Drachenherz von Xanderle (Ein kleiner Zujin Roman) ================================================================================ Kapitel 5: Große Dinge, kleine Dinge ------------------------------------ Zuko stand in leichter Kleidung an Deck des prächtigen Staatsschiffs und versuchte, sich auf das Rauschen der Bugwelle zu konzentrieren. So wütend wie vor vier Tagen war er schon lange nicht mehr gewesen. Dabei hatte er wirklich geglaubt, dieses Tobsuchtsanfälle hinter sich gelassen zu haben. Er runzelte die Stirn. Nicht einmal sein tägliches `Wasserbändigen´ half.  Erneut vollzog er die ruhigen, anmutigen Übungen, um in den Bewegungen des Gegenelements Gleichgewicht zu finden.  Es kühlte ihn ab. Meistens jedenfalls! Was war nur los mit ihm? Es lief doch Alles nach Plan. Die Verhandlungen mit dem Wasserstamm waren nach drei Tagen zu einem für alle Parteien überaus befriedigenden Abschluss gekommen und die zukünftige Wasserversorgung der Feuernation, vor allem ihrer Landwirtschaft, war gewährleistet. Und nun war er schon auf halbem Weg nach Ba Sing Se, um das wichtigste seiner Probleme anzugehen: Die Rettung der Lebensgrundlage seiner Leute. Dass dies nicht leicht werden würde, war ihm mehr als bewusst. Nervenaufreibende Wochen, oder gar Monate lagen vor ihm. Im Palast des Erdkönigs würden sie ihn endlos warten lassen, mit bürokratischem Gewäsch bei der Stange halten, nur um ihn wieder und wieder auf Granit beissen zu lassen. Doch aufhalten würden sie ihn nicht! Sein Dickschädel war immer noch grösser, als der irgendeines Erdbändigers es hätte sein können. Dies war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen er froh war, die manchmal selbstzerstörerische Verbissenheit seines Vaters geerbt zu haben. Ein `Nein´ würde er nicht akzeptieren. Niemals! Sein Land würde zu Grunde gehen, sollte er Scheitern. Also würde er es nicht. So einfach war das. Aber, warum bei allen Höllenfeuern war er dann seit einem Monat so unruhig?  Träume plagten ihn.  Auch sein Albtraum. Doch das war nichts neues. Von diesem Gespenst wurde er schließlich jedem Neumond heimgesucht. Es waren die anderen Träume, die ihn zermürbten.  Die Glücklichen. Die nach Orangenblüten duftenden. Erinnerungen, die er überwunden geglaubt hatte, folterten ihn in diesen Träumen mit bitterer Süße, mit etwas, das nie sein würde. Seit einem Monat! Ba Sing Se, einen Monat zuvor Jin We würde zu spät kommen, weil sie ihren Schuh nicht fand. Dabei hatte sie Sela versprochen, pünktlich zu sein.  Sie wollten neue Garne kaufen, um dieses komplizierte Webmuster zu versuchen. Verflixt! Den einen Schuh hatte sie ja, aber der zweite weigerte sich kontinuierlich aufzutauchen.  Warum passierte so was immer ihr? Es konnte ja nicht nur an dem üblichen Chaos liegen, das sie umgab, oder? Bestimmt hatte dieser flohverseuchte Kater den Schuh als Beute deklariert und verschleppt. „Dummes Vieh! Kannst Du mir mal verraten, warum ich Dich immer noch durchfüttere?" Der große ingwerfarbene Kater schnurrte nur. Die Gelassenheit eines männlichen Wesens, welches genau wusste, dass weit und breit keine Konkurrenz in Sicht war. „Pascha!" Der Kater begann sich zu putzen. Es schien ihm der beste Weg zu sein, Desinteresse zu demonstrieren. „Für jemanden, der sich tagtäglich den eigenen Schwanz ableckt, bist Du ziemlich hochtrabend, mein Freund!" Da sie weiterhin ignoriert wurde, wandte Jin sich wieder ihrem Problem zu. Wo war der Schuh? Ha! Unterm Bett! Nein, da waren nur peinlich viele Staubmäuse versammelt und es stand zu befürchten, dass sie demnächst Nachwuchs bekommen würden. Vielleicht hatte sie ihn aus Versehen in den Nachttisch gelegt? Es war zwar eine Idee, die aus der Verzweiflung geboren war, aber sie hatte schon seltsamere Dinge an noch seltsameren Orten gefunden. Nein, da war er auch nicht. Sie versuchte es mit Telepathie, aber der Schuh, so alt er auch war, schien noch keine höhere Bewusstseins-Ebene erreicht zu haben. Aha! Unter dem klobigen Kleiderschrank hatte sie noch nicht nachgesehen. Hoffentlich war er nicht dort! Sie wollte gar nicht wissen, was sich da unten so alles entwickelt hatte. Vielleicht schon eine neue Zivilisation. Die Füsse des Schranks waren so niedrig, dass grade mal ein weicher Schuh darunter passen würde. Deswegen putzte sie dort auch nie. Wenn schon ein Samtschuh Mühe hatte sich da hinein zu zwängen, konnte man von ihr ja wohl schlecht verlangen, dort unten sauber zu machen. Oder? `Was für eine lahme Ausrede, Missy! Du bist einfach eine wandelnde Katastrophe, das bist Du!´ Jin verdrehte die Augen.  Wenn sich schon eine ihrer inneren Stimmen zu Wort meldete, warum musste es dann ausgerechnet die von Tante Ria sein? Sie ging in die Hocke, um mit ihrer Bergungsaktion fortzufahren. Auf den ersten Blick war da nichts. Sie beugte den Kopf tiefer, bis ihre Wange beinahe staubig wurde. Da war er ja! Sie schob ihre Hand, so weit es ging unter den Schrank, aber kurz vor dem Handgelenk war Schluss. Sie konnte das Ding an ihren Fingerspitzen fühlen ...  Kleiderbügel! Ja, ein Kleiderbügel musste her! Sie schnappte sich den, der über ihr an der schiefen Schranktür baumelte. Mit dieser hochfunktionellen Angel hatte sie den Schuh in Null Komma nichts draussen. Ihn, und leider auch ein paar andere Dinge. Staub, Katzenhaare und: Eine tote Spinne. Buäh! An diesem Knäuel ihrer Schande hing aber noch etwas anderes. Etwas flaches, längliches. Sie zupfte es ab und blies den Staub weg. `Dumme Idee, Missy! Du wunderst Dich ja jetzt hoffentlich nicht über Dein Gehuste?´ Nachdem die Graue Wolke sich verzogen hatte blinzelte Jin das Ding an. Es schien aus festem Karton zu sein, der mit Lack versiegelt worden war. Die Schrift war verblasst, aber lesbar. Es war ein Coupon. Gutschein Auf Vorlage dieses Gutscheins erhalten Sie eine große Tasse Tee Ihrer Wahl, incl. Klein-Gebäck. Besuchen sie Wuus Teebar! Persönlich einzulösen, nicht auf 3. übertragbar. Und die Welt zerbrach. Wie sie es schon einmal getan hatte. Jin vergaß den Schuh, vergaß den Staub, vergaß, dass sie ihn doch eigentlich fast schon vergessen hatte, diesen Jungen. Er war nur noch drei bis vier mal am Tag durch ihren Kopf gespukt. Ehrlich! Nur, wenn sie an dem ehemaligen Teehaus vorbeiging. Und vor dem Einschlafen ... Noch ein paar Jahre, und sie hätte bestimmt überhaupt nicht mehr an ihn denken müssen! Aber jetzt hielt sie etwas Reales in ihren Händen. Etwas, das er berührt hatte. Etwas, das er ihr GEGEBEN hatte. Sie konnte den Felsbrocken, der kometengleich auf sie hernieder raste, nicht aufhalten. Tropfen fielen auf den Lack des Coupons. Zwei, drei ...  Das Salz würde ihn kaputt machen! Sie presste das Ding schützend an ihre Brust und merkte, wie sie begann sich hin und her zu wiegen.  Nein ... Sie wollte nicht!  Bitte nicht. Bitte nicht! Sie wollte sich nicht noch einmal so fühlen wie damals. Nie wieder! Abgehacktes, schmerzhaftes Schluchzen, brennende Enge in ihrer Lunge, hämmernde Herzschläge, die sie in ihrer Wucht fast umwarfen ... Oh ja, sie fühlte sich wieder wie damals. Weil ihr Bauch nur noch ein gordischer Knoten war, krümmte sie sich zusammen, sass an ihren alten Kleiderschrank gelehnt da und spürte nichts mehr, außer ihrem Elend. Jin We würde nicht kommen, weil sie ihren Schuh gefunden hatte. Drei Stunden später stapfte eine vor Wut schäumende Sela die drei Stufen zu Jins Tür hoch. Bei den Göttern! Sie würde diese Schusselnuss erwürgen! Hatte sie denn tatsächlich vergessen, dass sie in der Stadt verabredet gewesen waren?  Sela hatte alleine losziehen müssen, wodurch das Geld natürlich nicht für das ganze Garn gereicht hatte! „Jin?" Sie Hämmerte gegen den Holzrahmen der Shoji, da diese dünne Schiebetür selbst, ihren Attacken nicht standgehalten hätte. "JIN!?!" Die Tür war unverschlossen. Da sie keine Antwort bekam, konnte sie genauso gut auch reingehen. In der winzigen Einzimmerwohnung war es duster, da die Sonne schon vor circa fünf Minuten untergegangen war. Allerdings konnte man das Bündel, das da auf dem Boden vor Jins Schrank kauerte noch ziemlich gut erkennen. „Jin?" Das Bündel zog sich enger zusammen. „Warum sitzt Du da im Dunkeln?" Hier stimmte etwas nicht. Jin stimmte nicht. „Geh weg!" Das Flüstern war viel zu leise. „Jin?" Sela machte zwei hastige Schritte und ging neben ihrer Freundin in die Hocke. „Um Himmels Willen ... Was ist denn passiert?" Sie strich Jin eine zerzauste Haarstähne von der Wange und konnte im Zwielicht ein rotgeschwollenes Augenpaar erkennen, das ihr nicht ins Gesicht blicken wollte. „Jin?"  „Bitte, geh weg!" Weg gehen? Blödsinn!  Sela ging auf die Knie und nahm ihre Freundin in die Arme, so fest sie konnte. Das Weinen fing wieder an. Sie hatte Sela doch gesagt, sie solle gehen. Allerdings war es sehr tröstlich, sanft hin und her gewiegt zu werden. Sie hätte Sela auch gerne den Gefallen getan, mit dem Heulen aufzuhören, aber sie konnte nicht! „Scht! Ist ja gut! Hey, ich weiss, was Dir helfen wird. Ich werde Dir jetzt eine schöne Tasse Tee machen!" ... Okay... .... Tee war ganz offensichtlich das falsche Wort gewesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)