“

„Ich meine nur, dass… du mit diesem Mädchen vorsichtig sein musst.“ Sie trat hinter seinen Schreibtisch und sah das Bild. Schnell schnappte Sai es sich.

„So siehst du sie also?“, fragte Tess. Sie hob die Brauen.

„Drück dich endlich klarer aus, Tess!“, verlangte Sai. Er hasste diese Momente, in denen er nicht wusste, wie er Tess einordnen sollte.

„Sie ist jemand, der gerne spielt“, meinte Tess und stellte das Bild wieder auf den Tisch zurück. Als sie Sais zusammengekniffene Augen und die gerunzelte Stirn sah, seufzte sie. „Früher, als ich noch bei deiner Granny gewohnt habe, auf der High School, da… wollte ich meinen Spaß. Girls just wanna have fun, verstehst du? Mit Freunden auf Partys, mit Jungs flirten… deine Großeltern waren nicht sehr begeistert. Ich hab die Jungs – wie sagt man? – um den kleinen Finger gedreht.“ Sie streckte ihre rechte Hand vor, am kleinen Finger prangte ein dicker Ring mit einem riesigen, grünen Stein. „Ich wollte meinen Spaß und ich habe mir nicht sonderlich viel aus den Gefühlen der anderen gemacht. Ich war – ich kenne das Wort nicht – eine echte Bitch!“

Jetzt wusste Sai, was sie ihm sagen wollte. Oder zumindest ahnte er es.

„Dieses Mädchen, diese Ino. Sie ist genauso. Sie spielt mit dir.“

Sai starrte das Foto an, ohne ein Wort zu sagen. Die lachende Ino, die Ino mit der samtweichen, verführerischen Stimme und einem Blick aus kornblumenblauen Augen, den man für unschuldig halten könnte, wenn da nicht dieses Glitzern wäre. Dieses freche, geheimnisvolle Glitzern. Sie wusste ganz genau, was sie tat.

„Aber… aber Ino ist nicht so…“, murmelte Sai. „Sie ist… ich…“

„Du bist in sie verliebt“, stellte Tess mit weicher, aber nüchterner Stimme fest. Dann beugte sie sich zu ihm hinunter. „Aber stell dir eine Frage, Sai: Ist sie das auch? Sieh dir dieses Bild an und sag mir… nein, sag dir, was du siehst. Love?“ Sie drehte sich um und war schon fast zur Tür hinaus, als sie sich noch mal umdrehte.

„Sai… darling…“ Sie zögerte kurz. „Ich hasse es, Ratschläge zu erteilen, aber du solltest aufpassen, ja?“ Damit zog sie die Tür hinter sich zu.

Kurz starrte Sai die Tür noch an, dann schüttelte er den Kopf und rieb sich die Stirn. Er hasste es wirklich, wenn Tess so war. Es bereitete ihm Kopfschmerzen. Die klare, nüchterne Weise seiner Mutter, die sich so vollkommen von seiner unterschied. Hatte er das von seinem Vater? Sai wusste es nicht, denn Tess sprach nie über ihn. Und wenn, dann war er der Mistkerl, der Erzeuger oder der-mir-seine-ewige-Liebe-geschworen-und-mich-verlassen-hat-als-ich-mit-dir-schwanger-war-und-für-mich-gestorben-ist-Vollidiot. Letzteres benutzte Tess am liebsten, wenn sie mal wieder Stress bei der Arbeit oder mit einem ihrer zahllosen Lover hatte. Besonders, wenn sie mit einem ihrer Lover Stress hatte.

Früher, bevor er das Stipendium für das Internat bekommen hatte, hatte Tess jede zweite Woche einen neuen Mann gehabt. Machos, Muskelprotze und Hirnamputierte, sie schien geradezu eine Schwäche für Männer zu haben, bei denen von vorneherein klar war, dass das nichts werden würde.

Als er noch jünger gewesen war, in seinem elften Lebensjahr war Tess’ Zeit am wildesten gewesen, hatte er eine Strichliste geführt. Er hatte darauf geachtet, wann sie abends, nachts oder am frühen Morgen nach Hause kam und mit wem, hatte die Männer kurz durch das Schlüsselloch beobachtet, sie gezeichnet und ihnen dann Namen gegeben. Auch hatte er die Länge der Beziehung festgehalten, sowie die Daten. Die längsten Beziehungen in diesem Jahr waren Kettenraucher Nr. 5 und Schwarze Lederhose gewesen, wogegen Falscher Franzose und Nägelkauer keine zwei Stunden in der Wohnung durchgehalten hatten.

Sai hatte erst nach eineinhalb Jahren mit der Buchführung des Sexlebens seiner Mutter aufgehört – als er erschrocken entdeckt hatte, dass auch sie eine Liste führte. Statt der Fantasienamen trugen die Kerle allerdings richtige Namen – nur Vornamen wohlgemerkt – und waren mit einer Nummer, so wie dem Datum ihrer Eroberung versehen. Und Tess führte diese Liste nicht erst seit kurzem. Als Sai die Liste entdeckt hatte, waren es dreiundfünfzig gewesen. Nummer dreiundfünfzig hieß Juan, bei Sai nur als ‚Spiegel’ bekannt, weil er stets einen Spiegel bei sich trug.

Sai hatte die Liste seitdem nicht mehr gesehen und seine eigene verbrannt. Er versuchte, die zahllosen Affären seiner Mutter zu ignorieren und erzählte nie, was er in ihrem Schreibtisch auf der Suche nach ihrem Schokoladenversteck entdeckt hatte. Aber vor sich selbst konnte er es nicht verstecken. Und er konnte auch nicht vergessen. Denn auf der Liste gab es eine Nummer ohne Namen und die Zeit stimmte mit der überein, als Tess noch in Amerika gelebt hatte. Daraus schloss Sai, dass Nummer drei der Erzeuger war. Sein Erzeuger.

„Ich will nur meinen Spaß haben, darling!“, hatte Tess einmal auf die Frage geantwortet, warum keiner der Männer länger als zwei Wochen blieb. Und bis heute hatte sich das nicht geändert.

Warum also sollte er ausgerechnet von ihr Ratschläge annehmen? Ausgerechnet von Tess?

Er sollte aufpassen, hatte sie gesagt.

Sieh dir das Bild an und sag, was du siehst. Liebe?

Sai betrachtete das Foto. Dann nahm er den Füller in die Hand und schrieb.

Tess hatte kein Recht, ihm Ratschläge zu erteilen. Die würde er erst annehmen, wenn eine ihrer Beziehungen länger als ein Jahr halten würde – und das konnte noch sehr lange gehen.

Er würde Ino diesen Brief schreiben. Und wenn sie nicht in ihn verliebt war, dann musste er eben kämpfen. Er musste ihr zeigen, dass sie sich in ihn verlieben konnte.
 

31. Dezember, 23:15 Uhr
 

„Okay“, murmelte Sakura gedehnt und strich sich die Haare glatt. Sie war in eine dicke Winterjacke gehüllt, denn es war trotz fehlenden Schnees ziemlich kalt draußen.

„Willst du in den Kampf ziehen?“, grinste Ten Ten plötzlich. „Du siehst aus, wie ein Feldherr kurz vor einer entscheidenden Schlacht.“

Sakura fand das überhaupt nicht witzig. „Können wir jetzt los?“

Ten Ten zuckte mit den Schultern. „Ich bin schon seit einer Viertelstunde fertig, aber du musstest ja noch unbedingt irgendwelche Winterstiefel rauskramen, nur um festzustellen, dass sie dir nicht mehr passen.“ Sie öffnete die Haustür und machte eine ausholende Bewegung mit dem Arm. „Nach dir.“

Sakura streckte ihr die Zunge raus, als sie an ihr vorbeiging und in die klirrend kalte Nacht hinausmarschierte. Die Dunkelheit verschluckte selbst das Licht der Laternen vor den Häusern und nicht einmal der Mond konnte die dichte Wolkendecke, die sich den Tag über gebildet hatte, durchdringen. Ihr Atem bildete in der Luft graue Wölkchen, als sie Ten Ten zum Gehen aufforderte. Die Freundin nickte nur und zog sich ihre Mütze tiefer ins Gesicht, als sie losliefen. Keine der beiden sagte ein Wort, bis sie den Treffpunkt erreichten, als wollten sie die letzte Ruhe des endenden Jahres nicht stören.
 

„Hey, Sakura!“ Naruto lief auf sie zu, als er sie entdeckt hatte und grinste. „Hallo, Ten Ten!“

„Hi“, grüßte Ten Ten und lächelte ebenfalls.

Sakura sagte nichts, zu aufgewühlt waren ihre Gedanken, zu verwirrt. Naruto? Sasuke? Wer hatte ihr den Anhänger geschenkt? Und vor allem: Wie sollte sie den beiden – besonders Naruto – jetzt gegenübertreten?

„Sakura?“ Naruto sah sie besorgt an. „Ist alles in Ordnung?“

Mist. Sie durfte sich ihre Sorgen nicht so anmerken lassen.

„J-ja. Klar! Mir ist nur ziemlich kalt“, redete sie sich heraus.

„Ach so“, meinte Naruto und grinste wieder. „Kein Problem. Sasuke hat Kaffee dabei, wollt ihr was?“

„Oh ja!“, seufzte Ten Ten erleichtert und rieb sich die frierenden Hände. „Immer her damit! Ich hab bald kein Gefühl mehr in den Händen, dabei sind wir noch keine Viertelstunde draußen.“

„Wartet hier. Ich hol euch was“, bot Naruto an und schon war er zwischen den wenigen Schülern und Lehrern, die über die Ferien im Internat geblieben waren, verschwunden.

Ten Ten wandte sich Sakura zu. „Was ist wirklich los? Ist es wegen dem Anhänger?“

Sakura antwortete nicht, sondern starrte nur auf ein paar Jungs aus der Abschlussklasse, die schon dabei waren, die Raketen für das Feuerwerk zu positionieren.

„Geh doch einfach zu Sasuke hin und bedank dich!“, meinte Ten Ten energisch. „Was ist schon dabei?“

„Es ist… wir können uns nicht ausstehen. Hast du das vergessen, Ten? Warum sollte mir ausgerechnet Uchiha so was Teures schenken?“

„Hmmm, lass mich überlegen“, murmelte Ten Ten und tat so, als würde sie angestrengt nachdenken. „Vielleicht… weil er dich mag?“

Sakura tippte sich an die Stirn. „Natürlich. Und ich bin die erste Frau auf dem Mond!“

„Wie heißt es doch so schön: Was sich liebt, das neckt sich!“, argumentierte Ten Ten. Darauf wusste Sakura auch keine Antwort.
 

Es waren doch mehr Schüler und Lehrer da, als Sakura angenommen hatte. Von überall her drang Lachen an ihre Ohren und die Luft war erfüllt von dieser melancholischen Vorfreude, die man in den letzten Minuten des Jahres manchmal verspürt. Nicht einmal der schneidende Wind konnte diese Stimmung zerstören.

Sakura sah sich suchend um und hatte den Uchiha schon bald erfasst. Trotzdem zögerte sie noch, konnte sich allerdings selbst nicht erklären, warum. Sie konnte doch unmöglich einfach zu ihm hingehen. Hey, Uchiha! Ich hasse dich zwar, aber danke für das Weihnachtsgeschenk! Das hörte sich doch total bescheuert an!

Außerdem: Er hatte es ihr doch gar nicht geschenkt! Das war Naruto gewesen! Oder?

Oder wollte sie selbst, dass es Naruto gewesen war? Vielleicht, weil… unterbewusst…

Sakura schüttelte sich. Nein! Nein! Nein! Auf gar keinen Fall! So durfte sie nicht denken! Das würde nicht nur ihre Freundschaft zu Naruto zerstören, sondern auch die mit Hinata. Sie konnte einer ihrer besten Freundinnen doch nicht den Schwarm ausspannen, besonders jetzt, wo dieser doch gerade anfing, sich für sie zu interessieren!

Das durfte auf keinen Fall geschehen!

Also doch Uchiha?

Sakura schüttelte sich wieder. Schon der Gedanke… sie hasste Uchiha. Sie hasste ihn abgrundtief. Aus Gründen, die sie noch nicht einmal selbst kannte. Es war einfach schon immer so gewesen. Uchiha und sie hassten sich, Naruto versuchte sie zu versöhnen und außerdem war er der beste Freund von beiden! Das musste auf die Dauer ziemlich anstrengend sein, vielleicht hatte er Uchiha ja zu dem Geschenk überredet?

Aber wer hatte ihr in diesem Fall dann den Anhänger geschenkt? Uchiha? Oder doch Naruto?

Sakura stöhnte verzweifelt auf und ignorierte die Blicke, die ihr von den Umstehenden zugeworfen wurden.

Das war alles so verdammt verwirrend! So verdammt verwirrend.

Sie sah wieder zu Uchiha, sah wie er ein Mädchen anbaggerte, die daraufhin kichernd zu ihrer Freundin sah und den älteren Jungen vor ihr anscheinend mehr als anziehend fand. Ausziehend traf es wohl besser.

Er widerte sie an. Dieser Blick, seine Mimik, Gestik, seine verdammt hochmütige Ausdrucksweise. Sein arrogantes Wesen im Allgemeinen. Sakura konnte sich nicht vorstellen, jemals an diesen Lippen zu hängen, so wie es das Mädchen gerade tat, als Uchiha irgendetwas erzählte. Oh ja, sie würde wirklich gleich wortwörtlich an seinen Lippen hängen, wenn sie nur noch einen Schritt nach vorne ging.

Sakura verzog angewidert das Gesicht. Dieser Macho, Aufreißer, Casanova… nein, das war noch viel zu nett und erinnerte sie außerdem an diesen Film, den sie von Temari geschenkt bekommen hatte. Ein Casanova, das war ein heißblütiger Italiener im Venedig des 18. Jahrhunderts mit dem umwerfenden Charme und Aussehen eines Heath Ledger.

Uchiha war demnach mit hundert… ach was… mit tausendprozentiger Sicherheit KEIN Casanova.

Uchiha war, um es noch nett auszudrücken, ein großkotziges Arschloch.

Und genau das war der Grund, warum Sakura unter keinen Umständen ein Geschenk von Uchiha haben wollte – erst recht kein so teures! Das zeigte schließlich nur wieder, dass er mit seinem Geld prahlte und um sich schmiss. Mit dem Erbe seiner Eltern.

Also doch Naruto.

NEIN! Auch das kam nicht in Frage. Wenn schon eine Freundschaft zerstören, dann wenigstens eine, die noch nie bestanden hatte und nicht gleich zwei auf einmal!

Warum musste das Leben nur so verdammt kompliziert sein?

Konnte es ihr nicht einfach einen besten Freund, einen größten Feind und eine große Liebe schicken und dafür sorgen, dass teurer Schmuck bitte ausschließlich nur von der großen Liebe kamen? Was war an diesem klitzekleinen Wunsch denn nur so außergewöhnlich? Was daran war so unerfüllbar?

Sakura beobachtete weiter Uchiha. Das Mädchen hatte sich inzwischen mit ihrer Freundin vom Acker gemacht, höchstwahrscheinlich vertrieben von dem blonden Wirbelwind, der gerade direkt neben Uchiha stand und irgendetwas lachend erzählte, wobei er so sehr mit den Armen ruderte, dass Uchiha diesen mehrmals ausweichen musste.

Ein leichtes Schmunzeln huschte über Sakuras Gesicht. Ja, das war ihr Naruto und sie war so froh, ihn als Freund zu haben. Und selbst Uchiha musste das erkannt haben. Dieses große Glück. Selbst Uchiha musste gesehen haben, dass es einfach nur Glück war, das sie zu Freunden gemacht hatte. Und er musste es schätzen.

Was wäre aus Sasuke und Naruto geworden, wären sie nicht die besten Freunde? Wären sie Feinde? Erbitterte Rivalen? Es war leicht vorstellbar. Schließlich war Uchiha in den meisten Fächern der Bessere, er kam – und Sakura gab das nur sehr, sehr, sehr ungern zu – ziemlich beliebt, besonders bei den Mädchen und er sah auch ganz annehmbar aus… Gut, vielleicht sah er auch mehr, als ‚annehmbar’ aus, aber diesen Gedanken wollte Sakura ihrem, ohnehin schon Uchiha-überbelasteten Gehirn nicht antun.

Aber es war klar: Sasuke Uchiha und Naruto Uzumaki könnten die größten, furchtbarsten, verhasstesten Rivalen sein, wären sie nicht die besten Freunde.

Sakura wusste ihre eigene Freundschaft zu schätzen. Es gab niemanden, der sie mehr aufmuntern konnte, der sie besser tröstete, besser zum Lachen brachte, der mehr über sie wusste, als Naruto. Nicht einmal Ino konnte das von sich behaupten, dabei war sie wirklich Sakuras beste Freundin. Aber zwischen bestem Freund und bester Freundin bestand eben immer noch dieser gewisse Unterschied.

Dabei konnte Naruto auch ziemlich hart sein. Hart und ehrlich, ehrgeizig, dickköpfig, laut, beängstigend, wütend. Er konnte auch ziemlich unheimlich werden, wenn er ziemlich überraschend mit einer Klugheit und Menschenkenntnis aufwartete, die man von dem naiven Optimisten gar nicht erwartete.

Manchmal hatte Sakura das Gefühl, dass…

Ja, selbst Uchiha musste das wohl so erleben, das Gefühl, so einen Freund eigentlich gar nicht verdient zu haben.

Sakuras leichtes Lächeln schwand nicht. Sasuke hielt Narutos Arme fest, während dieser ihm weiter etwas berichtete und seine Arme dabei gefährlich zuckten. Doch Sasuke lachte. Vermutlich lachte er nur so, wenn Naruto dabei war.

Und zum ersten Mal in so vielen Jahren viel Sakura etwas auf: Sasuke schien wirklich glücklich zu sein, wenn Naruto bei ihm war. Niemals sonst erschien er so befreit, so ohne jegliche belastende Gedanken. Einfach glücklich.

War das wirklich nur dann so? Dass nur dann alle Coolness von ihm abfiel und er einfach er selbst war?

Natürlich kannte Sakura dieses Gefühl, das sie erfüllte, wenn sie mit Naruto herumalberte, lachte oder auch in einer plötzlich aufkommenden Wutwelle auf ihn einschlug.

Aber sie konnte auch in anderen Momenten glücklich sein. Mit Ino, mit Hinata, Ten Ten, Temari. Mit anderen Menschen.

Wie war das bei Sasuke?

Sakura lächelte nicht mehr. Sie war noch tiefer in Gedanken versunken.

Wäre es wirklich so schlimm, wenn er ihr den Anhänger geschenkt hätte?

Vielleicht wollte sie einfach nur weiter hassen und sich deshalb diese Möglichkeit nicht eingestehen?

Vielleicht wollte sie deshalb nicht zu ihm gehen, weil sie sich vor dem Hass auch fürchtete?

Vielleicht wollte sie nicht zu ihm gehen, weil sie das fürchtete, was hinter dem Hass lag. Weil…

Sasuke schüttelte kurz lachend den Kopf und plötzlich sah er sie direkt an. Noch lag ein Schimmer dieses Glücks in seinen Augen, wie ein Stern in rabenschwarzer Nacht, selbst als das Lachen von seinen Lippen verschwunden war. Naruto bemerkte nicht von der Reaktion seines Freundes, er lachte weiter.

Aber Sasuke sah Sakura an. Ganz direkt. Und die Spur von Glück ließ keinen Hass in seinen Augen zu. Es war ein ehrlicher Blick.

Unwillkürlich griff Sakura zu ihrem Hals und ihre klammen Finger umschlossen den Rubin, ganz fest. Trotzdem wandte sie den Blick nicht ab.

Fast glaubte sie, sich getäuscht zu haben, als ein feines, leicht unsicheres Lächeln über Sasukes Gesicht huschte. Ganz leicht. Ganz schnell. Kaum bemerkbar.

Anscheinend gab es noch jemanden, bei dem Sasuke Uchiha einfach nur Sasuke Uchiha war.
 

***********
 

@Vertschl und alle, die es auch bemerkt haben ^^: Jaaa, Ten Ten ist ihr schon in gewisser Weise ähnlich und man beachte den letzten Satz des Kapitels ^^
 

@akii-chan096 und alle, die lange Kapitel mögen: Die wird es weiterhin geben. Ich mag es nämlich nicht, wenn man Kapitel aufteilt. Und ich hab irgendwann verlernt, mich kurz zu fassen xD
 

@alle: Ein kleine Bitte: Verurteilt Hiashi nicht, in jedem Mensch steckt doch auch etwas Gutes. Bei ihm muss man nur sehr, sehr lange suchen ^^
 

Es wird immer schwieriger, die SasuxSaku-Szenen zu schreiben, finde ich. Aber ich bin ganz zufrieden damit. Liegt vielleicht daran, dass ich innere Monologe mag ^^

Die Idee mit der Liste von Sais Mutter stammt aus Die Mitte der Welt von Andreas Steinhöfel. Tolles Buch! Ich hab das Ganze nur leicht abgewandelt und auch auf Sai übertragen.
 

Man liest sich!

LG

Inkheartop
 

P.S.: Entschuldigung, aber ich KANN keine Liebesbriefe schreiben, ohne sie nicht furchtbar kitschig werden zu lassen ^^°

Fragen über Fragen

Fragen über Fragen
 


 

Es war sehr still.

Ein eisiger Wind rauschte in Temaris Ohren, aber sonst hörte sie kein Geräusch. Dabei waren es nicht mehr viel Zeit bis Mitternacht, eine Viertelstunde vielleicht. Dann würde sich das ändern.

Temari mochte Silvester. Sie mochte das Lichtermeer am Himmel, der die Sterne zum Erblassen brachte, sie mochte das Knallen und Pfeifen, dass durch die Nacht schoss, lauter als Kanonenschüsse, sie mochte selbst den rauchigen Gestank nach verbranntem Schwarzpulver. Sie empfand es immer wieder als eine Art Traum, aus dem sie viel zu schnell wieder erwachte. Das Starten der Raketen hatte etwas Gefährliches, Verbotenes an sich. Nervenkitzel, jedes Mal. Zumindest ein bisschen.

Die bunten Palmen, der Regenschauer aus Gold, Spiralen, die sich in den Himmel schraubten. Es war wie ein Märchen, ein eigenartiges, einzigartiges Erlebnis, das zwar real erschien, aber es doch irgendwie nicht wahr.

Temari mochte Silvester.

Es war geradezu eigenartig still. In ihrer Heimatstadt wurden schon zwei Tage vor dem Einunddreißigsten Böller geworfen und Raketen gezündet, aber hier war es anscheinend anders. Geradezu unheimlich still.

In ihrem Kopf spielte sich ein Silvester ab, das schon eine ganze Weile zurücklag. Zwei Jahre, um genau zu sein. Es war das dritte Silvester gewesen, dass die Familie getrennt verbracht hatte und das erste, bei dem die Geschwister voneinander getrennt waren. Gaara verbrachte das Fest mit ihrer Mutter – damals war die Beziehung zwischen den beiden noch deutlich besser gewesen, heute kam sie ihr wie eingefroren vor – und Kankuro und Temari waren bei ihrem Vater geblieben.

Müsste sich Temari für eines ihrer Elternteile entscheiden, sie würde ohne nachzudenken ihre Mutter bevorzugen. Denn auch wenn ihre Mutter streng sein konnte und manchmal sehr deutlich zeigte, wie sehr sie die ganze Welt – und das schloss ihre Kinder mit ein – verabscheute und diese Abscheu in mehreren Gläsern Champagner ertränkte, so konnte sie doch liebevoll sein und sie interessierte sich für ihre Kinder. Zumindest mehr, als ihr Vater es tat.

Temari erinnerte sich gern an die Zeit zurück, als alles noch gut, oder zumindest besser war. Zu einer Zeit, als Gaara gerade mal im Kindergarten war und ihre Mutter noch lachen konnte. Bis dahin hätte sie nicht geglaubt, dass ein Mensch das Lachen verlernen konnte.

Das Silvester vor zwei Jahren war eines der furchtbarsten, die Temari je erlebt hatte und gleichzeitig – und das war das Erschreckende – war es auch das Schönste.

Ihr Vater war wegen irgendeiner wichtigen Geschäftsangelegenheit außer Haus und Temari saß mit ihrem Bruder auf der Veranda und starrte in den Himmel, der in dieser Nacht seltsam sternenklar war. Sie konnte die winzigen Punkte, die dort oben leuchteten förmlich zählen; aber vom Mond war nur eine schmale Sichel zu sehen, kaum bemerkbar.

Kankuro war ungewöhnlich still gewesen und Temari hatte den Alleinunterhalter gespielt. Mit ziemlich sinnfreien Erzählungen über Schule, Freunde und alles, was ihr sonst noch einfiel. Bis Kankuro schließlich zu reden begann, dauerte es eine Weile.

//Ich war gerade erst sechzehn.//

Es war erstaunlich, wie gut sie sich an alles erinnern konnte, obwohl es schon lange her war.

Ein Silvester, das kein wirkliches Silvester war, weil sie das neue Jahr herbeisehnte, anstatt sich wie sonst zu wünschen, die Zeit zurückdrehen zu können.
 

Temari…
 

Was ist?
 

Ich… glaubst du, dass Mama und Papa sich trennen?
 

…ja… ja…
 

Wäre es das Beste?
 

Vermutlich… was glaubst du?
 

Es wäre nicht gut für Papas Ruf.
 


 


 

Da hast du Recht.
 

Aber sie streiten sich so viel… ich hab manchmal echt Angst.
 

Vor Pa?
 

Nein… vor Mama… sie trinkt sehr viel in letzter Zeit.
 


 

Temari…?
 

Hm?
 

Wovor hast du Angst?
 

…… vor der Einsamkeit, Kankuro. Ich habe Angst vor der Einsamkeit…
 

Wir lassen dich nicht allein, Gaara und ich. Wir werden immer da sein, oder zumindest einer von uns.
 

Das könnt ihr aber nicht, nicht immer.
 

Wäre es kindisch, wenn ich „Doch“ sage?
 

Ja, das wäre es.
 

Dann lass ich es.
 


 


 

Kankuro?
 

Temari?
 

Es ist bald zwölf Uhr.
 

Möchtest du die Zeit zurückdrehen?
 

Nein.
 

Ich auch nicht…… Was Gaara jetzt wohl macht?
 

Auf dem Dach sitzen und in die Sterne schauen, so wie jedes Mal, wenn er nicht schlafen kann oder muss.
 

Jaaa, stimmt…
 


 

... Tema…?
 

Hm?
 

Ich… ach, nicht so wichtig…
 

Was ist, Kankuro?
 

… es ist nichts, ich… Glaubst du an die Liebe?
 

Was?
 

Ob du an die Liebe glaubst.
 

Natürlich… oder… vielleicht?
 

Manchmal sehe ich Mama und Pa und dann… na ja… letztendlich endet doch alles in einem Desaster.
 

Kuro… vielleicht siehst du das zu sehr auf unsere Eltern bezogen. Ich meine… nicht alles muss so ausgehen… man lebt sich auseinander…
 

Dann glaubst du also an die Liebe?
 

Schon… aber nicht an die Liebe von Ma und Pa. Da ist keine Liebe mehr… nicht mal annähernd…
 

Warst du schon mal verliebt?
 

Wieso fragst du?
 

Ich hab zuerst gefragt!
 

Okay, okay! Musst ja nicht gleich gereizt werden! … ich… ich war schon mal verliebt… und ich werde mich vermutlich noch tausendmal verlieben…
 

Aber…
 

Nein, nicht so! Nicht wie bei ihnen…
 

Wenn dir auch nur ein Typ wehtut…
 


 


 

Das war das süßeste, was du je zu mir gesagt hast!
 

Süß??? Tema! Schon das Wort klingt… klebrig! Bring es also nicht in Verbindung mit mir, das war ernst gemeint!
 

Ich weiß, ich weiß… aber es war trotzdem… lieb. Auch wenn es nicht nötig sein wird.
 

Wir werden sehen…
 

Er hatte Recht behalten, hatte so Recht gehabt.

Und Temari ebenfalls. Kankuro und Gaara konnten nicht immer da sein und sie waren es auch nicht. Damals hatte es Temari verletzt, es hatte ihr Angst gemacht. Dabei konnte sie ihren Brüdern noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Aber die Angst war da gewesen und somit auch der Vorwurf.

Aber berechtigte dieser Vorwurf Kankuro auch, sich Gedanken über etwas zu machen, von dem er keine Ahnung hatte?
 

Dieser Kerl… lange geht das nicht gut…
 

Kankuros Worte hallten in ihrem Kopf wider, schlugen ihr als Echo entgegen, hundertfach, tausendfach.

Konnte er auch hier Recht haben?

Wenn Shikamaru sich in sie verlieben würde, dann… wäre dann nicht alles wieder kaputt, was sie sich so lang erkämpft hatte? Sie wollte sich nicht verlieben, zumindest noch nicht. Das letzte Desaster reichte ihr fürs Erste. Und wer konnte ihr garantieren, dass der nächste Typ nicht genauso handeln würde?
 

„Was machst du hier draußen, Temari?“

Temari drehte sich zu Hinata um, die gerade in der Balkontür stand. Sie sah blass aus. Der weiße Mantel ließ sie erscheinen wie ein Gespenst, das dunkle Haar strich über ihr Gesicht, fast wie ein feiner Schleier.

Als Temari sich wieder abwandte, konnte sie deutlich den Blick auf ihrem Rücken spüren. Es war unheimlich, aber manchmal glaubte sie, dass die weißen, blind erscheinenden Augen durch sie hindurch, in sie hinein sehen konnten. Und dort Dinge entdeckten, die Temari selbst noch nicht wusste.

Sie schloss die Augen und spürte, wie der Wind durch ihr Haar, über ihr Gesicht wehte, wie ein eisiger Hauch über das Anwesen strich.

„Ich denke nach“, sagte sie schließlich leise und ohne die Augen zu öffnen. „Und… ich warte.“

Sie wartete. Auf was? Auf das neue Jahr? Auf die letzten Glockenschläge, auf das erste Feuerwerk?

„Auf Shikamaru?“

Langsam, beinahe bedächtig, öffnete Temari die Augen wieder. Wartete sie auf Shikamaru?

„Ich… weiß nicht“, antwortete sie ehrlich.

Hinata trat neben sie, doch statt in den Himmel zu sehen, blickte sie auf die Erde unter ihnen. Temari sah dort unten nur ein tiefes, schwarzes Nichts. Ein Loch. Und trotzdem war da unten etwas, das greifbar war. Vermutlich war das der Grund, warum sie lieber in die Sterne schaute. Dabei war sie eigentlich ein recht bodenständiger Mensch.

„Er mag dich“, sagte Hinata unvermittelt.

Verwirrt sah Temari sie von der Seite an. „Wer?“

„Shikamaru. Er mag dich.“

„Ich… ich mag ihn auch!“

„Sicher?“

Es war eine seltsame Frage, sehr seltsam. Ob sie sich sicher war? Natürlich war sie sich sicher, sie mochte Shikamaru.

„Er mag dich sehr“, formulierte Hinata neu. „Oder zumindest, könnte er dich wesentlich mehr mögen. Und er wird.“

Temari schwieg. War das so? Aber… das durfte nicht sein, denn sonst… könnte doch alles kaputt gehen. Oder?

Jetzt waren immerhin schon zwei Menschen der Ansicht, dass Shikamaru sich zumindest in sie verlieben könnte.

Aber was war mit ihr selbst? Was war mit Temari selbst? Sie wollte sich nicht verlieben, das war ihr klar, aber… konnte sie das so einfach steuern?

„Es ist fast Zwölf“, stellte Hinata fest. „Wir sollten mal runter gehen.“

„Ich komm gleich nach“, murmelte Temari und ignorierte Hinatas eigenartig wissenden Blick, als diese wieder verschwand.

//Shikamaru… verliebt… verliebt… Shikamaru… verliebt…//

Temaris Gedanken drehten sich und drehten sich. Unaufhörlich immer um die selbe Frage, die selbe Antwort.

Es wäre wohl am besten, wenn sie ihn selbst fragte.
 

Sie sah… ungewöhnlich aus, wenn sie so vollkommen ruhig da stand und in den Himmel starrte. Normalerweise war sie lebendiger, wilder, unbändiger.

Noch hatte sie ihn nicht bemerkt, wie er einige Meter hinter ihr stand im Türrahmen lehnte und sie beobachtete.

Hinata hatte ihn hereingelassen, zwar nur zögerlich und mit einem ziemlich eigenartigen Gesichtsausdruck, aber immerhin, er war drinnen. Es war wohl wesentlich einfacher, ohne Neji ins Haus zu gelangen, vor allem, weil er den Haupteingang benutzen konnte. Aber auch so war er froh, dass Neji nicht dabei war. Es hätte ohnehin nur wieder Ärger gegeben und noch mal würde Shikamaru es nicht verkraften, seinen besten Freund heulen zu sehen. Das hatte etwas… Beängstigendes an sich.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es nur noch knapp fünf Minuten bis Mitternacht waren. Zeit sich zu erkennen zu geben.

„Hey.“

Obwohl er ziemlich leise gesprochen hatte, zuckte Temari zusammen und wirbelte herum.

„Musst du mich so erschrecken?“, fauchte sie, als sie ihn erkannte. Jetzt schien sie wieder ganz die Alte zu sein. Obwohl da etwas in ihrem Blick lag, das Shikamaru eigenartig vorkam. Aber vielleicht lag das auch nur am fehlenden Licht?

„Komm wieder runter“, meinte Shikamaru und schlenderte langsam auf sie zu, während er sich umsah. „Schöner Ausblick von hier oben.“

„Es ist dunkel, du Idiot!“, knurrte Temari gereizt. Sie sah nicht gerade begeistert aus, dass er hier war. Oder täuschte er sich?

Shikamaru stellte sich neben sie an die Brüstung und starrte erst zu Boden und dann in den schwarzen Himmel. „Na und?“

Er glaubte, ein Schaudern zu Spüren, ein kurzes Zurückzucken, als er sie mit dem Arm streifte. Sie war also nervös. Fragte sich nur, warum. Etwa wegen ihm? Shikamaru runzelte die Stirn bei diesem Gedanken und drehte den Kopf zu ihr, nur um zu sehen, wie sie schnell den Blick abwandte.

Er seufzte.

„Ich kann auch wieder gehen, wenn du willst“, erklärte er genervt. „Aber dann sehen wir uns erst in der Schule wieder, noch mal komm ich nicht hierher. Das letzte Mal war schon ein Desaster.“

„Wie geht’s Neji?“

Sie wich seinen Fragen aus. Shikamaru hasste es, wenn sie so war. Wenn sie sich so seltsam benahm, gar nicht wie sie selbst. Normalerweise konnte sie ihm doch auch die Meinung geigen, warum also jetzt nicht? Warum gab es Momente, in denen sie schwieg oder vom eigentlichen Thema ablenkte?

Er fand das verdammt anstrengend.

„Neji geht’s den Umständen entsprechend“, murmelte er und sah wieder in die Landschaft hinaus. „Er verbarrikadiert sich im Trainingsraum und schlägt auf den Boxsack ein. Wie immer, wenn er mit niemandem reden will.“

Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber von Nejis Ausbruch musste Temari nun wirklich nichts wissen. Es ging sie nichts an.

„Dann hat er auch nicht mit dir geredet?“, hakte Temari nach.

Was interessierte sie das eigentlich? Schließlich mochte sie Neji nicht einmal. Sie wollte also wirklich ernsthaft vom Thema ablenken.

„Du redest nicht mit mir, Temari“, wandte Shikamaru ein. „Ich hab gefragt, was los ist.“

Sie schwieg.

Dieses Schweigen war noch viel nervender, als das Ausweichen.

„Temari!“, bemerkte er scharf. Dann ließ er seine Stimme mit einem Seufzer wieder weicher werden. „Ich bin nicht blöd, Temari. Wenn du irgendein Problem damit hast, dass ich hier bin, dann sag es und ich verschwinde!“

Sie sahen sich an und Shikamaru sah das Zögern in ihren Augen.

„Es ist nur… ich will nicht…“ Sie brach ab, schüttelte den Kopf und startete erneut. „Bist du in mich verliebt, Shikamaru?“

In der Ferne begann die Kirchturmuhr zu läuten.
 

* Das Zählen der letzten Sekunden dieses Jahres kam für Sakura wie durch einen dichten Schleier an ihre Ohren, ebenso getrübt, wie das Seltsame Pochen ihres Herzens. Was war es, das ihr Innerstes zittern ließ, beben und zittern?

Dieser eine einzige, kurze Blick aus universumdunklen Augen. Befreit von jeglichem Hass, jeglichem Zorn, jeglicher Zwietracht, noch mit einem Hauch von Freude und Glück. War es das gewesen? Dieses kurze Austauschen eines Blickes, dieser kurze gemeinsam erlebte, gemeinsam gelebter Augenblick?

In Sakuras Kopf voll wirbelnder Eindrücke und Gefühle setzte sich ein Gedanke fest, der… Konnte das möglich sein?

War das möglich?

Konnte ein einzelner Blick so etwas in ihr auslösen? So schmerzhaft schön, grausam glücklich? Solch ein Herzklopfen, ein Flattern, ein Gefühl, als wäre sie im freien Fall. Unter, über, vor, hinter ihr nichts als die Weite des Alls, die Sterne, Feuerkugeln, heiß und lodernd, wie das brennende Verlangen, das in ihr wuchs und fiel, fiel und wuchs. Und in der Ferne, nichts weiter, als ein heller, blauer Punkt, so weit entfernt, dass schon fast nicht mehr an die Existenz dessen glauben konnte – die Erde. So weit entfernt von aller Realität, dass Sakura sich schmerzhaft zurücksehnte. Zurück zu den Augen, so schwarz wie das Universum um ihr.

War es das?

Wollte sie das?

Konnte es sein, dass… nur ein Augenblick…?

Es knallte und zischte so plötzlich, dass Sakura erschreckt aus ihren Gedanken hochfuhr und verwirrt bemerkte, wie sich der Himmel über ihr erleuchtete, wie ein buntes Farbenspiel über der Menge aufspritzte und wieder verschwand, in dem Moment, in dem es am schönsten war.

„Frohes neues Jahr, Sakura.“

Eisig samtig kam ihr die Stimme desjenigen vor, der sich gerade in ihr Blickfeld schob. Itachis Augen waren getaucht in die Reflektion der Lichter. Seine Augen, schwarz wie ein Himmel ohne Sterne. Genauso wie…

„Sakura? Du sagst ja gar nichts“, bemerkte Itachi mit einem Lächeln, das brannte, wie Eiswasser auf der Haut.

„Oh…“, machte Sakura, schüttelte den kurz den Kopf und versuchte ein Lächeln. „Frohes neues Jahr!“ Sie wusste, dass sie ihn nicht täuschen konnte. Das konnte niemand. Ein so zaghafter Versuch, sicher und glücklich zu wirken, fröhlich und bestimmt. So konnte man einen Uchiha nicht täuschen.

Wie erwartet hob Itachi kurz eine Augenbraue, sah zweifelnd auf sie herab. „Was ist denn los, Sakura? Du bist viel zu still für so einen fröhlichen Moment. So abwesend.“ Es war eine Feststellung, ausgesprochen mit einer der Schärfe eines Messers, einer frisch geschliffenen Klinge, und dabei leicht, fürsorglich, wie eine Feder.

Als Itachi ihr die Hand auf die Schulter legte, ein sanfter Druck, musste Sakura sich beherrschen, nicht zusammenzuzucken. Der Blick, den er ihr schenkte, erstrahlte in der Kälte, ließ sie frösteln.

Der Blick. Rabenschwarz. Wie die Nacht. Wie das Universum…

War es das?

War es das Mögliche? Das Unmögliche?

War es das, worauf sie wartete? Die Bestätigung? Oder doch… ein Hinweis…? In die entgegengesetzte Richtung? In die Richtung…

So ähnlich…

So verschieden…

Wie Himmel und Hölle. Wasser und Feuer. Tag und Nacht. Sasuke und Itachi. Itachi und Sasuke.

Uchiha.

Konnte das sein? Sollte, durfte, konnte das sein?

Wer denn nun? Wer?

W E R ?

Wer waren sie? Die Brüder? Feinde, Freunde?

Und besonders: Wer war er? Wer war Itachi Uchiha? Der Mann mit dem Blick, so kalt, dass Wasser brannte, so still und geheimnisvoll, dass die Stille neben ihm wie das Tosen eines Orkans erschien. So laut. Leise.

Das Gefühl, das sich in Sakura breitgemacht hatte, wurde noch nichts sagender, noch verwirrender.

Ein Gefühl. Wie aus weiter Ferne. Nicht gut.

Ein Gedanke. Wie aus dichtem Nebel. Nicht gut.

Dieser Blick. Oder diese Blicke? Sasuke und Itachi.

Itachi. Blick. Kalt und schön und so versteckt, verborgen. Flammend, ohne Feuer.

Sasuke. Blick… Seltsam. Einfach seltsam. Sagte so viel und doch… gar nichts.

Wer war wer?

Von Sasuke gingen Hass und Abscheu aus.

Itachi jedoch faszinierte sie. Faszination. Gespenstisch, diese Augen, unheimlich, wie er sie musterte, observierte. Aber faszinierend.

Länger hielt Sakura dem Druck, den diese Augen auf sie ausübten, nicht stand. Sie wandte den Blick ab, scheu. War sonst gar nicht ihre Art. Was war nur los mit ihr in letzter Zeit? Was geschah? Mit ihr? Um sie herum?

Löste Sasuke dieses Gefühl in ihr aus, dieses kleine, sonderbare Zittern, Flimmern?

Oder doch Itachi? Er war Sasuke so ähnlich und doch unterschieden sie sich völlig voneinander.

W E R ?

Wer war Itachi? Was wollte er von ihr, von Sakura? Warum gab er sich mit ihr ab?

„Sakuuuu!!!“

Ein schriller Schrei, dann drohte Sakura unter gleich zwei stürmischen Umarmungen erdrückt zu werden.

„Frohes neues Jahr!“, brüllte Ten Ten in ihr Ohr und Naruto ließ gleich einen Singsang ertönen. „…and a happy new year!“

Sakura grinste, schüttelte ihre Freunde ab und erwiderte den Glückwunsch. Dann fiel ihr Blick auf Sasuke, der bei ihnen stand. Er musterte Itachi mit einem finsteren Blick, den Sakura nicht zuordnen konnte, besonders als sie ein ähnlich düsteres Augenspiel auch bei Naruto erkennen konnte.

„Frohes neues Jahr, kleiner Bruder!“, lächelte Itachi.

„Mit dir kann es nur schlimmer werden“, brummte Sasuke als Antwort. „Was suchst du hier?“

„Ich unterrichte hier, falls du das…“

„Das meinte ich nicht!“, unterbrach Sasuke ihn gereizt. „Was machst du hier bei ihr?“

Itachi hob leicht eine Augenbraue und sah zu Sakura hinab.

„Weißt du, was er damit meint, Sakura?“

„Ich hab keinen Schimmer, Itachi“, meinte sie und legte den Kopf schief. „Warum behandelst du ihn so, Sasuke? Er ist dein Bruder. Und wir haben uns nur unterhalten!“

„Unterhalten?“ Sasuke kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Das kann nicht dein Ernst sein, er… Ach, vergiss es!“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um.

„Was? Uchiha! WAS?“, rief Sakura ihm hinterher. Was ihr vor wenigen Minuten noch wie ein besonderer Augenblick vorgekommen war, schien sich jetzt als die absolute Ausnahme, ein Reinfall, herauszustellen. Gefühle? Nicht bei Sasuke Uchiha!

„Sakura…“, murmelte Naruto beschwichtigend, doch es war Itachi, der sie davon abhielt, Sasuke hinterher zustürzen. In diesem Moment drehte Sasuke sich noch einmal um und plötzlich glaubte Sakura so etwas wie… Unruhe, Besorgnis in seinem Blick zu sehen.

„Frohes neues Jahr!“, sagte er und verschwand. *
 

Die bunten Lichter blitzten kurz in Shikamarus Augen auf, wenn sie am Himmel erstrahlten, machten seinen Blick undeutbar, undurchsichtig.

Sie schwiegen sich an, minutenlang. Temari wusste nicht, wie sie die Stille deuten sollte. Wog er die Frage, die Antworten ab? Verglich, analysierte er?

Über ihr krachte und knallte es, Feuerregen und Sternenblumen ergossen sich über das Firmament, doch Temari schenkte der Schönheit dieses Zaubers keine Beachtung, wie sie es sonst tat. Ihr Augenmerk lag auf Shikamaru, der sie nur wortlos anstarrte, mit diesem unergründlichen Blick, den Temari so sehr an ihm hasste. Dann wusste sie nie, was sie von ihm halten, denken sollte. Normalerweise war dieser Kerl so einfach gestrickt, so durchschaubar. Er wollte nichts lieber als seine Ruhe, ein paar Wolken, die er beobachten konnte und jegliche Gedanken an störende Ereignisse unbeachtet lassen.

Doch es gab diese Momente, in denen von seiner Klugheit, die plötzlich zum Vorschein trat, so sehr geblendet wurde, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Dann war Shikamaru genauso undurchsichtig, wie eine Betonmauer.

Er sah ihr direkt ins Gesicht, sie konnte den Blick nicht abwenden.

„Wieso fragst du das?“, meinte Shikamaru schließlich.

„Es ist unhöflich, auf Fragen mit Gegenfragen zu antworten.“

„So?“ Er hob eine Braue. „Ich war noch nie besonders höflich.“

Wieder Schweigen. Temari wurde langsam unsicher. Er hatte schließlich irgendwie Recht: Wieso fragte sie das überhaupt? Wegen einigen Vermutungen, wegen ihrer eigenen Unsicherheit?

Warum?

Und warum wollte sie die Antwort unbedingt wissen?

„Shikamaru…“, sagte Temari leise. „Bitte, antworte einfach.“

„Es ist schon seltsam, wie viele Leute mich zur Zeit darauf ansprechen“, meinte Shikamaru und ignorierte die Bitte. „Erst Neji, jetzt du. Vermutlich fragst du das auch nur aufgrund von Gerüchten und Vermutungen. Und weil du dir selbst nicht sicher bist, beschließt du fürs Erste diesen Gerüchten Glauben zu schenken. Warum fragst du mich das, Temari? Und was glaubst du selbst?“

Es war wirklich gespenstisch, wie entwaffnend er sein konnte.

Doch Shikamaru wartete eine Antwort gar nicht erst ab. „Ob ich in dich verliebt bin?“

Temari blieb ruhig, auch wenn sie innerlich zusammenzuckte. Ob er das sehen konnte mit diesem Röntgenblick, der besser schien, als der Hinatas oder Nejis?

„Ich bin nicht in dich verliebt.“

Die Antwort kam genauso plötzlich, wie unerwartet. Nicht?

Etwas in ihr seufzte tief auf, das andere Etwas… was tat es?

„Gut“, meinte Temari und lächelte. „Ich hatte schon gefürchtet, Kankuro hätte ausnahmsweise mal Recht!“

Shikamaru runzelte die Stirn und lehnte sich lässig an das Geländer. „Kankuro?“

„Ja, mein liebes Bruderherz“, grinste Temari gedehnt und sah hinauf in den Nachthimmel, wo das Feuerwerk langsam verebbte.

Shikamaru sagte nichts.
 

Verliebt. Nicht verliebt. Verliebt.

Wie Temari auf solche Fragen kam, war ihm jetzt klar. Kankuro also. Aber, dass sie auch darauf vertraut hatte… war sie denn so unsicher, dass sie auf einmal auf ihren kleinen Bruder hörte, obwohl sie doch sonst so unabhängig war. Oder zumindest so erschien.

Shikamaru beobachtete, wie Temaris Augen funkelten, als zu den letzten Ausläufern des Feuerwerks sah. Steckte da doch mehr dahinter und sie war nur eine gute Schauspielerin oder… war sie wirklich erleichtert über seine Antwort?

Und warum war da dieser Stich, den er bei diesem Gedanken spürte?

Warum? Warum interessierte ihn das überhaupt? Er war doch sonst nicht… Er glaubte doch…

Das war es ja gerade! Er glaubte nicht. Nicht an die Freundschaft zwischen Jungen und Mädchen. Irgendwann musste etwas geschehen…

Überschwängliche Erleichterung. Vielleicht spielte Temari auch nur? Vielleicht…

Was vielleicht?

Gott, wenn er das nur wüsste.

Ein kleiner Stich, fast flüchtig, so schnell gegangen, wie gekommen, so schnell. Und in seiner Brust war nur noch ein sanftes Klopfen zu spüren, ein zartes Pochen. Kein Hämmern mehr. Es war so schnell fort, dass er gar nicht sagen konnte, ob es überhaupt jemals da war. War es das? Was war es gewesen?

„Ich hab dir noch gar nichts zu Weihnachten geschenkt.“

Die Worte kamen, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. Sprudelten einfach aus seinem Mund, dabei hielt er das nicht gerade… war das ein passender Zeitpunkt?

„Ach?“, machte Temari und grinste ihn an. „Was hast du denn dabei?“ Ihre Augen versuchten wohl ein Geschenk auszumachen, in seinen Händen, seiner Jackentasche oder so. Aber da würde sie nichts finden.
 

Die Welt dort wird der Wirklichkeit nicht gleichen.“
 

Sie starrte Shikamaru fragend an, bis er ihr auffordernd zunickte. „Hast du doch gewollt, oder? Dieses Lied, das wir bis jetzt noch nie zusammen gesungen haben, weil immer wieder etwas dazwischengekommen ist.“

Temari lächelte. „Pech.“

„Dann: Auf das Glück im neuen Jahr!“

„Seit wann hast du denn solche Sprüche drauf?“

„Hey! Ich mach das nur ein einziges Mal!“

„Schon gut!“
 

Shikamaru: „Die Welt dort wird der Wirklichkeit nicht gleichen.“
 

Temari. „Und nichts und niemand sperrt uns beide ein.“
 

Beide: „Kein Schatten dieser Welt kann uns erreichen.

Du wirst mein Mut und meine Hoffnung sein.
 

Mit geschlossenen Augen hörte Neji besser, was über ihm auf dem Balkon geschah. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, begleitet von einem Seufzen. Einem tiefen Seufzen.

Neji kannte Shikamaru schon seit Jahren. Er konnte mit gutem Recht behaupten, dass er ihn in- und auswendig kannte und andersherum war es wohl genauso. Sie waren beste Freunde.

Trotzdem. Er konnte nicht glauben, dass Shikamaru es wirklich durchzog und Temari ein Lied zu Weihnachten schenkte. Einige schlichte, gesungene Zeilen. Immerhin sangen sie bei jeder Probe zusammen, warum war da noch mehr nötig?

Neji sah keinen wirklichen Sinn dahinter.

Aber da war etwas in Shikamarus Stimme, das sein Verhalten in den letzten Tagen erklärte, die Veränderungen der letzten Wochen und Monate. Da war etwas und Neji konnte es nicht leugnen, weil er es praktisch schon wusste. Weil er es hörte. Auch wenn er es nicht ganz verstand, so war es doch eine Art Erklärung. Seit Temari da war, war er so. Seit dieses ältere, aufmüpfige, eigenartige Mädchen aufgekreuzt war. Seit sie sich mit aller Gewalt gegen Shikamaru gewehrt hatte. Ob sie auch mit dieser Gewalt um ihn kämpfen würde, sollte es so weit kommen?

Neji wollte das Schicksal nicht herausfordern.

Temari war wirklich eine außerordentliche Persönlichkeit. Und ausgerechnet in sie… ausgerechnet in sie verliebte sich Shikamaru. Dabei wusste er es selbst noch nicht mal. Aber Neji würde ihn nicht darauf aufmerksam machen, sein bester Freund wurde seltsam gereizt, wenn dieses Thema zur Sprache kam.

Neji warf noch mal einen Blick nach oben auf die Unterseite des Balkons, hörte Lachen und seufzte wieder. Nein, er würde es Shikamaru nicht sagen, das musste der schon selbst herausfinden.

Und außerdem hatte Neji genug eigene Probleme. Um die würde er sich kümmern müssen, bevor er ins Internat zurückging. Er wollte schon losgehen, als er eine Stimme hörte.

„Neji?“

Keine zehn Meter von ihm entfernt stand seine Cousine und betrachtete ihn mit kaltem Blick. Das konnte sie wirklich gut, auf jeden Fall besser als ihre Schwester, wenn auch nicht besser als er.

Ihr braunes Haar war sehr sorgfältig zusammengebunden worden, einzelne Strähnen wippten um ihr Gesicht, als sie auf Neji zuging. Als sie schließlich vor ihm stand, bemerkte Neji, dass sie zwar einen Kopf kleiner war, als er, jedoch genauso gut auf ihn herabsehen konnte, wie ihr Vater.

„Was willst du, Hanabi?“

Ihr Blick wurde seltsam hart und undurchdringlich. Es grenzte an ein Wunder, dass sie wirklich mit Hinata verwandt sein sollte. Sie war ihr so gar nicht ähnlich.

„Ich bin nicht meine Schwester, Neji, das solltest du wissen!“, sagte sie leise. „Ich weiß nicht, wie du sie während der Schulzeit behandelst und es ist mir auch egal, schließlich ist es ihre Sache, ob sie sich das gefallen lässt. Aber im Moment bist du hier, auf dem Anwesen deiner Familie, und hier hast du dich respektvoller zu benehmen, als du es diese Woche getan hast.“

Sie war wirklich nicht wie Hinata. Ihr Blick, ihre Stimme, ihr selbstsicheres Auftreten, das alles zeigte, wie viel Hyuga in ihr steckte.

Kurz lieferten sie sich einen stillschweigenden Kampf, den niemand gewinnen konnte, bevor Hanabi wieder sprach.

„Ich weiß, wie sehr du diese Familie hasst, Neji“, wisperte sie.

„Das weißt du… das wissen Sie nicht, Miss!“, widersprach Neji. „Sie sind frei und unabhängig, Sie können tun und lassen, was Sie wollen, aber ich werde immer hier gefangen sein.“

Hanabi hob die Augenbrauen. „So? Das denkst du? Vielleicht bist du ja gefangen, Neji, aber das bedeutet nicht, dass wir frei sind. Meine Schwester wird von unserem Vater als lästiges Übel angesehen und abgeschoben, aber trotzdem kann sie nicht fliehen. Sie ist an ihre Pflichten der Familie gegenüber gebunden, denn eines Tages wird sie Vaters Platz einnehmen, ob sie nun will oder nicht. Hältst du das für leicht?“

Kurz schwieg Neji. Es war schwierig zu sagen, auf wessen Seite Hanabi stand. Auf der ihrer Schwester? Auf der ihres Vaters? Oder schlicht und einfach auf ihrer eigenen?

„Miss, ich habe nicht vor, meine Zeit mit solchen Fragen zu verschwenden“, murmelte Neji verbissen und wollte sich schon an Hanabi vorbeidrängen, als diese ihn zurückhielt. Mit einem einzigen Wort.

„Nein!“

Das Wort klang so scharf, so gefährlich, dass Neji sich beinahe die Blöße gegeben und zusammengezuckt wäre.

„Es ist dir nicht gestattet, dich zu entfernen!“, zischte Hanabi. „Glaub mir, auch ich würde meine Zeit gerne mit etwas anderem totschlagen, aber ich bin nicht grundlos gekommen. Es geht hierbei auch nicht um meine Schwester oder um mich.“

Hanabi zog einen Zettel aus ihrer Jackentasche.

„Kennst du diesen Brief?“

Ein Brief? Im Dunkeln konnte Neji nicht viel mehr erkennen, als dass große Buchstaben darauf klebten, bunt gemischt, übergangen von jeglichen Regeln der Groß- und Kleinschreibung, ganz offensichtlich ein Sammelsurium aus Lettern, die aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten worden waren.

„Ich habe… das noch nie gesehen, Miss.“

Was bezweckte Hanabi damit? Es war zu dunkel, Neji konnte das Wirrwarr aus Buchstaben nicht entziffern. Aber er erkannte, dass Hanabis Hand, die den Brief hielt, leicht zitterte, auch wenn ihre Stimme, als sie sprach, fest klang, wie sonst auch.

„Das habe ich in Vaters Schreibtisch gefunden. Es gab noch mehr davon, aber ich konnte nur wenige lesen, bevor Vater mich fast erwischt hätte. Aber im Grunde steht in allen das Gleiche.“
 

TOD DEM HYUGA-IMPERIUM! DEIN GRABSTEIN STEHT SCHON, HYUGA!
 

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Der Teil mit Sakura (mit * gekennzeichnet*) ist FlyingMind23 gewidmet, weil sie mir damit sehr geholfen hat! Dankeschön!
 

Außerdem danke ich allen fleißigen Kommischreibern, eure Kommentare sind jedes Mal so toll und motivierend. Besonders über die zum letzten Kapitel habe ich mich gefreut, da lohnt sich die Mühe wirklich immer. DANKE!!!
 

So, es ist vollbracht! Hatte mit dem Kapitel einige Schwierigkeiten, aber jetzt gefällt es mir eigentlich ganz gut. Könnte besser sein, aber na ja…

Und ich bin jetzt endlich mit den Weihnachtsferien durch, die Armen müssen jetzt wieder in die Schule ^^ Wird aber auch Zeit…
 

Das Lied ist aus „Aida“, wie könnte es anders sein? Zwar nur ein Reprise und eigentlich passt es überhaupt nicht, wenn man das Musical betrachtet, aber was soll’s. Passt zur FF.

Ja, das Musical-Projekt hab ich in letzter Zeit auch ziemlich vernachlässigt, aber das ändert sich (hoffentlich) bald.
 

Und mir ist etwas eingefallen. Kommt etwas spät, die Idee ^^°

Wer icq hat und die Lieder, die in der FF gesungen werden, auch mal anhören möchte, dann kann der sich gerne bei mir melden. Aber bitte per ENS, wenn möglich. Geht ja um eure Privatsphäre ^^

Allen anderen kann ich My Video  Aida – Judith Lefeber empfehlen. Würde ja gerne den Link dazuschreiben, aber der funktioniert irgendwie nicht *ärger*
 

Ansonsten: Man liest sich!

LG

inkheartop

Szenen

So, dieses Mal zu Anfang. Wenn euch dieses Kapitel unvollständig vorkommt, dann... ist das auch so. Ich stecke mit dieser FF irgendwie grade in einer Beziehungskrise ^^ Jedenfalls wollt ich euch nicht länger warten lassen. Ist ja jetzt doch schon etwas länger her.
 

Aber genug geschwafelt.

Enjoy reading!

inkheartop
 

***********
 

Szenen
 


 

Schnee.

Die ganzen Ferien über war sehnsüchtig darauf gewartet worden und jetzt, ausgerechnet jetzt, als die Schule wieder begann, schneite es tatsächlich.

Kiba legte den Kopf in den Nacken und spürte, wie die kalten Flocken auf seinem Gesicht schmolzen, wenn sie die Haut berührten. Die Luft roch kalt und frisch, sein Atem verflüchtigte sich in weißem Nebel, wie der Rauch einer alten Dampflok. Akamaru tollte um ihn herum und rollte in der dünnen, weißen Decke, sodass der Schnee in seinem dichten Winterfell hängen blieb. Kiba wusste, dass er später erst einmal eine ziemlich lange Zeit damit verbringen würde, seinen Hund zu waschen und abzutrocknen. Denn so sehr Akamaru Schnee liebte, so sehr verabscheute er Baden.

Aber Kiba blieb noch Zeit.

Er stapfte an den Häusern der Mädchen vorbei und spielte kurz mit dem Gedanken, Hinata einen Besuch abzustatten. Jedoch ließ er schnell davon ab. War Hinata überhaupt schon wieder zurück? Es war schließlich erst früher Nachmittag und die meisten Schüler kehrten erst gegen Abend wieder ins Internat zurück. Einzig und allein dem nahen Wohnort seiner Familie hatte Kiba es zu verdanken, dass er schon wieder da war. Wenn er nicht jedes Wochenende nach Hause könnte, wäre er jetzt sicher auch noch dort und nicht schon seit dem Vortag wieder im Internat.

Doch heute war der letzte Ferientag und nach und nach würden auch alle anderen eintrudeln.

Kiba trottete weiter, den Blick immer auf Akamaru gerichtet, der einige Meter vor ihm herumtobte und versuchte, mit der Zunge die Schneeflocken aufzufangen.

Hinata hatte immer über Akamaru gelacht, erinnerte sich Kiba. Und auch über ihn, wenn er zusammen mit seinem Hund den Schnee aus seinen Haaren geschüttelt hatte. Doch es war seltener geworden, dieses Lachen. Kiba befürchtete, dass seine Freundschaft mit Hinata langsam und leise zu Bruch ging. Woran immer es auch liegen mochte. Ob an seinen Gefühlen oder an denen Hinatas. Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen.

Von beidem etwas?

Es schmerzte ihn, zu sehen, wie sich seine beste Freundin immer weiter von ihm entfernte und dabei immer näher auf einen seiner besten Freunde zukam. Ehemals besten Freundes.

Kiba konnte doch auch nichts dafür, dass er fühlte, was er fühlte. Und was er fühlte war Eifersucht. Eifersucht, Schmerz, Kälte. Trauer.

Wer hatte gesagt, dass das Leben fair wäre?

Kiba schlurfte weiter, war dem Eingangstor zum Campus jetzt näher gekommen, wo der Schnee von Autoreifen und Schuhsohlen vollkommen matschig getreten worden war. Das blasse Grün des Grases schimmerte durch das Weiß.

„Kiba?“

Er hatte dem Tor gerade den Rücken zugekehrt, da hörte Kiba, wie jemand seinen Namen rief. Die Stimme hallte laut und einsam über den verlassenen Teil des Campus und selbst Akamaru hielt kurz inne.

Kiba drehte sich um und sah, wie Kankuro auf ihn zukam, eine große Tasche lässig über die Schulter gehängt.

„Hey! Schöne Ferien gehabt?“, fragte Kankuro und grinste ihn begrüßend an.

„Ging ganz gut“, meinte Kiba schulterzuckend. „Bist du alleine da?“

Bildete er sich das nur ein oder wurde Kankuros Grinsen eine Spur blasser?

„Nein…“, antwortete der Sabakuno schließlich. „Gaara ist noch mitgekommen, aber… er hatte noch was vor.“

Eine recht vage Antwort und auch etwas zu ehrlich unehrlich für einfachen Smalltalk.

Schweigend gingen sie nebeneinander her, wobei Kiba etwas Mühe hatte, Schritt zu halten. Ihm war noch nie aufgefallen, dass Kankuro ein ganzes Stück größer war, als er.

Erst kurz vor den Häusern der Jungen blieb Kankuro plötzlich stehen.

„Dir geht’s scheiße.“

Dass so ein simpler Satz Kiba dermaßen aus der Bahn werfen konnte, fand er schon unfassbar. Mit vielem hatte er gerechnet, aber das?

„Wie meinst du das?“, hakte Kiba nach und versuchte einen möglichst neutralen Blick aufzusetzen. Jetzt nur nicht schwach werden.

„Na ja.“ Kankuro zuckte mit den Schultern. „Du bist still. Viel zu still. Besonders für diese Jahreszeit mit dem Schnee und allem…“

Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm, um seine Worte zu bekräftigen.

Kiba zog skeptisch die Brauen hoch. Doch innerlich fluchte er. Ja, verdammt! Er war zu still. Er war zu ruhig, zu nachdenklich.

„Und weiter?“

//Cool bleiben, Kiba. Ganz cool bleiben. Was interessiert ihn das überhaupt?//

Kankuro hob den Blick zum Himmel und schloss kurz die Augen. Es sah aus, als würde er etwas genießen. Irgendetwas. Aber was?

„Schnee ist schon was Tolles“, meinte er plötzlich und völlig zusammenhanglos, wie es Kiba vorkam. „Aber der Frühling gefällt mir noch besser.“

Frühling…

Was sollte das ganze? Versuchte er ihn auf andere Gedanken zu bringen oder wollte Kankuro einfach nicht antworten?

„Sabakuno!“, knurrte Kiba, angriffslustiger als geplant, doch der Angesprochene ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Frühling, das ist wie ein Neuanfang. Neues Leben erwacht, es ist ein neues Fühlen, ein anderes Denken. Nach einem kalten Winter bringt der Frühling neues Leben, neue Hoffnung. Neue Gefühle.“

So schlicht diese Worte waren, so schlicht er sie auch sprach, Kiba verstand den Sinn dahinter nicht.

Neuanfang? Leben? Hoffnung? Gefühle?

Er schien ziemlich blöd auszusehen, wie er so verständnislos im Schnee stand, denn auf einmal hörte er Kankuro leise lachen.

„Was ist?“ Wieder war es eher ein Knurren, als ein menschlicher Satz.

Doch Kankuro grinste nur und zuckte wieder mit den Schultern.

„Du siehst echt beschissen aus!“, meinte er und setzte sich in Bewegung, in Richtung des Hauses, das er bewohnte.

Ohne sich noch einmal umzudrehen. Er ließ ihn einfach stehen!

Aber Kiba war zu perplex, um sich darüber aufzuregen. Die Sabakunos würde er sowieso nie verstehen, da brauchte er sich gar nicht erst die Mühe machen und es versuchen. Sabakunos hinterließen auf jedem, den sie trafen einen bleibenden Eindruck – meist in der Form eines riesengroßen Fragezeichens.
 

Ein kalter Wind, der durch den Eingangsbereich rauschte, ließ eine Tür knallen und ein lautes „Tür zu! Es zieht!“ kam zweistimmig auf.

„Ich mach ja schon!“ Kibas Stimme war bis ins Wohnzimmer zu hören, wo sich Naruto und Sasuke auf der Couch breitgemacht hatten.

Sasuke warf der Tür einen kurzen Blick zu, um sicher zu gehen, dass Kiba nicht gleich reinmarschiert kam und fixierte seinen besten Freund, der schon eine genervte Miene aufgesetzt hatte, mit einem eindringlichen Blick.

„Hör endlich auf, dir was vorzumachen!“, zischte er.

Naruto rollte mit den Augen und ließ sich weiter in die Polster zurücksinken.

„Ich mache mir nichts vor!“, zischte er zurück. „Du bildest dir etwas ein!“

Ihm hing es langsam zum Hals heraus. Seit Stunden diskutierten sie jetzt schon und so verschieden die beiden Freunde auch waren, eines hatten sie gemeinsam: Sie waren beide furchtbar dickköpfig. Und so würde auch niemand nachgeben.

„Hör mal“, meinte Sasuke und lehnte sich etwas vor. Auch ihn nervte es so langsam, das sah Naruto, aber auch er würde nicht aufgeben.

Ein Teufelskreis.

„Hör mal, ich weiß, dass du es nicht wahrhaben willst, aber das Ganze endet in einem Desaster, wenn du nicht bald handelst!“

„Da gibt es aber nichts! Nichts, verstehst du?“, entgegnete Naruto. „Er ist nicht so jemand, der alles in sich rein frisst! Er würde es laut durch die Gegend posaunen, aber das tut er nicht, also ist da auch nichts!“

Eigentlich war er zufrieden mit seiner Antwort. Eigentlich. Denn Sasuke sah ganz und gar nicht überzeugt aus, eher verzweifelt. Oder passender: Am Rand des Wahnsinns. So lief das ab, wenn sie diskutierten.

„Du kapierst es nicht, Naruto!“ Sasuke schüttelte den Kopf, verständnislos. „Natürlich posaunt er es nicht großartig herum! Sie ist seine beste Freundin!“

„Ach, und du bist auf einmal der Beziehungsexperte, hm? Mister Ich-bin-eifersüchtig-auf-meinen-großen-Bruder!“

Er hatte eine Grenze überschritten, das spürte Naruto instinktiv, als er das Funkeln in Sasukes Augen sah.

Kalt. So hatte Sasuke ihn schon sehr, sehr lange nicht mehr angesehen.

„Noch ein Wort über meinen Bruder, Uzumaki, und du bist erledigt!“

Seine Stimme klang ganz ruhig und gerade das ließ sie so gefährlich wirken. Viele hätte diese Stimme, gepaart mit dem eisigen Blick, zum Aufgeben gebracht. Doch Naruto war schon seit langer Zeit für diesen Ton immun und auch wenn er wusste, dass er dieses Thema lieber fallen lassen sollte, so war er doch zu genervt von ihrem vorangehenden Wortwechsel, als dass das wirklich getan hätte.

„Gib es doch zu, Uchiha! Dein ganzes Leben standest du im Schatten deines Bruders, selbst als deine Eltern tot waren, denn ihm wurde mehr Aufmerksamkeit zuteil, immerhin stand er unter Mordverdacht. Und jetzt, als du gedacht hattest, du wärst ihn endgültig los, taucht er wieder auf und ist besser, gut aussehender, klüger und beliebter als zuvor. Und er macht sich an diejenigen ran, die du…“

Weiter kam er nicht.

Naruto konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich zum letzten Mal mit Sasuke geprügelt hatte. Ernsthaft geprügelt. Doch der unvermittelte Hieb war der Auftakt zu einer Schlägerei, die niemand gewinnen konnte.

Sein Kiefer tat höllisch weh, aber das machte Narutos Kraft nichts aus. Er hatte in seinem Leben schon in genug Schlägereien gesteckt und das war jetzt ein klarer Vorteil. Er wirbelte herum und Sasuke lag eher auf dem Boden, als ihm lieb war. Doch die dunklen Augen funkelten noch immer hasserfüllt und kraftvoll.

Naruto hatte ihn noch nie so wütend gesehen.

„Du wirst mich niemals besiegen, Uzumaki!“, zischte Sasuke zwischen den Zähnen hervor, doch er lag ganz ruhig da und wehrte sich nicht gegen Narutos eisernen Griff, der ihn am Boden hielt.

„In was?“, fragte Naruto spöttisch. „Darin, das größte Arschloch der Welt zu sein?“

Es war ihm egal, dass er Sasuke damit noch wütender machte, noch mehr provozierte. Es war egal.

„Du bist schwächer, als ich“, sagte Sasuke. „Du hast nie das erlebt, was ich erlebt habe, denn du hast nie eine Familie gehabt. Dir konnte sie auch nicht genommen werden, gerade von dem Menschen, dem du am meisten vertraut hast, den du bewundert hast, den du gleichzeitig geliebt und gehasst hast. Du hattest nie einen Bruder!“

Aus Sasukes Stimme sprach so viel Hass, wie Leid. Naruto kannte diese Geschichte. Er wusste, dass Sasuke nicht an Itachis Unschuld im Zusammenhang mit dem Tod seiner Eltern glaubte. Aber eigentlich hatte er gedacht, dass es abgeklungen war. Die Zeit heilte doch eigentlich alle Wunden.

Doch da war noch etwas anderes. Etwas in Sasukes Worten.

„Nie einen Bruder, ja? Den ich gleichzeitig liebe und hasse?“, wiederholte er und es schwang Schmerz mit. Schmerz und Wut.

„Und was ist dann mit dir?“

Sasuke starrte zu ihm hinauf, Unverständnis in den Augen, zwischen all den anderen Gefühlen, die aus ihm heraus gebrochen waren.

„Du warst für mich immer mein bester Freund, mein Bruder“, sagte Naruto und ohne es wirklich zu registrieren, lockerte er den Griff um Sasukes Schultern etwas. „Selbst, als ich noch meinen größten Rivalen in dir sah, warst du immer nur mein Bruder. Ich hab dich gehasst dafür, dass du besser warst. Ich hab dich geliebt dafür, dass du bei mir warst. Und ich tue es jetzt noch. Lieben und hassen. Das wird auch nie anders sein, verstehst du? Denn du wirst immer der Bessere von uns beiden sein, immer. Und darum werde ich dich immer beneiden und gleichzeitig bewundern.“

Naruto wusste nicht, wieso er das erzählte. Genau genommen wusste er nicht einmal, was er da erzählte. Es sprudelte aus ihm heraus, kam heraus, ungefragt und erfüllte den Raum und ließ gleichzeitig eine Leere zurück.

„Ich hatte nie Eltern, nie eine Familie. Aber ich habe einen besten Freund und eine beste Freundin, meine Geschwister. Und ich weiß, wie es ist, wenn dir diese Familie genommen wird. Ich kenne zumindest einen Teil dieses Gefühls.“

Naruto hatte Sasuke inzwischen ganz losgelassen.

Obwohl Sasuke frei war und sich ohne Probleme hätte aufrichten können, blieb er liegen und starrte an die Decke. Der Hass war aus seinem Blick gewichen, oder zumindest ein Teil davon.

Lange herrschte Schweigen und erfüllte den Raum mit einer eigenartig befriedigenden Stille. Abwartend. Es war so still, dass Naruto Kiba hören konnte, der über ihnen im Bad gerade versuchte, Akamaru zu baden.

Die Stille zerbrach, als Sasuke sich schließlich erhob und aus dem Raum ging. Naruto hielt ihn nicht auf.
 

Suchend sah Ino sich um. Um sie herum lachten Schüler und begrüßten sich, andere verabschiedeten sich von ihren Eltern oder zeigten fröhlich ihre Weihnachtserrungenschaften herum.

Ino war das egal – fürs Erste.

Sie war wie immer von einem Chauffeur ins Internat kutschiert worden, ihre Eltern waren viel zu beschäftigt dafür. Dieses Jahr waren sie sogar so beschäftigt, dass sie nicht einmal mehr Zeit gefunden hatten, um sie zu Hause zu verabschieden. Ino gab es nur ungern zu, aber es schmerzte sie.

Eigentlich würde sie jetzt zu gerne mit Sakura, Ten Ten, Hinata und Temari in der Küche sitzen, Unmengen von Weihnachtsschokolade verdrücken und über die Ferien reden, um sich kindische Gedanken über Eltern ohne Zeit für ihre Tochter zu ersparen.

Doch Sakura und Ten Ten würde sie erst später treffen und Hinata und Temari würden erst am Abend eintreffen. So hielt Ino nach jemand anderem Ausschau.

Nach Sai.

Natürlich hatte sie keine Ahnung, ob er überhaupt schon angekommen war, schließlich hatte sie ihn seit zwei Wochen weder gesehen, noch mit ihm geredet. Aber da um diese Zeit die meisten Schüler eintrafen, rechnete Ino sich gute Chancen aus.

Seit Tagen schon malte sie sich dieses Zusammentreffen aus.

Würde sie ihm in die Arme fliegen?

Würden sie in einem heißen Kuss versinken?

Würde er ihr das sagen, was er schon in dem Brief geschrieben hatte?

Der Brief. Das Thema, über dem Ino in den letzten Tagen am meisten gebrütet hatte. Über dem Brief, Sai, ihren Gefühlen und besonders sich selbst. Es konnte ihr niemand vorwerfen, sie hätte sich keine Gedanken gemacht.

Was allerdings das Verwirrendste war: Sie war zu keinem Ergebnis gekommen. In keinem einzigen Punkt.

Der Brief. Ein Geständnis? Ein Aufruf? Ein Wissen? Ein Gewissen?

Sai. Ein Spiel? Ein Liebhaber? Ein Liebender? Ein Geliebter? Ernst?

Ihre Gefühle. Falsch? Verlogen? Unfair? Normal? Richtig?

Sie selbst…

Ja, was war mit Ino selbst? Sais Brief hatte sie aus dem Konzept gebracht. Das war nicht wie sonst auch, ein Spiel, eine Farce. Denn Sai fühlte zu sehr. Verstand und sah. Er war ehrlich und das war vielleicht das Schlimmste. Sai war ehrlich. Ehrlich verliebt und… was auch immer.

Aber für Ino war es ein Spiel, nichts weiter als das, ein neues Abenteuer in ihrem Leben, ein rasch vorbeiziehender Moment, entstanden aus Lust und Langeweile.

Ino liebte Sai nicht. Sie mochte ihn, mochte ihn wirklich, denn er war so anders, als alles, was Ino bisher kennen gelernt hatte. Das war… aufregend. Dieses Neue, Unbekannte barg einen gewissen Reiz. Aber eben auch nicht mehr.

Unter ihren Füßen knirschte der Schnee, als sie sich umdrehte und endlich zurück ins Haus gehen wollte. Sai war noch nicht angekommen und sie musste noch auspacken, Sakura und Ten Ten begrüßen, das ganze Theater eben. Wie jedes Jahr.

Fast könnte man meinen, Ino wäre enttäuscht. Sie schob den Gedanken schnell wieder zur Seite und schüttelte unwillig den Kopf.

Sie war nicht enttäuscht, höchstens etwas… gut, sie war enttäuscht. Aber ein Filmauftritt à la Ich-fliege-dir-in-die-Arme wäre auch zu schön gewesen, um jetzt nicht enttäuscht zu sein. Es hätte einfach das gewisse Etwas gehabt, um das ganze noch ein wenig zu vertiefen. Das Spiel.

Seufzend starrte Ino auf die graue Wolkendecke über ihr, aus der unaufhörlich weiße Flocken herabrieselten und auf dem Stoff ihrer Mütze schmolzen, wenn sie in den rauen Fasern hängen blieben.

Auch Inos Jacke war feucht geworden und wenn sie es sich recht überlegte, wäre das ziemlich eklig geworden, so eine nasse Freuden-Umarmung. Und außerdem…

Ino schob es gerne noch etwas auf, mit Sai über den Brief zu reden.
 

Sai stieg aus dem Bus und sah sich um. Suchend. Sein Blick glitt durch die Menge, versuchte den langen, hellblonden Zopf zwischen all den anderen Frisuren zu finden, die hellblauen Augen, die überwältigende Ausstrahlung.

Aber Ino war nirgends zu sehen.

Verpasst.
 

Es war seltsam, die ganzen lachenden Menschen um sich herum zu wissen und sich trotzdem… einsam zu fühlen. Weil man selbst gerade ein solches Lachen, ein solches Glück hinter sich zurück gelassen hatte?

Vielleicht.

Seit Jahren schon kannte Sasuke Naruto. Schon viel länger, als jeder andere. Von dem Tag an, an dem er dem Chaoten Nummer Eins zum ersten Mal begegnet war, hatte er einen Freund gehabt. Oder so etwas in der Art. Immerhin hatte es mehrere Jahre gedauert, bis sie wirklich Freunde geworden waren. Aus Feinden. Beste Freunde. Daran bestand kein Zweifel, auch wenn keiner der beiden es jemals laut aussprach.

Vielleicht war es ja gerade das, was diese Freundschaft so gefestigt hatte, gestärkt. Vielleicht war es einfach nie nötig gewesen, das auszusprechen, was sie ohnehin wussten.

Vielleicht war es aber auch gerade das, was diese Freundschaft so zerbrechlich gemacht hatte. So… verwundbar, verletzlich. Weil niemand gewagt hatte, das auszusprechen, was man erhalten hatte, ohne etwas dafür zu tun. Was man erhalten hatte, obwohl es ihm vorher versagt geblieben war.

Freundschaft.

Doch jetzt war es ausgesprochen. Gesagte Worte, konnte man nicht zurücknehmen. Und wenn doch, dann hatten sie – er und Naruto – diese Chance längst verpasst.

Brüder.

Das Wort hallte in seinem Kopf wider, tat in seinen Ohren weh, schlimmer noch, als die freudigen Gespräche um ihn herum.

Freunde.

War diese Freundschaft stärker geworden oder schwächer, nachdem es nun ausgesprochen war?

Sasuke zog fröstelnd die Schultern hoch. Ihm war kalt, aber das lag nicht nur am Schnee, der auf ihn herunterrieselte und in seinen dunklen Haaren hängen blieb. Er fror innerlich. Erfror innerlich.

Denn da gab es jetzt diese Wörter, die unablässig in seinem Kopf herumspukten und ihn zum Nachdenken brachten.

Sasuke hatte sich schon oft mit Naruto gestritten. Wegen Mädchen, Musik, Filmen, dem Chaos, das Naruto unweigerlich verursachte, wohin er auch ging, oder der Tatsache, dass Sasuke morgens am längsten im Bad brauchte.

Aber das alles war so unwichtig gewesen. Sie brauchten diese Streits einfach, sie waren zu verschieden, um nicht zu streiten und es war besser, wenn sie sich wegen Kleinigkeiten in die Haare bekamen, als sich in wichtigen, ernsten Sachen zu verbeißen, die dann viel länger waren und schwieriger zu bereinigen.

Bis heute hatte diese Taktik gut funktioniert. Sie hatten sich immer alles gesagt, auch wenn es unverschämt oder unpassend war. Aber es hatte immer diese eine Sache gegeben, die niemals angeschnitten wurde. Weil sie es wussten? Oder weil es ihnen Angst machte?

Angst.

Sasuke hatte selten Angst. Schon zuviel hatte er gesehen und erlebt, um ständig vor allem weglaufen zu müssen, zu wollen.

Er hatte vor Itachi Angst. Manchmal. Selten. Und vermutlich war es eher eine ängstliche Wut, als eine wütende Angst.

Er hatte vor Sakura Angst. Das kam auch schon mal vor, allerdings war es irgendwie verständlich. Sie war launisch und hätte ihm fast die Zungenspitze abgebissen. Und außerdem… na ja…

Er hatte vor Naruto Angst. Besonders wenn der wieder eine seiner Phasen hatte, in denen er das Pech magisch anzog. Oder wenn er ausnahmsweise mal seine nicht unbeachtliche Intelligenz heraushängen ließ. Was eher selten war.

Vor solchen Sachen konnte Sasuke sich fürchten. Obwohl ‚Gruseln’ wohl besser gepasst hätte. Aber eine Sache gab es, von der er nicht einmal gewusst hatte, dass er davor Angst hatte. Denn bisher war es nicht nötig gewesen, darüber nachzudenken. Es war nicht nötig gewesen, diese Angst überhaupt in Betracht zu ziehen.

Sasuke hatte Angst vor der Einsamkeit.

Sasuke hat Angst vor Verlust. Verlust von Freundschaft. Verlust von Naruto.

Und gerade jetzt, als er sich gedankenverloren durch die Schülerscharen drängte, die zusammen lachten, zusammen glücklich waren, wurde ihm bewusst, dass er einsam war.

Und dass er drauf und dran war, seinen besten Freund zu verlieren. Aus welchem Grund auch immer.

Konnte das so einfach sein? Das Verlieren?

Offenbar schon. Kleine Dinge. Kleine Dinge brachten die großen ins Rollen.

Kleine Dinge.
 

Das Auto rollte langsam vor dem Tor des Internats aus, die Türen öffneten sich.

Während Temari ausstieg, blieb Hinata noch sitzen, starrte auf ihre Hände und fragte sich, warum sie sich solche Sorgen machte. Immerhin würde sie ihre Freundinnen wieder sehen… und auch Naruto.

Sie wurde rot bei dem Gedanken.

Doch, auch wenn sie jetzt wieder Schule hatte, wieder lernen musste und und und, so war doch eigentlich alles in Ordnung. Sogar Neji konnte sie hier aus dem Weg gehen, ohne dass es auffällig erschien.

Vielleicht lag aber gerade hier das Problem.

Schon sehr lange hatte sie nicht mehr mit ihrem Cousin gesprochen, wirklich gesprochen. Das war schon vor dem Tod ihrer Tante so gewesen und danach war es sicher nicht besser geworden.

„Hey, Träumerin!“ Temari klopfte grinsend an die Scheibe. „Kommst du?“

Hastig löste Hinata den Sicherheitsgurt und stieg aus. Kalter Wind und Schneeflocken wirbelten um sie herum, instinktiv zog sie ihren Mantel etwas enger um sich.

„Wann wohl Neji und Shikamaru kommen?“, fragte Temari und sah erwartungsvoll die Straße hinunter. Dann packte sie ihren Koffer. „Los jetzt, ich werde garantiert nicht auf ihn warten und mir den Hintern abfrieren!“

Sie grinste Hinata an, die nur zurücklächeln konnte. Temari war neuerdings erstaunlich gut gelaunt. Ob das an Shikamaru lag? Hinata wusste es nicht und sie würde auch nicht danach fragen. Immerhin war es Temari!

Auch sie nahm nun ihren Koffer und ging Temari hinterher, die schon einige Schritte voraus war und mit lauter Stimme weiterredete. Hinata jedoch hörte nicht zu. Sie war mit ihren Gedanken weit weg.

Bei Naruto.

Bei Neji…

Irgendwie beschlich sie ein sehr ungutes Gefühl. Woher es kam, konnte sie noch immer nicht erklären.
 

Einen winzigen Augenblick lang hämmerte ihr Herz deutlich zu schnell, als sie ihn sah, auch wenn es nur aus der Ferne war. Ten Ten zwang sich selbst zur Ruhe und drehte sich demonstrativ in eine andere Richtung. Auch wenn er das nicht sehen konnte, so gab es ihr doch zumindest das Gefühl, sich richtig entschieden zu haben. Weg von ihm, an dem ihr Herz hing und welches er… in welchem er keinen Platz hatte. Nie haben würde…

Sie begrüßte Ino friedlicher, als sie selbst vermutet hatte und sogar ein Lächeln glückte ihr. Von Tag zu Tag wurde es leichter, sein Gesicht vor sich zu sehen, den Wunsch zu verdrängen, die langen Haare einmal durch ihre Finger gleiten zu lassen… ihn nur ein einziges Mal zu küssen.

Sie verdrängte diese Gefühle, denn irgendwann würden sie nicht mehr wehtun. Irgendwann würde sie ihn ohne Herzklopfen ansehen können. Irgendwann…

Sie begrüßte Temari mit Freude, wünschte ihr das übliche… frohes neues Jahr! Es war nicht schwer, sie zu täuschen, sie kannten sich noch nicht lange genug. Das machte es leichter. In ihr konnte sie nicht die Sorge sehen, wie bei Sakura. Die zeigte es zwar nicht offen, aber… da war Sorge in ihren Blicken zu lesen, wann immer Ten Ten lachte, wann immer sie einen Blick über den verschneiten Campus warf. Dabei suchte sie nicht nach ihm. Sicher nicht. Sie suchte nach… Ja… nach was eigentlich?

Der Schnee erinnerte an seine Augen. Doch selbst dieses kalte, blendende Weiß war nicht so kalt, wie seine Augen. Augen, die sich in ihr Herz bohren konnten, wenn sie es wollten. Augen, die sich tagsüber in ihre Gedanken schlichen, nachts in ihre Träume verfolgten. Aber auch das würde aufhören. Mit der Zeit würde es besser werden. Ganz sicher…

Weiße Augen…

Als sie Hinata begrüßte… verrutschte das Lächeln.

Warum musste Vergessen auch so schwer sein?
 

Nacht brach herein, gleich einer schweren, düsteren Decke, die das Licht zum verstummen brachte, die Seelen aber zum Schreien.

In dieser Nacht gab es viele Aufschreie. Von geschundenen Herzen erzählten sie, von bitteren Tränen und falschem Lachen. Verwirrung und Hass, nah beieinander. Sie berichteten von dunklen Geheimnissen und heller, durchscheinender Verletzlichkeit, verborgen und versteckt hinter Mauern aus Ignoranz und Kälte.

Verzweiflung strebte den Wolken entgegen, um sie zu überwinden, nur um die Sterne zu sehen. Und vielleicht ein wenig Hoffung.

Und sie lagen wach, gequält von ihren Gedanken, die zu unterdrücken unmöglich war. Denn nachts kann sich selbst der Stillste unter ihnen in sein Bett schleichen, seine Schritte auf dem Flur und das leise Schließen der Zimmertür werden trotzdem gehört werden.
 

Irgendetwas war seltsam. Eigenartig, komisch. Anders.

Kiba sah es.

Shikamaru sah es.

Neji sah es.

Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.

„Was ist mit den beiden los?“, zischte Neji fragend, als er mit Shikamaru und Kiba am Frühstückstisch saß und besonders eine Sache auffällig wurde: Die Stille. Eigenartig ungewohnt drückte sie auf die Ohren der Anwesenden und wenn andere diese Stille für normal gehalten hätten, sie taten es nicht. Denn es war nicht normal, nicht in diesem Haus.

Hier wurde morgens schon diskutiert und viel geredet, hauptsächlich Schwachsinn, und besonders viel gestritten.

Und der Grund für diese morgendlichen Unruhen war fast immer Naruto. Und das schloss Sasuke automatisch mit ein.

Doch an diesem Morgen herrschte Stille.

Kiba kraulte Akamaru hinter den Ohren, was von Shikamaru nur mit einem genervten Blick kommentierte. Zu wichtig war das, was Kiba schließlich sagte.

„Sie haben sich gestritten.“

Neji hob die Brauen. „Das ist alles? Deshalb benehmen sie sich so? Sie streiten doch ständig…“

Kiba schüttelte den Kopf. „Es ist anders als sonst. Es ist ernst. Ich hab sie gehört, gestern. Nein, ich habe nicht gelauscht, sie waren wirklich nicht zu überhören!“, fügte er bei den Blicken seiner Freunde beschwichtigend hinzu.

„Schon gut“, seufzte Shikamaru. Neji fing seinen Blick auf und nickte. Da war etwas ganz schön aus dem Ruder gelaufen.

„Um was ging’s? Haben sie sich geprügelt?“

Zögernd zuckte Kiba mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Um Sasukes Bruder, glaub ich. Um… Brüder eben…“

„Dann haben sie sich geprügelt“, stellte Shikamaru fest.

Auch Neji war das klar. Wenn es um die Familie ging, egal um welche, egal ob vorhanden oder nicht, reagierten Naruto und Sasuke gleichermaßen allergisch. Und zusammen ergab das eine explosive Mischung.

„Und was jetzt?“

Diese Frage schwebte plötzlich ausgesprochen im Raum. Die Blicke der Jungen trafen sich wieder und Ratlosigkeit machte sich breit.

Was tun?

„Eigentlich…“

„…können wir überhaupt nichts machen“, ergänzte Neji und sein Blick wanderte zur Treppe, die man durch die geöffnete Küchentür gut im Blick hatte.

„Was n Scheiß“, murrte Kiba und sein Kopf landete auf der Tischplatte.

Neji konnte es ihm nicht verübeln.

Wenn die beiden besten Freunde zerstritten waren, zog das die Stimmung im ganzen Haus Richtung Erdkern.

„Was für n Scheiß?“

Drei Köpfe ruckten gleichzeitig herum, nur um ihn Narutos grinsendes Gesicht zu sehen. Aber nicht einmal das Grinsen wirkte normal. Wie auch, wenn die restlichen Züge mehr von Müdigkeit sprachen, als es die Shikamarus konnten.

Je länger die Freunde ihn anstarrten, desto schiefer wurde das Grinsen und schließlich drehte sich Naruto abrupt um und suchte mit fahrigen Bewegungen nach einer sauberen Tasse, in die er den schon fast erkalteten Kaffee kippen konnte.

Neji wandte als Erster den Blick wieder ab.

In diesem Moment glaubte er noch, die Stimmung könne an diesem Morgen nicht mehr gedrückter werden.

Er änderte seine Meinung, als zehn Minuten später – und zehn Minuten vor Schulbeginn – endlich Sasuke aus dem Bad kam und kurz in der Küchentür verharrte.

Naruto drehte sich nicht einmal um.

Und Sasuke schien dies nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen.
 

Sie zischten gerade noch vor Asuma ins Klassenzimmer, der ihnen einen missbilligenden Blick zuwarf, aber sonst nichts weiter sagte. Anscheinend war er heute guter Laune.

„Tag, alle miteinander.“ Er warf seine Tasche auf das Pult und redete, während er auspackte. „Ich hoffe, Sie hatten schöne Ferien, war ja leider etwas nass in letzter Zeit. Aber darum müssen Sie sich jetzt keine Gedanken mehr machen, jetzt sind Sie hier im trockenen Schulgebäude. Wobei ich darauf hinweisen muss, dass das Dach des Altbaus wegen der Last des Schnees… Uchiha? Uzumaki? Was stehen Sie da so dumm herum, setzen Sie sich endlich!“

„Was ist denn mit denen los?“

Temari warf Shikamaru einen fragenden Blick zu, dem er jedoch auswich.

Wenn er das nur wüsste…

Naruto und Sasuke nahmen sehr langsam Platz, wichen dem Blick des anderen aus und starrten verbissen auf die Tischplatte. Zwischen ihnen schien eine riesige Lücke entstanden zu sein, in die noch ein dritter gepasst hätte, so weit waren sie auseinander gerückt.

Selbst Asuma legte die Stirn in Falten, ganz zu schweigen vom Rest der Klasse, wie Shikamaru mit einem unguten Gefühl feststellen musste. Wenn aus dieser Sache noch ein Klatschthema werden würde, würde es das nicht gerade vereinfachen.

„Haben sie sich gestritten?“, flüsterte Temari, sah ihn dabei aber nicht an, sondern starrte scheinbar interessiert auf die Tafel. Shikamaru war ihr dankbar dafür, er konnte nicht gut lügen. Einer der Gründe, weshalb er es so gut wie nie tat. Aber in solchen Situationen…

„Keine Ahnung“, nuschelte er der Tischplatte entgegen.

„Aha.“ Mehr nicht.

Aber Shikamaru wusste, dass sie ihn durchschaut hatte, immerhin war sie die einzige – neben Neji –, die sich mit ihm im Schach messen konnte.

Und außerdem… kannte sie ihn seltsamerweise viel zu gut. Und das nach so kurzer Zeit. Er war durchschaubar und er konnte nicht leugnen, dass ihn das ärgerte. Was machte dieses Mädchen nur mit ihm?

Unwillkürlich musste Shikamaru an die Silvesternacht denken. Auf dem Balkon. Das seltsame Herzklopfen und der leise Schmerz. Und dann, die Erfülltheit von diesem Unbekannten, nur aufgrund eines Liedes, aufgrund weniger Zeilen.

Was machte sie nur mit ihm?

Bis der Gong durch das Schulhaus hallte, klinkte sich Shikamaru aus dem Geschehen rund um ihn aus und dachte an gar nichts. Zumindest nichts Wichtiges. Erst als Asuma die Hausaufgaben in das eingestimmte Geplapper rief, erwachte Shikamaru aus seinem Halbschlaf und fing sofort ein Grinsen von Temari auf, die sich genüsslich streckte.

„Wenn ich dir eine Frage zum Unterricht stellen würde, könntest du sie nicht beantworten.“ Das war keine Frage, das war eine Feststellung.

Shikamaru zuckte mit den Schultern.

„Und? Was Interessantes bei dem gedanklichen Exkurs herausgekommen?“, hakte Temari nach, packte ihre Tasche und stand auf.

„Vielleicht“, antwortete Shikamaru und folgte ihr in den Gang. „Hast du Chemie gemacht?“

Temari nickte nur, sah sich dabei suchend um. „War einfach. Bis gleich!“

Dann war sie auch schon in der Menge verschwunden.

„Hast du Chemie?“, wurde Shikamaru mit einem Mal selbst gefragt.

Mit entschuldigendem Grinsen stand Naruto vor ihm.

„Ne, keine Lust. Aber ist ja erst heut Nachmittag. Temari hat die Lösungen und…“ Shikamaru zögerte. Er würde sich mit der folgenden Aussage auf verdammt dünnes und verdammt glattes Eis bewegen. „…Sasuke müsste sie auch haben.“

Narutos Grinsen wackelte für den Bruchteil einer Sekunde. „Ich muss Temari sowieso noch was fragen, ich…“ Er hatte Shikamaru schon halb den Rücken zugedreht, doch dieser hielt ihn fest.

„Verdammt, Naruto! Was läuft hier ab?“

Naruto machte sich los, sein Blick war undurchdringlich.

„Nichts. Ich will mir nur mit Mitarashi keinen Ärger einhandeln.“

Damit verschwand er, wie zuvor schon Temari, in der Schülermenge, die sich langsam verlor und Richtung Schulhof steuerte.

Shikamaru seufzte. Was war heute eigentlich los?

Blau und kalt, so sehen Dachgedanken aus

Blau und kalt, so sehen Dachgedanken aus
 


 

Es war verdammt kalt. Es war wirklich verdammt, verdammt kalt. Aber was hatte er erwartet? Es war Januar!

Fluchend rieb er sich die Arme und dachte daran, dass er heute nicht hätte aufstehen sollen… Ach was! Nur heute? Die ganze letzte Woche war verflucht gewesen, die ganze beschissene Woche. Jeder einzelne Tag zum Untergang verdammt… gut, das war jetzt vielleicht zu drastisch, zu melodramatisch. Nicht jeder Tag, nicht wirklich. Aber fast.

Und jetzt?

Er sah sich um. Wenigstens schneite es nicht mehr, der Schnee war sogar schon wieder fast vollständig getaut. Nur noch einige Pfützen zeugten davon, dass es Winter war. Aber die Sonne schien. Wenigstens etwas, wenigstens das. Ein kleiner Trost in dieser Misere, in die er sich da verrannt hatte.

Kalt war es trotzdem. Verdammt kalt.

Missmutig ließ er sich auf die stählerne Treppe fallen und starrte in den tatsächlich blauen Himmel. Fast schien es ihn auszulachen, dieses Blau.

Haha! Seht euch den an!

Und vor dem Blau schwebten federleichte Wolken umher und machten die Idylle perfekt, fast perfekt. Aber eben nur fast. Gegen die Kälte konnten weder der lächerlich blaue Himmel noch die weißen Federwolken etwas ausrichten. Und auch die dünne, schwarze Jacke half nicht viel gegen den zugigen Wind, der hier oben wehte.

Wieder so eine Tatsache, weswegen er heute besser liegen geblieben wäre. Einfach den Wecker an die Wand schmeißen, sich im Bett auf die andere Seite drehen und weiterschlafen, vielleicht sogar träumen. Von was auch immer er geträumt hatte.

Aber sein Blick hatte den Wecker heute Morgen leider nicht zum Verstummen gebracht. Sein Blick hatte nur bemerkt, dass er schon viel zu spät dran war und keiner der anderen Idioten auch nur daran gedacht hatte, ihn zu wecken. Und sein verschlafenes Gehirn hatte nicht daran gedacht, einfach wieder in den Schlafmodus zu wechseln. Nein, sein Hirn, dieser Verräter, hatte ihn aufspringen und sich in Windeseile umziehen lassen. Und es hatte auch nicht daran gedacht, dass es Winter war und somit verdammt kalt.

Deshalb hatte er jetzt nur ein T-Shirt an – nicht mal das, es hatte ja unbedingt ärmellos sein müssen – und diese viel zu dünne, schwarze Jacke. Die Mädchen mochten ja auf dieses Outfit stehen, zumindest wenn er es trug, aber jetzt gerade war es einfach nur verdammt unpraktisch!

Er hätte heute Morgen wirklich nicht aufstehen sollen.

Ein Desaster hatte das andere gejagt. Und dann noch diese Sache. Die Sache, von der er sich nicht erklären konnte, warum sie ihn so mitnahm. Warum regte er sich so darüber auf? Warum versetzte es ihm diesen verdammten Stich, machte ihn so wütend. So enttäuscht. So… verletzt.

Ja, er gab es zu. Es hatte ihn verletzt. Aber warum? Warum?
 

Warum?
 

„Was ist los?“

Die Frage, sie hatte schon so lange in der Luft gehangen. So lange war sie knisternd auf- und abgeschwebt, nur darauf wartend, sich endlich entladen zu können, wie eine Gewitterwolke.

Lange starrte er sein Gegenüber nur an, dann wandte er den Blick ab und befand sein Frühstück für wesentlich interessanter.

„Was ist los?“, fragte jetzt eine andere Stimme, leiser zwar, aber wesentlich eindringlicher. Wesentlich eindrucksvoller.

Genervt hob er den Blick. Oder zumindest wollte er es genervt aussehen lassen. Ob sie es ihm abkauften? Sie kannten ihn nun schon so lange. Viel zu lange. Sahen sie? Die Nervosität, die in seiner Brust herum sprang, das Zittern, das seine Finger erfasste, der flackernde Blick?

Sahen sie es?

„Nichts ist“, sagte er. Seltsam kratzig, heiser klang seine Stimme. Fast rauchig. „Was soll sein?“

Wie dumm er doch war. Wieso sollten sie ihm das abkaufen? Warum sollten sie das?

Sie kannten ihn schon so lange…

„Pah“, wurde auch schon verächtlich geschnaubt. „Hältst du uns wirklich für so bescheuert? Du hattest ja schon immer ein großes Ego, aber…“

„Lass es, Kiba.“

Sofort verstummte das Gemecker und trotzdem wünschte er sich fast, Kiba hätte weitergemacht. Es war leicht, sich beschimpfen zu lassen. Viel leichter, als die Selbstvorwürfe, die Wut und die Hilflosigkeit, die ihm den Kopf vernebelten, dass er nicht mehr klar denken konnte.

„Ihr müsst endlich wieder miteinander reden!“, seufzte Shikamaru.

„Wer?“, stellte er sich auf stur. Und das konnte er gut, stur sein. Selbst wenn die anderen Recht hatten, aber… diese Sache ging sie nichts an. Überhaupt nichts.

„Stell dich nicht so blöd…“, fuhr Kiba wieder auf und raufte fassungslos die Haare, als Shikamaru ihn mit einem genervten Blick wieder zum Schweigen brachte.

„Es nervt“, brachte er es dann aber selbst mit rollenden Augen auf den Punkt, ignorierte Kibas unverhohlen triumphierenden Blick. Sasuke verlor sich kurz in diesem Anblick, in dieser Gewohnheit, die ihm so plötzlich geraubt worden war. Shikamaru und Kiba brachten sich gegenseitig auf Hundertachtzig.

Wie war das bei ihm gewesen? Gab es das noch?

„Sasuke…“ Neji bearbeitete mit gelangweilt konzentrierter Miene die Kaffeemaschine, sah ihn nicht an. „Es geht uns nichts an“ – Kiba schnaubte entrüstet – „aber ihr habt euch da echt totalen Schwachsinn eingebrockt. Und wenn ihr das nicht bald klärt, werden wir das übernehmen.“

Ihr?“ Seine Stimme war wieder da, vollständig erhalten und unversehrt. Mit allem Sarkasmus, mit Hohn und Spott… ohne Schmerz, ohne Leiden. Ohne… „Wieso Ihr? Was hab ich denn verbrochen?“

Nejis herrische Bewegungen an der sich heftig sträubenden Maschine hielten inne, warteten mit ungeduldiger Geduld auf Nichts.

Kibas Stimme war so stumm wie ein Schmetterling im Landeanflug, selbst sein Atem strich flüsternd wispernd leise über Seelenblütenblätter.

Shikamarus eindringlicher, scharfsinniger Blick bohrte Nadeln, Dolche, Schwerter in seine Lunge, die empört nach Luft schnappen wollte. Nicht konnte. Wie konnte ein einzelner Blick so wissend sein?

„Was?“, wollte Sasuke sagen, heraus kam ein leises Röcheln, das die zerbrechliche Luft durchschnitt wie ein Messer. Scherben, unsichtbare Scherben bröckelten zu Boden, fielen mit lautlosem Klang auf die Fliesen, als er den Stuhl zurückschob. Unter seinen Sohlen knirschte gläserne Luft, als er ging. Er ging. Hinter sich ein Raum voller Menschen, die ihn zu kennen glaubten, ihn kannten und auch nicht. Die ihn verstanden und auch nicht.

Dabei brauchte er das alles nicht. Brauchte das alles doch gar nicht. Nicht die Kenntnis, nicht das Verständnis.

Was er hat, das will er nicht… und was er will, das hat er nicht.
 

Da war die Tür, die Tür hinaus, wo ihn niemand mehr stören konnte. Niemand konnte ihn dort vom Frühstück abhalten oder… von was auch immer.

Hinter der Tür starrten ihn blaue Augen an.

… und was er will…

Er hatte alles mit angehört. Naruto hatte alles gehört.

Er hatte gehört, was gesagt wurde.

Er hatte gehört, was nicht gesagt wurde.

Alles. Einfach alles.
 

Alles.
 

Seine geschlossenen Augen schwebten über die Landschaft, die das Schulgelände umringte. Die Stadt, noch mit winzigen schmutzig weißen Schneehauben, die tropfend zur Straße sanken. Die Berge, überall Berge.

Sasuke hatte schon Orte gesehen, deren Horizont unendlich war. Unendlich weit. Nirgends stieß der Blick auf Hindernisse, kroch zum Rand der Welt und fragte sich, wie weit es da wohl runter ging. Die Sehnsucht, diesen Rand zu erreichen, nur einmal. Einmal nur, nicht mehr.

Hier jedoch die Berge und sein Blick wetzte sich ab an den grünen Hügeln, bedeckt von Tannendecken und Weinrebenteppichen. Sanft wellte sich der Horizont und dahinter ging es weiter und weiter und weiter…

Nichts war hier unendlich. Nicht einmal…

Scharfer, kalter, grauer Wind legte sich mit großem Gewicht auf seine Schultern, drückte und Sasuke hatte das Gefühl, zerbrechen zu wollen.

Zerbrechen, so wie noch vor wenigen Stunden die Luft in der Küche. Brechen.

Sasuke lag auf dem Rücken, hatte sich so warm wie nur irgend möglich in seine dünne Jacke gewickelt und starrte in den eisblauen Himmel.

Blau.

Blaue Augen.

Warum war er nur so dumm. So verdammt dämlich. Und stur noch dazu.
 

Blauer Himmel über ihm.
 

Immer wieder kleine, graue Fetzen zwischen all dem Weiß und Blau und Blau.

Wie passend. Ironischer hätte man Sasukes momentanen Seelenzustand nicht beschreiben können. Graue Wolkenfetzen inmitten von unschuldigem Blau und weißen Federwolken. Unschuldig.

Sasuke grinste sein verwischtes, verzerrtes Spiegelbild im Fensterglas grimmig an, beobachtete, wie sich Wolken in sein Haar schoben und seine Augen blauer wurden, wenn er sie etwas zusammenkniff.

Neben ihm gähnte ein leerer Platz, machte ihn mit dieser Leere fauchend auf sich aufmerksam und lachte böse, wenn er scheinbar gefühllos den Ignoranten spielte. Er beherrschte diese Rolle. Sie war so kalt wie der Wintertag außerhalb des beheizten Klassenraums.

„Uchiha, würden bitte auch Sie ins Buch sehen?“

Shizunes angestrengt strenge Stimme flirrte zu seinen Ohren, kam nur halbwegs dort an. Seine Augen senkten sich auf die Lektüre vor ihm. Es war noch nicht mal aufgeschlagen. Die Buchstaben verschwommen und zitterten auf den Papier, als er die richtige Seite suchte und fand.

Was stand da?

Vom leeren Platz neben ihm ging ein kalter Wind aus.

Warum war er leer?

Wegen seiner Dummheit, seiner blöden, losen Zunge, die er viel zu schnell in Narutos Gegenwart zügellos, gedankenlos reden ließ.

Wegen seiner Sturheit.

Wegen Kopfschmerzen.

So hatte es Kiba zumindest gesagt, heute Morgen, noch vor dem Frühstück. Noch vor diesem… Gespräch.

Wieso vorher?

Wieso unterteilte er die Zeit? Davor, danach. Es blieb. Das Unglück blieb.

Unglück lässt sich nicht so leicht vertreiben.

Als der Schuldgong ertönte hörte er nur noch ganz leise, wie Shizune etwas von der nächsten Musical-Probe – am Nachmittag? – verkündete. Sasuke war schon weg. Weit weg.

Sein Weg führte… in die Leere. Er wusste nicht, wo er war. Aber wer wusste das schon irgendwann? Wohin der Weg führte?

Vielleicht zurück, vielleicht nach vorn. An eine Kreuzung. An einen Abhang. In die Finsternis oder ins Licht. In den Himmel, die Hölle. Wer wusste das schon?

Niemand.

Sasukes Weg verlor sich im Kreis. Er ging verloren auf dem Weg durch leere volle Schulflure und vorbei an leisen lauten Schülern. An Freunden und Feinden. Er wurde gesehen und nicht beachtet. Aber beobachtet. Er wusste es. Sie verfolgten ihn, die Blicke. Grüne, braune, graue Blicke. Schwarze Blicke, weiße Blicke. Besorgt. In ihren Augen lag Besorgnis. Und immer wieder Besorgnis. Manchmal Genervtheit, manchmal Mitleid. Immer…

Sasuke konnte seinen Weg nicht bestimmen. Der Weg bestimmte ihn. Und er führte ihm immer wieder vor Augen, was war. Was nicht war.

Worte schlichen sich in seinen Kopf. Seine eigenen und die anderer.

Was ist los? Nichts ist. Ihr. Wir?

Es war ein schwerer, ein steiniger Weg. Und niemand konnte ihm helfen. Fast niemand. DA war jemand. Aber… der war auf der anderen Straßenseite und zwischen ihnen Autokarawanen voller gesagter und gedachter Worte, voller Verletzungen. Voller Feindschaft und Leid. Voller schmaler, unaufdringlicher, zurückgezogener Freundschaft.

Sasukes Weg war gepflastert mit Gedanken, dunklen Gedanken.

Und immer wieder mit Blau.
 

Und mit kaltem Wind, mit kalten Worten.
 

Sasuke wollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken. Nicht mehr. Er dachte viel zu viel darüber nach, machte sich viel zu viel aus Gesagtem. Ließ sich selbst keine Pause. Vielleicht war es das, was ihn am meisten von Naruto unterschied.

Zumindest behaupteten das die Anderen.

Aber sie alle, alle, alle kannten Naruto einfach nicht. Sie kannte nur das Lachen, das Fröhliche, die Unbeschwertheit und das Glück, das Naruto ausstrahlte. Das er war.

Und sie kannten auch nicht Sasuke. Sie kannten das Düstere, Kluge und Nachdenkliche, das Tragische, Dunkle. Das war er.

Das waren sie.

Auf den ersten Blick.

Die Wahrheit, die sah man nun mal nicht auf den ersten Blick. Die Wahrheit versteckte sich immer gut. Und Äußerliches war so viel bequemer zu betrachten. Leichter zu beurteilen.

Wenige kannten die Tränen, die Naruto weinte.

Wenige kannten das Lachen, das Sasuke lachte.

Wenige bemerkten die Traurigkeit, die von Naruto Besitz ergriff.

Wenige bemerkten die Fröhlichkeit, die von Sasuke Besitz ergriff.

Wenige sahen Narutos Lügen, Sasukes Ehrlichkeit.

Niemand, fast niemand, wusste von der Vergangenheit.

Vom Fuchs.

Vom Mord.

Von verlorenen Eltern.

Von gewonnen Freunden.

Vom Schicksal.

Von Glück und Unglück.

Niemand kannte Sasuke.

Niemand kannte Naruto.

Außer Naruto.

Und außer Sasuke.

Und vielleicht wussten es noch die Wolken, die da oben schwebten, leicht und frei und unbeschwert, mit einem Blick überall.

„Seht ihr mich jetzt, da oben?“, murmelte Sasuke dem Himmel entgegen. Dem unendlichen Himmel. Die Sonne stand schon tiefer. Bald würde sie sich hinter die waldbedeckten Berge schieben und die wirbelnden Wolken in Licht tauchen. Bald war es Abend.

Wie kalt wurde es im Winter eigentlich nachts?
 

Sasuke schloss die Augen.
 

„Sie wissen, dass die Hälfte des Schuljahres geschafft ist“, rief Kurenai durch die Halle. „Das mag Ihnen jetzt gut vorkommen… ist es aber nicht.“

Ein genervtes Stöhnen aus mehreren Ecken. Scharfe Blicke und alles war wieder still.

„Sie dürfen jetzt nicht nachlassen“, fuhr Kurenai fort. „Gerade mal die Lieder sitzen einigermaßen, den eigentlichen schauspielerischen Teil haben wir bis jetzt ganz außer Acht gelassen. Sakura.“

Sakura erhob sich, mit ihren Armen umklammerte sie Blätterstapel. Sie sah geschäftsmäßig aus. Auch ihre Stimme klang geschäftsmäßig.

Itachis Blick auf ihr war das Gegenteil.

„Das sind einige der Texte, die die einzelnen Lieder zu einem Stück verbinden. Sie sind dementsprechend nummeriert, ihr könnt sie also einordnen“, sagte Sakura, verteilte die Blätter, der Geräuschpegel hob sich.

„Natürlich wird das alles viel Arbeit werden, zum Auswendiglernen, aber… Shika, jetzt guck nicht so entsetzt. Die Hauptrolle hast du dir selbst eingebrockt.“

Gelächter.

Es kam Sasuke so gelöst vor, so einfach, problemlos. Es wäre einfacher gewesen, jetzt einfach mitzulachen. Vielleicht würden dann nicht die Blicke seiner Freunde unsicher auf seinem Nacken kleben.

„Sie können sich das jetzt mal durchlesen, am besten in Gruppen“, meinte Shizune. „So wie letztes Mal, Lehrer und Referendare helfen bei Unklarheiten.“

Gruppenarbeit. Davon hatte Sasuke noch nie viel gehalten. Er war ein Einzelgänger.

Und jetzt hielt er schon mal gar nichts davon.

Naruto war nicht hier. Alles war anders.

Hör auf, dich selbst zu bemitleiden, Uchiha. Flüsterte eine Stimme aus seinem Inneren. Sieh lieber hin.

Und Sasuke sah.

Ein Lächeln, ein Lachen. Fliegende Worte und Gesten und Blicke. Fliegendes, schwebendes, zitterndes Glück. Zumindest ein bisschen davon. In ihren Augen, in grünen Augen. Auf ihrem Gesicht, auf ihren Lippen, auf ihren Händen und den Fingerspitzen.

Da war kein Selbstmitleid mehr. Plötzlich war das alles weg. Da war nur noch Wut. Auf sich selbst, vielleicht ein bisschen. Aber besonders auf Itachi. Und auf Sakura. Und immer wieder auf Itachi.

Wo war der Schalter, den man umlegen musste, um auszurasten? Wer betätigte den Knopf? Egal, wer es war, was es war, wo es war.

Es geschah. Sehr schnell.

Und plötzlich wurde er festgehalten und Itachi saß auf dem Boden und Sakura starrte ihn entsetzt an und auch etwas wütend. Ziemlich wütend eigentlich.

Und zwischen all dem „Was ist los?!“ und „Uchiha!“ und „Sasuke!“ und „Sofort aufhören!“, zwischen den Worten der Lehrer, dem Gebrüll und Gemurmel der Schüler. Gab es eine Stimme, die zu Sasukes Ohren durchdrangen. Als wäre sonst niemand da. Er hörte nur sie. Nur sie.

„Hast du sie eigentlich noch alle? Was sollte das denn? Ist das dein Weg, Probleme zu klären? Oder…“

„Ist es nicht!“, schrie er sie an, wollte ihre Stimme nicht mehr hören. „Das einzige Problem hier bist du!“

„Ach? Und warum?“

„Weil du dich mit ihm abgibst. Mit ihm! Da wäre es noch besser, wenn du was mit Naruto hättest.“
 

Und da wurde es ganz still in der Halle.
 

Nervös klopfte sein Herz.

Er war weggerannt nach ihren Worten. Hierher. So feige. Verdammt feige.

Und überrascht. Und…

Jetzt war es noch schlimmer. Der Streit war noch schlimmer, diese ganze verfluchte Sache war noch viel schlimmer. Jetzt.

Er hatte Recht gehabt. Naruto hatte Recht gehabt. Das machte alles noch viel schlimmer. Und viel komplizierter. Viel einfacher.

Die Kälte des Winterabends schlich sich in sein Herz und Sasuke rappelte sich auf, stürmte zur Tür und rüttelte an ihr. Sie ging nicht auf. Immer noch nicht. Warum ging dieses verdammte Ding nicht auf?

Die Tür ließ sich nur von innen öffnen. Und wenn man einen Schlüssel hatte. Den hatte er natürlich nicht. Natürlich.

Aber er war hier. Und kam nicht weg.

Schöner Mist.

Kraftlos ließ Sasuke die Arme sinken, stierte kurz den Türknauf an, als wollte er ihn hypnotisieren. Dann beließ er es dabei. Er würde warten müssen.

Warten.

Warten.

Warten…

Warten…

Nichts denken und sich in Gedanken im Kreis drehen. Immer um diese eine Sache.

Er hatte Recht gehabt. Recht.

Aber warum? Und warum hatte er so davon überzeugt werden müssen? Warum nicht anders?

Es war nun mal so. Es war nicht zu ändern.

Warten.

Warten.

Warten…

Warten…

Ein Geräusch, leise, wie aus weiter Ferne. Das Geräusch einer Tür. Die sich öffnete. Und schloss. Schritte. Stehen bleiben.

Sasuke verdrängte die kalte Müdigkeit aus seinen klammen Knochen und sprang auf. Da war jemand gekommen. Seine Rettung, sein Retter. Hilfe.

Hilfe…

Blondes Haar wirbelte in kurzen Strähnen um den Kopf desjenigen, der mit dem Rücken zu ihm stand, an das Geländer gelehnt und in die weite endliche Landschaft starrend.

Blondes Haar.

Viel zu dünne Klamotten für diese Jahreszeit.

So unvernünftig.

Wie immer.

Eine Fliegerbrille auf dem Kopf, über die Augen gezogen.

Sasuke konnte es sich viel zu gut vorstellen.

Ein Schritt in seine Richtung. Ein Schritt zurück.

Der erste Schritt. Sollte er ihn wagen?

Naruto hatte Recht gehabt.

Sasuke war ein Feigling, so ein Feigling. Er hasste sich selbst dafür.

Naruto hatte Recht gehabt.

„Hey.“

Ein Wort. Nicht mal ein richtiges Wort. Und es kam nicht von Sasuke. Sasuke machte keine ersten Schritte. Dass er noch nicht davongerannt war, lag nur an der verschlossenen Tür. Die Tür, die dieser Idiot vor ihm einfach hatte zufallen lassen. Idiot.

Sasuke lebte in der Vergangenheit. Viel zu viel lebte er dort. Er sollte mehr an das Hier und Jetzt denken. So wie Naruto. Das Hier und Jetzt war das Wichtigste. Vergangenes war vergangen.

Sasuke lebte in der Vergangenheit mit jeder Faser seines Körpers.

„Hey“, murmelte er und starrte weiter diesen blonden Hinterkopf an. Lustig tanzten die Strähnen um das breite Band der Fliegerbrille.

„Was machst du hier?“, fragte Naruto.

„Die Tür geht nicht auf.“

„Oh.“

Mehr nicht. Sasuke verfluchte sich. Mehrmals. Verdammt, was sollte das? Smalltalk? Sie hatten keine Zeit für Smalltalk. Er hatte keine Zeit für Smalltalk.

Hallo.

Hi.

Wie geht’s?

Gut. Und selbst?

Ganz okay. Mathe schon gemacht?

Ich schreib morgen ab.

Verdammt. So ging das nicht. So funktionierte das nicht. So wurde das alles nur noch schlimmer.

Sasuke atmete tief durch, sammelte das Häufchen Selbst, das noch nicht ganz zerbrochen war. Vorhin, bei der Probe. Bei Itachi. Bei…

„Ihr habt euch geküsst“, sagte er. Eher leise, als laut, aber gut verständlich. Er musste es gehört haben. Trotzdem kam lange, lange keine Antwort.

„Woher weißt du das?“

Naruto hatte nie vorgehabt, ihm etwas davon zu erzählen. Er hatte es nie vorgehabt. Warum? Warum war er so?

War es wegen Naruto selbst?

Wegen Sasuke?

Wegen Sakura?

Egal.

„Sie hat es gesagt… Sakura… Vorhin.“

Seine Stimme zitterte. Bescheuert. Ihm war nicht einmal mehr kalt. Nicht wirklich. Nicht körperlich. Warum zitterte ausgerechnet seine Stimme?

„Warum hast du nie was gesagt? Darüber?“

„Es… war nicht wichtig. Dachte ich.“

„Dachtest du.“

Sie drehten sich im Kreis. Und Sasuke war schon viel weiter gegangen, als üblich. Jetzt lag es an Naruto. Sasuke würde sich nicht weiter zu diesem Abgrund hin wagen. Keinen Schritt weiter.

„Als du im Krankenhaus lagst, weißt du noch?“ Er wartete nicht einmal auf eine Antwort. Als müsste das alles schnell weg. Als würde es schon viel zu lange da rum liegen. In seinem Inneren.

„Dieser blöde Unfall beim Skaten, du weißt schon.“

Sasuke wusste. Es war peinlich gewesen, dieser Unfall. Dann ins Krankenhaus. Da war es passiert?

„Es hat… geregnet“, redete Naruto schnell weiter, als wollte er seiner Stimme keine Blöße geben, so wie Sasuke zuvor. „Die Vase ihrer Mutter… sie hat geweint… es ist einfach passiert…“

Er stoppte. Das war es? Alles? Oder… gab es noch mehr? Dinge, die auf seinen Lippen lagen, die er nicht sagen konnte. Wollte. Was auch immer.

Was war nur aus ihrer Freundschaft, ihrer immer ehrlichen Freundschaft geworden?

Einfach passiert…

Plötzlich starrte Sasuke in das unendlich blaue Blau von Narutos Augen. Das ehrliche Blau ihrer Freundschaft. Naruto wollte ehrlich sein. Hier und Jetzt. Wollte etwas wieder gutmachen, was eigentlich nie schlecht… doch. Es war schlecht gewesen. Das Lügen, das war schlecht gewesen.

„Es hätte ewig gehen können, Sasuke“, sagte Naruto. Es tat so gut, seinen eigenen Namen aus seinem Mund zu hören. „In diesem Moment hätte es ewig gehen können. Es war nicht falsch. Es war vielleicht nur die falsche Zeit, der falsche Ort oder so. Aber…“

„Hat es sich gut angefühlt?“

„…Was?“, fragte Naruto verständnislos. Lange Leitung, wie immer.

„Der Kuss“, meinte Sasuke und spürte, wie sein Herz klopfte in einem stechenden Irgendwas. IrgendWAS? „Hat es sich gut angefühlt… sie zu küssen?“

Lange sahen sie sich an. Zum ersten Mal seit einer Woche. Seit einer kleinen Unendlichkeit in Ewigkeit gehüllt. Seit sechshundertviertausendachthundert Sekunden. Lange. Sehr lange. Zu lange.

„Ja“, sagte Naruto schließlich leise und in Sasuke blutete etwas. „In diesem Moment hat es sich gut angefühlt.“

Und sonst?, wollte Sasuke fragen, aber er tat es nicht. Würdest du es wieder tun wollen? Und auch das fragte er nicht.

Naruto verstand ihn ohne Worte.

„Niemals wieder, Sasuke“, sagte Naruto. „Damals“ – wie lange her sich das anhörte – „war es richtig. Jetzt…“

Jetzt bist du dran, Sasuke. Das wollte Naruto sagen. Sasuke sah es in seinen blauen Ehrlichkeitsaugen.

Naruto hatte Recht gehabt. Auf bizarre Art und Weise. Und auf dem gleichen Weg – auf dem bizarren – hatte Sasuke das sehen müssen.

Er hatte Recht gehabt.

Noch wusste Sasuke nicht, ob ihn das beunruhigen sollte. Diese ganze Sache.

Mit Sakura und Naruto.

Mit Naruto.

Mit ihm und Sakura.

Jetzt standen Naruto und Sasuke einfach nur da und sahen zu, wie die Sonnenscheibe sich ihren Weg durch Blau und Weiß und kleine Fetzen Grau bahnte, dem Rand der Welt entgegen.

Gold. Gold inmitten von all dem Blau und dem Weiß. Und dem Grau. Besonders dem Grau.

„Hast du einen Schlüssel?“, fragte Sasuke.

„Hab ich“, antwortete Naruto.

Später würden sie sich fragen, warum der jeweils andere auf dem Dach gewesen war. Warum sie nicht gleich gegangen waren. Warum es so gelaufen war, wie es war.

Später würden sie sich fragen, wie es zu diesem dummen Streit gekommen war. Oder zu dieser dummen Versöhnung. Wieso nicht früher oder später. Warum da, in diesem Moment, auf dem Dach.

Aber später, erst später. Jetzt verließen sie das Dach. Und es war Glück. Glück und Freundschaft. Lebendig werdende Freundschaft. Und Erleichterung war es auch.

Später würden sie sich das fragen, viel später erst. Jetzt waren sie nur Freunde. Freunde, die gemerkt hatten, wie schnell das stärkste Band reißen konnte. Freunde, die gesehen hatten, was Lügen machen konnten. Und Geheimnisse. Aber auch die ungeschminkte Wahrheit.

Sasuke erinnerte sich an den Unterricht zuvor. Bei Shizune und der Lektüre. Und er erinnerte sich an einen Satz, an einen einzigen nur.

Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand!

Es stimmte. Und wie es stimmte.
 

Einmal am Tag konnte man sich im Raum neben dem Sekretariat seine Post abholen. Manchmal erklärte sich auch ein Schüler bereit und verteilte die Briefe und Karten und Pakete. Für etwas mehr Taschengeld oder statt Nachsitzen. Je nachdem.

Hinata hatte Post bekommen. Ein Junge, ein Siebtklässler vermutlich, hatte sie vorbeigebracht. Sie konnte sich noch genau an das freche Grinsen erinnern, als er ihr zwei Briefe hingehalten und „Die Post, Madame“ gesagt hatte.

Sie hatte das Lächeln erwidert. Süßer Junge. Ein Herzensbrecher. Ganz sicher.

Es waren drei Briefe gewesen und ein kleines Paket.

Das Paket war für Ino. Nur Ino bekam außerhalb der Feier- oder Geburtstagszeit Pakete. Vermutlich sündhaft teures Shampoo. Oder Make-up. Oder Süßigkeiten. Oder Schuhe. In jedem Fall teuer. In jedem Fall aus dem Ausland.

Einer der Briefe war für Temari. Als sie ihn gesehen hatte, hatte sie verächtlich geschnaubt und war auf ihr Zimmer verschwunden. Hinata hatte das Gefühl, nicht wissen zu wollen, von wem der Brief stammte. Sie beschloss, Temari nur noch Postkarten zu schreiben.

Und die letzten zwei Briefe.

Beide für sie, Hinata. Beide mit dem gleichen Absender, dem gleichen Poststempel, der gleichen Briefmarke, der gleichen sauberen, unverschnörkelten Schrift. Diese Handschrift erkannte Hinata immer und überall.

Das einzige, was die beiden Briefe unterschied, war eine kleine Zahl im linken, oberen Eck. Eine Eins auf dem einen. Eine Zwei auf dem anderen.

Es bedeutete nichts Gutes. Diese Schrift bedeutete selten etwas Gutes. Dieser Absender bedeutete nie etwas Gutes.

Hinata würde sich an die Reihenfolge halten. Sie starrte auf den Brief in ihren Händen, den mit der Nummer Eins. Sie war nicht sicher, ob sie wissen wollte, was da geschrieben stand. Aber sie war sicher, dass sie es wissen musste. Kein Weg führte daran vorbei.

So war das.
 

************
 

Die Kapitel werden kürzer. Aber das hier war eine gute Stelle, um es zu beenden.
 

Dieses Kapitel liegt mir sehr am Herzen, weiß Gott, warum. Ich mag es. Manchmal erscheint es vielleicht etwas überfüllt mit unnötigen Worten. Ich mag es. Es ist genau das, was ich wollte.
 

Vielen Dank für die wirklich wunderbaren Kommentare zum letzten Kapitel. Es tut gut, zu wissen, dass diese Geschichte euch so gefällt… und dass ich dabei trotzdem noch was für mich tue.

Danke!
 

Das nächste Kapitel kommt hoffentlich eher. Jetzt sind dann Ferien, da hab ich mehr Zeit.
 

LG

inkheartop

Zwei Briefe

Und schon wieder ein neues Kapitel. Ich werde besser ^^ Aber dieses und das nächste Kapitel sind auch schon länger geplant.
 

Noch ein bisschen was zum letzten Kapitel…
 

@-Joanna-: Ja, die Unklarheit während der Probe war beabsichtigt. Ist ja alles aus Sasukes Sicht geschrieben, sozusagen ein laaanger innerer Monolog (ich liebe innere Monologe) und weil Sasuke da eigentlich selbst nicht so weiß, was er tut, auch alles etwas undeutlich.
 

@Mari-chu: Nein, so einen Stil werde ich nicht beibehalten können und ich will es auch gar nicht. Ist mir manchmal zu hochgestochen. Zu diesem Kapitel hat es mir einfach gepasst, in einem anderen Kapitel passt es dann eben nicht mehr.
 

@FrozenPeach: Genug Gedanken gemacht? Das Rätsel wird gelüftet.
 

@Schrank: Wer sagt denn, dass Sasuke ihm keine rein geschlagen hat *grins*
 

Und jetzt: Viel Spaß beim Lesen!!
 

*************
 


 

Zwei Briefe
 


 

Kleine Buchstaben reihten sich aneinander, bildeten Wörter, die Hinata mehrmals lesen musste, sonst hätte sie sie nicht glauben können. Da stand etwas, schwarz auf weiß, das so unglaublich, unmöglich erschien. Das konnte nicht wahr sein. Es konnte einfach nicht. Es durfte nicht wahr sein.

Hinata las den Brief, wieder und wieder. Ihre Hände fingen an zu zittern, ihre Finger klammerten sich um das Papier, zerknitterten es und kümmerten sich nicht darum.

Die Buchstaben waren ernst, beinahe gefühllos geschrieben. Auf den ersten Blick. Kein Beben schien die Hand beim Schreiben der Worte erfasst zu haben. Auf den ersten Blick.

Doch Hinata sah es. Sah, wie die Lettern sich duckten und kleiner wurden, sich langsam versteckten hinter schwungvollen, größer werdenden Bögen.

Die Schrift überspielte die Gefühle.

Wie alles.

Alles wurde in dieser Familie überspielt und geheim gehalten. Und verboten.

Dass sie überhaupt diesen Brief geschrieben hatte, grenzte schon an ein kleines Wunder. Ausgerechnet sie, Vaters Liebling, die brave Mustertochter aus dem vorbildlichen Hause Hyuga. Ausgerechnet Hanabi.

„Schwester…“, murmelte Hinata, beinahe ein wenig verächtlich. Schon lange fühlte sie sich nicht mehr wie Hanabis große Schwester. Schon lange war sie, Hinata, der Dorn im Auge ihres Vater und Hanabi… ja, Hanabi war die blühende, stolze Rose. Eingebildete Rose. Und auch sie hatte ihre Dornen.

Tränen fielen sanft auf die blaue Tinte, verwischten sachte einige Worte, aber sie waren noch zu lesen, waren noch da.

Hinata weinte. Sie weinte, weil ihr – nicht zum ersten Mal – bewusst wurde, wie viel sie schon verloren und gewonnen hatte in dem Leben, das sie lebte.

Sie weinte auch, weil Hanabi es ausgesprochen hatte. Weil sie es endlich erkannt hatte.
 

Schwester…

Wie soll ich anfangen? Ich hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist, einen Brief zu schreiben, an die eigene Schwester. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns schon so lange nichts mehr zu sagen hatten. Vielleicht…
 

Es ist so viel passiert, in den letzten Tagen, Wochen. So viel und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Am Anfang? Sicher nicht. Das wäre dann doch zu weit zurückgegriffen. Da müsste ich die ganze Geschichte unserer Familie neu aufrollen.

Ich fange an mit dem Tag, als Vater beschloss, dich ins Internat zu schicken.

Weißt du noch? Da habe ich dich das letzte Mal wirklich weinen sehen. Danach nie mehr. Kein einziges Mal.

Und bis heute weiß ich nicht, ob du aus Trauer geweint hast oder aus Wut. Enttäuschung. Rebellion.

Schon damals warst du mir ein offenes Rätsel. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Vater meinte, du wärst zu rebellisch.

Warum?

Ich verstand es nicht. Ich beginne erst jetzt, es zu verstehen. Dich zu verstehen.

Schwester…

Du hast dich eingesetzt. Du wolltest diese Familie wieder zusammenkleben, wieder ganz machen. Und letzten Endes… warst du das Opfer. Du, die große Erbin, die wunderbare Hinata.

Es gab Zeiten, da hab ich dich gehasst. Verachtet. Weil du… weil du Du warst. Hinata. Weil du die Erbin bist und ich das nie sein werde und du es nicht sein willst.

Langsam verstehe ich, warum.

Wegen den Regeln.

Wegen den Gesetzen.

Wegen der Tradition.

Weil… für dich war dieses Haus immer ein Gefängnis, oder? So was wie ein goldener Käfig. Und du der Vogel, dem das Singen verboten wurde. Gott, klingt das kitschig. Ich konnte nie gut mit Worten umgehen.
 

Den Ausschlag hat Neji gegeben. Nicht wahr?

Er hat dir gezeigt, wie falsch und verlogen die Hyugas sein können. Ich auch.

Du wolltest es nur verbessern, das alles.
 

Vater dachte wohl, es wäre eine Strafe für dich, ins Internat zu müssen (für Neji war es das schließlich auch. Oder?). Aber das war es wohl nicht.

Ich hab dich an Weihnachten gesehen. Mit deiner Freundin, Temari. Und in den Jahren zuvor mit Ten Ten. Mit ihnen warst du ganz anders, als sonst. Viel gelassener, glücklicher.

Das Internat war dein Ausbruch aus diesem Käfig. Es hat dir gut getan. Ich hab es gesehen.

Du bist immer noch die Rebellin, die ich nie sein werde. Wir sind so verschieden, Hinata. Manchmal so sehr, dass ich Angst habe.

Weißt du… wir sind doch… Schwestern…

Ich will dich nicht verlieren.
 

Es ist schwierig, einen Brief zu schreiben. Viel schwieriger, als eine Mail, aber… das darf ich nicht.

Vater hat mit verboten, Kontakt mit dir aufzunehmen. So langsam spüre ich den Käfig auch.

E-Mails kontrolliert er und das hier schreibe ich nachts unter der Bettdecke und ich werde einen Mitschüler bitten, es zur Post zu bringen.

Vater darf unter keinen Umständen erfahren, dass ich dir schreibe. Sonst bin ich geliefert. Und du auch. Und Neji.

Deshalb schreibe ich diesen Brief und ich hoffe sehr, dass du immer noch so klug bist und den mit der ‚1’ drauf zuerst öffnest. Aber dazu später.
 

Ich bin immer noch nicht auf den Punkt gekommen. Dabei sollte es doch eigentlich ganz einfach sein. So oft habe ich dich schon Briefe schreiben sehen, richtige Briefe. Die schreibst du in den Ferien doch immer. Ich hab es bemerkt, auch wenn du es geheim halten solltest. Manchmal bin ich dir sogar bis zum Postkasten nachgegangen und hab gesehen, wie du gelächelt hast.

Du lächelst immer, wenn du schreibst, ist dir das mal aufgefallen? Seit du dir das Lesen beigebracht hast, lächelst du.

Ich rede immer noch drum rum. Ich schiebe das vor mir her, was ich sagen will. Weil ich es nicht sagen will.

Es hört sich so… falsch an. Unecht. Nicht wahr.

Ich wünsche mir so sehr, dass es nicht wahr ist.
 

Vor den Weihnachtsferien noch habe ich in Vaters Schreibtisch etwas gefunden (frag jetzt bitte nicht, warum ich herumgeschnüffelt habe, das wäre jetzt… unangenehm. Tu es einfach nicht, okay?).

Ich habe Briefe gefunden. Haufenweise. Fein säuberlich gestapelt, du kennst ja Vater. Ein paar konnte ich lesen, einen konnte ich mitgehen lassen bevor Vater mich erwischt hätte.

In allen Briefen – kann man diesen Schund überhaupt so nennen? – ging es um die Hyugas. Um die Familie, die Firma, das Leben. Um alles, einfach alles. Und um Tod. Es drehte sich alles um Tod. Um Vaters Tod.

Das waren Morddrohungen.

Ich habe niemandem davon erzählt. Niemandem. Außer Neji. Ich habe ihn verdächtigt. Du wirst mir das übel nehmen, nicht wahr, Schwester? Du wirst mich dafür verurteilen. Ich hab es verdient.

Aber was soll ich tun? Er hasst Vater. Er hasst die Familie Hyuga, weil er ein Teil davon sein muss. Ein Teil, der in Vaters Augen… in vielen Augen – auch in meinen, ja – nicht gleichberechtigt ist. Dabei ist er älter, als du, Hinata. Und trotzdem…

Ich beginne, zu verstehen. Es ist nicht fair.

Neji hat es abgestritten. Vehement. Er war es nicht.

Ich muss ihm glauben. Jetzt muss ich ihm glauben. Bis vor kurzem habe ich das nicht getan. Verurteile mich. Ich verdiene es.
 

Du liest keine Zeitung, ich weiß. Deshalb wirst du es noch nicht erfahren haben. Bis jetzt.

Es war eine öffentliche Pressekonferenz.

Vater konnte nicht hingehen, aber sein Erscheinen war wichtig. Hizashi ist hingegangen. Als er, sozusagen.

Natürlich war Vater zuerst nicht damit einverstanden, aber… es ging um das „Wohl der Firma“, das hat er gesagt.

Vielleicht hat er etwas gespürt. Vielleicht.

Auf der Pressekonferenz gab es einen Anschlag. Auf Vater. Das heißt, er hätte Vater gelten sollen, aber… Vater war ja nicht da, verstehst du. Vater war nicht da, er war nicht da.

Hizashi war da. Sein Zwilling.

„ Tod dem Hyuga-Imperium! Du wurdest gewarnt!“, soll der Attentäter gerufen haben. „Stirb, Hiashi Hyuga!“

Vater hätte sterben sollen, Hinata. Vater!

Aber Vater lebt.
 

Hizashi ist tot.
 

Gib den zweiten Brief bitte Neji. Ich weiß, dass du ihn nicht lesen wirst. Bitte, lies ihn nicht. Gib ihn einfach Neji.
 

Deine Schwester

Hanabi
 

Hinata weinte.
 

Ten Ten hörte das Weinen nicht. Es war eher ein Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise glaubte sie nicht an übernatürlichen Quatsch und den sechsten Sinn und solchen Schwachsinn.

Aber…

Das Gefühl wurde drückender und es begann, ihr Angst zu machen. Etwas stimmte nicht. Wenn sie nur wüsste, was es war.

„Ten, pass auf!“

Sie zuckte zusammen, konnte gerade noch ausweichen, als einer der Skater knapp an ihr vorbeirauschte, dann bremste und sie mehr oder weniger wütend ansah.

„Kannst du nicht aufpassen?“

Ten Ten sah Neji lange an. Sein Blick wurde immer misstrauischer, er blinzelte sie schräg an, kam dann mit dem Skateboard auf sie zugefahren, hielt kurz vor ihr.

„Alles in Ordnung?“

Ein weiteres Zusammenzucken.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie schließlich realisierte, dass…

„Oh, verdammt“, keuchte sie, stolperte einige hastige Schritte zurück, wäre fast gefallen. Neji hielt sie fest.

„Du musst besser aufpassen“, grinste Neji. Spott triefte aus seinen weißen Augen, aus seiner kühlen Stimme.

Ein weiterer Schritt zurück, sicher diesmal.

„Lass das!“, fauchte sie unwillig. Es tat ihr nicht gut, wenn er sie berührte, anfasste. Loslassen, er sollte loslassen. Was war hier los?

Es tat ihr nicht gut.

„Lass los, Hyuga.“

Bittend? Klang sie bittend? Flehend, hoffend.

Lass mich los, bitte lass mich los. Ich hab dich vergessen, du Mistkerl.

Neji ließ los.

Sein Blick. Dieser weiße, kalte Blick, so heiß, dass er zum Schmelzen bringen konnte. So kalt, heiß. Sein Blick durchbohrte sie, irgendwo in den tiefen ihres Herzens spürte es Ten Ten. Irgendwo, ganz tief unten. Da gab es einen kleinen Platz, der Neji nicht vergessen konnte.

Gut. Sollte es eben so sein. Sie hatte sich das Vergessen auch nicht leicht vorgestellt. Nur vielleicht… leichter. Leichter, als es in diesem Moment war.

Da gab es immer noch etwas, das sich Hoffnungen machte.

Vergessen. Warum musste es so schwer sein? Warum musste er es ihr auch so schwer machen?

Mistkerl.

Sein Blick. Er hielt sie gefangen, hielt zumindest diesen kleinen Teil noch gefangen. Aber… Ten Ten wollte es nicht. Sie wollte hier nicht gefangen werden, nicht von ihm, von ihm schon gar nicht.

Es war Zeit, zu gehen. Die Zeit, um zu vergessen, war schon längst gekommen.

„Tema?“

Ten Ten rief es über die Schulter, drehte sich schon halb um, entkam aus dieser Umklammerung. Es tat nicht weh. Es tat nicht weh, sich wegzudrehen. Es tat gut. Auf irgendeine Weise tat es gut.

Sie sah Temari, wie sie grinsend um Shikamaru herumrollte, wie er die Augen verdrehte und dann auf sie deutete. Temari drehte sich nicht um.

„Ich bleib noch!“, rief sie Ten Ten zu, ohne ihr Fahren zu unterbrechen.

Ten Ten lächelte.

Sie wusste nicht, was passiert war, in den Ferien. Aber es war etwas passiert. War es gut oder war es schlecht? Konnte sie nicht sagen. Aber… in diesem Moment wirkte Temari zufrieden. Wenn auch… anders. Sie kam ihr verändert vor.

Viel hatte sich verändert in diesen zwei kurzen Wochen.

Viel zu viel.

„Okay“, meinte Ten Ten nur, dann klemmte sie sich ihr Skateboard unter den Arm und rannte los.

Es war viel passiert.

Ihre Entscheidung war richtig gewesen. Wusste Ten Ten.

Lass es richtig sein. Mistkerl…
 

Neji sah ihr nach.

Es war etwas passiert. So viel war passiert.

Mit Ten Ten. Und anscheinend auch mit ihm.

Sie ignorierte ihn.

Irgendwie… fand er das ausgesprochen bescheuert.
 

Es war ein Unglücks-Glücks-Gefühl, das Ten Ten da durchflutete. Ein stürzender Wasserfall. Licht und Schatten.

Glück und Unglück lagen so nah beieinander.

Ten Ten rannte. Sie wusste nicht, wohin, aber ihre Beine trugen sie. Schnell und immer schneller.

Und irgendwann wusste sie es auch.

Etwas war passiert. Im Haus. Etwas war passiert. Es war seltsam, eigenartig unheimlich, aber das Gefühl ließ sie nicht los.

Ließ nicht los, als sie ihren Haustürschlüssel hervorzog und mit ungeduldig zitternden Fingern ins Schloss steckte.

Ließ nicht los, als sie das Board in eine Ecke pfefferte und die Treppe hinaufstürmte. Hinauf, dahin, wo sie gebraucht wurde.

Warum wurde sie gebraucht?

Sie riss Sakuras Zimmertür auf. Leer, ganz leer war der Raum und furchtbar ordentlich, viel ordentlicher als Inos Zimmer, in das sie als nächstes platzte. Doch außer der Unordnung war hier niemand. Temaris Zimmer konnte sie sich sparen. Blieb nur noch…

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Beunruhigend.

Hinata lag auf ihrem Bett, den Kopf in den Kissen vergraben. Ten Ten konnte ihr Gesicht nicht sehen. Aber sie sah, wie ihr Körper zitterte und bebte. Sie sah verknittertes Papier auf dem Boden neben dem Bett, eng beschrieben.

Ein Brief.

„H-Hina?“, fragte Ten Ten. Vorsichtig, flüsternd.

Etwas war passiert, etwas stimmte nicht.

Hinata reagierte nicht.

Langsam schritt Ten Ten auf ihre Freundin zu, legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter, setzte sich auf die Bettkante.

Etwas stimmte ganz und gar nicht.

War das Hinata, war das wirklich Hinata? Die starke, unverwüstliche Hinata, die niemals eine Spur von Heimweh gezeigt hatte? Die immer zuerst an andere dachte und dann an sich selbst?

Die Hinata, die nie weinte…?

Vorsichtig strich Ten Ten über das bläuliche Haar ihrer Freundin und spürte, wie deren Anspannung langsam nachließ. Sie musste nichts sagen, nichts Beruhigendes oder Aufmunterndes. Sie musste einfach nur da sein.

Wieder fiel Ten Tens Blick auf die Papiere auf dem Boden.

Ein Brief.

Ob sie…?

Ten Ten zögerte. Sie schnüffelte nicht gern herum, kam sich dabei vor wie eine Verräterin. Aber, wenn sie wüsste, was in dem Brief stand, könnte sie Hinata vielleicht helfen.

Sie schüttelte den Kopf. Hatte sie das nicht gerade noch geklärt? Nicht helfen. Da sein, das war die beste Hilfe. Nichts sagen, nichts tun. Da sein.

Aber…

Kein Aber.

Entschlossen wandte sie sich von dem Brief ab, der ihr immer noch zuzuflüstern schien.

Lies mich! Lies mich!

Sie würde widerstehen.

Ihre Finger ordneten sanft Haarsträhnen, konzentrierten sich ganz auf dieses Werk, bis Hinata nicht mehr zitterte, stumm in ihr Kissen schluchzte.

Es wurde besser.

Irgendwann – Ten Ten wusste nicht genau, wie lange sie schon am Bett ihrer besten Freundin saß – richtete sich Hinata auf, starrte die gegenüberliegende Wand an und sah sie nicht. Sah durch die Wand hindurch. Irgendwohin.

Ihre Stimme klang tonlos, verloren. Ganz, ganz weit weg.

Und ganz nah.

„Hizashi ist tot“, sagte sie, leise. Und wieder: „Hizashi ist tot.“

Nur sehr langsam und irgendwie auch ganz schnell drangen die Worte an Ten Tens Ohr, in ihren Verstand.

Was?

„Dein… dein Onkel? Hizashi? Ich meine…“

„Hizashi ist tot… Tot“, fügte Hinata nachdrücklicher hinzu. Ihre weißen Augen wurden wieder klarer, auch wenn sie noch gerötet waren.

„Aber… woher…“, fragte Ten Ten verzweifelt, konnte es nicht glauben. Wieso? Was? Wie bitte?

„Hizashi ist tot“, meinte Hinata noch einmal, dann sah sie Ten Ten so unvermittelt an, dass sie zurückzuckte. „Hanabi hat geschrieben. Ein Brief für mich und einer für… für…“ Sie brach ab, wurde bleich. Weiß, ganz weiß. In diesem Moment hätte Ten Ten sie am liebsten umarmt. Sie tat es nicht. Zu groß war die dumme Furcht, Hinata könnte dabei zerbrechen.

„Hina… ich… es tut mir so…“

„Nein!“, fuhr sie auf, ganz plötzlich. „Sag es nicht, bitte sag es nicht!“

Verwirrt runzelte Ten Ten die Stirn. „O-okay.“

Hinata stand auf, etwas wackelig zuerst, aber sie stand. Hob mit zitternden Fingern den Brief vom Boden auf. Und einen zweiten Umschlag.

„Ten?“ Ihre Stimme klang fester, aber noch immer ungewohnt. Irgendwo zwischen Zusammenbruch und Widerstand.

„Hm?“

Hinata sah sie nicht an, drehte nur den Umschlag und die Blätter in ihren Händen herum und herum.

„Geh mir nicht nach. Lies das.“

Damit drückte sie ihr den Brief in die Hand. Hanabis Brief.

Ten Ten las. Fassungslos, erschüttert, manchmal wütend.

Sie las. Den ganzen Brief.

Als sie wieder aufblickte, war Hinata verschwunden. Sie würde ihr nicht nachgehen.
 

Fünfmal hätte Neji fast ziemlich blöde Unfälle mit dem Skateboard gebaut, wenn ihn nicht immer wieder irgendjemand zurückgezogen oder gewarnt hätte. Vorzugsweise Shikamaru. Einmal war es Temari. Das war ärgerlich.

//Jetzt konzentrier dich endlich!// Er knurrte sich in Gedanken selbst an, aber es brachte nicht sonderlich viel. Immer wieder sah er ihren Blick. So was war ihm noch nie passiert. Eigentlich war ein Mädchen nach einer Nacht vergessen. Und mit ihr war es ja noch nicht mal eine Nacht gewesen! Genau genommen war da gar nicht gewesen. Wenn er mal diese peinliche, unnötige Geständnis ihrerseits beiseite ließ.

Es war nichts passiert.

Gar nichts. Aber warum…?

Nicht einmal die Frage konnte er beenden. Warum was?

Zum Verrücktwerden. Das war es.

Wütend pfefferte er das Skateboard auf den Boden, geräuschvoll prallte es auf. Laut. Normalerweise war er nicht laut. Nicht er, nicht Neji.

Irgendwie war alles anders. Seit dieses Mädchen…

Zum Verrücktwerden.

Sie brachte ihn aus der Fassung, was er nicht sonderlich gut fand. Das schadete seinem Image und in letzter Zeit war auch so schon genug passiert.

Mit ihr aber war nichts passiert.

Oder hatte er einen Filmriss?

Neji kurvte durch die Jugendlichen, die überall herumstanden, sich breit machten, skateten oder einfach nur redeten. Manche rauchten auch verbotenerweise, aber es kam nun einmal äußerst selten vor, dass sich einer der Lehrer auf den hintersten Teil des Campus’ verirrten. Und wenn doch, verschwanden die qualmenden Glimmstängel viel zu schnell und nur noch eine Horde eifrig Kaugummi kauender Jugendlicher war zu sehen. Sie waren viel zu schlau, viel zu gerissen für die Lehrer.

Irgendwo im hinteren Bereich der Pipe entdeckte Neji seinen besten Freund, der träge grinsend versuchte, Temari klarzumachen, dass sie ihn nicht so leicht wieder auf die Füße bekommen würde. Shikamaru saß auf dem Boden, Temari stand vor ihm, die Arme in die Hüften gestemmt und erschreckend groß auf ihren Skates.

Neji hielt in einiger Entfernung inne, betrachtete die zwei.

Die zwei.

Jetzt waren sie nicht mal mehr Shikamaru und Temari, jetzt waren sie für ihn schon die zwei. Das war nicht gut.

Was fand er bloß an ihr?

Neji kannte Shikamaru, er war nicht wie er. Er wollte Temari nicht um den Finger wickeln, ins Bett kriegen, er wollte ernsthaft… Freundschaft. Freundschaft! Das war so unglaublich, so unwahrscheinlich unglaublich!

Shikamaru. Shikamaru Nara, der nicht an die Freundschaft zwischen Mann und Frau glauben konnte, stellte da gerade seine eigenen Prinzipien in Frage. Was sollte das? Wohin sollte das führen, denn…

Er sah es. Neji sah es oder er glaubte zumindest, es zu sehen. Da war etwas anders.

Etwas war passiert. In den Ferien. Noch immer hörte Neji das leise Duett in den ersten Minuten des neuen Jahres in seinen Ohren. Er glaubte nicht an das, was Shikamaru sagte. Nur Freunde?

Shikamaru lächelte. Kurz.

Er lachte nicht wirklich, aber es war auch nicht dieses genervte Grinsen, das er sonst immer an den Tag legte. Es war mehr, als man sonst von ihm erwarten konnte. Wesentlich mehr.

Passiert.

Zeit, einzugreifen.

„Hey! Hey, Shikamaru!“, rief er, rollte zu seinem Freund hinüber. Temari wich ein Stück zurück, als er sie fast umfuhr, aber seltsamerweise verschaffte ihm das kaum Genugtuung. Sie war ja immer noch da, sie war da und…

Er war…

„Was ist denn…“, fing Shikamaru an, dann schoben sich urplötzlich seine Augenbrauen erstaunt zusammen. „Ich fass es nicht.“

Neji drehte sich um.

Unsicher grinste Naruto ihn an, selbst Sasuke schien sich nicht besonders wohl in dieser Situation zu fühlen. In der Situation des Angestarrten.

Lange standen sie so da und eigentlich hätte nur noch Kiba diese Lage perfekter gestalten können. Dann wären sie drei gegen zwei gewesen. So jedoch gehörte ein fünftes Augenpaar Temari, die stirnrunzelnd zwischen den, sich anschweigenden Parteien hin und her sah, schließlich ein genervtes „Jungs!“ seufzte und sich aus dem Staub machte. Nicht ohne Sasuke, der ihr am nächsten stand, noch einmal kurz einen kräftigen Schlag auf den Rücken zu verpassen.

„Hat sie zuviel Energie?“, brummte Sasuke, rieb sich die Schulter und brach damit endlich die Anspannung, die die Luft durchschwirrte wie ein wütender Schwarm Hornissen.

Narutos Grinsen wurde gelassener.

„Tja, sie hängt eben noch nicht genug mit Shikamaru rum“, spottete er.

Shikamaru verdrehte die Augen. „Lasst den Scheiß“, murmelte er. „Hat ja lange genug gedauert.“

Erst kochte in Neji etwas auf, das er nicht so kannte. Nicht bei Shikamaru zumindest. Eine winzig kleine, giftgrüne Flamme von… nein… wohl kaum… nicht bei Shikamaru.

Dann jedoch begriff er, was sein bester Freund damit eigentlich sagen wollte.

„Hat ja lange genug gedauert“, wiederholte er nachdrücklich. „Alles klar?“

Naruto und Sasuke sahen sich an. Selten war Neji so erleichtert gewesen über einen einzigen Blick. Sie sahen sich wieder an!

Shikamaru stieß ein erleichtertes Seufzen aus und ließ sich rücklings auf den harten und wohl auch ziemlich kalten Boden fallen.

Alles war wieder in Ordnung. Alles war klar. Und so schnell würde sich das nicht ändern. So schnell nicht.

Irren ist menschlich.
 

Hinata rannte. So schnell sie konnte.

Ihre Hand krampfte sich um das Papier, um den Umschlag. Durch ihre Finger spürte sie die Worte pochen, begierig darauf, zu enthüllen.

Gib ihn einfach Neji.

Einfach.

Eine Kurve. Der Skatepark des Campus kam in Sicht.

Hizashi ist tot…
 

Es dauerte, bis Neji Hinata bemerkte. Vermutlich hätte er sie gar nicht bemerkt, hätte Naruto nicht plötzlich dieses dämliche Grinsen aufgesetzt, das er immer bekam, wenn sie in der Nähe war. Noch breiter, noch strahlender, noch fröhlicher als sonst.

Naruto machte Hinata sichtbar. Neji wünschte, er würde das lassen.

„Hinata!“, grinste Naruto weiter, kam auf sie zu.

Ab diesem Moment war da das seltsame Gefühl. Das Gefühl, das etwas nicht stimmte.

Neji fühlte sich in Gegenwart seiner Cousine nie besonders wohl, glücklich. Aber jetzt, in diesem Moment spürte er es plötzlich. Eine Leere. Die langsam mit etwas gefüllt wurde. Mit Angst. Mit Unsicherheit.

Er war sich nicht sicher, ob diese Gefühle von ihm selbst stammten oder doch irgendwie von Hinata. Dass er sie fühlte.

Ihr Blick, der weiße Blick. Schneeweiß, unschuldsweiß.

Rötlich.

Sie hatte geweint.

Ohne dieses Gefühl in seiner Brust, seinem Magen hätte Neji gelacht. Sie verspottet. Wie er nur hier im Internat die Chance dazu bekam. Aber das Gefühl war da. Das Gefühl, dass etwas passiert war. Nichts Gutes. Schreckliches.

Hinata sah nur ihn an. Sah an Naruto vorbei, durch ihn hindurch, wie sie es sonst nie tat. Niemals. Noch nie getan hatte.

Herzklopfen. Verdammtes Herzklopfen.

Dann sah Neji das Papier. In Hinatas Hand. Zerknittert vom Druck ihrer Finger. Ein Umschlag, ein Brief. Ungeöffnet. Eine ‚2’ im Eck.

Hinata streckte den Arm aus. Hielt ihm den Brief entgegen.

„Für dich“, formten ihre Lippen. Sagten ihre Augen.

Um Neji herum existierte nichts mehr. Nur Hinata. Der Brief. Er. Nur das. Nicht mehr. Nicht weniger. Sonst herrschte Stille. Weiße Stille. Unschuldsstille. Unschuldig.

Hinatas Hand zitterte, als er den Brief nahm. Er verfluchte sich für seine eigene zitternde Hand, für sein klopfendes Herz, für das Gefühl, das immer stärker wurde. Immer stärker und Neji riss langsam den Umschlag auf. Jetzt existierte nicht einmal mehr Hinata. Wie lange dieser Zustand anhalten würde, wusste er nicht. Eigentlich sehnte er sich schon nach dem Lärm, den Menschen zurück. Jetzt schon. Dabei war der Brief noch nicht mal gelesen.

Neji erkannte die Schrift nicht sofort.

An manchen Stellen war die Tinte verwischt, ganz leicht, ganz fein nur. Kaum bemerkbar. Er war nass geworden. Tränen.

Es war ein kurzer Brief.
 

Neji.

Es tut mir leid. Das klingt so banal, wie grausam. Aber wie soll ich es anders sagen? Es tut mir leid. Alles tut mir leid. Und so viel mehr.
 

Veränderung. Sie ist eingetroffen, hier zu Hause. Hat uns eingeholt mit aller Macht. Alles wird anders werden. Alles.

Ich verspreche es. Gleichzeitig wünsche ich mir, dieses Versprechen nicht geben zu müssen. Verstehst du mich?

Bitte versteh mich. Bitte… Ich kann Verständnis nicht befehlen. Ich kann nur hoffen. Dass du es annimmst.
 

Es tut mir so leid. Unendlich.
 

Neji… ich…
 

Das ist furchtbar schwer zu erklären in einem Brief.
 

Hizashi ist tot.
 

Hanabi

Schachmatt

Schachmatt
 


 

Um Neji stürzte die Welt ein. Und sein Gesicht spiegelte sich in ihren Splittern.

Er bekam keine Luft mehr. Zumindest glaubte er das. Genau wusste er es nicht, zu schnell schlug sein Herz, zu angespannt war sein Körper. Wie zum Sprung, zum Angriff bereit.

Er starrte auf das Blatt in seinen Händen, bemerkte nicht einmal, wie heftig er zitterte. Dabei war sein Blick klar. Und getrübt zugleich.

Trauer. Sollte er Trauer spüren, tief in sich drin? Sollte er trauern, hier und jetzt. Aber das konnte niemand von ihm verlangen, niemand konnte ihm sagen, was er zu fühlen hatte. Niemand konnte… ihm irgendetwas befehlen. Niemand.

In Neji war es leer. Einfach leer. Er starrte Worte an, las sie, wieder und wieder, ohne zu wissen, was sie bedeuteten. Ohne den Sinn zu erkennen. Ohne den Sinn wahrhaben zu wollen. Vielleicht konnte… wollte er deshalb nicht traurig sein. Es war nicht wahr. Ganz einfach. Es konnte nicht wahr sein, es konnte nicht… durfte nicht…

Langsam hob Neji den Kopf. Die langen Haare strichen im kalten Wind über seine Züge, er beachtete es nicht. Und dann sah er sie. Wie sie dastand. Zitternd, bebend, wie er selbst. Weinend, er sah die Tränen. Er hatte sie noch nie weinen sehen. Klein und hilflos und zerbrechlich.

In ihm kochte es. Aus der Leere stieg ein Feuer herauf, groß, mächtig und wild, umzüngelte mit heißer Gier sein Herz. Es brannte. Es tat weh. Es tat so weh.

„Das ist ein Scherz, oder?“

Es musste ein Scherz sein, ein geschmackloser, böser Witz, auf seine Kosten. Es musste, es durfte einfach nicht wahr sein, es…

Sie schüttelte den Kopf, langsam, wich seinem Blick nicht aus. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah sie ihn wirklich an. Sah ihm direkt in die Augen. Und das Feuer in ihm loderte. Zischte. Wollte.

„Das ist ein Scherz“, zischte er, leise, aber selbst das konnte das Zittern seiner Stimme nicht verbergen. „Ein blöder Scherz.“

„Neji…“, wisperte sie, die Worte drangen nicht mal an seine Ohren. Zu leise, zu hoch ihre Stimme. Zu taub seine Ohren. Er sah nur, wie ihre Lippen seinen Namen flüsterten. Er sah es. Es durfte nicht wahr sein…

„Du lügst… das ist alles… eine verdammte Lüge!“ Er wurde lauter und mit seiner Stimme wuchs das Feuer.

Wut war es. Niemand konnte ihm seine Gefühle befehlen. Und Neji wollte Wut. In ihm war Wut. Wut. Wut. Wut. Flammend, zischend, flackernd, sprechend. Schreiend. Schrie ihm ins Herz. Hör auf, weh zu tun!

„Neji, bitte…“ Sie flehte. Verzweifelt. Und sie weinte. Sie weinte. Warum weinte sie? Warum weinte sie und er weinte nicht? Weil es nicht wahr war. Es war nicht wahr. Darum würde er nicht weinen. Niemals.

„Neji“, sagte sie wieder seinen Namen. „Neji, ich… du…“

Sei still!“, schrie er. Plötzlich war alles laut. Und es war richtig so. Wut.

Sie zuckte zurück, aber noch immer wich sie nicht aus. Noch immer hielt sie stand.

„Du bist eine Lügnerin! Nichts als eine Lügnerin! Du bist schwach, Hinata Hyuga. Du versteckst dich und verdrängst. Du weißt nichts und du lügst! Es ist nicht wahr, es ist alles deine Lüge!“

Neji schrie und schrie und schrie. Er wollte schreien, wollte die Schmerzen in sich selbst lindern. Wollte Schmerzen zufügen.

„Bitte, Neji!“, wiederholte Hinata. „Ich… bitte…!“ Wie klein sie aussah, wie klein und schwach. Sie war ein Nichts, ein Niemand. Sie wusste nichts, sie kannte nichts. Sie kannte ihn nicht. Die wahre Welt.
 

Sei still!“

Es erschien alles, wie in einem bösen, guten Traum. Verzerrt verdreht.

Naruto verstand nicht, was geschah, er verstand nicht, warum es geschah. Viel wichtiger war, dass es nun mal geschah. Wie erstarrt sah er auf die Szene, die sich vor ihm abspielte. Und er wusste nicht, was er tun sollte.

Neji zur Vernunft bringen, ihm die Augen öffnen, das war verhältnismäßig leicht. Aber noch nie – noch nie, noch nie, noch nie – hatte es irgendjemand gewagt, sich Neji Hyugas Zorn zu stellen, ihm den Weg und die Sicht zu versperren. Denn bisher war das noch nie nötig gewesen.

Außer Sasuke gab es nur noch Neji, der die Kunst, seine Gefühle und Gedanken hinter einer Maske von Gleichgültigkeit und Hochmut so perfekt verstecken konnte. Noch nie war er dermaßen ausgerastet, ließ sich dermaßen gehen. Oder zumindest war Naruto noch nie bei solch einem Gefühlsausbruch dabei gewesen.

Er fühlte sich hilflos.

Da stand Neji, einer seiner besten Freunde, der Kerl, der nicht nur den Eisblick, sondern auch einen Eispanzer für sein Herz gepachtet hatte und schrie Hinata an. Seine Cousine. Hinata. Das Mädchen, in das Naruto verliebt war.

Ja. Verliebt, verdammt noch mal!

Und er, Naruto, stand nur hier und sah zu?

Sein Herz schlug bis zum Hals, als er in Hinatas Augen sah, die ihrerseits Neji fixierten. Er sah keine Angst. Vielleicht ein bisschen, ein kleines bisschen Furcht, irgendwo weit hinten, geduckt hinter Trauer und Trauer und Trauer.

Hinata wich Neji nicht aus, sie wich nicht zurück.

Jedes seiner Worte flog regelrecht auf sie zu, stach sie, stieß sie, verletzte sie.

Sie wich nicht zurück, nicht aus. Stand da, fest und sah Neji in Augen, die wütend waren. Die Wut waren. Zorn. Und Schmerz.

Aber sie hielt ihm stand.

Und Naruto bewunderte sie mit jedem Augenblick mehr. Er wusste nicht, was es war, dass Hinata in diesem Moment so stark machte. Er wusste es nicht. Und in gewisser Weise wollte er es auch gar nicht wissen.

Sie beeindruckte ihn.

„Du bist schwach!“, fauchte Neji. „Haben sie dich nicht deshalb weggeschickt? Weil du ihnen nicht stark genug warst. Eine schwache Hyuga, die es nicht wert ist, diesen Namen zu tragen.“

Er atmete schwer.

Naruto sah, wie sich seine Schultern bei jedem Atemzug hoben und senkten. Wie er neue Worte sammelte, die er Hinata entgegenschleudern konnte. Es kam nicht soweit.

„Neji…“ Es war mehr ein Flüstern. Ein Flüstern, mit dem sie sich selbst Mut machen wollte. Mit dem sie ihm entgegentrat.

Mut gegen Wut.

Schmerz gegen Schmerz.

„Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe. Dass meine Familie dir wehgetan hat. Ich kann es nicht ungeschehen machen…“ Zitternde Tränen flossen über ihre blassen bleichen Wangen. „Ich kann nur versuchen, es besser zu machen. Es versuchen… aber… ich bin schwach. Du hast es selbst gesagt. Meine Familie verachtet meine Schwäche. Aber genau… genau dieser… Moment…“

Sie schien sich auf die Worte vorzubereiten, die sie sagen wollte, Worte, die sie sich vorher schon genau zurechtgelegt hatte.

„Genau dieser Moment zeigt, dass du genauso an der Stärke der Familie zerbrichst, wie ich. Vielleicht noch mehr. Aber…“

Neji schoss so schnell auf sie zu, dass Naruto kaum Zeit hatte, zu reagieren. Seine flache Hand schlug Hinata klatschend und so heftig ins Gesicht, dass sie zurücktaumelte, beinahe gestolpert wäre. Sie fing sich gerade noch rechtzeitig.

Halt den Mund!“, schrie Neji, stürzte sich wieder auf sie.

Naruto wusste nicht, was er tat. Nicht wirklich. Er wollte nur Neji daran hindern, Hinata wehzutun. Noch mehr wehzutun. Denn sie litt. Sie litt doch auch so schon genug. In ihren Augen saß der Schmerz, der gleiche, der auch in Nejis Gesicht geschrieben stand, mit einem Mal so deutlich, dass man Angst bekommen konnte.

Das war nicht mehr Neji. Nicht mehr der kühle, kalte, herablassende Neji.

Das war kein mutiger, spöttischer Kämpfer mehr.

Kein eiskalter Eispanzer.

Das war ein Neji, der Angst hatte. Und Schmerzen.

Naruto wusste nicht, was er tat.

Er wusste nur, dass er diese Schmerzen kannte. Dass er diese Angst kannte. Die Angst vor der Wahrheit.

Und Naruto wusste, dass Neji Hinata geschlagen hatte. Und dass er es wieder tun würde. Und wenn nicht ausgerechnet jetzt zufällig ein Lehrer vorbeikommen würde, würde sich ihm niemand in den Weg stellen.

Niemand stellte sich Neji Hyuga in den Weg.

Er riss Neji zurück, zerrte an ihm und schrie. Irgendetwas. Später würde er sich nicht mehr daran erinnern, was er geschrieen hatte. Oder was Neji geschrieen hatte. Oder die Menge um sie herum, die er schon seit Minuten nicht mehr hörte.

Er hörte nicht Shikamarus „Neji, verdammt, hör auf!“.

Er hörte nicht Temaris „Hina, bist du okay?“.

Er hörte nicht Sasukes „Naruto!“

Und er hörte sich selbst nicht, als er Sasuke zurief, wegzubleiben. Bleib weg! Bleib weg, Sasuke! Scheiße, bleibt alle weg!

Alles, was noch irgendwie in seinen Kopf drang, war das Bild von Hinatas stummen Tränen. Es kam ihm vor, als habe jemand den Film verlangsamt und auf stumm geschalten.

Und plötzlich, so plötzlich, wie es langsam geworden war, so plötzlich ging auch alles wieder ganz schnell. Viel zu schnell.

„Spinnst du, Neji?“, schrie er ihm ins Gesicht, das verzerrt war von Wut und noch mal Wut und Angst und Schmerzen. „Was soll das? Tickst du noch richtig?“

„Lass mich los!“ Neji wollte sich losreißen, wieder auf Hinata zu, doch Naruto hielt ihn fest. Eisern. Woher nahm er auf einmal diese Kraft? Er wusste es selbst nicht.

„Lass mich los! Sie ist eine Lügnerin! Eine schwache Lügnerin! Eine Hyuga!“

„Was hat sie dir denn getan? Was hat sie dir getan, verdammt? Beruhig dich, du Idiot!“, knurrte Naruto, festigte seinen Griff noch.

Nejis Blick war scharf, scharf wie immer und doch hatte Naruto das Bedürfnis, zurückzuzucken, als die weißen Augen ihn anstierten. Klar und scharf.

Dann traf ihn Nejis Faust unvermittelt in den Magen.

Naruto schwankte, hielt Neji aber weiter fest und plötzlich hämmerten weitere Schläge auf ihn ein. Er hielt stand, fand sich plötzlich auf der Erde wieder, auf dem kalten, nassen Teer.

„Du verstehst gar nichts, Uzumaki!“, zischte Neji über ihm.

Von irgendwoher hörte Naruto einen Ruf, der Sasuke gehören musste. Neji blickte nicht einmal auf.

„Und? Brauchst du Hilfe, Uzumaki? Brauchst du Hilfe von deinem allerbesten Freund Uchiha?“

Naruto wusste nicht, woher er die Kraft nahm, die ihn ausholen ließ, die ihn zurückschlagen ließ. Heftig, unerwartet. Überraschend. Und dann war Neji plötzlich der Unterliegende.

„Ich brauche niemanden, der mich verteidigt, Hyuga“, knurrte Naruto. „Auch nicht Sasuke. Schon gar nicht ihn. Wenn ich Hilfe brauche, dann bitte ich darum.“

„Du bist so dumm, Uzumaki“, lachte Neji verächtlich. Er stieß Naruto von sich, rappelte sich blitzschnell auf. Naruto hielt ihn an seinem Shirt fest, zerrte ihn herum.

„Ich bin dumm?“, fragte er. „Wenn ich so dumm bin, dann erklär mir doch, was ich nicht verstehe.“

Neji zog scharf die Luft ein, aus seinen Augen schienen Blitze zu sprühen. Wut. Da waren nur Wut und Schmerz.

„Du vertraust, Uzumaki“, flüsterte er heiser. Heiser? „Du vertraust zu sehr. So wie alle anderen dummen Typen an dieser Schule. Du bist schwach. So schwach wie sie. Zu schwach. Ich bin nicht schwach. Ich bin stark. Ich muss stark sein. Ich muss kämpfen. Und niemand wird mich je in die Knie zwingen.“

Naruto spürte, wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Er strauchelte zurück, fühlte wie er zu Boden ging.

Gerade noch rechtzeitig fing er sich, riss Neji mit, schleuderte ihn herum und wieder lagen sie zu zweit. Und wieder war er der Überlegene.

„Was redest du da eigentlich?“, knurrte Naruto verständnislos, blitzte ihn an, blitzte direkt in dieses ausdruckslose Gesicht, in die nichts sagenden, weißen Augen. Die nie etwas sagten. Nie etwas…

Was war es, das Neji so werden ließ?

So anders? So verdammt eigenartig seltsam anders, dass er es nicht mehr unter Kontrolle hatte. Oder war er das? War das Neji? Der wahre Neji?

Fast konnte Naruto es nicht glauben, dass er diesen Gedanken überhaupt denken konnte. Neji war nicht so, war nie so gewesen, versessen auf Stärke und seine eigene Cousine schlagend.

Natürlich, Schlägereien hatte es immer mal wieder gegeben, auch mit Neji. Aber noch nie hatte Neji den Streit begonnen, so freiwillig, als würde er gezwungen werden. Noch nie war er dermaßen haltlos gewesen.

Haltlos…

Das konnte nicht der wahre Neji sein. Auch wenn Naruto nicht glaubte, den wahren Neji schon einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Immer war da diese Maske, eine Maske aus Stolz und Hochmut, aus Gelassenheit und einem bitterbösen Blick.

Was versteckte er?

Was wollte er erreichen mit dieser Maskerade?

Hasserfüllt sah Neji ihn von unten herauf an, der Blick verklärt, als würde er nicht Naruto sehen, der ihn auf den Boden drückte. Naruto kam die Situation unterdessen unangenehm bekannt vor…

„Ihr wisst doch nichts“, sagte Neji plötzlich in die einsetzende Stille, so leise, dass Naruto erst glaubte, sich verhört zu haben. „Ihr wisst nichts über die verdammte, verfluchte, hoch gelobte und verehrte Familie Hyuga… ihre Machenschaften, ihren Umgang… und sie alle, alle zusammen sind Lügner, Betrüger… und Mörder. Alles Mörder.“

Nur Naruto konnte die Worte hören, dessen war er sich sicher. Oder hoffte er es nur? Aber Neji sprach so leise… verlieh dem Hass in seiner Stimme Ausdruck.

„Was meinst du damit?“, flüsterte Naruto zurück. Dabei wusste er nicht einmal, ob er die Antwort wissen wollte. Aber… er war doch Nejis Freund. Und ein Freund sollte wissen, wann es an der Zeit war, zu fragen. Auch wenn manche etwas anderes behaupten sollten: So viel Feingefühl hatte Naruto.

„Sie haben sie umgebracht.“ So viel Hass. Wie konnte in vier kleinen Worten nur so viel Hass stecken? Und Trauer. Schmerzen… Seine Stimme verriet ihn. Alles, was die Maske in seinem Gesicht zu verstecken versuchte, verriet die Stimme.

Naruto wartete. Sagte nichts und wartete. Er hatte gelernt, still zu sein. Schon vor langer Zeit. Er hatte gelernt auf das zu hören, was sein Innerstes ihm riet. Und dieses Mal war es eben Warten.

„Sie haben Mum umgebracht“, wisperte Neji mit leeren Augen. Und Naruto hätte es nicht gewundert, wenn er geweint hätte. Aber das konnte nicht passieren. Oder? Neji Hyuga weinte nicht.

„Deine Mutter?“, fragte Naruto.

Nejis Augen starrten leer und leerer in den Himmel, der immer dunkler wurde. Dunkler und dunkler. Naruto ließ ihn los. Neji wehrte sich nicht mehr. Nur noch seine Stimme war da, verriet ihn. Was sollte eine gefühlvolle Stimme gegen physische Kraft anrichten, wenn nicht einmal der Blick bei der Sache war?

„Mum“, wiederholte Neji. Lauter dieses Mal. Nur etwas. „Eine Familie aus Mördern. Ich hab sie sterben sehen. Es ist unwiderruflich. Sie ist tot. Aber… Mörder sind Lügner. Mörder müssen auch Lügner sein. Er kann nicht tot sein. Sie lügen. Sie lügen. Alle…“

„Wer ist tot, Neji?“

„Er ist nicht tot. Dad…“, murmelte er, wie von Sinnen.

„Und wenn doch?“

Warum fragte er das? Warum, zum Teufel, fragte er das? Sah so seine Aufmunterungstaktik aus?

„Nein“, entgegnete Neji. „Nein. Er ist nicht tot, er kann nicht tot sein.“

„Aber was, wenn doch, Neji?“, fragte Naruto eindringlicher. „Was, wenn er doch tot ist?“

Langsam schüttelte Neji den Kopf und Naruto wagte es ein zweites Mal, ihn loszulassen.

„Neinneinneinnein“, murmelte Neji, wie in Trance. „Dann hätten sie ihn umgebracht. Sie… aber er kann nicht tot sein…“

„Es war ein Anschlag, Neji.“

Naruto sah auf, sah von weißen Augen in weiße Augen. Hinata.

Sie kniete sich neben sie, sah Neji an. Noch immer waren ihre Augen rot, noch immer weinte sie und weinte sie. Sie beachtete Naruto nicht einmal.

„Er sollte Hiashi gelten. Meinem Vater, nicht deinem. Hizashi sollte nicht… er sollte nicht…“ Sie stockte, ließ ihren Tränen freien Lauf, bevor sie weiter sprach, sich wieder unter Kontrolle hatte.

„Hizashi sollte nicht sterben. Aber er ist es. Er ist tot, Neji. Der Anschlag sollte Hiashi gelten. Du hast Recht. Die Hyugas sind Mörder…“

Neji sah sie an. Sah sie an, als würde er sie zum ersten Mal wirklich sehen.

Hastig, fast überstürzt, rappelte Naruto sich auf.

Deine Arbeit ist getan. Sagte die innere Stimme.

Intuition. Instinkt.
 

Neji lag in Hinatas Armen.

Er weinte.
 

Wenn die Welt um dich zusammenbricht, stirbst du mit ihr? Oder stirbt wirklich nur die Welt, die Welt um dich herum?

Wenn die Welt zerbricht, kannst du sie wieder kleben? Oder kann das nur die Welt selbst, können das andere?

Kannst du es? Wer kann es?

Wenn die Welt weit weg ist, ganz weit, unendlich weit weg, wagst du es trotzdem, einen Teil davon ganz nah an dich heran zu lassen? Selbst, wenn dir dieser Teil Angst macht, selbst, wenn du diesen Teil hasst?

Schaffst du das? Schaffen es andere?

Wenn du verlierst, was dir wichtig war, kann dann etwas anderes noch genug Wert haben, um es wichtig nennen zu können?

Wenn jemand auf dich zukommt, der sich nie um dich gekümmert hat, was würdest du tun?

Weglaufen?

Vor was? Wohin?

Wohin gehst du, wenn die Welt kaputt ist?

Vor was fliehst du?

Und… wer hilft dir?

Vielleicht musst du es einfach zulassen, geschehen lassen. Lass zu, dass derjenige, der auf dich zukommt, eine Chance erhält.

Lass zu, dass er dir nicht im Weg steht, wenn du versuchst, deine Welt und dich selbst wieder zu kleben. Vielleicht wird er dir nicht helfen. Aber vielleicht macht er es dir leichter.
 

„Warum bist du hier?“

Er sah ihn an. Waren da Tränen? Irgendwo, tief in diesem kalten Herzen mussten doch Gefühle sein. Er konnte das nicht einfach so verkraften.

Er war doch sein Bruder gewesen.

„Ich kann mich nicht entschuldigen“, sagte er, schloss die Augen dabei. Konnte er ihn nicht einmal ansehen.

Warum war er hier?

„Die Beerdigung ist morgen.“

Hiashi drehte sich um, schnell. Schnell ging er auch wieder, so schnell und plötzlich wie er gekommen war.

Dann war er weg.

Neji reichte es. Es war keine Entschuldigung, nein. Aber es war ein Anfang. Kein guter Anfang, aber es war ein Anfang, von etwas Gutem.

Er hatte die Tränen gesehen. Neji hatte Hiashi Hyugas Tränen gesehen. Und sie hatten sich nicht unterschieden von seinen eigenen.

„Gehst du zur Beerdigung?“, fragte eine Stimme hinter ihm leise.

„Gehst du?“

Hinata nickte. „Ja…“

Ihre Augen waren gerötet, wie seine. Ihm war nie aufgefallen, wie sehr ihre Augen seinen ähnelten. Warum war ihm das nie aufgefallen?

//Weil ich nie richtig hingesehen habe.//

Aber jetzt, jetzt sah er. Mehr, als ihm lieb war. Aber es gab nun mal Dinge, die gesehen werden mussten. Das war wie mit… Staub. Man übersah ihn so lange, bis man davon niesen musste. Bis er auf sich aufmerksam machte.

„Gut“, murmelte Neji, setzte sich neben sie, ohne sie weiter zu beobachten. Er spürte ihren Blick, diesen Unschuldsengelblick auf sich, aber es störte ihn nicht. Noch durfte sie das. Ihn so ansehen. Bald nicht mehr. Jetzt noch, nur noch eine Weile.

Er spürte ihre warme, zierliche Hand auf seiner. Plötzlich konnte er Naruto verstehen, wieso er so von ihr schwärmte. Nur noch eine Weile. Diese Nähe würde er nicht mehr lange zulassen, Neji wusste es. Es würde die Zeit kommen, in der es wieder anders wurde.

Irgendwann. Ganz sicher.

Bis dahin… konnte ihre Hand da liegen. Bis dahin konnte Hinata ihn in den Arm nehmen. Bis dahin konnte sie seine Familie sein. Ein bisschen zumindest.
 

Der nächste Tag war seltsam.

Er war schon deshalb seltsam, weil es so verdammt still war. So ruhig. Dabei hatten Naruto und Sasuke sich doch vertragen.

Er war seltsam, weil es wieder regnete, nach diesen wenigen Sonnenwintertagen. Es schüttete wie aus Eimern und Shikamaru fragte sich immer und immer wieder, ob sie in diesem Schuljahr nicht schon genug bestraft worden waren.

Anscheinend nicht.

Und es war seltsam, weil Neji fehlte. Und Hinata, Hinata fehlte auch und vielleicht war das der eine Grund, warum Naruto so verdammt still blieb, den ganzen Morgen über.

Wenn er still war, ging er einem noch mehr auf die Nerven. Es wurde Zeit, dass hier wieder Normalität einkehrte, lange würde Shikamaru diese Ruhe nämlich nicht mehr ertragen. Und allein dafür sollte der Tag im Kalender rot angestrichen werden. Der Tag nämlich, an dem Shikamaru genervt war, weil ihn absolut nichts und absolut niemand nervte.

Sogar die Lehrer erschienen seltsam bedrückt zum Unterricht.

Ein seltsamer Tag.

„Es ist seltsam“, murmelte Temari mitten in Geschichte zu sich selbst. Nein, eigentlich sprach sie Shikamaru sogar direkt an.

„Das ist es.“

Shikamaru starrte auf die Tafel, ohne wirklich etwas zu sehen. Dafür spürte er die angenehme Wärme des Armes neben seinem eigenen umso deutlicher. Lauschte dem ruhigen Atmen und sah vor sich, wie Temari sich konzentriert an der Nase rieb.

Schön blöd, dass er wegen so einer Kleinigkeit Asumas ausladende Schrift nur hintergründig in seinem Kopf abspeicherte.

„Hast du es gewusst?“

Als Shikamaru leicht den Kopf drehte und sie von der Seite ansah, rieb sie sich wirklich gerade die Nase.

„Was gewusst?“, fragte er zurück. Temari sah ihn an, den Blick gefüllt mit einer Mischung aus eigenartiger Faszination und einem tiefen Seufzen.

„Sie waren an Weihnachten schon so seltsam“, sagte sie schließlich, klopfte ungeduldig mit dem Stift auf ihr Heft.

Tipp Tock Tipp Tock Tipp

„Mhh…“ Endlich gelang es Shikamaru, den Kopf wieder in eine andere Richtung zu lenken. Mit seinen Gedanken ging das nicht so einfach.

Es war einfach zuviel los gewesen in letzter Zeit. Zu viel, dass seinen Kopf zum Brummen brachte und verwirrend undeutlich erschien und wieder verschwand.

Es war wirklich seltsam.

Hinata und Neji an Weihnachten.

Ja, es war klar gewesen, dass etwas nicht stimmte. Aber Shikamaru wusste nicht erst seit Weihnachten von der komplizierten Beziehung der beiden Hyugas. Genauer gesagt wusste doch eigentlich die ganze Schule irgendetwas. Nicht alles, natürlich nicht.

Und doch… Weihnachten war etwas Entscheidendes geschehen. Dieses Etwas hatte nicht nur Shikamaru gezeigt, wie Neji zu seiner Familie stand, sondern auch, wie er zum ihm selbst stand.

Es war seltsam. Total verrückt eigentlich.
 

Wie lang waren sie überhaupt schon Freunde?
 

Aus der Sporthalle kamen eigenartige Geräusche. Eigenartig deshalb, weil sie so fremd klangen, so ungewohnt. Die Stimme und diese Schreie, die Laute. Das passte alles nicht so wirklich zueinander.

Es passte überhaupt nicht.

Shikamaru warf einen gelangweilten Blick durch die Glastür zur Sporthalle. Stockdunkel war es da drin, nur das Licht, das durch die großen Fenster schien, erhellte den großen Raum ein wenig.

Ein wenig mystisch sah es aus, wie sich die sehnige Gestalt in der Dunkelheit bewegte.

Wäre Shikamaru abergläubisch gewesen, er hätte gedacht, einen Geist vor sich zu haben. Aber Shikamaru war alles andere als abergläubisch. Er wusste genau, wen er da vor sich hatte. Er erkannte die helle Haut und die fast unnatürlich langen Haare, die von einem Haarband aus dem Gesicht gehalten wurden. Er erkannte die Stimme, auch wenn er sie sonst nicht oft zu hören bekam.

Neji Hyuga war kein besonders gesprächiger Geselle.

Noch einige Minuten beobachtete Shikamaru, wie sein Mitbewohner einige komplizierte Bewegungen ausführte, dann urplötzlich die unnatürlich hellen Augen aufriss und einen Schrei ausstieß.

Shikamaru zuckte kaum zusammen, doch endlich erinnerte er sich daran, warum er überhaupt hierher gekommen war und seine Hände tasteten nach der kleinen Pappschachtel in seiner Jackentasche. Schon das Gefühl der Zigarette zwischen seinen Fingern beruhigte ihn ein bisschen und er verabscheute sich etwas dafür. Eigentlich war er nicht der Typ, der einer Sucht unterlegen war. Eigentlich war er dafür zu klug.

Die kleine orange Flamme zuckte aus dem Feuerzeug und Augenblicke später glühte ein heller Punkt in der Dunkelheit auf. Shikamaru atmete tief ein.

Es tat gut. Er verabscheute sich dafür, aber es tat gut. Und er war auch kein Mensch, der sich von anderen etwas vorschreiben ließ. Schon gar nicht von klanglosen Warnhinweisen auf Packungen. Oder gar von Erwachsenen.

Neji tanzte weiter durch die Halle, wurde von scharfen Blicken beobachtet. Es kam Shikamaru vor wie ein Tanz, aber vermutlich war es irgendeine Art Meditation. Oder eine Kampfsportart? Er war sich nicht sicher. Es sah anmutig aus, doch immer und immer wieder zerrissen die Schreie die Stille der Nacht.

Machte er das jede Nacht?

Fast hätte Shikamaru leise gelacht. Er war erst zwei Monate hier. Er konnte das gar nicht wissen.

Aber wussten es die anderen? Die, die schon länger hier lebten. Naruto oder Sasuke?

Shikamaru bezweifelte es.

War er also der Erste, der hinter die nächtlichen Aktivitäten des Hyugas kam? Der Gedanke ließ ein ungutes Gefühl in ihm aufkeimen. Irgendwie war das seltsam. Alles hier war seltsam, das ganze Internat war seltsam.

Plötzlich schwang die Glastür lautlos auf und helle Augen starrten Shikamaru unter zusammengezogenen Brauen finster an, bohrten sich in seinen Blick. Shikamaru hielt stand. So schnell bekam ihn niemand klein. Auch nicht ein Neji Hyuga, dessen Name auf dem Schulhof nur geflüstert wurde, der berühmt berüchtigt war für seine Intelligenz, seine Kraft und sein Aussehen. Und für die geheimnisumwitterte Beziehung zu seiner Cousine. Wie war ihr Name noch mal?

Hinata Hyuga war so unscheinbar und schüchtern, dass man sie schnell übersah oder vergaß. Shikamaru hegte sogar den Verdacht, dass Naruto sie noch nicht einmal wahrgenommen hatte. Aber Naruto hatte in solchen Dingen auch eine unwahrscheinlich lange Leitung.

Das einzige, das Hinata wohl mit Neji gemein hatte, war der Nachname. Und vielleicht noch die auffällige Augenfarbe, die Shikamaru auch in diesem Moment einen kleinen Schauer über den Rücken jagte.

Kalt wie Eis.

„Rauchen ist hier verboten.“

Es war der erste Satz, den Neji in diesen zwei Monaten an ihn richtete. Und seine Stimme klang genau so kalt, wie sein Blick vermuten ließ.

Aber das es ausgerechnet dieser Satz sein musste…!

„Ich weiß“, seufzte Shikamaru leidvoll und führte die Zigarette demonstrativ ein weiteres Mal zum Mund. „Nervig.“
 

In den nächsten Nächten stand Shikamaru wieder vor der Glastür, während Neji Hyuga diesen meditativen Tanz vollführte, und rauchte. Es war ein guter Platz zum Rauchen, hatte er festgestellt. Deshalb kam er immer wieder hierher. Nicht etwa, weil er Neji beobachtete.

Nein. Natürlich nicht.

Shikamaru paffte dünne Rauchschwaden in die Luft und sah zu, wie Neji Hyuga all das in der Nacht abstreifte, was ihn tagsüber zu verfolgen schien wie eine dunkle Wolkenwand. So viel wusste Shikamaru inzwischen. Es war keine einfache Meditation. Es war Luft ablassen, mit der Wut fertig werden.

Neji Hyuga war wütend. Sehr wütend. Immer wütend. Die Wut war ein stilles, heimliches Gefühl in diesem Jungen, mit dem er nicht zurechtkam, das er in sich verbarg wie einen Schatz in einer Truhe mit drei Schlössern. Aber es war einfach zu viel Wut.

So viel wusste Shikamaru inzwischen. Und auf eine Art konnte er Neji Hyuga verstehen. Auf eine andere auch wieder nicht.

Wieso musste er so klammheimlich seine Wut loswerden? Warum konnte er das nicht in dem Moment tun, in dem die Wut erst entstand?

Im gleichen Moment gab sein, unglücklicherweise viel zu intelligentes Gehirn ihm auch schon eine Antwort: Weil er sonst vermutlich die ganze Zeit am Ausrasten wäre.

Toll…
 

„Warum bist du hier, Nara?“

Neji Hyuga sah ihn kalt an, Shikamaru kannte das inzwischen. Er zuckte gelassen mit den Schultern und zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, bevor er sie zu Boden warf und unter seine Schuhsohle zermalmte.

„Warum bist du hier, Hyuga?“, fragte er zurück und erwiderte den Blick kühn und ausdruckslos gelangweilt wie immer. Eigentlich wusste er es ja schon. Das war einfach nur, um dem eigenartigen Jungen die Stirn zu bieten.

„Das geht dich nichts an, Verlierer“, zischte Neji. Aber es klang genauso beherrscht wie eh und je, keine Veränderung in der Stimmlage, keine Veränderung der Mimik. Er war und blieb ein gefühlloser Eisschrank.

Während Shikamaru diese Informationen wie von selbst aufnahm und verarbeitete, hob er die Augenbraunen leicht und schob die Hände in die Hosentaschen. Absolut desinteressiert sah er aus. Absolut uninteressiert an Neji Hyuga und was auch immer er da in der Halle trieb. Oder gar wieso.

Es war ja auch nicht wichtig. Im Moment hatte Shikamaru selbst ja eigentlich schon größere Sorgen mit sich selbst.

„Hm, ich bin wohl ein Verlierer“, meinte Shikamaru. „Wen interessiert’s?“ Unter dem missbilligenden Blick des Hyugas steckte er sich eine neue Zigarette an. Schlicht und ergreifend, um ihn ein bisschen zu ärgern, allzu hoch musste er ja wohl nicht auf seinem Ross sitzen.

„Ich hab dir schon mal gesagt, dass Rauchen hier verboten ist.“

Immer wieder dieselbe Leier.

Shikamaru blies etwas Rauch in die Luft. Wen interessiert’s?

„Ich weiß, das hast du gesagt. Du bist ganz schön anstrengend“, erwiderte Shikamaru nur.

„Anstrengend?“, hakte Neji Hyuga tonlos nach.

„Anstrengend.“

„Warum rauchst du dann?“

Jetzt musste Shikamaru grinsen.

„Hey! Lach mich nicht aus!“, knurrte Neji und trat einen winzigen Schritt näher heran.

„Tu ich nicht. Ist nur seltsam, dass ausgerechnet du das fragst, Neji Hyuga. Ich rauche, weil es eine Bedeutung hat. Weißt du, wir sind uns gar nicht so unähnlich, hm?“

War da jetzt eine Gefühlsregung?

Nein, wohl eher eine optische Täuschung…

„Mal abgesehen davon, dass ich der Verlierer bin.“

Es war das erste Mal, dass Shikamaru Neji einfach so vor der Halle stehen ließ.

Und es war nicht das letzte Mal.
 

Gleicher Ort, gleiche Zeit, nur wenige Tage später. Auf den ersten Blick erschien alles wie sonst. Shikamaru sah die dunkle Halle durch das Glas, hielt eine Zigarette zwischen den Fingern und blies dünne Rauchfäden in die Luft, die von Tag zu Tag kälter wurde.

Winter, ja es wurde Winter.

Neji war nicht da.

Es störte Shikamaru nicht sonderlich und es verwunderte ihn auch nicht, der Hyuga war schon nicht in der Schule gewesen, hatte sich den ganzen Tag über in seinem Zimmer verschanzt. Angeblich war er krank, aber Naruto hatte gemeint, das könne nicht sein, denn das würde bedeuten, dass Neji Hyuga eine Schwäche habe. Dass er menschlich sei.

Shikamaru zweifelte an dieser Aussage.

In den letzten Tagen hatten sie nicht miteinander geredet. Ein Blickwechsel, wenn Neji die Halle verließ war alles, auch wenn die Blicke kalt waren, ausdruckslos. Eigentlich nur um zu zeigen, dass man den anderen mit einem Knurren im eigenen Revier akzeptierte.

Mehr war es nicht und mehr würde es wohl auch nie sein. Akzeptanz war immerhin schon ein Zeichen, dass überhaupt eine Beziehung bestand.

Shikamaru zog an der Zigarette.

„Du hörst auf niemanden, Nara. Was?“

Neji tauchte neben ihm auf, still, klammheimlich, wie es seine Art war. Aber wenn er sich zeigte, dann mit voller Ausstrahlung, dann konnte man ihn gar nicht mehr übersehen.

Charisma nannte man so was wohl.

„Ich höre schon. Aber nicht auf alle. Und sicher nicht auf dich, Hyuga“, brummte Shikamaru, blies Neji etwas Rauch ins Gesicht, worauf der das Gesicht leicht verzog.

Na, bitte. Shikamaru hatte schon befürchtet, der Hyuga habe gar keine Gesichtsmuskeln.

„Du bist schon wieder hier“, stellte Neji fest, wechselte das Thema, ohne einen Hehl daraus zu machen. Selbst das konnte er gut.

„Jepp. Du auch.“

„Ich trainiere heute nicht. Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein.“

„Und warum bist du dann hier?“

Neji wandte den Blick lange nicht ab, sah ihn nur an und wieder einmal hatte Shikamaru das Gefühl, dass diese Augen viel zu kalt waren. Kalt und irgendwie wissend. Auch wenn sie in diesem Moment eher unentschlossen wirkten. Ein unentschlossener Neji Hyuga.

Irgendwie.

„Ich hatte das Gefühl, es wäre besser“, meinte Neji nach einer Weile leise, aber bestimmt. „Ich hatte das Gefühl, dass wir noch nicht fertig miteinander sind, Nara.“

Shikamaru lächelte ein wenig selbstmitleidig und warf seine Zigarette auf den Boden.

„Du bist seltsam, Hyuga“, grinste er. „Intelligent vielleicht, aber ziemlich seltsam.“

„Ist doch jeder irgendwie“, antwortete Neji nur.

Dann schwiegen sie wieder eine Weile.

„Warum bist du hier, Hyuga? Auf dem Internat, meine ich.“

Shikamaru hatte keine Ahnung, warum er das jetzt fragte. Aber er hatte einfach das Bedürfnis, es jetzt zu fragen, sonst würde er es vermutlich nie tun. Shikamaru kannte seine Fähigkeiten im Unangenehme-Sachen-aufschieben.

„Warum bist du hier?“, entgegnete Neji, wich wieder aus, aber das war Shikamaru ja inzwischen gewohnt. „Du passt nicht hierher, Nara.“

„Ach ja?“, meinte Shikamaru nur, zuckte mit den Schultern. „Da sind andere anderer Meinung.“

„Wer?“

„Asuma Sarutobi.“

„Der Kettenraucher?“

Jeder auf der Schule kannte Asuma Sarutobi, das wusste Shikamaru inzwischen. Er war beliebt unter den Schülern, ein meistens gerechter und vor allem guter Lehrer. Geschichte und Mathematik.

„Er ist Landesmeister im Schach, ungeschlagen“, sagte Shikamaru.

„Das weiß hier jeder. Was soll das mit dir zu tun haben?“

„Ich hab ihn auf einem Turnier kennen gelernt. Jetzt ist er geschlagen.“

Neji schwieg.

„Ich denke, du sagst die Wahrheit.“

„Natürlich.“ Shikamaru gähnte und streckte sich. „Lügen ist anstrengend.“

Fast glaubte Shikamaru, so etwas wie den Anflug eines eisig stillen Lächelns zu sehen. Ein Lächeln, so gefühllos wie vermutlich nur Neji Hyuga es hinbekam.
 

Eine Partie Schach fordert den Verstand heraus. Man benötigt strategisches Feingefühl, schnelles Umdenken und eine Art des Gedankenlesens. Wie beim Pokern.

Setzt man nur eine Figur falsch, kann man im nächsten Zug Schachmatt sein. Fehler sind bei diesem Spiel nicht erlaubt. Macht man trotzdem mal einen. Sollte man es sich keinesfalls ansehen lassen.

Im Schach ist der Tod immer so weit entfernt wie die Figuren des Gegners. Wie der Verstand des Gegners selbst. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Beziehung die Gegner zueinander haben. Allein auf den Geist kommt es an, auf die geistige Größe. Die geistige Stärke.

Nicht einmal die besten Figuren können den geistig Schwachen vor dem Untergang bewahren. Denn der Tod ist nah. In keinem anderen Spiel ist der Tod so nah wie im Spiel der Könige.

Schachmatt.
 

„Schachmatt.“

Shikamaru stieß den weißen König mit seinem Läufer um. Er kippte aufs Brett und rollte langsam auf den Rand der Spielfläche zu, wo er zum Stillstand kam.

Geschlagen. Schon zum zweiten Mal in dieser Nacht, auch wenn man es inzwischen nicht mehr wirklich Nacht nennen konnte. Die Sterne verblassten am schwarzen Himmel, als hätte sie jemand fortgewischt.

Neji war ein guter Gegner. Mindestens so gut wie Asuma Sarutobi, wenn nicht sogar noch besser. Er dachte voraus, analysierte und dirigierte das Spiel schon fast. Shikamaru sollte das recht sein. Er gewann trotzdem. Immer und immer wieder, da konnte der Hyuga sich noch so sehr anstrengen. Shikamaru gewann.

„Du bist gut“, sagte Shikamaru, Neji hob nur die Augenbrauen, wie immer war nicht zu sehen, ob er sich jetzt ärgerte. Aber Shikamaru bezweifelte das ohnehin. Neji war ein guter Verlierer. Wenn er sah, dass es nicht anders ging.

„Aber du bist besser.“

Besser? Shikamaru zuckte mit den Schultern, sehnte sich eine Zigarette herbei. Der bittere Geschmack, der in der Kehle kratzte, störte ihn kaum noch. Eigentlich sollte er doch froh darüber sein.

Warum war er es dann nicht?

„Wenn ich nicht besser wäre, wäre ich nicht hier“, meinte er und für einen winzigen Moment spürte er wohl so etwas wie Heimweh in sich. Sein früheres Leben war schön gewesen. Und jetzt war es vorbei.

„Mach nicht so ein bedauerliches Gesicht, Nara. Es gibt viele Leute, die dafür sterben würden, hier zu sein.“

„Der Satz ist unlogisch, Hyuga.“

„Du weißt, was ich meine.“

Shikamaru ahnte es zumindest. Neji war eigentlich ganz froh, hier zu sein, auch wenn er das weder sagte, noch besonders glücklich erschien. Es war irgendetwas mit seiner Familie, Shikamaru wollte es gar nicht so genau wissen.

An dieser Schule hatte irgendwie jeder sein persönliches Drama.

„Revanche?“, wechselte er das Thema. Dabei war er eigentlich zu müde dafür. Wenigstens war Wochenende.

„Ein anderes Mal“, sagte Neji, drehte seinen König zwischen den Fingern herum und erhob sich vom Turnhallenboden.

Erleichtert tat Shikamaru das Gegenteil und ließ sich auf den Boden fallen, schloss die Augen und wäre am liebsten sofort eingeschlafen. Sein Körper jedoch gierte noch nach etwas anderem und Shikamaru verfluchte sich dafür, überhaupt jemals mit dem Rauchen angefangen zu haben.

Hier drin konnte er nicht rauchen.

Nur noch eine Weile liegen bleiben, das war alles, was Shikamaru wollte. Eine Weile ausruhen, dann raus, tödliches Gift einatmen, sich von Neji schief ansehen lassen und dann endlich nach Hause und ins Bett.

Nur noch eine Weile…

Neben sich klapperte Neji mit den Figuren, packte sie mit dem Brett zurück in seinen Rucksack und stieß Shikamaru etwas zu fest mit dem Fuß an.

„Penn nicht ein, Nara. Deine dumme Angewohnheit wartet.“
 

Früher.
 

Früher war es fast seltsam gewesen, wie verschieden sie waren. Heute war das für Shikamaru ganz normal. Es war eben so.

Neji hatte Shikamaru verändert, so wie Shikamaru Neji verändert hatte. Es war gut so.

Ohne Neji würde er vielleicht immer noch rauchen.

Ohne Shikamaru würde Neji immer noch Nacht für Nacht seine Wut in der Turnhalle abreagieren – mit einem nachgemachten Schlüssel, wie Shikamaru etwas später mal erfahren hatte.

Natürlich hatte es nicht nur gute Zeiten gegeben.

Sie waren wirklich verschieden.

Die Zeit nach der letzten Zigarette – Shikamaru erinnerte sich dunkel – war gewesen, als hätte man ihm verboten, zu schlafen. Wie konnte ein so kleines Ding wie eine Zigarette, so wichtig – lebenswichtig – werden?

Und in genau dieser Zeit war diese dumme, dumme Kleinigkeit mit seinem dummen, dummen IQ – durch Neji – ans Tageslicht getreten. Wie entspannend war doch die Zeit davor gewesen, als alle ihn für faul und dumm gehalten hatten…
 

Shikamarus Blick glitt ab, er schien unendlich weit weg zu sein, wohin niemand ihm folgen konnte. Zumindest Temari nicht.

Es war selten, dass er so sehr abschweifte, dass er überhaupt nichts mehr mitbekam von dem, was um ihn herum geschah. Doch dieses Mal war es anders. Wo war er mit seinen Gedanken?

Temari würde alles dafür geben, es zu wissen.

Ein befremdliches Gefühl hatte sich in ihr breitgemacht. Ein Gefühl, dass sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. Das letzte Mal, als Gaara mal wieder von der Polizei festgehalten wurde und ihr Vater sich zwei Tage lang weigerte, ihn rauszuholen.

Sie wollte bei ihm sein.

Damals bei Gaara. Körperlich. Präsent, damit er wusste, dass er nicht allein war, niemals allein sein würde.

Heute bei Shikamaru, weil… Temari wusste es nicht. Fast machte es ihr Angst, nicht das Gefühl, sondern einfach die Frage nach dem Warum, die sie nicht beantworten konnte.

Natürlich ahnte sie, was es war, was sie da so fühlen ließ. Natürlich, wie auch nicht? Sie ahnte es, hoffte in gleichem Maße, dass es nicht stimmte, dass sie sich irrte. Sie musste sich irren. Sie wollte nicht so fühlen, nicht noch mal, nicht… nicht für ihn.

Temari würde ihn niemals richtig kennen. Shikamaru war wohl der eigenartigste Kerl, der ihr jemals untergekommen war. Da verstand sie selbst Neji besser, oder Sasuke. Die waren wie Gaara. Selbst Naruto war ein bisschen wie Gaara. Oder wie Kankuro.

Temari verstand ihre Brüder, was in ihnen vorging, wie sie dachten, warum sie handelten. Sie verstand sogar, dass Kankuro schwul war. Wäre sie sicher auch, wenn sie ein Junge wäre. Jungs waren einfach… Sie hatten etwas, das Mädchen nun mal nicht hatten…

Gott, Temari war froh, dass niemand diese Gedanken hörte.

Aber Shikamaru… er war so seltsam offen, ehrlich, dass sie nie genau wusste, was er als nächstes sagen würde. Er redete so wenig, dass sie nicht wusste, was er dachte und sie hatte keine Ahnung, wie seine Gefühle aussahen. Manchmal glaubte sie sogar, er hatte gar keine Gefühle.

Da war ja selbst Gaara einfacher. Und Sasuke, Neji und Naruto erst recht.

Sie tippte Shikamarus Arm an, bohrte die Spitze ihres Bleistifts in die Haut, bis er sie genervt gelangweilt ansah, wie immer, wenn ihm etwas nicht passte.

„Was?“, fragte Shikamaru, aber Temari grinste erst mal seelenruhig, nur um zu zeigen, wer von ihnen der Überlegene war.

„Hast du es schon vorher gewusst? Das mit Hina und Neji?“

„Zum Teil. Wir reden nicht viel über seine Familie, wenn du das meinst“, antwortete Shikamaru.

Ja, das hatte sie gemeint. Temari wandte den Blick kurz ab, ließ ihn durch das Zimmer schweifen, versuchte, dabei nicht allzu auffällig zu sein.

„Und Ten Ten?“

Verwirrt sah er sie an.

Hatte er es noch nicht bemerkt? Ausgerechnet er, das Supergenie, der Mega-IQ-Mensch. Aber hieß es nicht auch immer, dass solche Intelligenzbestien mit Gefühlen nicht sonderlich viel am Hut hatten?

Der Gedanke versetzte ihr einen kleinen Stich.

„Ten Ten und Neji“, flüsterte Temari ihm zu. „Da läuft auch was, auch wenn Ten es natürlich abstreitet.“ Sie lächelte leicht. Nein, mit so einer simplen Ausrede wie Neji? Ich? Hast du Fieber, Tema? konnte Ten Ten sie nun wirklich nicht zum Narren halten. Das sah doch ein blindes Huhn.

„Ten Ten? Woher hast du denn… Autsch!“

Temari lachte, wie der Großteil der Klasse, als Shikamaru sich verstört an den Kopf griff.

„Aufpassen, Nara! Das hier ist kein Kaffeekränzchen!“, rief Asuma ihm zu und drohte schon mit einem neuen Stück Kreide, die er gerade seinem Lieblingsschüler so gerne an den Kopf warf.
 

Es war immer wieder ein seltsamer Anblick für Sai, wenn Ino auf der Bühne in der Aula stand und plötzlich jemand völlig anderes war. Als würde sie alles abstreifen, alles fallen lassen, alles vergessen und nur noch für diesen einen Augenblick leben, für dieses Leben auf der Bühne, für das Leben dieses anderen Ichs.

Ob sie auch ihn vergaß?

Sai schüttelte diesen lästigen Gedanken ab, indem er auf den Zeichenblock in seinem Schoß starrte, das Bild betrachtete und tausend Fehler fand, wie er es besser machen könnte.

Aber natürlich vertrieb das den Gedanken nicht, der in letzter Zeit immer häufiger seinen Weg in seinen Kopf fand. In seinen Kopf und in sein Herz, wo er sich schmerzhaft festkrallte, penetrant und dreist und schmerzhaft.

So war Ino doch nicht.

Ino war nicht diese Person auf der Bühne, Ino war Ino.

Die er liebte.

Die ihn liebte.

Wie sie auf der Bühne stand als hochmütige Pharaonentochter. Oder als verletzliche, verliebte Prinzessin. Es war doch immer Ino, die da spielte. Die ihm kurz zuzwinkerte, wenn sie sich sicher fühlte.

„Okay, die erste Szene mit Amneris, Mereb und Aida jetzt, ohne Gesang“, rief Kurenai durch die Halle, klatschte in die Hände und winkte Ino, Neji und Temari auf die Bühne.

Ino spielte wundervoll wie eh und je. Es machte ihr Spaß, das Singen, das Theater. Aber Ino hatte an allem Spaß. Sie genoss das Leben. In vollen Zügen.

Wie sie spielte…

Noch eine Dienerin? Ich brauche keine weitere Dienerin. Hat dieses Geschenk auch einen Namen?

Wie herablassend sie war. Wie sie spielte… Herablassend.

Das lange Haar umrahmte ihr Gesicht, glänzte im matten Licht der Halle. Sie war viel zu schön. Zu schön für diese Welt.

Sai stierte wieder seine Zeichnungen. Ino. Ino. Ino. Überall war da Ino. In seiner Nähe, in seinen Gedanken, in seinen Zeichnungen. Selbst in seinen Träumen.

Seine Mutter konnte sagen, was sie wollte, aber… Sai war verliebt. Er konnte es ja selbst kaum glauben.

Verliebt.

Was für ein Wort. Klang ein bisschen wie eine ansteckende Krankheit.

INO.

In großen Buchstaben malte er ihren Namen auf ein Blatt, Schnörkel und Spiralen drum herum, Linien und Punkte. So war Ino, wie er sie sich erträumte. Verziert, verschnörkelt. Ein Kunstwerk. Ein seltsames zwar, aber ein Kunstwerk.

Und die Wahrheit?

Es hieß doch immer, Liebe mache blind. Wie sah sie dann wirklich aus? Gradlinig und direkt, einfach ein Mensch, ein Mädchen. Ein seltsames zwar, aber ein Mädchen.

Was erlaubst du dir! Du senkst nicht den Blick, du erzitterst nicht. Hast du keine Angst vor mir?

Sie spielte. Sie spielte doch nur.

Sie spielte.

Mit ihm.
 

Schultoiletten sind kein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Darum war es seltsam, dass Ino schon lange bei den Waschbecken vor dem Spiegel stand und sich einfach nur anstarrte.

Sie entdeckte dabei zwei wachsende Pickel und eine lose Wimper, die auf ihrem Wangenknochen klebte. Durfte man sich nicht etwas wünschen, wenn man sie wegpustete?

Egal.

Ino sah Sais Gesicht vor sich, wie er ernst wie immer die Musical-Probe verfolgt hatte, sein Blick war die ganze Zeit auf ihr gelegen, hatte sie beobachtet. Nervös gemacht. Ino hasste es, wenn sie nervös war, unsicher, angreifbar.

Das musste aufhören. Unbedingt. Sie durfte sich nicht nervös machen lassen, und schwach und verletzlich. Sie musste stark sein, immer und überall. Musste die Ino bleiben, die sie war und nicht so… seltsam werden, wenn Sai sie auch nur ein Mal schief ansah.

Das musste einfach aufhören!

Wie lang war sie jetzt schon mit Sai zusammen? Vier Monate?

Auf jeden Fall länger, als sonst je mit irgendeinem anderen Jungen. Seltsam, dass es nur so seltsam geworden war, noch nicht… na ja… langweilig. Es war eigentlich nie langweilig mit Sai.

„Es wird Zeit für einen Neuen, Ino“, murmelte sie ihrem Spiegelbild zu.

Es wurde Zeit. Wie sich das anhörte. Lebte sie schon nach einem Zeitplan? Nach vier Monaten musste ein neuer Freund her?

Ja.

So war es.

„Du bist wirklich die Schulschlampe, Ino Yamanaka“, beschimpfte sie wieder ihr wehrloses Spiegelbild, das etwas verzweifelt zurückstarrte. „Dabei willst du es doch gar nicht sein.“

Aber sie war es nun mal. Und ein bisschen gefiel ihr dieses dreckige Image sogar. So bekam zumindest schon mal niemand ein vollkommen falsches Bild von ihr.

Ein neuer Freund musste also her.

In Inos Kopf reihten sich schon alle mögliches, gut aussehenden Jungs der Schule.

Aber immer wieder schob sich Sais unschuldiges, lächelndes Gesicht vor ihr inneres Auge, verdrängte alle anderen Jungs und drängte sich ihr förmlich auf.

Sai.

Ino mochte ihn, daran bestand einfach kein Zweifel mehr, auch wenn sie selbst es immer noch gerne und häufig vor ihren Freundinnen abstritt.

Sai war ein Spiel. Ein Spaß. Ein paar schöne Monate, Zusammensein, Küssen, Sex.

Mehr war er doch nicht.

Oder?

Vielleicht fiel es ihr ja deshalb so schwer, einen Schlussstrich zu ziehen. Dann aufzuhören, wenn es noch am wenigsten wehtat. Weil es ihm wehtun würde, ganz sicher. Weil es ihn verletzen würde.

Und das wollte Ino nicht. Sie wollte ihn nicht verletzen.

Dabei war Sai doch nur ein Spiel.

Sie musste aufhören damit, bevor es noch schlimmer wurde. Bevor es überhaupt kein Zurück mehr gab.

Schluss.
 

Sai wartete auf Ino. Als sie kam, küsste er sie.

Er liebte ihre Küsse. Ihre Küsse, die nach Honig schmeckten. Ihre weichen Lippen, ihre zarten Hände, die über seine Hände strichen, ganz leicht nur.

Er liebte sie.

Ino.

Er liebte Ino.

Aber die Küsse wurden anders. Sie veränderten sich von Tag zu Tag ein wenig mehr. Auch ihre Blicke verloren etwas. Sai konnte nur nicht genau sagen, was es war. Aber es machte ihm Angst.

Er hatte Angst davor, sie zu verlieren. Und deshalb musste er sie halten. Er wollte sie nicht verlieren.

Aber diese Möglichkeit würde immer bestehen. Immer. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Ino mit dem Spielen aufhörte. Und sich in ihn verliebte. Richtig verliebte.

Sai sah in Inos blaue Augen. Gerade, fest.

Er würde dafür sorgen, dass sie sich in ihn verliebte.

Ganz sicher!
 

Sai wartete auf Ino. Sie küsste ihn, als sie zu ihm kam und hatte ein schlechtes Gewissen, weil der Kuss sich falsch anfühlte. Dabei war es doch nur ein Kuss. Lippen aufeinander, vielleicht ein bisschen Zunge mit dabei.

Nur ein Kuss, Herrgott noch mal! Und sie machte so ein Drama daraus.

Sie mochte Sai, ja, vielleicht. Aber gerade das war ja das Problem. Gerade deswegen fühlte es sich falsch an, wenn sie ihn küsste, ihn ansah, ihn berührte. Weil in seinem Blick, in allem, was er tat, etwas lag, das Ino fast Angst machte.

Liebe. Dieser dumme Junge hatte sich in sie verliebt.

Das machte alles so viel schwerer.

Er liebte sie.

Mist.

Sie liebte ihn nicht.

Ob er es merkte? Sicher, sei nicht so naiv, Ino.

Von Tag zu Tag veränderte sich alles. Von Tag zu Tag wurde Ino unsicherer, was sie tun sollte, tun musste. Und vor allem wann. Und wie.

Aber sie musste es tun. Das war klar. Sie musste es tun.

Und sie würde es tun. Es war das Beste für alle.

Ganz sicher!
 

**********
 

Boah, es hat tatsächlich fast 3 MONATE gebraucht, bis dieses Kapitel stand. Vergebt mir, aber manchmal ist eben einfach der Wurm drin...
 

Der Titel "Schachmatt" kann man übrigens auf alle Situationen in diesem Kapitel beziehen. Bin ich nicht kreativ?!
 

Und wer sich jetzt wundert, warum Hiashi im Internat aufgekreuzt ist, obwohl er sogar Hanabi den Kontakt verboten hat... Tja... Das Kapitel hätte sich noch mehr in die Länge gezogen, als ohnehin schon. Ich brauchte einfach einen Schlussstrich. Dumme Ausrede? Vielleicht... *seufz*
 

Irgendwann kam mal in den Kommentaren auf (keine Ahnung mehr, wann, wie, wo, sorry), dass es schwer vorstellbar sei, dass Neji so gut mit Shikamaru befreundet wäre. Das hier ist meine Antwort. Jetzt könnt ihr weiterdenken ^^
 

Hoffentlich geht das nächste Kapitel schneller ^^

LG

inkheartop

Cinderella-Komplex

Cinderella-Komplex
 

Ihr Lächeln.

Ihr Lachen.

Ihr Blick.

Irgendwie sah sie noch immer traurig aus, aber Kiba konnte es ihr nicht verübeln. Gerade mal zwei Wochen lag die Beerdigung zurück. Gerade mal zwei Wochen, seit Hinata und Neji sich plötzlich in den Armen gelegen hatten. Geweint hatten.

Manchmal glaubte Kiba, Neji im Nebenzimmer immer noch weinen zu hören. Nachts, wenn er glaubte, alles schliefe. Aber Kiba hatte ein gutes Gespür dafür. Und sicher war er nicht der einzige, der bemerkte, wie selten Neji nachts nach Hause kam.

War er bei Hinata?

Vielleicht. Aber die zweite Möglichkeit erschien ihm fast noch plausibler. Er ertränkte seinen Schmerz. Mit Mädchen.

Nachts.

Tagsüber war er wirklich viel mit Hinata zusammen. Sie saßen einfach nur da, schwiegen oder redeten leise. Er konnte nie verstehen, was sie sagten.

Hinata hatte kaum noch Zeit.

„Hast du heute schon was vor? Kiba?“

Sie lächelte ihn an, als er endlich realisierte, wer da vor ihm stand.

Sie lächelte.

„Nein. Wieso?“, fragte er, spürte sein Herz klopfen, so laut. Sie musste es doch hören. Warum hörte sie es nicht?

Hinata zuckte mit den Schultern, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Haare wurden immer länger. Sah gut aus.

„Ich muss in die Stadt. Einkaufen“, sagte Hinata. „Willst du mit? Wir haben schon lange nichts mehr zusammen gemacht.“

Ja. Sehr lange. Viel zu lange.

„Klar!“ Kiba grinste. Hörte sie sein Herz denn wirklich nicht? Immer lauter wurde es, wilder, ungestümer. Sie hatte an ihn gedacht!

„Was willst du denn kaufen?“

Hinata wurde rot. „Ähm… CDs und ein Buch vielleicht und… weißt du, ich würde ja Ten Ten fragen, aber die hat keine Zeit… ich… es ist so… bald…“ Ihre Stimme wurde immer leiser, sie starrte zu Boden.

„Was denn?“, grinste Kiba. Ach, Hinata. Sie würde sich nie ändern.

„Na ja…“ Hinata machte wieder eine Pause, schien tief Luft zu holen. „Der Kostümball ist doch bald…“

Sie sah ihn von unten herauf an.

Der Kostümball? Der jährliche Ball, dem die Mädchen entgegenfieberten und auf dem sich die Jungen meistens… kostümiert fühlten. Verkleidet eben. Schon peinlich…

Aber seit wann interessierte sich Hinata für den Ball? Sie war nicht wirklich eines dieser Mädchen, die zwei Monate vorher schon über die schönsten Kleider, höchsten Schuhe und das beste Make-up diskutierten, als hinge ihr Leben davon ab. War doch eher Inos Spezialgebiet.

„Du willst ein Kleid kaufen?“

Dumm, Kiba, wirklich dumm. Er biss sich auf die Unterlippe, als Hinata noch röter wurde und hastig mit den Händen abwehrte.

„Du musst nicht mit, ich kann auch alleine gehen“, stammelte sie verlegen, lächelte unsicher und wollte sich schon abwenden.

So dumm, Kiba, so verdammt dumm!

„Nein! So hab ich das nicht gemeint, Hina!“, hielt er sie zurück, hätte sich am liebsten selbst die Zunge abgebissen. Wie dumm konnte er eigentlich sein? „Ich komm mit, kein Problem. Und du wirst das allerschönste Mädchen des Abends sein!“ Er legte so viel Enthusiasmus in seine Stimme, wie er nur konnte.

Er musste ihr helfen, für sie da sein. Sie lieben.

Er musste.
 

Sakura konnte ihn nur anstarren. Wie er redete, ein wenig zu steif dastand, aber bei ihm sah es nicht einmal unnatürlich oder gar künstlich aus. Ganz normal eben.

Das Haar fiel ihm über die Schulter, schwarz, ganz schwarz, wie die Augen, die ihr von Tag zu Tag unergründlicher erschienen.

Sie konnte ihn nur anstarren. Nicht einmal zuhören, einfach nur starren, gaffen, glotzen. Und sich die unmöglichsten Sachen vorstellen. Herrgott, sie war doch auch nur ein Mädchen! Sakura biss sich auf die Lippen, wandte schnell den Blick ab, als er den ihren streifte und starrte für zehn Sekunden erst mal nur ihr Heft an. Dann sah sie wieder auf.

Er sah Sasuke ähnlich, wirklich verdammt ähnlich.

Am liebsten hätte Sakura den Kopf auf die Tischplatte gerammt, nur damit ihr dummes Hirn endlich aufhörte, solche dummen Gedanken von sich zu geben.

Sasuke.

Itachi.

Der eine ein Arsch mit viel zu viel Selbstvertrauen und zu wenig Zurückhaltung.

Der andere… ein Lehrer. Das reichte ja wohl als Grund, oder? Zwar nur ein Referendar, aber immerhin. Ein verdammt gut aussehender Referendar…

Ach, Mist.

Sie konnte sich doch nicht einfach in einen Lehrer verlieben. Das widersprach so allen Grundprinzipien, die ein Mädchen, eine Schülerin haben sollte. Aber dummerweise waren diese Prinzipien nicht auf so dermaßen gut aussehende Lehrer eingestellt… oder Referendare.

Warum verliebte sie sich? In Itachi Uchiha, ausgerechnet in ihn. In Sasukes schlimmsten Alptraum, wie Naruto ihr halb grinsend, halb ernst gebeichtet hatte. Oder war es gerade deshalb? Weil Sasuke ihn hasste, seinen Bruder hasste?

Sakura verstand sich selbst nicht mehr.

Dabei sollte es rückblickend doch eigentlich kristallklar sein. Rubinklar, wenn sie extrem zynisch sein wollte.

Itachi war freundlich, zuvorkommend und hatte das geheimnisvollste Lächeln, das ihm von den Lippen tropfte wie Karamell. Süßer, betörender Karamell.

Noch dazu war er ein guter angehender Lehrer. Streng – oh ja, das hatten einige unglückliche Schüler erfahren müssen –, aber gerecht. Und hilfsbereit.

In so jemanden musste man sich einfach verlieben.

Aber warum musste es ausgerechnet sie sein?

Sehnsüchtig kreiste Sakura mit dem Finger über die Tischplatte, das Seufzen konnte sie sich gerade so noch verkneifen, aber ihr Herz machte trotzdem immer wieder einen nervösen Sprung, setzte kurz aus, wenn sie es sich erlaubte, für eine Sekunde aufzublicken und in diese sanften Züge zu sehen, die mit augenscheinlicher Begeisterung irgendetwas erzählten.

Es war egal, was Itachi gerade genau erklärte. So vollkommen egal. Weil seine Augen hell leuchteten und seine Hände anmutig, aber nie zu übertrieben gestikulierten.

Er hatte schöne Finger.

Ach was. Alles an ihm war geradezu perfekt. Hatte dieser Mann denn überhaupt keine Fehler?

Dieser Mann

Vielleicht war ja genau das in Sakuras Augen sein Fehler. Er war so verdammt… alt. Na ja, nicht sehr alt, aber eben erwachsen, viel zu erwachsen. Viel zu reif. Sollte sie nicht gerade deswegen das Bild von ihm vertreiben, das sich hinterlistig in ihren Kopf geschlichen hatte, selbst ihre Träume beherrschte.

Itachi. Itachi. Itachi. Ita… chi…

Er kreiste durch ihre dummen, kindischen Gedanken, die ihr noch immer etwas von der großen, wahren, ersten Liebe vorschwärmten. Vom Traumprinzen, der kein Frosch war. Von sanften Küssen und roten, dornenlosen Rosen.

Sakura verfluchte sich für ihre Hoffnungslosigkeit. Für ihre hoffnungslose Romantik. Herrgott, wenn einem solche Dinge den Kopf verdrehten, wie sollte ein Mädchen da noch klar denken können? Oder sich auf so banale Sachlichkeiten wie Schule konzentrieren? Das konnte doch gar nicht gut gehen. Das…

„Saku, kommst du?“

Verwirrt blickte Sakura hoch in Inos halb grinsendes, halb besorgtes Gesicht. Hatte sie die Schulglocke etwa überhört?

„Ich… ja, klar. Bin gleich… so weit“, stammelte sie ihrer Freundin zu, stolperte über ihre eigene Zunge und begann hastig und wortlos, die Bücher und Hefte in ihre Tasche zu packen. Mindestens dreimal verloren die Sachen in ihren zitternden Händen den Halt. Dreimal. Bis Ino sich endlich seufzend erbarmte.

„Seit wann bist du denn so durch den Wind, Sauerkirsche?“, lächelte Ino kopfschüttelnd, zog ruckartig den Reißverschluss der Tasche zu.

„Ich bin nicht durch den Wind“, murmelte Sakura, nicht sehr überzeugend. Und Ino. War nun mal Ino. Das Mädchen mit dem achten Sinn, wenn es um Verliebtheiten ging.

Sie tippte Sakura mit dem Finger auf die Stirn, wie es früher, als sie Ino noch gar nicht gekannt hatte, immer die anderen Mädchen gemacht hatten, um sie wegen ihrer großen Stirn zu hänseln.

„Du kannst mir alles sagen, weißt du.“

„Ich weiß, Ino“, murmelte Sakura. Am liebsten hätte sie das auch sofort getan. Alles gesagt. Wie ihr Herz klopfte, wenn er in der Nähe war, mit ihr sprach und ihr vertraulich die Hand auf die Schulter legte. Sie wollte Ino von ihrem Traum erzählen. Und von ihren Träumen.

Sie tat nichts dergleichen. Ihr Mund blieb verschlossen, wie zugeklebt.

Vielleicht lag es an der Tatsache, dass sie jemanden bemerkt hatte. Er stand im Türrahmen, wie zufällig dorthin platziert, Ino kehrte ihm den Rücken zu.

Sakura fing Sasukes Blick nur ganz kurz auf. Dann verschwand er, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden.

Wie konnten sich zwei Menschen bloß so ähnlich sehen. Und trotzdem so verschieden sein?
 

Ein Mensch.

Er war doch nur ein Mensch. Genau wie sie.

Aber trotzdem waren sie sich so unähnlich. Eine kleine Gemeinsamkeit und mindestens tausend Differenzierungen, die sie trennten. Die ihn von ihr trennte.

Warum machte er sich also Gedanken darüber?

//Du kannst nicht anders. Das ist Liebe, Sasuke.//

Warum hörte sich diese innere Stimme nur so nach Naruto an? Und – die viel interessantere Frage: Warum hörte er auch noch darauf?

Was wusste Naruto schon von der Liebe – Sasuke fand immer noch, dass allein dieses Wort nicht zu ihm passte –, ausgerechnet Naruto?

//Jedenfalls mehr als du, Vollidiot!//

Sasuke gab es ja zu: Ja, vielleicht war Sakura doch nicht so furchtbar. Vielleicht war sie sogar ganz nett und vielleicht, wirklich nur vielleicht, war sie sogar noch mehr. Noch mehr eigenartige, dumme, schwache Gefühle, die er empfinden konnte. Für sie?

Es war verwirrend, Sasuke wusste ja selbst nicht mehr, was er dachte. Denken konnte, wollte. Alles drehte sich im Kreis und die wieder einigermaßen eingerenkte Beziehung zu Naruto verbesserte die Lage auch nicht gerade.

Wie gesagt: Einigermaßen.

Sasuke konnte sich nicht helfen, aber da war immer dass Gefühl, dass er Naruto aus dem Weg ging. Unbewusst. Dass sich da ein fieses Kribbeln in seinem Magen breitmachte, wenn er sah, wie Naruto mit Sakura redete. Lachte. Als hätte jemand Säure über seinen Gedärmen ausgekippt. Ätzend.

//Eifersucht, auch wenn du mir das vermutlich nicht abkaufst.// Er sah förmlich vor sich, wie Naruto bei diesen Worten voraussehend mit den Schultern zuckte.

Eifersüchtig. Er war noch nie eifersüchtig gewesen. Das war etwas für Mädchen und Weicheier. Auf keinen Fall war ein Sasuke Uchiha eifersüchtig.

Oder?

Noch vor wenigen Wochen hätte er jedem seine ungeteilte Ignoranz geschenkt, der ihm vorgeworfen hätte, eifersüchtig zu sein. Heute war er da nicht mehr so überzeugt.

Naruto und Sakura. Immer wenn er sie sah, erschuf sein Hirn plötzlich Bilder, die ihn bis in den Schlaf verfolgten. Bilder und Küsse. Warum hatte er das nur nie bemerkt? War er so blind gewesen?

//Nicht blind. Einfach nur nicht da!//, klärte ihn Narutos Stimme in seinem Kopf auf.

Sasuke beobachtete Sakura.

Wie sie lächelte, lachte. Träumte. Sie träumte viel vor sich hin in letzter Zeit, er sah in ihrem Blick, in ihren Bewegungen, wie sie von ihren eigenen Gedanken völlig aus dem Konzept gebracht wurde. Inzwischen hatte sich in seinem Kopf der bescheuerte Wunsch eingenistet, dass sie an ihn denken musste, wenn sie so aussah. Er wünschte es sich so sehr, dass die Eifersucht ihn zerfraß, wenn er ihrem Blick folgte.

Eifersucht. Und Hass.

Denn es war nicht Naruto, den Sakura die ganze Zeit über mit fast unsichtbar verklärtem Gesichtsausdruck anstierte. Mit Naruto hätte er vielleicht noch leben können… vielleicht… Aber es war nun einmal nicht Naruto.

Sasukes Hass auf Itachi war schon jahrelang mehr als ausgeprägt gewesen. Und er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sein Bruder ihn mal was konnte. Inzwischen jedoch… gab es eine Steigerung für Hass?

Er stand im Türrahmen, beobachtete, wie Ino Sakura half, ihre Sachen einzupacken und fragte sich im gleichen Moment, wann er zu Stalker mutiert war.

„Du kannst mir alles sagen, weißt du“, sagte Yamanaka, so leise, dass Sasuke sie kaum verstand.

Er wusste, dass es falsch war, sie zu belauschen. Irgendwo tief in seinem tiefsten Inneren wusste er das bestimmt. Und trotzdem blieb er, sah Sakura zu, wie ihr die Haare ins Gesicht fielen, wie ein Schleier ihre Züge verdeckten, wie sie aufsah, direkt an Ino vorbei, die ihm den Rücken zukehrte.

„Ich weiß, Ino.“

Mehr nicht.

Es war ein seltsames, erstickendes Gefühl, als sie ihn ansah. Direkt in seine Augen.

Fühlte sich so tatsächlich Liebe an? So… schmerzhaft? Selbst dieser kurze Blickkontakt sorgte schon dafür, dass über Sasuke eine Woge von diesen neuen Gefühlen zusammenbrach. Gefühle, die er schon lange vergessen hatte. Vergessen musste.

Es machte ihm Angst. Denn das letzte Mal, als er so gefühlt hatte, hatte er alles verloren. Von einem Moment zum nächsten.

Es machte ihm Angst, so verletzbar zu sein. Es machte ihm Angst, wenn er keine Kontrolle über etwas hatte. Besonders, wenn dieses Etwas er selbst war.
 

Sasuke riss sich blitzschnell los. Nur weg von hier, von ihr. Bevor er noch etwas sehr, sehr Dummes sagte. Oder tat.

„So hab ich dich echt noch nie erlebt“, sagte Narutos Stimme.

Toll, jetzt drehte er schon völlig durch, hörte seine innere Stimme auch außerhalb seines Kopfes!

Sasuke ging weiter.

„Hey! Was ist mit dir denn los?“

Er zuckte kaum merklich zusammen, als Naruto sich plötzlich neben ihn drängte und mit fast schon besorgtem Gesichtsausdruck musterte.

„Ach, du bist’s“, murmelte er und musste sich zwingen, wieder ruhiger zu werden. Ärgerlich.

„Natürlich, wer soll ich sonst sein?“, murrte Naruto und zog, halb beleidigt, halb wirklich besorgt, die Stirn kraus.

Sasuke antwortete nicht. Er hielt es für angebrachter für seinen seelischen Frieden.

„Du hast Sakura nachgeglotzt.“

Sasuke schwieg.

„Du warst im Klassenzimmer und hast sie beobachtet.“

Sasuke schwieg.

„Warum, zum Teufel, bist du nicht rein gegangen?“

Sasuke schwieg.

Und Naruto seufzte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah Sasuke von der Seite her an. Sasuke hasste es, wenn Naruto ihn so ansah.

„Dir ist echt nicht mehr zu helfen!“, stieß sein bester Freund schließlich aus. „Warum sagst du ihr nicht endlich, dass du sie li-… Hnngpff?!“

Mit einer Schnelligkeit, die nur Sasuke Uchiha beherrschte – worüber er im Moment sehr dankbar war –, riss er eine Tür im Gang auf und schubste Naruto unsanft hinein.

„Hey, was ist…? Eine Besenkammer?“

Sasuke achtete nicht darauf. Es war ihm ziemlich egal, solange Naruto nur endlich damit aufhörte, mitten auf dem Schulflur seinen persönlichen Seelenklempner zu spielen.

„Jetzt hör mal zu, Vollidiot!“, knurrte er und rückte Naruto gefährlich nahe auf die Pelle. Dieser hatte gar keine andere Wahl, als es über sich ergehen zu lassen. Der Raum war nicht gerade groß.

„Hör auf mir nachzuspionieren! Hör auf mich zu verfolgen und mir dumme Ratschläge erteilen zu wollen. Und hör endlich auf damit, Sakura zu…“

Er stockte.

Eine Weile lang herrschte Ruhe. Dann schien es bei Naruto Klick zu machen, Sasuke konnte es förmlich hören.

„Du bist eifersüchtig?“, fragte Naruto verunsichert. „Auf mich?“

Sasuke antwortete nicht.

Scheiße, in was hatte er sich jetzt wieder verrannt?

„Verdammt, Sasuke!“, zischte Naruto, durch die Dunkelheit des winzigen Raumes blitzten ihn blaue Augen ernst an. „Du verschleppst mich in einen Abstellkammer, weil du eifersüchtig bist? Drehst du jetzt total durch?“

Musste er es denn so oft wiederholen?

So oft, dass Sasuke schon selbst anfing, daran zu glauben. Aber nur fast.

Denn da war immer noch dieses Stimmchen in seinem Hinterkopf. Das Stimmchen, das nicht wie Naruto klang.

//Sasuke Uchiha der Große – eifersüchtig?//

Sakuras Stimme lachte spöttisch und laut.

Und Sasuke musste sich eingestehen, dass er wirklich so langsam durchdrehte. Warum hatte sein Gewissen sonst die Stimmen seiner besten Freunde?

Und seit wann hatte er überhaupt ein Gewissen?
 

„Gehst du aus?“

Hinata spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als Temari sie so unverblümt ansprach.

„Unsinn“, murmelte sie, wickelte sich den Schal um den Hals. „Ich geh nur mit Kiba in die Stadt.“

Temari grinste dieses Grinsen, dass nur sie so hinbekam.

Dafür liegen ihr die Jungs zu Füßen. Unverständlich, wenn du mich fragst“, hatte Neji ihr erzählt. Aber ein bisschen Achtung drang auch aus seiner Stimme.

Manchmal wünschte sich Hinata, so zu sein, wie Temari. So stolz, unantastbar.

„Nur mit Kiba?“ Temari kaute genüsslich auf den Worten wie auf einem Kaugummi. Zog sie in die Länge. „Ach.“

„Was ‚Ach’?“, fragte Hinata misstrauisch.

„Nichts“, meinte die Andere lächelnd, fuhr mit ihrem Blick einmal an Hinata hoch und runter. „Du siehst gut aus heute. Nur für Kiba.“

Wieder wurde Hinata rot, wandte schnell das Gesicht ab und warf sich ihren Mantel über. Sie war froh, dass das lange Teil ihre Beine bis zu den Knien verdeckte und damit auch den dunkelblauen Stoff, der sich an ihren Körper schmiegte. Verdeckte die lange, silberne Kette und den viel zu gewagten Ausschnitt.

Hinata gefiel der Pullover. Er stand ihr, fühlte sich gut an. Aber dieser Ausschnitt…! Sie kam sich selbst mit dem Mantel noch ein bisschen zu nackt vor.

Und Temari dachte, sie hätte ihn für Kiba angezogen?

Ein seltsamer Gedanke. Warum sollte sie das?

Aber… sie hatte gehört, dass Naruto vielleicht heute auch…

„Na ja… ich wollte heute… ein Kleid kaufen gehen… für den Ball“, meinte sie leise.

Und hoffen, dass sie in diesem Kleid mit Naruto tanzen würde.

Endlich einmal. Jetzt, wo er sie doch bemerkt hatte. Jetzt endlich.

Hinata hoffte.

„Der Ball?“ Temari hob die Augenbrauen. „Dieser seltsame Maskenball, wegen dem Ino…“

„Sabakuno, halt die Klappe!“ Ino funkelte sie wütend im Vorbeigehen an. Und war dann auch schon wieder zur Haustür raus.

„Was ist denn mit der los?“, murmelte Temari. „Ärger im Paradies?“

Hinata lächelte leicht, auch wenn es eigentlich keinen Grund zu Lächeln gab. Sie ahnte, dass Inos miese Laune etwas mit Sai zu tun hatte. Und irgendwie sogar etwas mit dem Ball, dem sonstigen Großereignis in Inos Welt.

Temari schien auch etwas in der Art zu vermuten, ihre Lippen verzogen sich zu einem mitleidig spöttischen Lächeln.

„Na, dann viel Spaß“, meinte sie.

Hinata war froh, dass sie sie nicht mehr aufzog. Temaris Zunge konnte verdammt scharf und zügellos sein.
 

Draußen war der Himmel so blau, dass seine Grelle in Hinatas Augen stach.

Eisblau, wie der Himmel im Winter sein musste.

Hinata lächelte und beschleunigte ihre Schritte. Warum war sie vorhin eigentlich noch so nervös gewesen? Immerhin ging sie ja wirklich nur mit Kiba weg. Ein Kleid kaufen.

Ein Kleid kaufen!

Ihr Lächeln wurde breiter und in ihrem Inneren wütete ein Sturm aus Jubelrufen.

Ein Kleid Kleid Kleid!

Sie verstand sich ja selbst nicht. Sie hatte doch schon oft Klamotten gekauft, mit ihren Freundinnen, früher mit ihrer Mutter und Hanabi, aber das war lange her.

Hinata spürte es. Etwas. Es sprang mit ihrem Herzen wild auf und ab. Dieses Glücksgefühl, diese Erwartung von was-auch-immer.

„Freust du dich so, mich zu sehen?“

Kiba stand breit grinsend am Treffpunkt, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben, die Augen blitzig verwegen.

„Auch“, meinte Hinata, blickte auf ihre Füße – sie sollte am besten auch gleich passende Schuhe kaufen –, verlor sich in ihrer Vorfreude.

Plötzlich packte Kiba ihren Arm, zog sie mit sich.

„Wollen wir hier Wurzeln schlagen? Komm schon, Hina!“

Sie lachte unbefangen, ließ sich von seiner und ihrer eigenen Freude treiben. Noch nie hatte sie sich so sehr auf den Kostümball gefreut. Noch nie hatte sie sich so dermaßen frei gefühlt. Alles war gut. War es vielleicht das?

Mit ihren Freundinnen war alles gut.

Mit Neji war alles gut.

Mit ihrer Schwester, ihrer Mutter, sogar mit ihrem Vater war alles… fast perfekt.

Und – das allerwichtigste – Naruto hatte sie bemerkt! Er hatte sie gesehen, angesehen. Dieses Jahr würde so grandios genial werden.

Hinata nickte.

„Was denn, Hina?“, fragte Kiba, lächelte.

„Ach, nichts. In den Laden dahinten?“

Kiba zuckte mit den Schultern. Na ja, er verstand vermutlich sowieso nicht viel von Kleidern. Dabei konnte Hinata schon auf den ersten Blick sehen, dass sie sich da sofort die teuerste Boutique in der ganzen Straße herausgepickt hatte.

Egal, immerhin war das hier ein besonderer Anlass.

„Kann ich etwas für Sie tun?“ Die streng vornehm gekleidete Frau tauchte auf wie aus dem Nichts, als Hinata und Kiba den Laden betraten. Ihr Mund zog sich zu einem unangenehmen Strich zusammen.

Oh, Gott. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen?

Hinata schluckte und spürte den abfälligen Blick der Frau auf sich wie Ameisenfeuer. Was hatte sie heute noch mal an? Hoffentlich war ihre Hose nicht allzu dreckig…

„Wir würden gern ein Kleid kaufen.“

Wurde Kiba eigentlich nie verlegen?

„Ach, wirklich?“ Die Frau verzog spöttisch das Gesicht. „Für Sie oder die junge Dame?“

//Bitte, Kiba, sag jetzt bitte nichts Falsches!//

Unsicher linste Hinata ihren besten Freund von der Seite her an. Wieder einmal spürte sie die altbekannte Hitze in ihrem Gesicht. Und ihr Herzschlag schien sich noch weiter zu beschleunigen, als sie Kibas verschlagenes Grinsen sah.

Verschlagen…

„Finden Sie, mir würde Seide gut stehen?“
 

Abschätzend wurde er von oben bis unten betrachtet, drei Augenpaare gleichzeitig schienen ihn förmlich röntgen zu wollen.

Ob Neji mit seinen seltsamen Augen wohl durch die Kleidung hindurch sehen konnte?

Naruto hibbelte bei dem Gedanken nervös auf und ab.

„Und?“

Hibbel.

„Tja…“

Hibbelhibbel.

„Also…”

Hibbelhibbelhibbel.

„Jetzt hör endlich mit diesem Hibbeln auf, das nervt!“

Naruto räusperte sich.

„Wie findet ihr’s?“, hakte er noch mal nach.

„Für den Ball?“, fragte Neji.

„Gott, warum wirfst du dich dafür so in Schale?“ Shikamaru. Natürlich.

„Warum fragst du nicht eins der Mädchen, die sind doch die selbsternannten Modeexperten.“

Neji rollte mit den Augen. „Das kann er machen, wenn er später als rüschenbekleidetes, überteuertes Etwas wieder rauskommen will… sofern er das überhaupt überlebt.“

„Jetzt sei mal nicht so verdammt klischeehaft, Hyuga!“

Naruto folgte dem Wortwechsel mit zunehmend unzufriedenerer Miene.

War er eigentlich unsichtbar? Er wollte doch nur einen klitzekleinen Kommentar, aber das war offenbar zu viel verlangt.

„HEY!“, unterbrach er die Diskussion seiner… na ja… Freunde. Über das beste konnte man in diesem Moment auch streiten. „Wie sehe ich aus, verdammt?“

Sasuke zog die Augenbrauen hoch.

„Das Ding muss wahnsinnig teuer gewesen sein. Wo haste das denn her?“

„Das nennt sich Arbeiten, Uchiha“, meinte Neji schnippisch. Sasuke ignorierte ihn.

„Hab ne Weile gejobbt. Hier und da…“ Naruto zuckte ausweichend mit den Schultern. Alles musste Sasuke auch nicht wissen.

Er musste nicht wissen, dass er seit einem halben Jahr im Stehimbiss in der Stadt arbeitete – ein Ort, dem Sasuke sich nicht mal im Schutzanzug näherte.

Er musste nicht wissen, dass er das gesparte Geld – eigentlich für einen neuen Computer gedacht – nach längerer Überlegung für dieses Ding, wie Sasuke es so schön betitelte, ausgegeben hatte.

Er musste auch nicht wissen, dass Sakura ihm geholfen hatte.

„Also?“

Wieder sahen sie ihn an. Lange und eindringlich.

Herrgott, was hatten sie jetzt eigentlich noch nicht gesehen?

„Na ja…“, meinte Sasuke schließlich.

„Ja?!“

„Wen willst du denn damit aufreißen?“, fragte Neji dazwischen.

Naruto verzog das Gesicht. „Neji…!“

„Schon gut, schon gut!“, hob der Hyuga abwehrend die Hände. „Wir wissen alle, dass du hinter Hinata her bist.“

„Können wir zurück zum Thema kommen?“

Wann war er eigentlich das letzte Mal wirklich verlegen gewesen? Musste lange her sein, da war Naruto sich sicher. Warum fühlte sich die plötzliche Hitze in seinem Kopf sonst so ungewohnt an?

„Sieht gut aus, Mann“, seufzte Shikamaru genervt. „Sieht gut aus.“

„Danke!“ Naruto hob die Hände gen Decke. Der erste geistreiche Kommentar.

„Aber willst du ernsthaft einen roten Anzug tragen?“, fragte Sasuke zweifelnd.

„Du solltest erst mal die Maske dazu sehen!“ Naruto grinste und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Auffällig sein hatte ihm noch nie geschadet.

„Rot…“ Fassungslos schüttelte Sasuke den Kopf. „Typisch.“

Genau das hatte Sakura auch gesagt.

Narutos Grinsen wurde breiter. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet dieser berechnende Dickkopf eifersüchtig gewesen sein sollte. Und wie ernst es ihm gewesen war. Er hatte doch tatsächlich gedacht, er – Naruto! – hätte eine Chance bei Sakura.

Herrgott, dieser Kuss war schon so lange her…

Unendlich lang… und trotzdem konnte diese Sache noch solche Wellen schlagen. Aber eigentlich war das doch gut, oder? Immerhin war es doch jetzt klar. Es war so klar, dass Sasuke sie mochte. Sakura mochte.

Das war ein erster Schritt. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.
 

Wäre Kiba nicht gewesen – und ihre gute Laune –, hätte der Mut Hinata schon längst verlassen. Er munterte sie auf, festigte ihren Willen, das ganze Theater durchzuziehen. Sie war froh, ihn ihren besten Freund nennen zu können.

Froh.

Bis jetzt…

„Jetzt lass den Kopf nicht hängen, Hinata.“ Kiba stupste sie an. „Wir finden schon noch was.“

Hinata lächelte geknickt.

„Ich bin ein hoffnungsloser Fall, nicht?“, murmelte sie. Kälte kroch in ihre Fingerspitzen, sie pustete vorsichtig in ihre Hände. Plötzlich umschloss Kiba sie mit seinen.

„Welches Teufelchen in deinem Kopf hat dir denn den Stuss erzählt?“, fragte er, sanft grinsend. Seine Augen funkelten warm. Und immer noch war da diese eiserne Entschlossenheit, die Hinata so an ihm bewunderte.

„Kiba“, seufzte sie, entzog sich seinem Griff. „Ich hab keine Lust mehr.“

„Was bist du denn für ein Mädchen?“ Er tat entrüstet. „Du gibst nach drei Stunden schon auf?“

„Es waren zweieinhalb, jetzt übertreib nicht. Komm, gehen wir nach Hause.“

Kiba rollte mit den Augen. „Dann gehen wir jetzt wenigstens noch was essen, okay?“

Wieder seufzte Hinata.

Aber vielleicht war es ganz gut, noch etwas auszuspannen, bevor sie ihren Freundinnen ins Gesicht sehen konnte.

Was würden die bloß sagen?

Vermutlich das gleiche wie Kiba. Sie gab einfach viel zu schnell auf.

Hinata gab sich geschlagen. „Na gut.“

Ihre Füße taten weh, ihre Nase war vermutlich rot wie ein Weihnachtsmann, sie spürte sie kaum noch. Es war so kalt… nicht nur äußerlich.

Sie hatte es wieder nicht geschafft. Wieder hatte sie versagt. Beim Kleiderkaufen!

„Wenn ich Neji wäre…“, fing Kiba plötzlich an, kramte das Geld für Pommes Frites heraus und kaufte gleich zwei Tüten am Imbiss.

„Wenn ich Neji wäre“, wiederholte er und Hinata bekam immer mehr das Gefühl, dass sie nicht wissen wollte, was wäre wenn.

„Ich würde dich so auslachen! Erst würde ich diesen Eisblick aufsetzen“, er versuchte es und scheiterte kläglich, „dann würde ich dich verspotten und dann würde ich dich auslachen.“

„Das würde Neji nicht tun“, murmelte Hinata geknickt. Schließlich wusste sie es besser. Und Kiba wusste das auch.

„Oh, doch! Das würde er!“ Er mampfte ein paar Pommes und stapfte dann voraus. „Weil du gerade echt schwach bist, Hinalein. Du kannst doch nicht so schnell aufgeben, nur weil diese Verkäuferschnepfen in den Schickimicki-Läden nicht sehen können… na ja… wie schön du bist…“

Hinata lächelte. Selbst Kiba konnte also rot werden.

„Kiba…“, fing Hinata an, doch dann schwieg sie einfach, schenkte ihrem besten Freund ein kleines Lächeln und hakte sich bei ihm ein.

…Ich hab dich unglaublich lieb, Kiba…
 

Sakura war nicht sonderlich sensibel, wenn es um Ino ging. Das gab sie auch zu. Sie hatte es sich einfach abgewöhnt, auf die Gefühle ihrer besten Freundin groß Rücksicht zu nehmen oder auf sie zu achten.

Ino war bis jetzt wunderbar allein zu Recht gekommen.

Warum sollte sich das von heute auf morgen ändern?

Aber selbst Sakura bemerkte, dass mit Ino etwas nicht stimmte. Dabei benahm sie sich fast so wie immer. Tonnen von Make-up und Stunden vor dem Spiegel, und trotzdem war sie seltsam.

Furchtbar still. Unaufmerksam.

Sakura hätte zu gerne gewusst, was im Kopf ihrer Freundin vor sich ging.

„Ino?“

Das Mädchen schreckte hoch und heißer Kaffee floss über ihre Finger, fluchend sprang sie auf.

„Scheiße“, murmelte Ino, stürzte zur Spüle und hielt ihre Hände unter das kalte Wasser. Das Rauschen übertönte die Geräusche, aber Sakura glaubte fast, Ino leise schluchzen zu hören. Sogar noch neben den Flüchen, die immer noch aus ihren Mund schossen.

„Ino, wir können doch über alles reden, oder?“, fragte Sakura und fragte sich, wann sie zum letzten Mal ein Gespräch geführt hatten, in dem es um Inos Gefühlswelt ging. Ein ernstes Gespräch…

Sie konnte sich nicht erinnern.

„Logisch, Süße.“ Ino setzte sich wieder an den Küchentisch, immer noch auf ihre rot brennenden Hände starrend. „Was gibt’s?“

Sakura druckste herum.

„Dasselbe wollte ich dich grade fragen.“

Hinter einem blonden Schleier aus Haaren sahen blaue Augen sie fragend an.

„Was soll mit mir los sein, Sakura?“, meinte Ino.

Sie klang so ehrlich, dass Sakura es ihr einfach glauben musste.

Ino und Kummer? Das gab es nicht, hatte es noch nie gegeben.

„Du… bist so anders… in letzter Zeit“, murmelte sie unsicher. „So… still und… traurig?“ Sie sprach es wie eine Frage aus, eine vage Vermutung.

Ino lächelte nur und strich sich das Haar aus der Stirn.

„Süß, dass du dir Sorgen machst, Saku“, fügte sie ihrem leicht spöttischen Lächeln hinzu.

Sie strich Sakura im Vorbeigehen durch ihre Haare und ließ sie dann allein.

Ohne ein Wort.

Irgendwie fühlte Sakura sich verraten. Ino hatte nicht auf ihre Frage geantwortet.
 

Genervt trommelte Temari mit ihren Fingern auf ihr Buch. Immer wieder huschte ihr Blick schnell zu Shikamaru, nur um dann hastig wieder zurückzuweichen.

Wie konnte er nur so verdammt ruhig sein? Einfach nur da auf ihrem Bett liegen und nichts tun?

Sie versuchte, sich ganz auf den Text vor ihr zu konzentrieren.

//Denk nicht an ihn! Denk nicht an ihn!//

Wütend pfefferte sie den Wälzer in eine Ecke. Empört blieb er aufgeschlagen liegen, als wolle er noch einmal kläglich seinen Inhalt herausschreien. Temari war taub dafür.

„Ich kapier’ es nicht!“, knurrte sie und warf Shikamaru den bittersten Blick zu, den sie vergeben konnte.

Shikamaru öffnete träge die Augen und seufzte. „Ich hab das doch jetzt schon tausend Mal erklärt…“

„Nicht das“, winkte Temari ab. „Wieso gibt Gott ausgerechnet dir diesen Supermega-IQ? Dir, dem faulsten, gelangweiltesten Mann der Geschichte?“

„Kannst ihn gerne haben, wenn du so scharf drauf bist“, gab Shikamaru seufzend zurück und ließ sich wieder in die Kissen fallen.

Sie zog die Brauen hoch. „Bin ich dir nicht intelligent genug?“

Shikamaru stöhnte und murmelte etwas von „Frauen…“.

„Wie war das?“

„So war das nicht gemeint und das weißt du auch genau“, murmelte er und sah sie so plötzlich an, dass Temari zurückzuckte. „Und wenn du es unbedingt wissen willst: Mir ist es total egal, ob ich jetzt strohdumm oder superschlau bin oder so. So ist’s nur praktisch, weil ich nicht lernen muss.“

Temari starrte ihn an. So dachte er also? Gut, das war eigentlich nicht anders zu erwarten gewesen, aber sie hatte gedacht, dass er zumindest ein bisschen die Welt revolutionieren wollte. Große Pläne, wie Superhirne sie nun mal hatten. Man sehe sich nur Einstein oder Mozart an.

Anscheinend kannte sie ihn doch noch nicht so gut.

„Was schaust du denn so?“ Shikamaru seufzte wieder, schwang sich vom Bett und setzte sich neben sie. „Komm, so schwer ist das nun wirklich nicht…“

Er beugte sich etwas näher, berührte sie ganz zufällig, wie man sich eben berührte. Unter Freunden.

Temari schluckte. Er war ihr so nahe. Wie man sich eben nahe kam, unter Freunden. Aber dieses Gefühl, das wie Strom durch ihre Haut zischte, fühlte sich gar nicht freundschaftlich an. Sie spürte, wie die furchteinflößende Hitze sich in ihr breit machte.

Heiß. Warum war ihr auf einmal so heiß?

Temari hörte kaum, was Shikamaru sagte. Sie sah nur seine sich bewegenden Lippen und plötzlich war ihr wieder kalt.

Heiß.

Kalt.

//Reiß dich zusammen, Sabakuno!//

„Temari? Alles klar?“ Sie hörte seine Stimme wirklich kaum, bemerkte nur, dass er sie mit einem Mal direkt anstarrte. Fast schon besorgt.

Die Haustürklingel bewahrte sie vor einer Antwort.
 

„Komm schon, Hina! Nur noch da rein!“ Kiba zerrte ungeduldig an ihrem Ärmel, grinste sie so flehend an, dass sie nicht anders konnte, als einfach zurückzulächeln. Sehr schief zwar, aber immerhin schaffte sie es überhaupt.

Es war einfach schwer, in Kibas Gegenwart nicht zu lächeln.

Trotzdem. Hinata hatte einfach keine Lust mehr.

„Ich bin müde, Kiba“, murmelte sie. „Lass uns nach Hause gehen.“

Sie wollte wirklich nach Hause. Sich in eine warme Decke kuscheln und mit den Mädels irgendeinen Schwachsinn im Fernsehen ansehen, über den sie dann lästern konnten. Selbst die Aussicht auf die Blamage vor ihren Freundinnen würde Hinata hinnehmen.

Nicht einmal ein Kleid kaufen konnte sie.

„Du kannst nicht einfach aufgeben, Hinata.“ Kiba sah sie nicht an. „Was bist du denn für eine Hyuga.“

Es tat fast weh, ihn das sagen zu hören.

Nein, Hinata war keine wirklich Hyuga. Sie war nur das Aushängeschild dafür, dass diese Familie noch viel weniger perfekt war, als es auf den zweiten Blick erschien.

Sie hatte es oft genug von ihrem Vater gehört.

Aber es tat weh, weil Kiba es sagte.

„Ich bin nicht Neji, Kiba“, sagte Hinata und schlang die Arme um ihren Körper. Es war kalt, so kalt.

„Weiß ich doch.“ Kiba lächelte sie an. „Aber… aufgeben ist trotzdem nicht deine Art, Hinata. Hinata Hyuga.“

Es war schwierig, diesem Lächeln zu widerstehen. Diesen Worten. Kiba fand einfach meistens die richtigen.

„Der Laden hier hat nicht einmal ein Schaufenster“, versuchte Hinata einen letzten, verzweifelten Versuch, doch noch nach Hause zu kommen. Ohne ein Kleid.

„Na und?“ Kiba zeigte auf das Schild, das vor der Tür des Ladens stand. Es war ein kleiner, etwas veralteter Laden in irgendeiner kleinen Seitenstraße der Stadt.

Kleidung für alle Gelegenheiten verkündete das Schild großspurig.

„Einen Versuch ist es doch wert, oder?“, grinste Kiba und hielt ihr schwungvoll die Tür auf.

Sie konnte einfach nicht widerstehen. Niemand widerstand diesem Lächeln.

Hinter der Tür roch es alt. Antik. Nach staubigen Stoffen und vergangenen Geschichten. Spärlich fiel weiches Licht auf die alten Schaufensterpuppen und Kleiderständer, die überall herumstanden. Ganze Wände waren vom Holzfußboden bis zur Decke verdeckt von Kleidern an Stangen. Endlos viele Kleider.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“

Wie aus dem Nichts erschien die Frau hinter der Theke, sie sah schon älter aus. Aber ihr Lächeln wirkte jung. Wie bei einem kleinen Mädchen, unschuldig. Seltsamerweise passte das zu den grauen Strähnen in ihrem Haar, das glänzte wie Kupfer.

Sie war eine Frau, die verunsichern konnte. Einfach nur durch ein Lächeln.

„Wir… äh… suchen ein Kleid.“ Kiba brauchte eine Weile, bis er seine Stimme wieder gefunden hatte. Selbst ihn brachte sie aus der Fassung.

Seltsam.

„Ihr kommt vom Internat, oder?“, fragte die Frau, ließ die Antwort unausgesprochen in der Luft baumeln. Ihre Augen musterten Hinata von oben bis unten. Sie fühlte sich nackt vor dieser Frau, eigenartig verloren. Da war das Gefühl, dass Kiba ihr hier nicht mehr helfen konnte.

„Der Ball ist jedes Jahr ein echtes Spektakel. Für die ganze Stadt.“

„Was… was meinen Sie… damit?“

Es waren die Worte, die diese Frau unsterblich erschienen ließen. Ewig jung, trotz den Falten um Mund und Augen. Worte, die irgendwie verzaubern konnten.

Ein seltsames Gefühl.

„Wenn man sich anzieht, achtet man oft darauf, der Mode zu entsprechen“, sagte die Frau. „Modisch und wunderschön sein, das ist wie ein Zwang. Ein Ball ist jedoch kein Laufsteg, schon gar nicht, wenn er unter einem Thema steht.“

Während sie sprach, wanderte sie durch den Raum, besah sich die bunten Stoffe, als würde sie sie zum ersten Mal sehen.

„Ein Ball ist ein Zauber. Er macht jedes Mädchen zum Schönsten des ganzen Festes, jedes einzelne von ihnen. Das spürt man. Der Zauber liegt in der Luft, wenn die Mädchen durch die Straßen gehen, lachend und aufgeregt.“

Urplötzlich wandte sie sich wieder Hinata zu. „Spürst du den Zauber?“

Hinata war klar, dass Kiba sie für verrückt erklären würde. Aber sie nickte. Weil es die Wahrheit war. Sie spürte den Zauber. Sie wollte ihn spüren.

„Dein Kleid“, strahlte die Frau. „Wie soll es aussehen?“

Unsicher zuckte Hinata mit den Schultern. Sie hatte sich keine Vorstellungen gemacht, warum auch? Sie hatte ohnehin nicht daran geglaubt, überhaupt ein perfektes Kleid zu finden. Irgendeines eben. Ein schönes.

„Was willst du erreichen, in dieser Nacht der Nächte?“ Die Verkäuferin blieb unbeeindruckt von ihrem Zögern. „Wer willst du sein?“

„Wer ich… sein will?“, wiederholte Hinata langsam. Ihre Gedanken wanderten zu Naruto. Zu seinen blauen Augen, die sie ansahen, nur sie ganz allein.

Sie wusste nicht, wer sie sein wollte. Aber sie wusste, dass sie einzigartig sein wollte. Einmal herausstechen aus der Masse. Nicht zurückstehen hinter den anderen.

Aber wie sollte sie das erklären?

Kiba stupste sie leicht an, sie spürte die Wärme seiner Hand an ihrer.

Trau dich, Hinata.

Ein bisschen konnte er ihr doch helfen.

„Ich… ich will… gesehen werden. A… aber nicht… nicht zu auffällig!“, fügte sie schnell hinzu. Sie konnte einfach nicht raus aus ihrer Haut.

Die Frau lachte, dann nickte sie und ließ ihren Blick über die Kleider schweifen.

Und kurz darauf winkte sie Hinata zu sich.

Der Stoff war wie Wasser, fühlte sich fließen an zwischen ihren Fingern. Schimmerte klar und weiß, als Hinata es bewegte, winzige Steinchen bildeten unförmige Muster.

„Das ist dein Kleid.“

Sie sah auf. Überwältigt, und immer noch unsicher.

„Sind Sie sicher…? Soll ich es nicht noch… anprobieren?“

„Vertrau mir. Ich hab ein Auge für so was, Cinderella.“ Sie zwinkerte.

Cinderella?

Hinata schluckte. Würde sie wirklich wie Cinderella sein? Ein Märchen?

„Zusammen mit der Maske wird es perfekt“, flüsterte die Frau ihr zu. „Cinderella.“

Cinderella.

Das würde Hinata sein.

Cinderella.
 

Eigentlich hatte Shikamaru gehen wollen. Schon als er Kankuros Stimme gehört hatte, war ihm klar gewesen, dass es besser wäre, zu gehen.

Sofort.

Trotzdem stand er jetzt hier und war zunehmend verunsichert von den Blicken, die Temaris Bruder ihm zuwarf.

Blicke, die sagten: Was macht der denn hier?

Aber. Er hatte keine Ahnung, warum er so starrte. Was wollte Sabakuno?

„Sorry, Kank.“ Temari grinste verlegen verschlagen. „Ich hab dich total vergessen.“

Kankuro zog nur die Augenbrauen hoch. „Dann könntest du dich jetzt beeilen, oder?“

Er klang genervt.

Temaris verdrehte Augen ließen Shikamaru grinsen. Sie kannte ihren Bruder gut genug.

„Ich hol nur meine Sachen“, säuselte Temari. „Können wir die Nachhilfestunde verschieben?“

Es verwirrte Shikamaru, wenn sie ihn so ansah. So, dass er ihre grünen Augen nicht mehr loslassen wollte.

„Klar“, murmelte Shikamaru und lächelte etwas schief, als Temari lächelte.

Dann ließ sie ihn allein.

Mit Kankuro Sabakuno und dem finstersten Blick, den Shikamaru jemals gesehen hatte.

„Ich geh dann mal besser…“ Shikamarus Hand lag schon auf der Türklinke. Bis sich plötzlich schraubstockartig etwas um seinen Arm schloss.

Hatte er es doch gewusst. Er hätte gleich gehen sollen.

„Nara.“ Sabakuno knurrte gefährlich, die dunklen Augen funkelten gefährlich. Sabakuno war gefährlich. Zumindest in diesem Moment. Zumindest für Shikamaru.

„Was ist?“, fragte er, drehte sich zu ihm um.

Sie standen fast Nase an Nase. Bedrohlich.

„Ich seh dich“, zischte Kankuro.

Überrascht hob Shikamaru die Brauen. Hä?

„Ich seh, wie du dich an sie ranmachst.“

Sich an sie ranmachte? An wen? Wieso…

„Lass die Finger von meiner Schwester!“, knurrte er. „Wenn du ihr zu nahe kommst, wird dir das noch Leid tun.“

Shikamaru verstand gar nichts mehr. Temari? Er und Temari?

Der Gedanke war so absurd, aber… warum schlug sein Herz dann so wild? So wütend?

Verzweifelt…?

„Warum sollte ich, Sabakuno?“, murmelte Shikamaru und war enttäuscht darüber, wie wenig von seinem Zorn in seine Stimme gelangte. Kankuro konnte das besser, das Gefährlichsein.

„Sie hat schon genug gelitten. Ich werde verhindern, dass so etwas noch mal geschieht. Also lass die Finger von ihr!“
 

***********
 

So, wirklich pünktlich zum neuen Jahr: Das neue Kapitel.
 

Und ohne viele Worte: Ich hoffe, es hat euch gefallen ^^

Noch ein schönes neues Jahr 2009

Wünscht

inkheartop

Kalte Nacht

Kalte Nacht
 


 

Manchmal glaubte Hinata einfach, das Schicksal spielte ihr böse Streiche.

Vermutlich machte es sich immer wieder lustig über ihre Fehltritte, Misserfolge und Niederlagen.

Dem Schicksal machte es anscheinend Spaß, Hinata leiden zu sehen. Selbst wenn sie dabei in Weiß gekleidet tatsächlich annähernd so aussah wie eine Prinzessin.

Weiß. Und Hübsch. Schön. Außergewöhnlich.

So hatte Hinata sich heute im Spiegel betrachtet, so hatte sie sich gesehen.

Wunderbare fünf Sekunden.

Sie war schon immer gut im Träumen gewesen. Die geborene Träumerin.

Ino war nicht außergewöhnlich. Ino war Perfektion. In ihrem Wolkenkleid, so leicht sahen die Stoffe aus. Nachthimmelkleid, so dunkel das Blau.

Ino war die Nacht.

Tenten trug tatsächlich Inos Weihnachtsgeschenk. Das rote Kleid. Drachenmäßig, es passte so gut zu ihr. Ein echter Drache.

Temari hatte einfach beschlossen, ihr Kostüm vom Musical anzuziehen. Trug schlichtes Violett, die Haare offen. Aida.

Und Sakura. Ein roter Kapuzenmantel. Verdeckte ihre Haare, plötzlich sah sie gar nicht mehr nach Sakura aus. Sondern nach Rotkäppchen.

Egal, wie oft Hinata versuchte, ihre Träumereien wieder aufzuwecken. Da blieb immer der Hintergedanke, dass sie nie so sein könnte. So wunderbar schön und perfekt. Es war egal, was sie trug, sie würde immer Hinata bleiben.

Dass sie keine Verabredung für den Ball hatte, machte es nicht besser. Vielleicht hätte sie doch noch mit Kiba gehen sollen, aber… nein, wie sah das denn aus?

Mit dem besten Freund zum wichtigsten Ereignis des Jahres… Naruto hätte Gott weiß was gedacht!

Aber… Naruto…

Wie es schien, interessierte sich Naruto nicht sonderlich dafür, mit wem Hinata ausging. Sonst hätte er sie doch gefragt.

Oder?

Der Gedanke tat weh. Hinata verwandelte ein unterdrücktes Schluchzen in ein heftiges Husten. Die Schmerzen vertrieb das nicht.

Naruto interessierte sich einfach nicht für sie.

Dabei hatte in den letzten Wochen, Monaten alles so gut ausgesehen. So wunderbar glücklich und perfekt.

Aber Hinata war nun mal nicht perfekt, genauso wenig wie ihr kleines, träumerisches Leben. Sie hatte sich geirrt.

Naruto würde niemals… niemals…

Die Tränen schlichen sich ungefragt und ungebeten über ihr Gesicht. Sie sah ihre Freundinnen.

Perfektion.

Sie fühlte sich schäbig.

„Du siehst wunderschön aus, Hinata“, wisperte Ten Ten in ihr Ohr, lächelte sie an. „Du bist die Schönste der Nacht.“

Dankbar lächelte Hinata zittrig zurück. Ten Ten übersah die Tränen geflissentlich, strich ihr ermutigend über den Rücken und reichte ihr ihre Jacke.

Hinata war sich sicher, dass sie nicht die Schönste war.

Aber vielleicht sollte sie einen Abend, Naruto aus ihrem Kopf drängen. Vielleicht war es sogar in Ordnung, dass sie weinte, während sie nicht an ihn dachte.
 

Naruto versuchte es. Er versuchte es wirklich.

Was konnte er dafür, dass immer wieder etwas dazwischen kam?

Fünf Male. Fünf verfluchte Male. Gut, das war wohl tatsächlich mehr als einfach nur Pech. Vielleicht sollte er sich mal Nejis Worte zu Herzen nehmen. Das Schicksal war einfach gegen ihn. Gegen ihn und Hinata und dagegen, dass sie für immer und ewig glücklich zusammenleben konnten bis ans Ende ihrer Tage.

Er wurde kitschig. Ein Zeichen der Verzweiflung.

Aber… fünf Mal!

Naruto fand sich plötzlich gar nicht mehr so herrlich attraktiv frauenmagnetisch, als er vor dem großen Spiegel im Badezimmer stand. Das Rot machte ihn blass, oder? Die Maske rutschte ihm viel zu tief ins Gesicht, nicht?

Abrupt kehrte er seinem Spiegelbild den Rücken zu, raste aus dem Raum und zerrte noch im Gehen an den Knöpfen seines Hemds herum.

„Ich werde nicht zu diesem dummen Ball gehen!“, brüllte er, wütend auf sich selbst. Weil er es nicht einmal schaffte, ein Mädchen zu bitten, mit ihm zum Ball zu gehen.

Nicht einmal. Das.

Er brüllte es. Mehr zu sich selbst, als zu jemand anderem. Natürlich bekamen es trotzdem alle mit. Sasuke sah ihn nur mit diesem schrägen Blick an.

„Natürlich gehst du“, meinte er dann seelenruhig und legte sich einen langen, schwarzen Mantel um die Schultern. Extrem düster.

„Nein, ich…“ Naruto verhedderte sich in seinem Jackett. Niemand half ihm.

Verzweifelt sackte er in sich zusammen. Er konnte nicht gehen. Wenn nicht mit Hinata, dann mit niemandem. Dann gar nicht.

„Du gehst.“ Neji deutete ein Seufzen nur an. „Was sollte dich davon abhalten?“

„Sag nichts!“, fuhr Sasuke dazwischen. „Du bist ein Mann. Du brauchst kein Date, um auf dem Ball aufzukreuzen. Du bist ein… tut mir leid, du warst ein Arschloch, also hast du ein Recht darauf, jedes weibliche Wesen zu bekommen, das du willst.“

Manchmal wünschte Naruto sich ernsthaft, Sasuke nicht zum Freund zu haben. Vermutlich gab er als Feind bessere Ratschläge.

„Und ich dachte, du hättest dich geändert“, sagte Neji sarkastisch.

„Mit wem gehst du zum Ball?“

„Keine Ahnung. Hab ihren Namen vergessen. Wird aber ne heiße Nacht.“

Sasuke konterte mit einem herausfordernden Blick. Wandte sich dann Naruto zu. Endlich.

„Zieh dich endlich wieder an“, murmelte er. „Wir müssen bald los.“

Zitternd knöpften Narutos Finger sein Hemd wieder zu. Er war nicht nur nervös. Er hatte eine Heidenangst!

„Sie kommt mit einem anderen“, krächzte er. Seine Stimme, so kratzig kannte er sie gar nicht. „Ich halte das nicht aus, wenn sie mit…“

„Sie kommt allein.“ Neji warf ihm einen genervten Blick zu.

Allein.

Sie war allein.

Er war allein.

Die Chance bestand…

Naruto grinste plötzlich wieder. Es fühlte sich furchtbar an, so falsch, aber er grinste trotzdem. Vielleicht bestand doch noch eine Chance.

Vielleicht…

Hoffnung bestand immer.
 

Der Saal erstrahlte. Lichtermeer aus tausend Farben, die die Dunkelheit vertrieben. Musik schwirrte durch den Raum, vermischte sich mit Gesprächsfetzen und Gelächter.

Temari konnte nichts dafür, dass sie beeindruckt war.

Trotzdem. Sie schaffte es nicht, das Gefühl loszuwerden, das schwer in ihrem Magen lag. Und irgendwo in ihrem Herz.

Neben ihr lachte Ino auf, es klang seltsam künstlich, aber Temari wollte sich nicht näher damit beschäftigen. Nicht heute, nicht jetzt. Alle hatten ihre eigenen Probleme, eigentlich sah keine der fünf besonders glücklich aus, wie sie am Eingang herumstanden.

Sakura versuchte zu lächeln, als ein Junge auf sie zukam. Er war älter als sie und Temari wusste nicht einmal seinen Namen. Aber er sah… nett aus. Und war Sakuras Verabredung.

„Wir holen uns was zu Trinken“, meinte sie, nervös rückte sie ihre Rotkäppchen-Kapuze zurecht und deutete vage auf den Jungen.

Dann war sie weg.

„Hat die ein Glück“, murmelte Ten Ten.

Ino warf ihr einen schiefen Blick zu.

„Du hättest nicht Ja sagen müssen“, erklärte sie. Ihr Zopf wippte mit jeder ihrer Bewegungen irritierend auf und ab.

Ten Ten zuckte nur mit den Schultern. „Er ist nett und…“

„Nett?“, wiederholte Ino eindringlich. Seufzte. „Dafür sind Dates nicht da, Süße.“

„Er wollte mich abholen.“ Ten Ten spähte durch die Masse, suchend. Nach wem wusste sie wohl selbst nicht genau. „Aber ich hab abgelehnt. Wir sind nur als Freunde hier.“

Plötzlich leuchteten ihre Augen hinter der Maske auf und kurz darauf war sie mit Lee verschwunden. Er brachte sie zum Lachen.

„Da waren es nur noch drei“, sagte Ino, ihr Lächeln sah zwanghaft aus, aber es war schwer, hinter der Maske noch viel Mimik zu erkennen.

Temari lehnte sich an die Wand und schwieg, hörte der Musik zu und hörte sie doch nicht. Hin und wieder sah sie ein bekanntes Gesicht und fragte sich, warum alle nur so furchtbar fröhlich waren.

Noch vor wenigen Monaten hätte sie sich einfach betrunken. So viel Alkohol, dass sie kotzte und weinte und lachte. Vor ein paar Monaten hätte das die Leere in ihr ein wenig erträglicher gemacht.

Aber sie hatte sich verändert. Temari spürte die Veränderung auf einmal so deutlich, dass ihr schwindlig wurde.

Sie war anders geworden. Ganz anders.

Wie durch einen Nebel bekam sie mit, dass Ino zum Tanzen aufgefordert wurde und dass es nicht Sai war.

„Ich… komm gleich wieder“, hauchte Temari. Vermutlich hatte Hinata sie nicht einmal gehört, aber das war jetzt egal. Im hinteren Teil der Halle standen Tische und Stühle, daneben ein enormes Büffet.

Ihr war schlecht.

Sie stolperte an den Köstlichkeiten vorbei, als sie ihn sah. Shikamaru lächelte ihr kurz zu, dieses wirklich genervte Lächeln, das nur er konnte. Am Rande nahm Temari wahr, dass er gut aussah. Sein Anzug war dunkelgrün, die Maske hatte er sich in die Stirn geschoben.

„Geht’s dir gut?“ Seine Lippen formten die Worte, Temari sah es, aber sie hörte ihn nicht. In ihren Ohren rauschte das Blut.

Sie nickte nur.

In diesem Moment war sie sich nicht einmal sicher, ob das Wahrheit oder Lüge war.
 

Jetzt war sie also allein. Es war genau die Situation, vor der sie sich gefürchtet hatte. Sie hatte keine Begleitung, ihre Freundinnen waren verschwunden. Und nachrennen wollte sie ihnen nicht, sie war kein Hund.

Hinata stand zwischen all diesen Menschen, spürte, wie die Luft immer wärmer wurde und die Musik immer lauter – eine gute Band, keine Frage. Aber da war sie und diejenige, die ihr am dichtesten im Nacken saß, war die Einsamkeit.

Sie war es gewohnt, einsam zu sein.

Für diesen Abend jedoch… Hinata hatte wirklich gehofft. Anscheinend brachte selbst das nichts mehr.

Die Hoffnung starb zuletzt, ja. Aber sie starb eben auch.

Noch eine Weile hielt sie es aus, sah zu, wie Ino immer mehr trank und trank und trank. Neben ihr irgendein Kerl aus der Abschlussklasse. Sie wollte nicht wissen, was Ino so durch den Kopf wirbelte, in ihr selbst lag zu viel still. Sai war nirgendwo zu sehen.

Hinata schloss die Augen, ließ die bunten Lichter durch ihre Lider flackern, versuchte sich im Vergessen, im Gefühllossein. Der Wunsch, jemanden bei sich zu haben, war so stark. Es riss sie mit, riss sie auseinander.

Dieser Abend würde furchtbar enden, sie wusste es jetzt schon.

Die Band spielte noch lauter, der Bass vibrierte durch ihre Füße, der Sänger mit der kratzig-weichen Stimme meinte etwas von „broken down like a mirror smashed to pieces.

You learned the hard way to shut your mouth and smile“. Es schmerzte.

Hinata warf noch einen letzten, hastigen Blick durch die Halle, sah sie lachend und zerbrochen vor sich, den Ball, sah sie tanzen. Dann drehte sie sich um, hob den Saum ihres Kleides an und zwang die Tränen zurück, zumindest bis sie draußen war, zur Tür hinaus und Kälte sie empfing.

Jetzt weinte sie.

Klirrend kalter Winterwind ließ ihr Kleid um ihre Beine flattern. Sie zitterte, ob es nur die Kälte war, wusste sie nicht.

Was war mit ihren Träumen passiert? Mit dem Traum vom Glücklichsein, mit dem Traum von der perfektesten aller perfekten Nächte.

Ihre Nacht.

Wirbelte mit dem Wind davon, nur noch Eis auf ihren Wangen, nur noch Dunkel.

Hinata tappte ein paar Schritte vorwärts, schwankte, dachte nicht an die Tränen, die immer noch flossen, flossen, flossen. Wollte weg.

Weit kam sie nicht, stolpernd suchten sich ihre Füße ihren Weg, ihre Absätze machten seltsame Geräusche auf dem asphaltierten Hof. Leise drang die Musik an ihr Ohr, brummelte vor sich hin, überdeckte das Gelächter im Saal.

Sie konnte die hellen Lichter in den Fenstern noch gut sehen, als sie sich auf eine kalte Bank fallen ließ. Vielleicht konnte sie hier in Ruhe erfrieren.

Würde sie jemand vermissen?

Ihr Blick wanderte in den Himmel, eine schmale Mondsichel blinzelte ihr durch die Wolkendecke zu, keine Sterne.

Würde sie jemand vermissen…?

Hinata fühlte sich leer.
 

Gerade eben hatte Kiba die blasse, zerbrechliche Gestalt noch gesehen, an die Wand gelehnt, die Augen geschlossen. Er hatte sie gesehen, hatte sein Herz so sehr gespürt wie noch nie.

Sie war so schön.

Dann schob sich irgendein Kerl in sein Sichtfeld und als es wieder frei war… war Hinata verschwunden.

Da war es. Das miese Gefühl, füllte ihn aus, machte ihn leer. Ja, Eifersucht war dabei, immer war Eifersucht dabei. Wie auch nicht?

Es war ein mieses Gefühl, Eifersucht gemischt mit Hoffnungslosigkeit und Sorge. Ein Spritzer Verzweiflung.

Kiba sah sich um, schob sich die Maske aus dem Gesicht, um besser sehen zu können. Sie war nicht da.

Nur Sai sah er, verloren wirkend und den Blick auf Ino gerichtet. Oder doch in sein leeres Glas?

„Kiba?“

Kiba zuckte zusammen, schüttelte hastig die Hand auf seiner Schulter ab.

Naruto sah seltsam aus. Vielleicht ließ ja dieses Rot ihn so bleich wirken, so falsch. Schnell trat Kiba einen Schritt zurück, einen großen Schritt. Wich dem Blick aus, den Naruto an ihm kleben ließ.

So seltsam.

„Hast du… Hinata gesehen?“, fragte Naruto. Er verstand ihn kaum, zu stark trommelte das Schlagzeug der Band in seinen Ohren. Da war nur dieses eine Wort.

Hinata.

Die Eifersucht packte seine Gedanken in Nebel, er spürte es, aber… er wollte gar nichts dagegen tun. Warum sollte er?

Die Worte schmeckten bitter, ätzend sauer. Fast hätte Kiba gelächelt, aber er beherrschte sich. Noch konnte er das.

„Keine Ahnung“, sagte er, gerade laut genug, dass Naruto sie hören konnte. „Vorhin hat sie noch getanzt.“

Wenn es möglich war, wurde Naruto noch bleicher. Fast grünlich. Die Farbe erinnerte Kiba an Schimmelkäse.

„Mit wem?“, krächzte er, leise, Kiba musste es von seinen Lippen ablesen.

Er zuckte mit den Schultern. „Irgendeiner aus der Stadt, glaub ich.“

Wortlos drehte Naruto sich um. In Kiba breitete sich ein hässliches Gefühl der Genugtuung aus und er wusste, dass er sich eigentlich schlecht fühlen müsste, weil Naruto einer seiner besten Freunde war.

Aber die Eifersucht machte ihn zum Feind.

Kibas Mundwinkel verzogen sich. Wenn jemand Hinata heute fand, dann war er es. Er wusste es. Die Eifersucht wusste es.
 

Er war nicht bei klarem Verstand.

Temari lehnte sich an ihn, schwankte eher und er sollte sich Sorgen machen. Er sollte sich Sorgen um sie machen! Tat er ja auch, nur… es tat viel zu gut.

Sie war ihm so nah, er konnte ihren Atem an seinem Hals spüren, das Zittern ihrer Hände. Shikamaru wusste nicht, was er machen sollte, konnte. Einfach nur da sein, vielleicht half es ja.

Sie sprachen nicht, saßen einfach nur da, in einer Ecke des Saals und Temari schien vollkommen durch den Wind. Er wusste nicht, was es war. Er war einfach nur da.

Ihr Haar roch nach Sommer, nach Fröhlichkeit und Sonne. Nach Wolkensehen und Schachspielen. Temari. Das war Temari. Und sogar wenn sie so schwach schien wie in

diesem Moment, in dem ausgerechnet er – Shikamaru – ihr Halt geben sollte, war sie die stärkste Person, die er kannte.

Sie sagten kein Wort.

Temari weinte nicht, das Zittern war nur in ihren Fingerspitzen, ihr Atem gleichmäßig heiß. Heiß…

Am liebsten hätte Shikamaru jetzt die Augen geschlossen, hätte sich diesem Gefühl hingegeben, warm und weich in seiner Brust. Aber.

Warum konnte er nicht einfach mit dem Herzen denken, wie Naruto? Oder am besten gar nicht?

Shikamaru redete nicht, aber er dachte. Unaufhörlich.

Er dachte an Kankuro.

Lass die Finger von ihr. Sie hat schon genug gelitten.

Er dachte an diese unbekannte Wut, die ihn bei diesen Worten packte, an die Mutlosigkeit. Kankuro meinte das ernst, vollkommen ernst.

Und er dachte an Temari und immer wieder an Temari.

Wieso hatte sie gelitten? Wieso war sie so, wie sie war, in diesem Moment und in allen anderen?

Und was zum Teufel hatte er damit zu tun?
 

Die frische Luft tat gut, vertrieb die stickigen Gedanken und brachte Naruto wieder ein wenig Farbe ins Gesicht.

Er fühlte sich beschissen.

Vielleicht war er ja doch besser dran gewesen, als Sasuke und Neji noch mit ihm konkurriert hatten um die Gunst der Mädchen, dachte er, als sein Blick in den trüben Himmel schweifte und die Musik nicht mehr ganz so stark an ihm zerrte.

Vielleicht war es besser, wenn man auf der sicheren Seite blieb. Und sich nicht verliebte.

Das Knirschen der Kiesel unter seinen Sohlen klang laut, Naruto fühlte die Unebenheiten des Bodes unter den Füßen, als liefe er barfuss.

Und irgendwie kam er sich auch so vor. So schutzlos, als könnte die nächste Scherbe bis in sein Herz ritzen.

Vielleicht war sich nicht zu verlieben ein sehr guter Schutz gewesen.

Naruto lief einfach weiter, versuchte, das Fest zu vergessen. Es gelang ihm nicht ganz, denn noch immer spürte er die Enttäuschung, die Kibas Worte in ihm ausgelöst hatten. Bitter lagen sie auf seiner Zunge, und er konnte sich nicht einfach herunterschlucken.

Vielleicht war es besser so, wie es war.

Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit dachte er an seine Eltern. Er dachte auf die Weise an sie, dass er sich nach ihnen sehnte. Nach der Mutter, nach dem Vater, die er nie gehabt hatte. Vermutlich hätten sie ihm in diesem Moment, in dem alles still und trotzdem so furchtbar laut war, auch nicht helfen können. Aber wäre es nicht ein schönes Gefühl?

Ein bisschen schämte Naruto sich für diese Gedanken, denn immerhin hatte er die beste Familie, die man sich wünschen konnte.

Sasuke, Sakura, Iruka. All die anderen.

Gab es da nicht trotzdem einen Unterschied, selbst wenn er ihn in diesem Moment nicht erkannte?

Da lief er, um ihn war es dunkel.

Und Naruto Uzumaki dachte über die Liebe nach.

Der Campus kam ihm unglaublich groß vor, die Welt kam ihm unglaublich groß vor. Die Gestalt sah er erst gar nicht.

Sie stand noch weit von ihm entfernt. Um sie herum war alles dunkel, doch ihr Kleid wirbelte wie Mondlicht um sie herum, als sie sich im Kreis drehte. Und als sie fiel, sah sie wunderschön zerbrechlich aus.

Naruto rannte zu Hinata, kam sich groß und ungeschickt vor. Er stand über ihr und eigentlich wollte er sich Sorgen machen, wollte ihr aufhelfen, doch sie sah schön aus.

Wie der letzte Schnee.

Ihr Gesicht war blass und leer, die Augen geschlossen, das Gesicht so starr. Neben ihr kam er sich viel zu lebendig vor.

Viel zu gewöhnlich.

Dieser Eindruck verschwand erst, als er sah, wie Hinata zitterte.

„Frierst du?“ Naruto sah seinen Atem wild in die Nacht steigen, als er sprach. Er war so laut.

Ganz plötzlich sah Hinata ihn an.

Der Blick ließ ihn schmelzen, er sickerte dahin. Trotz all der Kälte konnte sie ihn so ansehen. So warm.

„Naruto“, wisperte sie, formte seinen Namen mit ihren Lippen. Blaue Lippen.

„Steh auf“, meinte er, wurde rot, als sie es tatsächlich machte, sich an ihm hochzog. Er schmolz tatsächlich.

Hinata klammerte sich an ihn, als er sein Jackett um ihre Schultern legte.

Schweigend führte Naruto sie, den Gedanken immer im Hinterkopf, dass sie bei ihm war. Ganz nah und ganz kalt.

Er war ihr Retter. Sozusagen.

Das fühlte sich seltsam an.

Die Schule kam wieder näher und Naruto war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt zurückwollte. Vor wenigen Minuten hatte alles noch ganz anders ausgesehen und das einzige, was sich nicht geändert hatte: Er dachte noch immer über die Liebe nach.

Die Stille war seltsam gut.

Naruto hielt sich an Hinata fest, bis sie nicht mehr zitterte. Und noch länger.

„Ich… ich habe nicht ge-gedacht, dass du noch… kommst“, meinte Hinata schließlich leise.

„Ich auch nicht“, antwortete Naruto, versuchte sein Grinsen und scheiterte. Wenn sie bei ihm war, fühlte er sich immer, als könne er nur das Falsche tun oder sagen. Nie würde er an sie heranreichen.

Nannte man das Verliebtsein?

„Kann ich’s wieder gutmachen?“, fragte er und konnte einfach nicht anders, als ihr direkt in die Augen zu schauen und sich wieder mal zu wundern.

Ihm fiel auf, dass sie eine Maske trug. Zuvor hatte er sie gar nicht bemerkt. Ihr Gesicht war für ihn immer ein offenes Buch. Nur manchmal verschwamm die Schrift ein klein wenig.

Hinata sah die Lichter des Saales, lauschte der Musik und ein Lächeln schwappte über ihre Lippen, die nicht mehr ganz so blau waren, wie zuvor.

„Tanzt du… mit mir?“ Ein bisschen wurde sie rot, ein ganz kleines bisschen nur.

Jetzt gelang Naruto sein Strahlen wieder.

Und sein Herz klopfte so schnell wie nie, als er Hinatas Hand nahm und mit ihr in die Halle ging. Wo alle sie sehen konnten. Wo er eigentlich gar nicht sein wollte, aber eigentlich eben doch, weil ja Hinata bei ihm war.

Er achtete nicht auf die Blicke, die ihn musterten. Den lauten Unruhestifter und das unsichtbare Aschenputtel.

Naruto bemerkte gar nicht, wie sie ihn musterten.

Weil es egal war.

Hier war er, der Junge, der schuld am Tod seiner Eltern war.

Und da war sie, das Mädchen, deren Familie zerbröselte.

Was machte es schon? Sie waren zusammen.

„Ich kann gar nicht tanzen“, meinte Naruto, als er Hinata einen Arm um die Hüfte legte, wie er es aus Filmen kannte.

„Ich auch nicht.“

Die Stimme des Sängers floss durch sie hindurch, er hätte die Musik gar nicht gebraucht. Er spürte sie bei sich und da war plötzlich dieses Glück, das er nicht mehr erwartet hatte für diese Nacht.

You look so beautiful today. When you sitting there it’s hard for me to look away.”

Naruto wusste nicht, was es war, ob es Liebe war.

Aber es fühlte sich so gut an, dass er einfach nicht anders konnte, als sie zu küssen.
 

Konnte man gleichzeitig erstarren und zerbrechen?

Konnte man gleichzeitig sehen und blind sein?

Da war etwas in Hinatas Blick, das Kiba so deutlich sah, dass ihm schlecht wurde. So zart und unzerstörbar. Da war so viel verfluchte Liebe, dass ihm schlecht wurde.

Er sah sie, auch wenn niemand sonst sie sah.

Sie waren ein Paar auf der Tanzfläche, ein weißer und ein roter Klecks Farbe. Zwei von vielen. Kiba spürte Feuer und Eis in ihm brennen, er hielt den Schmerz zurück, der aufwallte. Stand nur da, einer von vielen, und hielt den Blick auf die Menge gerichtet, ohne sie wirklich zu sehen.

Es war leer und voll und alles zur gleichen Zeit, aber sein Kopf klammerte sich an der Frage fest.

Warum?

Sie hatten es geschafft. Irgendwie hatten sie es geschafft und irgendwie hatte Kiba es nicht verhindern können. Dabei hatte er alles versucht.

Vielleicht war es nur nicht genug gewesen?

Vielleicht würde es aber auch nie genug sein.

Jemand lachte ihm ins Ohr, es klang seltsam dumpf und klar zu ihm durch, aber Kiba blinzelte nicht einmal.

Erstarrt.

Manchmal schnappte er Satzfetzen auf. Wörter, die keinen Sinn machten.

Hatten sie jemals Sinn gemacht?

Plötzlich spürte er, wie sich alles zu drehen begann und er trotzdem irgendwie stehenblieb. Er allein. So musste der Weltuntergang aussehen.

Immer sah Kiba sie vor sich, als er durch den Raum stakste, der ihm mit einem Mal klein und eng vorkam, so wenig Luft zum Atmen.

Er sah Hinatas Lächeln, glücklich und zerbrechlich und trotzdem unzerstörbar, und es schnürte ihm den Hals ab.

Es tat so weh.

Hinter der Halle stand der Transporter des Lieferanten, der für Essen und Getränke zuständig war, Kiba erkannte das Zeichen auf dem dunklen Wagen. Kisten standen daneben.

Er wusste, was darin war. Wusste es, weil sie noch Witze darüber gemacht hatten, über Tsunades persönliche Lieferung.

Er wusste, was er tat, wusste, was er tun würde. Und wusste es doch nicht, weil die Anstrengung alles überdeckte. Die Anstrengung, den Schmerz tief zu halten. Wo es schwarz und kalt war.

Die Kiste war ganz leicht. Nichts im Vergleich zum Schmerz.

Er hatte keine Lust mehr. Er wollte nicht mehr stark sein, wollte nicht einmal mehr so tun, als ob.

Er war es leid.

Der Weg kam ihm sehr kurz vor, aber sein Zeitgefühl war weg, vielleicht lief er auch schon seit Stunden, als er sich endlich fallen ließ. Kiba war sich nicht einmal sicher, wo er war. Nur das Gras spürte er noch unter den Handflächen, kalt und spitz wie Nadeln.

Der Schmerz kam nicht mit einem Mal aus ihm heraus, als er ihn losließ.

Kiba schnitt nur eine Fratze. Es würde sich ohnehin niemand darum kümmern.

Apocalypse now“, murmelte er nur.

Die Kälte um ihn herum, die den Winter so greifbar machte, war nichts im Vergleich mit der Kälte, die ihn erfasste.

Konnte man gleichzeitig lieben und hassen?
 

Später würde sie sich Vorwürfe machen, Sakura wusste es.

Später würde sie sich in Grund und Boden schämen.

Aber was machte das schon?

Jetzt war noch nicht später, die Welt war im Moment noch gerade so in Ordnung. Oder vielleicht war sie auch einfach schon beschissen genug.

Natürlich, sie hatte ein paar Gläser von dem Zeug intus, das die Kerle aus den höheren Stufen immer in die Bowle kippten. Aber sich Mut anzutrinken, zumindest ein ganz klein wenig – was konnte daran schon so groß verkehrt sein?

Sakura setzte ihr bestes Lächeln auf, ihr Haar hielt sie versteckt unter der roten Kapuze. Es machte sie älter. Fand sie.

Itachi Uchiha sah umwerfend aus. Natürlich, das Kostüm war nicht gerade das Originellste, Sakura hatte an diesem Abend schon mindestens einen weiteren Zorro gesehen.

Einen schwarzen Helden.

Ihr Lächeln verrutschte etwas, als die dunklen Augen sie so eindringlich musterten, sie spürte ihr Herz in ihrem Kopf schlagen.

„Hallo“, murmelte sie, hoffte, dass es nicht allzu sehr nach einer Klein-Mädchen-Begrüßung klang. Manchmal wollte sie so gern erwachsen sein, dass es kindisch war.

Itachi sagte nichts, sah sie nur weiter an und Sakura kam der Blick verändert vor. Irgendwie verloren kalt.

„Schönes Kostüm“, meinte sie, lächelte oder versuchte es zumindest. Kam sich dumm dabei vor. Bei der ganzen Sache.

Warum verliebte ausgerechnet sie sich in einen Lehrer?

Gerade, als er etwas sagte, hämmerte das Schlagzeug dazwischen, sie konnte das „Hi“ nur von seinen Lippen ablesen. Schöne Lippen.

Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde bis sie sich von ihnen losreißen konnte. Und zurückzuckte, weil er sie ansah. Ganz direkt. Und alle Kälte war verschwunden, seltsam verloren sah er immer noch aus.

Er traf sie. Mitten hinein in ihr dummes, naives Klein-Mädchen-Herz, das so gerne erwachsen sein wollte.

Ihr Lächeln streifte seines und sie kam sich glücklich vor. Ihre ursprüngliche Verabredung hatte sie schon lange vergessen, warum sollte sie dann nicht auch alle anderen Zweifel einfach fallen lassen?

Sakura musste nichts sagen. Musste nichts mehr denken, wenn sie bei ihm war.

Sie vergaß einfach, wer da vor ihr stand, wer ihr das eigenartigste Lächeln schenkte, das sie je gesehen hatte.

Sie vergaß es und die Leute um sie herum. Sie vergaß einfach alles, auch die Angst.

Dann beugte sie sich vor. Und der Kuss wurde erwidert, ganz leicht nur, ganz zögernd.

Später würde Sakura sich hassen und verabscheuen für diesen Kuss, würde sich selbst nicht mehr verstehen.

Später würde sie sich fragen, warum sie es nicht gleich gemerkt hatte.

Aber jetzt war noch nicht später.
 

********
 

Es hat lange gedauert, ich kann und will mich nicht rausreden. Viel zu lange.

Sooooorryyyyyyy!!!!!!
 

Die Liedzeilen gehören Simple Plan, nicht mir, aus den Liedern No Love und I Can Wait Forever.
 

Ich hoffe, dass ihr nicht allzu sauer seid (??) und werde am besten gar keine Versprechungen mehr machen *seufz*
 

inkheartop

Lange Nacht

Lange Nacht
 


 

Seit gewisser Ereignisse, die seine Familie noch mehr zerrissen hatten, als sie es sowieso schon gewesen war, trank Kankuro nicht mehr.

Kein Alkohol, und so dumm ihm das manchmal vorkam, so klug fühlte er sich dann, wenn er sie sah.

Temari.

Gaara.

Seine Mutter.

Alle in irgendwelche Drogenexzesse verwickelt – er war sich ziemlich sicher, dass es bei Gaara noch etwas mehr, als nur Alkohol war – und alle unsäglich unglücklich.

Kankuro trank nicht. Keinen Tropfen.

Allerdings.

War er trotz allem unglücklich.

Eines dieser Unglücke, die schwer waren. Die einfacher wären, würde man sie aussprechen. Aber Kankuro sprach nicht.

Er hatte sich selbst noch nicht mit diesem Unglück abgefunden, vorher würde er nicht reden. Zumindest mit niemandem außer Temari.

Und die. Klammerte sich gerade aus irgendwelchen Gründen, die er nicht wirklich nachvollziehen konnte, an Nara.

Weinte sie?

An anderen Tagen wäre Kankuro ausgerastet. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? War die Warnung nicht deutlich genug gewesen?

Er würde morgen noch einmal mit ihm reden, ihm klar machen, dass Temari eine neue dumme Verliebtheit ganz sicher noch nicht gebrauchen konnte.

Aber erst morgen.

Jetzt.

Blieb er still.

Betrachtete seine Schwester und fragte sich ernsthaft, was sie an Nara fand. Er war nicht einmal besonders attrakt…

Kankuro biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen.

Er hasste sich dafür. So etwas zu denken.

Hastig, so schnell es seine Gedanken erlaubten, wandte er sich von der Szene ab, die ihm ins Herz stach. Auf zweierlei Art.

Musik pochte in sein Herz, während er sich durch die Menge kämpfte, durch das Lachen und die Fröhlichkeit.

Durch diese einfältige Romantik, die auf solchen Schulbällen eben herrschte.

Bevor er noch etwas dagegen sagen konnte, forderte ihn plötzlich ein Mädchen mit kurzen, silbrig blonden Haaren zum Tanz auf, schlang die Arme um seinen Hals und lächelte Kankuro an.

Er lächelte zurück.

Eines musste man ihm lassen. Kankuro war ein guter Schauspieler.

Irgendein langsames Lied setzte ein, das Parfum des Mädchens roch süßlich nach Blumen und Frühling. Er erwischte sich dabei, wie er sich in Gedanken ein Winter- oder Herbstparfum herbeiwünschte, herb und natürlich.

Verbot sich mal wieder das Denken, das häufte sich in letzter Zeit.

Besonders in letzter Zeit.

Genau konnte Kankuro nicht sagen, was es war – schließlich wollte er es gar nicht wissen –, aber er ahnte es viel zu genau.

Seine Hände lagen auf den Hüften des Mädchens – wie hieß sie eigentlich? – und Kankuro schloss die Augen. Ihr Kopf lag an seinem Hals, er konnte ihren Atem spüren.

In seinem Inneren erschien ein Bild – ungefragt, wie immer. Es war da und Kankuro tat es weh, sich diese Augen auszumalen, wie dunkel sie ihn ansahen. Es tat weh, an das Lächeln zu denken, an den Mund, die Nase, die Schultern, die Brust…

Alles tat weh und noch mehr schmerzte es, wenn Kankuro es zuließ, dass dieses andere Gefühl in ihm größer wurde.

Kankuro konnte Sehnsucht nicht ausstehen.

Sehnsucht war etwas, das schwach machte. Verletzlich.

Aber es war schwer, sich nicht zu sehnen, wenn ein Mädchen, deren Name er schon wieder vergessen hatte, sich an ihn schmiegte und er gar nichts dabei fühlte. Gar nichts.
 

Kankuro wird der Erste sein, der bei Kiba ankommt.
 

Hinata glaubte fest daran, dass sie träumte.

Das konnte nur ein Traum sein.

Oh, bitte, ich will nie wieder aufwachen!

Sie lächelte in den Kuss hinein, lächelte in Narutos Lächeln hinein, spürte sein Lächeln auf ihrem und es war ein unglaubliches Gefühl.

Hatte sie schon jemals etwas Vergleichbares gespürt? Hinata bezweifelte es.

Ihr Herz klopfte noch vor Aufregung, als sie sich von ihm löste, ihn ein fünftes, sechstes, siebtes Mal küsste, sie bekam gar nicht genug davon. Und irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, hatte einfach nur… gelebt.

Leben, das war das richtige Wort dafür.

Leben.

Narutos Hand strich über ihre Wange.

„Wir können ja doch tanzen, Cinderella“, grinste er.

Wir. Er meinte sich und sie.

„Sieht so aus.“ Hinata ließ ihn nicht los. Wollte ihn festhalten, für immer. Oder wenigstens für ewig.

Ihren Kopf legte sie nicht auf Narutos Schulter, wie konnten andere Mädchen das nur tun? Einen Blick aus diesen Augen zu verpassen, es wäre Verschwendung.

Hinata wusste, wie kitschig romantisch sie war.

Es war ihr egal.

Im Moment war ihr alles egal. Weil diese Nacht doch noch ihre Nacht geworden war, weil diese Nacht doch noch gut, nein, perfekt geworden war.

Perfektion, ja?

Sie verschwendete keinen Gedanken mehr an Ino und Tenten und… Da war nur Naruto.

„Naruto“, sagte Hinata leise.

„Hinata“, sagte Naruto leise. Einfach nur um die Namen auf der Zunge zu schmecken, um sie zu hören aus dem Mund des anderen, geflüstert wie ein wunderbar süßes Geheimnis.

Nur dass es kein Geheimnis war.

Um sie herum wurde es immer leerer, die Musik wurde immer ruhiger, immer leiser. Die Nacht neigte sich dem Ende zu, draußen wurde es kälter.

Sie wiegten sich halbwegs zum Takt der Musik, drehten sich ein bisschen im Kreis, hierhin, dahin.

Fühlten sich ganz allein auf der Welt. Gemeinsam einsam zweisam.

Jemand stand hinter ihr.

Hinata kannte Nejis Art, sich ihr zu nähern, kannte ihn schon so lange, dass es sie nicht mehr wunderte, dass sie wusste, wenn er es war.

„Was ist, Neji?“

Ihre Stimme kam wie aus einer anderen Welt.

Hinata an Erde, Hinata an Erde…

„Habt ihr Kiba gesehen?“

Die Worte sollten Sorge in ihr auslösen. Kiba verschwand nicht einfach so, Kiba war immer da, wenn er gesucht, gebraucht, gefunden wurde.

Kiba war immer da.

Die Worte sollten irgendetwas in ihr auslösen. Hinata konnte nichts dafür. Dieses Glück machte sie blind, taub und stumpf für alles andere.

Dieses Glück war schuld.

„Findet ihr ihn nicht?“ Naruto war noch – halbwegs – bei klarem Verstand.

„Sonst würde ich nicht fragen“, meinte Neji, seine Stimme klang, als habe er zu viel getrunken, und keine Geduld mehr.

„Er taucht schon wieder auf“, sagte Naruto, nicht mehr. Tauchte wieder ab in Hinatas Welt, flog zu ihr hinauf.

Hinata hörte noch Nejis geknurrtes „gar nichts anzufangen mit denen“.

Ja. Und?

Egal.

Sie würde sich später um Kiba kümmern, später. Jetzt hatte sie keine Zeit für Kiba, jetzt war ihre Zeit, ihre ganz allein.

Das musste so sein.

Hinata fand, dass sie es verdient hatte. Diese Zeit.

Später.

Zu spät…?
 

Hinata wird die Erste sein, die Kibas Namen ruft.
 

Das Glas in seiner Hand neigte sich gefährlich dem Boden entgegen, die Flüssigkeit schwappte schon fast über den Rand.

Sasuke stand noch genauso starr da, wie vor einer halben Stunde.

Oder war es eine gewesen? Zwei?

Er stand noch genauso starr da, wie zu dem Zeitpunkt, als Sakura ihn für Itachi gehalten hatte. Als Sakura ihn geküsst hatte und dann fluchtartig wieder verschwunden war.

Sein Herzschlag hatte sich immer noch nicht beruhigt.

Wumm Bumm Bumm Wumm.

Sasuke war zu logisch veranlagt, als dass er diesen Kuss als Traum abtun könnte.

Er hätte es gern getan. Lass es einen Traum sein, lass sie mich geküsst haben. Nicht Itachi.

Das war das Problem.

Mal wieder. Itachi.

Sakura dachte, sie hätte Itachi geküsst.

Sakura dachte, sie hätte Itachi geküsst…

Noch fühlte es sich so real an. Noch spürte Sasuke ihre Lippen, schnell und wunderbar, und so ganz anders, als er gedacht hätte.

Im Küssen war sie nicht anders als die ganzen anderen Mädchen.

Aber sein Atem stockte noch immer.

Aber sein Herz. Sein dummes, dummes Herz.

Schnell trank er einen Schluck, der Alkohol ließ seine Kehle kribbeln. Alles kribbelte, seine Mundwinkel auch.

Sasuke konnte fast nicht glauben, dass er lächelte.

Wenn Naruto ihn so sehen würde… aber der knutschte ja mit Hinata auf der Tanzfläche. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Folgen haben würde.

Lächeln.

Wie funktionierte das?

Sasuke lächelte und fühlte sich überirdisch gut – Herzklopfen! – und unterirdisch fürchterlich.

Als Neji wie aus dem Nichts auftauchte, bekam er den Mund kaum auf – noch immer klebte ein Hauch Sakura an seinen Lippen, das machte das Sprechen unfassbar schwierig.

„Wir müssen Kiba suchen“, sagte Neji.

Sasuke wusste, dass er jeden Gedanken an Sakura erst einmal vergessen konnte. Es war so oder so fraglich, ob sie sich noch daran erinnern würde. Sie hatte sich ziemlich viel Mut angetrunken.

„Hast du Naruto schon…“ Er unterbrach sich gleich selbst.

„Ich glaube, er hat sie gesehen“, meinte Neji, seine Stimme klang eigenartig unruhig.

Die Nacht schien seltsam hell durch die Tür. Irgendwo blitzte ein bleicher Mond, irgendwo anders blinkte ein Flugzeug.

Kopf in den Wolken, dachte Sasuke. Kopf bei Sakura würde besser passen.

Wo war sie? Nicht: Wo war Kiba?

„Glaubst du, er…“ Neji sprach nicht weiter.

„Wo hast du schon gesucht?“ Er versuchte nur, seine Gedanken zu ordnen. Weg von Sakura, weg von den Dingen, die er nie haben würde. Hin zu den Dingen, die jetzt wichtiger waren.

Überlebenswichtig?

„Toiletten, Backstage, die ganze Halle, und Handy ist aus. Das übliche.“

„Ich hab ein schlechtes Gefühl bei der Sache“, gab Sasuke zu.

Neji sah ihn nicht an.

Starrte in die ausgebleichte Dunkelheit, Schatten spielten mit seinem Gesicht, Kälte mit seinen Haaren. Absolut still, Statue.

„Tsunade“, sagte er. „Wir müssen suchen.“

Es gab Momente, in denen Sasuke Sakura gut vergessen konnte. Wenn er sich in kalten Winternächten Sorgen machte.

Und dann gab es Momente, in denen er nur Sakura im Kopf hatte.

Nur Sakura, das war schlimmer als Schönheit und Folter.

Diese Momente, wenn er in kalten Winternächten seinen Sorgen ausgeliefert war. Wenn er darüber nachdachte, was Kiba tat. Und warum.

Kiba.

Und Naruto und Hinata.

Die sich gefunden hatten. Sasuke hatte es doch gesagt. Jetzt bekamen sie die Quittung. Sie alle.

Naruto und Hinata.

Kiba.

Hatte sie gesehen.
 

Sasuke wird der Erste sein, der Kibas Gründe versteht.
 

Sie suchten.

Es war erstaunlich, wie schnell Tsunade genickt hatte, als sie zu ihr gekommen waren. Sie war noch nicht betrunken, sie vertrug erstaunlich viel Alkohol. Aber sie wusste, dass andere das nicht taten.

Eine ihrer Kisten war verschwunden.

Temari umklammerte immer noch Shikamarus Arm, jetzt liefen sie nebeneinander, hin und wieder blitzte in der Dunkelheit der grelle Lichtpunkt einer Taschenlampe auf, ansonsten war es dunkel.

Ihr war nicht ganz klar, was in diesen Stunden mit Shikamaru geschehen war. Vielleicht, weil gar nichts geschehen war, aber gerade das war das Problem.

Manchmal wollte Temari schreien, all das herausschreien, über das sie nicht sprach, mit niemandem sprechen konnte. Sie war nicht sehr selbstmitleidig, sie lebte nicht gern in der Vergangenheit, aber es tat trotzdem weh. Immer noch.

Und es war schwierig, die Gegenwart von der Vergangenheit zu trennen, einen Schlussstrich zu ziehen.

Ihre Gefühle standen da nur im Weg.

Deshalb. Stand ihr Shikamaru im Weg, irgendwie. Er passte nicht in ihre neue Zukunft, er passte nicht in ihre Vorstellung vom Schlussstrich.

Sie war noch nicht soweit.

Ganz einfach.

So schwer.

Sie sagten nichts, Temari blieb genauso still wie er, nur seinen Atem hörte sie, wie er die Kälte in Stücke schnitt. Er hatte noch gar nichts gesagt, noch gar nichts.

Nur manchmal rief einer von ihnen „Kiba!“, aber das zählte nicht.

Kiba.

Sie kannte ihn nicht einmal besonders gut. Er war nett, ja. Fast so aufgedreht wie Naruto, kaum zu übersehen. Total verknallt in Hinata, natürlich.

Neji hatte noch gemeint, Kiba habe sie gesehen.

Sie.

Erst wusste Temari nicht, von wem er sprach. Dann fiel ihr Blick auf Hinatas Hand, die Finger umklammerten Narutos, verschränkt, eine Einheit. Es sah fast schon abstrus natürlich aus.

So perfekt.

Sie hatte Kiba gesehen.

Temari verstand nicht viel von Eifersucht, oder von unerwiderter Liebe. Wenn sie so drüber nachdachte, verstand sie überhaupt nichts von Liebe.

Erbärmlich?

Nein, eigentlich nur kompliziert.

„Mann, wo steckt der?“

Eine rhetorische Frage, trotzdem zuckte Temari zusammen, Shikamarus Stimme zitterte, verschluckte die nächsten Worte.

In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht sehen.

„Er… taucht schon… ihm wird schon nichts passiert sein…“, versuchte Temari zu sagen. Es klang sehr dumpf und sehr heiser.

Sie hätte schwören können, dass er absichtlich nicht darauf achtete. Sie hätte schwören können, dass er sich nur auf die Worte konzentrierte.

„Kiba und Alkohol, das passiert nicht nichts“, sagte er. Sicher runzelte er grade die Stirn. „Und da ist viel Alkohol.“

„Und wenig Kiba; er ist nicht bei sich. Nicht richtig.“

Sie spürte sein Nicken.

„Ja, ja…“

Dann hörte sie die Schritte.

„Tema?“ Kankuro tauchte ganz plötzlich auf, stolperte näher, sein Blick blieb ganz kurz an Shikamaru hängen.

Wirklich ganz kurz.

„Tema“, er zitterte am ganzen Körper, trug nicht mal eine Jacke, „Habt ihr… ihn?“

„Nein?“ Dumme Frage, dumme Antwort, nach was sah das denn aus?

„Oh, ich meine… klar, ich…“

Er wich ihrem Blick aus, schüttelte dann den Kopf, mehr zu sich selbst. Und hastete weiter.

„Kank! Hey, was… Kankuro!“, rief Temari. Ihm hinterher.

Dieser Blick. Sie kannte diesen Blick.

Oh, nein.

Bitte nicht.

Nicht…

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Shikamaru.

Temari zögerte.

„Keine Ahnung.“ Obwohl sie sehr wohl eine Ahnung hatte, denn – verdammt! – sie kannte diesen Blick zu gut.
 

Temari wird die Erste sein, die in Kibas Augen sieht.
 

Angst.

Ein grauenhaftes Gefühl, es machte hilflos.

Angst.

Hinata hatte Angst, sie drückte Naruto das Blut aus den Fingern, zitterte und ihre Stimme wurde von Schrei zu Schrei schriller. Verzweifelter.

Kiba! Kiba!

Naruto kam kaum hinterher, so schnell zog sie ihn mit sich, er trat ihr mehrere Male in die Hacken, sie ignorierte es und rannte weiter. Wünschte sich tausend Augen, tausend Münder mehr.

Vielleicht könnte sie ihn da sehen, vielleicht war ihr Rufen dann laut genug, dass er sie hören konnte, dass er antwortete. Und alles wäre gut.

Aber. Halt, nein.

Nichts wäre gut.

Tenten hatte es gesagt. Alle hatten es gesagt, aber Hinata hatte nicht zugehört, hatte nicht zuhören wollen und die Zeichen – es waren viele gewesen. Blicke, Gesten, Lächeln – einfach ignoriert.

Sie machte sich Vorwürfe.

Wenn sie nicht…

Hätte sie nur…

Könnte es sein, dass…

Alles Schwachsinn.

Nichts mehr konnte sie ändern, das brachte jetzt nichts, das Wunschdenken. Sie würde Narutos Hand nicht loslassen, wenn sie Kiba fand, sie würde ihn nicht verlassen, nur damit Kiba glücklich war.

Denn. Ja, sie hatte es verdient glücklich zu sein!

Ja!

Und was ist mit Kiba?, flüsterte die kleine, böse Stimme in ihr. Ihr Magen krampfte sich zusammen. War das gerecht? Fürs eigene Glück, das Glück eines anderen zu opfern.

War das denn fair?

„Das ist das Leben“, sagte Naruto, keuchte, Hinata hatte gar nicht bemerkt, wie schnell sie sein konnte.

„Hab ich das laut gesagt?“

„Ja… Hör mal, Hina… Du… kannst nichts dafür… okay?“

„Nein.“

Nichts war okay. Gar nichts. War okay.

„Ihm könnte… was ist wenn… er ist mein bester Freund, Naruto. Er ist… was ist, wenn er sich was Schlimmes angetan hat? Ich bin dann schuld. Naruto…“, fügte sie hinzu.

Naruto.

Kiba hatte immer öfter das Gesicht verzogen, wenn sie den Namen gesagt hatte, wenn sie geschwärmt und gejammert hatte.

Warum hatte sie es nur nicht früher bemerkt?

Es war doch so… offensichtlich gewesen.

„Sie haben es alle gesagt, hm?“, meinte Naruto, sagte, was Hinata sich nicht traute zu sagen.

„Kiba ist eifersüchtig, Kiba ist in Hinata verliebt, haben sie gesagt. Ich hab weggehört. Ich hab gedacht: Lass sie reden, die wissen nichts. Die haben doch ihre eigenen Probleme.“

Er schwieg, Hinata lief jetzt endlich langsamer, ihre Beine zitterten zu stark.

„Ich bin auch schuld, Hina. Ich hab nicht drauf geachtet. Ich bin ein schlechter Freund.“

Hinata sagte nichts.

Hinata blieb still und dachte vor sich hin, ließ ihre Augen durch die Dunkelheit schweifen. Und plötzlich…

Was war das für ein Schatten?

Da, auf dem Gras.
 

KIBA!
 

Kankuro stolperte.

Fiel.

Rappelte sich auf.

Rannte.

Sein Kopf war leer, absolut leer, sein Mund trocken und voller Schreie.

Das letzte Mal, als er solche Angst gehabt hatte, war Temari wie vom Erdboden verschwunden gewesen und er hatte neben Gaara auf den Krankenwagen gewartet. Das letzte Mal, als er solche Angst gehabt hatte, wäre fast jemand gestorben.

Nein. Nein. Nein. Nein.

Der Wind, eiskalt schnitt er Tränenspuren in seine Wangen, konnte die Gedanken nicht ganz vertreiben, den Schmerz nicht ganz aufhalten.

Er zitterte.

Dann hörte er den Schrei. Laut und die Nacht durchreißend, lauter und schrecklicher. Als alles was er je gehört hatte.

Vielleicht ließ er sein Herz aber auch nur übertreiben, vielleicht war der Schrei einfach nur ganz in der Nähe.

Einen kurzen Augenblick lang erstarrte er zur Salzsäule, dann atmete er so schnell, trieb seine Beine zum Rennen an, schneller, schneller. Schneller.

Kankuro rannte in die Richtung, aus der er den Schrei gehört hatte, das Blut rauschte in seinen Ohren, sein eigener Atem versperrte ihm die Sicht.

Plötzlich rempelte er irgendjemanden an, hörte jetzt den gleichen Schrei wieder hinter sich. Jetzt doppelt so laut.

Ganz nah.

KIBA!

Er drehte sich nicht zu Hinata um, er sah den Schatten, das dunkle Etwas auf dem vereisten Gras liegen. Sein Fuß zerschlug eine Flasche, als er stolperte und direkt neben ihm zu Boden kam, zerschnitten die Scherben seine Hand.

Egal.

Macht nichts.

Kibas Gesicht war von ihm abgewandt, aber Kankuro sah die Flaschen, unzählige waren es, und leer waren sie. Er spürte die Kälte in seinen Gliedern.

Alles kalt.

Kalt.

„Ruft den Krankenwagen!“, hörte er jemanden. Wer? Keine Ahnung, wen interessierte es?

Die ganze Welt hatte plötzlich den Ton verloren, alles kam ihm so unverständlich leise vor, wie durch Watte, durch Nebel.

Das Chaos hörte er kaum, das Stimmengewirr. Die Anweisungen der Sanitäter, die Sirenen, warum war plötzlich alles in blaues Licht getaucht?

Unter Wasser.

Ohne Luft zum Atmen.

Alles still und langsam.

Und blau.

Kankuro griff nach Kibas Hand, so eiskalt. Streifte die Haut bis er zurückgedrängt wurde von einer kleinen Frau mit klarer Stimme. Er hörte sie etwas deutlicher, vielleicht weil sie ihn an seine Mutter erinnerte.

„Los… macht platz! Wo sind… los, bringt mir…“

Bruchstücke ihrer Stimme drangen zu ihm durch, er stand nur daneben und konnte sich nicht bewegen.

War das echt?

Passierte das wirklich?

Kiba lag auf einer Trage, festgezurrt und eingehüllt bis zum Kinn. Sie schoben ihn vorbei und er hörte, wie die Frau fragte, ob jemand mitkommen wolle.

Alle schwiegen, Hinata drückte sich an Naruto und schwieg. Ihr Gesicht war ganz nass und noch bleicher als sonst.

Die Frau sah ungeduldig aus, da schlug jemand Kankuro auf den Rücken und er fiel einige Schritte nach vorne.

„Er hat ihn gefunden“, sagte Temari, als er sich zu ihr umdrehte, sah sie ihn an. Direkt; und er wusste, dass sie wusste, was er nicht wissen wollte.

Da nickte die Notärztin und schob ihn in den Krankenwagen, die Türen schlugen zu und er saß neben Kiba.

„Du blutest“, sagte die hektische Frau, denn hektisch war sie. Kramte hier und da ein bisschen, rückte dort etwas gerade, feuerte Blicke auf dieses und jenes in allen Ecken.

Kankuro sah seine Hand an.

Es tat gar nicht weh.

Da steckte eine Glasscherbe in der Hand. Grün und gebogen. Mit einem Ruck war sie draußen, Blut spritzte ihm rot und klar und wirklich entgegen. Das hier war so viel wirklicher, als ein Kiba, der weiß wie matschiger Schnee und so unkibahaft reglos vor ihm lag. Kankuro hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um rote Tropfen auf seine blasse Haut fallen zu lassen.

Wie im Märchen von der Gänseprinzessin.

Mutter hatte es früher erzählt und irgendwann Temari. Er konnte sich noch an jedes Wort erinnern; aber warum fiel ihm das ausgerechnet jetzt ein?

„Deine Hand!“

Kankuro schreckte auf, die Frau, die Ärztin bemerkte seinen Blick – nicht von dieser Welt – und zog seine Hand selbst zu sich.

„Das muss genäht werden, die machen das im Krankenhaus. Halt das drauf“, meinte sie noch und drückte ihm irgendetwas Weiches auf die Wunde.

Das Blut durchweichte den Stoff, färbte ihn rot.

Gab es so was auch für Herzen?
 

„Es wird alles gut“, sagte Asuma und die Worte schafften es tatsächlich, vollständig zu Kankuro durchzudringen. Immerhin war es inzwischen früher Morgen.

„Kibas Mutter kommt auch bald“, meinte er, setzte sich neben Kankuro auf einen der unbequemen Plastikstühle und sprang sofort wieder auf. Er war nervös, murmelte zum dritten Mal „Es wird alles wieder gut“ und verstummte erst, als er Kankuro ansah.

Seit drei Stunden wartete er. Hier, in diesem kalten, weißen, nach Chemikalien riechenden Flur, wo all die Erinnerungen wieder hochkamen, die er eigentlich vergessen wollte.

Um seine Hand war ein Verband gewickelt, er spürte ihn kaum.

Es gab schlimmeres.

Asuma sah ihn seltsam an, aber Kankuro wollte ihn ignorieren.

„Du siehst wie jemand aus“, fing Asuma plötzlich an und zwirbelte sein Hemd zwischen den Fingerspitzen, er sah aus wie ein Raucher ohne Zigarette, „der reden sollte.“

Die Worte kamen nicht, als habe er sie schon oft genug gesagt, obwohl das so sein musste. Asuma gehörte zu der Art Mensch, die die richtigen Dinge einfach zum richtigen Moment aussprach.

Kankuro hätte gern geredet, ein Teil von ihm zumindest wollte. Doch er verstand sich nicht besonders gut mit diesem Teil. In seiner Brust saßen Sätze zum Schreien, nicht zum Reden.

Eigentlich hätte er nicht antworten müssen, aber Asuma war nervös, weil er keine Kippen hatte. Und sie saßen hier in einem Krankenhaus, Kankuro hasste Krankenhäuser.

„Ich hab meinen eigenen Therapeuten“, murmelte er deshalb und es sollte ein Scherz sein. Nur war keiner in diesem Moment zu Scherzen aufgelegt, und es klang ernst.

Asuma nickte. „Krankenhäuser sind scheiße.“

Kankuro sah zu ihm auf. Nickte.

Das waren sie.

Krankenhäuser riefen Erinnerungen wach, viel zu viele, und die konnte er gerade am wenigsten gebrauchen.

Es wäre gut gewesen, jetzt Temari an seiner Seite zu wissen. Sie war eigentlich, die einzige… die einzige, die… es wusste. Die sich zusammenreimen konnte – und es vermutlich schon getan hatte –, was in ihm vorging. Temari verstand ihn, auch wenn sie beide darüber manchmal nicht glücklich waren.

Sie waren doch nur Geschwister.

Der Flur lag da wie ausgestorben; es herrschte Schweigen, die Luft schien flüssig wie Honig und genauso klebrig. Unatembar.

Kankuros Hand pochte im Rhythmus seines Herzschlags, so deutlich. Er spürte, wie es in ihm arbeitete, spürte wie lebendig er war, obwohl ihm das Luftholen schwer fiel. Solche Momente hatte er oft. Nicht nur in Krankenhäusern.

Sehnsucht, Kankuro konnte Sehnsucht nicht ausstehen. Normalerweise rief er dann Temari an, aber… jetzt nicht. Nie die richtige Zeit, es war nie richtig.

In seinem Leben lief vieles nicht richtig. So langsam fand er sich damit ab.

„Ich steh auf Jungs“, platzte er plötzlich heraus. Wusste selbst nicht, warum. Hatte er nicht gerade eben noch…?

Was soll’s? Jetzt ist es raus.

Asuma zuckte nicht einmal.

„Haben Sie nichts zu sagen?“, fragte Kankuro, tat entspannt sarkastisch, obwohl sein Herz immer schneller schlug. Jetzt war es sowieso zu spät zum Schweigen.

„Was willst du hören?“

Er zuckte mit den Schultern. Hatte nicht wirklich vor, darauf zu antworten, da kam sowieso grade ein Arzt, steuerte auf sie zu und blieb vor ihnen stehen. Kankuro blieb sitzen, ihm fiel auf, dass er nicht einmal freiwillig hier war.

„Sind Sie der Lehrer?“, fragte der Arzt.

Asuma erhob sich, nickend. „Sarutobi.“

„Sind die Eltern informiert?“

Wieder ein Nicken.

„Gut, dann...“ Er zögerte. „Wir mussten den Magen auspumpen, Alkoholvergiftung. Außerdem lag er zu lange im Freien, Unterkühlung.“

Kankuro wollte sich die Ohren zuhalten. Und sich das Herz rausreißen, vielleicht verging dann dieses widerliche Ziehen in der Brust.

„Ist er wach?“

„Nein. Aber Sie können zu ihm, bis die Familie erscheint. Zimmer 311.“ Kurz wartete er noch auf eine Reaktion, dann verabschiedete er sich und machte auf dem Absatz kehrt. Kankuro mochte Ärzte so oder so nicht.

Asuma setzte sich wieder neben ihn.

„Willst du nach Hause?“

Nach Hause? Wo sie ihn anstarren würden, wo sie ihn fragen und fragen und fragen würden? Wo sie tatsächlich Antworten erwarteten?

Wo Temari war? Mit Shikamaru…?

Er schüttelte den Kopf.

„Willst du zu ihm?“

Kankuro blieb still, regungslos.

Wollte er?

Er war sich schon lange sehr sicher, was er wollte. Nur hier, nur jetzt, da war es schwer, das Wollen. Heute war die Unsicherheit, die Regungslosigkeit wieder da gewesen, den ganzen Tag schon. Die Wut auf sich selbst und auf alle anderen, er hatte gedacht, sie überwunden, vergessen zu haben.

Die Frage war nicht, ob er wollte.

Die Frage war, ob er konnte.

Ein himmelweiter Unterschied.

„Ich bin müde“, sagte Kankuro. Und das war er. Er war schrecklich müde.

Das Wollen und Nichtwollen, das Sein und Nichtsein, das Perfektseinwollen. Das machte müde.

„Am besten schläfst du auch hier“, sagte Asuma, meinte es ganz praktisch.

Kankuro versuchte ein Nicken, aber… aber…

Asuma verstand.

Kankuro war müde.
 

Kankuro kommt an.
 

Liebe macht blind.

Vielleicht war ja was dran an dem Spruch, vielleicht war er wirklich blind gewesen für alles andere, für all das wichtige.

Naruto saß in diesem weißen Krankenhausflur und fühlte sich steril, und gleichzeitig dreckig. Es war Mittag und man hatte gesagt, Kiba ginge es gut. Den Umständen entsprechend, ja, so hatten sie es ausgedrückt.

Neben ihm saß Hinata. Sie zitterte ein bisschen und sah vermutlich aus, wie er sich fühlte. Keiner von ihnen hatte schlafen können in dieser Nacht, in der der Krankenwagen vorgefahren war und Kiba mitgenommen hatte. Naruto hatte ihn gesehen – Kiba, nicht den Krankenwagen, na ja, den auch – und er hatte schon gewirkt, als wäre er tot. Total tot.

Er war schuld.

Schuldig.

Naruto wusste nicht, wie die anderen das sahen, sie hatten auch nicht reden können in dieser Nacht, sie konnten einfach nicht. Was tat man, wenn ein Freund ins Krankenhaus musste?

Weil er getrunken hatte, nicht nur über den Durst, sondern… als wolle er allen Kummer ertränken. Als würde sich dadurch etwas ändern.

Nun, es hatte sich etwas geändert.

Naruto sah hin.

Einerseits wollte er Hinatas Hand halten, so fest, sich an ihr festhalten, nur damit diese dumme Angst endlich verschwand. Diese Sorge.

Und auf der anderen Seite sah er, wie die Sanitäter Kiba in den Krankenwagen schoben.

Darum sprang er auf, als er Sakura sah, die durch den Flur kam, Plastikbecher in beiden Händen.

„Kannst du mir zeigen, wo’s die gibt?“, fragte er, fühlte Hinatas Blick im Rücken.

„Klar“, sagte Sakura, gab Temari einen der Becher – sie waren die einzigen vier aus der Klasse, das war so bestimmt worden – und ging den Gang wieder zurück.

Erst schwiegen sie.

An einem anderen Tag wäre Sakura misstrauisch geworden, schon allein deshalb, Naruto hielt sonst nie die Klappe, das wusste er. Aber heute. Da war auch was mit ihr, da war was mit allen. Sakura war leicht grau um die Nase, ihr Blick ausgelaugt und ihre Haare standen nach allen Richtungen hin ab.

Immer wieder kniff sie die Augen zusammen.

„Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin“, stöhnte sie und rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen.

„Zu viel… getrunken?“, meinte Naruto leise, vorsichtig.

„Weniger als Kiba.“

Es sollte ein Scherz sein, aber es war nicht witzig, Sakura wusste das selbst.

„Um deine Frage zu beantworten“, sagte Naruto und verlangsamte seine Schritte; am Ende des neuen Ganges war der Kaffeeautomat aufgetaucht und er hatte es nicht eilig, den Rückweg anzutreten. „Du machst dir Sorgen, wie wir alle. Und außerdem hat Tsunade gemeint, eine zukünftige Ärztin sollte die unschönen Seiten des Berufs sehen. Du willst Ärztin werden?“

Sakura zuckte mit den Schultern. „Ja, keine Ahnung. Was soll ich denn sonst werden? Ich bin gut in solchem Medizinkram. Aber im Moment… bin ich mir nicht sicher…“

„Die unschönen Seiten?“, zitierte er und erntete wieder nur ein Schulterzucken.

„Ich bin schrecklich im Umgang mit Menschen.“

Zum ersten Mal an diesem Tag grinste Naruto. Aber es war ein spöttisches Grinsen.

„Du? Ausgerechnet du, Sakura Haruno, die Einfühlsamkeit in Person.“ Naruto war so freundlich und erwähnte nicht ihre Jähzornigkeit.

Sakura seufzte, erwiderte nichts, aber er sah, dass ihr etwas auf der Seele lag. Etwas, das nichts mit Kiba und Krankenhäusern zu tun hatte.

Er steckte Geld in den Automaten und sie warteten schweigend.

Währenddessen dachte Naruto daran, warum er eigentlich hergekommen war, warum die anderen gesagt hatten, er solle zu Kiba. War es wegen Hinata? Denn bei ihr war es klar, warum sie hier war, immerhin war sie Kibas beste Freundin. Auch wenn sie sich anfangs noch gesträubt hatte. Nicht aktiv natürlich, so war sie nicht, aber er hatte diesen Widerwillen in ihren Augen gesehen, den er selbst offen an den Tag gelegt hatte.

Oder war es, weil…

Wussten es die anderen? Hatten alle anderen es gewusst oder zumindest geahnt, nur er war blind gewesen?

So blind…?

Was wurde denn erwartet von ihm? Eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung, warum er sich in Hinata verliebt hatte?

Trennung?

Nun, dann war er lieber schuldig.

Der Kaffee war fertig und er wollte trinken, eine Stärkung. Er brauchte jetzt etwas, das ihm klar machte, dass er nichts Falsches tat, nur weil er so verdammt verliebt war.

Lieber Gott, gib mir ein Zeichen!

„Ich hab Itachi geküsst“, sagte Sakura.

Naruto verschluckte sich, prustete Kaffee auf sein Shirt.

„Ich meine“, Sakuras Stimme überschlug sich, „ich glaube zumindest, dass ich ihn geküsst habe. Ich hab so viel getrunken und es ist alles so verschwommen, aber… aber… geküsst hab ich jemanden. Nur…“

„Sakura!“

„Ja?“

Sie schien verzweifelt.

„Halt mal die Luft an“, murmelte Naruto, sein Hals brannte von dem heißen Getränk. Das war eigentlich nicht das Zeichen gewesen, auf das er gehofft hatte.

„Aber…“

„Nein“, schnitt er ihr das Wort ab. „Wenn du Itachi geküsst hast, dann sprich ihn an, du verstehst dich doch anscheinend gut mit ihm. Und außerdem… sag mal, hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Er ist ein Lehrer! Und, noch schlimmer, er ist Sasukes Bruder!“

„Referendar“, murmelte Sakura kleinlaut.

„Ist doch egal“, fuhr Naruto sie an. „Das macht es auch nicht besser!“

„Ich bin mir doch nicht mal sicher, ob er mich erkannt hat. Ich hatte doch das Kostüm an und er hatte das Kostüm an. Vielleicht hab ich ihn auch… verwechselt, wegen diesem blöden Zorro-Hut…“

Da schaltete Naruto ab.

Er fand sich selbst egoistisch, aber er hatte eigene Probleme und außerdem…

„Zorro?“

Und da beschlich ihn eine Ahnung.
 

Sasuke versteht.
 

Irgendwie hatten sie es zustande gebracht, Kankuro in Kibas Zimmer zu legen, das eigentlich ein Einzelzimmer war.

Er lag da, auf einem zusätzlichen Bett, und Temari bezweifelte, dass diese Idee, von wem sie auch stammte, gut gewesen war.

An Kibas Bett saß eine junge Frau, Kibas Schwester. Draußen auf dem Gang war Temari auch schon seiner Mutter begegnet. Sie schien nett zu sein.

Kankuro schlief noch, unruhig zwar, aber er schlief und Temari bewunderte ihn dafür. Hier herrschte solcher Trubel überall. Dabei war er nicht mal ein richtiger Patient und sie sollte froh darüber sein, sie wusste das. Aber eigentlich dachte sie die ganze Zeit nur daran, dass jetzt alle Sabakuno-Geschwister schon mal im Krankenhaus gelandet waren, Kankuro reihte sich ein in diese Kette unglücklicher Familienzustände.

Sie fragte sich, ob sie ihm ähnlich war. Erkannte man ihre Verwandtschaft, ihre Verbundenheit?

Hana sah Kiba sehr ähnlich. Das gleiche Haar, wild und braun, die gleichen wachen Augen.

„Was ist?“, fragte sie plötzlich und zog die Brauen zusammen, Temari bemerkte, dass sie gestarrt hatte.

„Nichts“, meinte sie, überlegte es sich aber doch noch anders: „Du siehst ihm ähnlich. Kiba, meine ich.“

Hana rümpfte die Nase, aber sie lächelte trotzdem.

„Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ich jetzt beleidigt“, sagte sie. „Aber heute…“

Ihr Blick huschte schnell über Kibas reglosen Körper, der fast vollständig unter der Bettdecke verschwand. Und dann wieder zurück zu Temari und zu Kankuro.

„Weißt du, warum das passiert ist? Warum er das gemacht hat? Du gehst doch auf seine Schule.“

„In seine Klasse“, sagte Temari und wollte den Rest hinauszögern, die Antworten, die sie nicht geben wollte. Die doch eigentlich jeder wusste.

„Warum wohnt Kiba eigentlich im Internat?“, fragte sie, ihre Stimme zitterte kein bisschen. „Wenn er doch seine Familie hier hat.“

Hana zuckte mit den Schultern, wie jemand, der nur widerwillig antwortet.

„Ma arbeitet den ganzen Tag und ich wohn nicht mehr zu Hause, er wäre also sowieso den ganzen Tag mit seinen Freunden in der Schule.“

Temari nickte und sah wieder Kankuro an, nur um Hana nicht ansehen zu müssen.

„Bist du mit ihm befreundet?“

Sie zuckte.

„Indirekt“, murmelte sie und jetzt konnte sie nicht länger zögern. Hana wartete nur noch.

„Er war… ist verliebt… in ein Mädchen…“, murmelte sie und zögerte wieder.

„Alles andere fände ich auch seltsam“, grinste Hana und Temari erwiderte nichts darauf. Sie dachte wieder an Kankuro und war froh, dass er schlief, sehr froh.

„Dieses Mädchen“, fuhr sie fort.

Und dann erzählte sie. Langsam und stockend, aber trotzdem fiel es leichter als gedacht. Vielleicht weil sie beide Schwestern waren, vielleicht weil sie hier beide an den Betten ihrer kleinen Brüder saßen und sich verbunden fühlten, für diese Minuten zumindest.

Sie wollten beide nur das Beste für ihre Brüder. Dabei war ihnen bewusst, dass sie das nicht konnten, dass es nicht möglich war, sie vor diesem Schmerz zu beschützen.

Obwohl sie alles dafür getan hätten.

„Das erklärt einiges“, meinte Hana, als Temari geendet hatte. Dann schüttelte sie den Kopf und lächelte. Ihre Hand umschloss Kibas. „Nein, eigentlich erklärt das auch nichts. Aber es ist gut, dass ich es weiß.“

„Naruto und Hinata sind hier, draußen. Glaubst du…?“

„Ich kann ihn fragen, wenn er wach ist.“ Hana stand auf und streckte sich. „Ich muss mal kurz weg. So für ne Stunde, wegen der Hunde. Kannst du…?“

„Klar.“ Sie beendeten gegenseitig ihre Sätze, fiel Temari auf. Verrückt.

„Gut, dann… Ciao. Und“, Hanas Mund verzog sich so breit, dass Temari glaubte, ihr Gesicht würde in der Mitte auseinanderbrechen, „du siehst deinem Bruder auch ähnlich.“
 

Hana blieb lange weg. Zu lange.

Irgendwann fragte sich Temari, ob sich Kibas Familie überhaupt noch bei ihm blicken lassen wollte. Dann fiel ihr ein, wie Gaara nach einer Schlägerei ins Krankenhaus gemusst hatte. Sie war nicht da gewesen, nicht mal in der Nähe, nicht mal im Geiste. Damals war sie stur ihrem eigenen Weg gefolgt.

Wie viel ihr aus dem Leben ihrer Brüder fehlte, war ihr erst seit diesem neuen Schuljahr, seit diesem neuen Anfang schmerzlich bewusst.

Temari sah Kankuros bleich müdes Gesicht an. Von der friedlichen Ruhe, die man Schlafenden zusagte, war nichts zu bemerken; die Angespanntheit machte ihn alt.

Irgendwann zu der Zeit, in der Temari sich nur für ihn interessiert hatte, hatte Kankuro aufgehört, sie beschützen zu wollen wie der große Bruder, der er nicht war. Der Kontakt zerbrach wie eine alte, lange unbenutzte Schaukel, auf der nur noch Wind und Wetter mit all ihrer Schwere platz nahmen.

Eine morsche Kinderschaukel, nur noch Erinnerung.

Und dann… als nichts mehr gewesen war, wie zuvor, war Kankuro trotzdem da gewesen, auch wenn Temari sich dagegen – gegen ihn – gesträubt hatte. Er hatte alles versucht.

Trotzdem. Die kaputte Schaukel blieb verschwunden, selbst wenn sie ersetzt wurde durch ein neues, glänzendes und unangetastetes Plastikspielzeug.

Nichts wie zuvor.

Auch jetzt nicht.

Dabei blieb Kankuro immer, was er war: ihr Bruder. Und bei solchen Geschwistern wäre es eher überraschend gewesen, wenn er sein Leben tatsächlich auf die Reihe bekommen hätte.

Temaris Blick ruhte die ganze Zeit nur auf Kankuro. Es war erstaunlich, wie lange er schlief, aber auf der anderen Seite war sie selbst so müde. Am liebsten hätte sie auch die Augen geschlossen, die Augen geschlossen und die Dunkelheit, warm und samtig weich, zugelassen.

Ruhe. Stille. Frieden.

Erst als sie die leisen, raschelnden Geräusche von der anderen Seite des Zimmers hörte, war sie wieder hellwach.

„Kiba?“ Sie flüsterte. Dabei hatte er die Augen schon träge halb geöffnet; der warme Ausdruck in ihnen, den Temari an Kiba wirklich mochte, war verschwunden. Kalt und leer sah er sie an.

Traurig.

„Warte, deine Schwester…“ Sie wollte aufstehen, wollte zu einer der Schwestern rennen und Kibas Familie benachrichtigen. Ein heiseres Krächzen hielt sie auf.

„Hina… ta…“

Ihr Herz stach auf ihren Brustkorb ein, sie verzog das Gesicht. Das hier war nichts für sie, das wusste Temari. Das hier war etwas für Sakura, impulsiv und verständnisvoll, oder für Tenten, die wilde, gelassene Tenten.

Für Hinata mit ihrer unheimlichen Geduld und Ruhe. Eigentlich.

Nur nicht jetzt. Nicht hier.

Temari war nicht gut in solchen Gefühlsdingen. Sie bekam ja nicht mal ihre eigenen Gefühle in den Griff.

„Sie ist… draußen“, sagte sie, leise und fast glaubte sie, er habe sie nicht gehört. „Soll sie kommen?“

Kibas Blick wanderte zur Decke, wandte sich von ihr ab.

Traurig.

Dann drehte er den Kopf in die andere Richtung und schwieg. Wenn er Kankuro bemerkt hatte, behielt er seine Reaktion für sich.

Unschlüssig stand Temari noch eine Weile im Raum herum, setzte sich schließlich wieder an die Seite ihres Bruders. Wenn Kankuro nicht bald aufwachte, würde sie noch verrückt werden hier drin.

Als Hana kam, hatte Kiba nichts mehr gesagt und Temari war froh, endlich dieser Unsicherheit entfliehen zu können, ob er wieder eingeschlafen war oder noch immer die Zimmerdecke anstarrte.

Schwestern und Pfleger kamen und gingen, einmal an diesem Tag schaute Kibas Mutter vorbei, lächelte ihrem Sohn zu, wie Temari es sich immer von ihrer eigenen Mutter gewünscht hatte und sie blieb sogar. Und irgendwann, es war schon Mittag, wachte Kankuro endlich auf, sah seine Schwester wortlos an und seine Augen erinnerten an Kibas. Ein bisschen traurig, ein bisschen einsam.

Er kletterte aus dem Bett, Temari bemerkte, wie er sich zwang, Kiba nicht anzusehen und konnte es ihm nicht verübeln. Noch ein wenig zittrig war er auf den Beinen, aber er war zügig an der Tür.

„Bis dann“, murmelte Temari noch, lächelte, was ihr ziemlich gut gelang.

Vielleicht würde er ihr jetzt erklären können, vielleicht würde sich das alles jetzt wenden, besser werden. Vielleicht war ja jetzt endlich Schluss mit den Krankenhausgeschichten der Sabakunos.
 

Temari sieht Traurigkeit.
 

**********

So, jetzt hab ich wirklich zufrieden stellend viel (und immer noch zu wenig) geschafft.

Das Kapitel besteht vielleicht aus vielen Fragen und Antworten, ich hoffe, dass es trotzdem verständlich ist.
 

Wie steht’s bei den SasuxSaku-Fans? Zufrieden? ^^v
 

Bei Fragen zu Temaris (so im Nachhinein betrachtet etwas überdramatischen -.-) Vergangenheit vermerke ich auf Kapitel 13: (Alp)Träume der Nacht.
 

Vielen Dank für eure tollen Kommentare zum letzten Kapitel. Ich grinse dann immer so, zum Glück könnt ihr das nicht sehen xDD
 

Und vielen Dank für eure Geduld. Ich kann grade selbst nicht fassen, dass ich seit APRIL nichts mehr hier on gestellt habe *schock*

Ich mach jetzt ein bisschen Werbung und sage: Verkürzt euch die Wartezeit doch ein wenig mit meiner anderen FF „Himmel hinter roten Wolken“. Aber „The Different Ways of Love“ hat bei mir Priorität! Versprochen!
 

Bis zum nächsten Kapitel

inkheartop

Stille Nacht

Stille Nacht
 

Es war blau. Alles blau, das Licht und sein Atem; der Schmerz in seiner Brust pulsierte wie ein Meerblau, dunkel und tief, undurchdringlich.

Kiba starrte an die Decke, manchmal hörte er Hanas Stimme oder die seiner Mutter, lachend oder wütend, wie sie eben waren, aber die Worte drangen nicht zu ihm durch, blieben stecken im Blaufilter. Das war tagsüber.

Wenn es hell war, schimmerte es um ihn herum. Er sah diese Menschen in Kitteln, die mit den besorgten und die mit den fürsorglichen Blicken. Er sah die Menschen mit den leidenden Blicken, den schuldbewussten. Sie wichen seinem Blick aus, blieben nicht lange, die meisten.

Das war tagsüber.

Kiba erkannte Gesichter, Haarfarben und Augen, einmal eine Stimme, dunkel und aufgekratzt ruhig. Aber er sagte nichts und sie gingen wieder, verschwanden in dem Wasser, das ihn verschluckte, ertränkte. Alles hörte sich eigenartig dumpf an, falsch und rauschend wie Regen auf der Autobahn.

Naruto versuchte ein Lächeln, aber es misslang ihm so furchtbar, dass sogar Kiba es bemerkte. Er blieb länger als die meisten anderen, war das jetzt gut oder nicht? Er war sich nicht sicher, er sah zwar das gescheiterte Lächeln, aber er hörte ihn nicht, noch schlechter als alle anderen. Da war dieser Drang in seiner Brust, einfach zu schreien, wenn er Naruto sah, laut zu schreien; nur das Blau hinderte ihn daran, nahm ihm die Luft.

Er glaubte kaum, dass es mehr Schmerz geben konnte. Und er wollte sich nicht irren.

Der Arzt kam einmal am Tag; Kiba zählte nicht mit, aber er war schon oft da gewesen. Seine Augen glitten immer von Patient zu Krankenakte und wieder zurück, dann fragte er Dinge und Kibas Mund öffnete sich. Er sprach, sein Mund sprach, aber er hörte nur Seifenblasen, schillernd im Raum, bitter auf den Lippen.

Es gab eine Sache, die Kiba verstand. Sie sagten es, jeder sagte es und irgendwann begriff er, was das Wort bedeutete – das war kurz nachdem diese Frau bei ihm gewesen war, die keinen Kittel trug und sich hinsetzte, aber sie war trotzdem Ärztin, sie hatte diesen Blick, auch wenn er sich von anderen unterschied.

Sie war die Erste, die diese eine Sache nicht sagte. Erst saß sie nur still da und sah ihn an, aber besonders interessant konnte er nicht sein, weil er auch hier nur an die Decke starrte. Dann begann sie zu reden und einzelne Worte schnappte er wohl auf, im Nachhinein wusste er sie aber nicht mehr.

Auch sie kam tagsüber. Aber sie blieb länger, sie schaffte das Lächeln, selbst wenn es ernst war, und sie redete viel.

Nach ein paar Tagen wusste Kiba, dass sie Toshiko hieß, dass sie Psychologin war. Sie benutzte oft die Wörter Schock und Kummer.

Heute hörte er den Wind am Gemäuer zerren, als Toshiko kam, sich den Stuhl heranzog, auf dem seine Mutter heute schon gesessen hatte, und lächelte. Eine Weile sagte sie nichts und so langsam verstand er, dass sie auf ihn wartete. Ob er etwas sagen würde. Die Seifenblasen klebten.

„Kiba“, sagte Toshiko, ihre Stimme hellte das Dunkel ein wenig auf, aber das Wasser um ihn herum verschluckte den Klang, als sie fortfuhr. Etwas sagte sie von Mädchen, Trinken und Kummer, dann schwappte die Flut über Kibas Kopf zusammen.

Luft brauchte er hier nicht, hatte er bemerkt, er musste hier nicht atmen. Hier konnte er sich auf sein Herz konzentrieren, auf das Klopfen, das den Schmerz in seine Adern pumpte. Den Kummer. Es tat weh, aber ohne das Atmen ging es, ohne das Atmen wurde er taub und stumpf.

Toshiko blieb nicht so lange wie sonst an diesem Tag. Ob es schon wieder Nacht war und sie deshalb ging?

Tagsüber war ja in Ordnung, aber…

Jemand stand da und wegen diesem Jemand war Toshiko gegangen, wegen diesem Jemand sollte die Nacht heute früher kommen.

Er stand lange, die Hände vergrub er tief in den Hosentaschen und Kiba spürte wie der Atem des anderen ihn wieder zum Atmen brachte, was er unfair fand, aber er glaubte nicht, dass er etwas dafür konnte.

Er war heute zum ersten Mal da… oder doch nicht, Kiba erinnerte sich daran, wie er aufgewacht war – wie lange war das her? – und da lag dieser Jemand im anderen Bett und neben ihm saß Temari.

War Kankuro auch krank gewesen? Hatte er sich auch zu Tode saufen wollen?

Plötzlich musste Kiba Luft holen, schwer einatmen, als der Gedanke durch seinen Kopf schoss. Weil es so absurd war.

Zu Tode.

Tief im hintersten Winkel seines Kopfes leuchtete ein kleines, grelles Licht auf, leuchtete in dunkle, schwarze Ecken, die Kiba eigentlich nicht sehen wollte. Angst vor der Dunkelheit, war das so schlimm?

Angst vor dem, was in der Dunkelheit auf ihn wartete.

Der Schmerz.

Die Liebe.

Silbernes Funkeln, nichts weiter. Sternschnuppenhoffnung, so schnell wieder weg, dass er sich fragte, ob sie jemals da gewesen war.

Kiba begann mit dem Denken. Mit dem Fragen, als die Watte nicht mehr sein ganzes Hirn vernebelte; das Wasser war noch da und so schnell würde es auch nicht verschwinden, das Atmen fiel noch schwer, die Flut ebbte nur ab.

Er musste schwimmen.
 

An guten Tagen bekam Kiba mit, wie sie vor der Tür diskutierten. Über ihn und über andere Sachen, sie waren so laut. Manchmal glaubte er, jemanden singen zu hören, summen. Aber es war so unwirklich, die Stimme so weit entfernt, ein Meer zwischen ihnen.

Kiba verstand nur die lauten Stimmen.

„…hast du das gemacht?“ Naruto. Naruto fing immer an und wenn Naruto schrie, machten die anderen immer mit, das war wie Domino. Besonders Sakura. Aber dieses Mal, dieses Mal war es fast unheimlich ruhig. Er hörte Sasuke trotzdem, schwirrend und da wurde ihm klar, dass die Tür offen stand.

Reglos lag Kiba da, die Augen geschlossen. Und lauschte.

„Ich hab gar nichts gemacht“, brummte Sasuke, fast beleidigt.

„Zum Küssen gehören zwei.“

Küssen. Kiba drängte die Bilder zurück.

„Wieso löcherst du mich so? Sie hat mich geküsst, wenn dir die Formulierung lieber ist.“

„Sie dachte, sie küsst Itachi!“ Das letzte Wort kam so vorwurfsvoll angeekelt, dass es beinahe schon wieder bewundernd war.

Dachte? Hast du…?“

„Nein. Ich bin ein guter Freund, weißt du. Zu dir zumindest, für sie bin ich gerade ein total beschissener Freund. Ich sollte ihr die Wahrheit erzählen!“

„Gar nichts solltest du. Erstaunlich, dass sie überhaupt noch weiß, dass sie irgendwen geküsst hat, sie war so betrunken.“

„Lenk nicht ab!“

„Mach ich nicht!“

Vermutlich sprach Sasuke nur mit Naruto so. So ungehemmt, weil sie sich eben schon ewig kannten.

Eine Pause, Stille.

Dann.

„Warst du nicht mit Hinata verabredet?“

Jetzt lenkst du aber ab!“

„Schon gut.“ Sasuke seufzte. „Hör mal…“ Er zögerte noch. „Ich hatte das nicht geplant, okay? Es ist einfach… Sie ist… einfach passiert und ich… Es war klasse, ja. Und auf der anderen Seite… hat sie gedacht, ich wäre er.“

„Ich werde es ihr nicht sagen“, meinte Naruto nach einer Weile. „Du sagst es ihr. Sie muss das wissen und… ich hab im Moment genug am Hals.“

Kiba konnte spüren, wie eine Welle blauen Blicks zu ihm herüberschwappte.

Mit Bildern.

Und Gefühlen, diesen furchtbaren Plagegeistern.

„Ich bin nicht besonders…“, fing Sasuke an, aber Naruto schnitt ihm harsch das Wort ab.

„Denkst du, ich? Und trotzdem hab ich es irgendwie hinbekommen. Darfst nur nicht aufgeben.“ Ein Schulterklopfen. Schritte.

Tausend Blickestropfen, aber die Gefühle blieben dieses Mal außen vor. Kiba drehte den Kopf vorsichtig zur Seite und sah Sasuke durch die offene Tür an, die schwarzen Augen schwebten erst nur durch den Raum, dann bemerkte er ihn und runzelte die Stirn.

„Du bist wach“, stellte er fest, unsicher kam er näher. Kiba konnte nur nicken.

„Wie viel hast du gehört?“

Er sagte es wie selbstverständlich, kein Vorwurf, nur diese Unsicherheit, die nicht so recht zu Sasuke passen wollte. Verliebtsein stand ihm nicht.

„Genug“, murmelte Kiba, erstaunt über den rauen Heiserklang seiner Stimme, die er plötzlich wieder hören konnte. Die Seifenblasen platzten langsam in der Luft, spritzten Regenbogentränen auf die Bettdecke, sein Gesicht.

Jetzt war Sasuke wieder verschlossen, nichts mehr übrig von der seltsamen Offenheit, die er vor Naruto an den Tag legte. Seine Augen schimmerten schwarz, aber sie schienen ihn nicht mehr zu sehen.

„Scheißgefühl, was?“ Er wollte seine Stimme wieder hören, wieder und wieder. Also sprach er, es kratzte im Hals, aber das machte nichts. Sasuke zuckte mit den Schultern. Er wusste genau, was Kiba meinte, aber er erwiderte nichts.

Eine Weile lang blieb es still, dann lächelte Kiba plötzlich, er wusste selbst nicht, woher das Lächeln plötzlich kam.

„Vielleicht wäre der Schmerz erträglicher gewesen, wenn ich es ihr einfach gesagt hätte. Vielleicht läge ich dann nicht hier.“ Das war viel, vielleicht sogar zu viel, ein bisschen verlor er an Kraft, beim letzten Satz.

Reden war anstrengend, wie Denken auch.

Es war das erste Mal, dass er es wirklich aussprach, dass er es dachte. Sicherlich wäre Toshiko stolz auf ihn, zumindest glaubte Kiba das. Er sollte mit ihr reden, morgen.

Vermutlich schlief er über diesem Gedanken ein. Als er aufwachte, war es dunkel und Sasuke war verschwunden.
 

Tagsüber war alles erträglich, irgendwie. Wenn Licht durch sein Fenster auf das Bett fiel, kam all die Traurigkeit nicht hervor.

Erst nachts kamen die Alpträume, erst nachts ließen sich die Gedanken nicht mehr aufhalten, rasten durch seinen Kopf wie Kugeln. Eigentlich war es gar nicht Traurigkeit, die ihn dazu brachte, fast schlaflos an die Decke zu starren. Eher die Angst.

Angst.

Kiba lernte viel über Gefühle in diesen Tagen. Über betäubte, unterdrückte, dunkle Gefühle, über ausgelebte, bunte Gefühle. Sie waren alle irgendwie gleich, irgendwie ähnelten sie sich, aber es gab einige Dinge, die heraus stachen.

Erstens: Angst.

Angst war grau und schimmernd, verführerisch, lockte zum Betäuben, aber auch zum Überwinden.

Angst war allgegenwärtig, war nichts schlimmes, auch wenn es die Luft abschnürte. Angst ließ sich gern besiegen, aber sie war hinterlistig.

Zweitens: Sehnsucht.

Sehnsucht war seltsam. Zerriss das Herz und klebte es gleichzeitig, hielt es zusammen. Sehnsucht glitzerte am Morgen und wurde raumfüllend bei Nacht. In der Einsamkeit. Sehnsucht kam nie ohne Einsamkeit; oder ohne Zweisamkeit.

Kiba wollte tagsüber am liebsten schlafen, nachts wach liegen und das Licht der Laterne vor seinem Fenster durch die Lücken in der Jalousie hypnotisieren. Wenn er allein war, allein mit der sanften, realen Dunkelheit, war alles so viel klarer. Die Welt hatte Konturen und seine Gedanken ratterten vor sich hin; er wusste genau, was geschehen war.

Was noch immer geschah.

Hinata.

War.

Ein Traum. Ein ferner Traum, jetzt noch so viel unerreichbarer. Sie hatte ihr Glück gefunden und er wusste, dass er sich dafür freuen sollte. Eigentlich.

Aber nahm es ihm irgendjemand übel, wenn er es nicht tat?

Alle redeten sie vom Tod. Hier im Krankenhaus, auf den Gängen, wenn sie dachten, er höre sie nicht.

Er hatte nicht versucht, sich umzubringen.

Kiba erschauderte.

Vielleicht war das das Einzige, worin er sich sicher war. Er wollte nicht sterben, um keinen Preis der Welt.

Es war nur ein Versuch gewesen – ein Experiment –, um den Schmerz zum Schweigen zu bringen, die Schreie verstummen zu lassen. Funktioniert hatte es nicht wirklich – Kiba erinnerte sich noch an die Wärme des Alkohols in seinem Magen, wie es gekribbelt hatte überall. Dann war da nur noch Kälte, eisig und klamm.

Und er war hier wieder aufgewacht.

Sie behandelten wie ein rohes Ei, wie eine verdammte Zeitbombe. Er spürte ihre Blicke, ihre Fragen: Wird er es wieder versuchen?

Er hatte es nie versucht, nicht das, was sie dachten.

Vielleicht würde Hinata ihn verstehen. Vielleicht.

Aber Hinata… sie hatten erzählt, dass sie da wäre, oft. Kiba bemerkte nichts davon.

Irgendwann schlief er doch ein, versank in makellosem Schlaf.
 

Die Sonne breitete ihre Winterstrahlen erschreckend hell auf der Bettdecke aus, strich über Kibas Gesicht. Er wachte nicht davon auf.

Jemand beobachtete ihn.

Als er den Kopf drehte, war die Tür verschlossen, im Raum war es still und die Uhr neben seinem Bett gab irgendwann mittags an.

„Du bist wach.“ Es war eine Feststellung, genauso gut hätte er sagen können, dass der Himmel blau war – tatsächlich war er das an diesem Tag: erschreckend blau für Februar.

Kankuro saß an der gegenüberliegenden Wand auf dem Boden, die Knie angezogen, den Kopf in die Hände gestützt. Er sah so seltsam aus wie Kiba sich fühlte.

„Sieht so aus“, murmelte Kiba und wandte den Blick wieder ab. Kankuro war zum ersten Mal hier, wenn man den Anfang nicht zählte. Er fragte sich, warum er ihn besuchte, sie konnten sich nicht mal sonderlich gut leiden; eben wie Klassenkameraden. Nichts weiter.

Sie schwiegen, Kiba hörte Kankuros lauten Atem neben seinem eigenen, rasselnden; in dieser Nacht des Balls musste er sich mehr als nur erkältet haben.

„Hab gehört, dir geht’s immer noch nicht so gut“, sagte Kankuro plötzlich, seine Stimme klang eigenartig rau und nervös.

„Passt schon.“

„Tema hat… Temari hat erzählt, sie wäre dagewesen, als du aufgewacht bist.“

„Kann sein.“ Er war selbst überrascht wie gleichgültig er klang. Dann runzelte er die Stirn. „Du doch auch, oder?“

„Was?“

Kankuro wusste, was er meinte, Kiba war sich sicher. Er sah ihn immer noch nicht an.

„Du warst auch da, als ich aufgewacht bin. Oder? Du lagst im Bett. Was war eigentlich?“ So nebenbei gefragt erschien es beinahe desinteressiert.

Kankuro zögerte.

„Ja.“

„Warum?“

„Was?“

Jetzt drehte Kiba sich doch zu ihm um, und wünschte sich, er hätte es nicht getan. Kankuro sah wirklich seltsam aus, blass und so gar nicht wie er selbst. Wo war dieser strahlend mörderische Freak hin, dem die Frauen zu Füßen fielen, wenn er nur den Mund aufmachte? Der sang und schauspielerte als gäbe es kein Morgen, als gehöre die Bühne ihm und nur ihm allein, weil er schon auf ihr geboren wurde.

Kankuro wich seinem Blick gezielt aus, er verbarg es nicht einmal. Er war des Verbergens müde.

„Ich hab dich… gefunden“, brummte er schließlich, seine Finger krallten sich kurz in seine Jeans. „Im Gras, zwischen den Scherben.“

„Die Flaschen.“

Kankuro nickte.

„Hab mich geschnitten, war nicht so schlimm, aber…“ Er brach ab.

Warten war einfacher geworden, bemerkte Kiba für sich. Ein bisschen Ungeduld hatte wohl büßen müssen für den Alkoholexzess in der Ballnacht.

Er wartete.

Eine Weile.

„Aber?“

Kankuro zuckte zusammen und sah Kiba plötzlich und kurz an, unter seinen Augen lagen dunkle Schatten. Dann zuckte er wieder zurück.

„Ich war müde“, murmelte er, wandte den Blick zum Fenster. „So müde.“ Ein Flüstern, Kiba verstand ihn kaum.

Die folgende Stille war mit einem Mal unangenehm.

„Zu viele Mädchen aufgerissen, oder was?“, fragte Kiba hastig, vielleicht wollte er einen Themenwechsel, dann ging es gründlich daneben.

Trocken lachte Kankuro auf, grinste und der Ausdruck in seinen Augen, als er Kiba endlich richtig fixierte, war verächtlich.

„Nein.“ Erschreckend bitter.

Kiba wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, jedoch… Kankuro nahm ihm die Entscheidung ab. Er stand auf und sah viel erwachsener aus als sonst, wie er den Kopf schüttelte und das Wort wiederholte: „Nein.“

„Ich hab immer gerätselt“, sagte er dann. Und dieses Mal war es Kiba, „Was?“ zu fragen, er wusste es wirklich nicht.

„Wie es wäre sich zu verlieben.“ Er spuckte das Wort aus und da lag es, stumm und sterbend auf dem grauen Boden. Selbst Kiba fand, dass es das nicht verdient hatte.

„Es kann schön sein“, murmelte Kiba, mehr des Redens willen. „Und grausam.“ Ehrlich währt am längsten.

„Grausam“, meinte Kankuro und nickte versonnen. „Selbstmord.“

Das war jetzt doch etwas hart.

„Man muss nur die Richtige finden“, sagte Kiba, wieder erntete er nur bitteres Lachen und kam sich selbst furchtbar dämlich vor. Kankuro wirkte viel zu erwachsen.

„Du siehst doch selbst, wie weh es tut“, bemerkte Kankuro, es war nicht einmal anklagend, es war nur dieser kühle Ton der Feststellung. Das hatte er gut drauf.

Kiba schwieg. Was sollte er darauf auch antworten?

Dass es so wundervoll sein konnte?

Dass bessere Zeiten kommen würden?

Dass er einfach nur warten musste?

Vielleicht stimmte das ja alles. Aber er war sich sicher, dass das weder ihm noch Kankuro gerade weiterhelfen konnte. Heute oder auch in nächster Zeit.

Schweigen.

Sie schwiegen ziemlich lange, Kankuro verharrte regungslos in dieser Pose, die Hände in den Taschen tief vergraben, die Augen stur geradeaus gerichtet. Irgendetwas zwischen Angriff und Flucht.

Sie schwiegen so lange, dass Kiba schon nicht mehr an irgendeine Art von Kommunikation seitens Kankuro glaubte.

„Sie kann nicht nichts dafür“, sagte er plötzlich. „Sie ist schuld daran, zumindest ein bisschen. Ihr beide – oder drei, wie auch immer – seid schuld. Ihr redet nicht und hört nicht zu, ihr verliebt euch und versteckt es. Das tut nur weh. Das kann nur wehtun.“

Er hatte recht.

Alles was diese Leute in den Filmen und Büchern immer sagten – man könne nichts für seine Gefühle und Schicksal und all dieser Quatsch – war ziemlicher Blödsinn.

Man konnte immer etwas dafür, man war immer ein bisschen schuld.

„Ich… kann…“ Jetzt zögerte Kankuro wieder, etwas von seinem Elan war verschwunden, aber nur kurz. Er atmete tief. „… auch was dafür.“ Er verzog das Gesicht. „Ich hab… mich auch… verliebt.“

Ohne zu wissen, warum er es tat – Kiba tat in letzter Zeit häufig Sachen, obwohl er nicht wusste, warum –, deutete er auf den Stuhl, der neben seinem Bett stand, leer und verlassen gelassen.

Kankuro – aber erst nach deutlichem Zögern – setzte sich.

Er war wieder ganz blass.

„Du willst nicht hören, was ich sage“, meinte er dann.

„Ist nur fair. Du kennst meinen Schuldweg.“ Es war das Erstbeste, was ihm in den Sinn kam.

Kankuro lächelte nicht einmal.

„Du willst es nicht hören“, wiederholte er. Schloss die Augen, sein Mund angelte offen nach den richtigen Worten. „Sag… sag einfach, wenn’s genug ist.“

Kiba zwang die Unsicherheit zu Boden.

„Ich… bemerkte das gar nicht. Es kam schleichend, immer ein bisschen mehr. Ich wollte es nicht, ich meine… ich hatte noch nie ein Problem, aber wenn’s dich dann selber trifft, verändert sich alles. Der ganze Blick auf die Welt. Ich hab mich abgegrenzt und… Mann, meine Familie hat echt so schon genug Stress, da muss ich nicht auch noch…“

Er winkte ab.

Irgendwie bekam Kiba ein seltsames Gefühl. Aber er ließ ihn reden. Reden war so unglaublich befreiend.

„Ich hab es aufgeschrieben, das alles“, sagte Kankuro und zum ersten Mal erschien sein Lächeln echt und verlegen. „Es ist nicht besonders gut, aber ich kann einfach nicht reden, ich bin… eigentlich nicht gut in so was. Also hab ich mit den Figuren geredet, mit den Puppen…“

„Puppen?“, rutschte es Kiba heraus.

„Marionetten“, meinte Kankuro. „Die sammle ich.“

Es passte nicht zu Kankuro, dem starken und unbarmherzig großmäuligen Kankuro. Aber irgendwie doch.

„Temari“, fuhr er fort, „hat etwas gefunden. Was ich aufgeschrieben hatte. Sie denkt, ich weiß es nicht, aber ich bin nicht blöd und ich kenne sie zu lang. Als ich es ihr gesagt habe, schien sie nicht so überrascht zu sein. Ansonsten weiß es trotzdem noch niemand.“

Er sah Kiba an. Wortlos.

„Ich glaub es ja selber nicht. Ich will es nicht glauben, ich will immer noch, dass so ein Mädchen kommt und alles ist toll. Aber inzwischen ist das Akzeptieren leichter geworden, etwas zumindest.“

Kiba war sich nicht sicher. Man konnte so viel herausdeuten, aber letztendlich lief es auf diese eine Sache hinaus und sein Mund wurde trocken, als er es aussprach.

„Du stehst auf Jungs, oder?“

Kankuro nickte bloß, presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch eine feine Linie bildeten.

Kiba war sich nicht sicher. Wie er reagieren sollte, konnte. Sein erster Reflex war eigentlich diese Abweisung, weil… anders kannte er es nicht. Aber er kannte Kankuro. Nicht gut, aber doch gut genug, um zu wissen, dass er einfach nur Kankuro war, dass er sich weder die Nägel lackierte, noch mit gebrochenen Handgelenken durch die Gegend stolzierte.

Eigentlich. Hätte man ihn gefragt, wäre Kankuro sicher einer der letzten Menschen gewesen, die Kiba als schwul betitelt hätte.

„Hattest… hattest du schon mal… was…“ Er stammelte trotzdem, einfach um diese nervige Ruhe zu überbrücken.

„N paar Mal“, murmelte Kankuro, dann nahm er plötzlich Blickkontakt auf. „Das darf niemand wissen, klar?!“

Kiba nickte unsicher. „Logisch.“ Logisch war das logisch.

„Aber“, setzte er dann noch hinzu, „warum erzählst du… das alles. Du hättest nicht… hättest lügen können oder so.“

„Ich hab das Lügen so satt“, sagte Kankuro hart. „Und. Du hast ein Recht darauf. Gerade du. Ich will, dass du’s weißt.“

„Was?“

„Mensch, Kiba.“ Kankuro lächelte und es war traurig und belustigt zugleich. Nett. „Da kommst du auch noch drauf.“
 

Toshiko saß auf dem Stuhl und sah ihn an und wartete.

„Du behältst alles für dich, oder?“

Sie lächelte, als wäre es das Normalste der Welt, als wäre es nicht das erste Mal, dass er zu ihr sprach. Zwei Finger streiften die Luft.

„Ich schwöre. Alles bleibt unter uns.“

Kiba nickte. Und schwieg.

Toshiko saß auf dem Stuhl und sah ihn an und wartete.

Kiba wusste nicht wirklich, mit wem er sonst reden sollte. Reden konnte, ohne dass Kankuro oder irgendjemand sonst sich verletzt fühlte. Es wurde zu viel verletzt in dieser Welt.

„Kankuro… steht auf mich.“

Er klang verwundert. Er war verwundert.

Es hatte ein bisschen gedauert bis er die Worte wirklich verstanden hatte. Aber jetzt. Hatte er Probleme damit, sie zu begreifen. Zu begreifen, dass… ja. Dass was?

Toshiko sagte nichts.

Bis.

„Hast du ein Problem mit ihm?“

„Dass Kankuro… und Jungs…? Nein.“

„Dass er in dich verliebt ist.“

Kiba zögerte. Es müsste lügen, um die Wahrheit zu sagen.

„Nicht mit Kankuro. Nur im… im Allgemeinen. Glaube ich.“

Toshiko nickte. Auf ihre Lippen war noch immer das farblose Lächeln aufgemalt. Es war ein vertrauensvolles Lächeln.

Reden tat doch gut.

„Es tut mir leid. Für ihn. Für mich auch, aber… für ihn. Weil… ist doch irgendwie bescheuert, sich nicht mal unbedingt Hoffnungen machen zu können. Ich konnte wenigstens noch…“ Kiba brach ab.

Aus dem Riss in seinem Herzen tropfte Blut ins weiße Krankenzimmerlicht. Er musste ein paar Mal tief durchatmen, sonst wäre der Schmerz zu groß geworden, zu unbeherrschbar. Aber er schaffte es.

Er schaffte es.

„Hast du ihm das gesagt?“, fragte Toshiko. Ob das Interesse ehrlich war, oder eben nur für den Beruf?

Kiba schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Nein. Er ist gegangen.“

„Glaubst du, er kommt wieder?“

„Willst du auch mit ihm reden?“ Kiba meinte es als Scherz, aber doch irgendwie ernst. Kankuro sollte besser nicht erfahren, dass er doch mit jemandem darüber redete.

Toshikos Lächeln wurde lauter. „Nein“, sagte sie. „Ich rede nur mit dir.“

Sollte er sich jetzt geehrt fühlen?

„Ich weiß nicht, ob er wiederkommt“, antwortete Kiba nach einer längeren Pause. „Vielleicht wäre es besser, wenn er nicht kommt. Für ihn.“

„Kiba“, mit einem Mal sah sie ernst aus, „so einfach ist das nicht.“

„Warum?“ Kiba setzte sich in seinem Bett auf, sah die Ärztin an, sah in ihr ernstes Gesicht und fragte sich zum ersten Mal, ob sie etwas hinter seinen Worten sah. Etwas, das er selbst nicht erkannte.

„Er muss nur nicht mehr herkommen! Er kann mir aus dem Weg gehen und ich kann ja versuchen, ihm zu…“

Ein langsames Kopfschütteln, voller Eindringlichkeit.

„Warum?“, wiederholte er, leise diesmal. Warum musste nur immer alles so kompliziert sein?

„Kankuro ist sich anscheinend sehr klar, was er fühlt“, sagte Toshiko, die Worte kamen sanft aus ihrem Mund, wie Mondlicht. „Er weiß, dass das, was er fühlt, immer unerwidert bleiben wird. Das ist nicht einfach für ihn, sicher nicht. Aber er lebt damit, und zwar schon seit einiger Zeit. Denkst du nicht?“

„Aber… er…“

„Er lebt damit, Kiba. Vielleicht träumt er. Vielleicht wünscht er. Aber das Gefühl wird nicht einfach verschwinden, wenn er dich nicht mehr sieht. Und überhaupt: Wie willst du das anstellen? Ihr geht in eine Klasse. Er muss sich dir stellen, Kiba.“

Toshiko hatte sich vorgebeugt, ihre Augen glänzten dunkel warm hinter den Brillengläsern. Kiba dagegen lehnte sich zurück in die Kissen, sein Herz klopfte schwer und träge, seine Gedanken kreisten.

„Ich muss mich stellen“, murmelte er. Der Decke entgegen. „Ich muss mich stellen.“

Und dann hörte er wieder Toshikos feines Lächeln aus ihren Worten: „Wer redet denn von dir?“
 

Es war Samstag. Seine Mutter würde heute nicht kommen, die Hunde mussten in die Schule, seine Schwester half ihr dabei.

Eigentlich erwartete Kiba keinen Besuch.

Aber irgendwann klopfte es an der Tür, zärtlich zögernd. Als er nichts sagte, ging die Tür trotzdem auf, langsam und ein dunkler, glänzender Haarschopf blitzte im Licht auf. Hinatas Gesicht war noch heller als sonst, ihre Augen groß und gerötet, wichen ihm aus, und ihre Finger tippten unaufhörlich aneinander.

Kiba spürte, wie sein Herz schneller schlug, wie das Blut aus ihm heraustropfte, mit den Tränen unsichtbar auf die Decke fielen. Ein bisschen verloren sah Hinata aus und so fühlte er sich. Verloren, irgendwo.

Sie schloss die Tür hinter sich und blieb stehen, wie zur Flucht bereit, und zögernd und verharrend, weil Kiba immer noch nichts sagte.

Vermutlich wünschte sie sich eine Reaktion, aber in der letzten Zeit war Kiba schlecht im Reagieren geworden. Deshalb blieb er liegen, den Blick auf ihr schönes, schönes Gesicht gerichtet, während sie ihm noch immer auswich.

Irgendwann schien Hinata ihren Mut zu sammeln, Kiba sah es an ihren Finger, die plötzlich kleine zarte Fäuste formten. Sie machte einen Schritt und hob den Kopf ein Stück, stockte wieder und er sah ihre Brust, sich heben und senken und heben.

„Ki…Kiba.“

Hinata hatte seinen Namen noch nie gestottert. Im Allgemeinen stotterte sie nicht, wenn Kiba da war. Er war immer stolz darauf gewesen, auf verquere Art und Weise.

Man sah immer Zeichen, wo keine waren, wenn man so blind verliebt war.

„Hina“, sagte er, schmeckte das Wort auf der Zunge, kostete den Schmerz im Nachgeschmack.

„K… Kib… Kiba!“, wisperte sie und Tränen krochen ihren Hals hinauf, er hörte sie schon. „Es… e… es tut… tut mir… l-leid…“

Es tat weh, sie weinen zu sehen.

Es tat weh, an ihren Tränen schuld zu sein.

Es tat weh, zu wissen, dass es so das Beste war.

Was war das Beste? Er hatte zu viel darüber nachgedacht.

Ein paar Schritte, winzig klein, wagte Hinata noch, dann blieb sie stehen. Ein seltsames Gefühl, sie näher bei sich zu wollen, und ganz weit weg zu wünschen.

„Schon gut“, sagte Kiba. Nicht weil er glaubte, jetzt etwas sagen zu müssen, sondern weil es so war. Schon gut.

Nicht wirklich gut, nicht wirklich schlecht. Schon gut war ein passender Ausdruck, keine Frage.

„Nichts ist gut“, erwiderte Hinata und machte sich nicht mal die Mühe, die Tränen wegzuwischen, ließ sie ungehindert fließen. Wenigstens stammelte sie nicht mehr. „Ich hab alles kaputt gemacht.“

Sie?

„Ich hab… Naruto… und du hast…“ Sie schluchzte. „Wenn ich gewusst… gewusst h-hätte…“

„Was dann?“, unterbrach Kiba sie. Hinata starrte ihn an, ihre Augen rot und nass. „Hättest du auf Naruto verzichtet? Wärst du mit mir zusammen, um mich glücklich zu machen?“

Warum war sie nur so? Warum war sie nur so… freundlich, selbstlos und all die Dinge, die Kiba nicht war. Nicht gewesen war, vor und in dieser Nacht.

Hinata sagte nichts.

„Das hätte ich gar nicht gewollt. Nicht auf Dauer. Weil du unglücklich gewesen wärst, so wie ich unglücklich bin… aber ich werde schon wieder… irgendwann…“ Er biss die Zähne zusammen.

Irgendwann. Vielleicht?

Im Moment erschien ihm irgendwann so unglaublich weit entfernt. Ein fremdes Land, eine andere Zeit. Irgendwann.

Irgendwie fängt irgendwann irgendwo die Zukunft an…

„Irgendwann“, flüsterte Kiba und fragte sich, ob sie ihn überhaupt hören konnte. Sollte. „Irgendwann können wir vielleicht auch wieder nur befreundet sein.“

Hinata.

Nickte.

„Gehst du bitte?“

Hinata.

Ging.

An der Tür drehte sie sich noch mal um, die Klinke schon in der Hand. Ihre Tränen waren immer noch da. Würde es lange dauern, bis sie verschwanden?

„Ich hab dich lieb, Kiba“, sagte sie.

Erst als die Tür hinter ihr zufiel, machte Kiba den Mund auf und ließ sein Herz tanzen auf seiner Bettdecke, langsam und traurig und sterbend. Aber doch irgendwie lebendig. Er hatte nur gesagt, was gesagt werden musste.

„Ich weiß“, antwortete er, und hoffte, dass Hinata es auch wusste.
 

********
 

So. Und damit ist auch dieses Kapitel endlich abgeschlossen, sogar relativ zeitig *hust*
 

Als Höhepunkt meiner „Nacht“-Trilogie ist das ganze Kapitel aus Kibas Sicht und vielleicht mach ich später mal einen Gegensatz zu Kankuro. Ich mag Kankuro, auch wenn sein Charakter unheimlich schwer darzustellen ist. Hoffentlich hab ich wenigstens ein bisschen was von ihm eingefangen ^^°°
 

Vor Kankuro kommen aber Sakura und Sasuke endlich wieder zum Zuge. Freut euch auf Kapitel 34! XD
 

Disclaimer 1: Dieses Kapitel ist „Toshiko Sato“ gewidmet, die zwar eine fiktive Figur ist, die ich mir aber ausgeliehen habe, um Kibas Ärztin zu spielen. Ohne sie ist „Torchwood“ einfach nicht dasselbe. Ruhe in Frieden.
 

Disclaimer 2: Nena – Irgendwie Irgendwo Irgendwann =)
 

Man liest sich

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Kommentare zu dieser Fanfic (272)
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Von:  Teufelsengel96
2012-10-25T20:09:22+00:00 25.10.2012 22:09
Oooh schade jetzt wo es spannend wird.
Ich find deine geschichte echt so toll. wirst du irgentwann weiter schreiben ich würde mich echt freuen.
so eine tolle geschichte ich hab mit gelacht und mit geweint.
Teufelsengel96
Von:  Teufelsengel96
2012-10-21T22:16:59+00:00 22.10.2012 00:16
Uuuh ich find Naruto in dem Kapitel so toll :D der kleine Chaosmagnet mal als schlauster:) das lustige ist ich kenn auch so typen die schwer von begriff sind xD
deine geschichte ist so toll kann nich aufhörn zu lesen.
Ich versuch selbst grade eine FF zu schreiben aber iwie bin ich mir noch unsicher hat jemand tipps für mich:)

GÜßII Teufelsengel96
Von: abgemeldet
2009-12-11T19:14:20+00:00 11.12.2009 20:14
Hey =)
tolles kapi, auch wenn es etwas schwer zu lesen war, weil alles aus Kibas sicht geschrieben wurde !
aber trotzde, schön ! =)

Ich freu mich schon, wenn sasu un saku wieder drankommen ! =)

lg Sayuri_chan7
Von:  Adept94
2009-11-24T20:32:31+00:00 24.11.2009 21:32
Irgendwie kommt mir Kiba verdammt resigniert vor. Ihm ist alles relativ gleichgültig. Ein schönes Kapitel wirklich. Ich hoffe auch das du das KibaxHina-Thema noch aufrecht hälst. Ich mein Hinata ist n´irre sensibeler Mensch. Theoretisch müsste ihr gewissen sie in der nächsten Zeit praktisch irre machen. Schließ das bitte noch nicht ab. Schließlich bleibt ja auch noch Hinatas Sicht der Dinge.

Irgendwo ist deine Schilderung dieses komischen Blauzustands merkwürdig. Fürs Wachkoma isses zu aktiv und im Dämmerzustand verhält es sich auch anders... Dann noch die Sache mit den Shounen-Ai. Ich als männlicher und sexuell normal (hetero) ausgerichteter Mensch mag das nartürlich nicht so gerne. Aber wenn du sämtliche Arten von Körperkontakt in deinen Beschreibungen weniger präzise hälst komm ich damit zurecht.

Irgendwann wird ja das nächste Kapitel raus kommen. Und ich will dir sagen, ich freu mich schon darauf^^

m.f.G.
Adept94
Von: abgemeldet
2009-11-24T19:19:40+00:00 24.11.2009 20:19
wow....
das chapt war wirklich wunderschön geschrieben....
aber kankuro tut mir wirklich leid ....
ich freue moch schon aufs nächste chap^^
glg
Von: abgemeldet
2009-11-24T09:48:52+00:00 24.11.2009 10:48
hui :3
schönes und trauriges kappi ^-^
mach weiter so
LG<3
nami
Von: abgemeldet
2009-11-23T16:23:31+00:00 23.11.2009 17:23
wundervoll!
wirklich, wirklich wunderschön geschrieben ^^
ich hätte am liebsten noch sehr viel weiter gelesen aber schwupp di wupp war es irgendwann zu ende ;)
aber es hat mir sehr gut gefallen, mal was anderes aber undglaubnlich einfühlsam geschrieben!
ich will mehr!
Liebe Grüße
Mariel
Von: abgemeldet
2009-11-23T15:41:30+00:00 23.11.2009 16:41
Tolles Kapi
mfg Hexe
Von:  Zaubermaus
2009-11-21T15:11:39+00:00 21.11.2009 16:11
Ich finde es so tol.. Man knn sich das alles so gut vorstellen und sich wirklich gut in Kiba herein versetzten.
Auch mag ich kankuro sehr gerne. Ich finde die zwei toll... Wirklich unglaublich wunderbar ich muss immer lächeln und ich verstehe Kankuro so sehr... Er tut mir wirklich wirklich Leid...
Von:  Michan-chan
2009-11-21T13:05:01+00:00 21.11.2009 14:05
Es war der Hammer, das Kapi zu lesen. Man konnte es gut nachvollziehen.
Mach weiter so.
Michan-chan


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