Traumatische Liebe von KyokaiKodou (Wenn der Schmerz überwiegt ...) ================================================================================ Prolog: ~Kyo~ ------------- “Kyo, was soll das?” Toshiya’s Stimme schallte hinter mir her, doch ich nahm sie kaum war. Ich hörte gar nichts. Nur dieses endlose Rauschen in meinen Ohren. Mir war heiß und mein Puls schlug wie verrückt. Ich holte aus, noch mal und wieder. Es schepperte und Holzsplitter flogen umher. Meine Fäuste knallten auf die Tischplatte, immer wieder. Ich vernahm den wohltuenden Schmerz und fühlte die Nässe an meinen Fingerknöcheln, verursacht durch mein Blut. “Verdammt noch mal, hör auf!” Zwei Hände griffen um meine Oberarme und hielten mich fest. “Kyo, bitte…” Seine flehende Stimme drang in mein Ohr und verdrängte dieses verfluchte Rauschen. Toshiya legte seine Hände auf meine Schultern und drückte mich nach unten. Ich gab seinem Druck nach und setzte mich auf den Boden des Zimmers. Mein Puls beruhigte sich langsam und meine Atmung wurde gleichmäßiger. Meine Hände schmerzten, ebenso mein Kopf. Ich sah nach vorn und erblickte den zertrümmerten Esstisch. Unterschiedlich große Holzstücke lagen um mich verstreut und die ersten Schiefer auf meinem Handrücken machten sich bemerkbar. Die Sonne schien ins Zimmer und alles wirkte so surreal: die weißen Wände, die umgekippten Stühle, der Tisch, oder vielmehr das, was von ihm noch übrig war und auch Toshiya, welcher sich in einem sicheren Abstand von mir ebenfalls auf den Boden niederließ. Er schlug seine Beine übereinander und sah sich prüfend im Raum um. “Wie auch immer du das jedes Mal schaffst, aber langsam solltest du aufhören. Mir geht das nötige Kleingeld aus um mir neue Möbel zu kaufen.” Ein ironisches Lächeln spiegelte sich in seinem Gesicht. Er saß genau in der Sonne und seine schwarzen Haare schienen regelrecht zu glühen. Ein Gefühl von Scham kam in mir auf. “Tut mir leid.” brachte ich zähneknirschend hervor, während ich meine Knie an meine Brust zog. Und wieder einmal ist es passiert. Ich besuche Toshiya und plötzlich finde ich mich in einem Meer von Bruchstücken wieder. “Wenigstens hast du diesmal die Stühle ganz gelassen.” Toshiya legte den Kopf schief und schaute mich mit seinen braunen vertrauenswürdigen Augen an. “Ich werde erst einmal aufräumen und du solltest besser mal duschen gehen.” Beschämt blickte ich auf das Laminat unter mir, dann stand ich langsam auf. “Kann ich dir beim Aufräumen helfen?” Er seufzte laut: “Nimm es mir nicht übel, aber ich glaube es ist besser, wenn du heute nichts mehr hier anfasst.” Es ärgerte mich, wenn er so mit mir sprach, doch ich wusste, dass er Recht hatte. Ich verließ seine Küche und ging ins Bad. Ich stand vor dem Badspiegel und betrachtete mein verschwitztes Gesicht. Warum hab ich mich nie im Griff? Schoss es mir durch den Kopf. Meine rotschwarzen Haarsträhnen klebten an meiner Stirn und meine Augen wirkten verschleiert. Ich zog mir mein Shirt über den Kopf, dann knöpfe ich langsam die Hose auf. Bei jeder noch so kleinen Bewegung mit den Händen zog mir der Schmerz durch die Finger. Als ich unter der Dusche stand und das Wasser aufdrehte, färbte es sich rot und hinterließ einen blaßrosa Teich um den Ausguss. Es brannte auf meiner Haut und spülte den Schweiß von mir. Doch das Schamgefühl konnte es mir nicht nehmen. Es heftete an mir, wie auch die restlichen dunklen Gedanken. Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Monster. Nachdem Toshiya die Holzplatten zusammen gesucht und auf einen kleinen Haufen in der hintersten Ecke der Küche gestapelt hatte, bereitete er Tee zu. Ich kam gerade aus dem Badezimmer mit nichts außer einem Handtuch um die Hüften gewickelt, als ich hörte, wie er das kochende Wasser in zwei Tassen goss. Außerhalb seiner Sichtweite blieb ich hinter der Tür stehen und sagte: “Ich habe keine frische Kleidung mehr.” Toshiya stellte die Teetassen auf die Arbeitsplatte neben dem Herd. “Warte kurz.” Er verließ die Küche und stieg die Treppen im Flur rauf, welche in die obere Etage führte. Dort befand sich sein Schlafzimmer. Nach einem kurzen Moment kam er mit einem kleinen Stapel frisch gewaschener Kleidung wieder und hielt sie mir hin, ohne mich anzusehen. “Probier die. Sind dir möglicherweise zu groß.” Sein Blick blieb dabei zum Fenster gerichtet. Schnell nahm ich ihm den kleinen Stapel ab und verzog mich noch mal kurz ins Bad. Nachdem der Tee durchgezogen war, nahm Toshiya die Tassen und ging damit ins Wohnzimmer. Er stellte die Tassen auf dem kleinen schwarzen Stubentisch ab und setzte sich auf die Couch. Kurze Zeit später kam ich ebenso in die Stube. Er deutete auf den Tisch: “Nimm dir einen, wird dich beruhigen.” Mit einer der Tassen setzte ich mich auf den Sessel, gegenüber von Toshiya. Er sah mich eine Weile prüfend an, ich hingegen starrte in den Tee, in der Hoffnung, dass er mich aus dieser unangenehmen Situation befreien könnte. Doch all das Flehen war vergeblich. “So geht das nicht weiter.” In Gedanken stimmte ich Toshi’s Worten zu, sagte jedoch nichts. Es war mir zu peinlich. Toshiya war einer meiner besten Freunde, daher fiel es mir umso schwerer ihm gegenüber Fehler einzugestehen. Seine Augen ließen nicht ab von mir: “Wenn du bei mir schon alles kurz und klein schlägst, dann möchte ich auch gern wissen, warum. Also, was ist los?” Er wartete, bis ich mir eine Formulierung für die Antwort überlegen konnte. Ich atmete tief ein, schaute ihm so fest wie möglich in die Augen: “Ich weiß es nicht. Es passiert einfach und ich kann es leider nicht kontrollieren.” Ein tiefes Seufzen entwich ihm erneut ehe er fragte: “Aber warum passiert dir das ausgerechnet bei mir? Mach ich dich aus irgendeinem Grund wütend?” Oh Gott nein, so etwas sollte er nie denken! Energisch stellte ich die Tasse auf den Tisch zurück und stand auf. “Hör zu, ich weiß nicht woher es kommt oder was es auslöst, aber eins weiß ich sehr genau: es hat absolut nichts mit dir zu tun!” Etwas erstaunt blickte er zu mir auf. Dann nippte er entspannt an seinem Tee. Daraufhin ließ ich mich wieder in den Sessel fallen. Ein paar Sekunden saßen wir so schweigend da. Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. Ich spürte deutlich die Anspannung im Raum, man konnte sie regelrecht greifen. Normalerweise bin ich nicht so wortkarg, aber mir viel einfach nichts ein, um diese Momente erträglicher für uns beide zu machen. Toshiya hingegen schon: “Also pass auf Kleiner. Ich bin der Meinung es ist das Beste für dich, wenn du nach Hause gehst und dich aufs Ohr legst.” War ja klar, dass er mich jetzt rausschmeißt. An seiner Stelle würde ich meine Gegenwart auch nicht länger als nötig ertragen wollen. Trotzig stand ich wieder auf und lief ohne ein Wort zusagen in den Flur. Während ich meine Schuhe anzog lehnte sich Toshiya lässig gegen den Türrahmen und meinte: “He, Kyo! Ich schick dich jetzt nicht weg, weil ich dich loshaben will, sondern weil ich der Ansicht bin, dass dir ein wenig Schlaf gut tun würde.” Ich richtete mich auf und sah ihn an. “Woher willst du wissen, was mir jetzt gut tut?” Er strich sich durch sein Haar, welches er heute offen statt in einem Pferdeschwanz trug und antwortete: “Du solltest dich mal ansehen. Du bist total geschafft. Wenn du weiter so machst kriegst du irgendwann noch mal Fieber und die Verantwortung möchte ich nicht übernehmen.” Betroffen sah ich auf den Boden. Und wieder hatte er Recht, ich fühlte mich tatsächlich ein wenig schlapp und hätte nichts gegen ein bisschen Schlaf einzuwenden. “Gut, dann verschwinde ich mal. Sehen uns spätestens heut Abend.” Mit einer knappen Handbewegung öffnete ich die Haustür und wollte sie gerade zuwerfen, als er rief: “Ach und Kleiner, meine Klamotten krieg ich wieder, verstanden?” Ich drehte mich zu ihm um und grinste: “Das muss ich mir noch mal überlegen!” ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der Kaffee wurde serviert. Kaoru nahm seinen Löffel und begann lustlos in der kleinen Tasse rumzurühren. Ami saß ihm gegenüber und tat das Gleiche mit ihrem Kakao. “Wo bist du mit deinen Gedanken, Schatz?” Ihre braunen großen Augen sahen ihn forschend an. Kaoru blickte von seiner Tasse auf und schaute ihr tief in die Augen. “Ich hab irgendwie ein komisches Gefühl, was den heutigen Abend angeht.” Das Mädchen nahm den Löffel aus ihrer Tasse, nahm einen Schluck ehe sie fragte: “Wie kommst du darauf? Dai und Shin haben doch zugesagt.” “Ich weiß, aber mit Kyo stimmt etwas nicht. Er wirkt in letzter Zeit so niedergeschlagen und ist extrem launisch.” “War er das denn nicht schon immer?” Ein freches Lächeln umspielte ihre schönen Lippen und Kaoru versank für einen kurzen Moment in ihrem puppenartigen Gesicht. >Wie hübsch sie doch ist.< Für einen Augenblick blieben seine Gedanken nur bei Ami, bis er durch ihre Berührung zurück in die Realität gerissen wurde. “Hör auf dir deinen Kopf zu zerbrechen, es wird schon gut gehen.” Beruhigend strich sie ihm über seine Hand, ehe sie sich erhob: “Ich muss jetzt los, wir sehen uns dann bei Dai.” Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange, strahlte ihn kurz an und verlies das Café. >Dieses Lächeln. Dieses wunderschöne Lächeln in diesem wunderschönen Gesicht.< Kaoru geriet mal wieder ins Schwärmen aufgrund des Glückes, welches er seit einiger Zeit erfahren durfte. Ami und er waren seit einem halben Jahr ein Paar und bisher lief alles sehr gut und beide waren ziemlich glücklich. Der Altersunterschied von immerhin vier Jahren störte die beiden weniger, dafür umso mehr ihr Umfeld. Ami war leider noch nicht volljährig und so verkniff sich Kaoru jegliche Anmaßung von Zärtlichkeiten gegenüber seiner Freundin in der Öffentlichkeit. Waren die beiden jedoch allein verbrachten sie ihre meiste gemeinsame Zeit kuschelnd auf dem Sofa in der WG. Ami wohnte noch bei ihren Eltern und besucht die Oberstufe des Gymnasiums. Kaoru wohnte mit seinem langjährigen Freund Daisuke zusammen und bietet Ami so die Möglichkeit, auch mal bei ihm zu schlafen. Bei den Eltern zu übernachten gestaltete sich etwas schwierig, da sich Amis Mutter nur schwer damit abfinden kann, dass ihre Tochter jetzt schon so erwachsen ist und einen Freund hat. Der Freund an sich stört die Mutter wenig, aber der Altersunterschied bereitet ihr viel Kopfzerbrechen. Die Vorstellung ihre Tochter hat mich 16 Jahren Geschlechtsverkehr mit einem Mann, welchen sie noch nicht lange genug kennt (so Mutters Ansicht) bringt sie um den Schlaf. Amis Vater sieht es da schon etwas lockerer, hat selbst auch etwas früher angefangen … Doch grundlegend sind die Sorgen der Mutter vollkommen überflüssig. Trotz der relativ langen Beziehung (für eine 16 Jährige sind sechs Monate sehr lang) kam es bisher zwischen Kaoru und seiner Freundin zu keinerlei sexueller Handlungen, sehr zu Kaorus Bedauern. Er verzehrte sich jede Nacht nach ihr und wenn sie bei ihm schlief, in seinem Bett, Haut an Haut, konnte er sich kaum im Zaum halten. Er liebte alles an ihr, ihr Haar, ihre Figur, ihre Haut, ihren Geruch, ihre Stimme … Er war vorher noch nie so verliebt gewesen und er sehnte sich so sehr nach ihrem Körper. Doch Ami möchte warten, sie fühlt sich noch nicht bereit. An und für sich ist das eine sehr noble Einstellung und nur zu befürworten, aber nicht, wenn der Freund Kaoru heißt! Bevor er Ami kennen gelernt hatte, war er ein richtiger Weiberheld gewesen, ein sehr schüchterner aber dennoch verdammt beliebt. Die Frauen schlugen sich um ihn, seine ruhige geheimnisvolle Art hatte ihn noch interessanter gemacht und es mangelte ihm nie an körperlicher Auslastung. Er hatte sich mehr oder weniger von den Frauen verführen und in irgendeinem Apartment vernaschen lassen. Doch eigentlich ist er der jenige gewesen, welcher die Frauen verführt hat. Er hat gewusst wie er sie um den Finger wickeln konnte und er war sich seiner geheimnisvollen Ausstrahlung durchaus bewusst. Doch es hatte ihm gefallen, wie sie sich um ihn sorgten und abends um seine Körper. Kaoru war sehr wohl ein Gentleman, wusste sich zu benehmen, war stets verantwortungsbewusst. Doch wenn es um Sex geht, war er ein Mann wie jeder andere auch. Sklave seiner Triebe, nicht im Stande sich zu wehren. Gewollt, oder ungewollt, aber nie bereut. Und ähnlich erging es ihm auch jetzt. Doch er hat sich versprochen zu warten, bis sie so weit ist. Er will nicht nur ihren Körper oder seine Befriedigung, wie bei all den anderen Frauen, er will sie wirklich lieben, mit allem was dazu gehört. Treue ist eine Erfahrung, welche er leider erst jetzt gemacht hat, doch Untreue ist für ihn mehr als nur niederträchtig. Darum wird es ihm nicht passieren, dass er Ami fremdgeht, selbst wenn er glaubt, vor Verlangen zergehen zu müssen. >Oh Ami, …< “Möchten Sie noch etwas?” Erschrocken blickte Kaoru auf, registrierte erst jetzt die Kellnerin, die neben ihm stand. “Ob Sie noch eine Wunsch haben?” Ein wenig geistesabwesend schüttelte er den Kopf und meinte: “Ähm … nein danke. Bringen Sie mir doch bitte die Rechnung.” Die Kellnerin verbeugte sie leicht: “Wie sie wünschen.” Dann zog sie mit kleinen Trippelschritten ab. >So, bin ja mal gespannt, wie sich der heutige Abend entfaltet.< Er schaute durch das Fenster zu seiner linken Seite und betrachtete ein Weilchen sein Spiegelbild. Dann zupfte er sich sein Pony zurecht, strich sich durch die frisch gefärbten Haare und kramte sein Kleingeld raus. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So ... das erste Kapitel. Möchte vielleicht jemand etwas sagen? Die ersten Seiten sind vielleicht noch nicht ganz logisch, aber ich bin ja auch noch am Anfang ^^ ! Kapitel 1: ~Shin~ ----------------- Es klingelte an der Wohnungstür und ein langhaariger blonder junger Mann ging um sie zu öffnen. Vor der Tür stand ein rothaariger Typ mit einem breiten Grinsen im Gesicht: “He Shin, darf ich dich stören?” Ohne die Antwort abzuwarten zwängte er sich an Shinya vorbei und trat in dessen Küche. Er trug einen großen Rucksack bei sich und setzte ihn auf einem der Küchenstühle ab. Shinya schloss wortlos die Tür und schlürfte seinem unerwarteten Gast hinterher. “Warum bist du hier, Daisuke?” Unglaubwürdig schauend drehte sich Dai um und fragte: “Was hast du denn? Ich wollte dich nur fragen, ob du mir bei der Auswahl meiner Klamotten für heute Abend behilflich bist.” Shinya antwortete nicht, blickte stattdessen ein wenig desinteressiert auf die Tasche. “Muss das sein?” Gelangweilt lehnte er sich gegen den Türrahmen. Daisuke kam auf ihn zu und griff ihm in die Rippen: “Zieh’ nicht so ein Gesicht! Man könnte glauben du freust dich nicht auf heute Abend.” Aufmunternd schaute er in Shin’s Gesicht und suchte seinen Blick, doch er fand ihn nicht. Shin verschränkte die Arme vor seiner Brust und strich sich mit der einen Hand beruhigend über seinen Oberarm. Erst jetzt fiel Dai auf, wie schlecht es seinem Freund ging. Er hing in seinem langärmeligen Pulli, der ihm drei Nummern zu groß war, wie ein Schluck Wasser. Seine Haut schien noch blasser als sonst zu sein und um seine Augen hatten sich dunkle Schatten gebildet. Sein Pony hing ihm strähnig ins Gesicht und verdeckte seinen traurigen Blick, doch Daisuke sah ihn trotzdem. Er trat einen Schritt auf Shin zu, griff nach seinen Schultern und zog ihn an sich heran. Shinya löste die Arme aus seiner Verschränkung und legte seine Hände zaghaft auf Dai’s Hüfte. Dann legte er seine Stirn an die Schulter seines Kameraden und seufzte. “Ach Shinya, bist du immer noch nicht darüber hinweg?” Zärtlich strich Dai durch dessen blondes Haar. Während er ihm so im Arm hielt fiel ihm auf, dass Shin’s Körper noch schmaler geworden war. Er griff ihn bei den Oberarmen und drückte ihn sanft von sich. “Was hast du in letzter Zeit gegessen?” Shinya richtete seinen müden Blick auf und antwortete: “Spielt das wirklich ein Rolle? Selbst wenn ich verrecken würde wäre es ihm egal.” Plötzlich wurde Daisuke wütend: “Hör auf so etwas zu sagen! Hier wird niemand verrecken, hast du mich verstanden?!” Sein Griff um Shinya’s Schultern wurde ein wenig fester. Energisch löste sich Shin aus seinem Griff, drehte sich rum und knurrte: “Ich geh’ duschen. Dann guck ich mir deine Klamotten an.” Daisuke starrte kurz auf die Badtür, nachdem Shinya dahinter verschwunden war. “Elender Dickschädel … “ flüsterte er vor sich hin, ehe er sich seiner Tasche widmete. Die Beleuchtung in Shinya’s Bad war eher spärlich, die Leuchtstoffröhren müssten schon längst mal gewechselt werden, aber ihm fehlte einfach die Lust dazu. Wie zu allen Dingen. Seit er sich mit Kyo gestritten hatte, fehlte es ihm allgemein an Lebenslust. Shinya legte seine Kleider ab und stieg in die Dusche. Er drehte den Wasserhahn auf und setzte sich auf den Boden der Duschkabine, mit dem Rücken an die kalten Fliesen gelehnt. Das Wasser durchnässte sein Haar, lief ihm über das gesenkte Gesicht, über die schmalen Schultern und die dünnen Arme, die er sich um die angezogenen Knie schlang. Wie es zu dem Streit mit seinem ehemals besten Freund kam, wusste er selbst nicht mehr. Nur die verletzenden Worte und die zornerfüllten Blicke waren ihm in Erinnerung geblieben. Eigentlich wollten sie nur reden, sich aussprechen, doch dann wurde die Unterhaltung zu einer Diskussion und schlussendlich zu einem heftigen Wortgefecht. Dabei war der Grund für die Aussprache ein Erlebnis, welches beide eher unfreiwillig teilten. Es war vor knapp einem Monat, abends nach Bandprobe. Shinya und Kyo hatten denselben Weg und gingen daher immer zusammen. Es war bereits dunkel und die kleinen Laternen im Park funktionierten nicht mehr oder flimmerten nur noch unruhig vor sich hin. Die beiden Freunde waren in ein Gespräch vertieft gewesen als ihnen eine Gruppe von Männern entgegenkam, dessen Alkoholfahnen schon von Weiten zu riechen waren. Sie blieben vor den beiden Jungs stehen und gaben unangebrachte, geradezu obszöne Bemerkungen von sich. Shin und Kyo wollten an ihnen vorbei, doch die Männer ließen nicht mehr von ihnen ab … Es klopfte vorsichtig an der Badtür: “Shin, alles klar?” Doch es kam keine Antwort von drinnen. Nachdem Daisuke noch einmal geklopft und gefragt hatte und es immer noch keinen Laut von drinnen gab, öffnete er leise die Badtür. In dem kleinen Bad hatten sich Dunstwolken gebildet, die schwer in der warmen Luft hingen. Es dauerte ein Weilchen bis Dai die Duschkabine erkennen konnte und bis er das kleine Häufchen Elend erblickte, das da schluchzend am Boden saß.Er schob die Duschkabinentür auf und drehte das viel zu heiß eingestellte Wasser ab, das in Strömen aus der Brause lief. Shinya hielt immer noch den Kopf gesenkt, atmete in kleinen unregelmäßigen Stößen. Dai nahm ein Handtuch, stieg in die Kabine und legte es dem Blonden um die Schultern. Dann hockte er sich neben ihn und strich ihm über den Rücken. “Es wird besser. Irgendwann.” Shinya hob langsam den Kopf und schaute ihm in die Augen. Sein Blick war glasig, ob von dem Duschwasser oder von Tränen konnte Dai nicht genau sagen. Shin’s Lippen öffneten sich und er hauchte: “Nein … wird es nicht. … Wird es nie wieder. ” Seine Lippen kniffen sich zu einem schmalen Spalt zusammen und seine Augen schienen regelrecht zu schreien vor Schmerzen. Er sah so hilflos aus, wie ein ausgesetztes Kind. Daisuke riss ihn an sich, drückte ihn an seinen Körper, während Shinya erneut in Schluchzen verfiel. Der Rothaarige musste sich ziemlich zusammen reißen um Shinya nicht die Luft durch seine Umarmung zu nehmen. Doch dieser erwiderte seine heftige Umklammerung, er wollte jetzt nicht allein sein. “Halt mich!” wimmerte er. Dai’s Kleidung war von der feuchten Luft bereits klamm und sein Oberkörper erhitzt durch Shinya’s Wärme. >Er muss eine ganze Weile unter dem heißen Wasserstrahl gesessen haben. Auf dieser Art und Weise hätte er sich doch verbrühen können!< Die warme Luft erschwerte beiden das Atmen und die Dunstschwaden hüllten sie langsam ein. Wie in Nebel getaucht drückten sich die beiden Körper aneinander, versunken in ihren Gedanken. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich war gerade fertig geworden mich für den Abend einzukleiden, als mein Handy klingelte. Ungeduldig kramte ich es unter einem Berg Klamotten hervor und ging mit einem entnervten “Wer stört?” ran. Am anderen Ende ertönte eine überraschte Stimme: “Äh … ich.” Es war Kaoru und ich bemühte mich etwas freundlicher zu klingen. “Und was ist?” Für einen kurzen Moment herrschte Stille am anderen Ende, er musste sich scheinbar seine Worte gut überlegen. In der Zwischenzeit betrachtete ich mich im Spiegel, versuchte vergebens ein paar Falten aus meinem Hemd zu zupfen. “Shinya ist auch da.” hallten die Worte aus der anderen Leitung. Wieder eine Weile Schweigen. Ich konnte meinen Puls hören, er dröhnte in meinen Ohren. Mir wurde heiß und ich sah meinen erstarrten Blick im Spiegel. Möglichst gefasst entgegnete ich Kaoru: “Rufst du deshalb an?” Ich hörte ihn tief durchatmen, dann seine Antwort: “Ich wollte dich nur darüber in Kenntnis setzten, damit du darauf vorbereitet bist.” Meine Stirn in Falten gelegt fragte ich ihn: “Was meinst du mit vorbereiten? Du tust ja gerade so, als ob Shinya und ich die ärgsten Feinde wären.” Ich vernahm ein leises Räuspern am anderen Ende der Leitung. “Hör zu Kyo.” Oje, bitte keine Predigt, ging es mir durch den Kopf und ich verdrehte die Augen. Zum Glück besaß ich kein Bildtelefon! Kaoru fuhr fort: “Ich weiß nicht so richtig, was zwischen euch vorgefallen ist und es ist auch okay für mich, wenn du nicht darüber reden willst, aber versuch ihn heut Abend wenigstens nicht ganz zu ignorieren. Eure Freundschaft sollte nicht so enden.” Ich dachte kurz nach, dann sagte ich: “Du hast Recht, Kaoru. Du hast wirklich keine Ahnung, was vorgefallen ist, also halte dich bitte raus!” Es war sehr schwer ruhig zu bleiben. Kaoru konnte nichts für die momentane Situation. Trotz alledem fand ich es störend, dass er mir irgendwelche Tipps geben wollte, für die ich zur Zeit einfach keinen Nerv hatte. “Gut, wie du meinst. Bis dann.” Er hatte aufgelegt und ich warf das Handy wütend auf mein Bett. Die Lust auf den Abend war mir sichtlich vergangen. Warum hatte mir Kaoru das gesagt? Wirkte sich der Zwist zwischen Shin und mir ebenso auf den Rest der Freunde aus? Machten alle das Gleiche durch? Litten sie wie ich? Hm, wohl eher nicht. Woher auch, ich hatte niemandem von dem Abend im Park erzählt. Ich schaffte es ja nicht einmal darüber nachzudenken! Ich wollte es auch nicht. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, an die will man einfach nicht mehr erinnert werden. Soll es mich lieber auffressen. Während die Wut erneut in mir hochkroch, bemerkte ich, dass ich immer noch in mein Spiegelbild starrte. Mein Blick verdunkelte sich, meine Hände ballten sich automatisch zu Fäusten, bis die Knöchel weiß hervorstachen. Nein! Du wirst dich jetzt zusammenreißen! Draußen konnte ich die Stimmen von Yuri und Setzuna, meinen beiden Mitbewohnern, hören. Sie unterhielten sich über irgendein Mädchen und malten sich aus, welcher von beiden sie eher rumkriegen würde. Oh man, solche Probleme möchte ich auch mal haben! Sie klopften an meine Zimmertür. “Was ist?” rief ich. Durch die geschlossene Zimmertür fragte Yuri: “Hast du Hunger? Setzuna will Pizza bestellen und anschließend um die Häuser ziehen.” Er wartete kurz auf meine Antwort. “Hab heut schon was vor.” Vorsichtig öffnete er die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. “Ach, ehrlich?” Erbost schaute ich ihn an. “Was soll denn die Frage?” Yuri hatte Mühe sich ein fettes Grinsen zu verkneifen, während seine Augen im Zimmer umherschweiften. Obwohl es draußen bereits düster war, hatte ich kein Licht in meinem Zimmer an, ich mochte es, wenn es dämmerte. “Naja,” begann Yuri seine Erklärung; “du warst schließlich schon seit Tagen nicht mehr aus, wenn nicht sogar Wochen!” “Das geht dich einen Scheißdreck an!” entfuhr es mir. Yuri’s Gesicht wandelte seinen freudigen Ausdruck in die des Enttäuschten. “Is’ ja gut, wollt nur höflich sein. Hast ja echt ‘nen Haufen Klamotten!” Anerkennend hob er seine Augenbraue, zog seinen Kopf zurück und schloss die Tür. Draußen hörte ich ihn dann irgendwas zu Setzuna murmeln, aber das war mir egal. Sollten sie doch denken, was sie wollen. In zwei Tagen haben sie es eh wieder vergessen. Nachdenklich schaute ich auf meinen vorhin durchwühlten Berg Sachen. Dann noch mal einen prüfenden Blick in den Spiegel. “Yuri?!” rief ich. Zwei Sekunden später ging die Tür wieder auf. “Was’n?” Ich drehte mich zu ihm um und fragte: “Kann ich das anziehen?” Yuri feixte kurz, knipste das Licht an und musterte mich von oben bis unten. Dann nickte er leicht: “Klar, sieht gut aus. Allerdings solltest du noch was mit deinem Gesicht machen, du siehst aus, wie auf Schlafentzug.” Dann knipste er das Licht wieder aus und ging. Ich stand da und dachte über seine Worte nach. Müde aussehen, das passte mir gar nicht. Während ich mit der einen Hand nach dem Lichtschalter meiner Stehlampe tastete, suchte ich mit der anderen nach dem Behälter meiner Kontaktlinsen. Ich fand sie relativ zügig und kniete mich vor den Spiegel. Ich darf heute Abend keinen ermüdeten Eindruck machen, ganz im Gegenteil. Man soll mir ansehen, wie gut es mir geht, bevor einer auf den Gedanken kommt, mir fehle etwas. Die blauen Linsen passten ganz gut zu meinem Anzug und ließen meine Augen weit geöffnet erscheinen. Fast perfekt, nur noch ein wenig dunkles Make up. Wie wird wohl Shinya aussehen …? Oh Gott, was denk ich denn da?! Okay, seit einem Monat haben wir uns nicht mehr gesehen, seit dieser Zeit fielen auch unsere regelmäßigen Bandproben aus, doch das war noch lange kein Grund in sentimentale Gefühle zu verfallen! Was will ich denn mit Sehnsucht und diesem ganz Schund? Davon hab ich genug, gebracht hat es mir schließlich auch nichts. Während ich den schwarzen Eyeliner aufbrachte, fielen mir wieder Shinya’s Augen ein. So tief, so verträumt, in denen konnte man versinken, ohne Angst vor dem Ertrinken zu haben. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, dass ich diese Augen das letzte Mal sah. Damals waren sie traurig und leer … ALTER, WAS SOLL DIESER SCHEIß??? Ich biss mir auf meine Unterlippe, bis die kleinen Gefäße aufplatzten und mir der Schmerz in das Hirn stieg. Dann verteilte er sich in jeder Blutbahn, in jedes Gliedmaß. Mir schossen Tränen in die Augen, doch meine Muskeln entspannten sich und ich lehnte mich entladen zurück. Die Anspannung war weg. Das Blut verteilte sich in meinem Mund, es schmeckte bitter und ich schluckte es unfreiwillig runter. Dann nahm ich mir ein Taschentuch vom Schreibtisch und presste es auf meine Lippe. Das hast du nun davon, elender Idiot! Ich warf mir einen verächtlichen Blick im Spiegel entgegen. Dieser verdammte Gefühlsscheiß, lass mich doch endlich in Ruhe! Ich schmiss das Taschentuch auf den Tisch zurück, gefleckt von Blut. Dann nahm ich den Liedschatten und schminkte mich weiter. Nachdem ich fertig war stand ich auf, schob den Klamottenhaufen mit den Füßen an die Wand, griff nach dem Handy, löschte das Licht und verließ mein Zimmer. Im Flur war es ebenso dunkel, die Jungs waren schon eine Weile weg. Der Geruch von Pizzateig hing in der Luft. Ich folgte der Duftspur in die Küche, machte Licht an und erblickte noch zwei Stück der Pizza in ihrer Schachtel. Sieht gar nicht so übel aus, dachte ich mir und nahm ein Stück. Nach dem ersten Biss legte ich das Stück zurück und spukte meinen Bissen in die Spüle. “Verdammt, die ist ja mit Kraut!” rief ich in den Raum und es schallte von den Küchenschränken wieder. Ich hasse Kraut, jeglicher Art, ob Sauerkraut, Rotkraut, Weißkraut, es ist alles gleich eklig! Das war’s dann wohl mit meinem Abendbrot. Frustriert griff ich nach der Schachtel und stopfte sie in den Mülleimer. Dann nahm ich mir ein Glas und holte die Milch aus dem Kühlschrank. Wenigstens waren die beiden Milch kaufen. Ich trank zwei Gläser in einem Zug, stellte die Milch zurück in den Kühlschrank und das Glas in die Spüle. Dann stützte ich mich auf dem Fensterbrett ab und schaute aus dem Fenster. Von hier aus konnte ich Shinya’s Wohnung sehen. Sie lag ein paar Straßen weiter von mir entfernt. In seinem Schlafzimmer brannte Licht. Unweigerlich tauchten Erinnerungen in mir auf, wie wir gemeinsam in diesem Raum waren, wie weich sein Bett war, wie gut seine Bettwäsche roch und wie gut seine Haut roch. Der Geruch seines Haars stieg mit plötzlich in die Nase. Ich schüttelte heftig den Kopf. Warum kann man seine Erinnerungen nicht einfach auslöschen? Warum verfolgen sie einen und hören nicht auf zu quälen? Ich senkte den Kopf und fixierte die Kacheln unter meinen Füßen. Sie hatten ein eigenartiges Muster und wenn man lange genug darauf schielte wurde einem schwindlig im Kopf. Zögernd richtete ich meinen Blick wieder auf, suchte das erhellte Schlafzimmerfenster von Shin, doch ich konnte es nicht mehr sehen. Also hatte er das Licht gelöscht und seine Wohnung wahrscheinlich schon verlassen. Ist auch besser so, dann begegne ich ihm nicht auf dem Weg zu Toshiya. Ich drehte mich um, machte das Küchenlicht aus und schlüpfte in meine Schuhe. Dann stand ich drei Minuten regungslos im Flur und wartete. Ich wollte jeglichem Restrisiko aus dem Weg gehen, dass Shin vielleicht doch noch nicht die Wohnung verlassen hatte und ich ihm entgegenlief. Danach schloss ich die Wohnungstür zu, stieg langsam die Stufen hinab, fischte eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie mir vor dem Haus an. Normalerweise genoss ich den Rauch, aber heute hatte er nur eine halb so gute Wirkung. Was soll’s, ich kann mich jetzt nicht mehr drücken, wäre auch zu auffällig. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ *muahahaha* Jetzt dürftet ihr nicht mehr ganz so verwirrt sein … das heißt, wenn sich das überhaupt jemand durchliest ... Über Kommis würde ich mich echt freuen! Kapitel 2: ~Der Gastgeber~ -------------------------- Toshiya setzte sich zufrieden auf die Couch im Wohnzimmer der unteren Etage. In der Oberen befand sich ebenfalls ein kleineres Wohnzimmer, doch das diente eher als sein Schlafzimmer, außerdem noch ein Gästezimmer und ein Bad. Das Obergeschoss war für Besuch in der Regel tabu, außer natürlich für seine guten Freunde. Ansonsten wurden alle Empfänge jeglicher Art in der großen Stube im Erdgeschoss abgehalten. So auch der heutige Abend. Das Buffet war vorbereitet und die Anlage lief ebenfalls. Toshiya legte sehr viel Wert darauf, dass es seinen Gästen an nichts fehlte. Er war ein guter Gastgeber und durch das Vermögen, welches ihm seine Eltern hinterlassen hatten, kaum eingeschränkt. Toshiya’s Eltern waren keinesfalls tot, sie sind ausgewandert, da sie sich in Japan nicht mehr wohl fühlten. Sie wollten mehr von der Welt sehen, eine neue Existenz aufbauen, ohne die dunklen Schatten der Vergangenheit. Toshiya wurde es damals freigestellt, ob er seine Eltern begleiten oder hier bleiben möchte. Da er volljährig war, konnten sie ihn nicht gegen seine Willen mitnehmen. Doch aufgrund seiner Freunde und des Bandprojektes, in dem er sich verwirklichen konnte, blieb er und ließ die Eltern allein gehen. Das war vor drei Jahren, seit jeher überweisen sie ihm regelmäßig Geld, damit er nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommt und einen guten Lebensstandart halten kann. Einmal die Woche kommt ein Haushaltsmädchen vorbei, welches sich um den Einkauf und die Reinigung des Hauses und des Grundstückes kümmert. Da das Hausmädchen jung und attraktiv war, ließ es sich Toshiya nicht nehmen, sich auch mal um sie zu kümmern… Das war jedoch eine einmalige Geschichte und auch schon ein Weilchen her. Seitdem begegnen sie sich nur noch als Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es war für beide nicht unbedingt die Erfüllung gewesen, also konnte die Sache zwischen ihnen in beider Einverständnis abgehakt werden. Es klingelte an der Haustür. Toshiya schaute auf die Uhr. >Pünktlich auf die Minute? Das konnten nur Kaoru und Dai sein.< Er erhob sich und ging zur Tür. “He! Na, altes Haus, wie geht’s?” Daisuke strahlte wie ein Honigkuchenpferd und umarmte Toshiya freundschaftlich. “Wow Dai, du hast dich ja richtig rausgeputzt!” Anerkennend schlug er Daisuke auf die Schulter und bat ihn mit einer Handbewegung herein. Dann widmete er sich Kaoru: “Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht? Das sieht ja verschärft aus!” Kaoru errötete leicht: “Danke. Danke auch für die Einladung.” Zögernd strich er sich durch seine violetten Haare. “Wo hast du denn Ami gelassen?” fragte Toshiya neugierig. “Sie kommt etwas später, muss noch irgendwas im Haushalt machen.” Daisuke hatte es sich schon auf der Couch bequem gemacht und guckte sich neugierig im Wohnzimmer um. Dann meinte er beiläufig zu Toshiya: “War ja schon ein Weilchen nicht mehr hier, aber verändert hat sich soweit eigentlich nichts, oder?” Toshiya lächelte leicht ehe er antwortete: “Naja, die hintere Zimmertür ist vielleicht ein wenig eingestaubt. Aber ansonsten ist alles beim Alten. Darf ich euch vielleicht etwas zu trinken anbieten?” Fragend schaute er in die Runde. Kaoru hatte sich neben Daisuke gesetzt und beide gaben zur Antwort: “Ein Bier, bitte!” Dann sahen sie sich verblüfft an und grienten. “Oje,” meinte Toshiya; “das Zusammenwohnen scheint euch ganz schön geschadet zu haben!” Dann holte er die Getränke aus der Küche und ließ sich auf den Sessel rechts von Daisuke nieder. Nachdem sie alle den ersten Schluck des kühlen Getränkes zu sich genommen hatten, fragte Kaoru in den Raum: “Was glaubt ihr, kommen die beiden gemeinsam?” Er hatte genau das ausgesprochen über was sich Toshiya und Daisuke auch schon Gedanken gemacht hatten. Alle drei wussten, dass die Freundschaft zwischen Kyo und Shinya am Auflösen war, aber keiner von ihnen wusste genau warum, oder wie es dazu kam. Daisuke schüttelte leicht den Kopf, dann sagte er leise: “Ich glaube nicht.” Toshiya hingegen stierte auf die letzte Tür des Erdgeschoßes. Dahinter befand sich der Proberaum, er wurde seit einem Monat nicht mehr genutzt. Toshiya drehte den Kopf zu Dai und fragte: “Wie geht es Shin? Er kommt doch, oder?” Der Rothaarige nickte: “Zugesagt hat er jedenfalls. Ich war vorhin noch mal bei ihm … und ich hab das Gefühl, er zerbricht.” Eine Totenstille legte sich auf die drei Freunde. Kaoru nahm einen Schluck aus seiner Flasche, sah dann auf: “Ich hab heute kurz mit Kyo telefoniert, er wirkte ziemlich angespannt.” Der Große sah ihn an, dann Daisuke: “Er ist auch in einer sehr schlechten Verfassung. In letzter Zeit war er oft bei mir, hatte Wutausbrüche, für die es eigentlich keinen Anlass gab. Neulich musste mein Badspiegel dran glauben, dann meine Küchenstühle, jetzt auch mein Tisch. Ich komm schon gar nicht mehr hinterher mit Nachkaufen.” Er versuchte zu Lächeln, doch es gelang ihm angesichts der Situation nicht wirklich. “Ich glaube, da ist mehr gewesen als nur ein Streit.” Daisuke stellte seine Flasche auf den Tisch, zog sich ein Bein an die Brust und sprach weiter: “Ein Streit bringt eine jahrelange Freundschaft nicht einfach so zum Kippen. Sie waren früher so dicke, hingen ständig miteinander ab. Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie vernachlässigt wir uns zum Teil gefühlt haben?” Er lächelte vor sich hin. Kaoru ging darauf ein: “Stimmt, manchmal hat man sie tagelang nicht gesehen. Mir war so oft langweilig!” “Ach komm,” rief Toshi heiter; “du hast dir doch dann deine kleine Freundin gesucht!” Alle fingen an zu kichern. Nachdem sich die Gemüter wieder gelegt hatten, meinte Daisuke: “Aber jetzt mal im Ernst. Irgendwas muss doch gewesen sein?!” Fragend blickte er von Toshi zu Kaoru, doch beide zuckten nur mit den Schultern. Es klingelte erneut an der Tür. Kaoru und Dai sahen Toshi an, dieser stand auf, legte den Finger an die Lippen und bedeutete damit, das Thema jetzt zu wechseln. Dann machte er eine halbe Drehung und lief zur Tür. Als er sie öffnete blickte er auf das blonde Haupt Shinya’s. Dieser hob den Kopf und versuchte ein glaubwürdiges Lächeln aufzusetzen. “Hallo, Toshi. Herzlichen Dank für die Einladung.” er verbeugte sich knapp. “Ist doch selbstverständlich. Irgendwann müssen wir uns doch alle mal wieder sehen.” Toshiya ging einen Schritt auf Shinya zu und nahm ihn kurz in den Arm. Dann geleitete er ihn ins Haus. Shinya legte seinen Mantel ab, dabei bemerkte Toshi, dass man Shin’s Schlüsselbein noch mehr sehen konnte als sonst. Der Blonde trug langärmlige Kleidung und sein Gesicht war blass. Er hatte sich zwar geschminkt, doch trotzdem konnte Toshi die Spuren des Verlustes in seinem Gesicht lesen. “Setz dich!” forderte er Shinya auf; “Möchtest du was trinken? Hab für dich extra Wein gekauft.” Aufmunternd sah er ihn an. Shinya nickte lächelnd, gab dann Kaoru die Hand zur Begrüßung. Dieser stand auf und nahm ihn ebenfalls kurz in den Arm. Dann deutete Daisuke mit einer Kopfbewegung auf seine linke Seite, er sollte sich zwischen Kaoru und ihn setzten. Nachdem er sich gesetzt und die Beine übereinander geschlagen hatte, brachte ihm Toshiya ein Glas Wein. Dankend nahm er es entgegen und führte es an seine Lippen. Die anderen drei Jungs beobachteten ihn dabei. Also hielt Shinya inne, setzte das Glas wieder ab, legte sich die Hände in den Schoß und sagte: “Jetzt hört auf euch wie auf einer Beerdingung zu verhalten. Es ist alles in Ordnung.” Er sah langsam von einem zum andern und lächelte dabei so sehr, dass man seine strahlendweißen Zähne sehen konnte. Dann wuschelte er durch Kaorus Haar: “Schöne Farbe, gefällt mir!” Eigentlich war Kaoru sehr eitel, wenn ihm jemand ins Haar fasste, doch diesmal sagte er nichts, sondern lächelte nur. “Was habt ihr denn so in letzter Zeit getrieben?” Kaoru, Daisuke und Toshiya musterten sich gegenseitig. Scheinbar hatte Shinya gute Laune und wollte sie gern teilen. Also begannen sie eine kleine Unterhaltung über Dai’s letzte Mädels, Toshiya’s Arbeit und Kaoru’s neue Leidenschaft fürs Klavierspielen. Er drehte seinen Kopf zu Shin und prahlte: “Du glaubst ja gar nicht, wie viele Mädels auf Pianospielende stehen!” Toshiya lachte laut: “Blöd nur, dass du dir den Keuschheitsgürtel angelegt hast!” Alle vier stimmten in das Lachen ein, dann antwortete Shinya: “Obwohl es doch eigentlich sehr nobel von ihm ist Ami treu zu sein, oder nicht?” fragend schaute er zu Dai, der winkte nur grinsend ab: “Nichts für mich, bin nicht so der Beziehungstyp. Aber Toshi versteht Kaoru von uns doch bestimmt am besten, nicht wahr?” Sein ironischer Unterton war nicht zu überhören, dafür kassierte er auch gleich einen Tritt ins Schienbein. Er verzog vor Schmerz das Gesicht und jammerte: “Getroffene Hunde bellen!” Und wieder wurde gelacht. Daisuke registrierte die Fröhlichkeit von Shin. >Heute Nachmittag war nicht einmal an ein Lächeln in seinem Gesicht zu denken.< Dem Blondschopf tat die Gesellschaft der anderen gut und er entspannte sich sogar ein wenig. Das erste Glas Wein hatte er bereits geleert, als Kaorus Handy klingelte. Er stand auf und ging in die Küche um das Telefonat entgegenzunehmen. Dann kehrte er zurück, die Mundwinkel etwas nach unten gezogen. “Was ist los?” fragte Toshiya. Kaoru setzte sich geknickt hin und sagte: “Ami hat grad abgesagt, ihre Eltern wollen mit ihr irgendwohin.” Es herrschte kurz Stille, dann rief Daisuke: “Tja, wird dann wohl ein reiner Männerabend! Darauf trink ich!” Nach kurzem Zögern stimmten alle zu und erhoben ihre Getränke. “Kann ich mal dein Bad benutzen?” fragte Shinya an den Gastgeber. Dieser meinte: “Klar, aber du musst oben gehen, die Spüle im unteren Klo ist kaputt und der Klempner kommt erst morgen.” Der Blonde erhob sich, stieg die Treppen hinauf und verschwand im oberen Stockwerk. “Mensch, das läuft doch richtig gut!” rief Daisuke freudig aus. Die anderen beiden nickten zustimmend, dann fügte Dai hinzu: “Ich muss mich auch entschuldigen, aber ich geh mal kurz raus.” Während er aufstand sagte Toshiya neckisch: “Hast du denn immer noch nicht aufgehört zu rauchen? Dann hast du ja nicht mehr lange!” Daisuke war bereits am Schuhschrank angelangt und zeigte nur den Mittelfinger Richtung Sessel. Kaoru und Toshiya lachten erneut und ließen die Flaschen klirren. Als Daisuke draußen war, setzte er sich auf die unterste Stufe der kleinen Treppe, welche vom Gartenweg zur Haustür führte. Er zündete sich eine Kippe an und blies genüsslich den Rauch in den Abendhimmel. Daraufhin hörte er Schritte auf der sonst leeren Straße widerhallen und Kyo bog um die Ecke. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Na, jetzt wird es doch langsam spannender! ^^V Wer will wissen, wie's weiter geht??? *warau* Kapitel 3: ~Begegnung~ ---------------------- Ich hatte noch gar nicht richtig das Gartentor geöffnet, als ich Dai vor Toshi’s Haus sitzen sah. Langsam ging ich auf ihn zu. Er sah gut aus. Seine Frisur saß perfekt, dieser Franzenschnitt stand ihm einfach. Als er mich ansah brachte ich gerade so ein “He.” hervor, zu mehr hatte ich keine Lust. Dai hielt mir seine Zigarettenschachtel entgegen. “Nee, ich hab’ grad.” Es kam mir sehr gelegen, dass ich ihn hier traf, so konnte ich den Moment hineinzugehen noch ein bisschen hinauszögern. Also nahm ich neben ihm auf der Stufe Platz und schaute wie er in den Nachthimmel. Es war sternklare Nacht und die Luft recht kühl. “Ich bin froh, dass du gekommen bist.” sagte Dai bestimmt. “Warum sollte ich denn nicht? Man sieht sich doch sonst kaum.” gab ich murmelnd zurück. Aus Langerweile begann ich kleine Kreise mit meinem Schuh in den Kies zu kratzen. Dai sah es sich ein Weilchen an, dann schnippte er seine Kippe auf die Straße (keine Ahnung wie er das auf dies Entfernung jedes Mal schaffte), legte seine Hand auf meine Schulter und meinte: “So, wenn du jetzt da bist, können wir auch endlich hineingehen.” Bevor ich ihm etwas entgegnen konnte, stand er bereits, kuffte mir noch mal auf den Oberarm und stieg die Treppe rauf. Nur widerwillig folge ich ihm. Wir standen im Flur, ich hatte gerade meine Schuhe ausgezogen, als mich Dai ein paar Sekunden musterte. “Siehst gut aus.” Ich schaute auf den Boden und presste ein “Danke.” heraus. Dann drehte er sich weg und lief ins Wohnzimmer. Plötzlich hörte ich Toshiya’s Stimme: “Kyo, da bist du ja. Wir dachten schon du kommst gar nicht mehr!” Fröhlich kam er mir entgegen, reichte mir die Hand und zog mich dann für eine Umarmung an sich ran. “Kleiner, du siehst toll aus!” flüsterte er mir ins Ohr. Nachdem er die Umarmung gelöst hatte, schob er mich leicht Richtung Couch. “Setz dich, ich hol dir ein Bier!” Shinya war nirgends zu sehen, kam wahrscheinlich doch nicht. In mir machte sich ein Gefühl von Erleichterung breit. Ich blieb vor dem Stubentisch stehen und schaute auf Kaoru. Er hielt seinen Blick jedoch gesenkt und drehte unruhig die Flasche in seinen Händen. “Kaoru … sorry wegen vorhin.” Jetzt schaute er auf und sein Mund formte sich vorsichtig zu einem Lächeln. “Is’ okay. Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast.” Auf dem zweiten Sessel nahm ich Platz. Plötzlich sah ich das Weinglas auf dem Tisch. “Ami is auch da?” Kaorus Blick folgte meinem bis zum Glas. Zögerlich antwortete er: “Nein … das gehört Shinya.” Mein Herz begann zu rasen. Ganz ruhig, Kyo! “Hier!” Dai stand neben mir und hielt mir das Bier vor die Nase. “Wo ist denn Toshi?” wollte Kaoru wissen. “Der wollte nach dem Essen sehen.” gab Dai gleichgültig zurück und ging wieder auf seinen Platz. Hinter mir hörte ich das Knarren der Treppenstufen. Instinktiv drehte ich mich um und erblickte … Shinya! Mein Atem setzte für einen Moment aus und ich glaubte, keine Luft mehr bekommen zu können. Ich wollte mich zurückdrehen, doch ich konnte meinen Blick von dieser schmächtigen Gestalt, welche so eben stehen geblieben ist, nicht mehr abwenden. Unsere Blicke trafen sich. Die Zeit schien für einen Moment still zu stehen. Oh Shin, du bist so … meine Gedanken überschlugen sich. Er senkte seinen Blick, spielte verkrampft am Bund seines Pullis. Sein Haltung wirkte so schwach, als könne er jeden Augenblick zusammenbrechen. Seine Kleidung war wie immer sehr modisch gewählt, doch sie waren ihm irgendwie zu groß, oder kam es mir nur so vor? Dann tauchte Toshiya auf, griff nach Shinya’s Arm und zog ihn Richtung Couchtisch. Meine Starre war wie gelöst, ich schaute schnell weg und nahm eine großen Schluck Bier. “So meine Freunde!” verkündete Toshiya feierlich: “Nachdem wir uns nun alle zusammengefunden haben möchte ich euch mitteilen, dass das Buffet bereit für euren Angriff ist! Schlagt kräftig rein, ist genug da!” Daisuke sprang sogleich auf, griff nach Kaoru’s Ärmel und deutete mit einem Blick auf mich, ohne, dass ich es merkte. Kaoru sprang ebenfalls auf und beide rannten regelrecht in die Küche. Toshiya feixte beiden nach und folgte ihnen. Dann war ich plötzlich allein mit Shinya. Verkrampft stierte ich auf das Holz des Couchtisches. Wenn ich ihn jetzt ansehe, kann ich wieder nicht wegschauen. Die Anlage nahm gerade einen CD- Wechsel vor und es war absolute Stille. Ich studierte gerade die Holzmaserung als ich Shinya’s Stimme meinen Namen flüstern, fast hauchen, hörte. “Kyo … “ Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt und begann wieder mit seinen Fingern am Bund zuspielen. Seine Nervosität konnte er wirklich nicht verheimlich. In ihm herrschte ebenso ein Gefühlschaos, wie in mir. Seine Verzweiflung stürmte nur so auf mich ein. Ich stellte mein Bier auf den Tisch und stand langsam auf. Mit gesenktem Blick schritt ich an ihm vorbei, steuerte die Küche an. Als ich an ihm vorbei zu sein schien, griff er nach meinem Handgelenk. Seine schlanken Finger hielten mich fest. Seine Hand war so kalt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich blieb stehen, schloss die Augen. Seine Berührung brachte mich total aus der Fassung, falls ich seit seinem Anblick überhaupt noch eine hatte. Shinya rang nach Luft, wollte sich grad zu mir drehen. “Bitte … “ flüsterte ich: “Bitte fass … mich nicht an.” Ihm stockte der Atem, sein Griff wurde ein wenig fester. Ich drehte meinen Kopf ansatzweise in seine Richtung, sah ihn trotzdem nicht an. Langsam wurde sein Griff locker, bis meine Hand aus seiner rutschte. Unsere Finger hielten eine Sekunde einander fest, ohne dass ich es beeinflussen konnte. Shinya’s Finger streiften jedes einzelne Glied meiner Hand, während unsere Hände schlussendlich auseinanderglitten. Ich rang nach Luft, mir drehte es im Kopf und eine Hitzewelle nach der anderen überrollte mich. Dann gewann ich meine Fassung wieder, öffnete die Augen und ging in die Küche. Shinya bewegte sich nicht. Er stand immer noch in der Mitte des Raumes. Ich wollte mich umdrehen, doch ich konnte es einfach nicht. Also schob ich ihn in Gedanken weit von mir. Es bringt doch nichts, lassen wir es, Shin! In der Küche fand ein lustiges Treiben statt. Kaoru und Dai stritten sich um die Maki und Toshiya erwärmte gerade den Sake, während er die beiden lachend beobachtete. Dann sah er mich, sein Blick wurde auf einmal ernst. In Gedanken schien er mich etwas fragen zu wollen, doch er sagte nichts. Mit einem Lächeln wollte ich ihm zeigen, dass alles in Ordnung sei. Die beiden Streithähne bemerkten mich ebenfalls und hielten kurz inne. Alle drei durchbohrten mich regelrecht mir ihren fragenden Blicken. Oh man, für sie war es mit Sicherheit nicht leicht. Keiner von ihnen wollte mir oder Shinya den schwarzen Peter zuschieben. Sie saßen zwischen den Stühlen. So wie ich auch. Ich befand mich zwischen meinen Gefühlen und der Tatsache, diese Gefühle nicht haben zu wollen. Es war ein Teufelskreis. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir flau im Magen. Alles erschien mir wirr, undurchdringlich. “Ich nehm’ das Brot.” versuchte ich zurückzukehren. Lass das Gegrübel, Kyo! Es hat heute nichts in deinem Hirn verloren! “Was? Brot?” Toshiya guckte ziemlich ungläubig: “Ich hab dir extra Ramen gemacht!” Mit Abscheu dachte ich an die Pizza von vorhin. Mein Hunger wuchs und es schien noch ein langer Abend zu werden, mit viel Alkohol, da konnte es nicht schaden genug im Magen zu haben. Ein breites Grienen breitete sich in meinem Gesicht aus, spiegelte sich in den Gesichtern der anderen. Toshiya hat sich soviel Mühe mit dem Essen gegeben, also her damit! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Tjaaaa ... dieses Kapitel fällt etwas kurz aus. Ich möchte, dass die Gefühle, die beim Lesen entstehen, Zeit haben zu wirken. Das Nächste wird länger, versprochen! Kapitel 4: ~Wein und Sake~ -------------------------- Die vier Jungs befanden sich am Buffet und ließen es sich schmecken. Shinya hingegen war kotzübel. Sein Körper fing an zu beben und seine Atmung wurde schneller. Er sah die Weinflasche neben dem Tischbein. Ohne weiter darüber nachzudenken griff er nach ihr, schenkte sich ein Glas ein und kippte es mit einem Zug hinter. Das Getränk schoss ihm die Kehle hinunter, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge. Er kniff die Augen zu um ein heftiges Schütteln zu unterbinden. Als er sie wieder öffnete, sah er das leere Glas in seiner einen und die noch halbvolle Flasche in der anderen Hand. >Er hasst mich.< Langsam stiegen ihm die Tränen in die Augen und sein Mund fühlte sich so unnatürlich trocken an, obwohl er vor wenigen Sekunden etwas Flüssiges zu sich genommen hatte. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Gefühle von Sehnsucht und Verzweiflung stiegen in ihm auf, vernebelten ihm die Wahrnehmung. Er wollte es nicht fühlen. Wollte nicht die Kontrolle über sein Denken verlieren. Also schenkte er sich ein weiteres Glas ein, trank es wieder mit einem Zug. Langsam drehte es ihm im Kopf. Das gesamte Wohnzimmer schien sich zu bewegen, um ihn zu drehen. Er sah die geschlossene Küchentür, hörte verzerrt die Stimmen seiner Freunde, hörte Kyo’s Lachen. >Er gibt mir die Schuld. Ich konnte doch gar nichts tun …< Die erste Träne verlies sein Augen und bahnte sich ihren Weg über seine Wange. Die zweite folgte. Shinya griff nach der Flasche, stellte das Glas zurück auf den Tisch und stand auf. >Ich brauche frische Luft, sonst muss ich mich übergeben.< Er schlich in den Flur, an seinen Schuhen vorbei, griff nach der Türklinke als er Daisuke Stimme hörte: “He Shin, wo willst du hin? Das Essen steht hier!” Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. Shinya überlegte kurz. Die Weinflasche hielt er so, dass Dai sie nicht sehen konnte. Ohne sich umzudrehen rief er: “Ich bin nur kurz draußen frische Luft schnappen. Das regt doch für gewöhnlich den Apettit an!” >Ob er es glaubt?< Daisuke kniff beide Augen zu schmalen Spalten zusammen, dann meinte er abwinkend: “Okay, alles klar. Lass dir nicht zuviel Zeit, sonst is’ nichts mehr da!” Shinya nickte nur und verlies das Haus. Daisuke kam zurück in die Küche. “Wo bleibt den Shin?” fragte Kaoru. “Kurz draußen, frische Luft schnappen.” “Achso.” Kaoru widmete sich wieder dem Essen. “Okay, wer ist bereit für Sake?” Toshiya’s gute Laune verbreitete sich im ganzen Raum und färbte auf jeden ab. Er war so froh, dass alle fünf mal wider beisammen waren. Für ihn fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Auch wenn Kyo oft bei ihm war, ersetzte es nicht die Abende, welche sie zu fünft schon erlebt hatten. Die Baggerversuche von Dai bei den Kellnerinnen der Stammkneipe, Kaorus Moralpredigen als Reaktionen, Shinya’s schwarzen Humor und die Sticheleien von Kyo. >Das heute ist der Anfang.< dachte er sich. Kyo verputzte gleich zwei Schalen Ramen und saß nun schon am dritten Glas Sake. Und Daisuke hatte es geschafft, sich mit Kaoru auf eine Speise zu einigen, welche sie sich gegenseitig überlassen wollten. “Ihr seid wie kleine Kinder.” wurden sie von Toshiya angesprochen. “Ich würde eher sagen, nicht ausgelastet!” stichelte Daisuke seinen Mitbewohner. Dieser kuffte ihm sogleich in die Rippen. Dai schreckte kurz zusammen und ging dann spielerisch mit seinen Essstäbchen auf Kaoru los. Kyo blickte verwirrt zu Toshiya, dann lachten sie. “He Kleiner,” Toshiya rückte ein Stück näher an Kyo; “Wie läuft es im Studium?” Etwas beschämt kratzte sich der Angesprochene am Hinterkopf. “Naja,” brachte er zögernd heraus; “ich mach zur Zeit Semesterferien.” Kaoru sah ihn auf einmal an und rief: “Du willst doch wohl nicht sagen, dass du blau machst?” Toshiya neigte den Kopf zur Seite, legte sein vertrauenswürdigstes Lächeln auf und sah Kyo an. Dieser sagte gar nichts mehr. “Halb so schlimm! Du bist bestimmt nicht der einzige, der das macht!” Daisuke erhob seine Schale: “Auf die freie Jugend!” Toshiya und nach etlichen Zögern auch Kaoru, hoben ebenso ihre Schalen. “Auf uns!” Nachdem alle ihre Gläser geleert hatten und Kaoru das WC aufsuchte, dachte Daisuke an Shinya. >Der müsste doch schon längst wieder da sein?!< Kyo fiel der nachdenkliche Blick des Rotschopfes auf. Er dachte das Gleiche, doch er sagte nichts. Stattdessen sah er Dai einfach nur an, bis dieser seinen Blick erwiderte. Unauffällig deutete Kyo mit dem Kopf zur Tür. Daisuke nickte sacht und verließ den Tisch. Toshiya wollte gerade etwas sagen, als sich Kyo zu ihm drehte und fragte: “Bist du mir noch sehr böse, wegen heute Nachmittag?” Toshiya sah den Kleinen für ein paar Sekunden an. Durch die blauen Kontaktlinsen wirkte Kyo sehr viel gefährlicher als sonst und das dunkle Make up begünstigte dies. Der Große schob seine Essschale in die Mitte des Tisches, stützte sich auf seinen Armen auf: “Nein, aber du schuldest mir was.” Als er Kyo’s verblüfften Gesichtsausdruck sah, musste er laut lachen. “Du wirst einen Monat meinen Rasen mähen!” Kyo’s Unterkiefer klappte ein Stück nach unten, ehe er nörgelte: “Och nö, nicht so’n Scheiß.” Toshiya wuschelte ihm durch sein Haar, bis Kyo wieder quängelte: “Ey, du machst meine Frisur kaputt!” und er vergebens versuchte, Toshiya’s Hand auszuweichen. >In solchen Augenblicken kann man sich gar nicht vorstellen, dass dieser Knirps einen Tisch mit seinen blanken Fäusten zerschlägt.< Ein wenig Traurigkeit legte sich in Toshi’s Blick, dann machte er sich daran, den Tisch abzuräumen. In dem Moment kam auch Kaoru wieder und half ihm. Kyo beobachtete die beiden, machte jedoch keinerlei Anstalten mitzumachen. Er überlegte kurz und platzte dann raus: “Ich hab Bock zu singen!” Die anderen beiden wirbelten erschrocken herum und sahen ihn völlig überrascht an. “Wie war das?” Toshiya traute seinen Ohren nicht. Auch Kaoru glaubte sich verhört zu haben: “Sag das noch mal!” Jetzt lächelte der Kleine wieder: “Ich möchte singen! Jetzt gleich!” Daisuke, welcher von all dem nichts mitbekommen hatte, erreichte gerade die letzte Stufe der Eingangstreppe. Es war stockdunkel, die Beleuchtung der Straße kam so gut wie gar nicht an. Toshiya wohnte in einem etwas ruhigen Viertel und die Stille wurde unheimlich. Es war noch kälter geworden, wir befanden uns schließlich Anfang Herbst. Daisuke suchte mit seinem Blick angestrengt den Vorgarten ab, doch von Shinya keine Spur. Er lauschte konzentriert in die Stille, doch er hörte ihn auch nicht. Ihm schossen die Bilder von heute Nachmittag in den Kopf, wie Shinya in der Dusche hockte, wie schrecklich am Ende er war und diese angeschwollenen Augen. “Shin?” vorsichtig flüsterte er seinen Namen. Stille, keine Antwort. Langsam lief er auf die Rückseite des Hauses, da gab es eine kleine Terrasse, auf der sie im Sommer gemeinsam gegrillt hatten. Das machten sie jeden Sommer. Seit diesem Jahr hatte sich Toshiya eine Hollywoodschaukel zugelegt und Shinya war total begeistert gewesen. >Vielleicht ruht er sich darauf aus?< Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken kam er an der Terrasse an. Es war hier hinten noch dunkler, kein Straßenlicht reichte bis hierhin. “Shin?“ Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Langsam konnte er die Umrisse der Schaukel, des Gartentisches und der Stühle erkennen. “Shinya, bist du hier?” Daisuke’s Geduld schwand sichtlich und Sorge kam in ihm auf. Seine Stimme wurde lauter: “Shin? Sag was, wenn du hier bist!” Zehn Meter vor ihm raschelte etwas. “Hm …” die Schaukel bewegte sich. Mit zügigen Schritten näherte er sich dem Gerüst, hielt es fest und sah Shinya’s Körper. Dieser umklammerte einen Gegenstand. Daisuke griff nach ihm, es war eine Flasche, leer. Die Augen des Rotschopfes weiteten sich: “Hast du die etwa getrunken?” Als keine Antwort kam, tastete er sanft nach Shin’s Gesicht. Spürte seine warme Haut, glitt über seine geschlossenen Lippen. >Wie weich seine Haut doch ist.< Das war Daisuke zuvor nie aufgefallen. Er fühlte über dessen Augen, auch die waren geschlossen. Shinya öffnete die Lippen: “Kyo … ?” Daisuke lächelte schwach, strich durch Shinya’s glattes Haar. “Nein, Shin, der bin ich nicht.” flüsterte er zu der liegenden Gestalt unter ihm. Der Kopf des Blonden drehte sich unter seiner Hand. Im fahlen Licht konnte er sehen, wie dieser langsam die Augen öffnete und sie anfingen zu glitzern. Shinya sah seinen Freund lange an, ehe er hauchte: “Dai … ich glaub, ich bin angetrunken.” Ein leises Lachen von Dai war die Antwort, er hielt ihm die Flasche hin und sprach: “Naja, verständlich nach dieser Dosis. Und gegessen hast du auch nichts.” Er sah Shinya’s müden Blick und das sanfte Lächeln auf seinen Lippen. Die Flasche stellte Dai auf die Fliesen der Terrasse, setzte sich an Shin’s Bauch und legte einen Arm auf die Lehne. Mit der anderen strich er dem Blonden ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Shinya griff nach Dai’s Hand, erwischte seine Fingerspitzen und hielt sie fest. Daisuke fiel auf, wie kalt Shinya’s Hand war und was er für schmale Finger hatte. >Braucht man so schlanke Finger, um Schlagzeug zu spielen?< “Dai …” flüsterte der leicht Angetrunkene. Der Angesprochene beugte sich ein wenig näher über seinen Freund. Dieser griff in sein Haar, drückte Daisuke’s Gesicht näher an seine Lippen. “Kyo hasst mich.” Dann lockerte Shin seinen Griff wieder, Dai's Finger hielt er jedoch immer noch fest. Daisuke musste kurz tief durchatmen, ehe er antworten konnte: “Nein, Shin. Er macht sich ebenso große Sorgen um dich.” Er schloss seine Augen, als müsse er über sein Gesprochenes nachdenken. Sanft zog er sich aus Shin’s Griff. “Wir sollten langsam wieder hinein gehen. Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen.” Er nahm seinen Arm von der Lehne, erhob sich langsam. Shinya verfolgte ihm mit seinem Blick, ohne, dass dieser es bemerkte. Als Daisuke stand, mit dem Rücken zur Schaukel und in den Himmel schauend, schlangen sich zwei schlanke Arme um seinen Oberkörper. “Sie machen sich bestimmt nicht so große Sorgen, wie du.” wurde ihm von Shin ins Ohr geflüstert. Daisuke versuchte an etwas anderes zu denken, doch in diesem Moment spürte er nur die schmalen Arme um seinen Leib. Er wusste nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte. Diese Stille, welche sich verbreitete, machte es nicht gerade angenehmer. Der ruhige Atem von seinem blonden Freund drang an sein Ohr, streifte seine Hals. >Was … soll das?< In diesem Moment verstand er sich selbst nicht. Er hatte noch nie Erfahrungen mit einem Mann gemacht und er war bisher auch nie wirklich scharf darauf gewesen, diese zu machen. Doch er musste sich eingestehen, dass ihn diese Umarmung plötzlich nicht mehr kalt lies. Ist es falsch einem Mann nahe zu sein? Seine Wärme angenehm zu empfinden, wiedergeben zu wollen? Wo hört eine Freundschaft eigentlich auf und wo fängt Begehren an? Er drehte sich langsam um, noch nicht so ganz sicher, was er als nächstes tun würde. Shinya stand ganz nah vor ihm. Dai konnte zwar nicht jeden seiner Gesichtszüge erkennen, doch er wusste, dass er ihm verdammt nah war, mehr als sonst. Shinya legte seine Arme um Dai’s Hüfte, dann flüsterte er leise: “Du warst in letzter Zeit immer für mich da. Vielen Dank.” Er näherte sich unvermutet seinem Gesicht. Daisuke geriet plötzlich in Panik: “Shin, was soll das?” In diesem Augenblick lies Shinya sofort von ihm ab, trat ein paar Schritte zurück. Der Rotschopf musste erstmal nach Luft japsen und er war überrascht, wie laut seine Stimme klang. Dann vernahm er Shin’s Verzweiflung: “Du … weist mich also auch zurück … “ Daisuke’s Verstand schien sich soeben eine Pause zu gönnen. >Was meint er damit?< Er verfolgte Shin’s Schritte, sah, wie er sich umdrehte und sich davon bewegte. In diesem Augenblick überkam es ihn. Er machte ein paar große Schritte und noch ehe Shinya reagieren konnte, hatte er ihn umarmt und an seine Brust gedrückt. Etwas gequält gab er von sich: “Nein, ich weis dich nicht zurück. Niemals!” Sie standen ein Weilchen so da, bis sie Kaoru rufen hörte. “Dai? Shin? Falls ihr hier irgendwo seid, wir treffen uns in zwei Minuten im Proberaum!” Shinya spürte einen dicken Klos im Hals, schloss die Augen und lies die Wärme, die von Dai’s Körper drang, auf sich einwirken. Es war ihm nicht bewusst, ob dies richtig oder falsch war. Er fühlte sich einfach nur wohl und geborgen, nur dies zählte für ihn. >Aber wie denkt er?< Daisuke hatte ihm in den letzten Wochen stets zur Seite gestanden. Durch seine regelmäßigen Besuche, war sich der Blonde nicht selbst überlassen, kam sich nicht ganz so oft allein vor. Shinya wohnte von allem am weitesten dem Stadtzentrum entfernt. Die 2-Raum-Wohnung war in einem schlechten Zustand, eine regelrechte Bruchbude, doch mehr konnte er sich nicht leisten. Es bestand zwar die Möglichkeit zu Toshiya zu ziehen, dieser hatte es ihm schon mehrmals angeboten, doch Shin wollte niemandem zur Last fallen. Durch sein Studium kam er täglich raus und unter Leute. In der Uni traf er sich damals oft mit Kyo, doch seit dem Streit hatte er ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, dies heut Abend war das erste Mal. Der Herzschlag des anderen wirkte sehr beruhigend und fand sein Echo in Shin’s Kopf. Er fasste Daisuke’s kräftige Hände und löste sie sacht von seinem Körper. “Lass uns reingehen.” Shinya hielt ihn bei der Hand, zog ihn hinter sich her. Als sie die Eingangsstufen hinaufstiegen fiel dem Rothaarigen auf, dass Shin keine Schuhe trug. Er blieb stehen und zog Shin an der Hand. Dieser drehte sich verwundert um: “Was ist?” Er wurde ernst von Daisuke angeschaut: “Warum hast du mir nicht gesagt, dass du dich allein betrinken wolltest?” Shin legte seine Stirn in Falten und gab dann zur Antwort: “Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was du meinst.” Doch dann fiel ihm der Blick seines Freundes auf seine Füße auf. Beschämt versuchte er den einen Fuß hinter dem anderen zu verstecken. Sein Freund sagte immer noch nichts, schaute ihm nur fragend ins Gesicht. Nein, das war kein fragender Blick, das war ein Enttäuschter und Shinya registrierte dies. Dai’s Hand hatte er mittlerweile losgelassen, er suchte verkrampf nach einer Ausrede: “Da hab ich die Schuhe wohl vergessen, muss ich schon etwas angetrunken gewesen … “ “Hör auf damit!” Der Blonde zuckte zusammen, sein Alkoholrausch war mit einem Schlag verflogen. Daisuke guckte auf die Steinstufe, auf der er stand und schüttelte den Kopf. “Lüg mich doch nicht an. Du hast dich absichtlich rausgeschlichen. Nicht wahr?” Mit dieser Frage erhob er seinen Kopf, fixierte Shin’s Gesicht mit zusammengekniffenen Augen. Ohne auf die Antwort zu warten, fügte er hinzu: “Weißt du Shin, ich kann es verstehen, wenn du mal allein sein möchtest, doch das sollte nie dazuführen, dass du nicht mehr ehrlich zu mir bist.” Er stieg die Treppe weiter empor, bis er auf einer Höhe mit seinem Freund stand. Sacht hob er mit seiner Hand Shinya’s Gesicht, bis dieser ihn ansah. “Okay?” er lächelte ein bisschen und Shin nickte demütig. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So, wie versprochen ein etwas längeres Kapitel. Irgendwelche Anmerkungen? Fragen? Kommentare? Ähnliches? Kapitel 5: ~Korkenkrümel~ ------------------------- Seit Dai und Shin draußen waren, hatten ich mich auf die Couch gesetzt, einen Fuß auf die Tischkante gestützt, während Toshi und Kaoru in der Küche aufwuschen. Sie plauderten munter drauflos, wie zwei Waschweiber! Ich widmete mich der sinnvollen Aufgabe den Korken der Weinflasche zu zerbröseln. Mit den einzelnen Stückchen konnte ich wunderbar ein Zielschießen auf das leere Weinglas veranstalten. Natürlich war nicht jeder Schuss auch zwangsweise ein Treffer, daher sah der dunkle Couchtisch frühzeitig vollgekrümelt aus. Wenn das Toshiya sieht bin ich so gut wie tot! Ich machte eine kurze Pause und stellte mir vor, wie er die Stube betritt, die Sauerei sieht und durch den Raum, über den Tisch sprintet und versucht meine Kehle zu erwischen. Das fette Grinsen konnte ich mir daraufhin nicht unterdrücken! Was sollte ich denn sonst machen? Die beiden Tunten in der Küche waren wahrscheinlich gerade bei den Waschtipps angelangt und Shinya würde draußen seinen Hundeblick auflegen und Daisuke zum Pfötchengeben bringen! Scheiße! Normalerweise wäre ich jetzt draußen bei ihm … Ich schnippste den nächsten Krümel Richtung Glas. Fuck, daneben! Mir wurde bewusst, dass sich Eifersucht in mir ausbreitete. Selber Schuld, ich hätte auch über meinen Schatten springen können um mich selbst auf die Suche nach ihm zu machen. Und dann? Was wäre wohl danach passiert? Friede, Freude, Eierkuchen? Mit Sicherheit nicht, denn ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. ALTER, DU GRÜBELST SCHON WIEDER! Die Küchentür wurde geöffnet, die Tratschweiber betraten den Raum. Hm, das wird interessant … Toshiya war noch im Gespräch, als er in meine Richtung sah. Seine Augen weiteten sich, als er seinen geschmückten Couchtisch registrierte. Er vergaß sofort die Unterhaltung mit Kaoru fortzuführen. Sein Blick wanderte zu meinem Gesicht, dann auf meine Hand, in der ich den Rest des Korkens drehte. Kaoru’s Kiefer klappte runter und er schien die Luft anzuhalten. Toshiya’s Gesicht nahm eine etwas rötlichere Färbung an und an seinem Hals konnte ich (auch aus dieser Entfernung) eine hervortretende Ader sehen. Vorsichtshalber bewegte ich mich kein Stückchen und hörte auch auf, mit dem Korken zu spielen. Ich spitzte meine Lippen, zog die Augenbrauen nach oben und versuchte einen unschuldigen Blick aufzusetzen. Leider vergebens. Von einer Sekunde zur nächsten stand er vor mir, beugte sich über den Tisch um nach einem Kissen zugreifen. Mir blieb keine Zeit zum Reagieren und schon schoss mir der weiche Gegenstand ins Gesicht. Allerdings mit so einer Wucht, dass es meinen Kopf nach hinten schleuderte. Als ich versuchte nach Luft zu schnappen und schon kleine Sterne sehen konnte, landete der nächste Klatscher in meinem Gesicht. Während ich gegen die vernebelte Sicht kämpfte und gerade wieder klare Konturen meiner Umgebung wahrnehmen konnte, tauche Toshi’s fieses Grinsen vor mir auf. Es ähnelte schon mehr einem Hyänengrinsen! Er packte mich an den Schultern, drehte meinen Oberkörper zur Seite und drückte mich auf die Couch. Ich spürte nur noch, wie er meine Arme nach hinten zog und mir die Hände auf dem Rücken festhielt. Dann kniete er sich auf meinen linken Unterschenkel, um sich auf mir halten zu können. Ich stieß einen gequälten Schrei aus und drehte meinen Kopf zur Seite, um noch etwas sehen zu können. Mein Blick heftete sich an Kaoru, der wie angewurzelt an der Küchentür stand und einen Gesichtsaudruck des Entsetzens zeigte. In dem Moment, als ich einen Hilferuf von mir geben wollte, erschien wieder Toshi’s Gesicht vor meinem. Das Grinsen hatte sich zu einem Zähnefletschen erweitert! “Du hattest doch tatsächlich deinen Fuß auf meinem Tisch!” zischte er mir entgegen. Mit einer Hand hielt er meine Handgelenke fest, mit der anderen winkte er Kaoru heran. Ohne zu zögern kam dieser angetrippelt und stellte sich hilflos neben die Couch. Trotz heftiger Wehr, konnte ich mich nicht aus seinem Griff befreien. Er flüsterte Kaoru irgendetwas zu. Daraufhin rannte dieser zum Stubenschrank, riss einen Schieber auf und wühlte kurz darin rum. “He, Toshi … “ presste ich flehend heraus: “… ich mach’s wieder gut!” Er lachte höhnisch über mir, ehe er sich an mein Ohr beugte und erneut zischte: “Oh ja, Kyo, und wie du das machen wirst!” Bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, wie er das wohl meinte, stand Kaoru wieder neben der Couch und hielt Toshiya etwas hin, was dieser sogleich entgegennahm. Diese Handlung fand jedoch außerhalb meines Blickwinkels statt und so konnte ich nicht sehen, was es war. Um meine Handgelenke wurde etwas Schmales, Festes gebunden. Ich vermutete ein Seil, was auch immer so etwas in Toshi’s Stube zu suchen hatte. Langsam kroch eine Art Beklemmung in mir hoch und ich fragte mich, was Toshi mit mir vorhatte. Auch wenn mein Brustkorb gerade ziemlich zusammengepresst wurde, holte ich tief Luft und stieß ein: “Jetzt komm schon!” heraus. Kaoru wurde langsam nervös, wippte von einem Bein aufs andere, dann fragte er vorsichtig an meinen Schänder: “Findest du das jetzt nicht ein bisschen übertrieben?” Toshiya ging überhaupt nicht darauf ein, stattdessen sendete er einen Befehl aus: “Hier, halt mal kurz!” Ich fühlte, wie sich der Druck seines Knies auf meinem Unterschenkel aufhob und der Griff um meine Gelenke lockerte. Dann konnte ich seine Beine sehen, die an mir vorbeizogen. Also hält jetzt Kaoru meine Gelenke fest! Mit meinem Blick verfolgte ich Toshi in die Küche gehend und nutzte diesen Augenblick. Mit einem Ruck hatte ich meine Gelenke aus Kaoru’s Händen entrissen und rollte mich auf die Seite. Er war zu überrascht um etwas machen zu können. So hievte ich meinen Körper in die Sitzposition und starrte Kaoru an. Dieser wedelte aufgeregt mit den Händen vor seinem Oberkörper: “Ey, es war doch nicht meine Idee!” Jetzt hatte ich das fiese Hyänengrinsen drauf, holte mit meinen Beinen aus und trat ihm so gekonnt gegen die Oberschenkel, dass er strauchelte, sein Gleichgewicht verlor und rückwärts auf den Tisch knallte, schön in die Krümelkacke hinein. Mitfühlend kniff ich ein Auge zusammen, dieser Aufschlag sah irgendwie schmerzhaft aus. Ich stand auf, immer noch mit den Händen auf dem Rücken zusammengebunden und guckte in sein Gesicht. Kaoru hielt sich den Kopf und stöhnte: “Du Arsch … “ Daraufhin kickte ich ihm gegen das Schienbein und flüsterte: “Sorry, aber so ergeht es nun mal Verrätern!” Er musste lachen, wenn auch mit einem schmerzhaften Unterton. Hastig probierte ich, den Knoten auf meinen Rücken zu öffnen, brauchte jedoch zu lange, denn Toshiya kam schon wieder aus der Küche und stand im Türrahmen. Er hielt eine Schüssel in seinen Händen, doch mir blieb keine Zeit zu Erkennen, was darin war. Der Große guckte mich wutentbrannt an: “DU KLEINES MONSTER!” Ich zeigte ihm mein schönstes Lächeln und war kurz davor, das Seil über meine Hände zustreifen, als ich einen Tritt in den Magen kassierte. Dieser drückte mich gleich auf die Couch zurück und Kaoru erhob sich schwerfällig vom Tisch. Seine Haarfrisur mit dem ganzen Haarspray war gespickt von vielen kleinen Korkenstückchen und ich fing an zu kichern (nachdem ich wieder Luft bekommen hatte). Kaoru griff nach meinen Füßen und zog mich ein Stück von der Couch. Dann fühlte ich ein zweites paar Hände, welches unter meine Schulterblätter griff. Toshiya und Kaoru hoben mich auf dem Tisch und legten mich darauf ab. Bei dieser Aktion kam ich versehentlich gegen das Weinglas und die sich darin befundenen Korkenbällchen gesellte sich zu den anderen Krümeln. Allerdings legten mich meine 'Freunde' so, dass sich nun auch meine Haare im Krümelhaufen suhlten. “Das werdet ihr bereuen!” schrie ich beide erbost an. Dieses mal war Kaoru derjenige, welcher lachte. Er kletterte auf mich drauf, setzte sich auf meine Oberschenkel und hielt meine Oberarme fest um mich ruhiger zu halten. Dann beugte sich Toshi’s Gesicht erneut über meins und verkündete strahlend: “Nachdem du dein Gemüt so erhitzt hast, sollten wir es auch wieder abkühlen!” Er stellte die Schüssel neben meinen Kopf, sie strahlte eine Eiseskälte aus … oh nein, das war es! EIS! Diese fiesen Hunde! Toshiya machte sich gerade daran mein Hemd aufzuknöpfen, als wir die Haustür hörten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Daisuke und Shinya öffneten die Haustür und wunderten sich über die Geräusche, die aus dem Wohnzimmer kamen. Es war ein einziges Poltern und Stöhnen. Shin guckte verwundert zu Dai, der seinen Blick jedoch nur erwiedern konnte. Als die beiden ganz vorsichtig um die Ecke lugten, bekamen sie große Augen aufgrund des Schauspiels, welches sich ihnen bot. Sie sahen Kaoru’s Rücken, der auf dem Couchtisch zu sitzen schien, dahinter Toshiya’s Kopf. Erst auf den zweiten Blick sahen sie zwischen Kaoru’s Schuhpaar noch ein zweites Paar, welches aufgeregt hin und her zappelte. >Kyo?< Shin und Dai schauten sich noch ein zweites Mal an, verstanden diesen Anblick nicht so ganz, wenn überhaupt. Toshi’s Kopf hob sich und er grinste die beiden im Flur verschmitzt an. “Wir haben so eben fette Beute gemacht!” Dann konnten sie Kyo’s Jammern vernehmen und sein Fluchen: “Wenn ich hier runter bin, seid ihr geliefert! Elenden Bastarde!” Toshi senkte seinen Kopf wieder und flüsterte: “Ja klar, wenn!” Daisuke trat in die Stube, schritt an den Tisch heran, gefolgt von Shinya. Sie kamen neben dem Tisch zum Stehen und Daisuke prustete los vor Lachen. Shin bekam den Mund nicht mehr zu. Da lag Kyo mit dem Rücken auf dem Tisch, festgenagelt. Auf ihm saß der sonst so vernünftige Kaoru und hielt ihm die Arme fest und Toshiya stand am Kopf von Kyo mit einem unheimlichen Grinsen im Gesicht. Auf dem Tisch waren Krümel, von denen sich auch ein paar in Kaorus Haaren verfangen hatten und es stand eine Schüssel mit Eiswürfeln neben Kyo’s Kopf. “Was ist hier los?” wollte Shin wissen. Nachdem sich Daisuke beruhigt hatte meinte er: “Da wird der Kleine mal wieder Blödsinn gemacht haben! Nicht wahr, Kyo?” Dieser hatte seine Augen fest zusammengekniffen und murmelte ein paar Flüche und Morddrohungen. Toshiya machte sich daran dem Opfer das Hemd aufzuknöpfen. Als er in der Mitte der Knopfleiste angekommen war, hörte er auf. Kaoru lies ebenfalls Kyo’s Arme los uns stieg vom Tisch. Ein erleichtertes Ausatmen durchdrang Shin’s Kehle und er schaute zur Seite weg. Es war nichts Neues, dass sich Toshi und Kyo solche Gefechte lieferten, doch dieses mal war es hart an der Grenze, so empfand es jedenfalls Shin. Toshiya richtete sich auf, reichte Kyo die Hand: “So mein Kleiner, beim nächsten Mal binde ich dich nackt an die Straßenlaterne!” Kyo holte tief Luft, dann griff er nach Toshi’s Hand. Kaoru nahm die Schüssel in die Hand und ging damit in die Küche. Daisuke folgte ihm und wollte neugierig wissen, was Kyo dieses mal angestellt hatte. Nachdem Toshiya Kyo auf die Beine half, zeigte er mahnend mit dem Finger auf den Tisch: “Säubern! Und zwar flott!” Dann lächelte er ihn an, klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter und trug das umgekippte Weinglas in die Küche. “Beim nächsten Mal krieg ich dich!” knirschte Kyo vor sich hin und streifte sich nun endgültig das Seil über die Hände. In der Zwischenzeit hatte Shin seinen Blick wieder auf ihn gelegt, musterte sein zerzaustes Aussehen. Der Tisch war fast krümelfrei, dafür hingen sie nun alle in Kyo’s schwarzem Haar. Er war völlig außer Atem und das Make up einwenig verschmiert. Mit einem trotzigen Gesichtsaudruck machte er sich daran, die restlichen Korkenstücken aufzulesen. Er drehte Shin dabei den Rücken zu, schämte sich so von ihm gesehen zu werden. Seine Augen brannten, da durch dieses Rumgemache seine Kontaktlinsen hin und her gerutscht waren. >Darum soll man sie auch nicht beim Schlafen tragen!< ging es ihm durch den Kopf. “Kyo, du hast echt ne Meise!” kam es von hinten. Daisuke kehrte aus der Küche zurück und feixte Kyo’s Rücken an. Dieser drehte sich mürrisch um, warf dem Rotschopf einen bösen Blick zu: “Musste mich doch irgendwie beschäftigen!” Dai kam auf ihn zu, zupfte ein paar Krümel aus seiner Frisur und sprach leise: “Hättest doch auch mit rauskommen können.” Auf diese Anspielung hin guckte ihn Kyo nachdenklich an, dann wurde sein Blick wieder etwas grimmiger. Er ging einen Schritt zurück, bis er an den Tisch kam. In diesem Moment konnte Shinya ihn auch wieder sehen, da ihm vorher Daisuke den Blick versperrte. Der Kleine sah furchtbar sauer aus, funkelte plötzlich in seine Richtung und Shin’s Herzschlag setzte kurz aus. Im nächsten Moment zwängte sich Kyo an Daisuke vorbei und stampfte wütend auf die Treppe zum oberen Stockwerk zu. “Kyo! Was hast … “ Daisuke hatte seinen Satz noch nicht beendet, als der Angesprochene auf der Stelle stehen blieb und wütend rief: “Ich wollte euch zwei ja nicht stören!” und dann wutschnaubend seinen Weg fortsetzte. Er stampfte die Treppe hinauf, ohne noch mal zurück zuschauen. Wahrscheinlich wollte er ins Bad um sich wieder herzurichten. Shinya bekam den Mund nicht mehr zu. >Ist der etwas eifersüchtig?< Diesen Gedanken noch nicht verarbeitet, drehte sich Daisuke zu ihm um und meinte verkrampf lächelnd: “Hast du das mitbekommen? Der ist eifersüchtig!” Als er Shinya’s verwirrten Blick sah, fügte er leise hinzu: “Als wenn es dafür einen Anlass gäbe!” Der Blonde schaute ihn wehmütig an, wusste gerade nicht, wo ihm der Kopf steht. Kaoru und Toshiya standen plötzlich neben ihm und Toshi fragte: “Wo ist Kyo?” Daisuke antwortete nicht, starrte resigniert auf Shin. Kaoru und Toshi folgten seinem Blick, hatten den Eindruck, als wenn Shinya jeden Moment umkippen würde. “Vielleicht solltest du ihm nach?” meinte Kaoru. Für einen Moment standen die vier Freunde bewegungslos im Kreis. Im nächsten Moment schepperte es oben im Bad und alle fuhren erschrocken zusammen. Toshiya murmelte etwas wie: “Nicht schon wieder.” Kaoru starrte verwirrt an die Decke und Dai griff nach Shin’s Schulter und schleifte ihn zur Treppe. So schnell konnte Shinya gar nicht gucken, da stand er schon auf der ersten Stufe. “Jetzt mach schon!” rief der Rotschopf ungeduldig. Toshiya wollte ihm folgen, doch Kaoru hielt ihn fest: “Wenn es einen passenden Augenblick gibt, damit die beiden reden, dann jetzt.” Der Große dachte nach, hatte scheinbar große Bedenken um seine Einrichtung, doch er musste Kaoru Recht geben. Die drei setzten sich auf die Couch und Toshi ärgerte sich erneut über die Krümelkacke auf dem Tisch. Shinya stand immer noch auf der ersten Stufe, schaute nach oben an das Ende der Treppe und erklomm unsicher eine Stufe nach der anderen. Sein Hals war zugeschnürt, als würde ihm jemand die Kehle zudrücken. Vor seinen Augen bewegte sich alles ganz langsam im Kreis. Er klammerte sich mit verschwitzten Händen am Geländer fest, schloss für einen Moment die Augen. Dann stand er auch schon vor der Badtür, hinter der sich Kyo befand. Es war Totenstille. Von unten schallte die Musik aus der Anlage, doch sie erreichte Shin’s Gehörgang kaum. Er war auf das fixiert, was sich da hinter der Tür befand, erhoffte sich ein Geräusch von drinnen zu erhaschen, welches auf den Zustand Kyo’s hindeuten könnte. Doch er hörte nichts. In seinem Hirn herrschte das reinste Chaos und es fiel im schwer einen klaren Gedanken zu fassen. >Was mache ich hier? Er will mich doch gar nicht bei sich haben!< Zitternd legte er seine Hand auf den Türknauf und drehte ihn langsam. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kommis? Anmerkungen? Kritik? Irgendwas? Kapitel 6: ~Erinnerungen~ ------------------------- “Dann wird die Bandprobe wohl wieder verschoben.” Daisuke schlug seine Beine übereinander und stierte verärgert auf die letzte Tür, die des Proberaumes. Kaoru legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Oberarm und meinte dann: “Mach dir keinen Kopf. Früher oder später siehst du dein geliebtes Baby bestimmt wieder.” Er wusste, wie sehr Dai sein Instrument spielte und dass ihm dies sehr fehlte. Toshiya hatte für alle drei noch ein weiteres Bier geholt und stellte die Flaschen auf den Tisch, dann nahm er wieder auf seinem Sessel platz. “Ich hoffe doch eher früher als spät.” Für diesen Satz erntete er einen mahnenden Blich von Kaoru. “Jetzt gib du nicht auch noch auf! Was nützten uns Proben, wenn die Chemie in der Band nicht übereinstimmt. Dann würden wir nur Müll zusammenspielen!” Er nahm sich ein Bier, setzte an und leerte die halbe Flasche in einem Zug. Der Rothaarige zu seiner linken sah ihn erstaunt an, zog eine Augenbraue nach oben und meinte dann: “Nicht, dass du dich jetzt auch noch betrinkst.” Mit einem verwirrten Blick schauten ihn die anderen beiden an, doch noch ehe sie etwas sagen konnten, sprang Dai auf und meinte: “Mist! Die Flasche steht doch noch draußen! Ich … bin gleich wieder da!” damit flitzte er zum Flur und gleich in Socken zur Haustür raus. Für zwei Sekunden war Stille im Raum bis Toshiya fragte: “Wollte er damit sagen, dass Shin nicht mehr ganz nüchtern ist?” Überlegend sah er Kaoru an, dieser meinte: “Das würde allerdings erklären, warum die beiden vorhin so lange gebraucht haben und warum Shin so einen glasigen Blick drauf hatte.” “Ach, dir ist er auch aufgefallen?” Langsam beugte sich Toshi zu dem anderen vor und flüsterte: “Aber warum geht er denn dazu in den Garten?” Der Angesprochene legte die Stirn in Falten, überlegte und meinte dann bestimmt: “Damit wir es nicht mitkriegen.” Die beiden blickten sich verschwörend an und Toshi stellte fest: “Shin verheimlicht also wirklich etwas.” Kaoru strich sich seine Haarsträhnen zurecht und fragte, mehr zu sich selbst, als zu seinem Freund: “Aber was?” Der andere lehnte sich wieder in seinen Sessel zurück, trank in Gedanken versunken einen Schluck Bier. >Diese Frage ist berechtigt. Was hat Shin zu verheimlichen und warum? Es muss was mit Kyo zutun haben! Doch weshalb spricht er denn nicht darüber?< Kaoru schien seine Gedanken zu erahnen, sprach leise: “Du fragst dich bestimmt, warum er nicht mit uns darüber redet? Ich weiß es auch nicht, aber ich habe den Verdacht, es könnte was mit Kyo zutun haben.” Daraufhin sah ihn Toshiya ein Weilchen an, lächelte dann: “Ich bin überrascht, wie ähnlich sich unsere Gedanken sind.” Der Kleinere lächelte zurück und sagte: “So ist das doch bei jahrelangen Freundschaften, oder?” Der Große grinste: “So sollte es jedenfalls sein. Doch scheinbar wollen zwei unserer Freunde eine Ausnahme machen.” “Hm, sie werden ihre Gründe haben.” “Ach Kaoru, du und dein Verständnis für alles und jeden!” Toshiya hob seine Flasche und rief: “Auf dich, altes Haus!” Verlegen stieß Kaoru mit an. “Wie, ihr stößt ohne mich an?!” Fassungslos stand Dai im Türrahmen: “Das nehm ich euch jetzt aber übel!” Doch nachdem er von Kaoru heran gewunken wurde, grinste er breit, nahm sich sein Bier und alle ließen noch mal die Flaschen klirren. Die hereingebrachte Weinflasche stellte er in die Mitte des Tisches und die drei Freunde sahen sie eine Weile an. Niemand sagte ein Wort. Sie wussten nicht was. Toshiya grübelte über Kyo nach. Die fünf Jungs hatte sich alle in der Schule kennen gelernt. Doch Shinya und Dai waren die einzigen, die in die gleiche Klasse gingen. Kyo war damals schon ein Einzelgänger, Kaoru und Toshiya gingen in die Oberstufe, waren sie doch die ältesten der Freunde. Angestrengt versuchte sich Toshi daran zu erinnern, wie die Freundschaft der fünf begonnen hatte, doch es wollte ich einfach nicht einfallen. Langsam strich er sich durch seine Haare. >Ich glaube es lag an der Ausstrahlung. Wir waren anders als die anderen Schüler. Sie hatten alle den selben leeren Blick, als wären ihre Seelen erkaltet. Doch unsere Blicke waren gefüllt mit Energie und Hoffnung.< Ruckartig stellte er das Bier auf den Tisch, so dass die anderen beiden erschrocken zusammen zuckten. “Mein Gott, Toshi! Was ist denn?” Fassungslos wurde er von Daisuke angestarrt, Kaoru tat es ihm gleich. Beschwichtigend hob der Große seine Hände und sprach: “Sorry, Jungs. Mir ist nur gerade aufgefallen, dass es mir komplett entfallen ist, wie wir uns damals kennen gelernt haben. Wisst ihr es noch?” Die Angesprochenen schauten sich fragend an, dann rief der Rothaarige: “Na, ich war doch mit Shin in der Klasse! Und Kaoru traf ich zum ersten mal beim heimlichen Rauchen hinter dem Schulgebäude. Weißt du noch?” spielerisch kuffte er Kaoru mit dem Ellenbogen in die Rippen. Daraufhin musste dieser lachen: “Stimmt, wir hatten damals so einen tierischen Schiss erwischt zu werden! Aber trotzdem haben wir’s nicht lassen können! Und du hattest Shinya immer bei dir, er musste ja für uns Schmiere stehen!” Dai stimmt ihm mit einem Nicken zu, vor Lachen brachte er kein einziges Wort heraus. Als er sich beruhigte, blickte er zu Toshi rüber und meinte: “Und mit Kyo war es nicht anders, er kam auch irgendwann zum Rauchen, hatte uns damals immer den Rücken zugedreht und kaum gesprochen.” Er kniff die Augen zusammen und überlegte einen Moment: “Aber du kanntest ihn doch damals schon, oder?” “Nein,” fiel ihm Kaoru ins Wort; “ Kyo und Toshi trafen in der Sport AG aufeinander. Da war doch diese Schlägerei … “ In diesem Moment fiel es Toshiya wie Schuppen von den Augen: “Stimmt! Diese sechs Typen aus meiner Klasse! Die wollten den Kleinen damals aufmischen und ich bin dazwischen … “ “ … und hast selbst eine verpasst gekriegt.” fügte Kaoru hinzu. “Ja, das war meine erste Schlägerei. Ich fand es einfach unfair, wie sie alle auf ihn los sind.” Toshiya senkte seinen Blick. >Ich hatte mich für ihn geprügelt. Er sah mich damals so entgeistert an, konnte es wahrscheinlich kaum glauben.< “Und irgendwann hat er mich dann mit zu euch geschleppt.” Dai nickte wieder: “Von da an hingen wir jede Pause da hinten. Obwohl du und Shin nicht mal Raucher waren. Und Kaoru hatte ja auch irgendwann damit aufgehört und stand nur noch aus Spaß bei uns!” Ein sanftes Lächeln zog sich über alle Gesichter. “Wir passten von Anfang an gut zusammen.” sagte Kaoru leise. In Gedanken träumten sie noch mal von ihrer gemeinsamen Schulzeit. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich hörte, wie sich langsam der Türknauf drehte. Vorsichtig schob sich eine zierliche Gestalt ins Badezimmer. Shinya! Seinen Körper konnte ich aus Kilometerentfernung erkennen. Das Licht war aus und ich hatte mich unter das Fenster gekauert. Meine Knie an die Brust gezogen und mit den Armen umklammert, saß ich auf den kalten Fliesen. Meine rechte Faust pochte. Die Badtür wurde leise geschlossen und Shin lehnte sich an ihr an, den Knauf immer noch in der Hand. Mir stieg sein Geruch in die Nase, er war so intensiv und schwach zugleich. Eine Hitzewelle stieg in mir auf und mein Mund fühlte sich trocken an. Mit unsicheren Schritten kam er langsam näher. Nein! Ich konnte sein Gesicht sehen, aschgrau, keine Miene. Er hatte den Kopf leicht gesenkt und so fiel ihm sein Pony über die Augen. Als er noch ungefähr zwei Meter von mir entfernt stand fragte ich: “Was willst du?” Meine Stimme war leiser als erwartet, es war eher ein Flüstern. Shin’s Gestalt erstarrte und er holte tief Luft, dann antwortetet er mit einer ebenso leisen Stimme: “Sehen, wie’s dir geht.” In meinem Herzen gab es einen kurzen Stich. Es tat mir weh. Es schmerzte ihn so auf Distanz zuhalten. “Es geht mir gut.” Ich senkte meinen Kopf und legte die Stirn auf meine Arme. Sieh ihn nicht an! Schau ihm nicht ihn die Augen! Es vergingen Sekunden und sie kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Shin kam noch einen Schritt auf mich zu, als es plötzlich unter seinen Füße knirschte. Erschrocken wich er einen Schritt zurück. Ich schaute auf. Er war auf Splitter getreten. Splitter des Spiegels, den ich gerade zerschlagen hatte. Shin trug keine Schuhe, nur Socken. Doch er schien sich nicht verletzt zu haben. “Du weißt jetzt wie’s mir geht. Also verschwinde!” Die Worte waren mir herausgerutscht. Sie hingen schwer über uns, schwebten bis zu ihm hinüber. Dann stachen sie wie Pfeilspitzen auf ihn ein. Ich vernahm ein Zucken in Shin’s Körper. Es tut mir so leid! Ich rechnetet jeden Augenblick damit, dass er sich umdreht, die Tür aufreißt und verschwindet, doch es geschah …. nichts. Er zog Luft durch die Nase und kam wieder auf mich zu. Mein Körper erstarrte. Dann hörte ich wieder das Knirschen der Scherben, es hallte in meinem Kopf wieder. Shinya stand jetzt genau vor mir. Langsam ging er in die Knie und sein Gesicht tauchte vor mir auf. Es war so schön! Der Mond schien ihm auf die Haut, ließ sie noch weicher aussehen. Seine Lippen so voll und sanft und diese Augen … Nein! NEIN! Es war zu spät. Er sah mich an, durch mich hindurch, in meine Seele. So traurig, so wahnsinnig schön. Mich durchfuhr ein Schauer und es drehte mir im Kopf, wie in einem Karussell. Ich war hilflos, spürte keinen Boden mehr. Shinya’s Lippen öffneten sich leicht: “Kyo … ich brauche dich.” Mir blieb die Luft weg, ich drohte zu ersticken. Verzweifelt rang ich nach Luft, schloss meine Augen. Doch das Drehen wurde dadurch nicht besser. Reiß dich doch mal zusammen, Kyo! Ich holte tief Luft: “Sag das nicht.” Dann riss ich meine Augen auf; “Ich will das nicht hören!” Meine Stimme schallte durch den Raum. In seinen Augen glitzerte es. Ich konnte sie klarer denn je sehen, denn meine Kontaktlinsen hatte ich mir vorhin raus genommen. Shinya roch nach Alkohol, nach Wein, lieblich. Er rührte sich immer noch nicht, sah mich nur an. “Warum gehst du nicht einfach und lässt mich allein?!” meine Stimme hob sich, ebenso mein Gemüt. Plötzlich stand er ruckartig auf. Ich konnte sehen, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. “Warum warst du vorhin eifersüchtig?” An dem Zittern seines Körpers konnte ich ablesen, dass er sich Mühe gab die Fassung nicht zu verlieren. Seine Frage sauste mir um die Ohren, drehte ein paar Ehrenrunden. “Ich weiß nicht, was du meinst!” gab ich bockig zurück. Er hatte mich durchschaut, doch ich würde es ihm nicht eingestehen. Aber Shinya gab nicht auf: “Dai hat es ebenfalls bemerkt. Du warst eifersüchtig, weil ich allein mit ihm draußen war. Möglicherweise bist du’s immer noch … “ Das traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich löste meine verkrampfte Haltung der Arme, stützte mich am Boden ab und schob mich mit gesenktem Kopf an der Wand hoch, bis ich aufrecht stand. “So ein Scheiß!” knurrte ich ihn an. Zwischen uns befand sich ein Abstand von circa einem Meter. Shin trat wieder ein Stück näher und sprach flüsternd: “Scheiß, ja? Und warum kannst du mir dann nicht einmal in die Augen sehen?” Ich spürte seinen Atem in meinem Gesicht, roch sein süßes Parfüm. Und wieder bekam ich dieses mulmige Gefühl. Ich sehe dir nicht in die Augen, weil ich mich in ihnen verliere. Doch ich gab keine Antwort, ich bekam den Mund nicht auf. Seine Hand hob sich und strich über den Stoff meines Hemdes. Diese Berührung drang bis auf meine Haut, verursachte eine Gänsehaut. “Lass das!” rief ich und schlug seine Hand mit meiner rechten unsanft zur Seite. “Also, anfassen darf ich dich auch nicht mehr?” er trat einen Schritt zurück und es knirschte erneut unter seinen Füßen. Ich ging zur Seite, wollte wieder etwas Abstand zwischen uns bringen. “Du weißt genau warum!” zischte ich in die Dunkelheit. “Aber als Kaoru auf dir saß, hast du dich nicht so verhalten!” Shin konnte seinen Frust nicht länger verbergen. Ich hatte ihm den Rücken zugedreht und konnte seinen verärgerten Blick nur erahnen. Doch sein Vorwurf nagte an mir: “Das ist nicht war! Oder sah ich etwa entspannt oder gar erfreut aus?!” Zorn kroch in mir hoch und mein Puls schien sich zu verdoppeln. Ich kniff die Augen zusammen, ballte die rechte Hand zur Faust, spürte den Schmerz des Schlages gegen den Spiegel. Hinter mir seufzte Shin einmal kurz, atmete dann tief durch und meinte leise: “Tut mir leid, Kyo. So war das nicht gemeint.” Er wartete einen Moment, doch ich reagierte nicht darauf. Seine Schritte gingen in Richtung Badtür. “Ich geh wieder runter, is wohl besser so.” sein Flehen in der Stimme war nicht zu überhören. Seine Hand lag auf dem Türknauf. “Shin … ?” es kostete mich viel Überwindung seinen Namen auszusprechen. Zögernd drehte er sich zu mir um, während ich immer noch die Wand ansah: “Wie kommst du damit klar?” Wieder Stille. Dann sagte er gefasst: “Nicht gut. Mit dir wäre es wahrscheinlich … erträglicher.” Ich ließ sein Gesprochenes auf mich wirken, dann schüttelte ich leicht den Kopf. Verdammt! Ich kann das nicht! Ich rieb mir die Augen, über das Gesicht, durch mein Haar. Auf einmal berührte mich Shin’s warmer Atem im Nacken. Seine Hand griff nach meiner, erwischte die schmerzende Stelle und ich zog scharf Luft durch die Zähne. “Kyo, mach es dir doch nicht noch schwerer.” Oh Gott, ich weiß nicht wohin mit meinen Gefühlen. Seine schmalen Finger legten sich um mein Handgelenk, schon zum zweiten Mal an diesem Abend. Das war mehr Körperkontakt als wir in dem letzten Monat je hatten. Er trat noch einen Schritt näher an meinen Rücken und ich konnte seinen flachen Oberkörper durch die Kleidung fühlen. “Shin, bitte. Ich kann das nicht.” Meine Stimme war zittrig und schwach. In mir wuchs das Gefühl von Sehnsucht. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, doch es war sinnlos. “Was kannst du nicht?” Seine Lippen waren nah an meinem Ohr und ich schauderte erneut. Seine linke Hand strich über meinen Arm, vorbei an meinem Ellenbogen, legte sich auf meine Taille. “Ich … kann dir nicht mehr so nah sein.” meine Empfindungen fuhren Achterbahn und wechselten ständig von Kalt zu Heiß. Shin lehnte seinen Kopf an meinen und seine Haarspitzen strichen über meinen Hals: “Kannst du nicht … oder willst du nicht?” Auf diese Frage wusste ich keine Antwort und es bereitete mir Probleme Luft zu bekommen. Ich fühlte mich erdrückt und das Karussell setzte erneut ein. Doch dieses Mal noch heftiger. Shinya … ich habe … Angst … nein, keine Angst … Panik! Mit einem kräftigen Satz nach vorn entkam ich seinen Händen, seiner Wärme und stützte mich an der kalten Wand ab. Meine Atmung ging schwer und mein Herz raste. Ich musste einen klaren Gedanken fassen. Noch ehe Shinya etwas sagen oder tun konnte, wirbelte ich herum. Ich wusste, wie schwer es für Shin war körperliche Zuneigung zu zeigen, doch ich war momentan nicht in der Lage, sie aufzunehmen. “Bitte, lass das. Hörst du?!” Er sah mich ratlos an, wirkte plötzlich wieder so verletzt. Beschämt senkte er seinen Blick, machte ein paar Schritte rückwärts, bis er ebenfalls an der Wand angelangt war. So standen wir uns beide gegenüber, angelehnt an den Wänden des Badezimmers, in der Dunkelheit, die uns nach und nach verschlang. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich hoffe, bei euch werden bestimmte Dinge klarer ... jedenfalls hoffe ich das. Kommis? Anregungen? Kapitel 7: ~"Klar"~ ------------------- “Sagt mal, wollen die nicht bald mal wieder kommen?” fragend guckte Daisuke in die Runde. Toshiya stand auf, nahm die Flasche und ging in die Küche. Kaoru sah ihm nach und meinte dann zu Dai: “Wer weiß über was die reden. Wie spät ist es eigentlich?” Der Rotschopf sah auf die Uhr an der Wand und antwortete: “Kurz nach zwölf.” “Wie die Zeit vergeht. Wollen wir nicht lieber los?” Kaoru sah sichtlich erschöpft aus. Dai überlegte kurz, musterte Kaoru’s Gesicht und meinte: “Hm. Aber ich glaube, ich seh noch mal nach Shin.” Mit diesen Worten erhob er sich und marschierte zur Treppe. Da kam Toshi wieder und rief: “Wo willst du hin?” “Nachsehen, ob bei den beiden alles in Ordnung ist.” Dai zeigte mit dem Zeigerfinger in Richtung Decke, doch Toshi winkte ab: “Lass sie. Shin ist schon länger bei ihm als erwartet, also kann es nicht so schlecht laufen, wie ich angenommen hatte.” Kaoru nahm den letzten Schluck seines Bieres, schob die restlichen Krümel vom Tisch auf seine Hand und brachte sie in die Küche. Als er wiederkam sagte er zu Dai: “Wenn du willst, kannst du noch bleiben, aber ich mach los.” Daraufhin reichte er Toshiya die Hand und umarmte ihn freundschaftlich. “Es war trotzdem ein schöner Abend, danke Toshi.” Dann sah er fragend zu seinem Mitbewohner, dieser blickte immer noch die Treppe hinauf. Er strich sich mit der Hand über den Nacken: “Ihr habt Recht. Kyo und Shin sind erwachsen und kommen auch ohne uns klar.” Nachdem er sich ebenfalls bei Toshiya mit einer herzlichen Umarmung verabschiedet hatte, trat er mit Kaoru den Heimweg an. Die beiden Freunde liefen ein Stück schweigend nebeneinander her, bis Daisuke das Schweigen unterbrach: “Ob du Ami heut noch mal siehst?” neugierig verfolgte er die Reaktion von Kaoru. Dieser reagierte abwesend: “Wohl eher nicht.” In Dai’s Gesicht breitete sich ein fieses Grinsen aus: “Ihr seid immer noch nicht über die Küsschenphase hinweg, stimmt's?” Kaoru wurde verlegen und schaute weg, dann brummelte er: “Das geht dich einen Feuchten an!” Der Rothaarige lachte laut und es schallte die verlassene Straße entlang. Kumpelhaft legte er seinen Arm um Kaoru’s Schultern und flötete: “Ah! Also doch nicht! Mensch, wie lange willst du die Keuchheitsnummer noch abziehen?” Kaoru befreite sich aus Dai’s Griff und meinte: “Das ist keine Nummer! Ich meine es ernst!” Sein Freund schüttelte verständnislos den Kopf: “Sowas kannst du gar nicht ernst meinen! Früher oder später wirst du über sie herfallen und sie dir daraufhin den Laufpass geben. Also gib ihn lieber ihr und hab deinen Spaß!” Kaoru musste schlucken und es war ihm unangenehm darüber zu sprechen. Seine Vergangenheit war gepflastert von den hübschesten Mädchen und das alles hatte er aufgegeben für Ami. “Im Gegensatz zu dir, kann ich mich beherrschen!” Mit dieser Spitze bog er die Seitenstraße ein, in welcher die WG lag. Dai machte große Augen: “Ui, schön gekontert!” er trippelte ihm nach, immer noch dieses Grinsen im Gesicht. Kaoru blieb unerwartet stehen, drehte sich zu ihm um und meinte leise: “Hör auf so dämlich zu grinsen!” Eine Schweigeminute setzte ein und wieder war es Dai, der sie unterbrach: “Kao, jetzt sei doch mal ehrlich! Du bist ein Mann, ein verdammter Mann! Und wir können nur an das eine denken und wenn wir es nicht regelmäßig bekommen, werden wir von den Trieben früher oder später überrannt!” Ein wenig Traurigkeit lag in seiner Stimme. Er meinte es nicht böse, ganz im Gegenteil. Seit Jahren wohnten sie zusammen und er kannte seinen Freund gut. Mit zwei Schritten stand er vor ihm, legte seine Hand auf seine Schulter und sagte ruhig: “Ich weiß wie du bist, nicht anders als ich. Du und kein Sex, das passt einfach nicht!” Energisch wurde er von Kaoru zurück gedrückt. Verblüfft schaute er ihn an: “Was is denn jetzt los?” Der Kleinere sah hoffnungslos auf die Straße und knirschte: “Ich will nicht mit die darüber reden, also sei still! Ich bin nicht wie du!” Dann kramte er hektisch in seiner Manteltasche, fand den Haustürschlüssel und schloss die Tür auf. Während Dai den Mund nicht mehr zubekam, hatte Kaoru schon die ersten Stufen der Haustreppe erklommen. “Dass du immer so stur werden musst!” rief ihm der Rotschopf hinterher, dann zog er eine Kippe aus der Jackentasche und zündete sie sich an. Er betrat den Hausflur, als er die Stimme seines Freundes von oben tönen hörte: “Hör auf im Haus zurauchen!” Verärgert äffte Dai ihn nach, zog sich dann aber trotzdem nach draußen zurück. Dort ließ er sich auf den Stufen vorm Eingang nieder und rauchte in Ruhe. Kaoru war dagegen damit beschäftig, seine Freundin ans Telefon zu bekommen, doch sie schien ihr Handy bereits ausgeschaltet zu haben. Frustriert und enttäuscht stampfte er in das Wohnzimmer, welches von beiden genutzt wurde und riss die Tür der Minibar auf. Dort befand sich eine kleine Auswahl an alkoholischen Getränken unterschiedlicher Prozentsätze. Vom Wein über Likör bis zum Whisky und Cognac. Er schnappte sich die Whiskyflasche und stellte sie auf den Boden. Dann holte er ein Glas aus der Küche, füllte es mit Eis und kam damit zurück ins Wohnzimmer. Er kniete sich auf den Boden, schenkte etwas vom Alkoholischen in sein Glas und nahm einen kräftigen Schluck. Das Gesöff schoss seine Kehle hinunter und hinterließ ein heißes Gefühl in der Speiseröhre. Kaoru musste einmal tief Luft holen, kniff die Lippen zusammen und lehnte sich gegen den Schrank. Das Glas in der Hand drehend musste er an Dai’s Worte denken. >Du bist ein verdammter Mann … von den Trieben früher oder später überrannt.< Er stierte verträumt an die Deckenbeleuchtung, die kleinen Strahler hatte er rausgesucht. Daisuke wollte damals Leuchtstoffröhren haben, doch er konnte ihn überzeugen, dass die eher ins Bad passen würden. Dafür musste er den Deal mit der Minibar eingehen. Mittlerweile war Kaoru ganz froh so ein Ding im Haus zuhaben und sich gelegentlich einen Schluck gönnen zu können. Auf diese Weise konnte er sein erhitztes Gemüt abkühlen, wenn er nachts aufwachte und von Ami und ihrem Körper träumte. Seine Träume handelten fast nur von ihr. So sehr wie Ami hatte Kaoru schon lange keine Frau mehr begehrt, so jung, voller Leben und Vertrauen … ja, Vertrauen. Das wollte er keineswegs verlieren. Er nahm noch mal einen kräftigen Schluck, kniff die Augen zusammen und hieß die langsam einkehrende Wirkung willkommen. Mit dem nächsten Zug leerte er das Glas und stellte es neben sich auf den Boden. Dann schloss er die Augen und horchte auf seine Atmung, das leise Rauschen in den Ohren und das Kribbeln im Bauch. >Wie lange kann ich mich noch zurück halten?< Mit einer Frau zusammen zu sein, sie neben sich liegen zuhaben, ihre Wärme zu spüren und sie trotzdem nicht berühren zu dürfen war für einen Mann seines Schlages die absolute Härte. “Die Hölle kann nicht schlimmer sein.” flüsterte er mit geschlossenen Augen. “Du hast ja keine Ahnung.” hörte er Dai’s triumphierende Stimme. Er war unbemerkt hereingeschlichen und genoss scheinbar den Anblick seines Mitbewohners. “Bist wohl doch nicht so stark, wie du tust.” “Was weißt du denn schon!” gab Kaoru genervt zurück. Dai lehnte sich gegen den Türrahmen und antwortete: “Ich weiß ne ganze Menge darüber. Wahrscheinlich mehr, als du dir vorstellen kannst!” Überrascht schaute der auf dem Boden Sitzende auf und zog die Augenbrauen hoch: “Du?” Dai lachte leicht und nickte dann: “Ja, ich weiß wie es sich anfühlt wenn man jemanden liebt, ihn aber nicht anfassen darf.” Daraufhin machte er auf der Stelle kehrt, schlürfte den Flur entlang und öffnete seine Zimmertür: “Gute Nacht. Ach und denk dran, die Bettlaken sind frisch!” feixend huschte er in sein Zimmer und schloss die Tür. Kaoru murmelte etwas Fluchendes vor sich hin, dann fragte er sich, ob Dai wirklich solche Erfahrungen gemacht hatte. >Hab ich ihn in diesem Punkt vielleicht unterschätzt? Hat er doch mehr Ahnung, als man ihm ansehen mag?< Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, ehe auch er in sein Zimmer ging und sich dem schnell eintretenden Schlaf hingab. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nachdem er die Küche aufgeräumt hatte, setzte sich Toshiya mit seinem Laptop auf die Couch. >Die sind jetzt schon seit einer halben Stunde da oben. Was machen die bloß?< Er spielte kurzzeitig mit dem Gedanken nach oben zugehen und im Bad nachzuschauen, doch er verwarf ihn sofort wieder. >Sie werden sich schon nicht gegenseitig abgestochen haben. … hoffe ich.< Dass es heute Abend doch nicht zu einer Bandprobe kam, missfiel ihm ein wenig, hatte er sich doch so sehr auf seinen Bass gefreut. Er könnte zwar trotzdem in den Proberaum gehen und ein bisschen spielen, aber allein machte es ihm keinen richtigen Spaß. Also begnügte er sich mit dem Internet und seinen unendlichen Weiten. Trotz aller Mühe war seine Konzentration nur begrenzt, zu sehr beschäftigte ihn die Sache mit Kyo. Er mochte den Kleinen vom Anbeginn der Freundschaft sehr. Seinen Mut, seine Beständigkeit und dieses Feuer in seinen Augen bewunderte er jedes Mal aufs Neue. Doch war es wirklich Mut oder einfach nur Sturheit und Bockigkeit? Und konnte man den Wiederstand in Kyo’s Wesen als Beständigkeit bezeichnen, wo es doch vielmehr der Rebellion glich? Was es auch war, es faszinierte Toshiya. Und noch vielmehr faszinierte es ihn, dass dieser rebellische Holzkopf zur Zeit so gebrochen schien. Dieses Feinfühlige kannte Toshiya nicht von ihm und doch war es plötzlich da. Woher kam es? Ihm fiel einfach keine Antwort ein und es stellten sich Kopfschmerzen ein. Toshiya stellte den Laptop zur Seite und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab, dann legte er das Kinn auf den Händen ab und fixierte die Struktur des Tisches. “Das bringt doch nichts.” brummte er vor sich hin, stand auf und ging zum Fenster. Dann griff er nach seinem Handy und rief Kaoru an. Nachdem es mehrere Male vergebens klingelte meldete sich eine genervte Stimme. “He, Kaoru, alles klar? Ich wollte nur wissen, ob ihr gut angekommen seid?” Der am anderen Ende der Leitung räusperte sich kurz und antwortete: “Toshi, ist das dein Ernst? Wegen sowas rufst du doch nie an! Was willst du wirklich?” >Oje, ich habe ihn doch nicht etwas geweckt?< Toshiya strich sich verlegen über den Bauch: “Sorry, dass ich dich geweckt habe. Schlaf gut, wir sehen … “ “Jetzt warte! Is was mit dir? Oder den anderen?” Mit einem mal war Kaoru hellwach, im Gegensatz zu Dai, den er bis in sein Zimmer schnarchen hören konnte. “Nee, ich dachte nur … also … vielleicht bilde ich mir auch bloß was ein.” Er hörte, wie Kaoru seufzte und dann leise sagte: “Toshi, es war ein langer Abend für uns alle und auch etwas nervenaufreibend. Du brauchst nur Ruhe. Wenn die beiden in deinem Bad übernachten wollen, sollen sie doch, aber du gehst jetzt in dein Bett und schläfst dich aus.” Toshiya lächelte: “Danke Kaoru. Schlaf gut.” “Hoffentlich! Dai ist mal wieder unerträglich. Bis später.” Dann legten beide auf und Toshiya wirkte etwas beruhigter. Er machte die Anlage aus, löschte das Licht und tapste leise die Treppe rauf. Vor der Badtür blieb er stehen, lauschte in die Dunkelheit, hörte aber nichts. Geräuschlos schlich er sich in sein Zimmer. Dort kleidete er sich aus und legte sich in sein Bett. Es bereitete ihm einige Schwierigkeiten einzuschlafen. >Was war das eigentlich für ein Knallen vorhin? Mit Sicherheit mein Badspiegel.< In Gedanken malte er sich aus, wie Kyo auf seine Möbel einschlug und alles kurz und klein hakte. Es ist überflüssig an dieses Stelle zu erwähnen, was der Inhalt von Toshiya’s Träumen in dieser Nacht war, wo er doch so an seiner Einrichtung hing … ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Weit entfernt von Träumen jeglicher Art waren die beiden Männer in dem dunklen Bad. Mittlerweile hatte sich jeder vor seiner Wand sinken lassen und stierte auf den Scherbenhaufen. “Toshiya tötet dich.” flüsterte Shinya und versuchte die gespannte Atmosphäre zu lockern. Nach einem langen Zögern kam als Antwort: “Soll er doch.” Die Kälte der Fliesen war den Jungs bereits bis in die Organe gekrochen und Shinya zitterte wie Espenlaub. Kyo sah ihn eine Weile schweigend an, dann erhob er sich schwerfällig und ging zur Tür. Er zögerte. “Ich geh jetzt.” Der Blonde löste sich aus seiner Starre und schaute ihn an: “Darf … ich dich begleiten?” Sie hatten den selben Heimweg, daher fand Kyo auch keinen Grund ihm diese Bitte abzuschlagen. Mit einem leisen und tonlosen “Klar.” verlies er das Bad und tapste die Treppen im Dunkeln runter. Sein blonder Freund folgte ihm wortlos mit einem gewissen Abstand. Als sie im Wohnzimmer angelangt waren, schaltete Kyo das Licht ein. Jetzt erst sah Shinya das Gesicht von Kyo. Es war ausdruckslos und müde. Er hatte die Lippen fest aufeinander gedrückt und hielt seinen Augen gesenkt. Dann lief der Kleine zum Regal, holte einen kleinen Zettel und einen Stift hervor. Mit diesen Dingen ging er zum Tisch und kritzelte eine Nachricht für Toshiya auf den Zettel, den Stift legte er daneben. Ohne Shinya auch nur eines Blickes zu würdigen trottete er zum Flur und schlüpfte in seine Schuhe. Shinya machte das Licht wieder aus, zog sich ebenfalls die Schuhe an, legte sich den Mantel über und verließ das Haus. Die Haustür zog er vorsichtig hinter sich zu und spähte zum Gartentor. Da stand Kyo und zündete sich gerade eine Kippe an. Der Größere beobachtete ihn dabei, wie er den Rauch einzog und dann wieder in den Nachthimmel stieß. >Ach, Kyo. Du wärst wahrscheinlich lieber allein nach Hause gegangen. Aber ich weiß nicht, wann ich das nächste mal die Gelegenheit habe, in deiner Nähe zu sein.< Etwas mutlos ging er zum Gartentor, blieb stehen um noch einmal tief durchzuatmen und schloss das Tor hinter sich. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich konnte es mir einfach nicht nehmen lassen, Dai als schnarchendes Etwas darzustellen ... diese Vorstellung gefiel mir einfach. Was glaubt ihr, wie der gemeinsame Heimweg von Kyo und Shin ausgehen wird, oder was erhofft ihr euch? Danke fürs Lesen. Kapitel 8: ~Gefühl und Schmerz~ ------------------------------- Wir gingen in die entgegengesetzte Richtung, welche Dai und Kaoru genutzt hatten. Dieser Weg war noch etwas abgelegener von der Hauptstraße und die Laternen waren in unregelmäßigen Abständen intakt, der Großteil von ihnen war defekt. So kam es vor, dass wir bis zu 50 Metern in absoluter Dunkelheit tappten. Doch wir brauchten uns nicht sehen, wir konnten uns hören. Das Knirschen des Kies unter unseren Schuhen, das Rascheln von Shin’s Mantel wenn er sich vorwärts bewegte und mein unregelmäßige Atmen, wenn ich an meiner Zigarette zog. Die Gesellschaft von Shin beruhigte mich komischerweise, aber zugleich wühlte sie mich auf. Ich war mir unschlüssig darüber, welches Gefühl überwog. Es war irgendwie angenehm ihn nach so langer Zeit in meiner Nähe zu haben, ihn atmen zu hören. Andererseits war das Verhältnis zwischen uns sehr angespannt und übertrug sich auf meinen Körper. Innerlich waren wir wahrscheinlich beide total zerrissen, doch ich gab mir die allergrößte Mühe es mir nicht anmerken zu lassen. Shin hingegen war die Nervosität in Person, eigentlich wie immer. Es fiel ihm schon damals schwer, seine Gefühle zu verbergen. Das Prinzip der Maske kannte er nicht oder er war einfach zu schwach es zu beherrschen. Wir gaben bestimmt ein merkwürdiges Bild ab. Zwischen uns hielten wir einen Abstand von gut zwei bis drei Metern. Dennoch liefen wir im Gleichschritt und auf selber Höhe. Ich war fertig mit meiner Zigarette und schnipste sie zur Seite weg, dann steckte ich beide Hände in meine Taschen des Jacketts und umklammerte mit der einen meine Dose mit den Kontaktlinsen. Shinya kaute sich ständig auf den Lippen herum, dies wusste ich, ohne es sehen zu müssen. Es war so eine typische Eigenart von ihm, so wie andere Nägel kauen oder sich ständig an den Haaren zupfen, wenn sie nervös sind. Ich denke mal er wollte etwas sagen, doch da ihm nichts Gescheites einfiel, hielt er lieber den Mund und kaute weiter auf der Unterlippe. Wir waren bereits vor Shin’s Wohnung angekommen und blieben stehen. Auch dieser Teil des Weges lag im Dunkeln. Er ging ein paar Schritte auf die Haustür zu, bis sich der Bewegungsmelder einschaltete und uns in warmes Licht tauchte. Jetzt sah man wieder den schäbigen Zustand des Hauses. Die meisten Fenster waren ohne Gardinen oder Rollläden und die Fassade war fleckig und mit Graffiti überzogen. In solch einer Absteige musste er leben, oder eher hausen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war er der Einzige, der in dieser Bruchbude zu wohnen wagte. Unauffällig musterte ich seinen schmalen Rücken, während er unruhig mit dem Wohnungsschlüssel in der Hand spielte. Mit dem Gesicht der Haustür zugewandt fragte er mich: “Möchtest du vielleicht noch mit hochkommen?” Schweigen. Ich glaubte nicht richtig zu hören und schüttelte ungläubig den Kopf: “Ich hoffe, dass ist nicht dein Ernst!” Shinya kehrte mir langsam das Gesicht zu und sagte mit möglichst fester Stimme: “Doch. Ich vermisse dich, Kyo.” In seinen Augen fing es wieder an zu glitzern. Widerwillig ging ich zwei Schritte zurück und schnappte nach Luft. Es tat mir ungeheuer weh, wenn ich Shin so traurig sah. Ich musste die Augen schließen und als ich sie wieder öffnete, stand Shinya direkt vor mir. Unsere Blicke trafen sich ungewollt, verloren sich in einander. Wie lange standen wie so? Drei, vier Sekunden? Oder Minuten? Plötzlich spürte ich seine Finger in meinem Gesicht. Ich zuckte unter dieser Berührung kurz zusammen, seine Finger waren eiskalt. Erneut stand ich unter seinem Bann, dem Bann von Shinya’s Augen. Mein Körper war wie versteinert, ich spürte nur, wie die Finger auf meinem Gesicht über meine Wangen glitten bis zu meinen Lippen. In meinem Hals hatte sich ein riesiger Kloß gebildet. Genau in dem Moment ging das Licht aus und Shin’s Augen verschwanden für einen Augenblick vor mir. Diesen Moment nutzte ich und ging weitere Schritte nach hinten. Doch Shinya schien das bereits erwartet zu haben und tauchte genauso schnell vor mir auf, wie er eben noch verschwunden war. Das Luftholen fiel mir schwer. Ich fühlte Shin’s heißen Atem, wie er sich mir immer mehr näherte. “Shin … “ Doch meine Worte wurden erstickt von seinem Kuss. Ich vernahm seine weichen Lippen, wie er seine Körper leicht an mich drückte und mir die Hände zärtlich aber bestimmt festhielt. Ich war außer Stande zu denken. Zu viele Gefühle stürmten auf mich ein. Verlangen, Lust, Sehnsucht und auch Zweifel, Enttäuschung, Angst. Ich wollte mich rühren, doch meine Muskeln waren erschlafft und auch meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Sie waren weich wie Butter und schienen jeden Moment in sich zusammen zusinken. Doch Shin ging es nicht anders. Sein schneller Herzschlag schlug regelrecht auf meinen Leib ein, er wirkte ebenso unsicher auf den Beinen wie ich. Aprubt löste er den Kuss und taumelte zurück, bis in den Bereich des Bewegungsmelders. Als sich das Licht einschaltete, erblickte ich sein geschocktes Gesicht. Es musste meinem verdammt ähneln. “Shin … was zum … “ “Tut mir leid … ich weiß nicht was in mich gefahren ist!” Seine Stimme war Verzweiflung pur doch ich war zu perplex um darauf einzugehen. Eigentlich wollte ich auch nicht darauf eingehen. Er hatte mich berührt, tiefer, als er es sich wahrscheinlich vorstellen konnte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schrie ihn an: “WARUM MACHST DU DAS???” Der Blonde schüttelte nur langsam den Kopf, dann stammelte er: “Weil ich .. weil ich … dich immer noch liebe.” Mein Gesicht erstarrte zu einer Maske, ähnlich wie vorhin, doch diesmal ungewollt und meine Augen wurden groß. Dieser Satz drosch auf mich ein, riss mir den Boden unter den Füßen weg. “Weil du … mich LIEBST?” Mein Zorn hatte die Oberhand gewonnen und zeigte sich durch meine laute Stimme. Shinya’s Gesicht zeigte Hoffnungslosigkeit und ihm stiegen Tränen in die Augen. Kraftlos sank er auf die Knie und stützte sich mit den Händen auf dem Kies ab. Als wenn meine Stimme ihn niedergestreckt hätte. Ich versuchte mich zu sammeln, ruhig zu bleiben, doch es misslang mir. Ich lief auf ihn zu, packte ihn am Kragen und zwang ihn mich anzusehen. Nur langsam hob er seinen Blick und schaute ängstlich aus seinen braunen Augen. Ich konnte mich nicht mehr halten. Meine Lippen bebten und ein tiefes Schluchzen drang aus meiner Kehle. Dann hörte ich mich wie von selbst hauchen: “Wenn du mich liebst, warum hast du dann zugelassen, dass sie uns das angetan haben?” Meine Augen füllten sich mit Tränen und im nächsten Moment rannen sie über meine Wangen, trafen sich an meinem Kinn. Bei aller Macht, ich konnte sie nicht mehr halten. Sie tropften auf Shin’s Mantelkragen. An diesem Punkt vereinigten sie sich mit seinen Tränen. Wir sahen in unsere weinenden Gesichter, sahen unseren gemeinsamen Schmerz, als würden wir in einen Spiegel blicken. Die Zeit schien still zustehen. Shinya legte vorsichtig seine Hände auf meine Fäuste, die sich immer noch in seinen Mantelkragen gruben. Ich senkte den Kopf und lockerte meinen Griff. Der Krampf lies nach. Shin schluchzte nun ebenfalls und ich lies nun ganz von seinem Mantel ab. Er legte seine Hand auf mein Haupt, wollte mich dadurch beruhigen. Doch genau das war für mich zu viel, ich hielt das nicht mehr aus. Nicht noch mehr Zärtlichkeiten von ihm! Blitzschnell stand ich auf meinen Beinen, taumelte ein paar Schritte zurück und sah noch mal in das Gesicht meines blonden Freundes. Seine Verzweiflung, seine Trauer, sein unausgesprochener Schrei nach Liebe. Und ich sah mich, wie ich kalt auf ihn herabblickte, ihm noch mehr Leid zufügte. Also lief ich. Ich rannte in die Dunkelheit. Ich rannte vor meinen Gefühlen davon, wischte mir im Laufen die Tränen mit dem Ärmel aus dem Gesicht. Ich rannte vor Shinya weg, vor seiner Liebe und ich lies ihn auf der Straße sitzen. Ich rannte vor meinem zweiten Ich davon. Ein paar Blocks weiter stand ich vor meinem Haus. Ungeduldig riss ich das Handy aus der Tasche und wählte hastig Dai’s Nummer. Nachdem es ein paar mal klingelte, für mich schien es an die hundert mal gewesen zu sein, wurde der Hörer abgenommen. Ohne auf eine Antwort zu warten rief ich in den Hörer: “Dai, du musst zu Shin, schnell! Es geht ihm nicht gut…” Dann legte ich sofort wieder auf und schnappte immer noch nach Luft. Doch ich wollte weg, weg von der Straße. Ich jagte die Treppen im Haus hinauf, stürmte in die WG, knallte die Türen und versteckte mich in meinem Zimmer. Erst jetzt kam ich dazu über alles, was gerade geschehen war, nachzudenken. Er hat mich geküsst. Und ich hatte geweint, vor ihm. Andächtig strich ich über meine Lippen, es fühlte sich seltsam an. Wann hatten wir uns das letzte mal geküsst? Ich weiß es gar nicht. Shin hatte märchenhafte Lippen, so sanft und warm. Ebenso sein Körper. Es ist lange her, dass ich ihn gespürt habe. Oh man, Kyo! Was ist los mit dir? WAS IST LOS? Was hat es mir denn gebracht, dass ich mich auf ihn eingelassen habe? Nichts! Nur Schmerzen und Demütigungen! Wie soll ich denn mit ihm zusammen sein, wenn ich bei jeder Berührung in Panik verfalle? Jetzt sitzt er da, heulend, auf dieser scheiß einsamen Straße und ich hab ihn noch nicht einmal in den Arm genommen. Ich Arschloch! Ich RIESEN ARSCHLOCH!!! Damals konnte ich ihn nicht beschützen, also werde ich es jetzt erst recht nicht können. An seinem derzeitigen Zustand bin ich Schuld und vorhin habe ich sie ihm gegeben. Fuck! Wieder schüttelte ich den Kopf. Mein Schädel war zu voll. Denk nicht weiter darüber nach, Kyo! Er hätte ja nicht mitkommen müssen, außerdem wird sich Dai gleich um ihn kümmern … Ich sah schon wieder alles verschwommen, noch mal heulen? Nein, diese Blöße gab ich mir nicht. Trotzig wischte ich mir in den Augen rum. Ich hasste mich. Ich hasste mich für alles. Als ich vor dem Spiegel stand und mein verheultes Gesicht sah, stieg mein Hass ins Unermessliche. “Du hast Shinya’s Liebe nicht verdient!” fauchte mich mein Spiegelbild an. Ich weiß … Verdammt noch mal, ich weiß! Es tat mir leid. So ungeheuer leid. Ich bekam seinen letzten Anblick nicht mehr aus meinem Kopf, wie er auf der Straße kniete, wie vollkommen am Ende er war und wie sehnsüchtig er mich ansah. Meine Mauer war gebrochen, in sich zusammen gestürzt. All die Bilder, welche ich in den letzten Wochen versucht hatte zu verdrängen, wühlten sich langsam nach oben, wie Unkraut, dass man einfach nicht wegbekommt. Diese Monster … “Shin …” hörte ich mich seinen Namen flüstern und meine Wangen wurden feucht. Ich schlug mir meine Hände vors Gesicht, vergrub mein Flehen in meinen Handflächen. “Es tut so weh, Shin. Es tut so weh …” Mein Herz stach, als wöllte es zerspringen und in meinem Magen hatte sich ein Knoten gebildet, welcher alles schmerzlich zusammen drückte. Mein Wiederstand schwand immer mehr, zwängte sich aus meiner Seele und wollte sie schutzlos zurücklassen. Nein! NEIN! Ruckartig riss ich mir die Hände vom Gesicht und stürzte mich auf meinen Schreibtisch. Dort zerrte ich eine Schublade auf und griff hinein. Meine Hand umklammerte einen schweren kalten Gegenstand. Ich schloss meine Augen, mein Bewusstsein ließ nach und ich nahm alles nur noch gedämpft wahr. Mein Arm holte aus. Die kalte Klinge zog blitzartig durch mein Fleisch, welches bereitwillig nachgab. Noch mal. Eine erste erkaltete Stelle blieb auf meiner Haut zurück. Und noch mal. Ein Muskel nach dem anderen entspannte sich. Und noch mal. Ich spürte, wie mir langsam etwas über meinen Körper lief. Noch mal. Feucht und warm. Doch ich konnte nicht aufhören, ich machte immer weiter. Immer und immer wieder. Mein Zustand glich einer Trance und ich wusste nicht mal mehr, ob ich saß oder stand. Das Gefühl von Schwerelosigkeit schlich sich ein, ließ mich treiben. Doch dann kam der gewünschte Effekt. Durch meine Nerven zog sich ein bekanntest Gefühl. Schmerz. Ja, genau den brauchte ich jetzt. Er beschlagnahmte jegliche Wahrnehmung, schoss in meinen Kopf. Ich atmete tief durch, die Klinge ließ ich neben mir sinken und richtete mein Gesicht in die Dunkelheit. Einzig und allein das Rauschen nahm ich wahr. Dieses Rauschen, welches meine Entladung immer begleitete und mich beruhigte. Dieses Rauschen, wenn mein Blut anfing zu kochen. Dieses Rauschen, welches meinen Herzschlag beschleunigte und gleichzeitig verlangsamte. Dieses Blutrauschen. Ja, das war es, ein Blutrausch. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Oh Gott, bitte hasst mich jetzt nicht. Es war mir wichtig, Kyo's verkorkste Psyche in den Mittelpunkt zu stellen. Nicht jeder wird ihn verstehen und vielen von euch wird dieses Kapitel auch nicht besonders gut gefallen. Doch die Luft ist raus! Kyo war hart, Shin verletzt. Vielleicht zu viele Emotionen ... Kapitel 9: ~Annäherung~ ----------------------- In der WG von Daisuke und Kaoru war es ruhig. Der Kleinere schlief bereits, ein wenig angeheitert vom vorherigen Gute-Nacht-Trunk. Anders sah es jedoch bei Dai aus. Er konnte nicht ruhig schlafen, wachte immer wieder auf und wühlte sich durch seine Laken. Irgendwann gab er es auf, drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Die Gedanken an Shinya ließen ihn einfach nicht los. Mit verschränkten Armen unter dem Kopf fragte er sich, was wohl mit seinem Freund passiert war, warum er sich so verändert und zurückgezogen hatte. Doch Shin hatte bisher nicht über irgendetwas gesprochen, was auf sein Verhalten schließen ließe. >Und was hat diese Sache mit Kyo zu bedeuten? Was ist zwischen denen gelaufen?< Mit einem Kribbeln im Bauch dachte er an die Umarmung von vorhin, als sich der Blonde unerwartet an ihn gedrückt hatte. Und daran, wie er ihm plötzlich so nah gekommen war. >Wollte er mich etwas küssen?< Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. >Das kann nicht sein, wir sind schließlich beide Männer!< Daraufhin fiel ihm ein, dass er Shin noch nie mit einem Mädchen gesehen hatte oder das jemals davon die Sprache war, Shin hätte eine Freundin. Seine Augen wurden von mal zu mal größer, als ihm der zündende Einfall kam. Ruckartig setzt er sich auf und stotterte: “Oh Gott, Shin … Shin ist … nein, das kann nicht sein. Oder … ist er schwul?” Erschrocken legte er sich die Hand vor den Mund. Shinya und Männer? Konnte das wirklich sein? Nur weil man noch nie mit einer Frau im Arm gesehen wurde, muss das doch noch lange nicht heißen, dass man nicht auf sie steht, oder? Dai verlor den Überblick über seine Gedanken. Er drehte sich zum Nachttisch und griff nach der Zigarettenschachtel, als ihn der nächste Gedankenblitz durchfuhr. >Bin ich dann etwa auch schwul? Schließlich hatte mir die Umarmung gefallen! … Nein, das ist nicht möglich.< Mit einem unsicheren Lachen versuchte er sich selbst zu überzeugen. Die Dunkelheit schluckte seine verkrampfte Fröhlichkeit und legte ein Gefühl von Scham auf ihn. Nachdenklich steckte er sich die Zigarette in den Mund und zündete das Feuerzeug an. Für ein paar Sekunden beobachtete er die kleine Flamme, welche ruhig vor sich hin zündelte. In seinen Augen spiegelte sich der Glanz und er starrte sie unvermittelt weiterhin an. >Nee, oder?< Er löschte die Flamme wieder, ohne sich die Kippe angezündet zu haben, legte den Nikotinstängel auf den Nachttisch zurück. Dann erhob er sich schwerfällig und blieb unschlüssig vor seinem Bett stehen. Dai hatte nur noch diesen einen Gedanken. Kaoru. Sie wohnten seit Jahren zusammen und er müsste ihn eigentlich am besten kennen. Doch wie sollte er vorgehen? Sich in sein Zimmer schleichen, ihn wecken und fragen? Aber wie formuliert man denn so eine Frage? Dai startete ein paar Probeversuche: “He Kao, sag mal hast du manchmal das Gefühl, ich sei schwul oder wenigstens tuntig?” widerwillig schüttelte er den Kopf und versuchte es erneut. “Ähm … kleide ich mich manchmal mädchenhaft?” Überlegend schaute er an sich runter. Mit einem genervten und enttäuschten Blick stellte er fest, dass er nur Boxershorts trug. “Blödmann, jeder würde in dieser Hose schwul aussehen … “ ärgerlich wuschelte er sich über seinen Hinterkopf. >Sowas kann ich ihn nicht fragen!< Ihm wurde langsam klar, dass es keine ordentliche Formulierung für solch eine Frage gab und noch viel weniger eine gescheite Antwort. Das ist schließlich nicht, als wenn er seinen Mitbewohner fragen würde, wie er seine neuen Schuhe findet oder wann sie das nächste mal einen Trinken gehen wollen. Außerdem bezweifelte er, dass Kaoru ihm klipp und klar ins Gesicht sagen würde, ob er ihn für homosexuell hält oder nicht. Auch wenn man immer davon ausgeht, dass Männer ja so viel härter sind, wenn es um so etwas geht können selbst die härtesten Typen weich werden. Wer will schließlich für den Selbstmord eines Freundes verantwortlich sein, nur weil er ihm die Wahrheit gesagt hat? Diese Art von Wahrheit ist schließlich entscheidend über das Schicksal des Betroffenen und für Männer überlebenswichtig. Leben wie ein Mönch, oder sich auf die scheinbar endlose Suche nach einem Spielgefährten machen? Aber sind Schwule gerade unter Männern nicht schon immer verpönt gewesen? Warum eigentlich? “So’n Rotz!” So nach und nach verlor Daisuke seine Geduld. Entmutigt setzte er sich auf seine Bettkante und stierte auf die Zimmertür. Daraufhin schlich sich eine neue Idee ein. Die Nackenhärchen des Rotschopfes stellten sich auf und ein Kribbeln durchzog erneut seine Magengegend. >Das kann ich doch nicht machen … andererseits … wie sollte ich es denn sonst herausbekommen?< Sein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an und er versuchte krampfhaft mehrmals zu schlucken, um dieses unangenehme Gefühl aus seinem Mund zu bekommen. Das betäubende Gefühl auf der Zunge bekam er trotzdem nicht ganz weg. Kräftesammelnd schloss er die Augen und erhob sich mit einem eisernen Willen. >Ich muss es probieren.< Vorsichtig öffnete der Rothaarige seine Zimmertür und lunschte in den Flur. Es herrschte immer noch Totenstille. Was sonst? Außer den beiden wohnte sonst niemand hier und wenn der Eine schlief war es nur schwer möglich noch andere Gestalten anzutreffen. Mit aufeinander gepressten Lippen huschte er aus seinem Zimmer, in den Flur hinaus und blieb vor Kaorus Tür stehen. Er holte noch einmal tief Luft. >Ganz ruhig. Was soll schon groß passieren … ?< Noch bevor ihn der frisch gefasste Mut wieder verlassen konnte, hatte er geräuschlos die Türklinke zu Kaorus Zimmer runter gedrückt und schob die Tür einen Spalt auf. Dann steckte er vorsichtig seinen Kopf ins Zimmer. Es war dunkel, doch die Umrisse des Möbilars und des Bettes waren deutlich zu erkennen. Die gleichmäßige Atmung seines Mitbewohners wies darauf hin, dass dieser friedlich schlief. Mit angehaltener Luft betrat Dai den Raum und schloss die Tür hinter sich. >Oh man, was mach ich hier?< Ohne den Gedanken richtig aufgenommen zu haben, stand er schon neben Kaorus Bett. Er musterte das schlafende Gesicht seines Mitbewohners. Dieser lag auf der Seite, das Gesicht ihm zugewandt, mit leicht angewinkelten Beinen. >Wie ein kleiner Junge.< Dem Stehenden fiel auf, was für weiche Gesichtszüge der andere hatte. >Allerdings nicht so weich, wie die von Shin …< Verblüfft kniff er die Augen zusammen und wunderte sich über seine ungewöhnlichen Vergleiche. Seit wann merkte er sich die Gesichtstypen seiner Freunde? Entnervt zog er die Augenbrauen nach oben und konzentrierte sich. Dann galt seine Aufmerksamkeit wieder Kao. Der Kleinere lag so, dass hinter ihm noch ein wenig Platz in dem Bett war. Ganz langsam stieg Daisuke hinein und legte sich mit einem ausreichenden Abstand hinter den Schlafenden. Die Sekunden vergingen, ohne das etwas geschah. Daisuke’s Verstand überschlug sich und kam mit dem Verarbeiten seiner Gedanken und Gefühle nicht mehr nach. >Wie verzweifelt muss man sein, um so einen Schritt zu wagen?< Über sich selbst verärgert kräuselte er die Stirn. Er beobachtete, wie sich Kaoru’s Körper hob und senkte, je nachdem, ob er gerade ein- oder ausatmete. Bis hierhin fühlte er sich keineswegs unbehaglich, ganz im Gegenteil, er fühlte sich wohl! Kaum merklich rückte er noch ein Stück näher an seinen schlafenden Freund. Jetzt spürte er sogar die Körperwärme des anderen auf seinen Armen. Daraufhin stellte sich seine Armhärchen auf und Dai wagte einen weiteren Schritt. Zögerlich legte er seine linke Hand auf Kaorus Taille. Es fühlte sich immer noch gut an! In Dai breitete sich Wärme und Zufriedenheit aus. >Also noch einen Schritt!< Durch seine ermutigenden Gedanken legte er sich nun ganz an Kaorus Rücken. Seine Haut war warm, fast heiß und sie fühlte sich fest und weich zugleich an. Langsam strich er mit seiner Hand über den nackten Rücken und über die Seite. Dann lies er seine Finger über den Nacken des anderen wandern, bis zu seinem Haar. >Oh mein Gott.< Der Rotschopf glaubte nicht mehr klar denken zu können. Ganz sacht drückte er seine Brust und seinen Bauch an Kaorus schlafenden Körper, dann strich er mit seiner Hand über dessen Oberarm, lies sie bis zu seiner Hand gleiten. Kaoru hatte seine Hände vor seinen Oberkörper gelegt, nah an seine Brust. An diesem Punkt war Dai gerade angelangt. Mit seinen Fingerspitzen streifte er, eher zufällig als beabsichtigt, über Kaorus Brust und schließlich auch über seine Knospen. Sie waren weich und gaben leicht nach. Daisuke atmete tief durch, spürte die Erregung in seinem Körper, welche sich unter seinem Bauchnabel sammelte. Mit seinem Gesicht lehnte er sich an Kaorus Rücken an, er sog seinen Duft ein und schloss genüsslich die Augen. >Das darf doch nicht wahr sein … warum tut das so gut?< Sein Mund öffnete sich und er begann dem schlafenden Mann den Rücken zu liebkosen. Kaum spürbar strichen seine Lippen über dessen Haut, verweilten an unterschiedlichen Stellen. >Ob sich Shinya auch so anfühlt?< Ohne es zu wissen, war er an dem Punkt angelangt, an dem er nicht mehr zurück konnte. Sein anfängliches Wohlgefühl steigerte sich in Begehren und von Begehren in Lust. Er wollte mehr. Also stützte er sich auf dem rechten Arm ab und schob seinen Oberkörper langsam in die Höhe. Dann beugte er sich über den Körper seines Freundes. Kaoru schlief immer noch tief und fest und bekam von all dem nichts mit. Der andere stützte sich jetzt auch mit dem linken Arm auf. Mit seinem linken Bein tat er das Gleiche. So hatte er einen Hundehaltung über dem Schlafenden eingenommen. Genau in diesem Augenblick dreht sich Kaoru von der Seite auf den Rücken, ohne Dai auch nur zu berühren, geschweige denn zu bemerken. Damit hatte Dai nicht gerechnet, also hielt er wieder die Luft an. Doch der andere rührte sich nicht mehr. Das schlafende Gesicht war ihm direkt zugedreht. Mit beiden Händen rechts und links von Kao‘s Gesicht, hielt Dai das Gewicht seines Oberkörpers und seine Arme fingen leicht an zu zittern. >ALTER! Was zum Geier tust du da???< Dai’s Verstand schien sich wieder einzuklinken, doch es war zu spät. Kaorus Lippen öffneten sich leicht und Daisuke hatte nur noch einen Gedanken: >Wenn ich ihn jetzt küsse, weiß ich es zu hundertprozent.< Das Gesicht von Shinya tauchte plötzlich vor seinem inneren Auge auf, wie er auf der Schaukel lag, ähnlich wie jetzt Kao. “Tut mir leid, dass ich dich dafür benutze.” flüsterte er zu seinem Mitbewohner. Dann beugte er sich langsam tiefer, bis Kaorus Atemzug sein Gesicht sanft streichelte. Dai schloss die Augen und lies sein Gesicht noch ein Stück sinken, alle Muskeln angespannt, plötzlich absolut ruhig in der Haltung. Die Berührung war überwältigend! Kaorus Lippen gaben den Lippen von Dai nach, fingen sie wie ein Kissen auf. Der Körper des Rothaarigen wurde von einer Hitzewelle überrollt und seine Lippen kribbelten, als würde ein ganzer Ameisenhaufen über sie marschieren. Langsam öffnete er seine Lippen einen Spalt, schob seine Zunge ein Stück nach vorn und strich damit über Kaorus’. Jeglicher Zweifel war aus seinen Gedanken gewichen, kein nagendes schlechtes Gewissen. Er drückte seinen Mund noch ein bisschen fester auf den seines Freundes und schob die Zunge noch weiter, bis sie die Lippen des anderen passierten. Ohne Wiederstand drang sie in den fremden Mund, traf auf dessen Zunge. Zögernd zog er sie zurück, schloss seine Lippen um sie erneut und leidenschaftlicher als beim ersten Mal zu öffnen und die anderen zu befeuchten. Die Empfindungen konnte Dai nicht beschreiben, er fühlte sich leicht wie eine Feder und hätte sich am liebsten sofort mit dem Körper des anderen vereinigt. Seine Erregung hatte ebenfalls zugenommen. Seine Shorts begann zu spannen und er bemühte sich, Kaorus Körper mit seiner Männlichkeit nicht zu berühren. >Reiß dich zusammen!< ermahnte er sich und zog seine Küsse zurück. Sein Verlangen schien ihm die Kontrolle zu nehmen. Seine Wangen glühten aufgrund der körperlichen, wie auch der inneren Wärme. Dai musste einmal tief durch die Nase Luft einsaugen, sie ihn sich aufnehmen und damit auch den Geruch seines Freundes. Zärtlich strich er sich mit seiner Zungenspitze über die eigenen Lippen. Kostete noch einmal von Kaorus Unschuld und dessen Ahnungslosigkeit. Es war keine Liebe, die er für seinen Freund empfand, es war einfach nur tiefe Zuneigung, Zärtlichkeit und ein wachsender Wunsch nach Intimität. Die Sinne waren vernebelt, wie in einem Traum. >Sowas träum ich doch normalerweise nicht …< dachte er sich, während er seine Augen öffnete. Ihm stockte der Atem und er blickte in die dunklen Pupillen von Kaoru. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ *rot werd* Klingt doch gar nicht mal so schlecht, ne? Wie Kaoru wohl reagieren wird? Was glaubt ihr? Kapitel 10: ~Trauerweide~ ------------------------- „Was zur Hölle …“ Kaoru starrte den Rothaarigen fassungslos an. Dieser hielt immer noch die Luft an, traute nicht, sich zu bewegen oder gar Luft zu holen. Er hatte einen absoluten Blackout und schämte sich zutiefst. >Wollte ich so eben meinen Freund besteigen???< Während er immer noch in der Hündchenstellung verweilte, richtete sich der unter ihm Liegende langsam auf, stützte sich auf den Ellenbogen ab. Dabei kamen sich ihre Gesichter erneut etwas näher und Dai wich erschrocken zurück. In Gedanken verfluchte er sich, für seine jetzt erst eintretende Vernunft. >Jetzt ist es auch zu spät, du Trottel!< Kaoru schaute seinen Mitbewohner grimmig an ehe er leise flüsterte: „Wenn du wieder anfängst zu atmen, kannst du mir ja mal erklären, was du da tust!“ Sein Blick wanderte an Dai’s Körper hinunter, blieb an seiner Boxershorts stehen. Nachdenklich schaute er in Dai’s Gesicht zurück. „Und warum zum Geiser hast du so einen tierischen Ständer?“ Seine Stimme wurde ein wenig lauter und Ärgernis verbarg sich im Ton. Daisuke erkannte es unschwer und stieg schnell von seinem Freund runter, setzte sich an das Ende des Bettes. Er hatte Kaoru den Rücken zugedreht und knirschte mit hochrotem Kopf: „Das ist nicht das, wonach es aussieht.“ Der andere richtete sich im Schneidersitz auf. Mit einer Hand tastete er neben sein Bett, dort lag unordentlich eine Decke. Nachdem er sie gegriffen hatte, zog er sie aufs Bett und über seinen Schoß. Dann legte er seine Hände in die Mitte der Kuhle, welche sich durch die Haltung seiner Beine ergab. Angestrengt ruhig fragte er: „Wonach sieht es denn aus?“ >Scheiße!!!< Dai hatte geahnt, dass diese Frage kommen würde. Er wusste keine Antwort. Der sonst so Redefreudige und Schlagfertige hatte plötzlich keine Antwort, ihm fehlten die Worte. Der Kleinere wurde etwas verärgert. „Daisuke, was soll das? Stehst du plötzlich auf Männer?“ Genau ins Schwarze. Dai zuckte kaum spürbar zusammen, doch er sagte immer noch nichts. Er kniff die Oberschenkel zusammen, wollte am liebsten im Boden versinken. Seine Erregung war von dem einen auf den anderen Moment abgeklungen und er drehte langsam sein Gesicht in Kaorus Richtung. „Ich wollte es herausfinden. Es tut mir wirklich leid!“ „Was?“ Kaoru verstand nicht ganz, was er ihm sagen wollte; „Was herausfinden? Hast du das schon öfter gemacht? Dich in mein Zimmer geschlichen und irgendetwas an mir ausprobiert?“ Der Kleinere fühlte sich plötzlich hintergangen und benutzt. Dai schüttelte aufgeregt den Kopf ehe er einen erneuten Erklärungsversuch startete: „Natürlich nicht! Was denkst du denn gleich wieder?“ Der andere musste auflachen: „Tut mir leid Dai … ich weiß ja, dass du gern mal unüberlegt handelst aber jetzt hast du den Vogel echt abgeschossen. Da kann man nur so etwas denken!“ er zog die Decke noch ein Stückchen höher, als wenn er Angst hätte, Dai könnte ihm noch mal nahe kommen. Doch dieser war viel zu sehr damit beschäftig, Kaoru von Gegenteil seiner jetzigen Meinung und Ansicht zu überzeugen. Aber wie? Der Kleinere saß mit verschränkten Beine auf dem Bett, starrte ihn vorwurfsvoll an und hielt ihn scheinbar nicht nur für schwul, sondern auch noch für einen Perversen. Angesichts dieser Situation fiel es schwer, die richtigen Worte zu finden. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm und ersparte den beiden noch eine peinliche Minute des Schweigens. Der Klingelton von Daisuke’s Handy drang ins Zimmer, doch er rührte sich nicht. Kaoru legte den Kopf schief und meinte mit einem sarkastischen Unterton: „Ich glaube, das ist deins.“ Dies lies er sich nicht zweimal sagen. Er sprang sofort auf und eilte in sein Zimmer. Nachdenklich guckte Kaoru in den Flur hinaus und wartete gespannt, wer um diese Zeit noch anzurufen wagte. Ungewöhnlich schnell stand Dai wieder im Türrahmen und rief: „Zieh dich an! Los!“ dann verschwand er wieder um sich selbst seine Klamotten zusammen zusuchen. Vollkommen perplex brauchte Kaoru einen Moment, bis er registrierte, was Dai gerade gesagt hatte. Mit einer fließenden Bewegung schwang er sich aus dem Bett und schnappte sich seine Hosen. Während er in sie hineinstieg, humpelte er, mit einem Bein in der Hose, mit dem anderen nicht, auf den Flur. Von hier aus konnte er direkt in das Zimmer seines Freundes schauen und rief: „Wer war das?“ Dai streifte sich gerade einen Pulli über und gab mit einem ernsten Gesicht zur Antwort: „Kyo. Wir sollen nach Shin sehen.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich schweigend an, dann rannte Kaoru zurück in sein Zimmer und Dai suchte die Schlüssel. Nachdem sich auch Kaoru komplett eingekleidet hatte und in seine Schuhe geschlüpfte war, hielt ihm Dai den Schlüssel vor die Nase: „Du fährst.“ Nickend nahm er den Schlüssel entgegen und beide verließen eilig die Wohnung. Während der Fahrt war das Geschehnis der letzten Stunde völlig vergessen. Sobald es um Probleme im Freundeskreis ging, waren persönliche Angelegenheiten immer zweitrangig. Zu wichtig war jedem einzelnen die Bindung zu einander. Kaoru konzentrierte sich auf die Straße und Dai versuchte Shinya anzurufen. Nach vier Versuchen gab er auf und murmelte: „Er geht nicht ran.“ Kaoru schaute in den Rückspiegel. Sie waren die Einziegen, welche drei Uhr nachts unterwegs waren. Ziemlich ungewöhnlich, wahrscheinlich weil Sonntag war. „Was genau hat Kyo vorhin gesagt?“ Der Angesprochene schaute grübelnd auf das Display seines Handys und antwortete: „Nicht viel. Nur, dass ich schnell zu Shin soll, es würde ihm nicht gut gehen. Kyo klang total panisch…“ Er rieb sich über die Stirn und klickte weiter in seinem Handy rum. „Ich versuch‘s noch mal.“ Doch auch dieses mal ging Shinya nicht ran. „Was ist da nur los?“ Daisuke war ratlos und auch Kaoru fiel keine gute Idee ein. Als sie in die Straßenseite, in der Shinya‘s Wohnung lag, eingebogen waren, verlangsamte Kaoru sein Tempo. Die Beschaffenheit der Straße war mäßig und überlall lag Schotter und Kies rum. Bei zu hoher Geschwindigkeit gab das unschöne Lackkratzer. „Pass auf, Dai. Ich setzt dich jetzt bei Shin ab und fahr dann weiter zu Toshi. Ich hab das dumme Gefühl, das wir ihn heute noch brauchen werden.“ Der Rotschopf sah ihn an und nickte dann zustimmend. Ihm fiel wieder ein, dass Kaoru eine unwahrscheinlich gut ausgeprägte Intuition hatte und auf diesen Instinkt konnte man sich immer verlassen. Der Wagen hielt vor Shin‘s Hauseingang und der Bewegungsmelder schaltete sich ein. „Okay, also bis dann!“ Dai stieg aus und lief zügig zur Klingelliste, während Kaoru den Rückwärtsgang einlegte und seinen Wagen auf die Hauptstraße zurück fuhr. Nach dem ersten Klingeln gab es keine Reaktion von drinnen. Es schaltete sich kein Hauslicht ein und auch die Fenster des Gebäudes blieben unbelichtet. Daisuke klingelte erneut, diesmal etwas länger. Doch es geschah wieder nichts. Er trat ein paar Schritte auf die Straße zurück und schaute am Haus empor. Es war wie ausgestorben. Die einzigen Fenster die mit Gardinen versehen waren, waren die seines blonden Freundes, aber warum öffnete er die Tür nicht? >Alle guten Dinge sind drei.< Trotz des dritten Klingelversuches änderte sich nichts. Die Fenster blieben dunkel, ebenso das Haus und Dai fragte sich, ob Shin überhaupt zu Hause war. „Shin, wo bist du schon wieder? Ständig sucht man dich!“ Langsam aber sicher wurde er nervös, dann wählte er Kyo’s Nummer und wartete ab. Es dauerte ein Weilchen bis das Gespräch entgegen genommen wurde: „ … Ja?“ Kyo klang müde, als hätte er geschlafen. „Shinya ist nicht zu Hause. Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?“ Dai könnte hören, wie Kyo der Atem stockte, dann kurz überlegte und leise zur Antwort gab: „Vielleicht im Park.“ „ … was sollte er dort wollen?“ Kyo überlegte wieder und seufzte: „Ich habe keine Ahnung …Dai. Ein anderer Ort fällt mir nicht ein.“ seine Stimme wirkte schwach und dünn. „Kyo, alles okay bei dir?“ Dai machte sich Sorgen. Vorhin war der Kleine noch total aufgeregt und panisch gewesen und jetzt so merkwürdig ruhig. >Was ist hier los?< „Dai … finde Shin. Um ihn müsst ihr euch Sorgen machen, nicht um mich.“ Der Rothaarige wollte gerade etwas sagen, als ihn der Kleine unterbrach: „Tut mir leid, ich muss jetzt schlafen.“ und damit auflegte. Mit ausdruckslosem Geicht starrte Dai auf den Display des Handys, eher er es langsam sinken lies. Dann machte er eine Drehung und steuerte den Park an. Die kleine Grünanlage der Stadt lag sehr abseits, hinter den Wohnblöcken von Shinya. Hierhin kam kaum jemand, der Zeitaufwand um in den Park zugelangen zahlte sich einfach nicht aus. Seltsamerweise war er gut in Stand. Der Rasen geschnitten, das Laub der Bäume zusammengekehrt und der Springbrunnen in dem großen Teich bekam auch regelmäßig seine Wartung. Die Bänke waren erst diesen Sommer lackiert wurden, sollten sie doch den Winter überstehen und auch die Papierkörbe wurden immer geleert. Die Blumenfelder, welche vor einigen Wochen noch kräftige und auffällige Farben hervorgebracht hatten, waren ebenfalls schon für den ersten Bodenfrost vorbereitet. Allerdings hatte man noch nie eine Arbeitskraft gesehen, wie sie all die Arbeit verrichtet, als wenn es sie nicht geben würde. >Vielleicht gab es auch Arbeiter und Gärtner, die nur nachts aktiv sind?< Über was für merkwürdige Dinge man sich den Kopf zerbrechen konnte, wenn man einen etwas längeren Fußmarsch zurück zu legen hatte. Daisuke verschlang die Arme vor der Brust. In all der Hektik hatte er seine Jacke vergessen und nun bekam er einen Kälteschauer nach dem anderen. >Du musst schneller laufen, dann wird dir wieder warm!< spornte er sich selbst an. Unterwegs hatte er Kaoru angerufen und sein Vorhaben mitgeteilt. Dieser war auch schon bei Toshi gewesen und hatte ihn soeben ins Auto gesteckt. Sie würden so schnell wie möglich nachkommen. Dai betrat den Eingangsbereich des Parks. Rechts und links standen zwei kleine Laterne aus schwarzem Metall, sie markierten den Beginn der Ruhezone. Die Wege waren durch kleine Bordsteine vom Rasen getrennt und gut sichtbar. Er war schon des Öfteren hier gewesen, da dies ein lauschiges Plätzchen und für Dates ideal war. Die kleinen dunklen Ecken unter den großen Kirschbäumen waren ihm vertraut. Ebenso die kleine Brücke, die über den Teich führte und die man schon von hier aus sehen konnte. Sehr groß war die Parkanlage nicht, aber sehr verwinkelt so dass ein Überblick schwer fiel. Dai hielt sich links. Dort befand sich der kleine Springbrunnen in dem Teich und eine große Trauerweide, die man aufgrund ihres Alters nicht fällen wollte. Weiden waren eher untypisch, doch sie fand durch ihre Schönheit soviel Anklang, dass man sich dazu entschlossen hatte, sie in dem kleinen Park zu lassen. Mit großen Schritten marschierte Dai an den ersten Bänken vorbei. Sie waren alle leer und nirgendwo eine Menschenseele zu sehen. Leider auch kein Shinya. Doch er machte nicht halt, er steuerte zielstrebig die Weide an. Sie war an die acht Meter hoch, ein riesiges Gebilde und mit einem prächtigen Blattwerk versehen. Man hätte sie ebenso gut für einen großen Felsen halten können. Ihre Zweige reichten bereits bis zum Boden und sahen von einiger Entfernung aus wie Tränen. Unter ihr herrschte absolute Finsternis, doch Dai wusste, dass sich nahe ihres Stammes eine weitere Parkbank befand. Wenn man auf ihr saß, konnte man direkt auf den Springbrunnen sehen, da sich genau an dieser Stelle die Äste der Weide teilten und eine Art Tor aufwiesen. Daisuke war am Springbrunnen vorbei geschritten, welcher leise vor sich hin plätscherte und ein Gefühl von Entspannung verbreitete. Doch er war keineswegs entspannt, zu sehr machte er sich mit den Bildern des vergangenen Abends verrückt. „Hey … du bist mir ja schon wieder gefolgt.“ drang eine lallende Stimme unter der Weide hervor. „Shinya?“ Dai hob die Zweige der Weide an und lugte darunter. Da saß Shin, mit einer Flasche in der Hand. Schon wieder. Er gesellte sich zu ihm, setzte sich auf die Bank und schaute ihn fragend an. Aber Shin ignorierte seinen Blick, stattdessen setzte er die Flasche wieder an und nahm einen weiteren Schluck. Dieses Verhalten ärgerte den Rothaarigen: „Willst du dich heut noch ins Koma saufen, oder was?“ grob riss er Shinya die Flasche aus der Hand und fragte etwas lauter: „Was ist nur los mit dir?“ Ruhe. Seine Frage schien nicht anzukommen, also griff er nach der Schulter des anderen: „Shin, ich bin hier, jetzt sprich doch endlich.“ Der Blonde schaute auf den Teich, beobachtete die Wellen, die der Springbrunnen auf dessen Oberfläche hinterließ. Je weiter sie trieben, desto größer wurden sie, bis sie schließlich am Rand des Ufers mit einem sanften Plätschern versiegten. Shinya griff nach der Hand seines Freundes und schob sie von sich. „Nicht, dass du dich infizierst.“ fügte er flüsternd hinzu. Daisuke blickte fragend auf seine zurückgewiesene Hand: „Was meinst du damit? Womit infizieren?“ Der Blonde schloss die Augen, atmete aus und Dai roch seine Alkoholfahne. Dieses mal war es kein lieblicher Wein, der Geruch war beißender, ähnelte dem von Wodka. Jetzt erst bemerkte er, wie Shin‘s Kopf leicht hin und her schaukelte, so betrunken war er. „War wieder was mit Kyo?“ In diesem Moment änderte sich etwas in der Körperhaltung seines Freundes. Er schien ein Stück in sich zusammengesunken zu sein. Shinya legte eine Hand auf seinen Brustkorb und sprach: „Er … fürchtet sich vor mir, … vor meinen Berührungen.“ Die Augen von Dai weitete sich und er fragte: „Was denn … für Berührungen?“ Ihm wurde plötzlich ganz flau im Magen. Der andere sah ihn überrascht an: „Hm? Na ganz normale … was hast du denn gedacht?“ Shinya sprach sehr langsam, da er sich um eine deutliche Aussprache trotz schwerer Zunge bemühte. „Ach … nichts.“ Dai winkte ab; „aber wieso fürchtet er sich?“ das flaue Gefühl ging zurück. >Nicht jetzt, das ist nicht der passende Zeitpunkt.< mahnte sich Dai in Gedanken. Sein Freund legte den Kopf zurück und stierte in das schwarze Blattwerk über ihm: „Er kann es nicht ertragen, wenn ich ihn anfasse … weil SIE mich angefasst haben. Als hätte ich eine Krankheit … als wäre ich verseucht …“ er seufzte schwer. Daisuke begriff gar nichts mehr und legte seine Stirn in Falten. „Wen meinst du mit SIE?“ Während Shinya unruhig mit seinen Fingern spielte gab er gequält von sich: „Die Männer, welche mich und Kyo hier in diesem Park …“ er unterbrach sich, wischte sich über die Augen und sprach leise weiter: „ … sie waren zu fünft. Sie haben uns keine Chance gelassen.“ Das flaue Gefühl tauchte wieder in Dai‘s Magen auf, wuchs zur Übelkeit heran. Er musste sich eine Hand auf den Bauch legen, die andere legte er sich auf den Mund. Shinya sprach weiter: „Kyo … hat sie angeschrieen, sie sollen uns in Ruhe lassen, doch dann kamen drei von ihnen auf ihn zu, haben ihn von mir weggezogen … die anderen beiden schubsten mich auf den Boden, dann lachten sie …“ aus Shinyas Mund drang ein tiefer Schluchzer. Daisuke starrte ihn an, konnte nicht glauben, was er da hörte. Und Shinya wurde elend zumute. Ihm war heiß und der Alkohol setzte ihm zu. Seine Hände zitterten und alles drehte sich in seinem Kopf. Doch er wollte nicht aufhören mit sprechen, er wollte sich alles von der Seele reden. „Dann zogen sie mich in das Gebüsch und einer von ihnen riss an meiner Kleidung herum. Sie drehten mich auf den Bauch, hielten mich fest und drückten mein Gesicht in das Gras … und dann …“ „Shinya!“ Daisuke riss ihn aus seinem Wortschwall, nahm ihn in den Arm. Shinya vergrub sein Gesicht in Dai‘s Pullover und flüsterte: „Ich hab ihn schreien gehört … dann rief er meinen Namen, immer wieder … und irgendwann hörte ich ihn nicht mehr. …meine Stimme war zu schwach, ich bekam keinen Ton heraus … Ich spürte nur noch den Schmerz und ich wünschte mir, dass es endlich vorbei sein sollte, dass sie aufhören sollten…“ Seine Stimme wurde heißer und seine Finger krallten sich in Dai’s Rücken. Der Rotschopf wog ihn eine Weile beruhigend. Wie ein Kind, das man dadurch zur Ruhe bringen möchte. Ein leichter Windzug streifte die Äste und das Rascheln drang unheimlich an Dai’s Ohr. Jetzt fiel ihm auf, wie reglos Shinyas Körper wirkte, wie entkräftet. Mit einem Mal hingen Shin‘s Arme schlaff an ihm herunter und sein Kopf war seltsam zur Seite gedreht. Fast so, als ob kein Leben mehr in diesem Körper stecke. „Shin?“ Keine Reaktion. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Puh, jetzt ist es raus ... Kommentare? Oder eher Kritik? Kapitel 11: ~Andeutungen~ ------------------------- Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so dagelegen hatte. Auf dem Rücken, Arme und Beine von mir gestreckt, in der Mitte auf dem Boden meines Zimmers. Nach Dai‘s Anruf war ich mit meinen Gedanken nur noch bei Shinya. Wo war er? War er wirklich im Park? Jedenfalls hoffte ich das. Ich könnte auch aufstehen, nach draußen gehen und ihn suchen, mich den anderen anschließen, doch mir fehlte die Kraft. Das schwächelnde Gefühl war um einiges stärker, es lies keine Stärke mehr zu. Oh ja und wie schwach ich war. Ich besaß nicht einmal mehr die Kraft, Probleme mal nicht mit dem Messer zu lösen. Wie lange sollte das noch so gehen? Und wie weit war ich bereit zu gehen? Bis in den Tod? Hatte ich etwa keine Angst davor? Ich drehte mich langsam auf die Seite und sah in den Spiegel, der auf dem Boden stand. Langsam ließ ich meinen Blick über den Körper hinter dem Glas schweifen. Die Schnittwunden, mittlerweile verkrustet, die blauen Flecken, über das Schienbein verstreut und die Kratzspuren auf meiner Brust, sahen aus wie gemalt. Stimmt … es ist nicht nur das Messer, es ist der Schmerz an sich, egal wie ausgelöst. Draußen dämmerte es langsam, ein neuer Tag brach an. „Guten Morgen, Kyo.“ hauchte mein Spiegelbild und versuchte zu lächeln. Wie viele Menschen wachen jetzt zu zweit auf? Sehen sich liebevoll an, küssen sich vielleicht und nehmen sich in den Arm. Und was mach ich? Ich kriech auf dem Fußboden rum, seh total scheiße aus und könnte schon wieder losheulen! Dabei müsste ich jetzt gar nicht allein sein, ich könnte neben IHM liegen, doch das hab ich mal wieder versaut. Ich bau in letzter Zeit nur Mist und jetzt ist erneut der Moment gekommen, in dem ich in meinen Mitleid ersaufen möchte … Doch dazu kam ich nicht mehr. Im Flur hörte ich es Sturmklingeln. Was sollte das denn? Ein paar Sekunden vergingen und keiner reagierte. Dann folgte ein weiteres Flutklingeln. WER ZUM TEUFEL IST DAS??? Ich wollte mich gerade wutschnaubend erheben, als ich hörte, wie Setzuna seine Zimmertür knallte und über den Flur stampfte. Die Wohnungstür wurde geöffnet. Angespannt lag ich da, wartete darauf, irgendeine Stimme zu hören, oder auch nur einen kleinen Anschiss für diese fast noch nächtliche Ruhestörung. Aber ich hörte nichts. Auf einmal wurde meine Zimmertür aufgerissen und ich schaffte es gerade noch, mich auf den Bauch zurollen. Schließlich trug ich nur eine Boxershorts, zwei Nummern zu groß aber dafür sehr bequem. Der ungebeten Gast trat in mein Zimmer ein, schloss die Tür und holte Luft. „Toshi?“ ungläubig guckte ich ihn an. „Bist du die Treppen hochgerannt oder warum keuchst du so?“ Der Große stützte seine Hände auf den Knien ab und rang um Luft. Dann sah er mich an und meinte: „Du musst mitkommen … ins Krankenhaus … Shinya ist dort …“ Was hat er gesagt? Mein Herz stand für einen Moment still und ich stotterte: „Im Krankenhaus? Warum? Was ist mit ihm?“ Schnell sprang ich auf und schlüpfte in meine Hosen, meinen Blick immer noch an Toshi geheftet. Dieser richtete sich langsam auf und meinte: „Ganz ruhig, Kyo. Er ist ohnmächtig geworden und Dai war glücklicherweise bei ihm. Mehr weiß ich auch nicht. Also lass uns hinfahren!“ Sein Blick wurde plötzlich todernst und ich vernahm, wie er meinen Oberkörper musterte. Beschämt drehte ich mich weg und zog mir ein Hemd über. „Kyo, warum hast du es schon wieder gemacht?“ Das hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Toshiya wusste zwar, dass ich einen Drang zur Selbstverletzung hatte, doch er hatte es nie akzeptiert, nur toleriert. „Nicht jetzt Toshi!“ versuchte ich abzulenken und verließ das Zimmer. Die Fahrt ins Krankenhaus war anstrengend. Obwohl es erst um fünf Uhr morgens war, waren die Bahnen schon überfüllt. Überall drängten sich die fremden Körper aneinander, ließen kaum Platz zum Atmen. Toshi stand immer dicht bei mir und ich fühlte mich ein wenig unwohl aufgrund meines schlechten Gewissens. Doch warum hatte ich es überhaupt? Weil mich Toshiya erwischt hatte? Oder weil Shin im Krankenhaus lag und ich wahrscheinlich Schuld war? Oder weil Dai ihm geholfen hatte und nicht ich? Ich gab mir allergrößte Mühe jeglichen Blickkontakt zu meinem Freund zu vermeiden. Doch sein verständnisloser Blick bohrte sich auch von hinten in meinen Kopf. Nach einer halben Stunde Schweigen hielt ich es nicht mehr aus. „Toshiya, es tut mir leid.“ Er beugte sich zu mir runter und sprach leise: „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Du bist alt genug, um zu wissen was du tust.“ Na toll. Genau das wollte ich jetzt hören. Verärgert stopfte ich meine Hände in die Taschen und lies die Sicherheitsgriffe los. Ohne Vorankündigung bremste die Bahn stark und ich verlor das Gleichgewicht. Als ich nach vorn kippte, griff ein Arm um meinen Bauch und zog mich zurück. Toshiya hatte mich aufgefangen, verengte seine Griff und zischte drohend: „Deswegen musst du dich jetzt nicht wie ein trotziges Kind verhalten.“ Vor Wut wurde mein Gesicht knallrot: „Konnte ja keiner ahnen, dass die genau jetzt bremst.“ Ich hörte, wie er leise lachte und sagte: „Du bist schlimmer als ein Kind.“ Na danke! Dieser Tag fängt ja gut an. Erst bricht man jemandem das Herz, dann kommt man nicht einmal zum Schlaf und dann noch solche Spitzen. Wenn das so weitergeht, geb ich mir heute noch die Kugel! Die Bahn hielt und wir stiegen aus. Es war schweinekalt und ich hatte tierischen Hunger. Jetzt noch ungefähr zehn Minuten Laufen und wir sind da. Von hier aus konnte man schon das große Gebäude sehen, wie es weiß und klotzig über den anderen trohnte. Als wenn es unbedingt notwendig wäre, ein Haus mit massenhaft Verletzten und Kranken so in den Mittelpunkt zu rücken. „Über wen fluchst du denn jetzt schon wieder?“ Toshiya schaute mich lächelnd an und ich fragte: „Wie kommst du denn auf so etwas?“ „Naja,“ begann er; „wenn du dich über irgendetwas oder jemanden ärgerst, dann bekommst du diesen Gesichtsausdruck. Diesen zerknautschten, fast schon wütenden.“ Zerknautscht? Ohne darauf einzugehen lief ich weiter. Ich beobachtete meine schwarzen Schuhe, wie sie einer nach dem anderen vor und zurückgingen. Die sollte ich dringest mal wieder putzen … „Ähm … Kyo?“ Toshi war stehen geblieben und schaute auf den Boden. Fragend blieb ich ebenfalls stehen und guckte ihn an: „Was denn?“ Während er sich durch sein braunes Haar strich sprach er vorsichtig: „Shinya hat Dai etwas erzählt...“ Ich guckte ihn immer noch fragend an, wusste nicht, auf was er hinauswollte. Mit einem traurigen Blick fixierte er mich. Als er immer noch nichts sagte, sondern mich nur so dämlich anstarrte zog ich eine Augenbraue nach oben und hakte nach: „Willst du‘s mir jetzt auch erzählen, oder weiter so gucken?“ Ich mochte es nicht, wenn man einen Satz beginnt und ihn dann bei der Hälfte abbrach. So etwas machte mich immer wahnsinnig. Und wenn ich dabei auch noch solchen Blicken ausgesetzt war, die ich noch nicht einmal deuten konnte, dann kotzte mich das erst Recht an. Für solch ein Rätselraten war ich gerade nicht in Stimmung. „Toshi, was is?“ Daraufhin schüttelte er den Kopf und machte eine abweisende Gestik mit der Hand: „Ach vergiss es. Damit kann ich dich später auch noch quälen.“ Er setzte kopfschüttelnd den Weg fort und ich dachte nicht weiter darüber nach. Wenn es wichtig ist, dann wird er‘s mir schon sagen. Allerdings irritierte mich das Wort ‘quälen‘ … KYO, VERDAMMT! Leg nicht jedes Wort deiner Freunde auf die Goldwaage, dafür ist später Zeit … Als wir im Eingangsbereich des Gebäudes waren, erspähte ich einen Automaten mit Snakes. Wie bestellt knurrte in diesem Moment mein Magen, doch nicht etwa in einem dezenten Ton, nein, es musste schon eine anständig auffällige Tonlage sein. Mein Freund sah mich überrascht an: „Willst du vielleicht erst mal was essen?“ Ich winkte ab: „Das mach ich später. In Krankenhäusern kriegt ich nichts runter.“ Wir liefen zum Fahrstuhl und ich wurde langsam nervös. Als wir eingestiegen waren, starrte ich geistesabwesend auf das verzerrte Spiegelbild auf dem Metall. Du schon wieder! „He, mach dir keinen Kopf.“ Toshiya klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. „So schlimm wird’s ihm schon nicht gehen.“ Ihm vielleicht nicht, ich hingegen fühl mich jetzt schon … ja, wie eigentlich? Die Fahrstuhltür öffnete sich, die starrende Fratze verschwand und wir stiegen aus. Toshi zog sein Handy aus der Tasche und schien irgendetwas zu suchen. Dann schaute er auf die Wegweiser über unseren Köpfen, diese typischen Krankenhausmetalltafeln. Mich schauderte es. Ich werde hier nicht länger als nötig bleiben. Dieser Geruch von Desinfektionsmitteln schwebte über alle Gänge und ich rümpfte die Nase. „Ah, da lang!“ Toshiya lächelte triumphierend und zog mich nach rechts, durch die Glastür und dann wieder links. Am Ende des Ganges sahen wir zwei Gestalten auf Stühlen sitzen. „Da sind sie ja.“ meinte Toshi und wir steuerten direkt auf die beiden zu. Je näher wir ihnen kamen, desto mehr fühlte ich mich fehl am Platz. Kaoru stand auf, hielt Toshi einen Becher Kaffee hin. Dieser nahm ihn dankend an ehe er fragte: „Wieso seid ihr nicht bei Shinya?“ Kaoru antwortete: „Der Arzt ist noch drin, müsste aber gleich rauskommen.“ Daisuke sah nicht auf, er war in Gedanken versunken und rührte mit einem kleinen Plastikstäbchen in seinem bereits leeren Becher. Ich lehnte mich an der gegenüberliegenden Wand an, neben dem Fenster. Was mach ich hier? Ich beobachtete meine Freunde, wie sie sich alle um Shinya sorgten und ich bekam das Gefühl nicht los, dass sie mir die Schuld gaben. Dabei sorgte ich mich doch auch um ihn, sogar noch viel mehr, als alle drei zusammen. Aber irgendwie fiel es mir wahnsinnig schwer, diese Sorge auch zu zeigen. Daisuke sah mich an und in seinem Blick war etwas, dass ich vorhin so ähnlich bei Toshiya gesehen hatte. Jetzt sah mich auch Kaoru an, ebenso merkwürdig. Mir wurde auf einmal kotzübel. Sie gaben mir tatsächlich die Schuld! Wahrscheinlich hatte Shinya Dai erzählt, wie ich ihn angeschrieen hatte. Ich presste mich an die Wand und knirschte: „Was seht ihr mich so an? Glaubt ihr, ich hätte das mit Absicht getan?“ Ihre Gesichter wechselten den Ausdruck in Ratlosigkeit und Toshiya fragte vorsichtig: „Kyo, was meinst du?“ „Ach, komm schon! Ich seh doch eure verächtlichen Blicke! Aber es war keine Absicht! Es ist mir nur so rausgerutscht …“ verzweifelt fing ich an, an meinen frischen Wunden zu kratzen. Es zwiebelte und stach in meinen Gliedern. Ich war so aufgebracht, dass ich am liebsten irgendetwas zerschlagen hätte. Toshiya drückte Kaoru den Becher in die Hand, kam auf mich zu und packte mich an den Schultern: „Kyo! He, hör zu! Wovon zum Teufel redest du da?“ Er nahm meine Hand, mit der ich mich gerade noch gekratzt hatte und drückte sie sanft zur Seite. „Tu das nicht.“ Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Der Große sah mich so liebevoll an, als wäre nichts gewesen. „Toshiya … ich wollte ihm nicht weh tun. Aber seine Nähe …“ Meine Stimme verschwand und ich bemerkte Daisuke’s forschenden Blick. „Kyo!“ Toshiya senkte seine Stimme: „Hier macht dir niemand einen Vorwurf. Shinya ist für das was passiert ist, selbst verantwortlich.“ Kaoru kam hinzu und lächelte sanft: „Du bist etwas angespannt. Vielleicht solltest du dich lieber setzten. Ich hole dir was zu trinken.“ Demütig nickte ich. Wahrscheinlich war ich durch den Schlafmangel etwas überempfindlich und bildete mir schon irgendwelche Dinge ein. So folgte ich Kao‘s Anweisung und nahm auf dem Stuhl neben Dai Platz. „Also bis gleich.“ Toshiya begleitete Kaoru. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Es wurde hell und es schien ein schöner Tag zu werden. Die Sonne war kurz vor dem Aufgehen und der Himmel von einem leichten Hellblau überzogen. Dann merkte ich, dass mich Dai beobachtete. Ich drehte ihm mein Gesicht zu und fragte: „War er im Park?“ Er sah mich immer noch an, sagte kein Wort. „Dai?“ Ich kuffte ihm mit dem Ellenbogen leicht in die Seite und er schreckte auf. „Ähm … was?“ Ich konnte mir das Grinsen nicht unterdrücken: „Oh Gott, aus was für einer Welt hab ich dich jetzt gerissen?“ Zögernd strich er sich mit den Händen über seinen Oberschenkel. „Darf ich dich mal was fragen?“ Er hatte seinen Kopf gesenkt und seine Haare verdeckten sein Gesicht. Ich fragte mich, was jetzt wieder kommen würde: „Schieß los!“ Er holte tief Luft: „Du und Shin … was ist das zwischen euch?“ Wie bitte? Die Frage hat er jetzt nicht wirklich gestellt, oder? Vorsichtig tastete ich mich ran: „Was meinst du?“ Jetzt sah er mir in die Augen und sprach deutlich: „Shinya hatte im Park solche Andeutungen gemacht. Und du vorhin auch. Läuft da was?“ Mist! Bisher hatte ich niemandem davon erzählt, aber Shinya und der Alkohol … das musste ja so enden. Eigentlich sollte es unter uns bleiben. Ich suchte nach einer Ausrede, denn ich konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen … das würde er nicht verstehen. Dai, der Frauenheld schlechthin. „Warum stellst du solche komischen Fragen, hältst du mich für schwul oder willst du ihn etwa haben?“ Ich drehte den Spieß einfach um und darauf schien er auch nicht gefasst gewesen zu sein, denn mit einem Schlag wurde er verlegen und seine Wangen färbten sich leicht rot. „Bitte? Nein …“ hilflos fuchtelte er mit den Händen vor seinem Oberkörper rum: „Nein, natürlich nicht!“ „Was jetzt? Dass ich schwul bin, oder dass du ihn willst?“ Langsam begann es mir Spaß zu machen. Die Schlinge, welche er gelegt hatte, befand sich nun um seinen Hals. „Na … beides!“ Er verdrehte die Augen und versuchte gelassen zu bleiben. „Warum fragst du dann so etwas?“ meine Stimmung heiterte auf. „Was denn?“ Daisuke verlor den Überblick. „Na das.“ das Grinsen in meinem Gesicht wurde immer breiter. Dieser Trottel! So kannte ich ihn, außen so hart und doch so schnell aus der Fassung zu bringen. Genervt winkte er ab: „Ach, vergiss es!“ Innerlich jubelte ich. SIEG! Die Tür neben uns wurde geöffnet und ein älterer Mann in einem weißen Kittel und mit Brille stand plötzlich vor uns. Toshiya und Kaoru kamen gerade den Gang entlang geschlürft. Als sie den Arzt sahen, beschleunigten sie ihr Tempo und der Mann wartete freundlicherweise, bis sie herangetreten waren. Er zog sein Klemmbrett hervor und sagte mit tiefer Stimme: „Also, der junge Mann hatte eine Alkoholvergiftung. Die Schwester hat ihm soeben den Magen ausgepumpt. Dabei ist uns etwas aufgefallen.“ Er legte eine Künstlerpause ein und wir starrten alle ungeduldig auf seine Lippen. „Sein Magen war komplett leer. Aber nicht nur das. Seine erhöhte Aktivität der Magensäure weist daraufhin, dass er schon seit Wochen nichts mehr gegessen hat. Können Sie sich das erklären?“ Fragend schaute er in die Runde, dann blieben seine Augen an mir heften. „Warum sehen sie mich so an? Bin ich hier der Arzt?“ zischte ich ihm entgegen. „Kyo!“ Toshi guckte mich ernst an, ehe er sich dem Arzt zuwandte: „Shinya hat im Moment einige Probleme und ist ziemlich im Stress.“ Ich bezweifelte dass diese Erklärung einen Mann vom Fach zufriedenstimmen würde. Und damit hatte ich auch recht. Der Arzt setzte seine Brille ab und hob den Zeigefinger: „Wir haben alle unsere Probleme, doch das ist kein Grund die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Was ich damit sagen möchte ist, dass der Patient an Unterernährung und starkem Untergewicht leidet. Ich möchte Sie bitten, dass sie ihm einen Termin bei einem Pädagogen vorschlagen …“ „Vergessen Sie‘s!“ Oh man, Kyo! Halt doch einfach mal die Klappe! Überrascht sah mich der Mann im weißen Kittel an: „Wie bitte?“ Ich stand auf und sagte, möglichst ruhig: „Shinya wird nicht von uns zu so etwas überredet, es sei denn, er möchte es von sich aus!“ Der Mann klemmte sich sein Brett unter den Arm und antwortete: „Junger Mann, ich sprach nicht von überreden, Sie sollen es ihm lediglich vorschlagen. Es ist durchaus ratsam, dass er sich einem psychologischen Gutachten unterzieht.“ „Woher wollen Sie das wissen?“ dieser Typ stank mir gewaltig. Er legte die Hände auf den Rücken und sagte: „Erstens, weil ich der Arzt bin und zweitens, weil es als Arzt meine Pflicht ist, mich um die Gesunderhaltung der Patienten zu kümmern. Und dieser Mann hat ein Problem und gefährdet seine Gesundheit mit seinem offensichtlichen Fehlverhalten.“ Er machte wieder eine Pause und sah mich einen Moment an. Was er sagte klang logisch, auch wenn es mir nicht passte. „Wie ist seine körperliche Verfassung?“ fragte Kaoru und der Arzt erlöste mich von seinem strafenden Blick: „Gut. Er ist etwas wacklig auf den Beinen und wir würden ihn gern über Nacht bei uns zur Beobachtung behalten, doch er hat vorhin schon geäußert, dass er das nicht möchte.“ „Also können wir ihn wieder mitnehmen?“ gab ich mit gesenktem Kopf von mir. „Ja. Wir dürfen ihn nicht gegen seine Willen hier behalten, dass wissen Sie mit Sicherheit, doch ich rate Ihnen, bis heute Abend zuwarten.“ Ärzte und ihre Ratschläge … „Das ist in Ordnung.“ sagte Toshi: „Wir wollen schließlich nicht, dass er uns gleich wieder umkippt.“ Der Arzt war auf seine Weise zufrieden, wies uns daraufhin, dass wir jetzt in das Zimmer dürften und verabschiedete sich. Dann starrten wir alle vier auf die geschlossene Tür. „Und wer geht jetzt zuerst rein?“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Boah, das ist ja mal ein langes Kapitel geworden XD. Hat es jemandem gefallen, oder irgendwas Nichtgelungenes? Kommis? Kapitel 12: ~Handkuss~ ---------------------- „Also ich würde sagen, wir beide.“ Toshiya griff nach Kyo’s Arm und zog ihn in das Zimmer. Die anderen beiden schauten ihnen etwas verärgert nach, setzten sich dann aber ohne Widerrede auf ihre Plätze zurück. Kaoru musterte etwas ratlos das Getränk, welches er soeben für Kyo geholt hatte, während sich der Rothaarige nervös an den Haarspitzen zupfte: „Meinst du sie haben etwas gemerkt?“ Der Angesprochene sah ihn fragend an: „Was hätten sie denn merken sollen?“ Daisuke lies seine Haare wieder los und versuchte Kaorus Blick möglichst fest zu erwiedern: „Na … das zwischen uns.“ Kaoru schaute schnell weg und murmelte nur: „Da gibt es nichts zu bemerken.“ Jedenfalls wünschte sich Kaoru, dass es da nichts gäbe. Dummerweise war es anders, doch er war sich nicht im Klaren darüber, was er damit anfangen sollte, also verdrängte er es fürs erste. Das Zimmer war klein, ein Einmannzimmer, aber dafür sehr hell. Das Möbilar eher spärlich, außer dem großen weißen Bett, zwei Stühlen und einem kleinen Nachtschrank war nichts zu finden. Kein Fernseher und nicht einmal ein Kleiderschrank. Wahrscheinlich war dies ein typisches Zimmer für Eintagespatienten. Toshiya lief zum Bett, Kyo blieb etwas zögerlich stehen. Er musste diesen Anblick erstmal verarbeiten. Shinya lag mit geschlossenen Augen da, in seiner Armbeuge eine Kanüle, durch die er mit Flüssigkeit versorgt wurde. Er sah schrecklich aus. Blass, entkräftet, zierlich und so zerbrechlich. „Jetzt komm schon ran!“ flüsterte ihm Toshiya zu. Der Kleine schlich näher an das Bett und Toshi schob ihm einen Stuhl hin. Mit einer Handbewegung deutete er daraufhin, dass er sich zu seinem Freund ans Bett setzten sollte. Kyo konnte seinen Blick erneut nicht vom Gesicht des im Bettliegenden wenden, während der andere zum Fenster ging und die Vorhänge zuzog: „Das ist euch vielleicht lieber.“ Nachdem sich Kyo nach etlichen inneren Ringen überwunden hatte, neben dem Bett Platz zunehmen, stierte er Shinyas zierliche Hand an. Er wollte nach ihr greifen, doch er traute sich nicht. Das Gesicht des Blonden war gegen die Decke gerichtet und er schlief tief. Sein gleichmäßiges Atmen war das einzige Geräusch, was man in diesem Moment wahrnahm. Der Große hatte sich ebenfalls einen Stuhl geholt und lies sich dicht neben Kyo nieder. Leise fragte er: „Willst du nicht seine Hand nehmen? Es wird ihn sicherlich beruhigen, wenn er weiß, dass du hier bist.“ Kyo musste erstmal schlucken und kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Die Haut seines Gesichtes hatte dieselbe Farbe angenommen, wie die Wand hinter ihm. Sein Freund stupste ihm aufmunternd gegen den Oberschenkel. Mit leiser Stimme und gesenktem Haupt sprach Kyo: „Du verstehst das nicht … ich trage die Schuld dafür, dass er hier liegt. Ich ganz allein.“ Toshiya legte die Hände übereinander geschlagen auf seine Knie und fragte: „Wie kommst du darauf?“ Doch der Kleine reagierte nicht. In sich zusammengefallen kauerte er regelrecht auf dem Stuhl. Es schmerzte Toshiya seinen Freund so zu sehen und er wusste woran es lag, er wusste es ganz genau. Allerdings war er der Auffassung, dass Kyo endlich darüber sprechen sollte. „Möchtest du mir vielleicht etwas sagen?“ er sprach mit sehr einfühlsamer Stimme. Kyo drückte seine Oberschenkel fest aneinander und spannte seinen Oberkörper an. Seine Augen wanderten noch einmal zu Shinya‘s Gesicht. Nachdenklich flüsterte er vor sich hin: „Ich weiß gar nicht … wo ich da anfangen soll.“ Sein Freund schloss die Augen und gab zur Antwort: „Wir haben alle Zeit der Welt. Du musst nichts überstürzen.“ Er war sich darüber bewusst, dass er Kyo‘s Schwachpunkt erreicht hatte. Würde er ihn jetzt unter Druck setzten oder zu einer Antwort zwingen, würde der Kleine sofort wieder dicht machen. Doch dieses mal musste er reden. Er konnte Kyo‘s Zuneigung zu Shinya bisher nur erahnen. Aber er ahnte ebenso, dass sich Kyo gerade so verantwortlich für diese Situation fühlte, dass er das Schweigen wohlmöglich nicht mehr aushielt und den Drang verspürte sich erklären zu müssen. Dies konnte er nur, indem er endlich mit der Wahrheit herausrücken würde. >Tut mir leid, Kleiner.< Die Atmosphäre war angespannt, elektrisiert und alle Pole schienen sich auf Kyo zu konzentrieren. „Es passierte vor knapp einem Monat …“ Kyo‘s schwache Stimme erfüllte den Raum: „ … Shinya und ich gingen nach der Bandprobe durch den Park. Wir wollten nur Spazieren gehen und reden … auch über … uns beide.“ Er machte eine Pause um tief durchzuatmen. Dass es ihm schwer fiel darüber zu sprechen, konnte Toshi unschwer erkennen. Seine Augen hatte er immer noch geschlossen und lauschte geduldig den traurigen Worten von Kyo. „Weißt du, Shin und ich … wir … waren mal mehr als nur Freunde.“ Ein sanftes Lächeln zog über seine Mundwinkel. „Ich weiß, dass das für dich komisch klingen wird … darum haben wir euch auch nichts gesagt.“ Mit einem ironischen Lächeln sah er zu Toshi auf, welcher in diesem Moment die Augen wieder aufschlug. „Nein, Kyo, klingt es nicht. Mir ist schon früher aufgefallen, dass zwischen euch eine sehr besondere Verbindung bestand. Ich wusste nur nicht, was es war.“ Das Lächeln in Kyo‘s Gesicht wurde freundlicher: „Also verurteilst du mich nicht?“ „Warum sollte ich dich verurteilen? Weil du besondere Gefühle hast?“ Toshi guckte Kyo an, als hätte er ihm so eben erzählt, dass er die Farbe grün besser findet als blau. Ein Seufzen der Erleichterung verlies seinen Körper, doch seine angespannte Haltung behielt er bei. Die Traurigkeit kehrte in sein Gesicht zurück und er hob zitternd eine Hand und legte sie vorsichtig auf die von Shinya. Sie war genauso kalt wie immer. „Also … an diesem Abend,“ setzte Kyo seine schmerzhafte Erzählung fort: „ … gestand ich Shinya, wie nah er mir stand und dass ich ihn für immer bei mir haben wollte. Wir hatten schon körperlichen Kontakt gehabt, doch von einer Beziehung war vorher nie die Rede … wir hatten uns beide nicht getraut.“ Mit der anderen Hand wischte er sich über die Stirn und nahm die Schweißperlen mit fort. „Und dann waren da diese Typen. Ich hielt seine Hand … spürte seine Angst. Sie hatten dumme Sprüche losgelassen und ich war beizeiten auf hundertachtzig. Doch ganz gleich wie sehr ich sie anschnauzte, dadurch fühlten sie sich nur noch mehr angeheizt. Ist auch eigentlich logisch …“ Mit einem sarkastischen Lachen schüttelte er den Kopf: „Hätt ich doch nur mein Maul gehalten … Drei dieser Kerle kamen auf mich zu und einer griff mich am Kragen. Er war so betrunken und mir wurde richtig übel von seiner Fahne. Die anderen beiden nahmen mich jeweils rechts und links am Arm und zerrten mich auf den Rasen. … ich drehte mich noch mal nach Shin um … er lag auf dem Boden und diese Arschlöcher lachten. Egal wie sehr ich mich wehrte, sie hatten einfach mehr Kraft. Zwei legten mich auf den Rücken und drückten meine Schultern nach unten, sodass ich nicht mehr hoch kam. Der Dritte beugte sich über mich … riss mir das Hemd auf und fingerte an mir rum. Ich trat ihm zwischen die Beine und schrie ihn an…“ Langsam begann Kyo am ganzen Körper zu zittern und er krallte sich immer fester an Shinya‘s Hand. Toshiya wollte ihn unterbrechen, aber der Kleine sprach weiter: „ … Daraufhin schlugen sie mir ins Gesicht, bis ich alles ganz verschwommen sah. Einer trat mir in den Magen und ich rollte mich vor Schmerzen auf die Seite … Als ich meine Augen wieder aufbekam, konnte ich Shinya sehen. Sie hatten ihn hinter ein Gebüsch gezerrt und sein Gesicht war dem Rasen zugewandt. Er gab keinen Ton von sich … ich rief seinen Namen, immer wieder. Dann … es ging so schnell … ich konnte gar nichts tun. Sie hatten ein Messer, schnitten an meiner Hose rum … und Shinya. Sein Körper zuckte ständig, sie müssen ihm so weh getan haben. Und er sagte nichts, er lag einfach nur ruhig da!“ Kyo‘s Augen füllten sich mit Tränen und entleerten sich noch im selben Moment, sie rannen wie kleine Bäche über seine Wangen. Toshiya war so entsetzt, dass er gar nicht wusste, wie er reagieren sollte. „Was haben sie euch nur angetan …“ Er hätte nie damit gerechnet, dass es DAS war, was den Kleinen so fertig machte. Von Daisuke hatte er vorhin gehört, dass Shin und ihm so etwas widerfahren ist, aber es war nicht dieses Erlebnis an sich, es war die Schuld, die Kyo sich an allem gab und die ihn so zerstört hatte. „Kyo … du konntest doch nichts dafür!“ „Doch Toshi. Ich habe ihn so krank gemacht. Verstehst du? Und als er später zu mir kam, war er mir plötzlich zu nah … näher als ich es ertragen hatte.“ Zittrig strich er über Shinya‘s Handrücken, versuchte die kalten Hände zu wärmen: „Daraufhin haben wir uns gestritten … ich hatte ihn angeschrieen und letztendlich rausgeworfen.“ Toshiya sah ihn verzweifelt an und dieser erwiderte seinen Blick plötzlich mit einer entsetzlichen Kälte. Trotz der Tränen hatte Kyo einen angsteinflößenden Blick drauf und sein Gesicht zeigte keinerlei Emotionen. „Ich habe ihm das angetan. Hätte ich mich ihm nicht genähert, in welcher Hinsicht auch immer, dann wäre ihm das nie passiert.“ Seine Stimme war wieder klar und deutlich und um einiges kälter als sonst. Es schien, als habe er mit den Tränen alle Gefühle aus seinem Körper gespült. Toshiya erkannte ihn kaum wieder: „Das ist doch blanke Idiotie! Dafür konnte niemand etwas! Hörst du?“ Es war zu spät. Der Kleine hatte wieder dicht gemacht, sich seine raue Schale erneut angelegt. „Lass gut sein, Toshi.“ winkte er ab und blickte wieder auf Shinya. In diesem Moment fühlte Toshiya, wie Kyo‘s Herz von einer Sekunde zur Nächsten erkaltete. Er konnte es förmlich sehen, wie sich der Steinklotz in der Brust des Kleinen bildete und ihn scheinbar nichts mehr erwärmen konnte. Die Minuten vergingen und nichts passierte. Dann beugte sich Kyo langsam zu Shinya‘s Hand hinunter und hauchte einen Kuss auf dessen helle Haut. Der Große beobachtete dies mit einer gewissen Faszination und mit Erstaunen zugleich. Noch nie zuvor hatte er erlebt, wie Kyo einem anderen Menschen körperliche Zuneigung gezeigt hatte. Dieser Anblick brannte sich in sein Hirn. Er strahlte soviel Zärtlichkeit und Fürsorge aus, wie er es noch nie bei einem Handkuss erlebt hatte. Daraufhin stand der Kleine auf und flüsterte zu dem Blonden: „Ich wünsch dir gute Besserung.“ Dann schaute er zu Toshi, lächelte schwach und lief, fast nicht hörbar, zur Tür. Als er sie geöffnet hatte, drehte er sich noch einmal um und warf Toshiya einen vertrauten Blick zu. Dieser war immer noch nicht ganz da, abwesend saß er auf seinem Stuhl und starrte ihn an. Seine Lippen formten sich, doch aus seinem Mund drang kein Ton. Kyo lächelte erneut, dann schloss sich die Tür und es war wieder Totenstille. Auf dem Gang der Station war es nicht mehr ganz so ruhig. Die Schwestern überquerten die Flure, zogen teilweise einen Speisewagen hinter sich her und die Ärzte machten sich auf den Weg für die morgendliche Visite. Das Licht war aus, die Sonne hinter den Häusern hervorgekrochen und alle Spuren der Nacht mit Desinfektionsmittel weggespült. Kaoru und Daisuke saßen wie angewurzelt auf ihren Stühlen und blickten in unterschiedliche Richtungen. Sie waren so sehr in ihren Gedanken vertieft, dass sie Kyo erst bemerkten, als er sich vor sie stellte. „Wie geht es ihm?“ fragte Dai. Kyo schüttelte den Kopf und rieb sich vor Müdigkeit die Augen: „Er schläft noch.“ Dann wand er sich an Kaoru: „Kannst du mich nach Hause fahren?“ Dieser nickte schweigend und stand auf. Während sie losgingen drehte er den Kopf leicht nach hinten und rief zu Dai: „Sag Toshi, dass ich gleich wieder da bin.“ „Hm.“ war die verlegene Antwort von Daisuke. Er schaute nicht auf, starrte vor sich hin und wirkte irgendwie beschämt. Als die beiden im Auto saßen und Kaoru den Parkplatz verlassen hatte, fragte ihn Kyo: „Ist bei euch in der WG alles klar?“ Verwundert wurde er von Kao angesehen: „Wieso? Was soll denn nicht stimmen?“ „Ihr wirkt, als hättet ihr gestritten.“ Mit übertriebener Aufmerksamkeit auf die Straße blickend fragte er: „Wie kommst du denn darauf?“ Nachdenklich legte der Kleine den Kopf schief. „Ich weiß nicht. Vorhin habt ihr den Eindruck gemacht, als wenn ihr euch nicht einmal mehr ansehen könnt.“ Nachdem Kaorus Herzschlag für eine Sekunde ausgesetzt hatte, fasste er sich sehr schnell wieder und setzte ein breites Grienen auf: „Bei uns ist alles klar! Hast du mit Shinya nicht schon genug um die Ohren oder entpuppst du dich zum Workaholic?“ Damit war Kyo überzeugt und winkte naseschnaubend ab: „Nee, danke. Die Nummer überlass ich euch.“ Sie fuhren eine Weile schweigend durch die Stadt, bis Kaoru das Wort wieder an Kyo richtete: „Warum … war Shin eigentlich im Park?“ „Was?“ Überrascht noch einmal mit diesem Thema konfrontiert zu werden, blickte ihn der Kleine aus großen Augen an und sprudelte: „Ich … ich hab kein Ahnung. Vielleicht brauchte er frische Luft, oder wollte sich die Beine vertreten. Was weiß ich denn?“ Zickig machte er eine abweisende Gestik und verschränkte die Arme vor der Brust. Etwas verwundert über diese Reaktion zog Kaoru die Augenbrauen nach oben und meinte beschwichtigend: „Ist ja gut. Das war nur eine Frage.“ „Warum gehen immer alle davon aus, dass ich wüsste wann, wo und mit wem dieser Typ unterwegs ist? Bin ich sein Kindermädchen?“ Kyo war sichtlich angepisst und gab sich auch nicht die geringste Mühe, dies zu verbergen. „He, warum wirst du gleich so wütend?“ versuchte ihn Kao zu beruhigen. „Ach, vergiss es!“ bekam er als Antwort. Kopfschüttelnd kam Kaoru mit seinem Wagen an einer roten Ampel zum Stehen. Er war die Launen von Kyo gewohnt und auch seine Reizbarkeit, doch heute war es doppelt so schwierig mit dem Kleinen nicht aneinander zu geraten. Wenigstens hatte er nicht weiter nach dem momentanen Verhältnis zwischen ihm und Daisuke gefragt. Er hätte auch nicht gewusst, wie man dieses ‘Verhältnis‘ beschreibt ohne dass es Fragen aufwirft. Doch in diesem Moment wollt er sich nicht schon wieder damit beschäftigen, das hatte er vorhin schon. Draußen, auf dem Flur, neben Dai … „Grün!“ riss ihn der genervte Ruf Kyos aus den Gedanken. „Wah!“ Die ersten Autos hinter dem von Kao hatten schon ungeduldig gehupt, bis er es endlich geschafft hatte, sein Gefährt über die Kreuzung zu tangieren. Von der rechten Seite bekam er einen Faustschlag auf den Oberarm, gefolgt von dem Spruch: „Weil ihr heute alle extra anstrengend seid.“ „Bitte?“ fassungslos schaute Kao zu ihm rüber: „WIR sind heute anstrengend? Dann solltest du DICH mal den Rest des Jahres erleben!“ Er musste bei dem trotzigen Anblick seines Freundes lachen, dieser fand das jedoch nicht ganz so lustig. „Leck mich!“ zischte er ihn an und raffte seine Jacke von der Rückbank. Sie waren an Kyos Straße angelangt und Kao brachte den Wagen zum Stehen. „Jetzt werd nicht frech!“ Lächelnd piekste er ihm in die Seite, wusste er doch, dass es Kyo nicht so meinte. „Sehen wir uns heute Abend?“ fragte der kleine Schwarzhaarige, die Autotür schon geöffnet. „Ich denke schon. Toshi will Shinya abholen und dann in der Bar was trinken, Dai und ich sind schon vorher dort, also warten wir auf dich, okay?“ Die Stirn runzelnd hakte Kyo noch mal nach: „Ihr wollt ihm wieder Alkohol geben?“ „Hä? … Quatsch! Shin kriegt O-Saft, die Schnapsdrossel hat erstmal genug für den Rest des Monats.“ Kaoru hatte wieder gute Laune und als er Kyo so grinsend ansah, konnte dieser nicht anders und erwiderte das Lächeln. „Alles klar. Dann komm ich nach.“ Er stieg aus, bedankte sich für das nach Hause fahren und wollte gerade die Tür zuschlagen, als Kao den Zeigefinger hob. „Was‘n noch?“ Kyo war erschöpft und müde, er wünschte sich im Moment nur noch in sein Bett fallen zu können. „Schlaf gut. Heut Abend sieht die Welt bestimmt wieder ganz anders aus.“ Kaorus aufbauende Worte fanden nicht wirklich Anklang. Mit müden Augen und einem mitleidigen Seufzen meinte Kyo: „Den kenn ich schon. Trotzdem danke, Kao.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dazu kann ich jetzt nicht wirklich was sagen. Dieses Kapitel war schwer zu schreiben, die richtigen Worte zu finden und trotzdem nichts aus dem Zusammenhang zureißen. Eigentlich wollte ich es in Kyos Perspektive schreiben, aber dann wären die anderen zu kurz gekommen. Ich hoffe, es ist mir trotzdem gelungen? Kapitel 13: ~Toshiya's kalter Blick~ ------------------------------------ Nachdem Kyo und Kaoru das Krankenhaus verlassen hatten, öffnete sich die Tür zu Shinyas Zimmer erneut. Vorsichtig steckte Daisuke den Kopf in den Raum: „Darf ich reinkommen?“ Toshiya blickte auf und nickte nur. Schleichend trat der Rotschopf an das Bett und musterte Shinya eine Weile, dann sah er Toshi an. „Alles klar?“ Dieser stand auf und ging zum Fenster. Schweigend zog er die Vorhänge ein Stück zur Seite und lugte durch den Spalt hinaus. Ein unauffälliges Kopfschütteln war das einzige, was er an Reaktion hervorbrachte. Dai gesellte sich neben ihn, drehte sich mit dem Rücken zu dem schlafenden Shin und drückte seine Knie an die Heizung um sie zu wärmen. „Wenigstens muss er nicht hier bleiben.“ flüsterte er mit dem Kopf auf Shinya deutend. Toshiya nickte wieder nur, dann sah er ihn an und sprach leise: „Wir müssen ihnen helfen.“ Der Rotschopf kräuselte die Stirn etwas: „Was sollen wir denn machen?“ Der Große richtete seine Augen wieder nach draußen und gab dann von sich: „Herausfinden, wer ihnen das angetan hat.“ Die Augen von Dai schmälerten sich und er sah Toshiya abschätzend an: „Und dann?“ Dieser gab jedoch keine Antwort, erwiderte einfach nur seinen Blick und Dai ahnte, was sein Freund vorhatte. Mit einem Kopfschütteln zeigte er ihm, dass er diesen Gedanken sofort wieder vergessen sollte, doch Toshi fügte hinzu: „Das können wir diesen Typen nicht durchgehen lassen, sonst werden sie es immer wieder tun. Und das willst du doch nicht, oder?“ Diese Frage saß, jedenfalls schlief Dai für einen Moment das Gesicht ein, ehe er brabbelte: „Toshiya, wir sind kein Gericht! Ich glaube nicht, dass das im Sinne von Shin oder Kyo wäre!“ Toshiya lächelte kalt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Glaubst du es war in ihrem Sinne vergewaltigt zu werden?“ Darauf wusste Daisuke keine Antwort. Er senkte den Kopf und strich sich über den Nacken, massierte ihn leicht. Es wirkte wie der Versuch, die angespannte Situation wegmassieren zu können, doch weder diese noch seine Nackenmuskeln wollten sich lockern. Toshiya legte ihm eine Hand auf die Schulter und sprach: „Ich finde raus, wer diese Typen waren und dann mach ich sie kalt.“ Ein Schauer überzog Daisuke Rücken. Die Freundschaft zueinander war Toshiya etwas Heiliges und wenn es jemanden gab, der sich an seinen Freunden vergeht, auf welcher Art und Weise auch immer, dann wurde er unberechenbar. Dies war schon zu Schulzeiten so, gerade wenn es um Kyo ging. Wenn der Kleine damals Probleme mit jemandem hatte, war Toshiya immer zur Stelle und prügelte sich sogar klassenweise, falls es nicht anders ging. Und auch Kaoru und Daisuke hielten immer zu ihnen und räumten nicht gerade selten auch mal die komplette Sporthalle um. Diese Erinnerungen tauchten soeben in Dai’s Kopf auf: „Toshi, das kannst du nicht bringen. Wir sind keine Kinder mehr.“ Auf diesen Satz hin, kassierte er einen dunklen Blick von dem Älteren: „Als wir Kinder waren ist so etwas auch nicht passiert.“ Er deutete mit dem Daumen auf Shinya, seine Stimme erhob sich ein wenig und Dai hob beschwichtigend die Hände. „He, bleib ruhig. Was ist denn los mit dir? Sonst bist du auch nicht so aufbrausend!“ Er verstand den Stimmungswandel seines Freundes nicht so ganz. Dass dieser wütend war, konnte er sehr gut nachvollziehen, ihm ging es schließlich auch so, doch dass Toshi einen Vergeltungsplan ausheckte, missfiel ihm. Der Blick des Großen änderte sich plötzlich, seine Augen wirkten traurig und er strich sich beruhigend mit einer Hand über die linke Brust. „Dai, ich weiß nicht, was du über das Verhältnis von Shinya und Kyo weißt, aber sie standen sich weitaus näher, als wir alle angenommen hatten.“ Abwartend sah er den anderen an, bemerkte, wie dieser heftig schlucken musste. „Was … was genau meinst du damit? Wie … nah denn?“ Er begann mit seinen Fingern unruhig auf der Heizung zu trommeln und blinzelte ihn an. „Naja, sie haben sich scheinbar … geliebt.“ Lächelnd sah er auf Daisuke, der starrte ihn mit leicht geöffnetem Mund an. „Sie … haben sich geliebt? Und … tun sie es immer noch?“ Toshiya nickte wieder, bejahte Daisuke Frage, worauf dieser kurz die Augen schloss und verlegen lachte. „Das freut mich … für die beiden.“ Der andere wuschelte ihm durch die Haare, tätschelte ihn fast und fragte mit schräg gelegtem Kopf: „Verstehst du es jetzt? Diese Typen haben viel mehr kaputt gemacht, als sie es wahrscheinlich selbst glauben. Kyo kann nicht mehr mit Shinya, weil er sich für alles die Schuld gibt. Er ist der Meinung, ohne ihn wäre Shinya so etwas Schreckliches niemals passiert. Allerdings weiß ich, dass er ohne Shinya noch schlechter dran ist, als so schon.“ Der Rotschopf blickte ihn schweigend an, dann stimmte er mit einem tonlosen „Hm.“ zu. „Was sagst du da?“ Erschrocken wirbelten beide herum und wurden verwundert von Shinya angestarrt. Er hatte sich aufgesetzt und gaffte die beiden mit offenem Mund an. „Shinya! Du bist wach?“ Daisuke trat ein paar Schritte näher an das Bett und lächelte ihn aufmunternd an. „Ja, aber vielleicht kannst du noch mal wiederholen, was du eben über Kyo gesagt hast.“ Er schien an Dai vorbeizuschauen, schenkte seine volle Aufmerksamkeit Toshi. Der Blonde sah noch etwas verschlafen aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Mit einem heftigen Ruck zog er sich die Kanüle aus dem Arm und lies sie an dem Schlauch nach unten baumeln. Der am Fensterstehende kratzte sich verlegen am Kopf. Er hatte während der Unterhaltung überhaupt nicht mehr drauf geachtet, dass sie sich im Raum mit Shinya befanden. Dieser wartete immer noch auf eine Antwort und ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Daisuke drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu Toshi um und fragte ihn: „Kyo? Wann haben wir denn über den gesprochen?“ Mit einem künstlichen Lachen zeigte ihm Shinya, dass er sich diese Nummer sparen konnte. „Versucht es erst gar nicht!“ Dann war sein Gesicht wieder todernst und er wiederholte seine Frage: „Wie hast du das gemeint, er gibt sich die Schuld? Ignoriert er mich deshalb? Ist das auch der Grund, warum er jetzt nicht hier ist?“ Seine Stimme klang heißer und man spürte, wie er sich langsam reinsteigerte. „Shinya, reg dich nicht auf.“ erneut versuchte Daisuke jemanden zu beruhigen, drehte sich zu dem Blonden und fügte hinzu: „Außerdem … war er schon da.“ Unsicher sah Shinya von Toshi zu Dai und wieder zurück. Der Ältere nickte zustimmend: „Und was deine anderen Fragen angeht, solltest du ihn vielleicht selbst fragen, sobald du das Krankenhaus wieder verlassen hast.“ „Dann lasst uns gehen!“ bekam er von Shin zu hören, der sogleich die Beine aus dem Bett schwang. Nach seinen Schultern greifend hielt ihn Dai mitten in der Bewegung auf und sagte bestimmt: „Du bleibst hier, bis heute Abend!“ „Aber …“ „Keine Widerrede!“ er drückte den Blonden zurück aufs Bett und packte ihn in seine Decke ein. „Und wehe ich seh dich eher!“ Überrascht schauten ihn die braunen Augen des im Bettliegenden an und Dai’s Herz schlug für einen Moment schneller. Das Blut schoss ihm ins Gesicht und ließ es sich rot färben. Verlegen erhob er sich schnell und drehte sich zu Toshi um. Dieser grinste ihn nur an und schüttelte ansatzweise den Kopf. Dann wand er sich ebenfalls noch mal an Shinya: „Du hast es gehört. Bettruhe bis ich dich abhole, verstanden? Und ich will keine Beschwerden hören!“ Der andere verdrehte die Augen und murmelte: „Jawohl, Papa.“ Zufrieden verabschiedeten sich die beiden und verließen das Zimmer. Auf dem Gang begegnete ihnen noch mal der Arzt und Toshiya lächelte ihn mit einer gespielten Freundlichkeit entgegen. „Pass auf, dass dein Gesicht nicht so entstellt bleibt.“ neckte ihn Dai, während er dem Arzt nur zunickte. Die Vorhalle durchquerend trafen sie auf Kaoru: „Da bist du ja endlich!“ bekam er von Toshiya als Begrüßung. „Sorry, unterwegs gab es einen kleinen Stau. Ist er aufgewacht?“ „Ja, gerade eben. Er wollte gleich mit uns gehen.“ Kaoru schmunzelte: „Bis heut Abend wird er sich wohl noch gedulden müssen. Können wir gleich los? Ich wollt mich zu Hause noch mal aufs Ohr hauen.“ Während des letzten Satzes wanderte sein Blick unauffällig zu Dai, dessen Gesicht erneut einen rötlichen Farbton annahm. „Okay.“ Stimmte ihm der Ältere zu und alle drei machten sich auf den Weg zum Auto. Der Erste, welcher in das Auto schlüpfte, war Daisuke. Er huschte auf die Rückbank hinter Toshiya und hoffte so, die größtmögliche Entfernung zwischen ihn und Kaoru bringen zu können, die in diesem Auto realisierbar war. Verwundert ließ sich Toshi auf den Beifahrersitz nieder und wechselte einen Blick mit Kaoru, der jedoch nur mit den Schultern zuckte und den Motor anwarf. Nach etwa einer viertel Stunde des Schweigens sprach der Beifahrer: „Ich würde euch beide bitten, dass ihr in Zukunft auf der Arbeit die Augen offen haltet. Sobald euch ein paar Typen merkwürdig vorkommen, gebt ihr mir bitte Bescheid, okay?“ Er sah zu Kaoru, der seine Stirn erstmal in Falten legte. Scheinbar verstand er nicht ganz, was Toshiya ihm zu sagen versuchte. Dann hellte sich seine Miene schlagartig auf: „Du willst dir die Typen schnappen?“ „Selbstverständlich.“ Kaoru nickte nachdenklich und meinte: „Aber ich bezweifle, dass solch ein Pack in so einem Restaurant verkehrt.“ Toshiya legte den Kopf nach hinten: „Mag sein, aber eure Bar liegt ziemlich zentral und ist ein guter Anlaufpunkt für Leute, die jemanden suchen, mit dem sie die Nacht verbringen können.“ „He! Das klingt, als würden wir im Puff arbeiten!“ rief Daisuke aufgebracht. Lachend strich sich Toshiya über die Stirn und meinte: „Naja, so hätte ich das jetzt nicht gesagt ... Ihr wisst schon, wie ich das meine.“ „Ach, tun wir das?“ Kaoru lächelte ebenfalls, er sah Toshi’s Bemerkung nicht wirklich als Kritik, mehr als Scherz. Als er einen Blick in den Rückspiegel warf bemerkte er, dass Daisuke dies scheinbar anders sah. Mit einem ernsten Gesicht blickte er aus dem Fenster, dann drehte er den Kopf und sah ihm im Spiegel in die Augen. Hastig schaute Kaoru wieder auf die Straße. Wenn Kyo das jetzt erlebt hätte, wäre es wieder gefundenes Fressen für ihn gewesen. Es war momentan wirklich sehr seltsam in Dai’s Nähe zu sein. Doch es war eindeutig, dass es dem Rotschopf nicht anders ging. Toshi schlug sich plötzlich auf den Oberschenkel und rief: „Kao! Wo willst du hin mit mir? Ich wohne doch hier …“ Sein Zeigefinger zeigte über seine Schulter. In dem Moment trat Kaoru heftig auf die Bremse und legte eine astreine Notfallbremsung hin. Am Sitz von Toshi abgestützt starrte ihn Daisuke fassungslos an und auch Toshi hielt sich an der Armatur fest und starrte in seine Richtung. „Sag mal, willst du uns umbringen?“ Kaoru schnappte nach Luft, sah ihn dann an: „Äh … tut mir leid, ich hab getrieft.“ Wieder war er der Grund für eine Huporgie der anderen Verkehrsteilnehmer. Genervt ließ er das Fenster runter und winkte die anderen Autofahrer vorbei. Als hinter ihm nichts mehr kam, legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr seinen Wagen zurück zur verpassten Einfahrt. Langsam fuhren sie in die Gasse hinein und Toshiya fragte: „Ist alles in Ordnung mit dir? Du scheinst mir etwas zerstreut heute.“ „Alles klar, war nur in Gedanken.“ winkte der Angesprochenen ab. Vor Toshiya’s Grundstück machte er Halt und der Beifahrer stieg aus. „Danke fürs Fahren. Geb dir heute Abend einen aus, als kleines Dankeschön. Macht‘s gut!“ Noch ein schnelles Kopfnicken in die Richtung der Rückbank und Toshiya warf die Tür zu. Kaoru sah ihm nach, wie er das Gartentor öffnete, den Briefkasten leerte und die Haustür aufschloss. „Du kannst dich jetzt wieder vorsetzten.“ sagte er zu Daisuke, ohne ihn dabei anzusehen. Dieser erwiderte nur: „Quatsch, wir sind doch gleich da.“ Eindeutiger konnte er seinem Freund nicht zeigen, dass er seine Ruhe haben wollte. „Wie du meinst.“ entgegnete Kaoru und fuhr weiter. Das Benehmen von Daisuke ärgerte ihn, doch wenn er ehrlich war, passte es ihm ganz gut, dass Dai so auf Abstand ging. Musste er es wenigstens nicht machen. Zu Hause angekommen parkte er den Wagen hinter dem Haus, auf dem kleinen Parkplatz, nur für die Hausbewohner und ihre Fahrzeuge. Er störte sich nicht weiter daran, dass sich Dai die ganze Zeit über verschwiegen und im Hintergrund hielt. Selbst als sie das Haus betraten und die Treppen hinaufstiegen, lief er mit einem guten Abstand von zwei bis drei Metern hinter ihm. In der Wohnung angelangt, zog Kao seine Jacke aus, hing sie auf und blieb an den Türrahmen gelehnt stehen. Wenn Daisuke an ihm vorbei wollte, musste er ihn entweder berühren oder ansprechen und bitten zur Seite zu gehen. Er beobachtete, wie der Rotschopf seinen Mantel aufhing, aus den Schuhen schlüpfte und mit gesenktem Kopf unschlüssig stehen blieb, wie versteinert. Schweigend stierte er auf den Boden und klimperte mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche. „Wenn du es jetzt anfängst zu zählen hol ich dir Zettel und Stift.“ warf Kaoru in die Stille. „ …Was?“ Verwundert wurde er von seinem Mitbewohner angesehen. Kaoru zeigte auf seine Hosentasche und erklärte: „Dein Geld. Oder bist du so nervös?“ „Achso … Ähm, nein.“ Wieder Schweigen. Seufzend stützte sich Kaoru vom Türrahmen ab und kehrte ihm den Rücken: „Ich geh schlafen, bis später.“ Und schon war er in seinem Zimmer verschwunden. Das Bedürfnis über das Geschehen von letzter Nacht zu sprechen war zwar da, zum Großteil, weil er es einfach noch nicht ganz begriffen hatte, doch es war noch nicht so groß, dass er seinen geliebten Schönheitsschlaf dafür hergeben würde. Jedenfalls nicht noch einmal. Nachdenklich blieb Daisuke im Flur stehen, hatte aufgehört mit dem Kleingeld zu spielen und sah in sein verdutztes Spiegelbild an der Wand, über der Garderobe. „Boah, siehst du kacke aus!“ hörte er sich sagen, trat näher an den Spiegel heran und rieb sich die Augen. „Schlafen und zwar sofort!“ befahl er sich selbst und marschierte schnurstracks in die Tür neben Kao‘s. Die Sonne schien in ihrer schönsten Pracht seit Tagen und die beiden Männer zogen in ihren Zimmern die Vorhänge zu und ließen die Rollos runter, um sich in ihrer künstlich geschaffenen Nacht ein bisschen Schlaf holen zu können. Doch auch dieses Mal gab es wieder jemanden, der absolut nicht an Schlaf dachte, Toshiya. Nachdem dieser seine Post durchforstet hatte und neben Rechnungen und Werbung nichts Interessantes gefunden hatte, warf er den kleinen Stapel Papier auf den Küchentisch und machte sich einen Kaffee. Er hatte sich noch etwas Arbeit am Laptop aufgehoben und musste dafür möglichst wach bleiben. Den Computer eingeschalten checkte er seine E-Mails und verschlang nebenbei zwei Sandwichs. Unter den Nachrichten war auch eine seiner Eltern, doch da stand nur das Übliche drin. „Hallo Sohn, wie geht es dir, Vater hat neue Geschäfte mit unseren amerikanischen Freunden abgeschlossen und ich verbringe die meiste Zeit beim lesen, wir denken an dich, wir lieben dich, bla bla …“ Interessant fand Toshi höchstens den Anhang der Nachricht, welches ein Foto von seinen Eltern an irgendeinem See mit Kiefernwäldern im Hintergrund darstellte. Die lächelnden Gesichter der beiden verdeutlichten, wie gut es ihnen ging und dass sie scheinbar glücklich waren. Entspannt lehnte sich Toshi zurück und nippte an seinem Kaffee. „Das sieht nicht nach Arbeit sondern nach Urlaub aus.“ murmelte er grinsend vor sich hin, dann machte er sich daran eine Antwortsmail zu erstellen. Im Anschluss daran kontrollierte er den Kurs der Börse und freute sich über einen weiteren Anstieg der Aktien, die sein Vater besaß. Nachdem der erste Kaffee leer war, machte er sich noch einen und surfte nach Internetforen von homosexuellen Sadisten. Nach etlichen Stunden Registrierungen und Profilbesuchen wurde er sogar fündig und das kalte Lächeln von vorhin kehrte in sein Gesicht zurück. Seine Finger sausten über die Tastatur und die Augen über den Monitor. „Wen haben wir denn da?“ Fragte er sich selbstzufrieden. Wieder von seinem Kaffee nippend, sah er sich die Profilfotos an und verinnerlichte sich einige Gesichter, bei denen er der Meinung war, sie könnten in Frage kommen. Toshiya hatte ein unglaublich gutes Gedächtnis, wenn es darum ging, sich Dinge beim einmaligen Sehen einzuprägen und nach Bedarf immer und überall abzurufen. Ein fotografisches Gedächtnis, würde wohl der Fachmann dazu sagen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ja, Toshis zweites Ich, kalt, unberechenbar und scheinbar skrupellos. Wer hätte das gedacht? XD Kommis? Kritik? Kapitel 14: ~Ohne Rückfahrschein~ --------------------------------- Es war bereits wieder dunkel, als ich das nächste Mal die Augen aufschlug. Wenigstens hatte ich es diesmal bis in mein Bett geschafft. Gähnend streckte ich mich und sah dann verschlafen zum Wecker. Kurz vor neun. Meine Augen hingen einen Moment an den leuchtenden Zahlen, sie waren das Einzige, was den Raum ein wenig erhellte. Das Licht der Straßenlaternen kam durch die runtergelassenen Rollos nicht herein. Schwerfällig richtete ich mich auf, schob die Bettdecke über meine Knie und strich mir über die Schienbeine. Das tat ich gelegentlich um die tiefen Furchen meiner Narben fühlen zu können. Ich weiß nicht warum, doch es fühlte sich nicht fremd an. Es gehörte zu meinem Körper und zu mir. Es klopfte an meiner Zimmertür. „Ja?“ rief ich, während ich meine Beine unauffällig unter die Bettdecke schob. Yuri öffnete die Tür und der Lichtstrahl von draußen kroch über meinen Fußboden, an meinem Bett hinauf bis zur Mitte der Decke. „He. Alles klar?“ Mein Mitbewohner sah mich sacht lächelnd an, trug seine Ausgehkleidung und hatte sich die dunkelblonden Haare geglättet. Wahrscheinlich wollte er schon wieder mit Setzuna um die Häuser ziehen. Ich musste zugeben, dass er gut aussah. „Falls du was essen willst, es steht noch was im Kühlschrank. Is zwar von heute Mittag, aber wir wollten dich nicht wecken.“ Für einen Moment sah er mich nachdenklich an und das Lächeln schien zu verschwinden. „Wir sind dann weg.“ Ich rieb mir über die verschlafenen Augen und strich die Haare nach hinten. „Danke, Yuri.“ antwortete ich ihm tonlos, woraufhin er sich wieder zurückzog und die Tür leise schloss. Der Lichtstrahl verschwand und es war wieder dunkel. Mit meinen Mitbewohnern hatte ich wirklich großes Glück, auch wenn wir nicht unbedingt die besten Freunde waren, verstanden wir uns gut. Wir achteten auf einander, auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, sie würden mich schon halb bemuttern. Vielleicht brauchte ich das auch? Obwohl, wenn ich länger darüber nachdachte, dann eher nicht. Aber es tat manchmal ganz gut, nicht allein zu sein, da reicht auch die pure Anwesenheit in der Wohnung. Es muss noch nicht einmal ein Gespräch sein, doch zu wissen, dass da jemand rumschwirrt ist schon gut. Vorsichtig stieg ich aus dem Bett und hörte, wie die Wohnungstür draußen im Flur geschlossen wurde. Mit etwas wackligen Schritten ging ich zum Schreibtisch und schaltete die kleine Lampe ein. Und erneut glotzte mich dieser Typ aus der Glaswand an, zeigte mir, wie fertig ich aussah. „Du mich auch!“ knurrte ich in die Richtung meines Spiegels und war gerade im Begriff in die Küche zu gehen um mal einen Blick in den Kühlschrank zu werfen, als ich meinen mittlerweile nervtötenden Klingelton hörte. „Wo ist das Scheißteil?“ sprach ich in den Raum und sah mich suchend um. Unter meinem Hemd sah ich das blinkende Licht, bückte mich seufzend und zog mein Handy hervor. Auf dem Display leuchtete Toshiya’s Name auf. „Was ist los?“ nahm ich den unerwarteten Anruf entgegen. „Kyo, kleine Planänderung.“ flötete mir Toshi’s Stimme ins Ohr. „Ich schaff es leider nicht, Shinya abzuholen, mir ist was dazwischen gekommen. Dai und Kao sind auch schon arbeiten, darum bleibt es jetzt wohl an dir hängen.“ Meine Gehirnwindungen ratterten wie die Zahnräder in einem Uhrwerk. „Was? Toshi, aber ich dachte …“ „Tut mir leid, geht nicht anders. Du musst Shinya aus dem Krankenhaus abholen. Bis dann!“ Ich kam gar nicht mehr dazu großartig Widerspruch einzulegen, da zeigte mir das monotone Tuten im Hörer, dass der Ältere aufgelegt hatte. Entsetzt starrte ich auf das Telefon. „Du … Arsch!“ hörte ich mich sagen. War mir irgendwie klar. Verlass dich auf andere und du bist verlassen! Murrend legte ich das Handy auf den Schreibtisch und meine Augen schweiften über ein paar vollgeschriebene Blätter, die verstreut auf der Schreibunterlage lagen. Ich griff ein Blatt und las mir ein paar Zeilen durch. Stimmt, daraus wollte ich einen neuen Songtext machen, doch die Worte und Sätze waren noch so ungeordnet, dass sie nicht wirklich viel Sinn ergaben. Das Blatt segelte auf den Tisch zurück und ich zog mir meine Klamotten wieder an. Na toll, jetzt hatte ich nicht einmal mehr Zeit zum Duschen. Der Wecker zeigte jetzt drei Minuten nach neun, höchste Zeit sich auf den Weg zu machen. Mit knurrendem Magen und noch irgendwie verpeilt verließ ich die Wohnung. Etwa eine halbe Stunde später stand ich rauchend vor dem Krankenhaus und ärgerte mich darüber, dass ich es nicht mehr geschafft hatte, mich ein wenig herzurichten. Meine Haare waren nicht gekämmt, das Gesicht völlig ungeschminkt und ein Deo hätte ich auch vertragen können. Und dann noch dieser dämliche Hunger! Immer wieder sah ich nach hinten, durch die Glastür in die Halle des Krankenhauses und wartete darauf, Shinya zu sehen. Wartete er vielleicht in seinem Zimmer? Wäre natürlich etwas ungünstig, denn ich empfand keine besonders große Lust, dieses Haus noch mal zu betreten. Krankenhäuser konnte ich noch nie ausstehen, sie stanken und überall diese Verletzten, das schreckte mich einfach ab. Ein Grund dafür konnte auch sein, dass ich meine Mutter in einem verloren hatte. Die Ärzte haben damals nicht beachtet, dass sie ein starker Bluter war, also musste sie draufgehen, weil sie zu doof waren ihre Akte zu lesen. „So viel zu den Göttern in weiß.“ hauchte ich in den kalten Abend, zog noch mal an meiner Zigarette und wand mich dann dem großen Blechaschenbecher zu. Während ich den Glimmstängel ausdrückte, schaute ich erneut durch die Glastür und sah, wie Shinya langsam auf mich zuschritt. Im ersten Moment bemerkte er mich gar nicht, weil er den Kopf gesenkt hielt, doch als er den Blick hob und mich sah, blieb er kurz stehen. Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen und meine Hände wurden plötzlich feucht. Er sah mich schweigend an, ich ihn ebenso. Dann huschte ein kleines Lächeln über seine perfekten Lippen und er setzte sich wieder in Bewegung. Neben mir blieb er stehen: „Du? Wo ist Toshi?“ Seine Augen sahen mich forschend an und ich musste Luft holen, ehe ich antworten konnte: „Der kann nicht, also wurde es mir aufgebrummt.“ Meine Stimme war das reinste Geschenkband im Wind und ich schaute zur Seite, damit er meine Unsicherheit nicht zu spüren bekam. „O … okay.“ gab er zögernd von sich und senkte den Blick. Toll Kyo! Das war wieder sehr taktvoll! Meldete sich mein Gewissen, doch ich schob es einfach beiseite. Langsam liefen wir los, gingen die kleine Allee am Straßenrand entlang, welche hinter dem Krankenhaus war. Dieser Weg war eine Abkürzung und wir steuerten schweigend die Bahnstation an. Shinya lief dicht neben mir und gelegentlich streiften sich unsere Ärmel und der Stoff drückte sich leicht auf meine Haut, fast so, als wenn mich Shinya berührt hätte. Unauffällig beobachtete ich ihn aus den Augenwinkeln heraus, als wir an der einsamen Haltestelle auf die Bahn warteten. Trotz der leichten Augenringe sah er einfach so wunder… Die Bahn fuhr ein und kam mit einem ohrenbetäubenden Quietschen vor uns zum Stillstand. „Hast du überhaupt deine Fahrkarte dabei?“ fragte er mich in seinem ruhigen Ton. Seufzend kramte ich in meiner Hosentasche rum und hielt ihm dann das kleine Papierstück unter die Nase. Daraufhin folgte ein Lächeln in dem Gesicht des Blonden und es wirkte so verdammt ehrlich, dass ich es mir am liebsten stundenlang angesehen hätte, doch ich sah nur kurz zu ihm auf. Zu sehr hatte mich seine Frage auf damals gelenkt, als wir gemeinsam unterwegs waren und ich mal keinen gültigen Fahrschein bei mir trug. Wie es das Leben will, wurden wir prompt kontrolliert und durften den Rest des Weges zu Fuß fortsetzten. Diesen Patzer hatte er mir ein Weilchen vorgehalten und damit hatte ich auch jetzt gerechnet, doch er schwieg lächelnd. Stattdessen stieg er in die Bahn und warf nur einen kurzen Blick über die Schulter um festzustellen, dass ich ihm folgte. Auf einem Vierersitz nahmen wir Platz, beide am Fenster und gegenüber von einander. Shinya hatte die Beine elegant übereinander geschlagen, die Hände gefaltet im Schoß und sah geistesabwesend zum Fenster hinaus. Ich beobachtete ihn. Das helle Haar, in dem sich abstrakt das Kunstlicht der Bahn reflektierte. Den langen schwanenähnlichen Hals, auf dem man leicht pulsierende Bewegungen wahrnehmen konnte, wenn man sich nur lang genug darauf konzentrierte. Die vollen Lippen, welche er zeitweise zwischen seine Schneidezähne drückte um darauf rumzukauen und sie dann errötet wieder losließ. Und die dunklen Augen, die leicht zuckten sobald ein Gegenstand näher am Fenster vorbeihuschte und trotzdem nicht an Ausdruck verloren. Und genau diese Augen waren es in denen ich mich früher schon verloren hatte und welche jetzt vom Fenster über die Sitzlehne an meiner Kleidung entlang zu mir hinaufschlichen. Und erneut setzte mein Herzschlag aus, während sich unsere Blicke trafen. Doch dieses Mal gab es keinen Bewegungsmelder, der mich retten würde. Seine Augen drangen immer tiefer in mich ein und ich fühlte mich von einer Sekunde auf die andere seltsam nackt. Ein Gefühl von Scham machte sich in meinem Magen breit, wuchs immer mehr heran und wollte mir anscheinend die Luft nehmen. Shinya öffnete leicht die Lippen, setzte an etwas zu sagen, als eine uniformierte Person neben uns auftauchte und ein „Bitte die Fahrscheine!“ sprach. Verwirrt drehte ich dem Kontrolleur mein Gesicht zu, verstand im ersten Moment nicht ganz, was er wollte. Die Hand von Shinya hob sich neben meinem Kopf empor und hielt dem Mann das gewünschte Papierstück hin. Jetzt klickte es auch bei mir und ich tat es meinem Gegenüber gleich. Nachdem der Uniformierte zufrieden abgezogen war, lehnte ich mich nach hinten und schob meine Karte zurück in die Hosentasche. Dann stützte ich mich am Fensterrahmen ab und stierte desinteressiert nach draußen. Es war nicht viel zu erkennen, die Lichter und Reklameschilder zogen schneller an uns vorbei, als die Augen überhaupt im Stande waren zu folgen. Dies hielt mich allerdings nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Es war schließlich angenehmer für mich, als Shinya dämlich anzustarren und die Welt um mich herum total zu vergessen … oder? War es nicht eigentlich genau das, was ich wollte? Ich meine, normalerweise sagt man doch immer, dass man sich jemanden wünscht in dessen Anwesenheit man den Rest der Welt vergisst und dessen Augen einen fesseln und nicht wieder hergeben … doch, war wirklich DAS damit gemeint? Oder hatte ich da einfach nur mal wieder etwas missverstanden, wie so oft in meinem Leben … „Wir sind da.“ holte mich Shinya’s angenehme Stimme aus meiner Scheintrance zurück, während er schon aufgestanden war und an der Tür auf mich wartete. Schnell sprang ich auf und befand mich kurze Zeit später auf dem altbekannten Kiesweg vor seinem Haus wieder. Es war noch gar nicht so viele Stunden her, als wir hier waren, nur mit dem Unterschied, dass Shinya gekniet hatte und wir uns verheult angesehen hatten. Aber dieses Mal verlor Shinya keine Zeit mit der Frage, ob ich vielleicht mit hochkommen wollte. Er schloss die Haustür einfach auf und stützte sich mit einem Arm dagegen, darauf wartend, dass ich folge und dass tat ich auch. Ich dachte nicht weiter darüber nach, oder mir gingen gerade so viele Dinge durch den Kopf, dass diesbezügliche Gedanken einfach in den anderen untergegangen waren. Auf jeden Fall stand ich circa zwei Minuten danach in Shinya’s Flur. Zu spät, jetzt gab’s kein Zurück mehr und die Wohnungstür wurde soeben hinter mir geschlossen. Ich beobachtete meinen Freund, wie er flink aus seinen Schuhen stieg und den Mantel über seine schmalen Schultern fallen ließ um ihn aufzuhängen. Darunter trug er noch die Kleidung vom vorherigen Abend, den viel zu groß erscheinenden Pullover und die schwarzen enganliegenden Hosen. Darin sahen seine Beine noch länger aus, als sie es ohnehin schon waren. „Möchtest du etwas trinken?“ fragte er mich, während er in die Küche ging. Ich dachte kurz nach, hing meine Jacke neben seinen Mantel und blieb dann im Türrahmen stehen. „Nein, danke … was zu essen wäre mir lieber.“ Shinya wollte gerade den Wasserkocher anstellen, als er sich langsam umdrehte und ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht zu sehen war. „Okay, du weißt ja wo alles ist.“ Dann lief er quer durch die Küche, steuerte eine weitere Tür an, welche zu seinem Schlafzimmer führte und verschwand für zwei Sekunden. Ich hörte das leise Türschlagen seines Kleiderschrankes und atmete erleichtert auf … meine Gedanken überschlugen sich gerade etwas und es brachte mich ein wenig aus der Fassung, ihn in sein Schlafzimmer gehen zu sehen. Alter, reiß dich zusammen! Mürrisch schüttelte ich den Kopf als ich auch schon wieder Shinya’s Schritte hörte und dann stand er vor mir. Zögernd hob ich meinen Kopf und sah ihn möglichst kalt an, doch ich hatte das Gefühl, dass mein Gesicht Bände sprechen würde, egal wie sehr ich versuchte mich zu verstellen. „Ich bin duschen.“ meinte er leise und huschte an mir vorbei, einen kleinen Stapel frischer Kleidung im Arm haltend. Im nächsten Moment stand ich allein in der kleinen aber doch sehr sauberen Küche von Shinya. So nach und nach wirkten all die Dinge auf mich ein, die mich in dieser Wohnung immer umgaben. Es roch gut und es war recht hell und ordentlich. Ich mochte diese Wohnung und ich fühlte mich immer wohl hier, doch die Angespanntheit wollte einfach nicht aus meinem Körper verschwinden. Das Geräusch der Duschbrause drang an mein Ohr, auch dieser Klang war mir vertraut. In der Hoffnung mich mit Nikotin entspannen zu können, ging ich zu meiner Jacke an der Garderobe und holte meine Zigarettenschachtel aus der Tasche. Dann kam ich in die Küche zurück und ging zum Fenster um es anzukippen. Ein eisiger Luftzug fuhr herein und streichelte mir kühl übers Gesicht. War es vorhin auch schon so kalt draußen gewesen? Ist mir gar nicht aufgefallen. Nachdem ich die Kippe angezündet und die ersten Züge getätigt hatte, lockerte ich mich wirklich etwas. Shinya mochte es nicht, wenn in seiner Wohnung geraucht wurde, das wusste ich, daher gab ich mir auch viel Mühe, den Rauch und die Zigarette möglichst nah am offenen Fensterspalt zu lassen. Ehe er fertig mit Duschen ist habe ich mindestens drei Kippen geraucht, also wird er es schon nicht mitkriegen. Blöderweise fiel mir gerade ein, dass ich keinen Aschenbecher hatte. Leicht nervös sah ich mich um, griff dann nach einer Untertasse, die in der Spüle stand, und aschte darauf. Den kleinen Teller stellte ich vor mich auf das schmale Fensterbrett und blickte nach draußen. Was mach ich eigentlich hier? Die Zigarette glimmte erneut vor meinem Gesicht auf. Draußen war es schon seit Stunden stockdunkel und ich sah mein verzerrtes Spiegelbild auf der geputzten Scheibe. Nicht schon wieder du! Der vorwurfsvolle Blick des anderen ärgerte mich. „Ich weiß, ich sollte nicht hier sein!“ zischte ich gegen das Fenster und zog noch mal am Nikotin. Ja … eigentlich sollte ich wirklich nicht hier sein, das hatte ich einfach nicht verdient, nachdem ich ihn so schlecht behandelt hatte. Mit geschlossenen Augen stieß ich den Rauch aus und nahm die frische Luft von draußen wahr. Trotz ihrer Kälte war sie angenehm und klar. Doch die Hoffnung, dass genau diese Luft ein wenig Klarheit in meinen Verstand bringen würde, erlosch langsam. Als ich die Augen wieder öffnete und auf die Scheibe sah, bekam ich einen riesen Schreck. Ich hatte nicht gehört, wie das Rauschen der Duschbrause im Bad aufgehört hatte und ich hatte auch keine Türen öffnen gehört, doch plötzlich stand er in der Küche und ich sah sein Spiegelbild im Glas. Hektisch drückte ich die Kippe auf der Untertasse aus, wedelte mit der Hand die restlichen Rauchschwaden in die klare Nachtluft hinaus und schloss das Fenster. Mit gesenktem Haupt drehte ich mich zu Shinya um und sah ihn reumütig an. FUCK! Schoss es in mein Hirn. Relativ gelassen kam er näher. Erst jetzt fiel mir auf, dass der andere keine Oberbekleidung trug und das war eigentlich sehr untypisch für ihn, da er sich sonst eher bedeckt hielt. Shinya’s Haare lagen nass und strähnig auf seinen Schultern und kleine Wasserperlen tropften von den Haarspitzen. Die Perlen liefen langsam über das leicht hervorstehende Schlüsselbein und über die flache Brust. Sie hinterließen feuchte Spuren auf der weißen Haut, dadurch glänzte sie stellenweise geradezu anmutig und ich hatte arg zu kämpfen, meine Augen wieder auf sein Gesicht zu richten. Sein Blick ruhte einen Atemzug auf mir, bevor ich seine Stimme hörte: „Warum rauchst du in meiner Wohnung? Du weißt, dass ich das nicht mag.“ Demütig schaute ich auf den Boden und wünschte mir gerade in ihm versinken zu können während ich eine Entschuldigung murmelte: „Ich dachte, du brauchst vielleicht länger … und…“ „Und ich würde es nicht mitbekommen, oder wie?“ unterbrach mich Shinya und in seiner Stimme klang etwas Gekränktheit mit. Seufzend lehnte ich mich am Fensterbrett an und sagte: „Es tut mir leid.“ Einen weiteren Atemzug herrschte Stille bevor Shinya sie durchbrach: „Nein, Kyo, tut es dir nicht.“ Dieser Satz ließ mich meine Stirn runzeln und ich schaute auf: „Doch tut es, sonst würde ich es nicht sagen.“ Jetzt sahen wir uns wieder schweigend an, doch seine Augen wirkten nicht ganz so ruhig, wie in der Bahn, sie waren unruhig und mit einem leichten Funkeln unterlegt. Dieser Blick gefiel mir nicht und es gefiel mir noch viel weniger, dass er mir nicht glaubte. „Steck dir dein Misstrauen sonst wohin!“ rutschte es mir flüsternd über die Lippen. Sein entgleister Gesichtsausdruck zeigte mir, was ich da gerade gesagt hatte. „Wie war das?“ fragte Shinya mit hochgezogenen Augenbrauen. Plötzlich war die Spannung zwischen uns, die so schon kaum zu ertragen war, wie unter Strom gelegt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Tut mir leid, dass ihr so lange auf dieses Kapitel warten musstet. Und danke für eure Geduld ^^. Kapitel 15: Offenbarung ----------------------- „Ach vergiss es!“ wehrte ich mit einer flüchtigen Handbewegung ab, drehte mich zum Fensterbrett und nahm den kleinen Teller um mit ihm zum Mülleimer zu gehen. Nachdem ich den Teller geleert und in der Spüle abgewaschen hatte, blickte ich auf. Shinya stand immer noch da mit seinen Augen auf mein Gesicht gerichtet. „Warum … warum machst du das?“ Jetzt war ich derjenige, welcher die Augenbrauen in die Höhe hob und ihn verdutzt ansah. „Ey, ich hab doch gesagt, dass es mir leid tut!“ Ich konnte nicht so wirklich viel mit seiner Frage anfangen und so langsam beschlich mich das Gefühl, dass es bei ihr auch nicht um das Rauchen ging. „Das meine ich nicht.“ sagte er leise. Hm … war mir klar. „Was dann?“ war meine genervte Reaktion. Ich hatte den Eindruck, als wenn es in den dunklen Augen von Shinya gezuckt hätte, doch ich war mir nicht sicher. Er trat einen Schritt auf mich zu und ich wich unbewusst zwei Schritte zurück. Mit einem Seufzen blieb Shinya stehen, senkte den Blick und schüttelte andeutungsweise den Kopf. Seine schlanken Finger legten sich auf seine Stirn und er rieb sich über die Schläfen, bevor er mich wieder ansah. „Genau das meine ich.“ sprach er mit einem sanften Ton und deutete mit einem Kopfnicken auf meine Füße. Irritiert folgte ich seinem Blick und starrte auf meine Socken. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht den Ansatz einer Ahnung, was er mir sagen wollte. Fragend hob ich meinen Blick und spitzte die Lippen. „Red Klartext!“ forderte ich ihn dann etwas ungehalten auf. Dass ich Ratespielchen nicht mochte, wusste er, doch scheinbar fand er es sehr amüsant mich gelegentlich an der Nase herumzuführen. In mir kam die Frage auf, ob ich sein Unterhaltungsprogramm für den heutigen Abend darstellte. ‚Dümmer geht’s immer mit Kyo in Erstbesetzung‘ sah ich die Überschrift schon vor mir. Doch mein Gegenüber zeigte absolut keine Anzeichen von Schadenfreude oder Belustigung. Mit versteinerter Miene musterte er mich. Mir muss wohl entgangen sein, dass er das Maskenprinzip so schnell erlernt hatte also legte ich den Kopf schief, um ihn mein Anliegen näher zubringen und auf eine Antwort zu hoffen. Schweigen. Als hätte jemand die Zeit gestoppt standen wir uns bewegungslos gegenüber. Atmete Shinya überhaupt noch? Doch da kam schon wieder ein Lebenszeichen von ihm, das Lippenkauen und vergessen war die Maske. „Ich hatte im Krankenhaus Gelegenheit nachzudenken.“ sagte er. Aufmerksam erwiederte ich seinen ernsten Blick, auch wenn es mir schwer fiel ihm standzuhalten ohne zusammenzubrechen. „Ja, und?“ drängte ich ihn fortzufahren, denn es war mehr als offensichtlich, dass das nicht das Eigentliche war, was er mir mitteilen wollte. „Auch über uns, Kyo.“ schoss es aus ihm heraus und vor mir spielte sich sofort ein kleiner Film in Zeitraffer ab, doch er wurde flugs unterbrochen. „Du weißt, was ich für dich empfinde. Ich hab in den letzten Wochen an nichts anderes mehr gedacht, als an dich.“ Seine Worte kreisten um mich und mit einem Mal war mir wieder kotzübel. In meinem Mund trat das bekannte Gefühl von Trockenheit auf, während der Klos im Hals zurückkehrte und immer weiter wuchs, bis ich heftig schluckte. Ich starrte ihn an und begann mit meinen Fingern nervös an meinem Hosenbund zu zupfen. Oh Gott, wenn er wüsste, wie sehr ich an ihn gedacht hatte, jeden Tag, jede Stunde und jede Minute … doch ich ließ es nicht zu, ich wollte es ganz einfach nicht zulassen. „Kyo …“ rief mich seine zarte Stimme und er kam wieder näher. Shinya bewegte sich langsam auf mich zu und ich sah verbissen auf die Spüle und den abgewaschenen Teller. Komm nicht näher! Bitte nicht … „Du hast doch Dai.“ presste ich heraus, wollte es nach einem Vorwurf klingen lassen, doch mir versagte meine Stimme und so klang es nach einer erbärmlichen Aufforderung, dies zu bestreiten. ‚Sag mir, dass es nicht so ist!‘ wollte ich hinzufügen. Ein verächtliches Schnauben von Shinya veranlasste mich ihn fragend anzusehen. Verdammt, er stand nur noch einen Schritt von mir entfernt und ich konnte die Körperwärme von seinem nackten Oberkörper förmlich spüren! Seine Augen drangen erneut tief in mich ein und verursachten einen Schwindelanfall. Wie gern hätte ich mich fallen gelassen, wäre einfach in mich zusammengeknickt, wie ein Kartenhaus, und auf dem kühlen Küchenboden liegen geblieben. Seine schönen Lippen öffneten sich und er sagte lächelnd: „Ich mag Dai und er war da, als du es nicht warst. Er hat mich aufgebaut, Zeit mit mir verbracht …“ „Sprich weiter und ich kotze!“ knurrte ich ihn unerwartet an. Da war wieder dieses stechende Gefühl, welches immer auftrat, wenn ich an ihn und Daisuke dachte. Meine wiederkehrende Reaktion von Unzugänglichkeit wischte das sanfte Lächeln aus dem Gesicht des anderen. „Hör auf so mit mir zu reden.“ sagte er ruhig aber bestimmt. Verunsichert grinste ich, versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich wusste zu weit gegangen zu sein. „Was hast du denn, Shinya? Wenn du Dai willst, dann nimm ihn dir doch! Ich wette, er kann es kaum noch erwarten und hat schon ganz feuchte Träume von dir.“ Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus, noch bevor ich über sie nachdenken konnte hatte ich mir mit ihnen Luft gemacht. Lachend sah ich ihn an, merkte nicht einmal, dass mit dem gekünstelten Lachen die reine Verzweiflung aus mir sprach. Mit traurigen Augen blickte mich Shinya an und ich hätte am liebsten laut angefangen zu schreien, doch meine große Klappe wusste dies zu verhindern. „Sieh mich nicht so an!“ rief ich in einem lauteren Ton und ballte die Hände zu Fäusten: „Bei ihm zieht diese Hündchennummer vielleicht aber nicht bei mir!“ Mein Herz begann zu rasen und so nach und nach stieg mir das Blut in den Kopf und drückte pulsierend alle Feinfühligkeiten beiseite. Ich hatte ihn satt, ich hatte diesen scheiß traurigen Blick so dermaßen satt! Shinya‘s Gesicht wechselte den Ausdruck und es blitzte wieder in seinen Augen auf: „Du bist doch eifersüchtig, so wie gestern Abend bei Toshi. Nicht wahr?“ Mir schlief regelrecht das Gesicht ein, als ich ihn diese Worte mit einem vollkommen unschuldigen Ton sagen hörte. Und dann umspielten seine Lippen ein Lächeln, welches nicht wirklich freundlich sondern vielmehr ironisch, stolz und vielleicht auch etwas arrogant aussah. „Sag das noch mal!“ zischte ich ihn an, nachdem ich mich wieder gefangen hatte. „Du weißt genau, was ich meine.“ gab er mir in einem schärferen Ton zur Antwort und mir verschlug es die Sprache. Er hatte mich durchschaut, wie immer. Für Shinya war ich ein offenes Buch in dem er nicht einmal mehr zu lesen brauchte, da er den Inhalt schon auswendig kannte. Betroffen senkte ich meinen Kopf und stierte auf den Abstand von grade mal einem Meter zwischen uns. „Warum gibst du es denn nicht einfach zu, Kyo? Warum musst du alles so kompliziert machen? Warum kannst du mir nicht sagen, was du eigentlich fühlst?“ Shinya‘s Stimme war wieder sanft und ich spürte, wie ein Gefühl von Hilflosigkeit in mir aufstieg. Zögernd schüttelte ich den Kopf und die schwarzen Haarsträhnen glitten über meine Stirn und juckten unangenehm. Ich schloss die Augen und rieb mir über das Gesicht, während ich tief durchatmete. „Du kennst die Antworten.“ flüsterte ich ihm zu. Auch Shinya holte tief Luft und sprach: „Ich kenne nur die Antworten, die du mir bisher gegeben hast, aber nicht die, die wirklich wahr sind.“ Stirnrunzelnd hob ich meinen Kopf: „Wie … wie kommst du darauf, das sie nicht wahr sind?“ Seine Gesichtszüge waren merklich weicher geworden und seine Augen wieder einfühlsam. „Du erträgst meine Nähe nicht, weil du dich schuldig fühlst.“ Ich hoffte mich verhört zu haben, doch ich wusste, dass er es wirklich gesagt hatte. Woher wusste er das? Plötzlich kam ich mir wie ein schutzloses Tier vor, das seiner größten Angst gegenüber steht und nicht mehr fähig ist, zu handeln. Meine restlichen Mauerruinen wurden soeben fortgerissen und zurückblieb das wehrlose Innere, mein wehrloses Herz. Seit wann wusste er es? Der gestrige Abend ging mir durch den Kopf und eine Szene brachte sich besonders deutlich hervor: der Kuss vor Shinyas Haus. Meine Hand strich über mein Gesicht und die Fingerspitzen verweilten auf meinen Lippen. All meine Bemühungen, Shinya möglichst kalt gegenüber zutreten um so die schmerzhaften Gefühle zu verdrängen, waren zerstört. Ich spürte keinen Boden mehr unter meinen Füßen, keine Kleidung mehr auf meiner Haut. Vor meinen Augen wurde alles unscharf und ich nahm die Einrichtung der Küche kaum noch war. Die Konturen verschwammen zu einem ebenmäßigen Brei und mir wurde unerträglich heiß. Kalte Finger fuhren über meine Wangen und als sie sich zurückzogen, waren sie feucht. Eine Gänsehaut überlief meinen Rücken und holte mich langsam zurück. Jetzt fiel mir auf, dass es nicht meine Finger waren, es waren die von dem jungen Mann, der plötzlich noch näher vor mir stand. Ich verfolgte, wie die schlanken Knöchel sich immer weiter von meinem Gesicht entfernten um anschließend über Shinyas Mund zufahren. Er leckte sich das Salz von den Lippen, mein Salz, das meiner Tränen. „Du trägst keine Schuld.“ hauchte mir Shin entgegen und ich konnte seinen Atem in meinem Gesicht fühlen. Schweigend sah ich ihn an, nur meine leicht bebenden Lippen sprachen und Shinya verstand sie auch ohne Worte. Meine Kehle war vertrocknet und so sehr ich mich auch anstrengte, ich bekam keinen Ton heraus, außer dieses kleine Schluchzen, welches sogleich den ganzen Raum auszufüllen schien. Hilflos sah ich zu dem Blonden auf und zuckte mit den Augen, als er mir zärtlich über die Wangen strich und sich wieder Feuchtigkeit auf ihnen ausbreitete. „Ich … wollte dich doch nur beschützen.“ sagte ich fast schon heißer: „ … doch ich hab versagt.“ Alles um mich herum hatte den Anschein zu brechen, mich inbegriffen. Alles, … außer diesem wunderschönen Gesicht mit diesen traumhaften Augen in denen es glitzerte, als würden kleine Sterne in ihnen tanzen. Sie funkelten direkt in meine Seele. „Nein, Kyo, du hast nicht versagt. Du nicht.“ Shinya‘s Hände strichen durch mein Haar und es fühlte sich vertraut und seltsam schön an. „Beschütz mich jetzt.“ flüsterte er auf meine Stirn und in meinem Magen drehte sich alles. Daraufhin spürte ich die kühle Haut von Shinya‘s Brust auf meinem Gesicht und seine schlanken Arme, die mich an ihn drückten. Mit einem tiefen Seufzer gab ich der Umarmung nach und schloss die Augen. Ohne es bemerkt zu haben, hatte auch ich meine Arme um seine schlanken Körper gelegt. Tiefatmend nahm ich den süßlichen Duft seiner weichen Haut in mich auf und schmeckte sie auf meinen Lippen, die fest auf seiner Brust lagen. Die etwas kühlere Haut von Shinya wirkte beruhigend und entspannend auf mein erhitztes Gesicht. Zögernd strich ich mit meinen Händen über Shinyas Rücken. Ich spürte jeden Zentimeter dieser weichen Haut, welche glatt wie Elfenbein war, jeden noch so kleinen Muskel, welcher sich fest unter dem Gewebe spannte und die kleinen Wirbel der geschwungenen Wirbelsäule, welche stellenweise hervortraten. Shinyas lange Finger gruben sich in mein Haar und strichen mir zärtlich über den Nacken. Erneut wurde mein Körper von einer Gänsehaut überzogen und jedes noch so kleine Härchen stellte sich auf. Von ihm im Arm gehalten zu werden und ihn wieder zu umarmen war ein so bekanntest Gefühl, dass es nicht eine Spur von Fremdheit in mir weckte. Doch es änderte nichts daran, dass ich mich dieser Zärtlichkeit nicht wert fühlte. Ich hatte es nicht verdient. Sein regelmäßiger Atem strich über meinen Hals und ich konnte ihn nah an meinem Ohr hören. Mir fiel auf, dass Shinyas Herz ungewöhnlich schnell schlug. War er so aufgeregt? Brachte ich ihn so aus der Fassung? Oder fühlte er sich gar unwohl? Langsam löste ich meine Hände von seinem Rücken und wollte mich aus seiner Umklammerung schieben, als er seine Arme anspannte und mir zu verstehen gab, dass er mich nicht loslassen würde. „Wäre ich damals nicht bei dir gewesen, dann wäre es nicht passiert.“ wisperte ich gegen seine Brust und hielt meine Luft an. Es herrschte einen Augenblick Stille und sein Körper war angespannt, ebenso meiner. Ruckartig griff er nach meinen Schultern und riss mich von sich, doch noch ehe ich darauf reagieren konnte, spürte ich die kalte Wand an meinem Rücken. Er drückte mich an das unnachgiebige Mauerwerk und ich sah ihn erschrocken an, doch auch dieses mal kam ich nicht dazu etwas zu sagen. Sein Gesicht tauchte nur einen Atemzug von mir entfernt auf und ich konnte jede seiner langen Wimpern zählen, wenn ich gewollt hätte. Die braunen Augen schlossen mich ein und ich versank wieder in ihnen. „Kyo.“ Aus diesen wohlgeformten Lippen hörte sich mein Name wunderschön an und in meinem Bauch begannen es heftig zu kribbeln. „Du kannst nichts dafür, hörst du? Außerdem …“ er schwieg einen Moment und presste dabei die Lippen fest aufeinander: „ … bist du selbst ein Opfer. Wir können beide nichts dafür. So etwas passiert jeden Tag und so vielen Menschen auf der Welt.“ Flüssigkeit stieg in Shinyas Augen an und rann zu einem schmalen See, welchen die unteren Wimpern kaum noch zurückhalten konnten. „Shin, nicht!“ hörte ich meine flehende Stimme die von dieser Traurigkeit geschluckt wurde. Ich wollte es nicht hören, wollte nicht, dass er darüber sprach. Ich wollte nicht diese Bitterkeit in seinem Antlitz lesen, ihn nicht so schwach sehen. Aber eigentlich war es meine eigene Schwäche, die sich in ihm spiegelte, doch ich war nicht bereit sie zu zeigen. Bis zu diesem Moment. Das Glitzern in seinen Augen wurde immer mehr, dann entwich es und zog seine Bahn über die Wangenknochen. Die silbrig glänzenden Glaskörper liefen über seine Wangen, an den Mundwinkeln vorbei und hielten sich für ein paar Sekunden an seinem schmalen Kinn. Dann entzogen sie sich meinem Blickfeld, fielen einfach hinab, wie die Kirschblüten von den Ästen der Bäume im Park. In meinem Kopf hörte ich ein leises Klirren, als wenn mein Herz einen Sprung bekommen hätte und im nächsten Augenblick fühlte es sich an, als wenn sich die kleinen Glassplitter durch meinen Körper bohrten. Doch war es wirklich mein Herz? Es hätte genauso gut das von Shinya sein können. Ein Beben durchzog seine Brust und sie senkte sich schnell und ruckartig bevor sie sich wieder erhob. Doch er wand den Kopf nicht ab. Vorsichtig hob ich meine Finger und berührte die nassen Rinnsäle, verwischte sie leicht auf der Oberfläche. „Ich brauche dich, Kyo.“ sagte er und wieder hatte ich den Eindruck jeden Moment in mich zusammen zufallen. Shinya ging es nicht anders, es war also nur noch eine Frage der Zeit bis einer von uns wegklappte. „Ich brauche dich auch, Shin. Ich brauche dich mehr als alles andere.“ Ich hatte den Sprung über meinen Schatten gewagt und es ausgesprochen. Mein Magen verkrampfte sich, während mein Herz seine Leistung ankurbelte und mir regelrecht aus der Brust zu brechen schien. Shinya schloss die Augen und ich hörte ihn tief durchatmen mit einem schwachen Lächeln um die Mundwinkel. Und wie ich ihn brauchte, mehr als mein eigenes Leben. Shinya war mein Leben. Doch würde ich es ihm so sagen können? Vielleicht verstand er es auch so … Die feuchten Hautstellen auf meinen Lippen schmeckten salzig, als ich sie über sein Gesicht gleiten ließ. Plötzlich kam mir seine Haut gar nicht mehr so kühl vor. Sie musste sich von einer Sekunde auf die andere um einiges erhitzt haben. „Hör auf zu heulen.“ flüsterte ich Shinya gegen die Wange und er seufzte erleichtert. Dabei strich sein warmer Atem über meinen Hals und ich zuckte kurz zusammen. Normalerweise wäre ich zurückgewichen, doch die Tatsache, dass ich fest an eine Wand gedrückt stand, begrenze meine Handlungsfähigkeit. Mein Herzschlag stockte und ich schloss die Augen um mich wieder zu fangen, doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Die Wärme wurde immer intensiver und die ersten blonden Haarsträhnen des nun mittlerweile angetrockneten Haupts von Shinya streichelten über mein Gesicht. Dann spürte ich die weichen vollen Lippen des Größeren auf meinem Hals. Sie legten sich wie ein schützender mütterlicher Kuss auf meine Haut, doch es war keineswegs mütterlich gemeint. Ich verfiel in eine Art Starre und musterte unschlüssig das blonde Haar vor meinem Gesicht. Sein Kuss durchfuhr mich wie ein Stromschlag und mir versagte jegliche Regung meines Körpers. Shinyas Lippen lösten sich von meiner Haut um sich einige Zentimeter näher an meinem Gesicht wieder niederzulassen. Vor meinem inneren Auge tauchten erneut Bilder auf, Bilder von früher … Bilder der Zuneigung und Zärtlichkeit, Dinge mit denen ich nicht oft etwas anzufangen wusste. Shinya hingegen wusste es und lehrte mich diese Dinge. Er war der einzige Mensch in meinem Leben, den ich oft an mich heran ließ, ob nun physisch oder mental. Bei ihm fühlte ich mich geborgen und aufgehoben. Er hat mir niemals weh getan … ihm Gegensatz zu mir. Es gab so viele Tage an denen ich ihn verletzte, demütigte und für Dinge verantwortlich machte um selbst nicht die Verantwortung tragen zu müssen. Doch nie verlangte er eine Entschuldigung und nie kehrte er mir für mein kränkendes Verhalten den Rücken. Dafür war ich ihm dankbar und bin es auch heute noch… Seine Hände lockerten den festen Griff auf meine Schultern und fuhren über meine Oberarme und den Ellenbogen, bis sie an meiner Hüfte angelangt waren und sich unter mein Hemd schoben. Erneut zuckte ich zusammen. Die Wärme seiner Hände jagte mir den nächsten Schauer über den Rücken und ich spürte jeden seiner schmalen Finger auf mir. Sein Atem ging in ein gesteigertes Seufzen über und meine Härchen stellten sich auf, als er mir ins Ohr hauchte: „Ich habe dich vermisst, Kyo. Auch wenn dir Körperlichkeiten nicht wichtig sind, ich habe mich sehr oft nach dir verzehrt.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ *erröt* Da wird doch wohl nix Unanständiges passieren? XD In diesem Kapitel hab ich richtig gemerkt, wie sich mein Schreibstil verbessert hat und ich danke für eure Geduld und dass ihr bis hierhin gelesen habt. *verbeug* Kapitel 16: ~Nähe auf Distanz~ ------------------------------ Es verschlug mir den restlichen Atem, der mir noch geblieben war. Unsicher drückte ich mein Gesicht in sein Haar und legte meine Arme um seinen Hals. Die Fähigkeit abzuschätzen, ob dies richtig oder falsch war, ging mir bereits verloren, als ich mich von ihm an die Wand drücken ließ. War es denn überhaupt möglich in solch einer Situation Grenzen von Richtig und Falsch zu ziehen? Oder wünschte ich mir einfach nur diese Grenzen, um mich an ihnen festklammern und weniger hilflos fühlen zu können? Scheiße Kyo … warum musst du auch immer so viel nachdenken?! Lass dich doch einfach fallen, so wie früher! Langsam schob sich das Gesicht von Shinya vor meines und er sah mich wieder durchdringend an. Seine Hand strich über meinen Rücken und er sagte fast schon flüsternd: „Ich will dich.“ Da war er, dieser leicht fordernde Blick, den er manchmal hatte. Ich musste heftig schlucken und meinte dann relativ trocken: „Du hattest mich doch schon.“ Er lächelte sanft und strich dann mit seinen Lippen über meine. Es begann sofort an dieser Stelle zu jucken und ich biss einmal heftig darauf, so dass mir ein stechender Schmerz ins Hirn stieg. „Ja,“ stimmte er mir, immer noch lächelnd, zu: „und genauso will ich dich wieder.“ Er küsste mich auf den Mund und der Schmerz wich einem auflösenden Gefühl, welches ich kaum definieren konnte. Sein zierlicher Körper wurde fester an mich gedrückt und die Kälte des Mauerwerkes an meinem Rücken drang auf die Schulterblätter durch. Doch ich empfand es nicht als unangenehm, eigentlich empfand ich es fast gar nicht. Der Kuss wurde intensiver und ließ mich alles um uns herum vergessen. Als er seine Lippen etwas öffnete und seine Zunge meine berührte, flackerten die Lichter vor meinen Augen wie eine Kerze, die man zu dicht ans Fenster gestellt hatte. Shinyas Berührungen wurden zudringlicher und es bestand kein Zweifel mehr an seiner Absicht. Obwohl es mir schwer fiel, schaffte ich es meine Grübeleien abzuschalten und auf später zu verschieben. Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir auch gar nicht, als ich schon von der Wand gezogen wurde und den nächsten Wiederstand an meinem Rücken spürte. Es war die Tür zum Schlafzimmer. Verwickelt in eine Flut von stürmischen Küssen griff Shinya ungeduldig nach der Klinke und stieß die Tür letztendlich grob auf. Das Metall der Klinke knallte an die anliegende Wand, doch ihm wurde keinerlei weitere Beachtung geschenkt. Wie in einem Rausch klammerten wir uns aneinander und wenige Augenblicke später fühlte ich den weichen Stoff des Bettbezuges unter meinen Händen. Shin hatte mich von sich gestoßen und auf dem Bett landen lassen. Er blieb stehen und sah mich kurz nachdenklich an: „Bist du sicher?“ Meine Augen wanderten an seinem Oberkörper entlang und blieben in seinem Gesicht hängen. Ich nickte stumm, auch wenn es nicht ehrlich war, denn sicher, ob ich schon bereit war wieder so weit zu gehen, war ich nicht. Doch das Leuchten in seinem Blick nahm mir die Angst und ich blendete die Nacht unser beider Schändung einfach aus. Wenn man es oft genug geübt hatte, dann konnte man fast alles verdrängen und er schien es ja offensichtlich auch zu können. Mit einer fließenden Bewegung ließ er sich auf meinem Schoß nieder und ich erinnerte mich wieder daran, dass ich jedes Mal über sein Gewicht staunte. Obwohl dieser dünne Körper voller Leidenschaft und Energie steckte, schien er rein gar nichts zu wiegen. Oder lag es daran, dass er in letzter Zeit wieder weniger gegessen hatte, so wie er es immer tat, sobald ihn etwas beschäftigte? Shinya legte seine Arme um meinen Nacken und zog mich zu einem innigen Kuss an sich heran. Ohne Widerworte ging ich darauf ein und erwiderte die feste Umarmung. Dann wanderten seine Hände zu meinem Hemd und begannen die Knöpfe zu öffnen. Flink entledigte ich mich meines Oberteils und gab meine frischen Wunden preis. Er hielt kurz inne. Andächtig glitten seine Fingerspitzen über die Kratzwunden auf meiner Brust und in seinen Blick legte sich etwas Traurigkeit. Ich rechnete schon damit, dass er sich erhob und mich sitzen ließ, doch dem war nicht so. „Das macht es auch nicht besser.“ wisperte er stattdessen gegen meine Lippen und ich schwieg betroffen. Natürlich tut es das nicht, doch jeder geht anders mit Erlebnissen um und dies war nun einmal meine Art. Dass es meinen Körper entstellte und auf ewig zeichnete war mir egal. Mein Selbstwertgefühl war sowieso im Keller und das Bild, welches ich von meinem eigenen Sein hatte, ebenfalls. Bevor er noch etwas sagen konnte, drückte ich ihm den nächsten Kuss auf und presste seinen Oberkörper an meinen. Shinyas Haut auf meiner zu spüren, war unbeschreiblich. Er war warm und weich und mein Herz kam nicht mehr zur Ruhe. Ab wie vielen Herzschlägen pro Minute wird es eigentlich lebensgefährlich? Noch ehe ich mir eine Antwort auf diese Frage überlegen konnte, schob mich Shinya nach hinten und ich ließ mich auf dem Bettbezug fallen. Er beugte sich über mich und seine Haarspitzen flogen über mein Gesicht. Während wir uns weiter mit heftigen Küssen den Atem raubten, fühlte ich seine Nägel, die zärtlich über meinen Bauch kratzen. Ich lächelte in den Kuss hinein und er erwiederte es. Seine Finger waren an meiner Hose angelangt und machten sich nun daran, sie zu öffnen. Als er den Reißverschluss aufzog, griff ich nach dem Hosenbund und schob sie schnell über meine Hüfte. Ich war erleichtert darüber, dass es schon dunkel war und wir vergessen hatten, das Licht einzuschalten. So konnte ich ihm den Anblick meiner verletzten Beine ersparen. Nach ein paar Minuten hatten wir uns nun ganz dem Stofflichen entfernt und er zog die Bettdecke über unsere nackten Körper. Wie ausgehungerte Tiere gaben wir uns dem Verlangen nach dem jeweils anderen hin. Der wohlgeformte Leib des Blonden schmiegte sich an mich und ich genoss den aufsteigenden Duft seiner Haut. Gierig krallte ich mich in sein Rückenfleisch und zog ihn auf mich. Ich übersäte seinen Hals mit Küssen und kleinen Bissen und er antwortete mir mit tiefen Seufzen und unterdrücktem Stöhnen. Er hatte sich zwischen meine Beine gelegt und schob seine Hand unter meinen Rücken, um mich noch fester an ihn zu pressen. Daraufhin musste ich meine Liebkosungen unterbrechen und nach Luft japsen. Die Hitze, die sein Unterleib ausstrahlte war enorm und beraubte mich meines Verstandes. Sie so dicht zwischen meinen Schenkeln zu spüren war eigentlich Grund genug, um mich haltlos auf ihn zu rollen und mit meinem Körper zu vereinigen. Erregt drehte ich mein Gesicht zur Seite, um es im Kissen zu verbergen. Diese Gelegenheit nutzte er und knabberte an meinem Ohrläppchen, so dass es mich noch mehr in Extase trieb. Mit der flachen Hand drückte ich gegen seine Brust um ihm zu verstehen zu geben, dass er das unterlassen solle, doch er ignorierte es völlig. Ich spürte, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln formten und konnte mir den gierigen Ausdruck bildlich vorstellen, ohne ihn überhaupt ansehen zu müssen. „Lass das …“ wimmerte ich leise in das Kissen. Ja, es klang wirklich nach einem erbärmlichen Wimmern, als wenn ich es kaum noch erwarten konnte. Fast schon billig … Shinya griff nach meinem Oberschenkel und hob ihn etwas an, dadurch konnte er sich näher an mich schieben. Ich holte tief Luft und unterdrückte ein überraschtes Seufzen. Schließlich kam es nicht wirklich überraschend, so wie alles, was in den nächsten Minuten geschah. Es war wie in einem Traum, alles kam mir so unwirklich vor. Es fühlte sich nicht so an, als wenn ich tatsächlich anwesend wäre, eher wie eine Erinnerung von früher, ein Rückblick, oder ein so genannte Flashback. Damals war ich allgegenwärtig, wenn wir mit einander schliefen, mit Herz und Seele. Ganz anders als jetzt, da schien sich auf einmal alles in mir abzuschalten und meine Anwesenheit beschränkte sich auf das Körperliche. Meine Bewegungen waren wie ferngesteuert, ebenso die Berührungen und Küsse, alles mechanisch. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich krampfhaft zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht. Also wartete ich ab, wartete bis es vorbei war, wartete bis sich Shinya aus meinem Körper zurückzog. Als ich die Augen wieder öffnete, liefen Unmengen an Wassertropfen hinein. Schläfrig wischte ich mir über die Augen und zog meine Beine noch fester an meinen Oberkörper. Das Duschwasser hatte mich vollkommen durchweicht und die kalten Fliesen am Rücken spürte ich schon nicht mehr. Ich beobachtete wie die feinen Nebelschwaden an den Innenwänden der Duschkabine emporstiegen. Durch das ungleichmäßige Flimmern der Badlampe schienen sie sogar zu tanzen und Grimassen zu schneiden. Sie lachten mich aus, machten sich über mich lustig und ich lächelte kalt zurück. „Fickt euch!“ sagte ich leise und blies ihnen entgegen, sodass sie sich verzerrten und auseinander trieben, bis sie sich auflösten. So hätte ich mich jetzt auch gern verschwinden lassen. Doch ich hockte hier in Shinyas kleinem Bad und das Wasser prasselte hart auf mich nieder. Ich wünschte mir, es wären kleine Messer, oder wenigstens Nadeln. Aber es war nur heißes harmloses Wasser, welches nicht im Stande war mir auch nur ansatzweise Schmerz zu bereiten. Super, Kyo, du bist die perfekte Hure! Erst das Opfer spielen, dann wie ein Kleinkind heulen und zum Schluss hast du dich noch mal so richtig durchvögeln lassen! Angewidert schrubbte ich mir über die Beine und Oberschenkel, doch dieses schmutzige Gefühl ging nicht weg. Es heftete an mir, wie meine Narben. Langsam stand ich auf und musste mich für einen Moment an der Wand abstützen, die Hitze in der Kabine sorgte für einen kleinen Schwindel in meinem Kopf. „Idiot.“ huschte es über meine Lippen. Was war los mit mir? Seit Wochen hatte ich mich nach dem gesehnt, was ich eben bekommen hatte, doch es schien mich trotzdem nicht glücklicher zu machen. Ganz im Gegenteil. In mir herrschten wieder verachtende und hassende Gefühle auf mein eigenes Wesen. Normalerweise müsste ich doch freudestrahlend durch Shinyas Wohnung wirbeln und nicht mehr von seiner Seite weichen, oder? Warum war ich nicht glücklich? Vorsichtig stieg ich aus der Duschkabine und wickelte mir ein Handtuch um die Hüften. Wieso fühlte ich mich, als wenn ich soeben meinen Körper an eine Horde notgeiler Perverser verkauft hätte? Nachdenklich rubbelte ich mir mit einem zweiten Handtuch über die nassen Haare. „Kyo?“ hörte ich Shinyas gedämpfte Stimme aus dem Flur: „Darf ich reinkommen?“ Ich hing das Handtuch über den Rand der Duschkabinenwand und drehte mich der Tür zu. Nachdem ich aufgeschlossen hatte, öffnete ich die Tür ein Stück und griff dann nach dem Stapel Kleidung auf der Waschmaschine. Shinya trat in das Bad und sah mich kurz verwundert an. Als ich mich umdrehte bemerkte ich, dass er sich wieder hergerichtet und angezogen hatte. Seine Augen wanderten meinen Körper hinab, doch noch ehe sie an meinen Beinen angelangt waren, zwängte ich mich an ihm vorbei in den kühlen Flur. „Dai hat angerufen.“ sagte er ruhig und ich blieb wie angewurzelt stehen. „Sie warten bereits auf uns.“ Ich nickte. „Ich brauch nur noch frische Klamotten, dann können wir losmachen.“ Fragend deutete ich mit dem Finger Richtung Schlafzimmer und Shinya meinte lächelnd: „Im Kleiderschrank ist immer noch dein eigenes Fach.“ Ein paar Augenblicke später stand ich vor dem Schrank und kramte in ‚meinem‘ Fach nach Sachen. Ich fand ein dunkles Hemd und ein paar ältere Jeans. Während ich mich anzog, fiel mein Blick auf das Bett, in welchem wir vorhin gemeinsam gelegen hatten. Shinya hatte eine Tagesdecke über dem Bett ausgebreitet und unter ihr zeichneten sich undeutlich die Konturen von Kopfkissen und Schlafdecke ab. Bewegungslos stand ich davor und hypnotisierte das Muster der Decke, doch eigentliche hypnotisierte es mich. Es war doch nur Sex … warum zerbrech ich mir den Kopf darüber? Vielleicht weil es eben nicht nur Sex war. Es war mehr, viel mehr. Ich war verwirrt und das sorgte für Angespanntheit in meinem Verhalten. „Können wir?“ drang Shins Frage in den Raum und ich wand mich schnaufend von dem Bett ab. Im Flur schnappte ich mir meine Jacke und zog die Schuhe an. Shinya stand etwas abseits und ich war im Augenblick abgelenkt, daher bekam ich auch nicht mit, wie er mich die ganze Zeit beobachtete. Dann trat er von hinten an mich heran und schlang seine dünnen Arme um meinen Oberkörper. „Alles okay?“ flüsterte er mir leise ins Ohr und sein Atem strich über meinen Hals. Für ein paar Sekunden wusste ich nicht, wie ich darauf reagieren sollte und blieb einfach nur stehen. Dann schob ich mich aus seinen Armen, ohne auf seine Annäherung einzugehen und versucht ihn mit einem tonlosen „Alles bestens.“ abzufertigen. Allerdings wäre Shinya nicht Shinya, wenn er bei einem Verdacht nicht nachhaken würde. „Kyo?“ seine Stimme klang sehr fest und ernst, doch mir war gerade echt nicht nach einer Erklärung zumute. Genervt drehte ich mich ihm zu und sah ihn etwas finster an. „Ich sagte, dass alles bestens ist, also könnten wir es vielleicht dabei belassen?“ Unschlüssig sah er mir in die Augen und ich erkannte seinen Versuch in meinen Augen eventuell Gedanken oder gar Gefühle zu lesen. Doch so einfach wollte ich dieses Mal nicht durchschaut werden. Nach der Klinke der Wohnungstür greifend gab ich ihm das Zeichen, mich jetzt in Ruhe zu lassen. Noch ehe ich die Tür richtig aufbekommen hatte, bohrten sich seine schmalen Finger in meine Schulter und wirbelten mich unachtsam herum. Die Klinke entglitt meiner Hand und umklammerte jetzt die Griffe des Schuhschrankes, welcher im Flur stand. Böse schauend tauchte sein Gesicht nah vor meinem auf. „Kyo! Ich frag dich jetzt noch mal, was ist los mit dir?“ Ich schnaufte wütend, zum einen, weil ich über seine heftige Reaktion erschrocken war und zum anderen, weil es mich ärgerte, wenn er mich nicht in Ruhe ließ. Gereizt schob ich seine Hand von meiner Schulter und zischte ihn dunkel an. „Ich sagte doch, es ist nichts! Also belass es dabei!“ Dann schob ich ihn zur Seite und riss die Wohnungstür auf. Ohne auf ihn zu warten stampfte ich die Treppen hinunter und zündete mir, nachdem ich den Hof erreicht hatte, eine Zigarette an. Mit tiefen Zügen inhalierte ich den blauen Dunst und schien regelrecht zu spüren, wie der Teer meine Lungenbläschen verklebte. Leise hallten Shins Schritte im Haus wider, bis er neben mir stand. Vor ein paar Stunden hätte es mich noch tierisch nervös gemacht, ihn so nah bei mir zu wissen, doch jetzt ließ es mich plötzlich kalt. Schweigend liefen wir zur Haltestelle. Ich sah ihn nicht einmal mehr an, auch nicht als wir uns in der Bahn wieder gegenüber saßen. Doch Shinya versuchte mich ebenso zu ignorieren. Er hielt die Fahrt über den Blick stets gesenkt oder sah aus dem Fenster. Aus den Augenwinkeln konnte ich seine Hände beobachten, wie sie still in seinem Schoß ruhten. Nervös war er also nicht. Wahrscheinlich war er froh, dass ich ihn mied. Oder der Sex mit mir war so schlecht, dass ich nicht einmal mehr eines Blickes würdig war. Ich wusste überhaupt nichts mit dieser Situation anzufangen und fühlte mich ziemlich fehl am Platz. In meinem Kopf schwirrten absolut widersprüchliche Gedanken umher und das verwirrte mich nur noch mehr. Am besten, ich versuche jetzt an etwas anderes zu denken. Vielleicht kann mir Toshi weiterhelfen, er sagt doch immer, dass er mich so gut kennt. Doch eigentlich ist es total rückständig, dass ich mit meinen Gefühlen nicht alleine klar komme und auch nicht in der Lage bin, sie zu ordnen. Scheinbar bekomme ich nichts allein auf die Reihe und wenn ich es auch nur ansatzweise versuche, verbock ich es, aber so richtig. Toll, Kyo, du bist wirklich einzigartig, einzigartig dämlich! Machst du das eigentlich mit Absicht? … „Hast du das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben?“ Es dauerte einen Moment, bis ich registrierte, dass mich Shinya angesprochen hatte. Irritiert sah ich ihn an und prompt schlich sich Unsicherheit in mir ein. „Was meinst du?“ Er strich sich durch das Haar und musste sich wohl die richtigen Worte überlegen. „Das mit uns, vorhin. Hättest du es lieber gelassen?“ Schweigend schaute ich in sein Gesicht. Es war schön, wie immer und in seinen Augen lag ein Hauch von Sorge und Mitgefühl, doch das empfand ich vielmehr als Mitleid. „Was an ‘Belass es dabei‘ hast du nicht verstanden?“ stellte ich ihm mit einem leicht ironischen Unterton als Gegenfrage. Seine Lippen umspielte ein weiches Lächeln, welches in diesem Moment allerdings überhaupt nicht angebracht war. „Ich verstehe, du willst nicht darüber sprechen, weil es dich durcheinander bringt.“ Oh man, Shinya … „Vergiss es einfach, okay? Vergessen wir am besten beide was vorhin geschehen ist und gut ist!“ zischte ich ihn unbeherrscht an. Er musste schlucken, doch das hatte er sich jetzt selbst zu zuschreiben. Warum musste er auch immer wieder in den Wunden bohren? Zögernd wand er den Blick ab und sah verletzt nach draußen. Und schon tat es mir wieder leid … scheiße! Nach etwas 25 Minuten Totenstille in unserem Bahnabteil, hatten wir unser Fahrziel erreicht und stiegen stumm aus. Ich vornweg, damit ich ihn nicht ansehen musste. Die Hände in den Taschen gesteckt liefen wir stur neben einander her, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Er überlegte wahrscheinlich, bei wem er sich später ausheulen würde. Ich tippte mal ganz mutig auf Daisuke. Und ich überlegte, wie ich wohl darauf reagieren würde. Wäre ich eifersüchtig? Oder wäre es mir egal? Würde ich es ihm gleichtun und mich von jemandem trösten lassen? Aber was hätte ich davon? Wir bogen in ein belebteres Stadtteil ein, in dessen Nähe sich das Restaurant befand wo Dai und Kao arbeiteten. Lautes Gelächter und Klirren von zerbrechenden Flaschen drangen an unsere Ohren. Hier fand das eigentliche Nachtleben der Stundenten und Freiberufler statt. Unauffällig rückte ich etwas näher an Shinya heran, nicht weil ich mich unsicher fühlte, sondern weil ich mich aus unerfindlichen Gründen dazu verpflichtet fühlte dem Blonden ein Gefühl von Halt zu geben. Ich konnte es mir kaum erklären, doch als ich die lachenden Männerstimmen wahrnahm, schrillten in mir die Alarmglocken auf. Noch mal würde ich nicht zulassen, dass man mir oder Shinya etwas antat. Wie durch Zufall strichen mir Shinyas kalte Finger über den Handrücken und ich sah sofort zu ihm auf. Als wenn er von nichts eine Ahnung hätte, sah er mich an, leicht verwundert und doch zufrieden. Hatte er etwas mitbekommen? Die Lichter der Schaufenster spiegelten sich in seinen braunen Augen und ließen sie glitzern. Plötzlich bekam ich einen kräftigen Drücker von der Seite und verlor mein Gleichgewicht. Einer der Jugendlichen hatte mich angerempelt und es war unschwer zu erahnen, dass dieser zu viel getrunken hatte und deshalb unkoordiniert durch die Straße taumelte. Fast blind griff ich um mich und suchte einen Haltepunkt um nicht zu stürzten. Das Einzige was ich zu fassen bekam war der weiche Stoff von Shinyas Mantel. Da dieser jedoch auch sehr überrascht über die Annäherung war, fand er ebenfalls wenig Halt und zog mich mit sich an eines der Schaufenster. Meine Hände immer noch an seiner Hüfte gekrallt glotzte ich ihn an und er erwiderte den hilflosen Blick. „Was war das denn?“ fragte er mich unsicher anlächelnd und verzog leicht die Mundwinkel. Bei dem Aufprall hatte er das Fensterbrett in die Nieren gedrückt bekommen. Er schob sich langsam von dem Fenster zurück und ich sah ihm an, dass es nicht schmerzfrei an ihm vorüber gegangen war. „Tut mir leid … alles klar?“ das war ja mal wieder eine typische Schnulzenszene, wie aus einem ausgelesenen Groschenroman. Beschwichtigend hob Shin die Hand: „Ja, natürlich, alles in Ordnung.“ Alter, peinlicher geht’s doch schon gar nicht mehr! Der denkt jetzt, dass du das voll mit Absicht gemacht hast. Depp! Doch Shinya ging nicht weiter darauf ein, stattdessen grabschte er nach meinem Ärmel und zog mich ein Stück nach vorn. „Wir sollten uns langsam sputen, bevor sie einen Suchtrupp losschicken.“ Stimmt, die anderen hatte ich in diesem ganzen Gefühlschaos beinah vergessen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ *puh* Das ist ja mal ein richtig langes Kapitel, ich glaube das Längste bisher! *stolz desu* Und ich habe es sogar noch vor den Ferien fertig bekommen! Na, bin ich nicht gut? Über Kommentare jeglicher Art würde ich mich natürlich wieder sehr freuen. Die Anzahl der Kommis war in den letzten etwas niedrig ... interessiert das hier überhaupt noch jemanden? O.O Kapitel 17: ~Letztes Spiel für Ami~ ----------------------------------- „Und, wann sind sie da?“ Kaoru saß an der Bar und sah Daisuke fragend an. Dieser legte das Telefon zurück unter den Tresen und sagte dann leise: „Sie sind auf dem Weg. Kyo war noch bei Shinya duschen, darum brauchen sie etwas länger.“ Stirnrunzelnd wischte der Rotschopf mit einem Tuch über den Tresen und bemerkte nicht, dass Kaoru ihn ernst ansah. Dann griff er nach Dai‘s Hand und hielt ihn in seiner Bewegung fest. „Alles in Ordnung?“ Überrascht sah Daisuke auf, dann blickte er auf seine Hand und auf die Daraufliegende von Kao. Verlegenheit sprach aus dem Gesicht des Barkeepers und er zog vorsichtig seine Hand zurück. „Ja … natürlich.“ In diesem Moment wurde auch Kao verlegen und lehnte sich seufzend zurück. Für einen Augenblick hatte er nicht mehr an das aus letzter Nacht gedacht, doch jetzt war es wieder da. Es stand nach wie vor zwischen ihnen, wie eine unüberwindbare Mauer. Selbst zu Hause hatte es keiner noch mal angesprochen. Sie hofften darauf, es durch Totschweigen begraben und nie wieder raufholen zu können. Schnell nahm der Kleinere einen Schluck aus seinem Martini und leerte ihn aus. >Jetzt bloß keine Stille aufkommen lassen, sonst wird es wieder unangenehm!< Er setzte das Glas ab und schob es Dai hin, dann stand er auf und zog sich seine Weste zurecht. „Ich werd dann mal.“ Dai wischte weiter den Tresen und nickte dem anderen nur kurz zu. Auch ihm war es um Einiges lieber, kein Wort über sein kleines Experiment verlieren zu müssen. Außerdem waren seine Gedanken bei Shinya und der Frage, warum Kyo ausgerechnet bei Shin und nicht bei sich zu Hause duschen musste. Schweigend sah er seinem Mitbewohner nach. In diesem leicht dämmrigen Licht des Restaurant sah er gar nicht mal so übel aus, das musste er ein weiteres mal zugeben, auch wenn es ihm eigentlich unangenehm sein sollte. Doch wieso war es das nicht? Ganz im Gegenteil, es schlich sich ein flüchtiges Lächeln in sein Gesicht. Kaoru macht eine gute Figur in diesen schwarzen figurbetonten Hosen und dem weißen Hemd mit der schwarzen Weste, die ihm knapp über den Hosenbund reichte. Sein Gang war selbstbewusst, als er die kleine Bühne betrat, die sich in der Ecke befand. Die dunkelroten Vorhänge an den hohen Fenstern schienen den großen schwarzen Flügel, an welchem sich Kaoru niederließ, geradezu einzurahmen. Es gab ein schönes Bild. Kaoru atmete noch einmal tief durch, bevor seine schmalen Finger die Tasten niederdrückten und die ersten Klänge die Luft erfüllten. Der Barkeeper legte das Tuch zur Seite und stützte sich am Tresen ab. Für ein paar Minuten versank er in dem gefühlvollen Spiel seines Freundes und seine Augen fuhren immer wieder die Konturen von Kao ab. Die Gäste an ihren runden Tischen wurden immer ruhiger und sahen nun einer nach dem anderen in Kaorus Richtung. In vielen Gesichtern spiegelte sich Freude und Zufriedenheit und einige älter Damen nickten anerkennend. Auch junge Frauen genossen das Spiel und sahen verträumt zu dem Spieler auf. Daisuke verfolgte die entspannte Stimmung, die sich in dem Lokal breit machte und ein Funken Stolz kroch in ihm hoch. Stolz auf Kaoru und Stolz darauf, dass er Kaoru zu seinen Freunden zählen und sich somit etwas mitrühmen durfte. >Das ist dir mal wieder gut gelungen, altes Haus!< Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem neuen Gast abgelenkt, der sich an die Bar gesellte. Aber es war nicht irgendein Gast, es war Ami. „Bitte eine Weißweinschorle.“ sagte sie in einem höflichen Ton und schob sich auf einen der Barhocker. Sie trug ein tiefausgeschnittenes Top und einen recht kurzen Rock. „Kommt sofort!“ antwortet Dai und bereitete das gewünschte Getränk vor. Das junge Mädchen sah zu Kaoru und lächelte, doch in ihren Augen spiegelte sich eher Traurigkeit. Ihre Haltung war etwas zurückhaltend und schüchtern. Dai schob das Getränk über den Tresen und fragte vorsichtig: „Stimmt etwas nicht?“ Unerwartet über diese Frage wand Ami ihm ihr Gesicht zu und sah ihn verwundert aus großen Augen an. „Hm? Nein, nein, alles gut.“ Sie nahm dankend das Getränk und nippte einen kleinen Schluck. „Er sieht sehr glücklich aus,“ sagte sie und deutete mit ihren lackierten Fingernägeln in Kao‘s Richtung: „wenn er da so sitzt und vor sich hinspielt. Als wenn er alles um sich herum vergisst.“ Der Barkeeper folgte ihrem Blick und nickte zustimmend. „Ja, er sieht wirklich sehr zufrieden aus.“ Es war eine seltsam Situation hier mit Ami zu sein, der eigentlichen Freundin von Kaoru. Was würde sie wohl tun, wenn sie wüsste, was Dai getan hatte? Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Dai das Mädchen. Sie hatte ihre Augen mit Kajal betont und etwas Lidschatten aufgetragen und die Haare fielen ihr in leichten Wellen über die Schultern. Kaoru hatte wirklich eine hübsche Freundin. Trotzalledem beschlich den Rotschopf das Gefühl, dass mit Ami etwas nicht stimmte. Nervös zupfte sie an ihren Armbändern und schaute immer wieder auf die Uhr und dann zu Kao. Nebenbei trank sie ihre Weinschorle und lächelte Dai lieb an. „Geht es Kaoru im Moment gut?“ >Was war das denn für eine merkwürdige Frage?< Daisuke kratzte sich am Kinn und antwortete: „Ja, schon. Wieso fragst du?“ Das Mädchen lächelte immer noch liebenswürdig und winkte dann ab: „Ach, nur so. Hab ihn ja seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen und wollte es nur mal wissen.“ Der am Klavier sitzende Kaoru bekam von alledem natürlich nichts mit. Mit geschlossenen Augen wanderten seine Finger über die Tasten und streichelte die Klänge regelrecht aus dem kostbaren Klangkörper des Flügels. Die Kompositionen waren schwermütig und leicht melancholisch, als wenn eine tiefe Sehnsucht in ihnen liegen würde. Kaoru spielte mit soviel Hingabe, dass es Dai sehbar überraschte. Mit offenem Mund starrte er ihn an und merkte nicht einmal, wie Ami ein unterdrücktes Kichern von sich gab. Erst als sie ihr Handgelenk auf den Tresen legte und die Armkettchen leise klimperten wurde er aus seiner Träumerei gerissen. Noch immer etwas abwesend schaute er in die großen Augen des Mädchens. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist in meinen Freund verliebt.“ gab sie amüsiert von sich. Mit einem Schlag wurde Daisuke knallrot und schüttelte den Kopf: „Red keinen Quatsch!“ Langsam fing er sich wieder und lehnte sich charmant über den polierten Tresen. „Aber jetzt sag mal, warum bist du hier? Wusstest du, dass Kaoru heute spielt?“ Das Lächeln aus Amis Gesicht schwand plötzlich und wurde wieder durch diese eigenartige Traurigkeit in ihrem Blick ersetzt. Die Augenbrauen zusammengezogen wischte sie mit ihrer Hand imaginäre Krümel von der Oberfläche und sagte dann leise: „Nein … ich muss mit ihm reden und hatte gehofft, dass er heute hier ist.“ Sie hatte die Augen auf ihr Glas gerichtet und drehte es in ihren Fingerspitzen. Dai beobachtete das ein Weilchen und versuchte aus ihrem Verhalten zu erlesen, was sie seinem Mitbewohner wohl mitzuteilen hatte. Er stützte sich mit verschränkten Armen auf der Tischplatte ab und fragte vorsichtig: „Ist bei euch alles klar?“ Ami blickte kurz auf und beendete ihr Drehspiel: „Hm … naja, nicht so ganz.“ Dann nahm sie einen großen Schluck und sah wieder in die Richtung des Pianisten. Noch ehe der Barkeeper weiterbohren konnte, verstummten die wohltuenden Klänge des Klaviers und ein kleiner Applaus löste sie ab. Kaoru öffnete die Augen und erhob sich, dann verbeugte er sich vornehm und verließ ohne weitere Dankessagungen die kleine Bühne. Viele anbetende Blicke verfolgten ihn und einige der jungen Frauen begannen aufgeregt mit ihren Freundinnen zu tuscheln, doch Kaoru ignorierte dies gekonnt. Es ist nicht so, dass es ihm nicht schmeichelte, oh doch und wie es das tat, doch er hatte längst seine Freundin an der Bar entdeckt und steuerte nun direkt auf sie zu. Ami leerte das Glas mit dem letzten Schluck und rutschte elegant von ihrem Hocker herunter, ihrem Freund entgegen. Freudestrahlend wurde sie von Kaoru umarmt und bekam einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Schön, dass du mich besuchen kommst, Schatz.“ flüsterte er zu ihr hinunter. Doch im Gegensatz zu Kaoru machte Ami einen eher gedämpften Eindruck. Sie wich einen Schritt zurück und murmelte zögernd: „Wir müssen reden.“ Fragend sah Kao zu Dai, doch der zuckte nur unwissend mit den Schultern. Also schaute er wieder auf das Mädchen: „Was hast du?“ Unentschlossen sah sie sich in dem Lokal um und dann Kaoru in die Augen. „Nicht hier.“ Er nickte verständnisvoll und legte einen Arm um ihre Hüften. Sein Gesicht war ernst als er seine Freundin nach draußen geleitete und Daisuke fragte sich erneut um was es bei dem Gespräch gehen könnte. Aber er war der Überzeugung es früher oder später von seinem Mitbewohner höchstpersönlich zu erfahren. Auf dem Weg nach draußen hatte sich Ami ihren schwarzen Mantel von der Garderobe geholt und schlang ihn nun um ihren dünnen Körper. Es war wieder etwas kälter geworden und sie tippelte in ihren Stiefeln unruhig hin und her. Kaoru lehnte sich an die Hauswand und sah sie forschend an. „Was ist los, Schatz? Ist irgendetwas passiert?“ Nervös starrte sie auf ihre Stiefelspitzen und machte den Eindruck, die Frage überhaupt nicht gehört zu haben. Gerade in dem Moment, als Kaoru seine Frage wiederholen wollte, hob sie ihr Gesicht. Kaoru erstarrte. In den sonst so strahlenden Augen glitzerte es und Kaoru sah, dass sich Tränen in ihnen gesammelt hatten. Ruckartig löste er sich von der Hauswand und schritt auf sie zu: „He, was …“ Doch Ami schnitt ihm das Wort ab und ging einen Schritt zurück: „Nicht! …“ Verdutzt hielt er inne und auch sein Atem geriet ins Stocken. Seine Freundin strich sich ein paar lose Haarsträhnen hinter ihr Ohr und verschränkte schützend die Arme vor ihrer Brust. Reglos standen sie sich gegenüber. In Kaoru machte sich ein ungutes Gefühl breit und es wurde ihm etwas flau im Magen. Mit tiefer und fast schon drohender Stimme fragte er erneut: „Ami? Was ist los?“ Sie sah ihn niedergeschlagen und fast schon flehend an: „Es … es ist …“ Ihre Stimme war dünn, als wenn ein falsches Wort von Kaoru sie zerbrechen könnte. Hilfesuchend schwirrte ihr Blick umher und blieb schlussendlich wieder an ihrem Freund hängen. „Es ist aus.“ flüsterte sie und es klang, als wäre sie an diesen Worten beinahe erstickt. Kaorus Herz machte einen Aussetzer und er starrte sie fassungslos an. Er rang nach Luft und fragte: „Was? Wie meinst du das?“ Doch Ami schüttelte nur den Kopf und wisperte hektisch: „Bitte Kao, mach es nicht noch schwerer.“ „Noch schwerer?“ Kaoru hatte seine Fassung wiedererlangt und wurde laut: „Was zum Himmel willst du mir damit sagen?“ Schüchtern zuckte Ami zusammen, diesen Ton war sie von dem sonst so liebevollen Freund nicht gewohnt. „Ich weiß nicht … es klappt einfach nicht. Vielleicht soll es nicht sein.“ Dieser Versuch, für ihren Entschluss eine Erklärung zu finden, brachte Kaoru nur noch mehr auf. Er ging auf sie zu und griff sie bei den Schultern: „Ami, das kann doch nicht dein Ernst sein?! Vielleicht soll es nicht sein? Was ist das denn für eine sinnfreie Entschuldigung?“ Das Mädchen wand sich unter dem festen Griff und jammerte: „Hör auf! So ist das nun mal! Akzeptier das doch einfach!“ Ihre Stimme wurde ebenfalls etwas lauter und auch schriller, während sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht wischte. Daraufhin wurde sie von Kaoru losgelassen und er ging ein paar Schritte von ihr weg um sich zu beruhigen. Unsicher stand Ami hinter ihm und sah irritiert auf seinen Rücken. Sie war unentschlossen, ob sie noch etwas dazu sagen sollte oder ob es besser wäre zu gehen. Nachdem Kaoru sich wieder krampfhaft beruhigt hatte, drehte er sich um und fragte sarkastisch: „Du hast einen neuen, nicht wahr? Wahrscheinlich einen, der nicht so anhänglich ist oder ständig versucht, mit dir zu schlafen!“ Das war der einzige Grund, der Kao einfiel und obgleich er wirklich Sinn machte, konfrontierte er Ami mit seinen Gedanken. Diese blickte entgeistert drein und flüsterte: „Nein, das ist nicht wahr und das weißt du! Damit hat meine Entscheidung rein gar nichts zu tun …“ „Was dann?“ fragte er schroff und sah sie aus geschmälerten Augen an. Sie waren beide verletzt, doch Kaoru war wohl der einzige, welcher den Schmerz wirklich zeigte. Ami hingegen versuchte abzublocken, es nicht an sich ranzulassen. Sie machte den Eindruck schon längst mit der Sache zwischen ihr und Kao abgeschlossen zu haben und das versetzte ihm noch zusätzliche Schläge. „Was dann?“ wiederholte er in einem leiseren Ton, aus dem problemlos die Verzweiflung herauszufiltern war. Er verstand nicht, was seine über alles geliebte Freundin dazu brachte, ihm das Herz zu brechen und das scheinbar ohne Grund. „Ich …“ wagte sie einen erneuten Erklärungsversuch, in der Hoffnung, dass er nicht auf taube Ohren stoßen würde: „… ich habe das Gefühl, dass du lieber mit deinen Freunden, statt mit mir zusammen sein willst.“ Ungläubig verharrten seine Augen in ihrem Gesicht und er traute seinem akustischen Sinn kaum. „Wie … wie kommst du denn darauf?“ Unauffällig kam er näher, doch sie bemerkte es sofort und wich die herangetretenen Schritte wieder zurück. „Ich bin … einfach nicht die Richtige für dich. Es tut mir leid.“ Sie seufzte schwer und unterdrückte einen wiederkehrenden Anflug von Tränen: „Es tut mir wirklich sehr leid … Kaoru. Du bist ein toller Mensch und ein liebenswerter Freund … doch es reicht mir nicht.“ Seine Augen hatten sich verdunkelt, regelrecht abgeschaltet, so wie sein Herz. Seine Lippen presste er zu einem schmalen Spalt zusammen und seine Gesicht wirkte ungewöhnlich hart und unantastbar. „Ich liebe dich,“ gab er ruhig von sich: „doch wenn dir das nicht reicht, dann tut es mir außerordentlich leid. Ich hätte wirklich alles für dich getan, doch wenn du deinen Mund nicht aufbekommst, sobald dich etwas stört, dann kann ich nichts dafür.“ Seine Worte hatten einen bitteren Nachgeschmack und Ami musste heftig schlucken. „Ich habe dir mein Herz geschenkt und so vieles aus meinem Leben abgelegt, nur damit du glücklich bist, damit du das Gefühl hast, die Nummer eins in meinem Herzen zu sein.“ Pflichtete er nüchtern bei und es war sehr ungewöhnlich, dass er so viel an einem Stück sprach: „Aber du hast recht, wenn es dir nicht reicht, dann soll es wahrscheinlich wirklich nicht sein.“ Es tat Kaoru weh zu sehen, wie jedes Wort wie ein Steinschlag bei seiner geliebten Freundin einhämmerte. Zähneknirschend senkte Ami den Blick und nickte kaum spürbar. Kaoru sah auf ihr Ponny, welches ihr tief ins Gesicht fiel und für einen Moment sah es so aus, als ob etwas Glänzendes daraus hervortrat und leuchtend auf den Boden unter ihren Stiefeln fiel. Er legte eine Hand auf seine linke Brust und sagte abschließend: „Mir tut es leid, dass ich dir nicht das geben konnte, was du brauchst.“ Ein Schluchzen folgte seinem letzten Satz und Amis Schultern hebten sich in unregelmäßigen Abständen. Sie weinte und Kaoru kribbelte es in den Händen zu ihr zu gehen und sie in den Arm zunehmen, doch er blieb reglos stehen und schaute nur auf ihr schwarzes Haar. Kaoru holte noch einmal tief Luft und trat dann an sie heran. Behutsam legte er seine Hände auf ihre Schultern und hauchte ihr einen Kuss auf den Haaransatz: „Leb wohl und alles Gute.“ Mit diesen Worten wandte er sich von ihr ab und kehrte ihr den Rücken. Ohne ihr eines letzen Blickes zu würdigen, betrat er das Lokal und schloss mit der Tür das intensive und emotionale Kapitel Ami hinter sich zu. Den Schlüssel warf er in Gedanken weit von sich, damit er ihn ja niemals wieder fand oder auch nur ansatzweise auf die Idee kam, nach ihm zu suchen. Als er stumm auf die Bar zuschritt wurde er bereits neugierig von Daisuke erwartet. Kaoru sah sich beiläufig in dem Lokal um. Die Meisten der älteren Gäste waren bereits gegangen und der Großteil bestand jetzt aus jungen Frauen und Männern, die in deren Begleitung oder auf der Suche nah ihnen waren. Schwer atmend ließ sich Kao an der Bar nieder und stützte sich mit den Armen auf dem Tresen ab. Seine Hände strichen über sein Gesicht und für ein paar Atemzüge hielt er mit den Fingern vor seinen Augen inne. Dann senkte er sie wieder und sah Dai wehmütig an. „Gib mir etwas starkes.“ knurrte er, während er mit dem Zeigefinger auf das Regal hinter Dai zeigte. Überrascht folgte Dai dem Fingerzeigen seines Freundes und holte eine Flasche guten Whiskey hervor. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er das Getränk fertig und schob es über die Tischlatte. Wortlos nahm es Kaoru entgegen und schenkte den klirrenden Eiswürfeln einen kurzen Blick, dann führte er es zu seinen Lippen und leerte es in nur einem Zug. Kurzzeitig verzog er den Mund und musste tief durchatmen dann schob er das geleerte Glas wieder über den Tresen. „Noch einen.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen nahm der Rotschopf das Glas entgegen und betrachtete seinen Freund argwöhnisch. „Es lief wohl nicht so besonders?“ fragte er und noch im selben Augenblick bereute er seine Frage. Kaoru hob langsam den Kopf und sah ihn aus trüben Augen an. Dann lächelte er resigniert und meinte: „Besonders? Besser hätte es gar nicht laufen können! Ich bin endlich wieder Single!“ Er setzte ein gekünsteltes Lachen auf: „Na, was ist? Hast du nicht zufällig eine hübsche Dame, die an mir interessiert ist?“ Verblüfft wurde er von Dai angeglotzt. „Sie hat Schluss gemacht?“ hakte er vorsichtig nach und Kaoru nickte, als wenn er auf diese Frage gewartet hätte. Ohne zu zögern macht ihm Dai noch einen zweiten Trink fertig und reichte ihn Kao. „Scheiße.“ fügte er hinzu, doch Kaoru schüttelte den Kopf: „Vergiss es.“ Ein junges Paar trat an den Tresen und die junge Frau flötete Dai zu, ob er ihr nicht einen Martini machen könnte. „Geschüttelt oder gerührt?“ fragte er trocken und sie musste kichern. Dann schmiegte sie sich an die Brust ihres Begleiters und er meinte höflich lächelnd: „Ich glaube, das ist egal.“ Nachdem Dai das Paar abgefertigt hatte, wand er sich wieder an Kaoru, der sein zweites Glas ebenso schnell wie das erste geleert hatte. Still musterte er ihn. Als er an dem Klavier gesessen hatte, wirkte Kao noch sehr selbstbewusst, sicher und zufrieden und jetzt glich er mehr einem kleinen Häufchen Elend, dass jeden Moment zur Seite kippen könnte. Der Barkeeper seufzte und schenkte noch ein drittes Mal in das Glas ein. „Warum hat sie das gemacht?“ Der andere nahm das Glas nickend entgegen und sah dann auf. Seine Augen waren verengt und schienen verschlossen, sodass Dai nicht wirklich damit rechnete eine Antwort zu erhalten. Und auch dieses Glas kippte Kaoru in einen ebenso schnellen Tempo herunter wie die davor. „Ich bin ihr scheinbar nicht gut genug.“ flüsterte er dann auf das leere Glas starrend. „Was? Das ist doch unmöglich der wahre Grund! Hat sie das wirklich so gesagt?“ Daisuke könnte sich nicht vorstellen, dass Ami so etwas über Kao denken würde. Er kannte sie vielleicht nicht ganz so gut wie er, doch Unzufriedenheit mit Kaorus Qualitäten als Freund schloss er strikt aus. Der Kleinere lächelte gequält und sah dann an die verspiegelte Wand hinter Daisuke in sein müdes Gesicht. „Nein, so hat sie es nicht gesagt, doch genau das meinte sie. Ich war nicht im Stande, sie glücklich zu machen, weiß der Geier was ihr fehlte …“ Für einen Moment schloss er die Augen und schluckte. Die ersten Wirkungen des Alkohols setzten ein und brachten seinen Blutkreislauf zum brodeln. „Was solls …“ brummte er angeheitert: „…mir doch egal. Ich lauf ihr bestimmt nicht nach … das hab ich doch gar nicht nötig …“ Seine Worte klangen absolut nicht ernst gemeint und Dai lächelte ihn verstehend an. „Schon gut, Alter.“ er legte ihm eine Hand auf die Schulter: „Hier gibt’s genug Frauen, die dich sehnlichst ablenken würden, wenn du es nur zulässt.“ Kaoru grinste breit und lallte ein „Yupp, werd isch machen.“ eher er sich schwerfällig von dem Barhocker schob und die Herrentoilette ansteuerte, in einem amüsanten schlängelförmigen Gang, der Dai zum Lachen brachte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So ... bei dem Kapitel hab ich mir echt die Seele aus dem Leib geschrieben. Kommis? Kritik? Irgendwas? Kapitel 18: ~Guter Freund - Schlechter Freund~ ---------------------------------------------- Als Daisuke wieder einen Blick auf die Uhr über dem Gläserregal warf, zeigte diese bereits kurz vor halb 12 an. Seufzend stützte er seine Hände am Tresen ab und schmunzelte, als der vor ihm liegende Kaoru leicht den Kopf hob und ihn müde annuschelte: „Wann kommn denn die andren?“ Er hatte Mühe seinen Kopf zu halten und seine lila Haarsträhnen wippten leicht hin und her. Daisuke zuckte die Schultern und nahm das leere Glas, welches vor seinem Mitbewohner stand und schon vor etlichen Minuten geleert worden war. „Müssten schon längst da sein.“ Und noch im selben Moment tauchte das strahlende Gesicht von Toshiya neben dem dösenden Kaoru auf. „Geht’s um mich?“ fragte er grinsend und beugte sich dann zu Kao runter. „Ach herrje, was ist denn mit dir los? Standest du nicht grad noch draußen?“ Der Rotschopf hinter dem Tresen stutzte über Toshi’s Worte, dann bereitete er ein Glas Mineralwasser mit einer Scheibe Zitrone zu und schob es vor Kao‘s Arme. „Frag lieber nicht. Ami hat ihn verlassen.“ Mit weit geöffneten Augen starrte Toshiya ihn an und sein Mund öffnete sich leicht, doch er sagte nichts, stattdessen senkte er schnell den Blick und begann seine Fingernägel zu betrachten. „Ziemlich ruhig heute, was?“ versuchte er das Thema umzulenken. Misstrauisch sah Daisuke ihn an und beugte sich näher zu ihm rüber. „Toshi? Du weißt doch was!“ zischte er flüsternd und schaute unauffällig auf Kaoru, doch dieser schien von dem gar nicht mehr so viel mitzubekommen, also heftete er seine Augen wieder streng auf den anderen. Toshiya hob seinen Blick und lächelte verkrampft. „Naja …“ begann er und sah kurz zu dem Angetrunkenen rüber eher er sich Dai entgegen beugte: „… ich hab sie gerade gesehen, mit einem anderen Mann, Arm in Arm. Aber ich dachte, dass es Kao wäre, hab ihn allerdings nicht genau sehen könne, weil es dunkel war.“ Daraufhin schüttelte Daisuke den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Toshiya nickte zustimmend: „Was machen wir jetzt mit ihm?“ Für einen Moment sah sich Dai in dem Lokal um, dann beugte er sich wider zu Toshiya. „Ich kann hier nicht weg. Mein Kollege ist krank geworden, darum schmeiß ich den Laden heut alleine. Vielleicht könntest du ihn nach Hause bringen?“ Toshiya griff nach Kaorus Glas und nahm sich nachdenklich einen Schluck. Nachdem er das Glas wieder abgesetzt hatte, nickte er erneut „Klar, kein Problem.“ Dai lächelte erleichtert und griff in eine Schublade unter dem Tresen, aus der er den Wagenschlüssel zog. „Hier, den Wohnungsschlüssel hat Kao irgendwo bei sich. Fahr das Auto nicht zu Schrott. Er hat hinten geparkt.“ Der Große nahm den Schlüssel entgegen und legte dann eine Hand auf Kao‘s Schulter: „So mein Alter, wir versuchen jetzt mal, dich hier rauszubringen.“ Völlig fertig schlug dieser seine Augen auf: „Wasch?“ und die beiden Männer mussten beim Anblick ihres schlaftrunkenen Freundes lachen. „Oje, wehe wenn ich dich jetzt tragen muss!“ sagte Toshi und legte sich Kaorus Arm um den Hals. „Tragen? Asch schkwatsch, isch kann laufen …“ nuschelte dieser undeutlich und versuchte sich möglichst selbstständig vom Barhocker zu schieben. Mit beiden Beinen noch gar nicht richtig auf dem Boden, gab sein Gleichgewichtssinn auf und er knickte zusammen, während Toshi ihn schnell auffing. In Zeitlupe hob Kaoru seinen Kopf und schaute zu seinem Freund empor: „Wasch war dasch jetsch?“ Mit zusammengepressten Lippen versuchte sich Toshiya ein Lachen zu verkneifen, während Daisuke sie ungeduldig ansah: „Jetzt mach hin, die Gäste gucken schon!“ „Kann ja schlecht einen Sprint mit ihm hinlegen!“ gab der Große amüsiert zurück. Seinen Freund im Vollrausch zu erleben bereitete Toshi offensichtlich großes Vergnügen, welches Dai nur teilweise teilte. Dieser winkte nur mitleidig ab, als ihm ein Gast auffiel, der leicht genervt auf sein leeres Glas zeigte. „Tut mir leid, die Arbeit ruft. Du kommst doch hoffentlich noch mal wieder?“ Den anderen in einem festen Griff haltend sah Toshi auf: „Klar, wollt heut auch noch was trinken. Also, bis später!“ „Trinken?“ rief Kaoru plötzlich und hob ruckartig seinen Kopf, als wenn ihn jemand von hinten an den Haaren gezerrt hätte: „Isch könnt auch no wasch vertraschen!“ Kurzerhand legte Toshiya ihm eine Hand auf den Mund und flüsterte ihm charmant lächelnd zu: „Klar, du kriegst auch noch was, aber erst, wenn wir bei dir sind.“ Nach etlichen Sekunden, die Kaoru‘s beeinträchtigte Reaktionszeit brauchte, nickte er schwerfällig und Toshi schob ihn Richtung Ausgang. Nachdem sie den Parkplatz erreicht hatten, lehnte Toshi den Betrunkenen an der Beifahererseite ab und schloss die Tür auf. „Rein mit dir!“ sagte er ruhig und half Kaoru in seinen Wagen zu steigen. Kaum das dieser richtig saß, ließ er den Kopf gegen die Kopfstütze fallen: „Toschi … isch glaub, isch bin betrunken …“ Lächelnd beugte sich Toshi zu ihm runter und legte ihm den Gurt an: „Das kann mal wohl sagen.“ Dann schloss er flink die Tür und huschte auf die Fahrerseite. Nachdem er den Zündschlüssel eingeschoben hatte und das Auto beim zweiten Versuch ansprang, sah er auf die Beifahrerseite: „Und wehe du kotzt! Schließlich ist das dein Auto, also müsstest dus auch sauber machen.“ „Dann werde isch bis nach Hausche warten.“ war die sinnvolle Antwort, die ihm samt Alkoholfahne in der Dunkelheit entgegen gehaucht wurde. Auf der etwa 30 minütigen Fahrt hatte Toshi das Radio eingeschalten und es auf ziemlich niedriger Lautstärke laufen, damit er seinen Freund nicht unnötig weckte. Doch dieser schlief nicht. Mit offenen Augen starrte er in die Dunkelheit und seine glasigen Augen spiegelten sich in der Scheibe zu seiner rechten. Mit den Daumen auf dem Lenkrad tippte Toshiya den Rhythmus aus dem Radio mit, als er einen Blick auf seinem Freund warf und dessen offenbar geistig vollkommene Gegenwart bemerkte. „Bist du gar nicht müde?“ fragte er freundlich. Es dauerte einen Moment ehe Kaoru reagierte. „Nein.“ hauchte dieser heiser und das war auch schon alles was Toshi als Antwort bekam. Der Ältere ging davon aus, dass Kaoru höchst wahrscheinlich in einer Art Scheintrance verweilte und nicht wirklich ansprechbar war, also fragte er auch nicht weiter nach. Die Fahrt verlief reibungslos ohne auffälligen Verkehr und sie kamen gut durch. Als Toshi den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Wohnhaus von Kao und Dai‘s WG abgestellt hatte, schaltete er den Motor und das Licht aus. Die eben noch angestrahlte Hauswand vor dem Auto verschwand in gleichmäßiger Finsternis und Toshi verharrte. Dann griff er langsam nach seinem Gurt um ihn zu lösen, als er Kaorus Finger auf dem Abdrücker spürte. Überrascht drehte er sein Gesicht nach rechts und erkannte nur ganz schwach Kaorus Kopf und den leicht lilafarbenen Glanz seiner Haare. „Das ist mein Gurt, du musst schon deinen eigenen lösen.“ Sagte er lächelnd, doch Kaoru gab keinerlei Regung von sich. Vorsichtig hob Toshi Kaorus Hand und legte sie auf dessen Oberschenkel. „Okay, ich hab verstanden, nicht einmal dazu bist du noch im Stande.“ murmelte er und öffnete beide Gurte. „Bin isch ein schleschter Freund?“ drang plötzlich Kaorus Stimme leise und schwach zu ihm rüber. Toshiya starrte in den dunklen Fleck, in welchem sich irgendwo das Gesicht seines Freunde befinden musste und dachte kurz nach. „Lass uns das oben bereden.“ sagte er ruhig und stieg aus. Als er Kaoru aus dem Wagen gezogen hatte, seufzte dieser schwer. „Schit … das war eindeutig zu viel Alkohol.“ Ohne darauf einzugehen schloss Toshi das Auto ab und legte sich wieder den Arm seines Freundes um den Hals um ihn besser die Treppen im Haus hoch transportieren zu können. Nach etlichen Schwenkern und Stolperein hatten sie die Wohnungstür erreicht und Toshiya sah zu Kao hinunter. „Den Wohnungsschlüssel hast du.“ „Ach … schtimmt.“ murmelte dieser und kramte sich langsam in der Hosentasche rum. Dann zog er den Schlüsselbund hervor und reichte ihm an seinen Freund weiter. „Aufschließen muscht du … dasch schaff isch nischt mehr.“ fügte er kichernd hinzu. Nachdem sie die Wohnung betreten hatten, brachte Toshi den Betrunkenen in sein Zimmer und ließ sich mit ihm auf dem Bett fallen. Sie sahen sich an und mussten plötzlich lachen, Kaoru weil er betrunken war und Toshi, weil er den betrunkenen Kaoru ziemlich lustig fand. Toshi rollte sich auf den Rücken und sah an die Deckenbeleuchtung: „Oh man, du weißt echt nicht, wann genug ist!“ Daraufhin schlug ihm Kaoru völlig unkoordiniert mit der flachen Hand ins Gesicht und murmelte ein „Schuldigung … schollte deine Schulter treffn.“ in sein Kissen. Toshi blickte ihn verblüfft an, doch beim Anblick des zusammengepressten Gesichtes und dem darausbildenden Fischmund lachte er erneut auf. „Jetzt wirst du also auch noch handgreiflich?“ fragte er spöttisch und schnappte sich ein weiteres Kissen um es mit einem kräftigen Schlag auf Kaorus Kopf niedersausen zu lassen. Dieser gab ein ersticktes Jammern von sich und grabschte schwerfällig nach dem Stoffball auf seinem Gesicht. Er setzte zu einem schwungvollen Rückschlag an und Toshi hielt schützend die Hände nach oben, doch er wartete vergeblich mit zusammen gekniffenen Augen auf den Klatscher. Zögernd öffnete er seine Augen wieder und schaute dann in das unerwartet ernst gewordenen Gesicht seines Freundes. Als sie ein paar Atemzüge so verharrten, Toshi immer noch in der Verteidigungstellung und Kaoru im vermeidlichen Angriff, hörte er das leise Wispern aus Kaorus müdem Mund. „Darf isch disch jetzt fragen?“ Unschlüssig wurde er von dem anderen angesehen, dem nicht so ganz einleuchtend war, was er wohl meinte. „Ob isch ein schleschter Freund bin.“ fügte er erklärend hinzu und Toshi gab ein erleichtertes Seufzen von sich. Der Ältere richtete sich auf und dachte einen Moment nach. Dann wand er sich an Kao: „Du fragst bestimmt, weil dir die Entscheidung von Ami im Kopf rumgeht, nicht wahr?“ Der Angesprochene drehte sich nun auch auf den Rücken und starrte auf die Deckenbeleuchtung, ehe er zaghaft nickte. „Ach Kaoru, für dich wird es jetzt wahrscheinlich ziemlich abgdroschen klingen, wenn ich dir sage, dass es nicht an dir liegt. Doch genau das ist diesesmal der Fall.“ Er schob sich an die Bettkante und zog ihm die Straßenschuhe aus. „Du trägst keine Schuld. Ami hat ihren eigenen Kopf und das musst du nun mal akzeptieren, so schwer es auch sein mag.“ Sorgfälltig stellte er das Schuhwerk nebeneinander auf dem Fußboden ab. „Wir sind alle der Meinung, dass du ein ausgezeichneter Mensch bist und ein noch viel besserer Freund. Natürlich hast du ein paar Macken, aber die haben wir alle.“ Jetzt musste er schmunzeln und stand auf, um Kaoru die Bettdecke überzulegen. „Kyo zum Beispiel, ist ein absoluter Dickschädel und lässt sich selten etwas sagen, Shinya hingegen legt viel Wert auf unsere Meinung und ist um einiges umgänglicher, doch manchmal sehr verschlossen. Und Daisuke markiert ständig den Starken und versucht seine Probleme mit einem Spruch abzutun …“ „…oder sie hinterrücks durch Experimente zu lösen.“ unterbrach ihn die plötzlich viel klarer erscheinende Stimme von Kaoru. Irritiert sah ihn Toshi an. „Was meinst du?“ Mit geschlossenen Augen sah es aus, als ob Kaoru mehr zu sich selbst als mit ihm sprach. Seine Lippen bewegten sich nur leicht und seine Worte kammen nur langsam. „Er hatte vor kurzem … einen Zwispalt mit sich und seiner … Sexualität. Den hat er versucht zu klären … in dem er sich an mir versuchte.“ Der Große sah nun wirklich sehr verwundert aus und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Obwohl es jetzt interessant zu werden scheint, bin ich der Ansicht, dass du mir das lieber morgen in nüchternem Zustand erzählen solltest.“ Ihm war bewusst, dass er seinen betrunkenen Freund gerade fragen konnte, was er wollte und dieser frei und offen antworten würde, doch Toshi wollte diese Situation nicht ausnutzen. Mit einem abschließenden Kuffer auf Kaoru Schulter teilte er dem bereits in Dämmerschlaf befindenden jungen Mann seinen Abschied mit und verließ leise das Zimmer. Den Wohnungsschlüssel legte er auf den Küchentisch und legte einen Zettel dazu, auf dem er kurz den Abend erläuterte, falls Kao einen Blackout haben würde. Nachdem er die Türschwelle übertreten hatte, zog er die Wohnungstür so lautlos es ging ins Schloss und machte sich auf den Weg zur U-Bahn. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Toshi war noch gar nicht richtig weg, als Daisuke hinter seiner Bar aufblickte und die zwei vertrauten Gesichter von Shinya und Kyo sah. Erstaunt musterte er die beiden: „Ihr habt euch aber Zeit gelassen.“ gab er dann leicht beleidigt von sich und tat so, als wenn er unheimlich viel Arbeit hinter dem Tresen zu erledigen hatte. Da sich dieser Bereich außerhalb der Blickwinkel seine Freunde befand, konnte er ungestört ein Wasserglas in ein anderes füllen, dann wichtig darin rumrühren und es wieder zurück kippen. Nachdem er diese Prozedur an die vier mal vollzogen hatte und die beiden immer noch nichts gesagt hatten, schaute er irritiert auf. Sie sahen ihn schweigend an und der Kleinere der beiden deutete auf die angerissene Flasche des starkens Alkohols die zwischen ihnen stand. Kaoru hatte diese vorhin angerissen und Dai musste zwangsweise an den Betrunkenen denken. Hoffentlich lag der jetzt im Bett und schlief seinen Rausch aus. Und morgen früh würde er ihn wahrscheinlich anknurren, weil er einen Kater haben wird. >Toll und ich darfs dann wieder ausbaden …< Durch das Schnalzen mit der Zunge wurde der Rotschopf von Kyo wieder in die Gegenwart gerunfen. „Ach so … ja ich mach gleich!“ sagte er hastig und nahm die Flasche vom Tresen um seinem Freund etwas in ein leeres Glas einzuschenken. „Und … was darf ich dir bringen?“ fragte er Shinya, der sich höflich wie immer in Geduld geübt hatte. Dieser dachte kurz nach und sagte dann: „Nicht so was starkes, vielleicht erstmal ein Tonic.“ Der Barkeeper sah ihn für ein paar Sekunden bewegungslos an. Diese Bescheidenheit war es, die er an ihm besonders mochte. „Dein Wunsch ist mir Befehl!“ flöteter er gekünstelt und lachte kopfschüttelnd vor sich hin, ehe er sich mit dem Einschänken beschäftigte. Der Blonde sah ihn verwundert an, wie kam es, dass dieser plötzlich so gute Laune hatte? Im nächsten Augenblick spürte er die kräftigen Finger von Kyo um sein schmals Handgelenk. „Setzten wir uns.“ sagte er ruhig und deutete mit einem Kopfnicken auf eine abgelegenen Sitzecke im hinteren Teil der Bar. Mit einem Nicken stimmte Shinya ihm zu und ließ sich von ihm an den Tisch führen. Nicht umsonst hatten sie den äußerersten Weg an der Wand gewählt um nicht quer durch den Raum laufen zu müssen. Trotzdem blieben ihnen die neugierigen Blicke der Gäste nicht erspart und Kyo senkte genervt den Kopf. Er war so mit seiner kalten Schulter beschäftigt, dass er noch nicht einmal merkte wie fest er das Gelenk des Blonden drückte. Erst als sie Platz nahmen schaute er verwundert auf seine Finger, die sich bestimmt und dennoch liebevoll um das Gelenk geschlossen hielten. „Du kannst jetzt loslassen.“ sagte Shinya lächelnd und hatte sofort seine Bewegungsfreiheit wieder. Leicht beschämt sank Kyo auf die Sitzecke nieder und rückte ein Stück an die Wand, damit sich Shinya zu ihm setzten konnte. Nachdem auch dieser Platz genommen hatte, saßen sie schweigend nebeneinander und sahen der kleinen Flamme der Kerze in der Mitte des Tisches zu. Sie zuckte gelegentlich und ihr Leuchten spiegelte sich in den Augen der beiden Männer und ließ sie unruhig glänzen. „Hier, eure Bestellung.“ holte sie Dais Stimme aus ihren Gedanken zurück und beide sahen synchron zu ihm auf. Daisuke zögerte kurz und sah unentschlossen auf die Getränke. „Na … wolltet ihr nicht …?“ „Ja, danke!“ unterbrach Kyo das Gestocke und nahm dem Rotschopf die beiden Gläser ab. Er stellte das eine vor Shinyas Platz ab und berührte dabei unachtsam seine Hand und das andere führte er direkt an seine Lippen und nahm einen großen Schluck. „Wo ist Toshi?“ wollte der Blonde von Dai wissen. Daraufhin blickte dieser zur Bar und meinte dann: „Wollte gleich wieder da sein, musste Kaoru heim bringen.“ Interessiert sahen ihn die beiden Sitzenden an. „Ging es ihm nicht gut?“ fragte Shin. „Oder hat er sich einfach nur besoffen?“ gab Kyo grinsend von sich. Daisuke musste über Kyos Kommentar schmunzeln und zog eine Augenbraue nach oben: „Naja …Ami hat Schluss gemacht und das ging wohl doch nicht so spurlos an ihm vorbei, wie er es uns zeigen wollte.“ Das Grinsen aus Kyos Gesicht verschwand und auch Shinya senkte den Kopf. „Wie auch immer …“ sagte Dai schnell und warf noch mal einen Blick zur Bar: „ich muss leider zurück, kann die Kasse nicht so lange unbeaufsichtigt lassen.“ und zog mit schnellen Schritten ab. Es herrschte wieder eine beklemmende Stille zwischen Kyo und Shinya. Beide konzentrierten sich auf die Kerze und nahmen gelegentlich einen Schluck von ihrem Getränk, ohne einen Blick oder gar ein Wort an den anderen zu richten. Schon nach wenigen Minuten hatte Kyo sein Glas geleert und wollte sich mit den Worten „Ich hol mir noch was.“ erheben, als Shinya ihn bei der Schulter griff und zurück auf die Bank drückte. Er schob sich an den Kleineren und legte seine Stirn an Kyos Schläfe. Dann flüsterte er ihm leise ins Ohr: „Ich … fand das vorhin sehr schön mit dir. Fast wie früher.“ und hauchte ihm einen Kuss aufs Ohr. Kyo erstarrte, dann stand er langsam auf und drehte sich noch mal um: „Wie du sagtest, fast.“ und lief Richtung Bar. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Oh Gott ... mittlerweile dürfte ich Kyo zum Hassobjekt der FF gemacht haben T.T Aber im nächsten Kapitel wird das schon wieder ganz anders aussehen XD! Kapitel 19: ~Abfuhr und Abreibung~ ---------------------------------- Der blonde junge Mann hatte keine Ahnung, wie lange er auf das Glas starrend da saß, seitdem Kyo an die Bar gegangen war. Seufzend strich er sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn und beobachtete das brechende Lichtspiel der Kerze auf der Oberfläche seines Getränkes. Mit einem ernsten Gesichtsausdruck sah er zur Bar rüber und beobachtete Kyo, der sich mit gesenktem Kopf auf einem der Barhocker niedergelassen hatte und sich seit einer viertel Stunde nicht mehr zu bewegen schien. Ein kühles Lächeln zierte die Mundwinkel Shinyas, als Daisuke hinter der Bar zu ihm blickte und fragend die Augenbrauen nach oben zog. Daraufhin beugte sich der Rotschopf zu Kyo hinunter und Shinya konnte nur sehen, wie er die Lippen bewegte und einen dunklen Ausdruck in den Augen hatte. Zu gern hätte er verstanden, was er dem Schwarzhaarigen flüsterte. Diese hob langsam den Kopf, warf einen prüfenden Blick über die Schulter und sah Shinya ausdruckslos an. Dann kehrte er sein Gesicht wieder dem Barkeeper zu und schüttelte sein Haupt. Okay, es ging also um ihn, das konnte Shinya unschwer erahnen. Aprubt richtete sich Daisuke wieder auf und warf mit einer recht wütenden Geste das Wischtuch auf den Tresen. Er sah sich kurz im Lokal um und zischte etwas zu dem vor ihm Sitzenden. Dann kam er hinter der Bar hervor und schritt auf Shinyas Platz zu. Neugierig sah ihn der Blonde an, als Dai an seinem Tisch ankam und sich auf einem der Stühle gegenüber der Sitzecke niederließ. In seinen Augen lag ein leichtes Funkeln und er lehnte sich über den Tisch. „Also, Shinya, was ist das zwischen dir und unserem Miesepeter?“ Fragend spitzte der Angesprochene die Lippen und neigte den Kopf zur Seite. „Was meinst du?“ Ein seufzendes Lächeln verließ die geschwungenen Lippen des Rotschopfes eher er flüsterte: „Spiel nicht den Unwissenden, du weißt sehr gut was ich meine.“ Sein Herz schlug schnell und schien sich bereits in seinem Hals zu befinden und drohend gegen seine Kehle zu klopfen, doch er bemühte sich so gelassen wie möglich auf seinem blonden Freund zu wirken. Dieser lächelte kühl und schmälerte leicht die Augen, ehe er ruhig entgegnete: „Nein, tut mir leid. Vielleicht drückst du dich nicht deutlich genug aus?“ Natürlich wusste Shinya, auf was Dai hinaus wollte, doch er sah keinen Grund, warum er ihm so leichtfertig antworten sollte. Der Rotschopf ließ den Blick über Shinyas Gesicht wandern, blieb an den vollen Lippen hängen und musste hart schlucken. „Schläft er mit dir?“ drang es vorsichtig aus seinem Mund und seine Finger kratzten nervös auf der Glasoberfläche des Tisches. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des anderen und er beugte sich nun ebenfalls leicht über den Tisch. Über die Kerze hinweg sahen sie sich einige Atemzüge lang an und Shinya konnte erkennen, wie schwer es Dai fiel dieses Thema anzusprechen. „Hör zu, Dai.“ er räusperte sich und holte tief Luft. „Ich danke dir für alles, was du in den letzten Wochen und Monaten für mich getan hast. Du warst und bist mir ein sehr guter Freund, doch diese Sache…“ er überlegte kurz und spähte dann zu Kyo hinüber, der immer noch wie festgefroren an der Bar wurzelte. „…diese Sache betrifft dich nicht.“ Seine Augen kehrten in Dais Gesicht zurück und erwiederten den wachsamen Blick in der Hoffnung, diese Abfuhr nicht allzu hart auf den anderen einschlagen zu lassen. Doch der unveränderte Ausdruck in Daisukes Augen erweckte den Verdacht, dass seine Aussage überhaupt nicht angekommen war. „Tut sie nicht?“ antwortete er leicht angesäuert und seitlich seines Kiefers spannte sich ein fester Muskel, als er die Zähne fest zusammenbiss. „Dann erklär mir doch bitte, wer dich seinetwegen immer wieder aufbaute? Wer hat dich in den Arm genommen, als du unter brühend heißem Wasser in der Dusche hocktest? Und wer hat dich aufgemuntert, als du betrunken auf Toshis Schaukel lagst? Von dem Vorfall gestern mal ganz abgesehen!“ Seine Augenbrauen verengten sich und zauberte ihm tiefe Falten auf die Stirn, während sein Blick wie angekettet auf dem Blonden ruhte. „Verdammt, Shinya, er ist nicht gut für dich! Er ist mein Freund und ich mag ihn, doch ich kann nicht mit ansehen, wie er dich runterzieht …“ „Dann sieh weg.“ war die trockene Antwort, welche wie ein Säbel in seine Stimme schlug und sie für einen Herzschlag abtrennte. „Was?“ entrüstet starrte Dai ihn an und eine Mischung aus Besorgnis und Ärger spiegelte sich in seinem Antlitz. Zwischen ihnen entstand eine elektrisierende Spannung und man könnte meinen, die Hitze der Kerze könnte diese jeden Moment zum explodieren bringen. „Du hast mich schon verstanden.“ beteuerte Shinya und seine Mundwinkel hoben sich zu einem liebevollen Lächeln. „Ich kann mir vorstellen, wie unser Verhältnis auf dich zu wirken scheint, doch es ist etwas ganz anderes, es geht viel tiefer, als ich es dir überhaupt erklären kann. Man mag es mir nicht ansehen, doch ich habe genug Kraft für zwei Menschen, für mich und Kyo.“ In seinem Gesprochenen schwang Wehmut mit und machte es so noch schwerer verständlich für Daisuke, der ihn immer noch anstarrte. Dann schüttelte dieser den Kopf. „Red doch nicht so einen Unsinn!“ seine Stimme hob sich leicht und verdeutlichte seine Sorge. „So viel Kraft hast du nicht. Sieh dich doch an, du bist völlig ausgezehrt und verkriechst dich immer mehr. Sobald es um Kyo geht verlierst du dich und fängst an zu trinken … das macht mich krank!“ Die letzten Worte pressten sich gequält aus seinem Mund er schloss die Augen, um sich wieder zu sammeln. Schweigend sah Shinya ihn an, musterte das kummervolle Gesicht und die zusammengepressten Lippen. „Krank vor Eifersucht?“ wisperte er gegen die Kerze und Dai schreckte auf. Das vorhin noch so mächtig pochende Herz hörte plötzlich auf zu pumpen. „Ja.“ pflichtete er leise und ernst bei. Shinya hatte es geahnt, doch diese Bestätigung hätte er sich lieber nicht gewünscht. Er mochte Daisuke, wie einen Freund und von Zeit zu Zeit vielleicht auch mal etwas mehr, doch da es auf der Seite des Freundes nun auch so aussah, sogar noch intensiver, musste er eine Trennlinie ziehen. „Es tut mir leid.“ er senkte sein Haupt und ein paar blonde Strähnen streichelten seine Stirn. Er überlegte, was er sagen sollte, doch ihm wollten einfach nicht die rechten Worte einfallen. Mit Sicherheit hatte der Rotschopf recht, mit dem, was er über sein Verhalten gesagt hatte. In der letzten Zeit hatte er sich tatsächlich zurückgezogen und wenig auf seine Gesundheit geachtet. Und er konnte auch nicht abstreiten, dass dies alles irgendwo mit dem schwarzhaarigen Gefühlsklotz an der Bar zu tun hatte. Langsam hob er seinen Kopf und lächelte Dai herzlich an. Dieser wich unentschlossen zurück und schaute überrascht drein. Mit einem Lächeln hatte er jetzt wirklich nicht gerechnet. „Was ist daran so witzig?“ fragte er gekränkt. Unerwartet griff Shinya über die Glastischplatte hinweg und kaschte sich die Hand des Barkeepers. Er zog sie näher zu sich und strich mit seinen kühlen Fingerspitzen über die kräftige Äderung auf dem Handrücken. Diese zärtliche Berührung entlockte dem Rotschopf ein sehnsüchtiges Seufzen und seine dunklen Augen schauten fragend in Shinyas lächelndes Gesicht. „Du kennst mich sehr gut.“ sagte dieser freundlich. „Daher wirst du auch wissen, dass ich eine Freundschaft zu dir viel mehr schätze, als alles andere.“ Mit Bedauern senkte Dai die Augen und beobachtete die Bewegungen der begehrten Hand auf seiner. „Gefühle können vieles kaputt machen und das möchte ich nicht.“ fuhr Shinya fort. „Du bist schließlich mein Seelenpartner und daran soll sich nichts ändern.“ Ein zögerndes Nicken zeigte ihm, dass der Barkeeper ihn verstanden hatte, wenn es ihm auch sehbar etliche Stiche in sein Herz versetzt hatte. Doch auch an dem Blonden ging es keineswegs spurlos vorbei. Er atmete tief durch und zog dann seine Hand zurück um mit ihr nach seinem Glas zu greifen und den bitteren Geschmack der Wahrheit runterzuspülen. „Wenn er dir weh tut, mach ich ihn kalt.“ sagte Daisuke verkrampft grinsend und erhob sich. „Pass auf, dass du nicht wieder zu tief ins Glas schaust!“ mahnte er seinen Freund, der ihn daraufhin überrascht anblinzelte und dann verstehend nickte. Daraufhin wand sich der Rotschopf von ihm ab und schritt zur Bar zurück. Je weiter er sich von der Sitzecke entfernte, desto schwerer wurde sein Herz, doch gleichzeitig machte sich ungeahnte Erleichterung in ihm breit. Mit Sicherheit hatte er sich etwas ganz anderes gewünscht, doch es reichte ihm auch, dass Shin Bescheid wusste und er sich das Gröbste von der Seele reden konnte. So waren die Fronten geklärt und wenigstens für eine weitere Freundschaft keine Hindernisse mehr vorhanden. Und er fühlte sich sogar besser, sodass er sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen konnte, selbst dann nicht, als er Kyo sah. Voller Elan kehrte er an seine Position hinter dem Tresen zurück und schielte sorglos zu dem Schwarzhaarigen hinüber. „Na, willst du noch einen?“ fragte er ihn, als er das leere Glas registrierte. Skeptisch hob Kyo sein Haupt und blickte ihn an, dann wand er den Kopf und sah sich irritiert nach Shinya um. Dieser stierte verträumt vor sich hin und so drehte er sein Gesicht wieder Dai zu. „Ja … gern. Ist alles in Ordnung mit dir?“ Verwundert hob der Rotschopf die Augenbrauen, dann griente er noch breiter und beugte sich zu ihm hinunter. „Natürlich, was sollte denn nicht stimmen?“ Noch mehr von dem Grinsegesicht des anderen in die Irre geführt verzog Kyo den Mund und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. „Nimmst du neuerdings schon Drogen?“ knirschte er. Ein herzhaftes Lachen von Dai ließ ihn zusammenzucken und er wich erschrocken zurück. „Was zum Teufel …“ „Wer flucht denn hier?“ drang eine tiefere Stimme hinter Kyo hervor und der Kleinere wirbelte mit dem Kopf herum und starrte in das vertraute Gesicht Toshis. Der Große legte einen Arm um ihn und zwinkerte ihm vielsagend zu. „Na, bist du noch nüchtern?“ Zögernd nickte Kyo und kräuselte die Stirn, ehe sein Blick wieder zu Dai wanderte, der damit beschäftig war ihm ein neues Glas einzuschenken. „Das wird er später trinken.“ sagte Toshi bestimmt und griff nach Kyos Arm. Dieser widersetzte sich kurz und zischte aufgebracht: „Herr Gott, was ist denn mit euch los? Was willst du mit meinem Arm? Und wieso kann ich den nicht gleich trinken?“ Er verstand grad gar nichts mehr, weder die plötzlich aufgetauchte Heiterkeit von Dai noch die bestimmende Annäherung von Toshiya. Während Dai amüsiert die Schultern zuckte beschwichtigte Toshi ihn in einem ruhigen Ton. „Weil wir reden müssen.“ „Und das hat nicht Zeit bis später?“ murmelte der Kleinere fragend. „Nein, jetzt.“ gab Toshi als Antwort und als Kyo zu einem weiteren Widerstandsversuch Luft holte, schnitt er ihm das Wort ab: „Jetzt sofort. Schließlich solltest du dafür zurechnungsfähig sein.“ Um weitere Fluchtversuche zu unterbinden, zog er ihn vom Hocker und legte fordernd einen Arm um seine Schultern. „Und zwar draußen.“ flüsterte er ihm ins Ohr und dirigierte den Körper des Schwarzhaarigen Richtung Ausgang. „Ist ja gut, ich geh ja schon!“ zickte Kyo ihn an, immer noch leicht mit der Situation überfordert und überhaupt nicht wissend, was diese ganze Aktion eigentlich sollte. Als sie die Vorhalle durchquerten und an den Garderobenhaken vorbeigingen, deutete Kyo auf seine Jacke und schaute fragend zu Toshi auf. Dieser hatte die Augen stur auf den Ausgang gerichtet und sagte ernst: „Die brauchst du nicht, dir wird schon warm werden.“ Spätestens in diesem Moment machte sich ein leicht flaues Gefühl in Kyos Magen breit und er war sich unsicher über das, was ihn erwarten würde. Die ernste Miene seines Freundes verhieß in der Regel nichts gutes und irgendwie bekam er den Verdacht nicht los, dass sich dieser Ernst auf ihn bezog. Er quetschte all seine Hirnzellen nach einem möglichen Anhaltspunkt aus, doch vergeblich. Nachdem Toshi schwungvoll die Glastür öffnete, schlug ihnen die kühle Nachtluft entgegen und ließ beide für einen Moment tief durchatmen. Obwohl es doch recht frisch war, bemerkte Kyo die Temperaturen kaum, zu sehr war er damit beschäftigt, was in Toshi vorging. Und auch dem schien die Kälte nichts auszumachen. In seinem weißen Shirt stehend schloss er die Augen und legte den Kopf leicht in den Nacken. Die Reinheit der Nacht durchfuhr seinen Körper und zeigte sich als ein Schauer von Gänsehaut auf seinen muskulösen Armen. Langsam öffneten sich seine Augen und er ließ den Kopf zu Kyos Seite kippen, fast so, als hätte ihm gerade jemand das Genick gebrochen. Sein Blick durchbohrte Kyos Augen und seine Gesichtskonturen wirkten versteinert und markanter als sonst. „Also.“ drang seine schneidende Stimme zu dem Kleineren, der nun aus unsicheren Augen zu ihm aufblickte. „Was ziehst du hier für eine Show mit Shinya ab?“ Ungläubig starrte Kyo ihn an: „Was is?“ Woraufhin ihn Toshi schief anlächelte und wiederholte, was Kyo beim ersten mal wohl nicht ganz begriffen hatte: „Ich will wissen, wieso du dich so widerlich verhälst.“ Der Schwarzhaarige senkte sein Kinn ein Stück und seine Augen funkelten den anderen bedrohlich an. „Misch dich nicht ein.“ Das war es also, was den Älteren so beschäftigte. Blöderweise teilte Kyo nicht dessen Ansicht und erklärte sich auch nicht dazu bereit, irgendetwas erklären zu müssen. Doch Toshi gehörte zu der Sorte Mensch, die sich nicht abschütteln ließ und schnell auch andere Saiten aufziehen konnten, wenn es die Situation erforderte. Und diese Situation schrie förmlich nach einer Wandlung. Blitzschnell wirbelte Toshiya herum und griff Kyo grob bei den Schultern und warf ihn zu Boden. So schnell konnte der Kleinere gar nicht gucken, wie er sich in dem Kies wieder fand und der aufsteigende Staub in seinen Mund flog. Seine Handflächen scheuerten unsanft über die kleinen Steine und auch an seinen Knien kratzten sie sich durch die Hose. Hustend drehte er sich um und funkelte den anderen finster an: „Sag mal, hast du sie noch alle?!“ rief er erbost und seine überraschend schrille Stimme hallte von den Wänden des Lokalhauses wider. Dann spürte er einen donnernden Schlag an seiner Wange, sodass sein Gesicht Richtung Kies zurückgeschleudert wurde. Toshiya bäumte sich über ihm auf und knurrte dunkel: „Ich hab dir eine Frage gestellt!“ Nach Luft schnappend stierte Kyo auf die dunklen Steinchen unter seinen zu Fäusten geballten Fingern. „Du hast doch den Arsch offen!“ zischte er gegen den Boden und schmeckte etwas Blut auf seiner Zunge. Angewidert spuckte er es aus und versuchte sich wieder aufzurappeln. Der Faustschlag in seinem Gesicht hämmerte von innen gegen seine Schläfen und in ihm machte sich ungeheure Wut breit. Sein Freund hingegen hatte die Arme verschränkt und sah gelangweilt auf ihn herab. Er hatte Geduld gehabt mit seinem Freund, viel Geduld, doch auch die war irgendwann einmal erschöpft und jetzt hatte er die Schnauze voll. Innerlich war er nicht einmal annähernd so aufgebracht wie Kyo, dafür war er einfach nicht der Typ. „Wars das etwa schon?“ gab der im Drecksuhlende von sich und lachte bitter. „Und dafür hast du mich hier raus gezerrt?“ Mit einem verachtenden Blick drehte er sein Gesicht dem anderen zu und spuckte erneut auf den Kies, um ihm zu zeigen, wie gleichgültig er mit der Aktion umging. Anerkennend nickte Toshi und spitzte die Lippen: „Bist ja doch ganz fit, mein Kleiner. Dann können wir ja weitermachen.“ Ein eiskaltes Lächeln gefror auf seinen Lippen und löste einen Anflug von Unsicherheit in Kyo aus. Dass Toshi und er sich gelegentlich kräftemessend gegenüberstanden war nichts Neues, doch dieses mal war es viel ernster, als je zuvor. In dem Großen machte sich ein angenehmes Hochgefühl breit und Adrenalin kroch durch seine Venen und ließ sein Herz schneller arbeiten. Diese Abreibung hatte der sture Bock seiner Meinung nach schon lange verdient und es bereitete ihm ungemeines Vergnügen, sie ihm persönlich verpassen zu können. „Na los doch, steh auf! Oder fühlst du dich wohl im Dreck?“ fragte er ihn gespielt freundlich und machte eine auffordernde Gestik mit der Hand. Seine Augen funkelten ihn provozierend an, während sich die Mundwinkel immer weiter zogen, bis seine weißen Zähne hervorblitzten. Kyo schüttelte verärgert den Kopf und sah ihn immer noch bösartig an: „Willst du unbedingt, dass ich dir eine aufs Maul haue, oder was?“ In seinen Gliedern kribbelte es und mittlerweile schoss ebenso viel natürliches Aufputschmittel durch sein Blut, wie bei seinem Freund. „Dazu musst du erstmal rankommen.“ lockte ihn der Ältere und wippte anzüglich mit einer Augenbraue. Ihm war bewusst, dass er seinen kleineren Freund nicht zu unterschätzen hatte, doch er wusste ebenso, dass er ihm kräftemäßig überlegen war, solange Kyo nicht komplett austickte. Schwerfällig hievte sich Kyo auf die Beine und rieb sich den Kiefer, die Augen nicht von Toshi lassend: „Du hast nen ganz schönen Schlag drauf.“ murmelte er, doch es klang eher wie ein Vorwurf statt nach einem Kompliment. Toshi lachte kurz auf und rieb sich dann das Handgelenk: „Und du nen ganz schönen Dickschädel, aber was anderes hatte ich auch nicht erwartet. Irgendwas muss ja die Masse in deinem Kopf füllen, selbst wenn es nur Knochen sind.“ Das müsste eigentlich reichen um den Kleinen aus der Reserve zu locken, doch der stand immer noch lauernd da und machte keine Andeutungen ihn angreifen zu wollen. Gut, dann musste Toshi deutlicher werden. Mit übertriebener Arroganz strich er sich eine gelöste Haarsträhne hinter sein Ohr und meinte beiläufig: „Wer hat eigentlich bei euch die Hosen an? … nein, warte, sags mir nicht!“ Nachdenklich legte er einen Finger an seine Lippen und schlussfolgerte: „Shinya, hab ich recht? Du bist doch eher der verweichlichte Typ…“ Dann sah er nur noch den rot schwarzen Schopf von Kyo auf sich zurasen und schon hatte er einen kräftigen Schlag in die Magengrube kassiert. „Sag das noch mal, du Wichser!“ zischte er ihm drohend ins Ohr, als Toshi luftschnappend seinen Körper nach vorn beugte und kurzzeitig Sterne aufleuchten sah. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Tut mir leid, dass es wieder so lange dauerte, mein PCwar zwei Wochen deffekt. Kommis? Kritik? Eigentlich war es nicht geplant, dass Toshi so grob wird, er hat sich einfach verselbstständigt XD. Aber seid ehrlich, irgendwie steht es ihm doch, ne? Kapitel 20: ~Für immer dein~ ---------------------------- Wenn Kyo zuschlug, dann richtig, doch Toshis ausgeprägte Bauchmuskeln konnten den Schlag etwas abdämpfen. Er legte kurz seine Stirn auf Kyos Schulter ab, japste immer noch nach Luft und grinste triumphierend in sich hinein. An seinem Ohr konnte er den schnellen Atem seines Freundes hören und hob langsam den Kopf, aber nur so weit, bis er Kyos Profil einsehen konnte. „Du bist ein weichlicher Typ.“ wiederholte er trotz der Warnung seine provokante Aussage. Wie in Zeitlupe wand Kyo ihm sein wutverzerrtes Gesicht zu und drückte seine Faust ein Stück fester in die angespannte Bauchdecke des Größeren. Aufkeuchend erwiderte Toshiya den starren Blick, doch sein inneres Lächeln drang nach außen und ließ den ernsten Blick schwinden. Das andere Augenpaar jedoch schmälerte sich gefährlich und Kyo knurrte: „Gleich noch mal, oder wie?“ Das überhebliche Grinsen ärgerte ihn und ließ seine Wut ins Unermessliche steigen, während der Geruch von Toshis vertrauter Kleidung im starken Kontrast zu dessen Handlung stand. Dieser Widerspruch verwirrte ihn für einen Augenblick, in welchem er zögerte und der Ältere nutzte ihn bewusst. Flink erhob er sich und griff nach der zur Faust geballten Hand an seinem Magen. Das Handgelenk fest umklammert drehte er es auf Kyos Rücken. Mit so einer schnellen Reaktion hatte dieser nicht gerechnet und bekam nur ein verzweifeltes Keuchen heraus. Mit der anderen Hand griff Toshi grob in den gefestigten Nacken des Kleineren und schob ihn ein Stück an der Hauswand vorbei, bis sie um eine Ecke bogen, die abseits des Ausganges lag. „Toshiya, was soll der Scheiß?!“ drang es wutschnaubend aus Kyos kräftiger Kehle, doch für einen weiteren Ausruf blieb ihm die Luft weg, als der Große ihn stürmisch an die abgelegene Hauswand drückte. Die raue Oberfläche gravierte sich unangenehm in Kyos Brust und er biss die Zähne zusammen. Mit der freien Hand versuchte er sich etwas von der Hauswand weg zuschieben und einen kleinen Abstand zwischen die ausstehenden Beulen und Ecken und seinen Oberkörpers zu bekommen, doch dieser Versuch wurde schon im Keim erstickt. Der wohlriechende Weichspüler drang erneut in Kyos Nase, als er den straffen Leib des anderen an seinen Rücken gepresst wahrnahm. Sein Atem stockte und Verwirrung begann die Wut zu verdrängen. „Und jetzt noch mal.“ flüsterte ihm Toshi dicht ins Ohr. „Warum verhälst du dich Shin gegenüber wie der letzte Arsch?“ Es herrschte Schweigen und Kyo hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als nach dieser Aktion noch ein Wort mit dem anderen zu sprechen. Dann wurde die Stille plötzlich durch heiteres Lachen zerfetzt und Toshi beugte sich schnell tiefer und gab ein mahnendes „Schhhhht!“ von sich. Doch es war nur ein laut lachendes Paar, das so eben die Bar verließ und sich in ausgelassener Stimmung befand. Jetzt hielt auch Toshi den Atem an, doch die schlürfenden Schritte auf dem Kies entfernten sich genau in die Gegenrichtung. Entspannt atmete Toshi aus und auch Kyo schloss erleichtert die Augen. Der Ältere erblickte das verdrehte Gelenk in seiner Hand und die andere, welche sich hilflos in das Mauerwerk krallen wollte. Der Anblick missfiel ihm nicht unbedingt, es war schon recht interessant wie schnell er den kleinen Sturkopf relativ fügig bekam und ihn so ausgeliefert vor sich sah. „Weißt du eigentlich was du für ein Glück mit ihm hast?“ flüsterte er ihm erneut ins Ohr und ließ seinen warmen Atem absichtlich über die Ohrmuschel fahren. Der Schwarzhaarige schauderte für einen Moment und biss sich immer noch verärgert auf die Lippen. „Das geht dich nichts an!“ zischte er und konnte ihm Augenwinkel Toshis Gesicht sehen, dass sich nah an seinem befand. Daraufhin glaubte er ein amüsiertes Lächeln auf dem leicht geöffneten Mund gesehen zu haben. „Du irrst dich.“ widersprach ihm Toshi und seine Stimme hörte sich wirklich nicht mehr ganz so ernst an. Der feste Griff in Kyos Nacken löste sich langsam und Kyo wollte sich schon entspannt zurückdrehen, doch Toshi drückte seine obere Körperregion fast noch fester an ihn. „Ihr seid meine Freunde und ihr bedeutet mir beide etwas …“ Jetzt konnte Kyo den heftigen Herzschlag von Toshi an seinem Rücken spüren, trotz seiner Hand, die sich noch zwischen ihm und dem anderen befand. „…du mir sogar noch mehr.“ Bei diesem Satz gefror Kyo das Blut in den Adern und er registrierte Toshis Handfläche, die zögernd an seiner Seite vorbei strich. „Toshi! Was wird das?“ fragte er kleinlaut, zu mehr war seine Stimme nicht fähig. Doch der andere antwortete nicht auf diese Frage: „Ich mochte dein widerspenstiges Wesen schon immer, Kyo. Das Feuer in deinen Augen, das Temperament in deinem Herzen und die Leidenschaft in deiner Seele. Und natürlich die Kraft, die diesem kleinen Körper innewohnt.“ Seine Stimme wurde rauer, während die Hand an der Hüfte angelangt war und sich die ersten Finger unter Kyos Hemd schoben. „Toshi …“ nuschelte er: „…was tust du?“ Doch die Antwort darauf wusste der andere selbst nicht. So war das nicht geplant, er wollte Kyo eigentlich nur mächtig zusammen stauchen, stattdessen tauchte ein ganz anderes Gefühl auf. Nein, es war kein Gefühl, es war eine Gier, die er schon seit Jahren im Verborgen hielt. Aber nun schien sie stärker als alles andere zu werden. Die Augen des Kleineren waren starr in die Dunkelheit gerichtet und in seinem Kopf drehte sich alles. Der heiße Atem Toshis senkte sich und wehte nun über Kyos Hals. Zärtlich schoben sich die Finger mehr unter Kyos Hemd und tauchten schließlich in den Hosenbund ein. Ein gequältes Seufzen entwich dem Schwarzhaarigen ehe er angestrengt den Mund öffnete: „Hör auf damit! Toshiya, hörst du?“ „Wärst du nicht so hart mit ihm umgegangen, müsste ich das nicht tun. Vielleicht lernst du dadurch, was du an ihm hast.“ war die gehauchte Antwort. Die aufsteigende Wärme aus der unteren Körperhälfte des Schwarzhaarigen schoss über Toshis Fingerspitzen direkt in sein Hirn. „Du machst einen Fehler! Verdammt, lass mich los!“ rief Kyo jetzt etwas lauter und der Kampf mit seinen Tränen, aus Wut und Hilflosigkeit, begann. Doch sein Flehen schien nicht bei dem Großen anzukommen. Seine Hand versank nun gänzlich in der Boxershorts und ließ ein leises Keuchen über Toshis Lippen streifen. „Toshiya! Lass die Finger von ihm!“ ertönte plötzlich eine andere Stimme und Toshi zuckte zusammen. Kyo erkannte diese Stimme augenblicklich und schluckte trocken. Sofort zog Toshi seine Hand zurück und ließ nun komplett von ihm ab. Er tappte ein paar Schritte nach hinten und sah Shinya ernst an. Daisuke stand neben ihm und starrte auf das Szenario, welches sich so eben noch abgespielt hatte. „Sagt mal, was geht denn hier?“ fragte er fassungslos und schaute von Toshi auf den schwarzen Hinterkopf des Kleineren. Dieser hob langsam seine Hand und fühlte kurz den zerrenden Schmerz in seiner Schulter, ehe er sich von der Wand abstützte und sein Gesicht den anderen beiden zuwand. Der Anblick des Kleineren war irreführend, es war eine paradoxe Mischung aus Zorn, Trauer und einem Funken Erregung. Shinya öffnete die Lippen und setzte an, etwas zu sagen, doch dann schloss sich sein Mund wieder. Nur seine Augen sprachen den Vorwurf aus, der ihm auf der Zunge lag und sich gegen Kyo und Toshiya gleichermaßen richtete. Der finstere Blick blieb auf dem Älteren ruhen, der grinsend den Kopf schieflegte. „Was ist euer Problem? Wir haben uns nur unterhalten.“ Beschwichtigend hob er die Hände um seiner Aussage die nötige Entschuldigungsgeste zu schenken. Während Dai verächtlich schnaubte und den Kopf schüttelte, war es Shinya, der auf Toshi zuging. Ungefähr eine Armlänge vor ihm blieb er stehen und sah entspannt in das plötzlich unsichere Gesicht. „Unterhalten.“ Wiederholte er gedehnt und schob gespielt nachdenklich die Augenbrauen zusammen. „Hm ... seltsam, wenn du dich mit uns unterhalten hast, drang nie deine Hand in unsere Hose.“ Fragend sah er zu Dai, der ihm mit offenem Mund ansah und beinah die Jacken der Freunde, die er in seinen Armen hielt, fallen ließ: „Oder kannst du dich an solche Gespräche erinnern?“ Die erste Überraschung verarbeitet schüttelte der Rotschopf nun heftiger seinen Kopf. Dass der Blonde gleich so direkt wurde, hatte keiner erwartet und so stand auch Kyo unschlüssig an der Wand und sah von einem der Größeren zum anderen. Trotz des gelassenen Gesichtsausdruckes war es dennoch eine klare Anschuldigung, die Toshi von ihm zu hören bekam und ihm stockte der Atem. „Ich glaube, du hast da was missverstanden.“ Versuchte er lächelnd abzuwehren, doch es war weder sonderlich überzeugend noch gab es wirklich etwas misszuverstehen. Der Blonde würgte seinen sinnlosen Verteidigungsversuch ab, indem er ihn mit einem enttäuschten Blick strafte, der seine Wirkung nicht verfehlte. „Lass gut sein.“ Kam es nun aus Dais Richtung. „Vergessen wir es. Das wird das Beste für alle sein.“ Shinya nickte schwach und löste dann seinen strengen Blick von Toshis gesenktem Kopf. „Wir sollten gehen, Kyo.“ Sagte er ruhig, schritt an dem Schwarzhaarigen vorbei und nahm Dai die Jacke des Kleineren ab. Dieser war immer noch völlig neben sich und setzte sich in Bewegung, der Aufforderung Folge zu leisten. Der Ältere hingegen blieb unbewegt stehen und sah den beiden nach, dann bemerkte er Daisuke, welcher sich ebenfalls nicht von der Stelle gerührt hatte. „Los, Großer. Beweg deinen Arsch.“ Murmelte er tonlos. Nachdem Shinya und Kyo außerhalb der Seh- und Hörweite waren flüsterte Toshiya leise: „Das wollte ich nicht ...“ und sah Dai reumütig an. „Das sagst du dem Falschen.“ War die gefühlskalte Reaktion des Rotschopfes, der ihm leicht den Rücken kehrte und einen auffordernden Blick über die Schulter zuwarf. Mit hängenden Armen trat nun auch er den Heimweg an, den er teils mit Dai laufen würde. Zwischen den beiden Freunden herrschte einige Minuten Stille und der Rotschopf zündete sich eine Zigarette an. Genießend stieß er den blauen Dunst gegen den schwarzen Himmel und drehte dann sein Gesicht in die Richtung des anderen. „Alter, was hast du dir dabei gedacht?“ fragte er mit einem tadelnden Unterton. Der Angesprochene zuckte deprimiert mit den Schultern und suchte zögernd nach Worten. „Ich weiß es nicht ... ganz ehrlich ... ich hab keinen Plan. Es kam einfach über mich.“ Mit gespitzten Lippen wurde er von dem anderen gemustert. „Aha, du gerätst doch sonst nicht so aus deiner Fassung.“ „Ja, ich ... plötzlich hatte ich die Kontrolle verloren .... das wäre mir sonst nie passiert, doch bei Kyo ... es war, als hätte ich einem lang wartenden Drang nachgegeben.“ Für eine Sekunde stand die Welt still und hielt lauschend ihren Atem an. „Willst du damit andeuten, dass du schon immer auf Kyo ...“ Daisuke brach ab, das wehmütige Gesicht seines Freudes gab ihm die Antwort auf die noch nicht komplett gestellte Frage. Und er konnte ihn verstehen. Ja, er fühlte sich ähnlich. „Wir sitzen im selben Boot.“ Wisperte er und Toshis stutziger Blick wanderte zu ihm. Doch dann klickte es auch bei ihm und ein zaghaftes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Hm ... wir sind beide völlig durch.“ Fügte er kleinlaut hinzu, doch Dai widersprach ihm. „Vergiss es, ich hab mich wenigstens im Griff.“ Zu seiner Verwirrung musste Toshi plötzlich lachen und rollte seine Augen. Mürrisch sah Dai ihn an: „Wo war da jetzt der Witz?“ fragte er knurrend und kräuselte leicht ärgerlich die Stirn. Relativ zügig kriegte Toshi sich wieder ein und sah auf ihre Füße, die knirschend über den Kiesweg marschierten. „Nun ja ... unser Kaoru hat mir da vorhin etwas anderes erzählt.“ Abrupt blieb der andere stehen und sein Blut schoss ihm ins Gesicht und verpasste ihm einen verräterischen Rotstich. Nun verhallten auch die Schritte des Dunkelhaarigen, als er zum Stehen kam und sich langsam umdrehte. Das eingeschlagene Gesicht von Daisuke rang ihm ein erneutes Schmunzeln ab. „Er ... hat dir davon erzählt?“ drang die vorsichtige Frage zu ihm und Dais Lippen begannen unrhythmisch zu zucken. „Er hat es angedeutet, doch deine Reaktion hat mir so eben den Rest mitgeteilt.“ Gab Toshi fast schon fröhlich als Antwort, ehe er auf ihn zuging und ihn einen Arm um die Schultern legte. „Also doch gleiches Boot.“ Bestätigte er sanft und zog ihn dann mit sich. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Tut es weh?“ Völlig aus meinen Gedanken gerissen sah ich fragend zu Shinya auf. „Tut was weh?“ Hinterfragte ich verständnislos und betrachtete das abgewandte Gesicht meines Begleiters. Ohne mich anzusehen antwortete er ruhig: „Deine Wange, sie sieht geschwollen aus.“ Aufatmend griff ich an meinen Wangenknochen und zog scharf die Luft durch die Zähne, als ich den pochenden Schmerz heraufbeschwor. „Nein, überhaupt nicht.“ Gab ich möglichst trocken zurück. Was mir wirklich weh tat, war die abweisende Stimmung zwischen uns. Mit einem Seufzen ließ ich das Kinn hinter meinem Jackenkragen verschwinden und starrte die vorüberfliegenden Steinplatten unter unseren Füßen an. Als wir in die Seitenstraße zu Shinyas Wohnung einbogen, fragte ich mich erstmals, wie wir überhaupt hier hergekommen waren. Hatten wir ausgemacht zu ihm zu gehen? Dann sah ich nur noch den hellen Stoff von Shinyas Mantel nah vor mir und wäre fast in ihn hineingerannt. Noch bevor mir ein fluchendes oder erschrockenes Wort über die Lippen flüchten konnte, blieben sie mir im Halse stecken. Kalte Finger legten sich auf die schmerzende Stelle und die dunklen Augen sahen unterkühlt auf mich herab. „Bei eurer ... Auseinandersetzung ... muss es ja heftig zugegangen sein.“ Mutmaßte er in einer relativ monotonen Stimmlage. Ich reagierte nicht, wozu auch, Shinya hatte sein eigenes Bild von dem Verlauf der Handlung zwischen mir und Toshi. Es zuckte in meinen Fingern, ich hätte ihn am liebsten an mich gerissen und ihm gezeigt, dass alles ganz anders war, als er es annahm. „Oben habe ich etwas zum Kühlen.“ Seine Berührung löste sich in einen kaum spürbaren Windzug auf und ich folgte ihm ohne weitere Worte. In seiner Wohnung angekommen legten wir stumm unsere Schuhe und Jacken ab, dann verschwand er auch schon in der Küche und beugte sich zu seinem Kühlschrank hinunter. Kurz darauf schloss er ihn wieder und hielt transparente Gelkissen in seiner Hand. Er drückte sie mir wortlos an die Brust und ich zuckte unter der plötzlichen Kälte zusammen. Dann griff ich nach ihnen und sah sie nachdenklich an. „Warum gleich drei?“ Shinyas Augen hatten immer noch diesen harten Ausdruck, als er mit seinen Fingern nach unten deutete. „Für deine Knie.“ Und schon kehrte er mir wieder seinen Rücken und ging ins Schlafzimmer. „Ich hol dir frische Sachen.“ Was ging hier ab? Wieso schmerzte es so wahnsinnig, diese Eiseskälte zu spüren, die nicht nur aus meinen Händen kam? Ich ging ins Bad und schloss leise die Tür. Der Blick in den Spiegel war erschreckend und ich klammerte mich an einem der Griffe des Spiegelschrankes fest. Dann wurde meine Aufmerksamkeit von dem Inhalt des kleinen Holzschrankes abgelenkt. Mein Schädel brummte, vor allem der Wangenknochen. Schön geschwollen, ich sah aus wie nach einer Weisheitszahn-OP. Bevor ich mich versah, hielt ich eine der kleinen weißen Packungen in der Hand und las die Aufschrift. Der Rest lief automatisch, der Griff zu dem kleinen Wassergefäß und dann die runde kleine Pille zwischen den Fingern. Mit einem abschätzenden Blick sah ich mich erneut im Spiegel an und hätte mich am liebsten auf der Stelle übergeben. Es knisterte leise, während ich weitere Pillen aus der silbrigen Palette drückte. Das Wassergefäß war schnell gefüllt und die Tabletten spürte ich gar nicht, als sie meinen Rachen hinunterströmten. Den leeren Becher stellte ich zurück auf das Waschbecken und atmete tief durch. Jetzt fiel mir auf, dass die Palette leer war, jede Kapsel hatte einen aufgebrochenen Rücken. Einen Blick in die Packung werfend stellte ich fest, dass sich noch eine weitere Palette in ihr befand. Zögernd zog ich sie heraus und meine Fingerkuppen glitten über die Aufschrift auf der Rückseite, die eine hohe Dosierung kennzeichnete. Muss ich wohl überlesen haben. Das leise Rauschen des Wasserhahns echote von den gefliesten Wänden, als der zweite Becher gefüllt wurde. Shinya hatte schon früher Probleme beim Einschlafen gehabt, darum besaß er auch einen fast unnormalen Vorrat an den weißen Schlafhilfen. Die Packungen stapelten sich bereits in dem Schränkchen. Irgendwann hörte ich das vorsichtige Klopfen an der Badtür und im nächsten Moment stand Shin vor mir. Die mitgebrachte Kleidung legte er auf die Waschmaschine und sah dann prüfend in mein Gesicht. „Warum weinst du?“ hörte ich seine sorgende Stimme, welche nun viel wärmer als vorher klang. Ich weine? Zittrig tastete ich meine Wangen ab, spürte nicht einmal mehr den Schmerz der geschlagenen Seite. Tatsächlich, ich steh hier und heule, mal wieder. „Vielleicht zum letzten Mal ...“ krächzte ich heißer. Was war mit meiner Stimme los? „Kyo?“ seine Stimme klang schmetternd und seine Finger griffen grob nach meinem Kinn: „Sie mich an! Kyo, verdammt, sieh mich an!“ Mach ich doch! Hör auf so zu schreien. Schwerfällig zog ich mich aus seinem Griff und wollte zurückweichen, als mir plötzlich die Beine versagten und ich mich am Waschbecken abstützen musste. Was war denn jetzt los? Wieso kann ich nicht einmal mehr stehen? Es flimmerte vor meinen Augen. Mein Kreislauf? Nein, es war die silbrig glänzende Tablettenpackung, die Shinya vor mein Gesicht hielt. Gott. Sein Gesicht war so wunderschön ... aber so voller Kummer. „ ... wie viel?“ Mit flatternden Augenlidern sah ich ihn an, wollte Luft holen, doch er schnitt sie mir ab. „Ich hab dich gefragt, wie viel du davon genommen hast?!“ Seine Stimme war merkwürdig verzerrt. Dann fühlte ich seine klammernde Hand um mein Gelenk, als sich plötzlich die Fliesen bewegten. „Genug ..." hauchte ich, doch wo war Shinya plötzlich? Ich spürte seine schlanken Arme um meine Brust und den kalten Boden an meinem Hintern. Ach, da. Ich lächelte ihn an, dann schmeckte ich das Salz meiner Tränen, die mir in kleinen Bächen über die Haut und in die Mundwinkel liefen. „Du bist ... wunderschön.“ Flüsterte ich und er strich mir über das feuchte Gesicht. Sein Herzschlag unter meinem Kopf ging merkwürdig schnell und ich legte mein Ohr etwas fester an seine Brust. „Warum?“ hauchte mir seine flehende Stimme ins Haar und ich blinzelte ihn an. Seine Augen schwammen in seinen Tränen und die dichten Wimpern gaben sie schließlich frei. Wie Kometenschweife rannten sie über die Oberfläche. „Damit ich dich ... nicht mehr enttäusche.“ Er schluchzte und seine Brust bebte unter mir, als er stoßartig atmete. „Das kannst du doch nicht machen, Kyo. Bitte!“ Seine Sehnsucht konnte ich aus jeder seiner Hautporen riechen und seine Angst. „Lass mich nicht allein. Bitte, lass mich nicht allein!“ So verzweifelt hatte ich ihn noch nie erlebt. Meine Hand hob sich trotz der niedereißenden Schwerkraft zu ihm empor. Doch ich schaffte es nicht, seine Lippen zu berühren, nicht einmal seinen Hals. „Komm ... mit mir.“ Flüsterte ich, während sich seine Augen weiteten und die vollen Lippen bebten. Ich schob meine andere Hand über meinen Bauch und öffnete sie. „Lass uns zusammen sein ... für immer.“ Dann glitten seine kühlen Finger über meinen Bauch und nahmen mir die zweite Packung aus der Hand, die ich wohl unbewusst aus dem Schrank genommen hatte. Kopfschüttelnd blickte er von der Packung in mein Gesicht. „Das kannst du nicht ernst meinen.“ Hauchte er, doch mein angedeutetes Nicken gab ihm die Antwort. „Wenn wir hier nicht zusammen sein können, dann vielleicht … in einer anderen Welt.“ Wisperte ich trocken und schloss die Augen, woraufhin sich ein weiterer Schwall über meine Wangen ergoss. „He! Nicht einschlafen!“ rief mich die plötzlich so zittrige Stimme meines Herzens, doch es war Shinya, der die pochenden Worte sprach. Müde schaute ich zu ihm auf und tippte gegen die Schachtel in seiner Hand. Und während sich unsere Augen gegenseitig ertranken, öffnete er die Schachtel und zog eine Palette heraus. Ohne den Blick von mir zu wenden, löste er eine Tablette nach der anderen aus der knisternden Hülle. Die flache Atmung von Shinya stieg zu einem aufgelösten Stoßen an und sein ganzer Körper zuckte unter mir. „Ich liebe dich.“ Sprach er so fest er konnte: „Und ich möchte mit dir zusammen sein… in alle Ewigkeit …“ Als er blinzelte lösten sich weitere Perlen aus seinen dunklen traurigen Augen, doch er schob sich unbeeindruckt eine Pille nach der anderen zwischen die Lippen. Meine Lider wurden schwer und ich konnte ihn nur noch in immer kürzer werdenden Abständen sehen. Liebevoll griff seine schlanke Hand nach meiner und unsere Finger bildeten kleine verhakende Kreuze. „Ich … liebe dich auch.“ Brachte ich murmelnd hervor und bekam als Antwort seine warmen zuckenden Lippen. Mühsam erwiderte ich den Kuss und lächelte unter den streichelnden Berührungen seiner Haarspitzen auf meiner Stirn. Sein stetiges Schluchzen bettete mich in meinen Schlaf und trieb mich von den kalten Fliesen in verschlingende Finsternis. „Für immer.“ Hörte ich ein letztes Mal seine sehnsüchtige Stimme an meinem Ohr und seufzte tief auf. Bis gleich, auf der anderen Seite. Danke, Shinya … nun bin ich für immer dein. Oder auch nicht. Und ich schwöre, wenn ich in dem Moment gewusst hätte, dass mich Shinya aus der Finsternis zurückzerren würde und dass er selbst niemals vorhatte mit mir zu gehen, hätte ich das Bad abgeschlossen … Doch das ist eine andere Geschichte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sumimasen ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)