Kora no Kitai von Vei-Chan (Kinder der Hoffnung) ================================================================================ Prolog: Überlebt ---------------- Der aufgewirbelte Staub hatte sich langsam gelegt und nur blass schimmerte das Sonnenlicht durch die dichten, dunkelgrauen Wolken. Totenstille herrschte, die nur durch das gelegendliche Tropfen von Wasser und von herunterbröselnden Steinen der Ruinen gestört wurde. Es stank an diesem Ort. Der Geruch von Tod stand wie manifestiert in der Luft und keine Pflanze hatte das Unglück überlebt; der Boden, gespickt mit Kratern, war braun und kein einziger grüner Fleck erhellte die Landschaft. Die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlte, hatte etwas Beängstigendes. Ein leichter Wind wehte über die kahlen Steine der zerstörten Gemäuer und die nackten Oberflächen glänzten fahl im rauchigen Licht der selten hindurchdringenden Sonnenstrahlen. Es war leer an diesem Ort. Sie alle waren geflohen oder - was die Mehrheit betraf - bei dem Unglück ums Leben gekommen. Vielleicht waren noch einige verschüttet und erstickten gerade zwischen den schweren Resten ihrer Häuser, aber außer den Trümmern, der Stille und einem Gefühl endloser Einsamkeit war nichts mehr von Konoha-Gakure übrig geblieben. Jeder Windhauch wehte wieder ein wenig Sand und Asche auf, von wem niemand wusste, von woher er kam und wie weit er gereist war. Ein leises Donnergrollen erfüllte die Luft und hallte an den kahlen Steinen wider. Ein Blitz und ein erneutes Scheppern - und dann kehrte wieder diese einsame Ruhe ein, die ein so beklemmendes Gefühl im Innern jeder Seele verursachen vermochte. Der Schmerz in seinem Körper war nach wenigen Minuten verebbt und jenes Nachlassen bewegte ihn dazu, eines seiner Augen zu öffnen. Nur langsam kehrte der Glanz in die schwarze Iris zurück, die Wimpern seiner Augen waren verklebt von Staub und Dreck. Flüchtig, ja fast ängstlich durchsuchte jenes schwarze Auge die Umgebung nach eventuellen Gefahren oder Hilfen, aber bald hatte der Mann begriffen, dass es hier nichts mehr gab. Langsam setzte er sich auf und musste sich dabei mit beiden Händen abstützen, die er sich allem Anschein nach verstaucht hatte. Seine Beine zitterten so stark, dass er es sogar im Sitzen spürte. Er hob seine Hände und besah sie sich. Zwar waren seine Finger unversehrt, so hatte die Druckwelle doch seinen Handflächen klaffende Schnitte zugefügt. Vielleicht auch von spitzen Steinen oder dem Aufprall - er wusste es nicht, aber es war auch nicht wichtig. Wichtig war, dass er so gut wie unverletzt überlebt hatte. Er konnte sein Glück kaum fassen, hatte er sich doch zufällig möglichst weit weg vom Herd der Explosionen befunden, doch dann kam ihm der Gedanke, ob er nicht lieber hätte sterben sollen. Abermals huschten seine Augen - jetzt beide geöffnet - über das, was von seiner Heimatstadt übrig geblieben war. Trauer erfasste seinen Leib und schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte nicht nur Konoha verloren sondern auch seine Freunde, mit denen er sein ganzes Leben verbracht hatte. Er war kein Mann großer Gefühle. Tränen waren an diesem Ort fehl am Platz... Denn hier gab es nichts mehr. Zittrig erhob er sich. Er war müde und es wäre sicher gut gewesen, hätte er sich hingelegt und geschlafen - aber solch ein Unglück zog Plünderer an. Er musste sich damit abfinden, dass Konoha nun dem Rest der Welt glich. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder zu stehen. Seine Handgelenke pulsierten und er entledigte sich den zerrissenen Resten seiner Handschuhe und seiner Weste. Das, was er darunter trug - eine schwarze Hose und ein dunkelblauer Pullover - war offenbar erfolgreich von seinem Umhang geschützt worden, welchen er seit seinem Erwachen nicht mehr gesehen hatte. Noch immer waren seine Oberschenkel weich, die Muskeln reagierten kaum auf die Befehle, die er ihnen gab. Er setzte langsam einen Fuß vor den Anderen und bewegte sich weg von den Ruinen. Sein Rücken brannte. Anscheinend hatte er auch dort eine Wunde. Einige Minuten lang hinkte er auf dem rechten Bein etwas, danach pendelte es sich wieder ein und er konnte sich zumindest normal bewegen. Sein Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht, da er sein Stirnband verloren hatte und mit einem Strich hindurch befreite er es vom gröbsten Staub. Er hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte. So wie hier sah es mit Sicherheit auch woanders aus. Es gab niemanden seiner Freunde, der in diesem Moment auf einer Mission war und das Unglück überlebt haben konnte. Dachte er zumindest und deshalb beschloss der junge Mann, durch die Trümmer des Dorfes zu gehen und nach Überlebenden zu suchen. Sein Kopf schmerzte, aber es war seit seinem Erwachen bereits besser geworden, was seine Verwunderung über seine Unversehrtheit ein weiteres Mal verstärkte. Innerhalb des Dorfes war es noch schlimmer als dort wo er erwacht war. Es dauerte nicht lange, bis er den Herd der Explosion erkannte; es war das Anwesen des Hokage. Das Gebäude war oben komplett abgesprengt worden und hatte sich geöffnet wie die Blüte einer Blume. Ihm wurde schlagartig klar, dass es hier keine Überlebenden geben konnte. Blut klebte an den Wänden, aber von Leichen war höchstwahrscheinlich auch nichts mehr übrig. Er machte sich auf den Weg zurück. Ziellos würde er erst einmal nach einer neuen Bleibe suchen, die er, so dachte er, sowieso nicht finden würde. Aber es war besser als hier zu bleiben und sich von den Plünderern töten zu lassen - auf einen Kampf könnte er sich jetzt nicht einlassen. Den Schmerz in seinen Händen konnte er aufgrund seiner geringen Stärke ignorieren, aber seine Muskeln waren so schwach, dass ein höherer Sprung ihm beim Aufkommen wahrscheinlich die Beine brechen würde. Er brauchte Ruhe. Als er gerade die Trümmer verlassen und sich auf den Weg machen wollte, knackten einige Steine hinter ihm inmitten der zerbrochenen Häuser. Der Mann blieb stehen. Er hatte sich absichtlich nicht lange aufgehalten und konnte sich nicht vorstellen, dass es Plünderer bereits bis hierher geschafft hatten, aber möglich war alles. Er drehte sich um und sah in die Steinhaufen, erspähte aber nichts. Lautlos seufzend drehte sich die angeschlagene Gestalt um, aber da ertönte abermals dieses Geräusch. Schließlich ging er auf den Laut zu und seine Ohren führten ihn um eine noch stehende aber gefährlich im Wind wankende Steinmauer herum. Als er um die Ecke kam und den Teil sah, der sich dahinter befand, stutzte er. Ein Kind stand vor ihm. Sein dunkelgrünes Haar fiel ihm strähnig um die Schultern, seine Beine zitterten und es presste sich in Todesangst vor ihm an die Mauer. Er, der vollkommen verwundert darüber war, dass ein Kind dieses Unglück überlebt haben konnte, starrte das Mädchen in den ersten Augenblicken nur an. Die blauen Augen des Kindes schauten voll von Misstrauen und Furcht zurück, aber er erkannte einen rebellischen Schimmer darin, der sein Herz krampfen ließ. Langsam trat er auf das Mädchen zu - es war höchstens neun - und kniete sich dann vor ihm nieder, sodass sie beide etwa auf gleicher Höhe waren. Der Glanz in den Augen des Kindes verstärkte sich, als ein leichter Sonnenstrahl der Wolkendecke entkam. "Keine Angst...", flüsterte er dem Kind zu, "Ich will dir nichts tun..." Das Kind antwortete nicht, drückte den Rücken nur fester gegen die knackende Mauer und suchte kurz mit den Augen einen Ausweg, fand aber keinen. Er streckte dem Mädchen seine Hand entgegen. "Das ist kein guter Ort hier...", sagte er leise, um sie durch seine tiefe Stimme nicht zu verschrecken, "Komm mit..." Einige Sekunden vergingen, in denen sich die Blicke der beiden trafen. Das Misstrauen in dem des Kindes wich nicht, doch machte sich, als es ihn länger gemustert hatte, ein Weichheit darin Platz, die nur ein Kind aufbringen konnte. Nach einigem Zögern legte das Mädchen seine Hand in die des Mannes, die so viel kleiner war als die Seine. Kapitel 1: Hier und jetzt ------------------------- Dieser Tag war nun sieben Jahre her. Sieben Jahre, in der das trostlose Leben nach Konohas Zerstörung weitergegangen war. Die Zeit hatte es nicht gut mit den beiden gemeint, denn der Verlust ihrer Heimatstadt war erst der Anfang gewesen. Allmählig hatte sich die Welt in einen kalten, nackten Fleck verwandelt, auf dem man nur noch mit viel Fantasie etwas Schönes entdecken konnte. Dunkle Wolken hingen zumeist über den Länderein, denn die neuartigen Fabriken und ihr Produktionswahn stießen so viel grauen Dunst aus, dass dieser den Himmel verklärte. Auch das Wasser aus der Wildnis war nur noch selten zu gebrauchen, verschmutzt und verpestet durch Staub, Abfall und Totes. In den Jahren waren die Tiere verschwunden, geflohen vor den Chakrabomben, den Armeen oder eingegangen, da ihr Lebensraum verdorrt war. Wälder gab es kaum noch. Kleine Anhäufungen zumeist blätterloser Bäume konnte man als diese bezeichnen, aber grelle, bunte Farben von Gras, von Blumen, von Schmetterlingen oder vom Sonnenlicht erspähte man nicht selten wochen- oder monatelang nur wenige Male. Es war als wusste die Natur über die katastrophalen Zustände zwischen den Ländern bescheid. Wer genau mit diesem Krieg angefangen hatte wusste niemand. Es war Ame-Gakure gewesen, dessen Kommunikationsnetz zuerst einfach abgebrochen war. Kakashi selbst hatte man zur Prüfung der Umstände dort hingeschickt - und der silberhaarige Jo-Nin hatte nichts als einen Trümmerhaufen vorgefunden. Ame-Gakure hatte man dem Erdboden gleichgemacht. Wenig später folgten in kurzen Abständen alle weiteren Reiche - erst die Kleinen, dann schließlich die Großen. So lange, bis es Konoha erwischte. Tatsächlich wusste Kakashi nicht, ob jemand und wenn ja wer das dortige Unglück überlebt hatte. Kakashi hatte es dem reinen Zufall zu verdanken, dass er durch die Wucht der Explosionen nicht umgekommen war - hatte er sich doch Konoha kaum genähert, da er von einem Auftrag wiedergekehrt war. Und sie? Sie hatte er dort entdeckt, irgendwo zwischen den Trümmern, nicht weit vom Herd des Unglücks. Wie das Mädchen das überstanden hatte war Kakashi schleierhaft. Es musste, ähnlich wie bei ihm, eine Anhäufung unglaublichen Glücks gewesen sein - aber eigentlich war dies auch nicht wichtig. Natürlich hatte er sie nicht im Stich gelassen. Dies war nicht seine Art und in solch einer Notlage erstrecht nicht. Das Kind hatte nichts weiter als die beschädigte Kleidung, welches es am Körper trug - keine Familie, keine Erinnerungen, nicht einmal einen Namen. In dieser Welt wäre sie verloren gewesen und nicht zuletzt deshalb nahm er sich ihrer an. Außer am Anfang, an dem sie sich noch vor ihm gefürchtet hatte war sie nie ein schwieriges Kind gewesen. Sie hatte sich begnügsam, bescheiden und höflich gezeigt, stets jeden seiner Ratschläge angenommen und ihn willenlos überall hin begleitet. Das Leben war oft schwer gewesen für sie beide, doch für sie ganz besonders, denn Kinder hatten Bedürfnisse, wollten Erfahrungen machen - und am besten überwiegend Schöne - sie wollten spielen, wünschten sich Dinge, Freunde, Spielgefährten, Haustiere... Aber all dies hatte Kakashi ihr nie geben können und er hatte sie darüber kein einziges Mal etwas sagen hören. Geld, welches es in den ersten Jahren fast überhaupt nicht mehr gegeben hatte war das eine Problem - das andere das Angebot. Sicherlich hatte man versucht einige Städte wieder aufzubauen, in denen die meisten Bürger überlebt hatten - in Taki-Gakure war es so gewesen. Aber jeder neue Versuch das Reich wieder aufzubauen war mit einem weiteren nächtlichen Angriff zerschmettert worden und dies immer dann, wenn die Sache langsam bekannt wurde. Das Schlimme daran war, dass der Grund der Kriege inzwischen verblasste wie ein altes Foto. Nicht einmal Kakashi wusste mehr, warum eigentlich der Krieg begonnen hatte. Und wer angefangen hatte war erfolgreich verschwiegen worden. Inzwischen bekriegten sich eventuell neu aufgebaute Länder sogar gegenseitig in ihrem Wahn. Aufgrund der fortwährenden Zerstörung verließen die Überlebenden wie Pilgerer ihre Heimat. Inzwischen konnten nur noch alte Veteranen erahnen, wo die Grenze zum Reich des Feuers oder des Sandes begann - die Landesgrenzen waren aus den Köpfen der Menschen verschwunden wie der Grund, warum man seine Feindschaften immer weiter aufrecht erhielt. Nur ein einziges Land hatte den Sprung zurück in die Zivilisation geschafft. Warum dem so war war schleierhaft, aber scheinbar interessierte dies auch niemanden. Die Stadt, die dort erbaut wurde hatte zu Anfang keinen Namen bekommen, aber mittlerweile hatte sich in den Köpfen der Menschen der Name Shyourai festgesetzt, was so viel bedeutete wie "Zukunft". Kakashi runzelte beim Gedanken daran jedes Mal aufs Neue die Stirn. Er empfand das Land als verdächtig, war doch jedes andere zerstört worden. Entweder steckte die Regierung von Shyourai in der Affäre mit drin, war womöglich selbst der Ausschlaggeber der Kriege oder er tat den Verantwortlichen anderweitig den ein- oder anderen Gefallen. Tauschgeschäfte waren an der Tagesordnung, denn Geld war knapp. Räuber, Landstreicher und andere Gestalten wandelten stets durch die dürren Steppen oder die kahlen Gebirge, immer auf der Suche nach Beute. Man war nirgendwo sicher. Noch in den kleinen, unbekannten Dörfchen, die sich Überlebende in aller Stille aufgebaut hatten noch draußen in der Wildnis. Besonders auf das Kind musste Kakashi Acht geben, denn in dieser Welt gab es für Unschuld keinen Platz. Und das meinte er so wie er es sagte. Er hatte viele Männer gesehen, die nicht davor zurückgeschreckt wären ein kleines Mädchen zu töten oder sie gar für ihre eigenen Zwecke mitgenommen hätten. Ja, diese Welt war nicht mehr das was sie mal war. Aber in sieben Jahren lernte man hier zurechtzukommen. Dennoch wurden die Zeiten schwerer. Alle strömten nach Shyourai. Die Menschen, die sich so lange nach einer Heimat gesehnt hatten erbauten sich dort ihre Häuser und es schien fast als seien sie glücklich, obwohl viele von ihnen nächtelang wach lagen vor Angst vor neuen Attacken der Kriegstreiber. Die Wirtschaft des Landes erblühte, Angebot und Nachfrage entstand wieder, Geld wurde gedruckt, Gegenstände fanden den Weg zurück auf Ladentische und Marktstände. Eben dies führte dazu, dass die anderen Länder allmählig in Vergessenheit gerieten und Shyourai die Wirtschaftsmacht der Welt wurde. Einige schlaue Menschen wollten dies nicht unterstützen - aber im Endeffekt hatten sie keine Wahl, brauchten ja selbst Kleidung, Ausrüstung und Nahrung. Aber nicht nur das war das große Problem. Die Nachwirkungen des Krieges hielten dauerhaft an, auch wenn es schons seit zweieinhalb Jahren keine Unruhen mehr gegeben hatte. Die Heimatlosen bekriegten sich untereinander, Arme schlugen sich gegenseitig tot um irgendwie überleben zu können und die Natur war beinahe gänzlich verkümmert, weshalb es oft schwer war überhaupt noch etwas Essbares oder frisches Trinkwasser zu finden. Man lernte mit der Zeit das schmutzige Wasser zu umgehen, denn es machte krank - aber die Folge war nur, dass man oftmals lange keine Flüssigkeit fand. Auch ethische Probleme brachte der Krieg mit sich. Shyourai war lange nicht so romantisch wie man es bezeichnete, das erkannte man schon nach wenigen Blicken. Es hatten sich äußerst unansehnliche Schandflecke in und außerhalb der Dörfchen und auch der großen Stadt gebildet, die man nur allzu gern übersah und ignorierte. Einige Verrückte bauten Arenen auf und ließen sich arme Leute und Verhungernde darin bis zum Tode prügeln, versprach dem Gewinner eine Mahlzeit. Wie die Natur des Menschen es wollte wurden Einige grausam und verstanden es bösartig mit ihrem Wohlstand umzugehen. Dazu kam, dass Shyourai selbstverständlich sein zu genüge verdientes Geld irgendwo anlegen musste - und was verlockte einen mehr als die Forschung? Ethik gab es seit der Zerstörung der Heimatländer nicht mehr und so erklärten sich viele der Armen bereit, Experimente zum Nutzen der Forschung über sich ergehen zu lassen, wenn sie dafür nur etwas zwischen die Zähne oder eine Decke für die Nacht bekamen. So hatte die Forschungsabteilung leichtes Spiel nach Belieben alles auszuprobieren was noch in der geordneten Welt verwerflich gewesen wäre. So begann man Menschen zu klonen, was zu großer Erleichterung gründlich schief ging, schaffte es aber mithilfe von Zellimplantationen und anderen fragwürdigen Versuchen neuartige Jutsus und Waffen zu erfinden. An neuen Techniken gab es nichts wirklich Schlechtes, aber bedachte man die vielen Opfer, die diese Versuche gefordert hatten, war das schon etwas ganz anderes. Dies war der neue Stand der Dinge. Kakashi interessierte sich stark für die Vorgehensweise in der Welt, besonders für die Dinge in Shyourai, denn er kam einfach nicht umhin der Regierung dort zu misstrauen. Dennoch mussten auch sie Gebrauch von dessen Wirtschaft machen, denn anderweitig war man schlicht verloren. Das Klima hatte sich zunehmend verändert - oftmals war es brütend heiß und nur einen Tag später tobten Blizzards über das Land, während Jahreszeiten über das zu erwartende Wetter schon so gut wie gar nichts mehr aussagten. Ohne Ausrüstung erfror man letztlich. Ob es einem gefiel oder nicht, man war vom aufstrebenden Shyourai abhängig und bemerkte dies zumeist täglich mehrere Male. Spätestens, wenn das alte Oberteil einem am Rücken aufriss und man gezwungen war, mit dem von Angriffen erbeuteten Geld einkaufen zu gehen. Nicht, dass Kakashi je geplündert hätte - aber er nutzte das Geld der Angreifer, die er zur Strecke gebracht hatte. Und angegriffen zu werden war nicht selten in dieser Welt, die von Hunger, Einsamkeit und Aggression verseucht war. Ergeben fügte man sich daher in die neuen Umstände dieser Welt und zog ins sichere Shyourai - oder man blieb Pilgerer und streifte weiterhin durch die Lande auf der Suche nach einem neuen Zuhause ohne wirtschaftlichen Druck in alter Idylle. So, wie es auch Kakashi mit dem Mädchen getan hatte. Kapitel 2: Pilgerleben ---------------------- Die Sonne schien gedämpft vom Himmel. In den letzten Jahren war es ständig, als hinge ein unsichtbarer Schleier vor ihr, der das Licht drosselte. Die Umgebung, durch die Kakashi und Jinya sich bewegten war kahl, sandig und dazu endlos. Wenige tote Bäume ragten in die Luft, die stets von Staub erfüllt war, sobald ein leichter Windzug aufkam und einzig und allein zerklüftetes Felsgestein zeigte aus dem Boden und füllte ein wenig die Leere. So wie hier war es auf vielen Teilen dieser Welt, die es am schlimmsten erwischt hatte. In gleichmäßigem Schritt suchten die beiden Shinobi ihren Weg. Wenn man von der Kleidung absah hatte sich Kakashi nicht verändert. Noch immer stand sein Haar charakteristisch in die Höhe, der müde, von Ruhe erfüllte Blick war der Alte geblieben, wenn man doch nach genauem Hinsehen einen leichten Hauch von Bitterkeit darin erkannte. Auch dünner war der große Mann geworden, was bei dem geringen Nahrungsaufkommen nicht unbedingt ungewöhnlich war. Er trug ein bereits etwas in die Jahre gekommenes schwarzes Oberteil mit langen Ärmeln, dazu eine farblich identische Hose. Auf dem Rücken hatte Kakashi etwas, was vor langer Zeit einmal ein Rucksack gewesen sein mochte, aber der dunkelgrüne Stoff war mehr als lädiert und löchrig, die vorderste Tasche war komplett abgerissen, nur noch der Hauptteil fungierte als das was es sein sollte. Da es keine Ninjastirnbänder mehr gab, hatte Kakashi sein linkes Auge vorrübergehend bandagiert. Das alte Konoha-Band hatte erst vor zweieinhalb Monaten den Geist aufgeben - es hatte wirklich eine erstaunliche Qualität gehabt. Seine und Jinyas Schuhe waren vom selben Schnitt wie die damaligen Ninjasandalen, nur das sie geschlossen und vorne verstärkt waren. Jinya war groß geworden, ragte Kakashi mit einem Meter sechzig jetzt bis etwa zur Halsansatz und ihr dunkelgrünes Haar fiel strähnig um ihren Nacken, an den Ohren war es mithilfe kleiner Flechtezöpfe gebändigt worden. Über ihren Schultern lag ein beigefarbener Umhang, wie man ihn früher im Schneereich oft getragen hatte. Er diente einerseits zum Schutz vor Kälte und Hitze gleichermaßen als auch als zusätzliches Kleidungsstück, da es um ihre restliche Kleidung wesentlich schlechter bestellt war als um die von Kakashi. Ihrem grünen Pullover fehlten beide Ärmel und ihre schwarze Hose hatte ein großes Loch am rechten Knie. Die blauen Augen untersuchten unablässig die nähere Umgebung nach eventuellen Gefahren. Keine echte Unruhe, eher war es Gewohnheit, die man sich im Laufe des Lebens angeeignet hatte. Von Kakashi hatte Jinya gelernt sich zu verteidigen und ein aufmerksamer Ninja zu sein, seine Umgebung kennenzulernen und nie der Stille zu vertrauen. Zwar hatte ihr an seiner Seite bisher selten echte Gefahr gedroht, so hatte es dennoch durchaus schon Jo-Nin gegeben, die sie ihrer Hab und Gut Willen angegriffen hatten. Immerhin war Stärke keine Garantie für Erfolg. Und in dieser neuen Welt war das Regelbuch sowieso komplett umgeschrieben worden. Angesichts ihrer momentanen Lage war es um den Stoff an ihrem Körper eigentlich sehr gut bestellt. Brauchbare Dinge konnte man meistens nur in Shyourai erstehen und als die beiden das letzte Mal dort gewesen waren hatte es noch zu den aufstrebenden Gegenden gehört. Inzwischen hatte es sich zur wirtschaftlichen Großmacht gemausert. Dennoch wurde es langsam Zeit für einen Tapetenwechsel - sie brauchten intakten Witterungsschutz, Nahrung und einige neue Waffen, denn sie verfügten nur noch über zwei klägliche Kunai. Jinya gähnte, streckte die Arme in die Luft und verschränkte sie dann hinter dem Kopf. "Wie weit ist es noch?", fragte sie und blickte dabei halb zu Kakashi und halb auf den Weg, "Ich glaube, bis wir die Stadttore sehen bin ich verhungert." Kakashi schreckte ein wenig auf. Er musste in Gedanken versunken gewesen sein - eigentlich ungewöhnlich für den Jo-Nin. "Ich schätze noch etwa einen Tag", vermutete er. Es existierten erst seit Neuestem wieder Landkarten und so hatte man sich wohl oder übel selbst eine in der Fantasie gefertigt, "Vielleicht etwas mehr." "Oh...", brummte Jinya leise, "Na dann..." Sie sah wieder geradeaus und kurze Zeit war es ruhig zwischen ihnen. "Woran hast du gedacht?", erkundigte Jinya sich dann. "An Shyourai", war die Antwort, "Ich habe darüber nachgedacht, wie es jetzt wohl dort aussieht." "Na, so wie Gerüchte meinen ziemlich gut. Immerhin hat die Regierung Geld wie Heu, seitdem die ganzen Leute da hingepilgert sind..." Kakashi nickte. "Eben deshalb ja." Das grünhaarige Mädchen fixierte seinen Begleiter. "Hast du mal darüber nachgedacht, in Shyourai zu bleiben?" "Öfters", erwiderte Kakashi wahrheitsgemäß, "Aber du weißt, wie ich über diese Stadt und seine Regierung denke." "Schon klar. Aber ich meine so unter den Leuten. Wie es dort wohl ist." "Wahrscheinlich würden wir dort nicht die Heimat finden nach der wir suchen", kam es wie immer ernst von Kakashi, "Die Leute in so einer großen Stadt sind hektisch, leistungsorientiert, vermutlich sogar relativ fremdenfeindlich. Immerhin stellt jeder neue Einwohner eine potenzielle Bedrohung dar. Die Bewohner von Shyourai müssen viel arbeiten, um ihren erworbenen Lebensstandart in dieser Zeit zu halten. Und durch die Armen und Obdachlosen ist es nachts dort mit Sicherheit auch nicht besser als draußen auf der Steppe." "Also im Endeffekt ist das Leben da ein ständiger Revierkampf...", überlegte Jinya laut, "Nein, das macht keinen Spaß." Er warf ihr einen Blick zu, in dem man entfernt die Spur eines Lächelns erkennen konnte. "Wir gehen ja auch nicht dorthin um dort zu bleiben", erinnerte er sie, "Wir brauchen nur neue Ausrüstung." "Und einen Happen zu essen...", fügte Jinya hinzu, "Sonst muss ich bald sterben." "Ja, das auch..." Ein Magenknurren von Jinya durchbrach die Ruhe, so als wolle es sie bestätigen. Das Mädchen lachte verlegen und blickte trotz allem gut gelaunt geradeaus. Für den Moment fixierte Kakashi sie aus den Augenwinkeln. Sie musste jetzt etwa sechzehn sein, vielleicht siebzehn. Jinya hatte keinerlei Erinnerung gehabt, als Kakashi sie in den Trümmern gefunden hatte. Das Mädchen hatte weder gewusst wie alt es war, wie sie hieß noch was passiert war. Daher konnte man auch ihr Alter nur vermuten. Es war interessant gewesen, einen Namen für sie zu finden. Er hatte es ihr freigestellt sich einen auszusuchen und wie Kinder eben waren hatte sie jeden Tag einen anderen Namen gehabt, von Yuuka über Ryoko bishin zu Jinya. Kakashi hatte sie einfach weiter mit dem Namen angesprochen, den er für sie als passend empfunden hatte - und so lautete er nun Jinya. An das schreckliche Unglück in Konoha erinnerte sie sich nicht mehr und so waren ihr einige traumatische Erinnerungen erspart geblieben, ihr Gedächtnis begann eigentlich erst da richtig wo sie gemeinsam die Überreste der Stadt verlassen hatten. In diesem Moment blieb Kakashi stehen und spähte aufmerksam in die Umgebung. Jinya hatte ihn nicht angesehen und lief weiter, wurde sogleich aber von Kakashi zurückgehalten. Er horchte angstrengt und sie tat es ihm umgehend gleich. Ein leichtes Brummen surrte unter ihren Füßen. Es fühlte sich fast ein wie ein kaum zu vernehmender Bass, so als bewegte sich etwas im Erdreich - oder etwas wirklich Schweres weit an ihnen vorbei. Jinya hatte vor Anspannung die Luft angehalten und blickte umher, konnte aber nichts entdecken. Bis zum Horizont erstreckte sich nichts außer Wüste, einigen verdorrten Bäumen und Felsen. Kakashis Körper entspannte sich wieder und auch Jinya gab sich wieder die Erlaubnis zu atmen. "Nichts?", fragte sie fast lautlos und Kakashi schüttelte den Kopf. "Nichts." Bereits kurz nachdem Kakashi mit seinem Wort geendet hatte fegte etwas von vorn in unfassbarer Geschwindigkeit auf sie zu. Reflexweise legten sie beide die Arme über die Augen um sich zu schützen und der starke Druck, begleitet vom schneidenden Rauschen entpuppte sich als Sandsturm. Anfangs nur zu heftig zum Sehen bauschte er binnen weniger Sekunden so auf, dass Jinya fast abhob. Nurnoch mit Mühe konnte sie sich halten, presste das Gewicht schon gegen den Wind so gut sie konnte. Kakashi lugte für den Moment hinter seinem Ellenbogen hervor und erspähte eine Windhose, die Gestein und Holz mitsich riss. Er umfasste mit einem Arm Jinyas Taille und sprang mit ihr hinweg, floh dadurch vor dem Wirbelsturm, der sich ihnen bereits genähert hatte. Der silberhaarige Jo-Nin hielt hinter einem stabil wirkenden Felsen und drückte Jinya neben sich in die Knie. "Beweg dich nicht bis es vorbei ist!", rief er ihr durch das Heulen des Sturms zu und das grünhaarige Mädchen nickte ruckartig, schützte Kopf und Augen mit den Armen, so wie ihr Meister es auch tat. Gestein bröckelte über ihnen hinweg und hätte Kakashi fast am Kopf getroffen, während dieser inständig hoffte, dass sie der Tornado nicht erwischte und umbrachte. Nach wenigen Minuten wurde es ruhig, der Wind flaute ab. Nur noch eine leichte Brise ging über die Umgebung, die die beiden Ninja dazu brachte aus ihrer Starre zu erwachen. Jinya hob den Kopf und spürte, dass ihr ganzer Rücken mit Sand bedeckt war. Langsam richtete sie sich auf, knackte kurz mit dem Kreuz und wischte sich dann den verbliebenen Staub von der Kleidung. Auch Kakashi baute sich wieder neben ihr auf, klopfte sich ab und hatte schon jetzt wieder den üblich müden Blick. "Puh...", stieß Jinya aus, "Das war verdammt knapp. Seit wann gibt es hier Sandstürme?" "Scheinbar seit wir das letzte Mal hier waren", entgegnete der Jo-Nin und trat mit ihr hinter der Felsformation vor, von der nicht sehr viel übrig geblieben war. "Wir sollten uns beeilen. Man weiß nie wann der nächste Sturm kommt und wir hatten dieses Mal noch Glück." Die Umgebung erschien jetzt noch unübersichtlicher als vorher. Überall wirbelte Sand durch die Luft, der die Münder der beiden staubtrocken werden ließ und auch das Atmen erschwerte. Jinya hustete einige Male, um feine Körner aus ihrer Luftröhre zu verbannen und kniff dann die Augen etwas zusammen. "...Jetzt sieht erstrecht alles gleich aus..." Sie hatte Recht damit, denn die Windhose hatte sämtliche über den Sand stehende Orientierungspunkte mitsich gerissen. "...Mist", hörte sie Kakashi sagen, "Wir haben die Richtung verloren." Jinya seufzte tief. "Sollen wir warten bis es Nacht ist?" "Das wäre theoretisch das Klügste. Aber du weißt, dass die Nächte meistens bewölkt sind und wir uns deshalb auf die Sterne nicht verlassen können." "Aber wenn alles kahl ist neigt man dazu im Kreis zu wandern." Kakashi nickte. "Deshalb suchen wir eine Ebene, auf der es keine Verwüstung durch den Sturm gab. Die Windhose kann nicht durch das ganze Gebiet gewandert sein. Und zur Not übernachten wir irgendwo im Schatten eines Felsens und sehen, ob Sterne da sind." "In Ordnung..." Laufen störte sie beide nicht, denn Kakashi und Jinya lebten seit mittlerweile sieben Jahren auf einer ständigen Reise. Man war abgehärtet und spürte es zumeist schon gar nicht mehr zu gehen, auch die Beine begannen nicht mehr zu schmerzen. Oder vielleicht taten sie es, aber die beiden nahmen das nicht wahr. Zu viele Kilometer hatten sie in dieser Zeit schon zurückgelegt. Und das ohne jemals ein Ziel erreicht zu haben - ein neues Zuhause, welches Konoha ähnelte. "Du sag mal", begann Jinya, als sie neben ihm über den Sand stapfte, "Angenommen, du würdest jetzt gleich um die Ecke ein Dorf finden, was deinen Vorstellungen entspricht..." "Hm?" "So wie Konoha, du weißt schon. Also eins, wo du auch leben wollen würdest. Wäre dir dann nicht total langweilig? Du bist es ja gewöhnt Tag und Nacht unterwegs zu sein. Und ich auch." "Nun...", begann er, "Ich würde mich nach einigen Söldnerarbeiten umsehen. Das kommt zumindest entfernt an die Ninjamissionen heran." "Da kann ich keine Vergleiche ziehen", maulte Jinya, "Ich kann mich ja an nichts erinnern." "Sei froh", kam es sofort von ihm, "So hast du nichts das du vermisst. Außerdem warst du damals sowieso noch viel zu jung für Aufträge. Du wärst Akademieschüler gewesen. Dadurch, dass du dein Gedächtnis verloren hast, konntest du in dieser Welt vollkommen neu anfangen ohne vorbelastet zu sein. Viele würden dich darum beneiden." "Du meinst die, die traumatisiert wurden?" "Die meine ich", er nickte, "Oder die, die alles verloren haben. Das Gefühl der Mutlosigkeit kann Menschen in den Tod treiben." Jinya nickte. Sie selbst konnte sich kaum daran erinnern mal mutlos gewesen zu sein. Eher gleichgültig, das ja. "Aber ich nehme an, dass du dich nach deinen Wurzeln fragst", fügte der Jo-Nin hinzu. Aber Jinya schüttelte sofort den Kopf. "Ehrlich gesagt gar nicht", meinte sie dann etwas verlegen, "Mir sind Wurzeln nicht wichtig... Ich hab dich und das reicht mir vollkommen." Das war ein sehr ehrliches Gefühl und schrie danach, noch etwas dranzusetzen. "Du bist manchmal ja schon schwierig genug." "Wie bitte?", stieß Kakashi aus, "Ich und schwierig? Von wegen..." Die Nacht brach allmählig über die Wüste herein und die Sonne, die zwischenzeitlich sichtbar geworden war versank als flammende Feuerkugel am Horizont. Der Himmel färbte sich dunkelblau, aber wie prophezeit standen dicke Wolken vor dem Sternenbild und es war somit nicht erkennbar. Jinya seufzte. Sie saß neben Kakashi im Schutz eines Felsen und blickte in den Himmel. "Nichts. Gar nichts." "Wie erwartet", kam es von Hatake, "Vielleicht haben wir morgen mehr Glück." "Oder wir orientieren uns an den Bäumen und Steinen hier." "Dann werden wir wahrscheinlich nicht nach Shyourai finden." "Ach...", brummte Jinya missgelaunt, "Blödes Shyourai. Das kann mir echt gestohlen bleiben." Kakashi lachte für den Moment auf. Er lachte nicht wirklich, eher vernahm man einen vergnügten Unterton in seiner Stimme. Kakashi lachte selten. "Na na... Du brauchst immerhin auch neue Kleidung." Und damit deutete er mit einem Kopfnicken auf das Loch in ihrer Hose. "Ja, ich weiß...", murmelte Jinya, "Schade, dass man nicht woanders einkaufen kann." "Das kommt vielleicht irgendwann auch noch", meinte Kakashi zuversichtlich und sank mit dem Rücken an das Gestein, "Gib der Welt noch ein paar Jahre Zeit." "Ich versuche es." Es war kühl geworden, weshalb sich Jinya an Kakashis Schulter lehnte und mit ihrem Umhang zudeckte. Noch immer klebten feine Sandkörner in dem dicken Stoff, aber das kümmerte sie im Moment nicht weiter. "Sollen wir Wache halten?", fragte sie noch. "Nicht nötig", kam es zurück, "Hier wird uns nichts angreifen." Kakashis Vermutungen diesbezüglich trafen fast immer ein und sie beide hatten ja trotzdem ein Ohr offen. Nächte ohne Wache waren selten, besonders wenn man nicht wie jetzt irgendwo im Nirgendwo hockte. Gerade in der Nähe von versteckten Dörfern oder Shyourai trieben sich viele Plünderer, Diebe und Landstreicher herum. Am Morgen setzten sie ihren Weg fort. Jinyas Magen hatte seinen lautstarken Protest inzwischen wieder aufgenommen und sogar Kakashis stimmte ab und an leise mit ein. Es war jetzt dritte Tag, an dem sie nichts zu Essen gefunden hatten. Kakashi trank gerade Wasser aus einer Feldflasche, die sich auch schon langsam dem Ende zuneigte und reichte das braune Gefäß dann Jinya, die ebenfalls einen kräftigen Schluck nahm und die Flasche danach wieder in Kakashis Rucksack verschwinden ließ. "Diese Wüste ist doch furchtbar. Man hat immer so einen trockenen Mund." "Ja... Und wenn wir Shyourai nicht bald finden haben wir ein Problem." Denn ohne Wasser hielt man es hier nicht lange aus, das stand fest. "Oh man... Ich hab das Gefühl wir kommen gar nicht vorwärts. Kein Wunder, wenn so viele in den Wüsten sterben." "Eben deswegen darfst du dich davon nicht beeinflussen lassen. Du kommst ebenso vorwärts wie sonst auch, es fällt dir nur nicht auf." Sie hielten sich geradeaus und bemühten sich, anhand der Felsen und Bäume die Orientierung zu bewahren. Weit von ihnen entfernt tobte eine neue Windhose, die den beiden Reisenden dieses Mal jedoch nichts anhaben konnte. Es war nur windiger geworden, was das Gehen erschwerte, denn man bekam Sand die Augen, musste aber dennoch auf den Weg achten. Jinyas Umhang flatterte laut mit lederndem Geräusch in der starken Brise. Gegen Mittag trauten beide ihren Augen kaum, als sie am Horizont eine Oase entdeckten. Saftig grüne Bäume stachen in das matte Grau des Himmels. "Fall nicht darauf rein... Es könnte eine Fata Morgana sein." Jinya, die die Trinkflasche bereits vor einigen Stunden endgültig geleert hatte seufzte auf. Allerdings erwies sich die Oase nicht als Trugbild, sondern war tatsächlich echt. Und das Wasser in ihr war so klar, dass beide sich in ihm spiegelten. Unendlich erleichtert wusch sich Jinya Hände und Gesicht im klaren Blau, ehe sie die Flasche zückte und mit der frischen Flüssigkeit befüllte, nachdem sie und Kakashi getrunken hatten. Dieser stand mit in den Hosentaschen versenkten Händen da und blickte sich um. "Erstaunlich, dass trotz der Stürme hier eine Oase ist..." "Schon", pflichtete Jinya ihm bei, stand auf und blieb neben ihm, sah mit ihm in die Ferne, "Vielleicht stürmt es hier ja nicht sondern nur in anderen Regionen der Wüste. Wir sind ja ziemlich weit gereist seit gestern." "Könnte möglich sein", stimmte Kakashi ihr zu, "Lass uns weitergehen. Je früher wir irgendwo ankommen desto besser." "Ja...", meinte Jinya ergeben, "Wo auch immer wir ankommen." Und damit grinste sie. Aber das Grinsen versteinerte sogleich wieder auf ihrem Gesicht, die Miene zog sich nach unten und es wurde still zwischen ihnen. Für den Moment blickten sie sich in die Augen, dann wandten sie sich zeitgleich dem Sandboden vor sich zu, die Oase schützend im Rücken und traten dabei wie eingeprobt einen Schritt näher zusammen. Etwas unter ihren Füßen brummte. Wieder dieser tiefe Bass, der die Brustkörbe beider vibrieren ließ, nur jetzt war es wesentlich lauter. Jinya hielt die Luft an und horchte, Kakashi fixierte die Umgebung. Nichts geschah, das Geräusch verschwand und Ruhe kehrte ein. "Es ist weg", meinte das Mädchen. Beide standen noch eine Weile da, dann wandten sie sich ab. Und genau in dem Moment, in dem sie der Wüste den Rücken kehrten brach etwas aus der Erde hervor. Dem harten Geräusch nach zu urteilen musste es Steine unterm Wüstensand geben und dieses Etwas war wirklich groß, der riesige Schatten verdunkelte die Sonne. Kakashi reagierte sofort, griff Jinya und sprang mit ihr zur Seite. Nur Sekundenbruchteile nach ihrer Flucht prallte Felsgestein auf die Stelle, an der sie noch eben verweilt hatten. Hinter ihnen war ein gigantischer schwarzer Wurm aus der Erde gebrochen, der mit seinem runden Maul jetzt nach ihnen schnappte. Der komplette Rand war mit scharfen Zähnen besetzt, die nur darauf warteten sie zu zermalmen. Allem Anschein nach lauerte das Tier an der Oase auf Beute, weil es hier Wasser gab. Kakashi sprang in die Luft und wich damit gezielt dem Angriff des Wesens aus, welches sich in der gleichen Bewegung wieder in die Erde bohrte und darin verschwand. Nahe des Wassers landete der silberhaarige Jo-Nin, setzte Jinya ab und griff sein Kunai. Diese tat es ihm gleich und sah geradeaus. "Wir haben keine Wahl, oder?", fragte Jinya ein wenig wehmütig und Kakashi nickte, fixierte noch immer die Stelle an der der Wurm verschwunden war. "Wir müssen es töten. Ich denke nicht, dass es von uns ablässt." Jinya hasste es Lebewesen umzubringen und das wusste er. Aber für den Moment hatten sie keine Chance einfach zu entkommen. Jinya trat einen Schritt vor, aber er hielt sie mit dem Arm zurück. "Bleib hier", wies er sie an, "Sobald du auf den Sand gehst frisst er dich." "Was machen wir jetzt?" "Ich schicke einen Kage-Bunshin hin." Damit konzentrierte sich Hatake einen Moment. Ein perfektes Ebenbild von ihm erschien neben ihm und schaute in die Runde. Dann machte es auch schon kehrt und bewegte sich an den Rand des Grases um die Oase, wartete auf den richtigen Moment. "Wenn er losgeht, rennst du." "In Ordnung." Jinya presste ihr Kunai fest in der Hand zusammen und machte sich mit Kakashi bereit. Dieser ließ den Doppelgänger nun auf den Sand treten - für den Augenblick geschah nichts, aber wenige Sekunden später barst die Erde unter ihm und er wurde verschlungen. Das schrille Geräusch verriet, dass er sich aufgelöst hatte. In diesem Moment rannten sie los. Jinya hatte Mühe mit Kakashi mitzuhalten, denn er war unheimlich schnell. Sie selber war eher der Durchschnittsninja, aber in dieser gefährlichen Situation tat natürlich ihr Adrenalin ihr Übriges, um sie ihn nicht verlieren zu lassen. Womit sie aber nicht gerechnet hatten war die Geschwindigkeit des Wurmes. Als er sich ihnen von hinten näherte und dabei Felsen und Bäume einfach mitsich riss, ließ sich Kakashi im Rennen hinter Jinya fallen und formte dann einige Fingerzeichen. "Katon Gokakyuu no Jutsu!" Ein riesiger Feuerball entflammte aus seinem Atem und steuerte auf das Tier zu. Der würde es auf jeden Fall in Schach halten - dachten die beiden, denn der Wurm grub sich blitzschnell wieder in die Erde und entkam so der Attacke, die nur den Sand verbrannte. "Mist! Zurück!", hörte Jinya Kakashi fluchen und er brachte sie damit dazu ihm zurück zur Oase zu folgen. Das Wüstentier war viel schneller als angenommen und so war entkommen unmöglich. Sie hatten ganz knapp wieder die Oase passiert, als der Wurm wieder hervorbrach und nun mit seinen rasiermesserscharfen Zähnen auf sie zusteuerte. Jinya ging auf Abstand und Kakashi trat einen Schritt zurück, denn das Wesen hatte es offensichtlich auf ihn abgesehen und nicht auf seine Begleiterin. Dies kam ihm zugute, so konnte er versuchen es frontal zu treffen. Allerdings war die Gefahr, die von seinem Maul ausging sehr groß. Er musste äußerst achtsam sein. Im gleichen Moment aber prallte er mit dem Hacken an etwas Metallenes und nur kurz darauf knarrte es laut hinter ihm. Kakashi fuhr herum und erspähte mitten im Gras eine Luke, die von einem grauhaarigen Mann mit Brille geöffnet worden war. "Schnell, kommt rein! Beeilt euch!" Diesen Hinweis ließ Kakashi nicht verstreichen. Er packte Jinya blitzschnell und verschwand mit ihr ins Innere der Falltür, die sogleich geschlossen wurde. Sie war aus schwerem Eisen und unten war es wesentlich dunkler als am Tageslicht. Ein dumpfer Knall ertönte, dann ein gemächliches Schleichen und dann war es still. Jinya atmete erleichtert aus. Es war vorbei. Kakashi blickte sich um. Eine kleine Treppe führte hinauf in die Freiheit und vor ihnen erstreckte sich eine Art Tunnel, der wohl mit großer Mühe in den Boden gegraben worden war. Im Wüstensand wäre so eine Unterkunft schwer einzurichten gewesen, aber die Tatsache, dass es hier unter dem Sand richtige feste Erde gab hatte die Sache wohl erleichtert. "Wo sind wir hier?", fand Jinya ihre Stimme wieder und trat neben Kakashi etwas vor, musterte jetzt den grauhaarigen Mann. Er war etwa so groß wie sie, hatte kurzes ergrautes Haar und trug eine runde Brille auf der Nase. Seine Augen waren grün und strahlten Ruhe aus. "Das ist unser Dorf", sagte der alte Mann, "Folgt mir." Die dazu passende Handbewegug und die Tatsache, dass er loslief brachte Kakashi dazu ihm zu folgen. Natürlich war Jinya stets an dessen Fersen und so führte die soeben kennengelernte Person sie in eine Art unterirdischer Halle. Stalaktiten hingen über ihnen an der Decke, die Umgebung war dunkel und fast rauchig. Einige entflammte Kerzenhalter erhellten diesen Ort und jetzt erspähten sie einige kleine Hütten, die man wohl aus Holz gezimmert hatte. "Wow", stieß Jinya aus, "Das ist ja unglaublich. Keiner würde vermuten, dass hier unten so ein Ort ist." "Deshalb haben wir ihn gegraben", sagte der alte Mann sanft, "Wir hatten Angst, dass unser Dorf zerstört werden könnte, wenn wir es wieder aufbauen. Und deshalb sind wir hier in den Untergrund gezogen." Kakashi nickte. "Danke für ihre Hilfe." "Selbstverständlich", entgegnete der alte Mann, "Kommt doch mit in mein Haus. Wir hatten noch nie Besuch, seit wir hier leben..." Die Hütte war klein, ebenfalls mit Feuer erleuchtet und ausgestattet mit wenigen Möbeln aus Holz. Alles war schlicht gehalten, zweckmäßig, aber dennoch strahlte es eine gewisse Gemütlichkeit aus. Der Mann bot ihnen in seiner Küche einen Stuhl an und Kakashi und Jinya ließen sich nebeneinander nieder, der Alte nahm ihnen gegenüber Platz. "Was führt euch hier in diese Wüste?", fragte er und schlug dabei die Hände ineinander. "Wir sind Reisende", erwiderte Kakashi sofort. Jinya stützte das Kinn auf ihre Fäuste und blickte sich im Raum um, hörte mit halbem Ohr zu. "Wir waren auf dem Weg nach Shyourai, aber durch einen Sandsturm haben wir die Orientierung verloren." "Die Sandstürme hier sind sehr gefährlich. Viele sterben in ihnen, weil sie unter den Sandmassen ersticken. Die Wirbelstürme hier reißen so ziemlich alles mit was emporragt." "Kennen sie den Weg nach Shyourai?" "Ja, natürlich", sagte der alte Mann, "Größtenteils leben wir hier zwar von unseren eigenen Dingen, aber ab und an brauchen wir doch die Wirtschaft der Stadt. Ihr seid auf dem richtigen Weg nach Shyourai, ihr müsst euch jetzt aber weiter Richtung Westen halten, sonst geht ihr im Kreis. Ich rate euch aber davon ab nach Shyourai zu gehen, denn da gibt es momentan eine kleine Krise..." "Was für eine Krise?", fragte Jinya, sie war hellhörig geworden. "Die dortige Sicherheitsbehörde hat momentan alle Hände voll zu tun, weil nur noch gestohlen wird." "Die wirtschaftliche Lage hat sich also verschlechtert?" "Das nicht unbedingt", verneinte der grauhaarige Mann, "Eher die Lage der Bürger. Die Regierung dort verlangt immer mehr Arbeit für das Geld was sie bezahlt." "Also wie wir es erwartet haben", murmelte Kakashi und Jinya hörte ein kleines bisschen Enttäuschung darin. Wahrscheinlich hatte er gehofft sich zu irren und mit ihr doch dort bleiben zu können. Jinya lächelte ihn aufbauend an. "Ihr könnt gern über Nacht hier bleiben", lud man sie dann ein, "Der Boden hier ist vielleicht nicht so bequem wie der Sand, aber wir haben einige Decken für euch übrig und ihr seid hier sicher." "Das ist sehr freundlich von ihnen", Kakashi nickte, "Wir nehmen das Angebot an. Aber eine Frage: Wie kommen wir hier wieder weg?" "Wegen dem Sandwurm? Ihr müsst nachts reisen, da schläft er. Und er lebt auch nur hier im näheren Umkreis von etwa einem Kilometer. Das ist also in der Nacht zu schaffen. Wir transportieren oft welche unserer Schafe nach Shyourai, um sie gegen Schafe anderen Blutes einzutauschen, damit unsere Zucht stehen bleibt. Wenn man nachts reist geschieht einem nichts." "Aber wovon ernährt sich dieser Wurm denn?", wollte Jinya wissen. "Von ahnungslosen Reisenden wie euch und den Tieren in der Wüste. Nur weil man keine sieht heißt es ja nicht, dass es keine gibt, junges Fräulein." "Ja", Jinya nickte. "Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt", fiel dem Mann dann auf, "Man rostet wirklich ein wenn man so lange keinen Besuch mehr hatte. Mein Name ist Saburou Tachikawa." "Hatake Kakashi." "Jinya", sie grinste verschmitzt, "Meinen Nachnamen kenn ich leider nicht." Man bot ihnen am Abend Speisen und Getränke an. Hier unten lebten insgesamt nur zwölf Personen, aber dies allem Anschein nach zufrieden. Sie ernährten sich großteils von ihrem eigenen gezüchteten Gemüse, welches sie in großen Schalen anpflanzten, vom Fleisch ihrer Schafe und Hühner und vom Wasser der Oase über ihnen. Alles in Allem ein verstecktes aber dafür auch ruhiges Leben in Dunkelheit, für das man wohl geschaffen sein musste. Jinya war es jedenfalls nicht. Inzwischen war es spät. Sie hatten noch ein wenig mit dem alten Mann geredet. Er war wirklich nett und schien einen unerschöpflichen Vorrat an Geschichten, Legenden und sonstigen Dingen parat zu haben, denn zu jedem Thema fiel ihm eine alte Erzählung ein. Jinya faszinierte dies und hätten sie die Zeit gehabt, hätte sie sich von ihm alles berichten lassen. Sie lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Rücken neben Kakashi und damit in der gleichen Pose wie er auf einigen Decken in der Küche des alten Mannes. Das Holz vom Boden war hart am Rücken, aber das waren sie beide gewöhnt, denn normalerweise nächtigten sie ja unter freiem Himmel. "Wär das was für dich?", fragte Kakashi sie. Es war stockdunkel und Jinya konnte ihn nicht erkennen, spürte nur, wo er sich befand. "Hier leben?", fragte sie nach, "Nee." "Zu dunkel?" "Genau", Jinya grinste, "Ich brauche doch Licht und Natur. Ich würde hier irgendwann verrückt werden. Deine Söldneraufträge könntest du hier in der Wüste auch nicht angehen und wenn doch müsste ich jedes Mal Angst haben das der Wurm dich frisst." "Es wäre ziemlich langweilig." "Eben." Sie schwiegen. "Ist doch auch egal", fügte Jinya dann an, "Mir ist es eigentlich egal ob wir eine Bleibe finden oder nicht." "Inwiefern?" "Na, wir reisen doch schon seit sieben Jahren umher. Da tun es doch die drei oder vier Jahre auch nicht mehr. Ich meine, wegen mir brauchst du nicht krampfhaft was zu suchen. Ich bin so zufrieden wie es ist." Er fixierte sie in der Dunkelheit, aber Jinya bekam das nicht mit. Sie gähnte leise und drehte sich dann von ihm weg auf die Seite. "Gehen wir trotzdem nach Shyourai?" "Ja...", kam es von Kakashi, "Aber wir sollten uns dort nicht allzu lange aufhalten." "Brechen wir morgen früh auf und beeilen uns vor Sonnenaufgang aus dem Gebiet des Wurms zu kommen oder warten wir bis zum Abend?" "Ich würde gern in der Früh aufbrechen." "Hab ich mir gedacht...", nuschelte Jinya, die die Augen schon geschlossen hatte, "Schlaf gut." "Du auch." Es war noch dunkel als sie aufstanden. Jinya war mit ihrem vollen Bauch wirklich müde gewesen und sah jetzt dementsprechend gerädert aus. Belustigt sah Kakashi sie an, nachdem er sein Sharingan wieder bandagiert hatte. "Müde?" "Und wie", brummte Jinya leise und streckte sich ausgiebig, "Da hat man mal wieder gut gegessen und darf nichtmal richtig verdauen." Tachikawa-San zwang sie freundlich dazu noch ein ausgiebiges Frühstück zusich zu nehmen. Es bestand aus Fleisch, Eiern und einer selbstgemachten Paste aus Karotten und Basilikum, welche zum Daraufstreichen gedacht war. Danach verabschiedeten und bedankten die beiden sich, öffneten die Klappe und standen sogleich wieder an der frischen Luft. Sie schlug ihnen entgegen, da es da unten stickig gewesen war und sie mussten sich erst wieder daran gewöhnen. Sie hielten sich gen Westen, so wie man es ihnen geraten hatte. Tatsächlich entdeckte man kurz vor Sonnenaufgang einige Insekten, Skorpione und Echsen versteckt im Sand. Und das waren bestimmt nicht die einzigen Tiere die hier lebten. Die Reise verlief ohne weitere Vorkommnisse und am Nachmittag dieses Tages erblickten Kakashi und Jinya in der Ferne die großen Stadttore Shyourais. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)