Die Wende im Leben von Kilika (Part 2 zu Das Leben und wie es weiter geht) ================================================================================ Kapitel 10: Die Vergangenheit ----------------------------- „Zum Thema Loch. Was ist eigentlich in Amerika passiert? Ihr habt mir nie etwas darüber erzählt und neugierig wäre ich schon“, sagte Thoma aus dem Hintergrund. Ryuichi und Shuichi sahen ihn an. „Das kommt darauf an, welche Version du hören möchtest. Wir hätten es einmal aus Shuichis Sicht und aus meiner. Wahrscheinlich kommen die gleichen Sachen vor, aber jeder wird sie anders empfunden haben. Ich glaube nicht, dass einer von uns es so erzählen kann, dass er seine Gefühle nicht mit einfließen lässt“, meinte Ryuichi und richtete sich auf. „Um ehrlich zu sein, ist es mir egal. Ich möchte wissen, was ihr gemacht habt. Wer es mir erzählt, überlass ich euch. Genauso überlasse ich es euch, mir überhaupt etwas darüber zu erzählen. Es interessiert mich, aber wenn ihr die Sache lieber vergessen wollt, dann ist es auch in Ordnung.“ Thoma lächelte beide an. „Shuichi, wenn du nichts dagegen hast, würde ich es ihm erzählen. Werde bitte nicht sauer, wenn du Sachen erfährst, die ich dir nicht gesagt habe.“ Besorgt sah der Grünhaarige seinen Geliebten an. Leichte Verwirrung spiegelte sich in Shuichis Blick. Er nickte jedoch. Ryuichi fing an, zu erzählen. „Nachdem der angebliche Tod meiner Tochter feststand, habe ich meine Stimme verloren. Ich hielt es nicht mehr aus und bin nach Amerika. Dort hatte ich eine Zweitwohnung und einige Kontakte. Da mich Shuichi nicht allein lassen wollte, kam er mit rüber und leistete mir Gesellschaft. Mein Leben war für mich sinnlos, jedoch wollte ich es nicht beenden, da ich ihm kein Leid zufügen wollte.“ Ryuichi machte eine kurze Pause und fing an, Shuichi im Nacken zu kraulen. Dieser schmiegte sich an ihn und hörte weiter zu. Thoma erhob sich und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. „Die ersten zwei Wochen konnte er bei mir bleiben, jedoch musste er sich um seine Karriere kümmern, also zog ich mich zurück und versuchte, ihm seine Freiheiten zulassen. Das ging nach hinten los. Er dachte, ich kann ihn nicht mehr leiden und war am Boden zerstört. Durch meine Trauer merkte ich es nicht. Ihm reichte das. Er legte mir einen Brief auf den Küchentisch und verschwand. In dem Brief stand, dass er mich von ganzen Herzen liebt, es jedoch nicht weiter mit ansehen könne wie ich ihn verabscheute. Die Angst stieg in mir auf. Ich wusste nicht, wo er hin war und was geschehen würde. Ich glaubte, ich hatte alles verloren. Ich dachte, ich sehe ihn nie wieder. Meine Tochter war verloren. Die ganze Welt schien, gegen mich zu sein. Das Missverständnis lag auf meiner Seite. Das wollte ich nicht wahr haben und beschloss, mein Leben zu beenden. Mein Plan bestand darin, mich in der Badewanne zu ertränken. Hätte Shuichi nicht etwas Wichtiges vergessen, wäre es gelungen. Die Badewanne war schnell voll mit Wasser. Ich durchwühlte den Spiegelschrank im Bad und fand Schlaftabletten. Ich nahm alle und legte mich in die Wanne. Mir fielen langsam die Augen zu und ich sank tiefer in das Wasser. Das letzte, was ich vernahm, war die Stimme meines Geliebten wie er meinen Namen rief und mich anflehte nicht von ihn zu gehen.“ Entschuldigend sah Ryuichi zu Shuichi und küsste ihn sanft. Nachdem er sich wieder gelöst hatte fuhr er fort. „Erst im Nachhinein merkte ich wie dumm ich war. Shuichi erzählte mir später, dass ich fast zwei Wochen im Koma lag und er große Angst um mich hatte. Sie hatten mir den Magen ausgepumpt. Und hätte Shuichi nicht gesagt, dass es aus Versehen passiert war, dann wäre ich in der Psychiatrie gelandet. Dieser Vorfall schweißte uns beide enger zusammen. Leider litt seine Karriere darunter, aber ihm machte das nichts. Ich denke, am liebsten hätte er mich nie wieder alleine gelassen. Irgendwann musste er zur Arbeit und ich versprach ihm, dass ich anständig bleiben würde. Mein ganzes Leben hatte sich bis dahin geändert. Sprechen war mir völlig fremd. Ich aß und trank nur das Nötigste. In der Zeit, in der ich von Shuichi getrennt war, wurde die Situation nicht besser. Ich alles ein, lag in meinem Bett und starte an die Decke. Meine Gedanken drehten sich um Mireille und Shuichi. Meistens um Mireille, da ich mich für ihren Tod verantwortlich machte. Jedes Mal, wenn Shuichi nach Hause zurückkehrte, hatte er große Mühe, mich wieder auf den Stand davor zu bringen. Bis er eines Tages alles raus lassen musste, was sich in ihm angestaut hatte. Als er eines Tages nach Hause zurück kehrte, fand er mich auf dem Bett liegend vor. Da riss ihm der Geduldsfaden und er stauchte mich zusammen. Sein Wutausbruch hatte zur Folge, dass ich aus der Wohnung rannte und in der Stadt umher ging. Shuichi machte sich große Sorgen. Da er wusste, dass ich weder auf SMS noch auf Anrufe reagierte, fing er an, mich zu suchen. Der Himmel hatte sich zugezogen und ein Gewitter brach aus. Klein Shuichi hat große Angst vor Gewittern, er war dennoch so tapfer und suchte mich. Eine Parkbank wirkte einladend auf mich und ich kauerte mich darauf zusammen. Es war mir egal, ob meine Kleidung durchnässt war. Ich fühlte mich leer und einen unbeschreiblichen Schmerz. Der Regen war eisig und ich spürte ihn wie Nadelstiche auf meiner Haut. Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war, irgendwann tauchte Shuichi auf. Er hockte sich zu mir und streichelte sanft über meinen Rücken. Bei jedem Blitz, der über den Himmel zog und jedem Donner, der laut grollte, zuckte er zusammen. In dem Moment wurde mir klar, dass mein Shuichi Höllenängste und -qualen durchstand. Wir gingen gemeinsam nach Hause.“ Eine leichte Röte legte sich auf Ryuichis Wangen als er weiter erzählte. „Der Verlust meiner Tochter war immer gegenwärtig, aber ich hatte mir vorgenommen, sie für Shuichi für ein bis zwei Stunden zu vergessen. Meine Stimme allerdings wollte nicht wieder hervor kommen. Nachdem er mich aus dem Park mitgenommen hatte, stiegen wir beide gemeinsam zu Hause in die Badewanne. Ich nahm mir vor, ihn den lieben langen Tag zu verwöhnen. Als wir jedoch im Bett lagen, bin ich eingeschlafen. Am nächsten Morgen hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. Aber ab den Zeitpunkt konnte Shuichi beruhigter an die Arbeit gehen und ich fing an, für ihn zu leben. Zehn lange Jahre hatte es gedauert bis ich den Mut fasste, um wieder nach Tokio zu kommen. Jetzt stehe ich wieder vor dem Tod meiner Tochter und weiß nicht wie ich darauf reagieren soll.“ Als Ryuichi mit seiner Erzählung endete, merkte er, dass Shuichi eingeschlafen war und sich halb auf seinen Schoß gelegt hatte. Thoma sah seinen ehemaligen Sänger an. „Stimmt, das hast du nicht mitbekommen. Mireille lebt! Der Arzt hatte sich vertan“, beichtete der Firmenchef. „Wie kann man sich da mit vertun? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Spinnt der? Ich glaube, der ist wahnsinnig. Wie kann der mir sagen, meine Tochter ist tot, wenn dem gar nicht so ist?“ Ryuichi freute sich zwar, aber die Wut über den Arzt war in diesem Moment einfach größer. Thoma fing an, los zulachen. Ryuichi sah ihn verwirrt an. „Was ist denn jetzt kaputt?“, fragte der Grünhaarige und musterte seinen besten Freund. „Das ist genial. Wenn du dich aufregst, laufen deine Ohren rot an und du siehst nur noch süß aus. Warum ich lache, weiß ich nicht. So einen Lachkrampf hatte ich vorhin schon bei Shuichi. Wahrscheinlich bin ich überarbeitet. Die letzten Wochen waren voller Stress. Das bleibt nicht aus, wenn man Firmenchef ist“, sagte Thoma mit einem Grinsen. „Das ist aber nicht gesund, Thomalein. Irgendwann wirst du krank und was sollen wir dann machen?“ Bei Ryuichi kam die kindliche Seite ein wenig vor und er sah Thoma mit großen Kulleraugen an. „Dann macht ihr das Gleiche wie immer, nur ohne mich. Da fällt mir gerade ein, dass Noriko nachher vorbei kommt. Sie wollte heute eigentlich zu NG kommen, aber da wir da nicht sind, habe ich sie vorhin angerufen und sie meinte, dass sie hierher kommt. Ich hoffe, dass ist für dich in Ordnung?“, wollte Thoma lächelnd wissen. „Das ist prima. Endlich sehe ich Noriko-Schatzi wieder. Das wird klasse. Sie und ich haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wir haben uns bestimmt eine Menge zu erzählen.“ Lächelnd saß Ryuichi auf dem Bett. Nach außen war er ein Mann, der sich sehr freute, eine alte Freundin wieder zu sehen. Innerlich war er ein besorgter Vater und hatte große Angst um seine Tochter. Das Klopfen an der Tür ließ Thoma und Ryuichi aufhorchen. „Herein!“, rief Ryuichi. Langsam ging die Türe auf und Noriko kam rein. „Hallo ihr drei“, sagte sie leise und schloss die Tür. „Du hast dich kein bisschen verändert. Du bist genauso schön wie damals“; säuselte Ryuichi. Er hatte sie seit zehn langen Jahren nicht gesehen und freute sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)