Tango von Terrormopf (Das Rosa Cama in Buenos Aires) ================================================================================ Kapitel 11: Der elfte Tanz -------------------------- Hallo^^ Nach soo langer Zeit sollt ihr doch mal wieder was von Carmen und co. zu lesen bekommen, es tut mir leid, dass ich so Ewigkeiten gebraucht habe *in die Ecke stell und schäm* Dafür ist es länger als die anderen ^__^ Noch was? Ach ja: Vielen lieben Dank für eure Kommentare, ihr seid so toll! *euch alle flausch* „Carmen! Carmen! Nun wach endlich auf!“ Es war Emilies Stimme, die sie aus dem Schlaf holte und nur widerwillig öffnete Carmen die Augen. „Emilie? Was willst du hier?“ Schlaftrunken rieb sich Carmen die Augen und gähnte dann herzhaft. Die Französin setzte sich Carmen gegenüber, als sich diese aufgesetzt hatte, ergriff deren Hände und sagte: „Du hattest versprochen es mir zu erzählen.“ „Hat das nicht Zeit?“ „Nein, zum Teufel! Du hast es mir versprochen!“, quengelte Emilie und schob die Unterlippe vor. Die Jüngere seufzte und entgegnete: „Du verhältst dich wie ein kleines Kind; haben wir die Rollen getauscht?“ „Sei still und erzähl!“, forderte Emilie. Daraufhin lachte Carmen und meinte neckisch: „Du weißt, dass sich das widerspricht, also entscheide dich endlich!“ Dafür erntete sie von ihrer Gegenüber lediglich einen tadelnden Blick. Sie schwieg einen Moment lang und fragte schließlich leise: „Was willst du hören?“ „Alles! Warum bist du vor ein paar Tagen zusammengebrochen? Was hattest du gestern mit Ramón zu schaffen?“ Carmen machte ihre Hände von denen Emilies los, schlug die Decke zurück, stand auf und begann sich anzuziehen. Währenddessen erzählte sie Emilie, was an jenem Tag geschehen war. Ihre Freundin unterbrach sie nicht und kommentierte es am Ende auch nicht, sondern fragte lediglich, als Carmen sich wieder zu ihr aufs Bett setzte: „Und was wolltest du von Ramón? Er kam nämlich noch zu mir und als ich ihn fragte, was du mit ihm zu schaffen hattest, sagte er nur, dass ich nicht so neugierig sein und mich auf seine ziehenden Lenden konzentrieren solle.“ Carmen war ihr dankbar, dass sie auf das schmerzende Thema nicht weiter einging. So versuchte auch sie nicht weiter daran zu denken, sondern kicherte: „Ja, das passt zu ihm!“ „Das ist mir auch bewusst, nun schummle dich doch nicht ständig darum! Warum hast du dich nicht um sein Verlangen bekümmert?“ „Nun, weil ich lieber mit ihm zum Schneider gehe, dass der mir ein prächtiges Kleid auf Kosten der Sangres macht.“ Ein Grinsen stahl sich auf die Lippen der Jüngeren und die Französin fauchte: „Ein Luder, ein verdammtes Luder bist du, Carmen! Was zum Teufel bewegt einen wie Ramón dazu dir ein Kleid zu kaufen? Wie hast du das nur angestellt?“ „Er liebt halt seinen Bruder.“ „Nun hör endlich auf in brasilianisch mit mir zu sprechen, sondern erklär’s mir!“ Ihre Stimme klang genervt und Carmen gluckste daraufhin vergnügt, bis Emilie ihr leicht auf die Schulter schlug und erwiderte dann: „Ist gut, ist gut. In vier Tagen schon ist der Ball an dem seine Verlobung bekannt gegeben wird.“ „Ramóns?“, fragte Emilie verwundert und hob ungläubig eine Braue. „Nein, die Julios. Es ist ein Maskenball.“ „Ein Maskenball?“ „Weißt du, was ich will?“ „Ich ahne es; und ich wäre vorsichtig, wär ich du.“ „Ach, du siehst Gespenster! Es wird alles gut laufen.“ „Wenn du dich da nur nicht täuschst.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und fügte hinzu: „Komm, wir sind heute damit dran die Schankstube zu kehren.“ Carmen seufzte, folgte aber schließlich ihrer Freundin. „Carmen, Carmen! Der Schweiß der Arbeit macht dich erst richtig reizend.“ Sie fuhr herum und gewahrte dicht, fast schon zu dicht, Ramón hinter sich. Sie hatte sich die Ärmel ihres Kleides hochgekrempelt und mit Elan den Boden der Schenke geschrubbt. Sie musterte Ramón, während sie die Luft ausstieß und sich die widerspenstigen Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte. Er sah tadellos aus wie immer, der Justaucorps offen, sodass man die fein gearbeitete Weste sehen konnte, die Cravate elegant am Hals gebunden, unter ihr der Stehkragen des Hemdes und die Culotte ordentlich zugeknöpft, zu unterst von einer detailliert verzierten Schnalle gehalten, der Hosenlatz war ganz modern à la bavaroise, außerdem die blütenweißen Strümpfe unter den Hosen und die Schnallenschuhe, wie immer, nicht poliert. Den Dreispitz hatte er gar nicht erst abgenommen und den Degen konnte sie auch kaum übersehen. Etwas verwirrt warf die Hure einen Blick auf die Uhr in der Ecke und sagte dann: „Ich hatte dich nicht so früh erwartet, Ramón.“ „Nun, aber wenn Frauen sich für ein Kleid entscheiden sollen, brauchen sie stets zu lange. Außerdem haben wir noch viel zu besprechen. Also komm, draußen wartet die Kutsche.“ Sein Tonfall klang ungewohnt formell und er wollte sich gerade umdrehen und ihr voraus durch die Tür gehen, da erwiderte sie hektisch: „So warte doch, ich kann doch so kaum nach draußen! Lass mich wenigstens das Gesicht waschen und die Haare machen!“ Mürrisch drehte er sich um und wollte gerade etwas sagen, da kam Emilie aus der Küche und kaute auf einem Apfel herum. Sein heute so verbitterter Gesichtsausdruck wandelte sich und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er die Französin erblickte. „Emilie! Donnerlittchen, bei Tageslicht bist du ja noch schöner!“ Schon fast euphorisch ging er auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Daraufhin verschluckte sie sich jedoch und hustete schrecklich, bis sie ihn, mit einem verblüffend starken Akzent maßregelte: „Ramón! Isch bin nischt beim Arbeiten, also unterlasst bitte diese Anßüglischkeiten.“ Als er sie jedoch an der Taille packte, näher zu sich zog und ihren Hals liebkoste, kicherte sie vergnügt auf und tadelte ihn gleichzeitig: „Monsieur Ramón, isch bitte Eusch, nischt doch bei Tag!“ „Oh, dieser Akzent! Er beraubt mich sämtlicher Sinne!“, raunte er der Hure ins Ohr, aber dennoch so laut, dass Carmen es unfreiwillig mitbekam. Sie nutzte die Gunst der Stunde, um in den Waschraum zu gehen und sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Außerdem stellte sie sich vor den Spiegel, um die widerspenstigen Haarsträhnen ebenfalls in der Frisur unterzubringen, damit sie ihr nicht ständig ins Gesicht fielen. Als sie wieder in die Schankstube kam, sah sie, dass Ramón schon halb auf Emilie, auf einer der Bänke lag und sie immer wieder küsste. Sie räusperte sich vernehmlich und sagte laut: „Ramón, ich wäre dir sehr verbunden, würdest du dich von meiner Freundin erheben und dich mit mir auf den Weg zum Schneidermeister machen.“ Nur widerwillig folgte Ramón ihrem Geheiß und als sie zur Türe gingen, drehte er sich noch einmal zu Emilie um, deren Frisur nun mehr als nur zerzaust war, und versprach, ihr eine Kusshand zuwerfend: „Heute Abend, wenn ich das Frauenzimmer wieder bringe, komme ich noch einmal zu dir, damit wir zu Ende führen können, was wir jetzt unterbrechen mussten.“ Emilie kicherte nur darauf und nickte. „Du bist ein seltsamer Mann.“, stellte Carmen fest, als sie ihm gegenüber in der Kutsche der Sangres saß. „Warum das?“, fragte Ramón verwundert und musterte sie mit hochgezogenen Brauen. „Nun ja“, begann sie zu erklären, „Einerseits scheinst du ganz einfach gestrickt, das Einzige, das dich zu interessieren scheint ist Alkohol und der Beischlaf. Aber auf der anderen Seite sorgst du dich wiederum um deinen Bruder, wie es kein Zweiter tut.“ Ramón schwieg darauf. Offensichtlich behagten ihm solche Gespräche zu seiner Person nicht. So dachte Carmen hastig nach, welches Thema sie anschneiden könnte, das nicht wieder nach vier Sätzen ins Schweigen überging. „Zu welchem Schneider gehen wir?“, fragte sie schließlich und Ramón antwortete: „Wir gehen nicht zum Schneider. Du wirst eines der Kleider meiner Mutter anziehen, ihr müsstet ungefähr die gleiche Größe haben.“ „Oh.“ mehr fiel Carmen daraufhin nicht ein. Sie würde also ein Kleid der Doña Sangre tragen? Der Mutter Julios? „Wird sie das denn nicht stören?“ War ihr schließlich doch noch eine Frage eingefallen. Ramón lachte daraufhin auf und meinte: „Meine Mutter kennt nicht alle ihre Kleider. Sie hat viel zu viele; Vater hat schon gemeint, wenn das so weiter geht gehen wir bald Konkurs ob ihrer Kaufsucht. Er sagt immer, sie meine, wir lebten am Hofe Paris, wo man für jeden Tag ein neues Ballkleid braucht.“ Carmen lächelte schwach, war jedoch dennoch nicht wirklich beruhigt. Für gewöhnlich kannten Frauen ihre Kleider in und auswendig, egal wie viele sie besaßen. „Nun hab dich nicht so!“, forderte er. „Die Kleider meiner Mutter sind gut!“ „Warum sind wir nicht zum Schneider?“ Ihre Frage war unverblümt und grob unhöflich, aber sie erwartete nicht, dass Ramón sich daran störte. Damit lag sie auch richtig, denn er meinte nur: „Ich bin in letzter Zeit knapp bei Kasse, die Geschäfte laufen nicht so, wie ich es gerne hätte und wenn ich mich entscheiden muss, ob ich dir ein Kleid schneidern lasse oder lieber zwei Wochen lang jeden Abend eine Kurtisane haben kann, dann liegt meine Antwort wohl auf der Hand. Aber sorge dich nicht, meine Mutter hat einen ausgezeichneten Geschmack, was Mode betrifft.“ Die junge Frau nickte daraufhin nur und den Rest der Fahrt zur Villa Sangre saßen sie sich schweigend in der mit rotem Samt gepolsterten Kutsche gegenüber. Als sie endlich vor der Villa Sangre ankamen und Ramón ausstieg um dann auch ihr zu helfen, fragte sie, von der Pracht des Gebäudes eingeschüchtert: „Was werden deine Eltern sagen, wenn du eine Frau ins Haus führst?“ Ramón lachte jedoch nur, so wie es seine Art war, und entgegnete: „Nichts; mein Vater ist mit meiner Mutter bei den Marginals, um sich einen Tee in der Gesellschaft zu genehmigen.“ „Und das Gesinde?“ „Hätten die etwas zu sagen, würd’s mich nicht kümmern, du bist nicht das erste Frauenzimmer, das ich zu mir führe.“ Carmen verbiss sich einen Kommentar auf diese Aussage, sondern folgte ihm ins Haus. Schon in der Eingangshalle war sie überwältigt; die Fliesen waren aus reinem Marmor und die breite Treppe, die zweigeteilt ins erste Stockwerk führte, war aus gleichem Material, die Geländer herrlich verziert und die Stufen mit einem breiten, purpurnen Teppich ausgelegt. Ehrfürchtig folgte sie Ramón diese hinauf und nahm dann, ihm gleich, die Treppe zu ihrer Linken. Die Gemälde an den Wänden zeigten Männer mit gelockten Perücken und Justaucorps mit Westen, die ihnen bis über den Schritt gingen. Offenbar waren es Vorfahren und ältere Verwandte in früheren Jahren Ramóns und Julios; doch Carmen hatte nicht die Zeit sie eingehender zu betrachten, angesichts des strammen Tempos, das Ramón an den Tag legte. Vor einer Tür blieb er abrupt stehen, sodass Carmen beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Der Hellhaarige stieß die Flügeltüren gekonnt auf und ging in das riesige Gelass, in dem die schweren Vorhänge zugezogen waren. Das änderte er jedoch sogleich und führte sie dann durch eine Tür auf der rechten Seite in sein fast ebenso großes Schlafgemach. Carmen stutzte zuerst und überlegte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich auf diesen Casanova einzulassen, doch als sie die drei Kleider, die auf dem Bett lagen, sah, da trat sie freudestrahlend ein und begutachtete diese. Vom ersten der drei Kleider ließ sie sofort die Finger; es war ein altmodisches Kleid mit einem riesigen Reifrock. Das zweite gefiel ihr am Besten, es war grün mit Volants an den Ärmeln und vielen Aufnähern, außerdem nur mit Poschen. Sie warf Ramón, der in der Tür stehen geblieben war und sie beobachtet hatte, einen fragenden Blick zu, woraufhin er meinte: „Probier’s nur an. Den Schnürleib habe ich dir auch hingelegt.“ Carmen sah auf das Mieder, wieder zu Ramón, errötete leicht und gestand: „Ich weiß aber nicht, wie man so etwas anzieht…“ Der Hellhaarige lachte daraufhin laut auf und meinte feixend: „Wie man es auszieht weiß ich genau, aber das mit dem Anziehen… Ich glaube allerdings, dass es schwer werden dürfte die Stränge allein am Rücken zu verschnüren. Ich muss dir wohl helfen, also zieh dich aus!“ Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, woraufhin Carmen nur mit den Augen rollte, sich aber doch bis aufs Chemise entkleidete. Sie wusste, dass man das unter dem Korsett anließ, da ebenjenes sonst fürchterlich auf der Haut scheuerte. Ramón hatte sich in der Zwischenzeit den Schürleib genommen und trat mit diesem an sie heran, noch immer ein breites Grinsen auf den Lippen. Er legte es ihr um, trat hinter sie und hielt für einen Moment inne. „Was ist denn nun?“, wollte Carmen etwas genervt wissen. Der junge Prinz jedoch entgegnete lediglich: „Ich fragte mich nur gerade, wie man das Ding eben schnürt.“ „Du solltest nicht so viel denken“, wetterte die Hure, „Du könntest dich überanstrengen!“ „Ach sei still!“, gab er zurück. „Als wüsstest du wie es geht.“ „Müsste ich es dir anlegen, bräuchte ich gewiss nicht so lange.“ „Na das will ich sehen!“ „Na das glaube ich kaum und nun beeil dich, wir haben nicht die ganze Woche Zeit!“ „Sei doch froh, dass ich dir überhaupt helfe, also hör auf zu meckern, als seist du eine Ziege!“ Und endlich begann er an den Fäden zu ziehen. Aber wie! Carmen blieb die Luft weg und sie japste: „Willst du mich denn erwürgen?“ „Verzeih.“ Er lockerte es ein wenig, aber Carmen bekam dennoch nicht wirklich Luft. Also fuhr Ramón fort ihr die Luft abzuschnüren und die Dunkelhaarige fragte sich fortwährend, wann ihre Rippen nachgeben und brechen würden. „Warum muss das denn so fest sein?“, japste sie und Ramón antwortete: „Weil das die Mode ist.“ „Eine bescheuerte Mode haben die Damen der Gesellschaft da! Man soll ja für die Schönheit leiden, aber diese Tortur würde ich mir nun wirklich nicht antun!“ „Und was machst du dann jetzt gerade?“, lachte Ramón und zog den nächsten Faden stramm. Carmen keuchte und antwortete, nach Luft ringend: „Ich tue es nicht der Mode, sondern der Liebe wegen; und glaube mir, wer sich darum in ein solches Ding zwängt, dessen Liebe ist unerschütterlich.“ „Liebe, pah!“ Ramón schnaufte abfällig. „Was ist das schon? Mein Bruder wird Esperanza Maladie heiraten und mir werden meine Eltern auch eines Tages eine auftischen, nur dass ich nicht aufhören werde Tango zu tanzen, gleich meinem Bruder, den alle so tugendhaft schimpfen. ‚Julio der Tugendhafte’ was für ein Titel! Eine reine Peinlichkeit! Das Volk will wahre Männer, mehr Barbar als Edelmann, an der Macht wissen, sonst stürzen sie ihn! Fertig.“ Nun konnte Carmen kaum noch atmen, bedankte sich dennoch und ging, als hätte sie einen Stock verschluckt, zu seinem Bett, um das grüne Kleid anzuprobieren, doch als sie es anhatte und sich im Spiegel betrachtete, gefiel sie sich gar nicht. Sie zog ein paar Grimassen, hob die Arme, drehte sich um die eigene Achse und sagte schließlich: „Es passt nicht zu mir.“ „Ihr Frauen!“, stöhnte Ramón. „Ich sage es doch schon so lange: Im Evaskostüm seht ihr schlicht am Besten aus.“ Auf diesen Kommentar hin schlug Carmen ihm mit der flachen Hand auf die Brust und grinste: „Dass du das sagst, hätte mir klar sein sollen. Aber sei ehrlich: sieht das Kleid gut an mir aus?“ Der Hellhaarige hob skeptisch die Brauen und musterte sie eingehend. Dann deutete er allerdings mit dem Daumen nach unten. Sie seufzte, legte es wieder ab, was schwerer war als erwartet, und ging auf das letzte Kleid zu, das auf dem Bett lag. Dieses war ein Contouche in zartem Himmelblau. Vor der Brust hatte es Schleifen und Spitzenvolants an den Ärmeln. Die Jupe war mit vielen Schnörkeln und Rüschen verziert. Sie legte es an und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Schließlich trat Ramón hinter sie und meinte grinsend: „Immer noch nicht ganz das Wahre, aber besser als die anderen Beiden.“ „Oh du Widerling! Zieh dir deinen Justaucorps wieder an! Schließlich hast du Damenbesuch!“, tadelte sie ihn, doch er drehte sich um, räkelte sich genüsslich, sodass sie einen wunderbaren Blick auf das Hinterteil seiner Hosen hatte und entgegnete: „Nun hab dich nicht so; wärst du eine holde Jungfer, so verstünde ich deine Empörung, aber du hast jede Nacht nackte Kerle bei dir in deinem Bett! Zudem befinde ich mich nicht in der Öffentlichkeit und wenn ich dich fast nackt vor mir stehen habe, dann wird mir warm!“ Sie lachte nur trocken auf und erwiderte: „Ich fasse das als Kompliment auf und teile dir mit, dass ich dieses Contouche auf dem Ball tragen werde.“ „Dann tu das…“ Er wurde unterbrochen, als jemand seinen Namen rief. „Wer…?“, wollte Carmen wissen, aber Ramón hielt ihr die Hand auf den Mund und sich den Finger auf die Lippen, dann flüsterte er: „Still!“ Ihr Herz klopfte wie wild und ihr Atem wurde flach. Was würde passieren, fände man sie hier mit Ramón und den teuren Kleidern? Der jedoch behielt einen kühlen Kopf, auch als sein Name noch einmal erklang und sie hörten, wie die Türen zu seinem Gelass aufgestoßen wurden. Eilig warf er die teuren Kleider vom Bett, achtlos auf den Boden, und befahl ihr dann: „Leg dich aufs Bett!“ „Aber was…?“ „Ramón!“, ertönte es noch einmal. „Schnell, Carmen!“ Sie hatte keine Wahl, also tat sie, was er von ihr verlangte und ließ ihn gewähren, als er sich auf sie legte. Er küsste sie gerade, da öffnete sich die Türe zu seinem Schlafgemach. Ein alter Mann trat ein, er war wohl um die 60 Jahre, edel gekleidet und mit müdem Gesicht. Ramón ließ sich davon nicht stören und streifte gerade ihren Rock über ihr Knie, als der Mann erneut seinen Namen sagte. Nun wandte Ramón sein Gesicht affektiert erstaunt zu dem Eindringling, rollte sich von Carmen herunter und fragte überrascht: „Vater, was macht Ihr denn hier? Ich erwartete Euch nicht vor der Abendstunde wieder.“ Das war also ihr Vater. In seinen jungen Jahren musste er ein schnieker Bursche gewesen sein, doch die tiefen Furchen in seinem Gesicht und das schneeweiße Haar, das es umrundete, ließen ihn alt und krank wirken. „Kaum dass die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch; Ramón, wie oft sagte ich dir schon, dass es mir gleich ist, wenn du dich mit den Huren vergnügst, aber nicht in diesem Haus!“ „Zürnt nicht, Vater, Ihr wisst, das ist nicht gut für Euren Pulsschlag.“ „Lenke nicht ab, Ramón!“, fuhr der Alte ihn an. „Und du! Wie heißt du überhaupt, Hure?“ „Carmen ist mein Name. Es ist mir eine Ehre Euch zu begegnen.“ Sie wollte sich erheben, um ihren Worten mit einem Knicks Nachdruck zu verschaffen, da hielt Ramón sie zurück, indem er eine Hand auf ihre Brust legte und sie sanft zurück in die Kissen drückte. Erst verstand sie nicht, was das sollte, da wurde sie sich wieder der Tatsache gewahr, dass sie noch das Kleid der Señora Sangre trug. Ihr Atem beschleunigte sich und ihre Brust stieß schmerzhaft an den Schnürleib an. Sie hoffte inniglich, dass der Herzog das nicht bemerkte, wenn es so unordentlich an ihr aussah. „Nun sagt schon, Vater, was führt Euch her? Ihr geruht Euch doch sonst nie in meine Gemächer?“, lächelte Ramón und musterte seinen Vater arglos. Der wiederum heftete seinen Blick auf den blonden Schopf seines Sohnes und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Carmen fröstelte angesichts dieser Mimik und rutschte unbewusst ein Stück nach hinten. „Hätte deine Mutter, die Hure, dich doch nur nie geboren! Nichts als Scherereien hat man mit dir.“, murmelte der Herzog, fügte dann aber lauter hinzu: „Komm mit, Ramón, deine Mutter und ich haben mit dir zu sprechen.“ Carmen wunderte sich; hatte Ramón den gehässigen Kommentar nicht mitbekommen? Er lächelte den Mann nach wie vor an. „Warte hier“, gebot er ihr dann und folgte dem Weißhaarigen aus der Tür, die er hinter sich wieder schloss. Erneut schüttelte es Carmen. Dieser Mann hatte unglaublich kalt gewirkt. Beruhten die Gerüchte, die besagten, dass Ramón nur ein Bastard sei, auf der Wirklichkeit? Was sollte sie jetzt tun? Auf ihn warten? Weggehen konnte sie schlecht, aber wann würde er wohl wiederkommen? Als erstes zog sie sich das Contouche aus und den Schnürleib wollte sie ebenfalls ablegen, doch schaffte sie es alleine nicht. Sie setzte sie sich, nur mit dem Chemise und dem Korsett auf die breite Fensterbank und blickte auf die wunderschönen Gartenanlagen. Ob seine Eltern etwas Wichtiges mit Ramón zu besprechen hatte? Ramón hatte es in seiner Kindheit sicher schwer gehabt, schoss es Carmen durch den Kopf. Sicherlich hatte er niemals die Wärme eines väterlichen Busens zu spüren bekommen, oder die Liebe eines Vaters. Sie schrak auf, als sie seine dröhnende Stimme vernahm. Er brüllte, war extrem aufgebracht, doch sie verstand noch nicht, was er sagte. Erst als er krachend die Flügeltüren aufschmetterte, verstand sie, was er in seiner Raserei, sie vollkommen vergessend, brüllte: „Nicht sein Sohn! Nicht sein Sohn!“ Er warf zornig eine Kommode um und trat mit dem Fuß dagegen. „So sagte er es mir ins Gesicht! Dieser senile alte Kauz! Er schimpfte mich einen Bastard, weil meine Haare die Farbe seines Cousins aus Schweden haben, dabei weiß jeder, dass seine Familie sich in den Adel eingeschlichen hat! Ins Militär soll ich! Da sei ich besser aufgehoben!“ Er trat noch einmal gegen die Kommode mit solcher Wucht, dass das Holz zersplitterte. „Ins Militär, wo die Frauen weiter nicht seinen können; getrennt von meinem geliebten Bruder, der hier sein Leben allein mit diesem Frauenzimmer, das sich ihm so schamlos aufgezwängt hat, fristen muss! Eine Militärskarriere! Sie hätten mich gleich ins Kloster zu den Kuttenträgern sperren können!“ In dem Moment kam eine Frau, in wunderschönem, zartrosafarbenem Gewand, hereingerauscht, das Gesicht glänzend vor Tränen. Nun warf sie sich ihm an den Hals und schluchzte: „Ramón! Mein geliebter Sohn! Mein Ramón! Ich wollte es nicht, ich wollte ihn davon abhalten! Ich sagte ihm, dass du da nicht hindarfst! Ich sagte es ihm! Nichts als das Beste will ich für meine geliebten Söhne!“ „Hinaus, Mutter!“ Er stieß sie grob von sich, dass sie gegen eine Wand aufschlug. Sie rutschte daran hernieder und schluchzte bitterlich. Aber Ramón brüllte erneut: „Hinaus, sage ich! Das Beste willst du für uns und verlobst Julio doch mit einer Frau, die ihm zuwider ist und schickst mich doch zum Militär? Hinaus!“ Ein weiteres Schluchzen entfuhr ihr und sie heulte: „Ich wollte es nicht! Er tat es! Es war nicht meine Schuld, ich tat alles, was ich konnte!“ „Ich sage es nicht noch einmal!“ Er packte sie am Arm, zog sie auf die Beine und warf sie schier aus dem Zimmer, dann knallte er die Tür zu. Als nächstes sollte ein Gemälde, das seine Familie zeigte, seiner ohnmächtigen Wut zum Opfer fallen, doch gerade als er den Stoff der Leinwand mit seinem Knie bersten wollte, hielt er inne, atmete einige Sekunden tief ein und aus und seufzte dann: „Julio, mein Bruder, wie bitterlich wirst du weinen, wenn du es erfährst? Wie brutal sie dir das Herz zerreißen. Du wirst schluchzen und heulen, als wärst du ein Weib.“ Er lachte leise auf. „Doch noch bist du weit weg und in wohliger Unwissenheit. Nichts in der Welt brächte mich dazu einen Boten zu dir zu schicken, dir jetzt diese Hiobsbotschaft zu überbringen.“ Carmen zitterte; doch sie wusste nicht, ob es Mitleid, Betroffenheit oder einfach Angst vor dem zürnenden Ramón war. „Vater wird mich gewiss nach Europa schicken, so weit ins Exil wie es ihm möglich ist. Warum nenne ich ihn denn noch Vater, wenn sich alle Welt sicher ist, dass er es nicht ist? Wenn nur du, Mutter und ich es glauben? Wenn es doch so viel leichter ist zu sagen, ich sei ein Bastard!“ „Ramón?“ Es war besser ihn nun zu unterbrechen und auf sich aufmerksam zu machen, wenn er sich noch nicht wieder in Rage geredet hatte, fand Carmen. Der Prinz wandte seinen Kopf zu ihr und starrte sie an, als wäre sie der Leibhaftige. Tränen standen in seinen Augen und sein Gesicht war noch rot gefärbt vom Zorn. „Ramón, sprich besser nicht weiter, solange ich da bin“, bat Carmen. „Du bist da“, sagte er langsam und für Carmens Geschmack etwas zu ruhig. Sie erwiderte nichts darauf, sondern wartete, bis er weitersprach: „So ist es gut! So wird es klappen!“ Dieser ruhige Tonfall an Ramón erschreckte so noch mehr als das Gebrüll zuvor und sie fragte vorsichtig: „Was wird klappen?“ „Am Ball wirst du es ihm sagen.“ „Was?“, rief sie erschrocken aus, „Warum ich?“ „Weil ich so etwas nicht kann ohne ihm einen Dolch durchs Herz zu jagen.“ „Und dann bin ich die böse Frau, die ihm den Busen in Stücke reißt und du bist fein raus?“ Ramón überlegte einen Moment und nickte dann mit seinen treuen Augen in die Ihren blickend. „Sieh mich nicht so an!“, flehte sie, doch er fuhr fort und entgegnete dann: „Betrachte es als den Preis dafür, dass ich dir helfe auf den Ball zu kommen.“ „Du bist ein solcher Schuft!“ Damit hatte sie ihre Einwilligung gegeben und sein Gesicht entspannte sich ein bisschen. Einige Sekunden lang herrschte eine unheimliche Stille des gegenseitigen Einverständnisses, dann setzte sich Ramón auf die Bettkante, den Oberkörper geneigt, die Ellenbogen auf den Knien und die Hände vor sich gefaltet. Schließlich sagte er: „Ich werde dir am Freitag die Kutsche schicken und dich vor meinem Heim erwarten. Deine Maske liegt noch auf meinem Nachttisch.“ „Aber du kannst die Kutsche nicht vors Rosa Cama schicken, denn sonst würde der Hurenwirt mich sehen!“ „Und was wäre schlimm daran?“, fragte Ramón unwissend. Carmen schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn und erwiderte: „Wie kann es sein, dass mein geliebter Julio einen solchen Dummkopf zum Bruder hat?“ „He!“, fiel er ihr ins Wort, doch sie ließ sich nicht davon stören: „Ich muss mich hinaus schleichen und dem Hurenwirt erzählen, ich sei krank.“ Ramón rollte daraufhin jedoch nur mit den Augen und fuhr in seiner Erklärung fort: „Julio wird kurz vor dem Ball kommen, genau wie du. Ich werde dich in sein Zimmer führen.“ „Gut.“, erwiderte Carmen und nickte. Ramón überspielte den vorherigen Gefühlsausbruch gut, denn hätte sie seine Verzweiflung und seinen Unmut nicht mit eigenen Augen gesehen, so hätte sie niemandem geglaubt, der ihr erzählt hätte, dass es so gewesen war. Lachend, so wie man es von ihm gewohnt war, kam er auf sie zu, bleib einige Zentimeter vor ihr stehen und grinste: „Ist es eigentlich bequem nur in Chemise und Korsett dazusitzen?“ „Nein!“, fauchte sie ihn an, „ist es nicht, aber alleine kann man dieses verdammte Ding ja nicht ablegen!“ „Oh, lass mich dir helfen! Entfernen kann ich sie mit einer Hand!“, grinste Ramón und Carmen seufzte: „Das glaube ich dir wohl.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und drehte ihm den Rücken zu. „Wo soll ich denn die Kutsche hinschicken?“, fragte Ramón schließlich. Sie wartete mit ihrer Antwort noch einen Moment, auf dass sich ihre Lungen wieder entfalten konnten, und erklärte schließlich: „Schicke sie zum Navio D’Oro, dort werde ich sein.“ „Wie willst du denn da sein, wenn du gar nicht weißt, wann du da sein musst?“, amüsierte sich Ramón, als er ihr zusah, wie sie sich vollends von dem Schnürleib befreite und wieder ihr Kleid anzog. „Ich gehe einfach davon aus, dass du es mir gleich sagen wirst.“, lächelte sie ihn verführerisch an. Daraufhin lachte er: „Bin ich denn so durchschaubar?“ „Du hast ja nicht die geringste Vorstellung davon!“, stieg sie in sein Lachen mit ein. Ramón setzte sich auf einen Sessel und erklärte schließlich, ihr den anderen anbietend: „Um sechs Uhr wird die Kutsche da sein und wenn du nicht da ist, fährt sie weiter.“ „Woran erkennt der Kutscher mich?“, unterbrach sie ihn. „Und du schimpfst mich dumm! Na an dem Kleid! Aber du musst aufpassen, dass niemand über dich herfällt… Es wäre mir wirklich lieber, die Kutsche könnte dich vorm Rosa Cama auflesen.“ Carmen schüttelte allerdings wie wild mit dem Kopf und sagte: „Das geht nicht, sonst bekomme ich schreckliche Prügel und wenn ich erst grün und blau bin will mich kein Mann mehr, und wenn ich keinen Verdienst einbringe, dann bekomme ich noch mehr Schelte!“ Ramón sah zur Seite, kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe und murmelte: „Irgendetwas wird mir schon noch einfallen.“ Und lauter, ihr wieder in die Augen sehend, fuhr er in der Ausführung seines Plans fort: „Du musst dich allerdings auch anpassen, das bedeutet, du musst zum Aderlass und eventuell auch deine Pupillen mit Atropin weiten.“ „Atropin? Was ist das?“, fragte Carmen skeptisch. „Das ist das Gift der Tollkirsche-„ „Der Tollkirsche? Was ist das für eine Pflanze?“ Der Name klang gefährlich, eine Kirsche die toll machte? Die einen verrückt werden ließ? „Sie wächst in Europa“, erklärte Ramón. „Meine Mutter und die anderen Damen der Gesellschaft lassen sie gerne importieren, weil sie die Pupillen erweitert und die Frauen so diesen dämlichen Rehblick bekommen.“ „Und wo soll ich die herbekommen?“, fragte Carmen und musterte Ramón fragend. Der lehnte sich zurück, griff in die Taschen seiner Culotte und zog ein kleines Kästchen daraus. Er beugte sich jetzt ganz weit nach vorne und öffnete es. Darinnen waren drei Kirschen und ein kleines Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Carmen wollte schon danach greifen, da zog Ramón es ihr weg und warnte sie: „Pass aber bloß auf! Diese Kirschen rufen unglaublich heftige Reaktionen hervor! Isst du mehr als zehn von ihnen sind sie sogar tödlich.“ Ängstlich zog Carmen wieder ihre Hand zurück und fragte ganz leise, den Blick auf die roten Früchte geheftet: „So gefährlich sind sie? Was bewirken sie noch?“ „Du musst wissen, dass ich sie noch nie nahm, doch für gewöhnlich ist das Extrakt in dem Fläschchen ein wunderbares Mordmittel. Aber die Frauen träufeln sich etwas davon in die Augen.“ „Was?“, flüsterte Carmen ungläubig und Ramón lachte daraufhin: „Ja, es ist schon recht ironisch, dass die Frauen das Mordmittel schlechthin als Kosmetikartikel entdeckt haben, nicht? Meine Mutter nimmt es immer zwölf Stunden vor einem Anlass, denn in den ersten Stunden heult sie wie ein Schlosshund und läuft fast gegen alle Wände, weil sich ihre Pupillen so weiten.“ Carmen schluckte. So etwas taten sich die Damen der Gesellschaft an? Aber vielleicht war das ja sogar gut für sie, denn dann musste sie den Hurenwirt nicht anlügen, dass sie bettlägerig war. „Gut, ich bin vorsichtig.“ „Versprich es mir!“ Er sah ihr prüfend in die Augen und sie entgegnete: „Ich verspreche es dir.“ Immer noch etwas widerwillig überreichte er ihr das Kästchen. „Oh und ehe ich es vergesse!“, rief er aus und sprang auf, zu der kaputten Kommode eilend. Er kramte ein wenig in den Stoffen, die zerwühlt auf dem Boden lagen, nahm sich dann etwas und kam damit zu Carmen. Er verbeugte sich, die Hände vor sich ausgestreckt und auf ihnen ein atemberaubendes Médicis liegend. Carmen hielt ungläubig die Luft an und sah in Ramóns verschmitzt grinsendes Gesicht, dann wieder auf das Halsband. „Damit du nicht gänzlich schmucklos kommen musst.“, schmunzelte er und überreichte es ihr. Die Hure stieß die Luft aus und nahm das Geschenk in Empfang. Ich hoffe, ihr zerfetzt mich jetzt nicht in der Luft *duck* Naja, das nächste Kapitel ist schon geschrieben ^o^V Das heißt, es wird nicht allzu lange auf sich warten lassen =) LG, Terrormopf^^ PS: In Wald, bei meiner Schule liegt schon Schnee :D Bei euch auch? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)