Fighting Dreamers von Imogen (Oneshot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 2: Weigerung -------------------- Hanabi war ein Naturtalent. Das war wohl das Erste, das all jenen auffiel, die den Kampf beobachteten – ausschließlich Mitglieder des Clans Hyuuga, die den Geburtstag der jüngsten Tochter Hiashis feierten. Sie erkannte die Schwächen in der Verteidigung ihrer Gegnerin, wich geschickt und sicher aus, und war ganz klar die dominante Kämpferin. Sie beherrschte den Stil erstaunlich gut für eine Zwölfjährige, die gerade den Rang eines Genin erreicht hatte. Neji hörte, wie einige der Gäste Hiashi zu seiner jüngsten Tochter beglückwünschten. „Nur schade, dass sie deine Zweitgeborene ist.“ Er hatte nur darauf gewartet, diesen Satz zu hören. Natürlich, das war wohl der Fluch des Clans. Der stärkste Hyuuga der jüngsten Generation war Neji selbst, ein Mitglied der Zweigfamilie. Das talentierteste Mitglied der Hauptfamilie war Hanabi, die Zweitgeborene. Zu dumm, dass Hiashis Erbin ein Schwächling wie Hinata war. Keiner sagte es, aber Neji wusste, dass es fast alle dachten, schon seit Jahren gedacht hatten. War er denn der Einzige, der die Fehler in Hanabis Stil erkannte? Und sie hatte Fehler, einige sogar, die allerdings mit genug Training und Anstrengung zu meisten wären. War er denn der Einzige, der auch Hanabis Gegnerin beachtete? Der Einzige, der Hinata sah? Sie war gewachsen. Sie war nicht mehr das schüchterne Mädchen, das sich von allen herumschubsen ließ – das war sie schon lange nicht mehr. Wenn Neji ehrlich war, musste er zugeben, dass sie schon damals bei ihrem Kampf während der Chuunin-Prüfung stärker geworden war. Und heute? Hinata war nicht so talentiert wie er selbst oder Hanabi. Sie war kein Naturtalent, das den Kampfstil der Hyuugas spielend beherrschte. Aber sie hatte hart an sich gearbeitet, um damit umgehen zu können. Neji wusste, dass sie einen ganz eigenen Stil entwickelt hatte, und er wusste auch, dass sie in ihrem Team sehr gute Arbeit leistete. Sie hatte sogar versucht, ihre Schwäche im Kampstil der Hyuugas zu überwinden, hatte Neji um Training gebeten! Er hatte sich geweigert. War er tatsächlich der Einzige der Anwesenden, der sehen konnte, was Hinata erreicht hatte? Er, der sie doch eigentlich mehr als alle anderen hier verachtete? Sie hatte neue Techniken gesucht, um ihre Schwächen zu überdecken und auszugleichen. Sie hatte stundenlang trainiert, bis sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie… sie war nicht mehr schwach, aber Neji würde das niemandem gegenüber zugeben. Hinata war eine Kunoichi Konohas, bereit alles zu geben, bis zum Äußersten zu gehen und ihre Talente in den Dienst ihres Dorfes zu stellen. Konnte denn außer ihm keiner sehen, dass Hinata hier nicht alles gab? Er war sich ganz sicher, dass sie sich zurückhielt, vermutlich weil es der Ehrentag ihrer Schwester war. Lächerlich! Neji an ihrer Stelle hätte mit voller Härte angegriffen. Würde jemand Hinatas Nachsicht erkennen, würde das dessen Meinung von Hanabis Fähigkeiten sicher beeinträchtigen. Aber natürlich sah es keiner. Sie erwarteten Schwäche von Hinata – sie sahen nur, was sie sehen wollten. Schwächlinge, mehr waren sie auch nicht! Da hatten sie schon das Byakugan, aber waren trotzdem blind. Das war wohl ihr Blinder Fleck… Dennoch war es irgendwie enttäuschend, dass Hinata nicht alles zeigte, was sie konnte. Neji war nicht neugierig. Er wusste es. Er hatte sie bei ihrem Training beobachtet. Gelegentlich, wenn es nichts für ihn zu tun gab, und er selbst gerade nicht trainierte… Sie trainierte oft nachts. In letzter Zeit konnte Neji sowieso nicht besonders gut schlafen, warum also nicht Hinatas Training beobachten? Sie bemerkte ihn nie. Dank des Byakugans konnte er genug Abstand wahren um nicht entdeckt zu werden. Und selbst wenn sie ihn entdecken sollte – sie besaß schließlich die gleichen Augen wie er – würde sie nicht auf den Gedanken kommen, dass er sie beobachtete. Und selbst wenn sie es bemerken sollte, was war schon schlimm daran? Warum sollte es ihn kümmern? Es war ja nicht so, dass er sich wirklich für sie interessierte – er sah ihr nur aus Mangel einer besseren Beschäftigung zu! Einmal hatte sie ihn erwischt. Nicht, dass erwischt es treffen würde… Jedenfalls hatte sie ihn bemerkt. „Neji Nii-san… hast du mir zugesehen?“ Sie hatte plötzlich angehalten und zu ihm gesehen. „Hn.“ „U-und… was sagst du?“ Ihre Wangen hatten sich leicht rot gefärbt. Neji konnte nicht glauben, dass er ihr gerade ein Kompliment hatte machen wollen… aber die Röte in ihrem Gesicht hatte ihn fast wie ein Schlag getroffen, auch wenn er selbst nicht wusste, warum. Er hatte sie einige Sekunden lang nur angestarrt – dank seiner pupillenlosen Augen war das jedoch kaum zu sehen. Ihm war heiß geworden… „N-Neji Nii-san?“, hatte sie gefragt und war mit einem besorgten Blick etwas näher gekommen. Neji Nii-san… Nii-san… Diese Worte hatten ihn wieder zur Besinnung gebracht. „Du musst noch viel lernen, Hinata-sama.“, hatte er knapp geantwortet und sich abgewandt um zu gehen. „Warte!“ Noch nie hatte sie ihn aufgefordert zu warten – und noch nie hatte er so dringend gehen wollen. Aber er war stehen geblieben. „Neji Nii-san…“ Er hasste diese Worte. „Würdest du… mit mir trainieren?“ Wieder hatte er sich gefühlt, als hätte er einen Schlag bekommen, aber er hatte sich sofort wieder gefasst. „Ich habe keine Zeit für jemanden wie dich.“, hatte er gesagt und dabei versucht so kalt wie möglich zu klingen. Er war gegangen, ohne auf Widerworte zu achten – es waren keine gekommen. Er hatte sich geweigert, mit ihr zu trainieren. Sie war in keiner Hinsicht seine Schülerin, und er war auch nicht für sie verantwortlich – wenn man mal davon absah, dass es offiziell seine Pflicht war, sie zu beschützen. Warum kam er sich dann vor wie ein Sensei, der einen Kampf seines wichtigsten Schülers betrachtete? Er wollte, dass Hinata endlich zeigte, was sie konnte – er hatte es so oft gesehen, hatte ihre geschmeidigen Bewegungen beobachtet, ihre schnellen Reflexe… und vor allem ihre Anstrengung, die Entschlossenheit in ihrem Gesicht, niemals aufzugeben, sondern immer ihr Bestes zu geben. Diese Entschlossenheit, wegen der er sich vielleicht… Warum gab sie jetzt nicht ihr Bestes?! Vielleicht hätte er doch mit ihr trainieren sollen… Aber dann würde er jetzt vermutlich noch wütender sein. Sie war eben eine Enttäuschung. Frustriert wandte Neji sich ab. Er wollte ihre Niederlage nicht sehen. Natürlich lobten alle Hanabi, nachdem Hiashi den Kampf endlich beendet hatte. Anscheinend war Hinata für eine Niederlage dann wohl doch zu stolz gewesen, aber für Neji war das nicht genug. Er war sich sicher, dass sie Hanabi hätte besiegen können, und die Tatsache, dass sie das nicht einmal versucht hatte, fühlte sich für Neji fast wie eine persönliche Beleidigung an – obwohl es ihm doch eigentlich egal war… „Meine Tochter ist eben eine wahre Hyuuga.“, sagte Hiashi und strich fast zärtlich über Hanabis Kopf, während Hinata unbeachtet neben ihm stand. „Was meinst du, Neji?“ Neji wandte sich höflich zu den Vertretern der Hauptfamilie. „Ein… interessanter Kampf.“, sagte er ruhig und vielleicht einen Hauch zu kühl. „Wirklich… Neji Nii-san?“, fragte Hinata. Er war sich sicher, dass mehr in dieser Frage war… dass Hinata wirklich wissen wollte, was er von ihrer persönlichen Leistung hielt… Ihre Weigerung, mit voller Kraft zu kämpfen, die herablassende Art, mit der Hiashi seine älteste Tochter ausschloss, und zuletzt diese Worte… Nii-san… „Deine Haltung zeigt noch zu viele Lücken auf, Hanabi.“, sagte er – laut, schneidend und vor allem kalt. „Hinata hätte deine Verteidigung leicht umgehen können. Du nutzt die Stärke des Byakugan nicht. Du musst besser zielen. In einem ernsthaften Kampf hättest du keinen ihrer Chakra-Punkte auch nur berühren können. Was sollten diese 62 Schläge? Hast du auf der Nina-Akademie nicht gelernt zu zählen? Ich an deiner Stelle würde nicht allzu stolz auf diese Leistung sein. Und vor allem würde ich mich dafür nicht von einem Haufen Heuchler feiern lassen!“ Hanabi verdiente seinen Zorn nicht, das war ihm bewusst, aber es tat gut, wenigstens einen Teil davon herauszulassen. Der Schock in Hanabis Gesicht versetzte Neji zwar einen leichten Stich, aber der Anblick von Hiashi, in dessen Gesicht sich eine Mischung aus Ungläubigkeit, Scham und Wut zeigte, war es mit Sicherheit wert gewesen. Mit einem Gefühl der Genugtuung wandte Neji sich um und ging. Erst, als er das Anwesen der Hyuugas schon verlassen hatte, hörte er ihre Stimme. „Neji Nii-san! Warte!“ „Was gibt es, Hinata-sama?“, fragte er scheinbar ungerührt. Er hörte, wie sie lief, um ihn einzuholen. „Warum hast du das gesagt?“, forderte sie zu wissen – ja, Hinata forderte. „Es ist die Wahrheit.“, erwiderte Neji tonlos und wollte weitergehen. „Neji Nii-san!“, rief Hinata, und wieder stieg Wut in Neji auf. Er wollte sie ignorieren, einfach nicht zuhören… da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. „Neji Nii-san… warum warst du so zornig?“, fragte sie sanft. Als er sie ansah, war es wieder wie damals. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, und wieder fühlte er sich, als würde er überschwemmt werden, von Dingen, die auszusprechen oder nur zu denken, er sich weigerte. „Neji Nii-san… du könntest mit Hanabi trainieren.“, schlug Hinata vor. Neji schüttelte automatisch den Kopf. „Sie ist… unwichtig.“ Er verspürte wieder einen Stich, als Hinata traurig zu Boden blickte, einen viel heftigeren. „Ich… ich bin auch unwichtig, nicht wahr?“, fragte sie. Fast unbewusst berührte Neji ihr Kinn und hob ihr Gesicht leicht an. „Das habe ich nie gesagt.“ Als sie ihn überrascht ansah und dabei leicht errötete, ließ Neji es für einen kurzen Moment zu, daran zu denken. Nur einen Augenblick an gestand er sich selbst ein, was er für sie empfand. Aber es durfte nicht sein. Und näher als in diesem Augenblick würde er ihr gegenüber der Wahrheit nie kommen. „Dann wirst du mich trainieren?“, unterbrach Hinata die Stille. Keiner von beiden hatte gemerkt, wie lange sie so gestanden waren. Kurz ließ Neji seine Maske fallen, und sie sah den Schmerz in seinen Augen, während er sanft ihre Wange streichelte. „Nein.“, sagte er ruhig und bestimmt. „Neji…“, begann Hinata und klang fast flehend. „Versprich mir etwas, Hinata.“, bat Neji, und zum ersten Mal war es kein Befehl. Sie nickte, ohne den Blick von seinen Augen zu lösen. „Hör niemals auf, mich Nii-san zu nennen – Hinata-sama.“ Er sah schnell weg und ging. Er wollte ihre Reaktion nicht sehen. … denn seine Weigerung, auch nur über sich und Hinata nachzudenken, war vielleicht das Einzige, das ihre Welt noch zusammenhielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)